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Kooperation und Konfrontation der sozialen Mächte. Zum politischen Verhalten der Wirtschaftsverbände in der Demokratie. Eine Stellungnahme zu der Arbeit von H. Abromeit | APuZ 11/1981 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 11/1981 Arbeitsbeziehungen im öffentlichen Dienst. Zur Problematik der Tarif-und Besoldungsverhandlungen Der Führungsanspruch der Wirtschaft gegenüber der Politik. Ergebnisse einer Inhaltsanalyse Kooperation und Konfrontation der sozialen Mächte. Zum politischen Verhalten der Wirtschaftsverbände in der Demokratie. Eine Stellungnahme zu der Arbeit von H. Abromeit

Kooperation und Konfrontation der sozialen Mächte. Zum politischen Verhalten der Wirtschaftsverbände in der Demokratie. Eine Stellungnahme zu der Arbeit von H. Abromeit

Rüdiger von Voss

/ 37 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In einer kritischen und weiterführenden Behandlung des Aufsatzes von Heidrun Abromeit werden im theoretischen Teil Zweifel an der Richtigkeit und Tragfähigkeit der These vom „NeoKorporatismus" angemeldet, insbesondere an der „Boykott-Theorie", die in fast allen Fällen zu fatalen Desorientierungen politischen Verhaltens führt. Im ordnungspolitischen Teil werden die wichtigsten Ansätze einer verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Sicht des modernen Verbändewesens umrissen. Nach Ansicht des Verfassers führt eine Verschärfung des Staatsversagens zu Krisen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und könnte Krisen der politischen Legitimation zur Folge haben. Diese Probleme zu sehen, schließt zugleich ein, die Frage des Gleichgewichts der sozialen Mächte im Auge zu behalten und sie dort, wo es nötig ist, zur offenen Diskussion zu stellen. Eine Analyse und Bewertung der offiziellen Politik der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände schließt sich an. Hierzu wurden die Jahresberichte dieser Spitzenorganisation der deutschen Wirtschaft von 1965 bis 1975 untersucht und in entscheidenden Aussagen dokumentiert. Dieser Teil der Arbeit versteht sich als ein Beitrag zur empirischen Verbände-forschung und soll zugleich das Wechselspiel zwischen Regierung, Parlament und den Sozial-partnern verdeutlichen. Hierbei zeigte sich, daß keine der maßgeblichen Gruppen in der Bundesrepublik dem politischen System ihre Loyalität versagt hat, selbst dort nicht, wo Interessen-divergenzen bestanden und bestehen bleiben. Der Verfasser folgert daraus die Notwendigkeit einer politischen Strategie der sozialen Mächte, die den Grundkonsens ermöglicht und fördert und dazu beiträgt, Lösungen der dringenden Probleme von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft zu erarbeiten.

I. Ausgangspunkte

Dieser Beitrag bezieht sich auf die Arbeit von Heidrun Abromeit, deren Untersuchungsgegenstand der „Führungsanspruch der Wirtschaft gegenüber der Politik" ist. Auf dem Hintergrund der sogenannten Neo-Korporatismus-Debatte versteht sich die Untersuchung Abromeits als eine „qualitative und quantitative Inhaltsanalyse" von Veröffentlichungen und Verlautbarungen von Wirtschaftsverbänden, Organisationen der Wirtschaft im Berufsverbandsbereich sowie von Veröffentlichungen und Erklärungen einzelner Repräsentanten aus verschiedenen Wirtschafts-und Unternehmensbereichen. Als Untersuchungszeitraum sind die Jahre 1965 bis 1968 und die Phase von 1972 bis 1975 angegeben, „um die Auswirkungen des Wechsels sowohl von Konjunktur-wie von politischen Lagen testen zu können“.

Es sei wiederholt: Untersuchungsgegenstand ist generell die „Staatsauffassung der Wirtschaftsöffentlichkeit" und im besonderen „der Führungsanspruch der Wirtschaft gegenüber der Politik". Erreicht werden soll eine inhaltliche und auszählbare (?) Analyse des Wechsel-verhältnisses von Staat und Wirtschaft. Das Instrumentarium hierfür ist, wie die Autorin sagt, ein „differenziertes Kategorienschema", aus dem als „Grobkategorien" bestimmte Begriffe und Schlüsselwörter als „Argumentationseinheiten“ ausgesucht wurden:

1. Staatsabwehr, 2. konservativ-technokratisches Staatsbild, 3. Forderungen an den Staat, 4. Führungsanspruch, 5. Sachzwang-Ideologie, 6. Staats-und Systemerhaltung.

Schon an dieser Stelle fragt sich der kritische Leser, was nun eigentlich beabsichtigt sein könnte. Handelt es sich um eine bloß semantische Untersuchung des politischen Sprachgewandes, das sich in Verlautbarungen von Wirtschaftsverbänden, Arbeitgebern und Unternehmern wiederfindet? Oder handelt es; sich um eine wissenschaftstheoretisch fundierte Analyse der politischen Praxis der Wirtschaft und ihrer Organisationen im Wechselspiel zu Staat, Regierung, Parlament und politischen Parteien auf der Grundlage empirisch erfaßbarer Sachverhalte? Oder handelt es sich nur um eine im wissenschaftlichen Gewand einhermarschierende . Aufklärungsschrift"? Um es gleich zu sagen: Der unkundige Leser bleibt allein gelassen bei der Suche nach einer eindeutigen Antwort. Mißverständnisse, die hätten vermieden werden können, sind deshalb unausbleiblich, ist doch der wissenschaftstheoretische Ansatz schon zweifelhaft, ganz zu schweigen von der merkwürdigen, teils diffusen und an Zitatenschätze politischer Parteien erinnernde Nomenklatur von Begriffen, ja Schlagworten, die in unmittelbarer Nähe zum Agitationsfeld der Neo-Kapitalismuskritik (bis hin zur breitgefächerten Faschismus-Diskussion) stehen.

Es sei sogleich offen ausgesprochen: Alles dies ist ärgerlich genug, insbesondere deshalb, weil der gegenwärtige Stand der Verbändeforschung eine klare Positionierung möglich macht und die wichtigsten Zielgruppen der Beilage der Wochenzeitung „Das Parlament" in den Bereichen Schule, Hochschule, berufliche Aus-und Weiterbildung, politischer Unterricht hinsichtlich der Eindeutigkeit des Ansatzes und der Zielrichtung einer derartigen Untersuchung nicht alleingelassen werden dürfen. Noch ägerlicher aber ist die vorweggenommene Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse, die diese in Frage stellen könnte: ließe „sich mittels einiger weniger Stichproben schnell zeigen, daß sich Aussagen der Wirtschaftsverbände zum Thema Staat heute von denen vor fünf oder sogar zehn Jahren nicht grundsätzlich unterschieden";

wäre „eines der Ergebnisse der Untersuchung, daß ohnehin kein kontinuierlicher Ver-änderungstrend in die eine oder andere Richtung erkennbar“ sei.

Ja und? könnte man hierzu sagen, wäre die Untersuchung selbst nicht aus theoretischer, ordnungspolitischer Sicht und auch im Blick auf die tatsächlichen Ergebnisse zu kritisieren.

II. Theoretische Kritik

Der theoretische Ansatz der Arbeit von Heidrun Abromeit ist in dem weiten Umfeld der Neo-Korporatismus-Diskussion angesiedelt, angereichert mit kapitalismuskritischen Elementen. Ohne das Ordnungsbild von Staat und Wirtschaft, Staat und Verbänden klar zu umreißen, von dem sie ausgeht, deutet doch alles darauf hin, daß der eigentliche gedankliche Hintergrund in einem Staatsbild und einer Politikvorstellung zu finden ist, der den Wirtschaftsverbänden als „intermediären Kräften“ die demokratische Legitimation bestreitet und — um es nun ganz überspitzt zu sagen — diese nur dann erträglich erscheinen läßt, wenn die ..... Machtpositionen und -ansprüche vor den übrigen demokratischen Normen gerechtfertigt werden und kontrollierbar ... sind. Von einer „demokratischen Basis-Norm“ ist die Rede.

Das ist der wesentliche Kern. Dieser sozusagen konzeptionelle Ansatz erlaubt dann auch die vollständige Ausschaltung der verfassungsrechtlichen Tatbestände, die erstaunliche Vernachlässigung der tatsächlichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten und eine Zuflucht zu meistenteils ideologischen Voreingenommenheiten gegenüber der nunmehr seit über 30 Jahren offen artikulierten Programmatik und sichtbar dargestellten Politik der Wirtschaft, ihrer Verbände und Organisationen. Rhetorisch könnte man sagen: Dies geschah, weil nicht sein kann, was nicht sein darf! Politisch ließe sich fragen, ob hier Zielvorstellungen angesiedelt sind, die die Beseitigung der organisierten Interessen zur Voraussetzung einer „herrschaftsfreien Gesellschaft“ machen (und sei es über eine verstärkte „basisdemokratische“ Kontrolle). Angesichts dieser Einschätzungsmöglichkeiten wäre es sinnvoll und nützlich gewesen, den Stand der wissenschaftlichen Verbände-forschung kurz zu umreißen und den eigenen Standpunkt unmißverständlich darzustellen und — wenn nötig — zu rechtfertigen. Zweifel wissenschaftlichen Richtigkeit und an der Tragfähigkeit derartiger politologischer Ansätze, wie dem von Heidrun Abromeit, gibt es genug. Der von ihr zitierte Bodo Zeuner hat schon 1976 in seinem Aufsatz „Verbandsforschung und Pluralismustheorie" eindringlich auf die Schwächen einer Verbändetheorie hingewiesen, die sich weitgehend als „pressuregroup'-Forschung darstellt 1). Er warnte vor einer Sichtweise, die sich die Arbeit der wirtschaftlichen Interessenverbände nur unter dem Stichwort eines „Boykotts“, einer planmäßigen und zielgerichteten Erpressung des demokratischen Staates vorstellen könne, führt sie doch in fast allen Fällen zu „fatalen Desorientierungen politischen Verhaltens" 2).

