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Über die Polarisierung der Politik. Die Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 | APuZ 18/1981 | bpb.de

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APuZ 18/1981 Über die Polarisierung der Politik. Die Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 Orientierungsprobleme. Zur Bundestagswahl 1980 und ihren Konsequenzen Wahlkampfstrategien '80 in den USA und der Bundesrepublik. Personalisierung - Angriffswahlkampf - Dramatisierung

Über die Polarisierung der Politik. Die Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980

Werner Kaltefleiter

/ 19 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Bundestagswahl 1980 fand in einem Klima polarisierter Politik statt. Es gab keine prägenden Sachthemen. Das Image der Oppositionsparteien war eher besser als das der Regierungsparteien. Auch der weit verbreitete wirtschaftliche Pessimismus begünstigte die Opposition. Doch während bei der Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Kanzlerkandidat Strauß dem Kanzler Schmidt noch nahe kam, ergab sich ein großer Abstand bei der Sympathieeinschätzung und der Einordnung auf der Rechts-Links-Skala. In diesem polarisierten Meinungsklima wurde Strauß das Vertrauen verweigert und als ein Politiker der rechten Peripherie eingeschätzt. Seine Kandidatur eröffnete darüber hinaus eine . Marktlücke'für die FDP.

Jede Bundestagswahl, so auch die von 1980, ist geprägt durch Themen und Ereignisse, durch Kandidaten und Parteiimages und durch ein allgemeines Meinungsklima — Faktoren, die in unterschiedlicher Ausformung die Besonderheit jeder Wahl hervortreten lassen. Eine Wahlanalyse würde jedoch Deskription bleiben, wenn sie sich auf die Darstellung dieser Variablen beschränken würde. Die Wirkungsweise dieser Variablen hängt von der Struktur und Funktionsweise des Parteiensystems ab; die Wahl ist die aktuelle Manifestation des Parteiensystems zum Zeitpunkt der Wahl. Deshalb ist es zum Verständnis der einzelnen aktuellen Variablen notwendig, sie in Bezug zur Struktur des Parteiensystems zu setzen.

I. Die Grundlagen

Schaubild 1:

Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland ist zunächst durch eine Dreiteilung gekennzeichnet: je ein Drittel sind Stammwähler der CDU/CSU und der SPD, ein weiteres läßt sich als potentielle Wechselwähler beschreiben. Während bei den ersten beiden Gruppen das Wahlverhalten durch die Sozialisation, die soziale Herkunft und die Stellung im Kommunikationsnetz weitgehend determiniert ist, sind die potentiellen Wechsel-wähler grundsätzlich bereit, zwischen zwei Wahlen ihre Parteiorientierung zu. ändern — dies heißt jedoch nicht, daß zwischen zwei Wahlen tatsächlich ein Drittel wechselt; die Zahl der tatsächlichen Wechsler liegt bei knapp 15 Prozent, aber ein Drittel ist grundsätzlich zum Wechsel bereit oder prädisponiert.

Die FDP verfügte nur über 3 Prozent Stamm-wähler; sie ist am Grenzbereich zwischen SPD-Stammwählerschaft und potentieller Wechselwählerschaft angesiedelt. Das bedeutet, daß die FDP in jeder Wahl strukturell gefährdet ist; sie muß, aus welcher Konstellation heraus auch immer, aus dem Bereich der potentiellen Wechselwähler die Stimmen gewinnen, die ihre Existenz sichern. Das gelingt in der Regel am besten, wenn die Existenz der FDP in der öffentlichen Diskussion als gefährdet gilt. Das war nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Landtag in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 1980 zur Bundestagswahl am 5. Oktober der Fall und stellt somit eine erste Erklärung des Erfolges dieser Partei dar. Die Stammwählerschaft der FDP ist zwar gering, jedoch jeweils zwei Drittel derer, die eine SPD-oder auch CDU/CSU-geführte Regierung wünschen, präferieren diese in Form einer Koalition mit der FDP. Das ist das Potential für FDP-Erfolge.

INHALT I. Die Grundlagen II. Das Wahlergebnis III. Bestimmungsfaktoren des Meinungsklimas 1. Eine Wahl der klaren Alternativen 2. Die Themen der Wahl 3. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation 4. Das Bild der Spitzenpolitiker 5. Die Einordnung auf der Rechts-Links-Skala 6. Die Marktlücke der FDP IV. Schlußfolgerungen

Die Stammwählerschaft der SPD läßt sich am besten wie folgt beschreiben: Die Wahrscheinlichkeit einer Orientierung zugunsten der SPD ist um so größer, je mehr von folgenden Merkmalen vorliegen: männlich, unter 40 Jahre alt, keine kirchliche, dafür eine enge gewerkschaftliche Bindung, abhängige Beschäftigung in einem urbanen Ballungszentrum. Demgegenüber ist die Wahrscheinlichkeit einer Bindung an die CDU/CSU um so größer, wenn folgende Merkmale vorliegen: weiblich, über 40 Jahre alt, regelmäßiger katholischer Kirchgang, keine gewerkschaftliche Bindung, unabhängige Beschäftigung im ländlichen Raum.

Bei jeder Wahl ist für die Stammwählerschaft der Grad der Mobilisierung entscheidend. Was aber bewirkt die Orientierung der potentiellen Wechselwähler? Hier gibt es folgende Erfahrungswerte: Etwa die Hälfte der Veränderungen zwischen zwei Wahlen kann durch die Person der Spitzenkandidaten erklärt wer.den. So unterschiedlich die Eigenschaften der verschiedenen Politiker sind, sie lassen sich grundsätzlich in zwei Dimensionen ordnen: die Sympathie und die Leistungsfähigkeit, oder anders formuliert: die Frage des Vertrauens und die Frage des Zutrauens zur Lösung der konkret anstehenden Probleme. Etwa wei. tere 25 Prozent der Veränderungen können erfahrungsgemäß durch die Beurteilung der wirtschaftlichen Zukunftsaussichten erklärt werden; der Rest macht die Besonderheiten einer jeden Wahl aus. Dabei kann das relative Gewicht der einzelnen Faktoren von Wahl zu Wahl unterschiedlich sein, der Anteil der Veränderungen, der z. B. durch das Bild der Spitzenkandidaten erklärt werden kann, größei oder kleiner als 50 Prozent sein.

Dieses einfache Modell läßt sich grundsätzlich zur Erklärung von Wahlergebnissen in dichotomisierten Parteiensystemen verwenden d. h. in Parteiensystemen, bei denen ein klar strukturierter Gegensatz zwischen Regierung und Opposition besteht. Das bedeutet, daß dieses Modell grundsätzlich anwendbar ist aul die USA, auf Kanada (mit dem Sonderproblem Quebec), Großbritannien, die Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Australien und Neu Seeland. Ein dichotomisiertes Parteiensystem kennzeichnet zwar auch Japan, Indien und Sr Lanka, aber die soziokulturellen Bedingunger dieser Länder verlangen doch nach einer an deren Betrachtungsweise.

II. Das Wahlergebnis

Tabelle 1: Ergebnisse der Bundestagswahl 1980 in Prozenten

Diese Faktorenkombination führte am 5. Oktober 1980 zu folgendem Wahlergebnis:

Dieses Ergebnis ist einmal durch eine bemerkenswerte überregionale Gleichförmigkeit gekennzeichnet; die regionalen Abweichungen von überregionalen Trends sind bei allen Parteien ausgesprochen gering. Die Unionsparteien haben insgesamt 4, 1 Prozentpunkte verloren. Das traditionelle Nord-Süd-Gefälle ist in den Veränderungen der Stimmenanteile der Union nicht erkennbar — wohl aber bei der absoluten Höhe des Stimmenanteils. Dies hat sozio-strukturelle Gründe und ist insbeB sondere mit dem höheren Anteil katholisch ländlicher Bevölkerung im südlicheren Tei der Bundesrepublik Deutschland zu erklären So ist es bemerkenswert, daß schon in Baden Württemberg die Verluste mit 4, 8 Prozent punkten deutlich über dem Durchschnitt lie gen. Eine Ausnahme bildet eigentlich nur Bay ern, wo die CSU nur 2, 4 Prozentpunkte verlo ren hat. Außerhalb Bayerns ist der Trend be der CDU wie bei der SPD von seltener Gleich förmigkeit. Die Verluste der CDU schwanker zwischen 5, 9 Prozentpunkten in Niedersach sen und 3, 7 Prozentpunkten im benachbarter Bremen um einen Mittelwert von 4, 8 Punkten also mit einer Schwankungsbreite von nur 1, 1 Punkten. Von der Gleichförmigkeit der CDU/CSU-Verluste gibt es eigentlich nur zwei Ausnahmen: die vergleichsweise geringen Verluste in Bremen und anderen urbanen Ballungszentren und das deutlich bessere Abschneiden der CSU in Bayern, auf das noch einzugehen ist. Es sei aber betont, daß auch bundesweite geringere Verluste wie die in Bayern dazu geführt hätten, daß die Union ihr Wahlziel, die Regierung abzulösen, nicht erreicht hätte.