Daß dies auch für die Arbeit von Heidrun Abromeit in weiten Passagen gilt, wird noch zu beweisen sein. Gleich zu Beginn ihrer Ausführungen bewertet sie das Handeln der Wirtschaftsverbände und erhebt den schwerwiegenden Vorwurf undemokratischen Verhaltens. Sie sagt, die Wirtschaftsverbände hätten sich zur „legitimatorischen Überhöhung“ ihrer Ansprüche ein „spezifisches Normensystem aufgebaut, das um die Topoi Sachkunde und Gesamtverantwortung" kreise. Wörtlich heißt es dann: w .. Beide sind indes im Sinne des Legitimationssystems der Demokratie fragwürdig. Vor allem die Argumentation mit der Sachkunde enthält eine ausgeprägt a-demokratische Komponente ... Noch schärfer formuliert sie anschließend: ..... Die Betonung der Expertenrolle intendiert statt eines demokratischen ein technokratisches System, in dem Führungsrechte mit Sachverstand legitimiert sind. Das Ausspielen der unternehmerischen Gesamtverantwortung dagegen will letztlich die Frage nach besonderer Legitimation überhaupt als müßig hinstellen.“ Es erstaunt dann nur noch am Rande, daß zum Beweis dieser These großzügig — ausgerechnet — Herbert Krüger mit seiner Allgemeinen Staatslehre als Zeuge einer konservativen Staatslehre vereinnahmt wird

Abgesehen davon, daß Heidrun Abromeit die Beweisführung derartig schwerer Vorwürfe nicht gelungen ist, hat sie auch hier die Warnung von Bodo Zeuner übersehen, der hinsichtlich der sachlichen, insbesondere wirtschaftlichen Gegebenheiten und auch Zwänge einer hochindustrialisierten Gesellschaft anmerkt: w .. Wo ökonomische Systemzwänge sich auf das Staatshandeln auswirken, müssen sie entweder ignoriert oder als Ergebnis bewußten Drucks mächtiger kapitalistischer Interessengruppen fehlinterpretiert werden." Gemeint ist hier nichts anderes als der theoretische Ansatz, in dessen Schutz sich auch Heidrun Abromeit geflüchtet hat, befreit er doch von der Notwendigkeit, die tatsächliche politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie ihre Folgen für das Handeln von Staat und Gesellschaft zu berücksichtigen.

Angesichts der hier beschriebenen Gefahr fataler Desorientierungen sowohl der Analyse als auch des daraus erwachsenden politischen Verhaltens erfährt der sachlich-nüchteri Hinweis Bodo Zeuners auch durch die Arbe von Heidrun Abromeit eine erneute Bestäl gung: w .. Eine nicht etatozentrische Verbäi deforschung ... zeichnet sich also nicht d durch aus, daß sie die Rolle des Staats oder di von ihm gesetzten oder garantierten Recht normen außer acht läßt, sondern dadurch, de sie Organisierung gesellschaftlicher Intere sen unabhängig von ihrer Zielrichtung auf d. politische System'als politisch begreift ur daher die Staatsbezogenheit von Verband handeln als einen Faktor — und als kritisch Kategorie — in die Analyse von Prozessen g sellschaftlicher Interessenartikulation und h teressendurchsetzung einzubeziehen ve mag."

Genau hierin liegt die entscheidende theoret sehe und damit zugleich politisch-analytisch Schwäche der Arbeit von Heidrun Abromei Hätte sie dagegen die politischen, wirtschaftl eben und sozialen Tatsachen im Auge beha ten, die auf das Handeln des Staates ebens einwirken wie auf das Agieren der gesel schaftlichen Gruppen, wäre sie notwendige: weise zu anderen Ergebnissen gekommen.

III. Ordnungspolitische Kritik

Greift man diesen Hinweis auf, so gilt es kurz zu erklären, was die Eigentümlichkeit ordnungspolitischer Sichtweise ausmacht. Generell kann gesagt werden: Sinn und Zielsetzung der Teilbereiche, wie hier des Auftrages und Handelns der Verbände, können nur dann richtig erkannt und erklärt werden, wenn die Einbettung des Teilbereichs in die Gesamtordnung nicht geleugnet, sondern erkannt und anerkannt wird. Wird diese Einbettung und Verankerung der Teilbereiche in die Gesamt-ordnung einer freiheitlich-sozialen, rechtsstaatlich-demokratisch strukturierten Gesellschafts-und Wirtschaftsordnung geleugnet, wird der Teilbereich ideologisch isoliert betrachtet, so ist es nicht mehr möglich, die staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen, die jeweilige Ordnung der Teilbereiche sinnvoll in den Gesamtzusammenhang einzuordnen und einen Konsens, eine politische Verständigung über die Regeln zu erreichen, die bestehen und erhalten bleiben müssen, sollen die Zielsetzungen einer freiheitlichen, rechtsstaatlich-demokratischen, sozialen Ge sellschafts-und Wirtschaftsordnung erreich und weiterentwickelt werden können Die Leugnung des Bestehens einer Gesamt Ordnung und der Abhängigkeit der Struktu der Teilbereiche von dieser Gesamtordnun; muß notwendigerweise zur Folge haben, da von unterschiedlichen Prämissen her argu mentiert wird und die Zusammenhänge aufge löst werden, die ihren Ausdruck im Grundge setz der Bundesrepublik Deutschland in al den Gesetzen und Teilregelungen gefundei haben, die die Sozial-Wirtschaftsverfassun unserer freiheitlich-sozialen Gesamtordnun ausmachen. Damit kein Anlaß zu der Behaup tung besteht, genau dies könnte einen de Vorwürfe Heidrun Abromeits rechtfertigen Die hiermit befürwortete Anerkennung ord nungspolitischer Zusammenhänge schließ! die kritische Betrachtung der Ordnung undih rer Teilbereiche, die Lokalisierung von Mißständen und Fehlentwicklungen keineswegs us. Oie Grenze einer Systemkritik scheint je-loch dort erreicht, wo die freiheitlich-soziale, echtsstaatlich-demokratische Gesamtordiung und die ordnungspolitischen Zusamnenhänge der Teilbereiche untereinander ind die hieraus erwachsende Verantwortung segenüber den entscheidenden Verfassungsleboten geleugnet oder ideologisch einseitig etrachtet werden.

Dies zum theoretischen ordnungspolitischen Ansatz, der auch diese Betrachtung bestimmt ind der davon ausgeht, daß eine Vernachlässi-ung oder bewußte Leugnung der verfassungs-echtlichen Gegebenheiten auch im Hinblick iuf die Interessenverbände nur zu Fehlbeur-eilungen führen kann.

Wenn hier auch nicht ausführlich die verfassungsrechtliche Lage dargestellt werden kann, 30 sei wenigstens auf das Wichtigste hinge-wiesen

— Nach Artikel 9 Abs. 1 des Grundgesetzes ist die Bildung von Verei Abs. 1 des Grundgesetzes ist die Bildung von Vereinigungen als Grundrecht geschützt und durch Artikel 9 Abs. 3 in ler arbeitsrechtlichen Koalitionsfreiheit die bewußte Hinwendung zur Bildung von Massenorganisationen vollzogen. In diesem Sinne ist das Verbandswesen Schutzobjekt des Grundrechtskataloges 8).

— Die Verbände organisieren die Ausübung von Freiheitsrechten. Sie leisten damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Realisierung individueller Freiheit. Dies gilt im Grundsatz selbst dort, wo es zur Vernachlässigung von Interessen kommt, die sich entweder nicht organisieren lassen oder sich gegen die Übermacht großer Interessenzusammenschlüsse nicht durchzusetzen vermögen (sog. Neue Soziale Frage 9). — Die Teilnahme der Verbände an der staatlichen Willensbildung „stellt nicht ein notwendiges Übel, sondern eine wertvolle Ergänzung von egalitärer Wahl und Mehrheitsentscheidung dar"

— Die Bundesrepublik Deutschland ist ein sozialer Rechtsstaat. Dem sozialstaatlichen Aspekt zufolge sind dem Staat in umfassender Weise Aufgaben der Daseinsvorsorge zugefallen. „Je umfassender der Staat ordnend, regelnd, steuernd, Leistungen erbringend, fördernd, stützend und ausgleichend in Wirtschaft und Gesellschaft eingreift, um so mehr Gruppen melden sich zu Wort, formulieren ihre Bedürfnisse und Belange, versuchen ihre Anteile am Sozialprodukt zu sichern...der Staat (Parlamente, Politiker, Verwaltung) wäre völlig überfordert, wollte er ohne die durch die einschlägigen Verbände vermittelten Informationen gesetzgeberisch tätig werden ... Wir können also sagen, daß die Verbände ... zur bundesdeutschen Verfassungswirklichkeit gehören wie die Finanzämter, Parteien oder Polizeidienststellen."

— Die von der Verfassung geschützte Autonomie der Tarifvertragsparteien (Arbeitgeber-verbände, Gewerkschaften) begrenzt damit gezielt den Entscheidungs-und Handlungsspielraum des Staates in den Bereichen der Wirtschafts-und Sozialpolitik. „Ohne ein Mindestmaß an Zustimmung der Verbände kann keine Regierung ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen verwirklichen."

— Dem modernen demokratischen Staat gelingt es nur dann den Kern der „inneren Souveränität" — also den Ort, wo letztlich entschieden wird (notfalls auch gegen die organisierten Interessen) — zu bewahren und seine Handlungsfähigkeit zu gewährleisten, wenn es gelingt, zwischen Staat, Unternehmen und Gewerkschaften Kooperation zu gewährleisten. Insoweit sind Staat, Gewerkschaften und Arbeitgeber-und Wirtschaftsverbände aufeinander angewiesen und miteinander verbunden, nicht zuletzt unter dem Aspekt der „Sozialpflichtigkeit" des jeweiligen Verhaltens Dies zur verfassungsrechtlichen und ordnungspolitischen Dimension der Fragen, die die eigentliche Problematik, des Verhältnisses zwischen dem demokratischen Staat und den organisierten Interessen ausmachen.