Bei den Ausnahmen im Bereich der CDU ist auffallend, daß es sich stets um Regionen handelt, in denen die Union traditionell schwach war. Anders formuliert: Wo sie nichts hatte, konnte sie auch nichts verlieren.

Das SPD-Ergebnis variiert zwischen einem Gewinn von 2, 2 Prozentpunkten im Saarland und einem Verlust von 1, 5 Punkten in Bremen. Allein bei der FDP läßt sich das traditionelle Nord-Süd-Gefälle auch bei den Veränderungen gegenüber 1976 beobachten. Die Gewinne der FDP sind mit 3, 9 Punkten in Schleswig-Holstein und Hamburg am höchsten und im Saarland mit 1, 2 und in Bayern mit 1, 6 Punkten am geringsten.

III. Bestimmungsfaktoren des Meinungsklimas

Schaubild 2:

Diese Gleichförmigkeit in der Veränderung legt die Hypothese nahe, daß bundespolitische Faktoren und nicht regionalspezifische Besonderheiten das Wahlergebnis geprägt haben. Es erscheint deshalb zweckmäßig, anhand des skizzierten Modells die verschiedenen Faktoren einmal zu überprüfen. Was prägte das Meinungsklima dieser Wahl? 1. Eine Wahl der klaren Alternativen Wie lange zuvor nicht mehr war dies eine Wahl mit klaren Alternativen. 81 % erklärten in einer Untersuchung des Instituts für Politische Wissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unmittelbar vor der Wahl, der Wahlausgang würde einen großen Unterschied für die weitere Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland bewirken. 1976 waren dieser Meinung nur 54 %. Bei dieser Thematik waren sich SPD-und CDU/CSU-Wähler einig, nur die FDP-Wähler sahen die Entwicklung etwas gelassener. Nur 68 % von ihnen glaubten an einen großen Unterschied; aber auch diese Gruppe war 1976 zurückhaltender, als nur 50 % glaubten, der Wahlausgang werde einen großen Unterschied für die weitere Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland bringen.

Diese Polarisierung hat übrigens das politische Interesse nicht erhöht, sondern das Gegenteil bewirkt: Während sowohl 1976 als auch 1978 und 1979 fast 30 % erklärten, regelmäßig am politischen Geschehen teilzunehmen, äußerten sich vor der Wahl 1980 nur noch gut 25 % in diesem Sinne. Merke: Lärm schreckt ab! Dem entspricht, daß 37 % aller Wähler und gar 41 % aller potentiellen Wechselwähler den Wahlkampf unfair fanden; 31 % nannten als Begründung gegenseitige Beschimpfungen, 21 % persönliche Angriffe und Verleumdungen, 8 % das Verhalten von Strauß, 5 % die Kampagne gegen Strauß.

Ein polarisiertes Klima also, bei dem man auf kritische Distanz zu den Ereignissen ging — aber das reichte nicht aus, den Urnen fern zu bleiben. Die Wahlbeteiligung von 88, 7 % entspricht im großen ganzen dem, was sich bei den Bundestagswahlen inzwischen eingependelt hat. Der Rückgang um 2 Prozentpunkte signalisiert aber auch eine Stimmungslage. Die Frage ist, wieviel derartige Auseinandersetzungen sich die Parteien noch leisten können, bevor auch die Wahlbeteiligung deutlich absackt. Das polarisierte Klima und die hohe Wahlbeteiligung verdeutlichen jedoch zugleich auch, daß es den Parteien gelungen ist, ihre Stammwählerschaft weitestgehend zu mobilisieren.