Ein weiterer Blick auf die Wissenschaft zeigt, daß sich die Problemlage in der letzten Zeit derart entwickelt hat, daß sich die Forschung in immer stärkerem Maße von der tradierten „Verbändeforschung" abwendet und nach einer „geschlossenen Theorie des Staatsversagens“ sucht. Untersuchungsansätze sind insoweit: die Unwirtschaftlichkeit im Staatssektor, der verschwenderische öffentliche Umgang mit Steuergeldern, zu hohe Preise staatlicher Leistungserbringung, eine marktwirtschaftlich orientierte Bürokratiekritik, die problematische Trennung von Nutzern und Zahlern bei öffentlichen Leistungen, das Fehlen von Erfolgskontrollen und materiellen Effektivitätsanreizen im Verwaltungsapparat, die Kosten-effekte der gewerkschaftlichen Selbstorganisation der Staatsdiener, strukturelle Hemm nisse von Produktivitätssteigerungen, di« wachsende Unüberschaubarkeit des Budget mechanismus u. ä.

Alles dies sind Elemente und Erscheinungen die das moderne Wechselverhältnis zwischen Staat, Regierung, Parlament, Parteien und Verbänden zunehmend bestimmen und das politische wie funktionelle Staatsversagen wichtiger erscheinen lassen als den Versuch, die Mängel der politischen Führung einseitig im Handeln der organisierten Interessen suchen zu wollen. Heißt es doch bei Martin Jänicke w.. eine Radikalisierung von Staatsversagen ... dürfte Krisen der Ökonomie und/oder Krisen der politischen Legitimation zur Folge haben“

Von alledem ist bei Heidrun Abromeit keine Rede, obwohl es sich um Problemlagen handelt, die das Verhältnis von Staat und Wirtschaft seit langem bestimmen.

IV. Zum Handeln der Arbeitgeberverbände im demokratischen Staat

Heidrun Abromeit erhob in ihrer Arbeit neben den schon erwähnten Vorwürfen insbesondere zwei, denen an einem konkreten Beispiel nachgegangen werden soll. Sie behauptet zum einen, daß die Einstellung der Wirtschaft zur freiheitlichen Ordnung von dieser ausschließlich daran gemessen werde, ob die Funktionsfähigkeit der unternehmerischen Wirtschaft durch das Handeln des Staates gefährdet werde. Sie sagt zur Wirtschaft gewandt:..... Da ihretwegen die Funktionsfähigkeit der unternehmerischen Wirtschaft nicht gefährdet werden darf, muß der Staat . darauf verzichten, sich diese Wirtschaft zu unterwerfen'(Wolfgang Pohle), kann und darf der Staat der Wirtschaft nicht diktieren, bleibt nichts anderes übrig, als daß die Wirtschaft es dem Staat gegenüber tut... Da der Staat sich indessen offenbar nur ungern diktieren läßt, manifestiert sich der Führungsanspruch — wiederum vor allem in Krisenzeiten — am häufigsten in der Form der Drohung."

Nicht genug damit. Heidrun Abromeit sieht in der „Schein-Objektivierung der eigenen Interessen zum Sachzwang“ den eigentlichen Kern a-demokratischen Verständnisses und Verhaltens der Wirtschaft gegenüber dem Staat: w.. Die Behauptung, daß ihre Führungsfunktion sich auf die Kenntnis von Sachgesetzen stützt, soll dabei die eigene Position wie den gesamten Wirtschaftsbereich kontroverser Diskussion entziehen — gegen Sachzwänge können sich schließlich nur Unwissende oder Böswillige stellen. Darin verrät sich die a-demokratisehe Komponente der Sachlichkeits-Ideologie: Hinter ihr steht das Wunschbild eines expertenorientierten oligarchischen Systems, in dem Parteipolitiker allenfalls als ausführende Organe der Experten ihren Platz haben und aus dem die nicht kalkulierbaren demokratischen Prozesse als Störfaktoren weitestgehend eleminiert sind.“

So weit, so gut. Diese Äußerungen als eindringlicher Beleg der Zielrichtung der gesamten Arbeit gaben Anlaß zu dem Versuch, an dem konkreten Beispiel der Jahresberichte der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände als der offiziellen Verdeutlichung der Grundhaltung und Strategien der deutschen Arbeitgeber darzustellen, wie sich das Verhältnis der Wirtschaft zu Staat und Gesellschaft unserer Zeit in Wirklichkeit präsentiert. Die Frage war also: Lassen sich in den Jahresberichten von 1965 bis 1975 die Vorwürfe rechtfertigen, die Heidrun Abromeit durch ihre Recherchen bestätigt sieht? Oder müßte man nicht zu dem nüchternen Schluß von Jürgen Weber kommen, der im Rückblick auf dreißig Jahre Bundesrepublik und trotz oftmals tiefgreifender Interessenkollisionen und widerstreitender Forderungen an die staatlichen Entscheidungsträger sagt: w.. Keine maßgebliche Gruppe hat dem politischen System ihre Loyalität versagt“

Dies gilt es nunmehr darzustellen:

Der Jahresbericht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände von 1965 wird in seinem Gesamtüberblick eingeleitet durch die Darstellung und Kommentierung der sozial-und gesellschaftspolitischen Grundsätze der Regierungserklärung von Bundeskanzler Prof. Erhardt vom 10. November 1965. In dieser hieß es

.... An die Adresse der Sozialpartner gewandt, sagte der Bundeskanzler: Das gleiche hohe Maß an Disziplin, daß das deutsche Volk mit Recht vom Staat verlangt, muß aber auch von den Sozialpartnern hinsichtlich der Preis-, Lohn-und Arbeitspolitik gefordert werden.

Die Bundesregierung steht auf dem Boden freier Unternehmerentscheidung und der Tarifautonomie, die beide und zusammen unverzichtbare Bestandteile unserer freiheitlichen Wirtschafts-und Sozialordnung sind. Die Sozialpartner verletzen jedoch ihre Pflicht, wenn sie sich auf Kosten der Allgemeinheit einigen Hierzu sagte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände kommentierend: .... Die Bundesvereinigung hat sich von jeher zu einer verantwortlich gehandhabten Tarif-autonomie als dem unverzichtbaren Gegenstück zur freien Unternehmensentscheidung in wirtschaftlichen Fragen bekannt. Sie spricht die Hoffnung und Erwartung aus, daß die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen die Bereitschaft zur Einsicht in das wirtschaftlich Notwendige bei allen verantwortlichen Kreisen der Sozialpartner stärken wird. Sie begrüßt den Hinweis der Regierung, daß nur koordiniertes Handeln aller Beteiligten geeignet ist, die Probleme zu lösen und daß die Regierungserklärung sich unmißverständlich für ih-ren Bereich zu dieser Verantwortung bekennt. Wenn der Bundeskanzler in Aussicht stellt, daß die Bundesregierung mit den Repräsentanten aller wichtigen sozialen Gruppen einen regelmäßigen, häufigeren, umfassenden und intensiven Dialog einleiten werde, so kann er der Bereitschaft der deutschen Arbeitgeber, sich diesem Dialog zu stellen, gewiß sein.“

Der Jahresbericht schließt diesen ersten politischen Teil dann mit den Worten: „Die Regierungserklärung vom 10. November 1965 zeigt die Vielzahl der sozial-und gesellschaftspolitischen Probleme auf, die vor dem Hintergrund unserer gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Gesamtlage zu lösen sind, wenn wir unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung und unsere wirtschaftliche Kraft weiterentwickeln wollen. Die in der Bundesvereinigung zusammengeschlossenen deutschen Arbeitgeber sind bereit, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um diese Ziele verwirklichen zu helfen. Sie geben der Erwartung Ausdruck, daß die praktische Politik von Bundesregierung und Bundestag während der kommenden vier Jahre in Übereinstimmung mit der grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Zielsetzung der Regierungserklärung durchgeführt wird.“ Diese gesamtstaatlich orientierte Verantwortung wurde im Jahresbericht der Bundesvereinigung von 1966 wiederholt. Als Sprecher des Gemeinschaftsausschusses der deutschen gewerblichen Wirtschaft anerkannte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Prof. Balke, daß den politischen Instanzen die Möglichkeit zum Handeln im Interesse der ganzen Volkswirtschaft gegeben werden müsse An die Vorsitzenden der Fachspitzenverbände gerichtet sprach er die dringende Bitte aus — angesichts der damaligen schwierigen wirtschaftlichen Lage —, ihren ganzen Einfluß zur Durchsetzung einer gesamtwirtschaftlich vertretbaren Tarifpolitik geltend zu machen. Wörtlich hieß es dann: „Wenn der Gesetzgeber die Wahrung der Tarifautonomie als unverzichtbaren Bestandteil unserer freiheitlichen Wirtschaft anerkenne, so müßten die Tarifpartner die Stabilisierungsbemühungen durch eine gesamtwirtschaftlich verantwortliche lohn-und tarifpolitische Gestaltung unterstützen."

Der Jahresbericht 1967 setzt bei dem weitreichenden politischen Ereignis der Auflösung der Koalition zwischen CDU/CSU und FDP und der Gründung der Regierung der „Großen Koalition" unter Bundeskanzler Kiesinger ein. In der Darstellung der Konzeption, Erfahrungen und Probleme der „Konzertierten Aktion"

bekannte sich die Bundesvereinigung ausdrücklich zum Primat der Politik, zur verfassungsrechtlichen Stellung der parlamentarischen Körperschaften und der Regierung, zu dem verantwortlichen Zusammenwirken staatlicher und nichtstaatlicher Kräfte,..... jener Mischung von Freiheit und selbstauferlegter Bindung, die in einer pluralistischen Gesellschaft erwartet werden muß, damit eine freiheitliche Ordnung funktionieren kann .. .

Der Jahresbericht 1968 würdigt — nach Über-windung der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Phase der Jahre 1966/1967 — w .. die Stabilität unseres demokratischen Sy. stems in der Bundesrepublik", die „von der wirtschaftlichen und äußeren Sicherheit"

ebenso abhänge „wie von dem Freiheits-und Ordnungsbewußtsein seiner Bürger". Neben den politischen Leistungen der Großen Koalition wurden die Beiträge der Unternehmen ebenso hervorgehoben, „die sich in der Vergangenheit wie aber auch in der kritischen Rezessionsphase selbst verantwortungsvoll und sozial verhalten haben", wie das politische Verhalten der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften, „die in der Lohnpolitik Vernunft übten, die sich vor allem von radikalen intellektuellen Minderheiten klar distanzierten, sich nachhaltig zu diesem Staat bekannten."

In Abwehr der damals ausbrechenden politischen Unruhen (Studentenunruhen Ostern 1967, Demonstrationen gegen die Notstands-gesetzgebung) setzten die Arbeitgeber „den Extremen von der totalen Machbarkeit des Zusammenlebens der Menschen nach rationalen und technokratischen Programmen einerseits und der irrationalen Verheißung einer neuen Welt der Humanität und der grenzenlosen Freiheit für den einzelnen andererseits" ihr Bekenntnis zu einer freiheitlichen Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung entgegen und bekannten sich ausdrücklich zu den „eigentlichen Funktionsmechanismen unseres Systems, die sich hinter den normativen Rahmenbedingungen der demokratischen Ordnung abspielen, sie aber letztlich bedingen und ihren Erfolg ausmachen . ,."

In einem eigenen Kapitel „Freiheitlich-soziale Ordnung — heute und morgen“ verpflichteten sich die Arbeitgeber dazu, „zu einer konsequenten Weiterentwicklung unserer Gesellschaftsordnung" beizutragen. Es hieß dann:.... Sie tun dies aus sozialer Verantwortung und in der Einsicht, daß die Existenz unseres Volkes auf dem Leistungswillen von Unternehmern und Arbeitnehmern beruht. Ein solcher Beitrag gründet auf dem Bekenntnis zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung, die wie keine andere Wohlstand und Fortschritt ermöglichte."

Auf die Zukunft projektiert wurde gesagt:.... Eine Fortentwicklung scheint aber nur dann gewährleistet, wenn die Eigenverantwortung des einzelnen gestärkt wird, wenn die Konzepte zu einer verstärkten Integration des einzelnen in Betrieb und Gesellschaft von dieser Basis ausgehen.“ In Erkenntnis notwendiger Wandlungsprozesse in allen Lebensbereichen stellten sich die Arbeitgeber eben der Modernität und Anpassungsnotwendigkeit, wenn es hieß:..... Sie (die Konzepte, d. Verf.) müssen in Rechnung stellen, daß ökonomische Ungleich-gewichte und gesellschaftliche Konflikte zur Lösung der Instrumente bedürfen, die die Wissenschaft heute anbietet, andererseits aber auch, daß eine solche Politik realistisch von den sehr differenzierten Gegebenheiten einer pluralistischen Gesellschaft auszugehen hat.“ Ausdrücklich wird „die solidare Einstellung zu grundlegenden Teilaspekten unserer gesellschaftlichen Ordnung“ hervorgehoben. In geradezu aktueller Weise wird der loyal-kritische Ansatz verdeutlicht, den selbst die gesellschaftspolitischen Gegner der Arbeitgeber unschwer teilen können:..... Vornehmstes Prinzip unserer Verfassung ist, den Bürger vor einer unnötigen Übermacht des Staates zu schützen. Selbstverwaltung und Selbstverantwortung, die den Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten gegeben sind, bilden die Grundlage der sozialen Ordnung. Sie ermöglichen zugleich die autonome ökonomische und soziale Anpassung an die Erfordernisse der Zeit und machen einen Gesetzesperfektionismus überflüssig."

Zieht man an dieser Stelle den Beitrag „Freiheitliche soziale Ordnung — heute und morgen" vom 8. Oktober 1968 selbst zu Rate, so zeigt sich überdeutlich, daß nichts mehr verfehlt ist, als den Arbeitgebern und damit der gesamten deutschen Wirtschaft unterstellen zu wollen, sie hätten sich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Weg gestellt und diese möglicherweise torpediert. Auch in dieser Grundsatzerklärung stellen sich die deutschen Arbeitgeber auf den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und bejahen die Notwendigkeit einer ständigen Weiterentwicklung der freiheitlich-sozialen Ziele der Gesellschaftspolitik Persönliche Freiheit, Sicherheit, materieller Wohlstand und soziale Gerechtigkeit für jeden einzelnen Bürger dieses Staates müssen auch in Zukunft entscheidende Ziele der Gesellschaftspolitik sein. Dann wird die von jedermann erstrebte verstärkte Integration aller Angehörigen unseres Volkes in unsere Gesamtordnung verwirklicht werden. Dieses Ziel kann nicht von einer gesellschaftlichen Gruppe allein erreicht werden. Es bedarf der Mitwirkung jedes einzelnen, der Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Gruppen und einer folgerichtigen staatlichen Gesellschaftspolitik. .."

Der Jahresbericht 1969 fiel mit dem Ende der Großen Koalition zusammen. In Würdigung der politischen Arbeit und angesichts der damals bestehenden Probleme, die sich notwendigerweise aus der Beendigung dieser Koalitionsregierung ergaben, wurde nüchtern festgestellt „... Gleichwohl ist am Ende dieses 2'/2jährigen Geschichtsabschnitts festzustellen, daß wichtige wirtschafts-und finanzpolitische Ziele erreicht, wesentliche Rahmenbedingungen verbessert wurden und ganz allgemein eine gewisse gesellschaftspolitische Beruhigung wieder eingekehrt ist." Diese Bewertung und die Aufforderung, die politischen Fehler der Vergangenheit, „politisch-vordergründige Opportunität" aufzugeben, bildeten auch die Grundlage für eine realistische Einstellung auf die neue Regierung, von der Handlungsfähigkeit und klare Entscheidungen erwartet wurden. Von einer Abwehrhaltung gegen die neue Koalitionsregierung, getragen von SPD und FDP, ist jedenfalls keine Rede, sondern vielmehr von einer unmißverständlichen Klarstellung der ordnungspolitischen Grundsätze und essentiellen Voraussetzungen für eine Politik, die der Regierung Handlungsmöglichkeiten aufzeigte und den Tarifparteien ermöglichen sollte, das Primat der Politik anerkennend, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Nichts anderes ist gemeint gewesen, wenn es hieß „... Die Tarifparteien sind dann überfordert und die Tarifautonomie leidet Schaden, wenn die staatliche

Wirtschafts-und Konjunkturpolitik handlungsunfähig ist...

Wendet man sich nunmehr dem zweiten Untersuchungszeitraum 1972 bis 1975 zu, so läßt sich auch hier zu den Ausgangsthesen von Heidrun Abromeit sagen, daß sie die politische Grundlinie der Arbeitgeber verfehlen. Die Wahlen zum VII. Deutschen Bundestag ließen die beiden Regierungsparteien SPD und FDP gestärkt in den Bundestag zurückkehren und eine stabilere Mehrheit bilden als im letzten Parlament. Diese Feststellung ist der Ausgangspunkt der Arbeitgeber 1972. Wurden auch sogleich Sorgen artikuliert, ob die marktwirtschaftlichen Bekenntnisse aller Parteien.... noch mit der Praxis übereinstimmen und die bisherige wirtschaftliche Ordnung nicht in ihrer Grundlage als gefährdet betrachtet werden muß ..", so ergibt sich doch die überparteiliche, loyale und kritisch-kooperative Einstellung zu Regierung, Parlament und Parteien aus folgenden Sätzen des einleitenden Kapitels des Gesamtüberblicks ,,... Die neuen Regierungsparteien übernehmen eine hohe Verantwortung, aus ihrer Bejahung der Marktwirtschaft zu glaubhaftem politischen Handeln zu kommen. Der Opposition wird auch weiterhin die wichtige Rolle zufallen, zur soliden Fortentwicklung unserer Ordnung beizutragen und darüber hinaus Wächter über das innere Gefüge dieses Staates zu sein. Die Unternehmer aber müssen in verstärktem Maße der Öffentlichkeit und den Politikern die Bedeutung dieser Zusammenhänge und ihr eigenes Wollen deutlich machen, um das Ihre zum Bestand unserer Ordnung beizutragen..."

Wurde auch vor der „ideologischen Abkehr von der auf Bewährtem aufbauenden Verbesserung dessen, was in den vergangenen 25 Jahren Schritt für Schritt erreicht wurde", gewarnt und gegen die Kräfte pointiert Stellung genommen, die auf die Veränderung unserer Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung gerichtet seien, so verpflichtete dieser Geschäftsbericht die Arbeitgeber doch auf die Notwendigkeit, von sich aus für eine Erhaltung des Gleichgewichts der Kräfte — bei gleichzeitiger Anerkenntnis eigener Macht-begrenzung — beizutragen und mit der Regierung im gesamtstaatlichen Interesse zu kooperieren. Diese Einordnung in Demokratie und plurale Ordnung spricht aus zwei Zitaten des Gesamtüberblickes dieses Jahresberichts w .. Die wesentliche Voraussetzung des Funktionierens der Tarifautonomie ist neben einer stabilen Wirtschaftspolitik das Gleichgewicht der Kräfte. Dieses liegt im Interesse von Gesellschaft und Staat und sollte deshalb gezielt aufrechterhalten und erforderlichenfalls gestärkt, in keinem Fall aber — wie es angestrebt wird — einseitig zu Lasten der Arbeitgeber verschoben werden. Das gleichmäßige Spannungsverhältnis ist ein maßgeblicher Bestandteil der politischen Stabilität der Bundesrepublik." „.. Die Unternehmerschaft hat unter allen Regierungen kooperativ unsere freiheitliche Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung mitgetragen. Wechselnde Mehrheiten zählen zu diesem Rahmen ebenso wie die Achtung und Beachtung unterschiedlicher Standpunkte. Das schließt die gegenseitige Verketzerung aus. Allerdings nimmt die Unternehmerschaft auch für sich das Recht in Anspruch, ihre ordnungspolitischen Vorstellungen mit Nachdruck in der Öffentlichkeit gegenüber den Parteien und allen anderen Institutionen der pluralistischen Gesellschaft zu vertreten. Sie ist offen für deren Fortentwicklung entsprechend den sich mit der Industriegesellschaft wandelnden Anforderungen. Zum kritischen und konstruktiven Dialog war und ist sie bereit. Sie wird allerdings auch in Zukunft nicht zögern, sich anbahnende Fehlentwicklungen beim Namen zu nennen, hart zu kritisieren und zu bekämpfen. Sie wird unsere soziale Marktwirtschaft verteidigen. Durch Ausgewogenheit im Urteil und durch praktisches Handeln, durch den Appell an alle Gutwilligen gilt es, die politische Polarisierung zu überwinden. Nüchterne Besinnung auf die Grundlagen unserer freiheitlichen Ordnung ist die Plattform für eine leistungsfähige Wirtschaft und Gesellschaft, die auch die Aufgaben der Zukunft meistert. Wirtschaftliche und politische Stabilität sind heute die dringendsten Anliegen."