Diese These wird auch gestützt, wenn man nach den Informationsquellen im Wahlkampf fragt. 1980 nannten 95% das Fernsehen, 1976 waren es nur 83 %. Noch deutlicher war der Anstieg beim Radio: 1980 62 %, 1976 34 %. Auch die Tageszeitungen konnten einen Anstieg verzeichnen: 1980 85 %, 1976 68 %, und eine Verdoppelung läßt sich auch bei den persönlichen Gesprächen beobachten: 1976 gaben 34 % an, sich durch persönliche Gespräche im Wahlkampf informiert zu haben, 1980 waren es 61 %. Dabei zeigen sich keine erwähnenswerten Unterschiede zwischen den verschiedenen Wählergruppen. Anders formuliert: Die Wahl war wie selten zuvor zentrales Thema jm Kommunikationsprozeß der Bürger. Die Polarisierung der Politik hatte ein selten zuvor erreichtes Maß angenommen. Das führt zur Frage nach der Ursache dieser Polarisierung. 2. Die Themen der Wahl Was waren die inhaltlichen Themen dieser Wahl, also jene Variablen, die die Besonderheiten einer jeden Wahl vor allem prägen?

Das hervorstechende Ergebnis ist, daß es nach überwiegender Meinung der Wählerschaft kein beherrschendes Thema gab. 19, 4 % nannten Arbeitslosigkeit, 1976 waren es noch 25, 4%. Preisstabilität nannten 7, 8 %, 1976 13, 3 %. Beginnt man sich an eine wirtschaftliche Situation mit Dauerarbeitslosigkeit zu gewöhnen? 10, 4 % nannten die Friedenspolitik, 8, 7% die Rentenfrage — zwei Themen, die 1976 deutlich weniger Resonanz fanden; aber das Thema Energiepolitik, das 1979 noch von über 10 % genannt worden war, war auf 5 % abgesunken. Die Staatsverschuldung nannten nur 3, 8 %, allgemeine Fragen der Wirtschaftspolitik fast 5 %. Fazit: Gerade die geringe Zahl der Nennungen für das Thema Staatsverschuldung zeigt, daß es der Opposition nicht gelungen ist, den Wahlkampf inhaltlich thematisch zu bestimmen. Die inhaltliche Auseinandersetzung war also offensichtlich nicht Ursache der Polarisierung. Die Union hatte aus den Erfahrungen von 1976 (Freiheit statt Sozialismus) nicht gelernt; statt Sachthemen zu prägen, versuchte sie es wieder mit Ideologie (den Sozialismus stoppen).

Bemerkenswert ist auch ein anderes Ergebnis: über alle genannten Themen hinweg hielten 48 % die Union für fähig, die Probleme zu lösen, nur 46, 9% die Koalition; 1976 war dies umgekehrt. Damals hielten 48, 7 % die Koalition (das sind alle Nennungen, die für SPD, FDP oder beide gemeinsam abgegeben wurden) für kompetenter, nur 45, 1 % die Opposition.

Zum Bereich der Besonderheiten einer Wahl gehört auch die Beurteilung der Parteien. Sie kann anhand verschiedener Kriterien gemessen werden. Auf die Frage, welche Gruppen die Parteien vertreten, antworteten auf die Union bezogen 46, 7 % „Leute wie mich". 1976 waren es nur 45, 1 %. Umgekehrt sahen sich 1980 nur noch 45 % von der SPD vertreten; 1976 waren es noch 48, 7 %. Dieses Bild läßt sich weiter ausmalen: Fragt man nach der Sympathieeinschätzung von Parteien, so erhielt die CDU 7, 2 von 10 möglichen Punkten, die SPD 6, 9, die CSU 5, 8, die FDP 5, 9. Das waren keine nennenswerten Veränderungen im Vergleich zu 1976, als die CDU 6, 9, die SPD 6, 5, die CSU 5, 7 und die FDP 6, 1 Punkte erhielt. Fragt man in gleicher Form nach der Leistungsfähigkeit, erhielt die CDU gar 7, 8, die SPD 7, 7, die CSU 6, 8 und die FDP 5, 9 von jeweils 10 möglichen Punkten. Hier ist allerdings eine deutliche Verbesserung gegenüber 1976 bei der CDU (damals 7, 3) und der CSU (damals 6, 1) zu beobachten, während die SPD (damals 8, 0) und die FDP (damals 6, 1) absanken. Wichtig erscheinen hier zwei Ergebnisse: Bei den beiden zentralen Dimensionen zur Beurteilung politischer Parteien, nämlich Sympathie und Leistungsfähigkeit bzw. Vertrauen und Zutrauen, wird die CDU anders als 1976 höher eingestuft als die SPD, die CSU senkt den Durchschnittswert für die Opposition ebenso wie die FDP den für die Koalition. Zugleich ist die Bewertung aller Parteien so, daß auch hier nicht die Ursache der Polarisierung gesucht werden kann.