Dem Gesamtüberblick des Jahresberichts 1973 kommt nun deshalb große Bedeutung zu, weil er mit dem 25-jährigen Bestehen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-verbände zusammenfiel, die am 28. Januar 1949 von 23 fachlichen und acht überfa Januar 1949 von 23 fachlichen und acht überfachlichen'Arbeitgeberverbänden als „sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft der Arbeitgeberverbände des vereinigten Wirtschaftsgebietes" gegründet worden war.

Als wesentlicher Eckpfeiler einer „neuen sozialen Ordnung" wurden damals — im Jahr 1949 — folgende Prinzipien genannt 27) .......... Sozialer Frieden — gleichgewichtige Partnerschaft — unternehmerische Entscheidungsfreiheit — soziale Markt-und Wettbewerbs-wirtschaft — Selbstverwaltung — Tarifautonomie — Versachlichung der Lohn-und Tarifpolitik — soziale Sicherung und soziale Betriebs-gestaltung." Ausgehend von diesen Ordnungsvorstellungen wurde dieses Modell jedoch zugleich der Zukunft geöffnet und nicht dogmatisiert, — eine Tatsache, die gerade von den Ideologen nicht zur Kenntnis genommen wird, die diesen Neubeginn bis zum heutigen Tage großzügig unter Stichworte wie „Absage an soziale Demokratie", „reaktionärer Neubeginn" subsumieren.

Die undogmatische Haltung wird insbesondere durch die erste Grundsatzerklärung der Arbeitgeber vom März 1953 „Gedanken zur sozialen Ordnung" dokumentiert 28):..... Zu den zentralen Anliegen unserer Zeit gehört das Ringen um die soziale Ordnung, gehört der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit, Sicherheit und staatsbürgerlicher Freiheit... Die Schwierigkeiten einer solchen Aufgabe sind freilich unverkennbar, denn es ist ein Irrtum anzunehmen, man könne eine ideale Ordnung für die Millionen eines Volkes im Modell entwerfen und dann modellgetreu verwirklichen. Die Lösung kann nach den bitteren Erfahrungen der letzten fünfzig Jahre deutscher und europäischer Geschichte offensichtlich nicht darin liegen, mit Ideologien die Wirklichkeit zu vergewaltigen. Der umgekehrte Weg bietet sich an: aus der Wirklichkeit des Daseins, aus der Schöpfungsordnung der Welt die Eigengesetzlichkeiten für das Zusammenleben der Menschen zu erforschen und von dieser Grundlage aus ein System praktischer Maßnahmen zu begründen. ..

Dem sozialstaatlichen Prinzip wurde damit ein Rang eingeräumt, der ohne politische Selbst-verpflichtung und ohne Anerkenntnis dynamischer Veränderungsmöglichkeiten leerliefe: ..... Es ist Aufgabe unserer Sozialordnung, ein höchstmögliches Maß an sozialer Gerechtigkeit, Sicherheit und Freiheit zu gewährleisten. Das entspricht dem sozialen Gewissen unserer Zeit, und das ist der Wille der deutschen Unternehmer.." Das hieraus resultierende Spannungsverhältnis zwischen Sozialstaatsgebot und wirtschaftlicher Interessenwahrnehmung wurde gesehen und damit zugleich erkannt, daß eigene Forderungen möglicherweise den sozialen Zielen würden weichen oder zumindest angepaßt werden müssen: w.. Sozial nennt man diese Marktwirtschaft, weil ihre Verfechter, zu denen auch die Unternehmer gehören, entschlossen sind, mit ihr als Grundlage der Güter-erzeugung und Güterverteilung zugleich das mögliche Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit zu verwirklichen... Die Wirtschaftsordnung wird aber ihrem Wesen nach verkannt, wenn sie zugleich für die Sozialordnung allein oder auch nur hauptsächlich verantwortlich gemacht wird. Die Sozialordnung trägt vielmehr ihre Gestaltungsnotwendigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten selbständig in sich."

An anderer Stelle heißt es „... Daß diese Marktwirtschaft von Anbeginn eine soziale Marktwirtschaft sein sollte, verpflichtet zum politischen Handeln. Der Pseudoprogressivität der Systemkritiker, für die die gesellschaftlichen Verhältnisse an allem Schuld sind, muß die aktive und überzeugende Fortentwicklung dieser Ordnung entgegengesetzt werden, die auf den Markt als Steuerungs-und Motivierungsinstrument nicht verzichtet, dabei aber auf individueller Freiheit, persönlicher Verantwortung und sozialer Verpflichtung begründet ist."

Selbst dann, wenn man bereit ist, den appellativen Charakter solcher Sätze zu berücksichtigen, so bleibt als Kern das Bewußtsein und die Bereitschaft erkennbar, sich auf dem Wege des Interessenausgleichs und Kompromisses den notwendigen Wandlungsprozessen zu stellen. Dies ist aber weit entfernt von den Haltungen, die noch die Weimarer Republik zu „Jedermanns Vorbehaltsrepublik" werden ließen, mit der schwerwiegenden Folge, daß aus der politischen Konfrontation zwischen Staat und Gesellschaft sowie der daraus resultierenden sozialen Divergenzen eine umfassende Zerstörung der freiheitlichen Ordnung erwuchs. Würde nämlich etwas anderes als tatsächlicher politischer Befund zu dem Verhältnis Wirtschaft und sozialer Rechtsstaat zu konstatieren sein, hätten sich die Unternehmer und ihre Arbeitgeberverbände schon gar nicht auf den Weg einer Neuordnung einlassen dürfen, deren Stationen an folgenden Stichworten abzulesen sind: an den Arbeits-Schutzgesetzenwie Kündigungsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Schwerbehindertengesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz, den Regelungen der Lohnfortzahlung und der Betriebs-und Unternehmensverfassung sowie der Sozialversicherungsgesetze, der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, der Krankenversicherung, der Unfallversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand (soweit sie bis heute angesichts der politischen und verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten verwirklicht werden konnte) und der Verantwortlichkeiten in der Sozial-und Arbeitsmarktverwaltung, in der Arbeits-und Sozialgerichtsbarkeit bis hin zur Konzertierten Aktion und ähnlichen Institutionen in Einzelbereichen der Kooperation zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft

Nichts anderes gilt für die Entwicklung der Gesetzgebung und institutionell gesicherten Mitarbeit der Sozialpartner im europäischen und internationalen Bereich • Eine detaillierte Untersuchung der Zusammenarbeit der deutschen Sozialpartner in der „Internationalen Arbeitsorganisation“ (IAO), im Vorfeld und in den Gremien der Europäischen Gemeinschaft, in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) würde zeigen, daß die deutschen Organisationen der Arbeitgeber und Gewerkschaften gerade dort trotz aller Streitfragen und Gegensätze in grundsätzlichen Auffassungen die gemeinsame Verantwortung für freiheitlich-soziale Politik nicht aus dem Auge verloren haben; in der Praxis ihrer gemeinsamen Arbeit also die Merkmale sichtbar werden lassen, die international als „deutsches Modell sozialer Partnerschaft" gelten und die erstaunliche Stabilität der Bundesrepublik erklären helfen.

Hier stellt sich insgesamt eine Zusammenarbeit dar, auf die der moderne Rechts-und Sozialstaat weder im inneren noch hinsichtlich seiner Außenbeziehungen verzichten kann. Angelehnt an den verwaltungsrechtlichen Begriff des „beliehenen Unternehmers“ sind die Sozialpartner gerade in diesen Bereichen rechts-und sozialstaatlicher Aufgabenerfüllung nicht mehr nur ihrem Wesen nach Inter-essenverbände, sondern integraler Bestandteil der Rechts-und Verfassungsordnung und insoweit nicht nur zu einer besonderen Loyalität gegenüber dieser Ordnung verpflichtet, sondern auch beauftragt, an der freiheitlichen und sozialen Fortentwicklung dieser Teilsysteme mitzuwirken. Schon dies setzt dem klassischen Modell des Kampfes der sozialen Mächte Grenzen. Das Integrationsprinzip der Verfassung entfaltet somit Bindung und macht Autonomie von Rechten und Pflichten abhängig-

Die Begriffsbestimmung der Tarifautonomie gilt insoweit für die gesamte Arbeit der Sozial-partner, insbesondere dann, wenn die politische Verantwortung — wie heute wieder — im besonderen Maße herausgefordert wird. Der Jahresbericht 1973 hat deshalb aktuelle Bedeutung für die auf die Bundesrepublik zukommenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme und nicht zuletzt für die Beurteilung der Bemühungen der Spitzen auf beiden Seiten, den sozialen Dialog zu gewährleisten. Es heißt dort Als ein Kernstück unserer sozialen Ordnung hat sich die Tarifautonomie immer wieder bestätigt Arbeitgeber und Gewerkschaften haben sie von Anbeginn an gemeinsam getragen und verteidigt... Funktionsunfähigkeit der Tarifpartner muß zum staatlichen Eingriff führen, der jedoch nach allen Erfahrungen in anderen Ländern nur zu ökonomisch unvernünftigen Verzerrungen der Lohnstruktur und letztlich zu aufgestauten Anpassungsbedürfnissen führt, denen die Gefahr explosiver Entladungen immanent ist. Die einzige Alternative ist die volle Verantwortung auf beiden Seiten und der damit verbundene Zwang zum vernünftigen Kompromiß. Sie duldet keine Beschränkungen."

In diesem Kontext wäre es ein lohnender empirischer Ansatz gewesen, die in der vorliegenden Arbeit von Heidrun Abromeit erhobenen Vorwürfe zum Beispiel an der Sozialgeschichte des Schlichtungswesens in der Bundesrepublik zu messen, deren Ausgangspunkt in dem Hattenheimer Abkommen zu einem von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und dem Deutschen Gewerkschaftsbund gemeinsamen „Entwurf für eine Vereinbarung einer Schlichtungsordnung" von 1950 zu sehen ist

Ein vergleichbarer Prüfstand für die kritisierten Untersuchungsansätze von Heidrun Abromeit wäre die Geschichte und insbesondere die Vorgeschichte der „Konzertierten Aktion", deren Wurzeln im Jahre 1951 liegen, als man sich auf den Weg machte zu einer von Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gemeinsamen Beurteilung der „volkswirtschaftlichen Lage, um so zu einem gemeinsamen Urteil über die Folgen der allgemeinen Lohnerhöhungen" zu kommen — eine Entwicklung, die dann schließlich zu dem „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" vom 8. Juni 1967 führte, das die Ziele Wachstum, Vollbeschäftigung und Stabilität für gleichrangig erklärte und eine vielfältige Erweiterung des wirtschaftspolitischen Instrumentariums brachte. Gilt die Konzertierte Aktion — trotz der Unterbrechung der Beratungen seit 1976 — heute noch als Vorbild für gesamtstaatlich orientierte Beratung und Kooperation zwischen der Regierung und den sozialen Mächten, insbesondere im internationalen Vergleich der Sozialsysteme, so könnte dies ein weiterer Hinweis dafür sein, daß die Praxis der Sozialpartnerschaft schon seit längerem den Dogmen der marxismus-und kapitalismuskritischen Ideologien davongelaufen ist, ihre Bewährung trotz vorhandener Störungen bestanden hat und deshalb die Befürworter einer Rückkehr zu einem neuen Kampf der Klassen nicht zu fürchten hat: selbst dort, wo die Interessenverbände, insbesondere die Gewerkschaften, „die Wanderung auf dem schmalen Grad zwischen autonomer Gestaltung und den Sachzwängen der gegebenen Ordnung" bestehen müssen

Es wird sich in der Zukunft sehr schnell zeigen, daß gar nichts anderes übrigbleibt, als solche Instrumente der Konsensbildung und Kompromißfindung zu nutzen, will man die wirtschaftliche und soziale Stabilität erhalten. Die jüngste Entwicklung der politischen Probleme und die krisenhaften Veränderungen in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt und bei den Staats-und Sozialhaushalten werden eine neue pragmatische Wiederbelebung unausweichlich erzwingen und der ideologischen Auseinandersetzung den Platz zuweisen, der ihr gebührt. Wie schon in der Vergangenheit wird sich darüber hinaus zeigen, daß die Wahrnehmung der Autonomie in diesem entscheidenden Bereich der verantwortlichen Behandlung gesamtstaatlicher und gesamtvolkswirtschaftlicher Fragen Entlastung und damit Freiheit für. die Erarbeitung grundsätzlicher Positionen fördert, auf die weder die Arbeitge-berverbände noch die Gewerkschaften im Interesse ihrer Integrationsfähigkeit in den eigenen Reihen verzichten können und dürfen. Die pluralistische Demokratie wird nicht durch die Meinungsvielfalt bedroht, sondern dort ernsthaft in Gefahr gebracht, wo der freiheitssichernde Bestand formaldemokratischer Regeln und die Funktionsfähigkeit institutioneller Mechanismen zum Machtausgleich und Machtgleichgewicht planmäßig zerstört werden

Der Jahresbericht 1973 formulierte dieses Gleichgewichtsdenken, das sowohl die ordnungspolitischen Auffassungen der Arbeitgeber als auch ihr praktisch-politisches Handeln bestimmt, mit folgenden Worten w .. Eine freiheitliche pluralistische Gesellschaftsordnung beruht in ihrer Existenz auf einem Gleichgewicht der großen gesellschaftlichen Gruppenmächte. Gleichgewichtslage in der Tarifautonomie und Gleichgewichtslage in der Gesellschaft und in der Gesellschaftspolitik stehen in einem unlösbaren Zusammenhang. Die nachhaltige Störung des Gleichgewichts der Kräfte zwischen den Partnern des Arbeitsund Wirtschaftslebens im Bereich der Tarifpolitik muß zu Störungen und Gefährdungen der Gleichgewichtslage im gesamtgesellschaftlichen und damit politischen Raum führen. Ebenso führt eine Veränderung des gesamtgesellschaftlichen Kräftegleichgewichts durch politische Entscheidungen notwendigerweise zu einer Kräfteverschiebung in der Tarifautonomie, die möglicherweise deren Existenz bedroht. Die Herstellung, die Erhaltung und Verteidigung des Gleichgewichts der Kräfte ist daher vorrangige Aufgabe im Interesse der Existenz einer freiheitlichen Wirtschafts-und Gesellschafts-und Staatsordnung...

Bildete diese Aussage auch den Hintergrund für die sich ankündigende Verschärfung der Auseinandersetzung um die Koalitionseigenschaft der Arbeitgeberverbände, die paritätische Mitbestimmung, zentrale, gewerkschaftlich kontrollierte Vermögensfonds, die Beseitigung der Waffengleichheit im Arbeitskampf durch ein Verbot der Aussperrung, die Legalisierung wilder Streiks und Eingriffe in die Neutralitätspflicht des Staates bei Arbeitskämpfen, so macht sie dennoch folgendes deutlich: Die Arbeitgeber wehren — und das ist ihr verfassungsrechtlich verbürgtes Recht — nicht nur Angriffe gegen ihre eigene Position ab. Sie sehen sich bei allem Bemühen um eine bestmögliche Interessenwahrnehmung zugleich erneut in die Verpflichtung eingebunden, einen eigenständigen Beitrag zu einem Interessenausgleich zu erbringen, der den gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Anforderungen gerecht wird.

Entgegen dem Vorwurf „konservativ-technokratischer" Staatsvorstellungen oder ähnlicher polemischer Anwürfe stellt sich diese Ordnungsvorstellung dem Erfordernis, Ausgleich und Kompromiß zu fördern, also Selbstdisziplin bei der Machtausübung zu beweisen und zugleich politischem Opportunismus entgegenzutreten „.. Glaubwürdigkeit verlangt Festigkeit im Grundsatz und Flexibilität im Ausgleich der Interessen. In diesem Sinne ist der Kompromiß als Instrument des Ausgleichs aufzuwerten. Er hat eine unverzichtbare friedensfördernde Funktion, die aber nur auf der Grundlage des Gleichgewichts der Kräfte erfüllt werden kann. Nur starke Tarifträgerverbände mit der notwendigen Geschlossenheit und allen Vorkehrungen, die auch dem Arbeitskampf in ihrem Verhandlungspotential einen ernst zu nehmenden Stellenwert geben, sind hierzu in der Lage."

Nur zu verständlich ist es, wenn angesichts des Aufkommens des Neo-Marxismus und ständiger Diffamierungen unternehmerischer Tätigkeit für die Offentlichkeits-und Bildungsarbeit im eigenen Organisationsbereich vorgegeben wurde w .. Mehr denn je gilt es, einer ideologischen Voreingenommenheit zu begegnen, die auf das Wirtschafts-und Arbeitsleben gerichtet ist und den Unternehmer sozial-und kulturkritisch anvisiert." Heute heißt dies dann in der bildungspolitischen Diskussion aus gesamtstaatlicher Sicht: mehr Mut zur Freiheit, mehr Mut zur Selbständigkeit, Bekämpfung der Technik-Freindlichkeit, mehr umfassende Ausbildung usw. — eine Deklination, die die parteipolitischen Barrieren bereits überspringt, weil anders die Modernitätslücke nicht geschlossen werden kann, weder im nationalen noch besonders im internationalen Wettbewerb.

„Zusammenarbeit in Freiheit", „Klima und Tendenzen" — dies sind die Überschriften des Schlußteils dieses Jahresberichts, der sich aus heutiger Sicht als eine Vorwegnahme der Sorgen darstellt, die als Antwort mehr Phantasie erfordern als die altbekannten Rezepte und Instrumentarien derjenigen Denkschulen, die fest davon überzeugt sind, daß die Krisen nur dann bewältigt werden können, wenn die jetzige’ Staats-und Gesellschaftsstruktur unter autoritär-sozialistischen Vorzeichen umgeformt wird, also Muster zum Tragen kommen, in deren Nähe sich auch der theoretische Ansatz von Heidrun Abromeit angesiedelt hat.

Gefragt, in welcher Zeit die folgenden Ausführungen gemacht worden sind, würde mancher Zeitgenosse sagen, sie seien jüngst in der Aussprache zur Regierungserklärung vom Januar 1981, möglicherweise sogar von der Regierungsbank, verkündet worden •.. unsere Wirtschafts-und Sozialordnung bedarf um so mehr der Sicherung im öffentlichen Bewußtsein, als die seit Jahren zur Gewohnheit gewordene stetige Aufwärtsentwicklung nur noch begrenzt zum Nachdenken über die Grundlagen erfolgreichen Wirtschaftens reizt. Das Bewußtsein für die Begrenztheit der Ressourcen und den Zusammenhang zwischen individueller Leistung und allgemeiner Wohlstandssteigerung droht zu verwischen. Parallel hierzu wächst — auch um den Preis persönlicher Freiheiten — das bedenkenlose Anspruchsdenken gegenüber dem Staat. Es wächst aber auch die Anfälligkeit gegenüber Ideologien, die in Intoleranz und Freiheitsverlust enden."