An einem weiteren Einzelthema sei das veränderte Meinungsklima zugunsten der Unionsparteien dargelegt, nämlich am Thema Kernenergie, weil dies wie kaum ein zweites in den Grundsatzpositionen zwischen CDU/CSU und SPD kontrovers ist. 1979 waren noch 33 % der Bevölkerung grundsätzlich gegen Kernkraftwerke, 1980 waren es nur noch 25 %, während die Zahl derjenigen, die sich grundsätzlich für Kernkraftwerke bzw. für Kernkraftwerke nach Lösung aller Sicherheitsprobleme aussprachen, von 67 % auf 75 % stieg. Das Bild wird noch deutlicher, wenn man von der abstrakten Frage zu einer konkreteren Formulierung übergeht: Auf die Frage: „Hätten sie etwas dagegen, daß hier in Ihrer Nähe ein Kernkraftwerk gebaut wird?" antworteten 1979 63 % mit ja, 1980 nur noch 47 %. Der Anteil derjenigen, die nichts dagegen einzuwenden hätten, stieg von nur 37 % auf über 53 %. 3. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation Als nächste Variable ist die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation zu überprüfen. Das Ergebnis unterstreicht die bisher beobachtete Tendenz. Fast 35 % erwarteten eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage (1976 nur 9 %). Nur fast 12 % glaubten an eine Besserung (1976 34 %), und unter den potentiellen Wechselwählern war der Pessimismus noch geringfügig größer: den 36, 3 %, die eine Verschlechterung erwarteten, standen nur 5, 6 % gegenüber, die an eine Verbesserung glaubten. Diese Zahlen spiegeln ein deutliches Meinungsklima in einem der wichtigsten Bereiche, das zwar auch nicht polarisiert, jedoch für eine Opposition kaum günstiger sein kann — der Vergleich drängt sich auf zu der Stimmungslage in den Landtagswahlen 1974/75, als die CDU/CSU teilweise sensationelle Gewinne erzielten. Aber dieses Mal verlor die Union trotz dieser Stimmungslage. Ein Widerspruch? 4. Das Bild der Spitzenpolitiker Das Bild klärt sich, wenn man schließlich das Bild der Spitzenpolitiker in die Betrachtung einbezieht. Wendet man das gleiche Instrumentarium wie zur Beurteilung der Parteien an, so ergibt sich folgendes Bild:

Auf der Leistungsskala erhält Schmidt 8, 7 von 10 möglichen Punkten (1976 waren es 8, 3 Punkte). Strauß kommt auf 8, 0 (1976 7, 0 Punkte). Das ist ein hoher Wert für den Kandidaten der Opposition. Aber bei der Sympathiebemessung erzielt Schmidt mit 8, 3 (1976 7, 5 Punkte) ebenfalls hohe Werte, Strauß dagegen nur 5, 4 (1976 5, 3 Punkte); dies scheint das entscheidende Ergebnis zu sein. Anders formuliert: Zur Zeit der Bundestagswahl 1980 herrschte ein politisches Klima, in dem Strauß das Vertrauen versagt wurde, obwohl man durchaus Zutrauen in seine Fähigkeit hatte, die Probleme zu lösen.