Wird heute von einer Verknüpfung von Wachstumserfordernis und Schutz der Umwelt, von der notwendigen Neuorientierung, von der „dritten Phase" der Sozialen Marktwirtschaft gesprochen, so hieß es 1973 w .. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist ein wesentliches, aber nicht das letzte Ziel, unter dem die Arbeit einst begonnen wurde. Das sind die Ordnungsvorstellungen, in denen die Freiheit des einzelnen einen unterschiedlichen Rang hat. Die ökonomische Effizienz ist die notwendige Ergänzung, der allerdings eine hohe soziale Bedeutung und stabilisierende Wirkung zukommt." w.. Privates Eigentum verbindet sich entweder mit individueller Freiheit des Bürgers und breiten autonomen Spielräumen für private Initiativen und gesellschaftliche Gruppen. Es gilt heute, die Grundlagen der wirtschaftlich erfolgreichen, sozial fortschrittlichen und friedlichen Nachkriegs-entwicklung zu bewahren.“ ..... Die Rückgewinnung der Stabilität und die Überwindung der Engpaßsituation mit ihren Konsequenzen für den konjukturellen Verlauf und letztlich auch die Beschäftigungslage nötigten heute mehr denn je dazu, in der Gesellschaft das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Dies ist zugleich eine große Chance, auch in der breiten Bevölkerung den teilweise verloren-gegangenen generellen Konsens für das gemeinsame Wohl, für eine auf Solidarität gegründete Wirtschafts-, Sozial-und Gesellschaftspolitik und für eine funktionsfähige Ordnung zurückzugewinnen."

Liest man solche Passagen heute unter dem Eindruck der Ereignisse und Prognosen für die achtziger Jahre, so könnte Heidrun Abromeit gefragt werden, ob nicht ordnungspolitische Sicherheit, Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit notwendige Voraussetzung für die Tragfähigkeit langfristig angelegter Analysen der politischen Entwicklung und zukünftiger Trends sein könnten — kommende Veränderungen also mit einem zuverlässigen gedanklichen Instrumentarium sozusagen strategisch vorweggenommen werden können, ohne das ordnungspolitische Konzept aufgeben zu müssen. An dieser Stelle zeigt sich immer wieder die Gefährlichkeit des Aufgebens einer pluralistischen Wissenschaftstheorie zugunsten der Simplizität geschlossener Theoriegebäude, die den Analytiker zum Gefangenen seiner einseitigen Ideologie machen (self-fulfillingprophecy). Die politische Mitte, auf die es heute mehr denn je ankommt, wird so jedenfalls verfehlt.

Der Jahresbericht 1974 ist in seinen Schwerpunkten der Fortschreibung der tatsächlichen Entwicklung nach dem ölschock vom 17. Oktober 1973 in seiner nationalen und internationalen Dimension gewidmet. Weltwährungsprobleme, verengte Spielräume, Export-und Strukturprobleme sind die Gegenstände. Mit Blick auf die Konfrontation der zurückliegenden Jahre wird nunmehr unter der Überschrift „Dem Sozialismus nicht näher" die Einschätzung der Diskussion in der Bundesrepublik um die konkurrierenden Ordnungsmodelle von Marktwirtschaft und Sozialismus zusammengefaßt .... Das Gewicht dieser Fakten rückte die sozialistische Kritik an der Marktwirtschaft in die Nähe überprüfbarer Realität; die Kritik verlor damit an Kraft. Die nun realen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Welt zogen die antikapitalistische Argumentation aus der hohen Abstraktion der System-vergleiche herunter. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Ausland und die Furcht vor möglichen Auswirkungen auf Vollbeschäftigung und Preisstabilität führten nicht nur zur realistischen Ordnung; sie ließen auch Bedenken gegen übersteigerte systemimmanente Reformen vordringen. Ganz allgemein nahm das Realitätsbewußtsein zu. Die Chance für eine ausgewogene Diskussion gesellschaftlicher Bedürfnisse ist heute größer; denn erst bei Einbeziehung der Konsequenzen trennen sich die Interessen und Wünsche."

Angekündigt wird ein „Umschwung zu realitätsnaher, pragmatischer Wertung von Wirtschaft und Gesellschaft" in allen Bereichen des politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Das „Scheitern der Neuen Linken" wird prophezeit; als wesentlicher Grund wird die „Unzulänglichkeit des marxistischen Erklärungsmodells beim Versuch, daraus realitätsgerechte Handlungskonzepte zu entwikkeln", genannt. Es bestünde — wird mutig gesagt. — die . Aussicht, daß die sich verstärkende konservative Gegenbewegung eine neue Phase stark realitätsbezogener Politik einleitet“

Die Antwort auf die beschriebenen Hauptprobleme (sowie die Gefahren aus einer weiteren Ausweitung des öffentlichen Korridors, befürchtete Gefahren des Gewerkschaftsstaates, Folgen der Angriffe auf das Arbeitskampf-recht u. ä.) heißt „Fortschritt aus Idee und Leistung". Dies war das Schlagwort, unter dem die Grundsatzerklärung zu gesellschaftspolitischen Grundsatzfragen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände von der Jahresmitgliederversammlung 1974 verabschiedet wurde. Haben die Jahre 1967— 1974 nach Meinung der Arbeitgeber „zwar weder die pluralistische demokratische Verfassung, noch die marktwirtschaftliche Ordnung im Kern verändert", so werden doch „von den Unternehmern wie von allen anderen Gruppen, die am Prozeß der gesellschaftlichen Entwicklung teilhaben wollen, neue Ideen und neue Leistungen zur Sicherung des Fortschritts" gefordert „... Offenheit für die Probleme aller gesellschaftlichen Gruppen bestimmt dabei unverändert die Ausgangsposition der Unternehmer, die als zahlenmäßig kleine Gruppe nur durch die Plausibilität ihrer Argumente und die Orientierung der von ihnen angebotenen gesellschaftlichen Strategien an der Bedürfnisstruktur der gesamten Gesellschaft Wirkung erreichen und Einfluß ausüben können. Dieser Grundhaltung gemäß sind das Angebot der Unternehmer an die Gesellschaft und ihre gleichwertige Selbstverpflichtung voneinander nicht zu trennen."

So ist es! Klarer kann man kaum formulieren, was die Stärke freiheitlicher Konzepte ausmacht und den richtigen Einsatz intellektueller und praktischer Fähigkeiten in einer hochindustrialisierten Gesellschaft ermöglicht. Gleichgültig, ob der Beweis für Staatsabwehr, konservativ-technokratische Staatsbilder, ständige Forderungen an den Staat, überzogene Führungsansprüche, Sachzwang-Ideologien und das übergreifende Ziel der Staats-und Systemerhaltung angetreten werden kann, also letztlich für Rückwärtsgewandtheit und Absage an die Modernität, wenn nicht Schlimmeres, — das Angebot hieß politisch jedenfalls: w.. Die Politik der Bundesvereinigung wird in konstruktiver Zusammenarbeit mit Regierung und Sozialpartnern mehrjährig darauf angelegt sein, den Herausforderungen zu begegnen und die gesellschaftliche Stabilität zu sichern."

Der Jahresbericht 1975 schließlich, der letzte des von Heidrun Abromeit genannten Untersuchungszeitraums, erweist sich als eine weitere „Analyse kalten Herzens", was die Tatsachen und Trends angeht. Entgegen der so vielfältig, fast landläufig vorgetragenen Kolportage wird bei der politischen Schuldzuweisung Zurückhaltung geübt, wenn es heißt w .. Die Bundesrepublik befand sich in der tiefgreifendsten Rezession nach dem Kriege, die weltweite Ausmaße hat. Auch wenn im Sommer die rezessiven Tendenzen zum Stillstand gekommen sind, verharrt die Konjunktur bis heute auf der Talsohle; für den Zeitpunkt, in dem sie durchschritten ist und eine durchgreifende konjunkturelle Wiederbelebung einsetzt, gibt es noch keine verläßlichen Anzeichen. Risiken für Export und Investitionen beeinträchtigen nach wie vor die Erwartungen der Unternehmen. Angesichts der weltwirtschaftlichen Bedingungen erweisen sich die binnenwirtschaftlichen Möglichkeiten der Bundesrepublik als begrenzt, aus eigenen Kräften die Tendenzwende allein herbeizuführen; aber es steht ebenso außer Frage, daß schwerwiegende binnenwirtschaftliche Faktoren die Situation in unserem Lande entscheidend bestimmt haben und die Möglichkeiten der Wiederbelebung nach wie vor erschweren.“ Als konkrete Fehlerquellen werden dann genannt die Kosteninflation und die entsprechende Kompression der Unternehmergewinne, die Auszehrung der Ertragskraft, die hartnäckige Investitionsflaute, die langjährige expansive Lohnpolitik der Gewerkschaften — alles Punkte, die in der Sache begründet und heute Allgemeingut der Beurteilung der hinter uns liegenden Jahre sind.

Ebenso nüchtern ist die Erwartung w.. Ganz generell läßt sich heute aussagen, daß der Wachstumstrend im Jahre 1976 nicht dort beginnen kann, wo er 1969 abbrach. Die künftigen Wachstumsraten werden kleiner ausfallen. Nicht nur die Investitionslücke der Vergangenheit gilt es zu schließen, nicht nur wirkt die Überalterung der Struktur des Kapital-Stocks nach; angesichts der sich abzeichnenden Strukturverschiebungen werden auch die Produktivität des eingesetzten Kapitals kleiner und die relevanten Reifezeiten von Investitionen länger werden. Um so notwendiger ist, daß im Interesse von künftig notwendig vermehrtem Kapitaleinsatz und von verstärkten Investitionen alle anderen Verwendungsund Anspruchsbereiche zunächst zurücktreten. .. Das aber bedeutet Wandel und Umkehr der bisherigen Politik, das bedeutet kleinere Wachstumsraten des privaten und sozialen Konsums zugunsten einer werteschaffenden Erweiterung des Produktionspotentials und eines kontinuierlichen qualitativen Wachstums als der einzig tragfähigen Voraussetzung für mehr Arbeitsplätze und für soziale Stabilität. Daneben gewinnen die nach außen gerichteten Anstrengungen wachsende Bedeutung. Sie zielen darauf ab, die Funktionsfähigkeit des freien Welthandels zu erhalten und des Weltwährungssystems wieder herzustellen sowie die Wohlstandsverteilung zwischen den Industriestaaten und den reichen und armen Entwicklungsländern in neue und geordnete Bahnen zu lenken."

Hört man sich heute die Bundesminister Matthöfer und Lambsdorff genau an, so bestätigen sie jetzt politisch — mit Abweichungen da und dort — zurückliegende Voraussagen, die sich aus den Sachzwängen legitimierten und zugleich wertorientierte Optionen enthielten, die auch heute noch Gültigkeit beanspruchen und behalten werden. Es zeigt sich also, daß die Realitäten stärker sind als Ideologien. Um es abschließend zu wiederholen: Es kommt auch für die vor uns liegenden Jahre darauf an, „alle Anstrengungen" zu unternehmen, „über den Tag hinaus Beiträge zur Verbesserung der sozialen Stabilität in unserer Zeit zu leisten“. Dies waren die letzten Worte des ersten politischen Teils des Jahresberichts der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1975.

V. Fazit

Eine detaillierte Analyse des vorliegenden Materials, im übrigen auch für andere Organisationsbereiche der deutschen Wirtschaft, unter den jeweiligen Untersuchungsansätzen von Heidrun Abromeit würde beweisen, daß der Einsatz der zu Beginn dargestellten theoretischen Instrumente nur dazu führen kann, den politischen Dialog und den sozialen Dialog der Sozialpartner zu erschweren, dem Aufbau ideologischer Barrieren Vorschub zu leisten, neue Konfrontation und Polarisierung offen oder verborgen loszutreten. Das Ergebnis kann nur sein, die uns umgebenden Realitäten zu verkennen, den Grundkonsens zu spalten, einverständliche Strategien zur Lösung dringender Probleme zu stoppen oder gar unmöglich zu machen. An diesem Punkt aber stellt sich die Frage der Legitimation wissenschaftlicher Arbeit, wenn sie sich nicht offen als Begleitung oder Unterstützung politischer Aktivität oder sogar als Teil politischer Agitation bekennt.

Damit kein Mißverständnis entstehen kann: Dies ist nicht der Verdacht oder sogar Vorwurf, der gegen die untersuchte Arbeit von Heidrun Abromeit vorgetragen werden soll. Dies hätte sich im übrigen nur rechtfertigen lassen, wenn jede der von Heidrun Abromeit genannten Zitate und kritischen Bemerkungen auf ihren Kontext, ihren Hintergrund und sachliche wie politische Zielrichtung untersucht worden wäre. Es bleibt also nur die generelle Kritik, daß so dem Erfordernis einer empirisch orientierten Verbändeforschung nicht ausreichend entsprochen worden ist. Dies allerdings könnte ein diskussionswürdiger Punkt sein, der trotz erkennbaren politischen Standpunktes und ordnungspolitischen Engagements besprochen werden könnte: pluralistisch orientiert und tolerant, aber sachlich unbequem. Eine entsprechende Beweisführung ist hier versucht worden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Bodo Zeuner, Verbandsforschung und Pluralismustheorie (Etatozentrische Fehlorientierungen politologischer Empire und Theorie), Leviathan — Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Heft 2, Opladen 1976, S. 138 ff.

  2. Bodo Zeuner, a. a. O., S. 138.

  3. Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, Stuttgart 1964.

  4. Bodo Zeuner, a. a. O., S. 151.

  5. Bodo Zeuner, a. a. O., S. 153.

  6. Vgl. zum Begriff Ordnungspolitik: Kurt Hans Biedenkopf, über den Wandel der Gesellschaft, Düsseldorf/Wien 1975, S. 5 ff.

  7. Vgl. aus der Fülle der einschlägigen Literatur: Roman Herzog, Das Verbandswesen im modernen Staat, in: Macht der Verbände — Ohnmacht der Demokratie? (Beiträge zur Theorie und Politik der Verbände), hrsg. von Warnfried Dettling, München/Wien 1976, S. 69 ff.; Karl M. Meessen, Verfassungsrechtliche Stellung und Aufgabe der Verbände, in: Kurt H. Biedenkopf, Rüdiger von Voss, Staatsführung, Verbandsmacht und innere Souveränität (Von der Rolle der Verbände, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen in der Politik), Stuttgart 1977, S. 63 ff.; Warnfried Dettling, Verbände — Strukturelement einer freiheitlichen Demokratie, Wirtschafts-und Gesellschaftspolitische Grundinformationen Nr. 25/1978, Deutscher Institutsverlag Köln.

  8. Karl M. Meessen, a. a. O„ S. 64; zur Diskussion der Neuen Sozialen Frage sei verwiesen auf Heiner Geißler, Die Neue Soziale Frage, Herderbücherei Mr. 566, Freiburg i. B. 1976; Die Neue Soziale Frage und die Zukunft der Demokratie, hrsg. von Warnfried Dettling, Bonn 1976.

  9. Karl M. Meessen, a. a. O„ S. 65.

  10. Vgl. die präzise Darstellung bei Jürgen Weber, Verbändestaat — oder was sonst?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 44/80, S. 9 ff.

  11. Jürgen Weber, a. a. O., S. 12.

  12. Vgl. zu diesen Frgenkomplexen: Wilhelm Hennis, Peter Graf Kielmannsegg, Ulrich Matz (Hrsg.), Regierbarkeit. Studien zu ihrer Problematisierung, Bd. 2, Stuttgart 1978; Kurt H. Biedenkopf, Der Bürger zwischen Gruppeninteresse und Staatsbürokratie, Herder-Korrespondenz, Heft 1/1976, S. 13 ff.; Rüdiger v. Voss, Die Macht der Verbände und der Staat, Kirche und Gesellschaft Nr. 61, Hrsg. Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle, Mönchengladbach 1979

  13. Vgl. Martin Jänicke, Zur Theorie des Staatsversagens, Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 11/1980, S. 132 ff., S. 140.

  14. Daß Wolfgang Pohle hier unzutreffend, d. h. entgegen seiner politischen Einstellung zur Demokratie, zitiert wurde, zeigt die Lektüre der gesammelten Schriften; vgl. Wolfgang Pohle, Das Programm der Wirtschaft — Marktwirtschaft als politische Chance, Stuttgart 1970.

  15. Jürgen Weber, a. a. O., S. 9.

  16. Arbeitgeber, Jahresbericht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1965, Gesamtüberblick, S. 11 f, 19 (im folgenden kurz: Jahresbericht).

  17. Jahresbericht 1966, S. 11.

  18. Jahresbericht 1967, S. 9, 12.

  19. Jahresbericht 1968, S. 9, 10.

  20. Jahresbericht 1968, S. 10, 11.

  21. Freiheitlich soziale Ordnung — heute und morgen, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Köln 8. 10. 1968, S. 8.

  22. Jahresbericht 1969, S. 9.

  23. Jahresbericht 1969, S. 9.

  24. Jahresbericht 1972, S. 13.

  25. Jahresbericht 1972, S. 15.

  26. Gedanken zur sozialen Ordnung, Grundsatzerklärung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Köln März 1953, S. 11.

  27. Gedanken zur sozialen Ordnung, a. a. O., S. 13.

  28. Vgl. insbesondere Jahresbericht 1973, S. 16 ff.

  29. Vgl. hierzu R. von Voss, Arbeitgeberverbände und Europäische Integration — Zur Vertretung wirtschaftlicher Interessen in Europa — in: Karl Matthias Meessen (Hrsg.). Verbände und europäische Integration, Schriftenreihe Europäische Wirtschaft, Baden-Baden 1979, S. 87— 102.

  30. Jahresbericht 1973, S. 14.

  31. Vgl. weitere Hinweise in Jahresbericht 1973, S. 14 ff.

  32. Vgl.des weiteren Jahresbericht 1973, S. 15.

  33. Vgl. grundlegend hierzu Christian Graf von Krockow, Ethik und Demokratie, in: B 49/79; H. B. Streithofen, Christliche Ethik und Arbeitskampf, in: Ethik und Politik (hrsg. von R. v. Voss), Beiträge zur politischen Ethik in der Demokratie, Köln 1980.

  34. Jahresbericht 1973, S. 20.

  35. Jahresbericht 1973, S. 20.

  36. Jahresbericht 1973, S. 20.

  37. Jahresbericht 1973, S. 21.

  38. Jahresbericht 1973, S. 21.

  39. Jahresbericht 1974, S. XIV ff.

  40. Jahresbericht 1974, S. XV.

  41. Jahresbericht 1974, S. XVIII.

  42. Jahresbericht 1974, S. XVIII.

  43. Jahresbericht 1975, S. XI.

  44. Jahresbericht 1975, S. XI.

Weitere Inhalte

Rüdiger von Voss, geb. 1939 in Potsdam, Rechtsanwalt; 1974— 1977 Abteilungsleiter im Büro des Generalsekretärs der CDU (Bonn); Leiter der Abteilung Verbände, Gewerkschaften, Parteien der CDU-Bundesgeschäftsstelle (Bonn), 1978 Referatsleiter bei der Hauptgeschäftsstelle der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Köln); Vorsitzender der Forschungsgemeinschaft 20. Juli e. V. (Berlin). Veröffentlichungen u. a.: Partnerschaft und Parität, Bonn 1974; (zus. mitK. H. Biedenkopf) Staatsführung, Verbandsmacht und innere Souveränität, Stuttgart 1977; (Hrgs.) Von der Legitimation der Gewalt. Widerstand und Terrorismus, Stuttgart 1978; (Hrsg.) Ethik und Politik, Beiträge zur politischen Ethik in der Demokratie, Köln 1979.