Stellt man die Frage nach den Ursachen dieses Ergebnisses, so ist zunächst zu beobachten, daß das Meinungsbild über Franz Josef Strauß in dieser Form seit vielen Jahren konstant ist. Es hat sich bereits Anfang der 60er Jahre ausgeprägt und ist in den 70er Jahren nur verfestigt worden. Es ist also das Ergebnis des Kom munikationsprozesses zwischen handelnde; Politikern, kommentierender veröffentlichte und öffentlicher Meinung über 25 Jahre in de Bundesrepublik Deutschland. Dieser langfri stige Prozeß erklärt auch das polarisierte Kli ma, das diese Kandidatur mit sich brachte um das durch anhaltende Aktionen von Klein gruppen, die in den Medien breite Aufmerk samkeit fanden, den Wahlkampfstil der Regie rungsparteien und ihr nahestehender Organi sationen — die Frankfurter Allgemeine Zei tung verwandte in einem Leitartikel von 18. Juni 1980 die Formulierung „Hetze stat Wahlkampf" — und auch durch die Reaktioi der Unionsparteien und ihr nahestehende Gruppen gefördert wurde. So wurde Strau, zum polarisierten Thema der Wahl.

Dieses Bild ergibt sich auch bei mehreren an deren Fragen. Über 83 hielten Strauß für de wichtigsten Politiker der Union, aber nur 531 gaben ihm eher gute, 47 eher schlechte Nc ten, und bei den potentiellen Wechselwähler standen 49 % positive Nennungen 51 % nega tive gegenüber. Bei SPD(13% gute, 83“ schlechte) und FDP-Wählern (4 % gute, 96 “ schlechte) stieß Strauß auf nahezu einmütig; Ablehnung. Von den Unionswählern erhie'Strauß 92 % positive Nennungen und nur 8“ negative. Das kennzeichnet die Polarisierun der Politik unter den Bedingungen diese Wahl. Anders war die Situation auf Seiten de SPD: 96 % hielten Schmidt für den wichtigste Politiker der SPD, 88 % gaben ihm eher gut; nur 12 % eher schlechte Noten. Auch 77 % de Unionswähler beurteilten Schmidt eher pos tiv. Dem entspricht es, daß auf die Frage nac dem liebsten Kanzler 63 % sich für Schmid 37 % sich für Strauß entschieden, auch 161 der Unionswähler zogen Schmidt ihrem eig« nen Kandidaten vor. Nur 2, 5 % der SPD-Wäl ler zeigten eine Präferenz für Strauß. Fast ei Drittel der Unionswähler hätten lieber eine anderen Kanzlerkandidaten gehabt. 5. Die Einordnung auf der Rechts-Links-Skala Ein anderes Instrument zur Analyse von Pa teiensystemen ist die Rechts-Links-Skala; di Begriffe rechts und links haben sich als besoi ders geeignet erwiesen, die deutsche Politi im Verständnis der Wählerschaft zu ordne Auf einer Rechts-Links-Skala (mit 5 möglichen Punkten nach links und 5 möglichen Punkten nach rechts) nimmt die SPD eine Position von 2, 1 links, die CDU von 2, 3 rechts ein, Angesichts der Selbsteinschätzung der Befragten von 0, 1 rechts bedeutet das, daß CDU und SPD nahezu gleichweit von der politischen Mitte entfernt sind. Schmidt kommt der politischen Mitte nach links 1, 1 am nächsten, aber Kohl und Stoltenberg sind mit Positionen von rechts 2, 1 auch der Selbsteinschätzung der Befragten noch nahe. Anders die Situation von Franz Josef Strauß: Er wird rechts bei 3, 8 eingestuft, die CSU im übrigen rechts bei 3, 1. Anders formuliert: Neben der fehlenden Vertrauensdimension nahm Franz Josef Strauß im Verständnis der Wählerschaft eine politische Position ein, die an der Peripherie des politischen Flügels der Bundesrepublik Deutschlands steht. Zum Vergleich: Herbert Wehner bekommt die Position links 3, 3. Auch dies erklärt die Polarisierung.

Diese Ergebnisse erklären im wesentlichen die Stimmenverluste der CDU/CSU. In einem für die Opposition insgesamt günstigen Meinungsklima verlor die Union trotz hoher Leistungserwartung und Sympathie letztlich, weil ihrem Spitzenkandidaten das Vertrauen versagt blieb und er in der Perzeption der Wählerschaft die politische Mitte nicht ansprechen konnte. Daß dies nicht der SPD zugute kam, zeigt deutlich, daß diese Wahl weniger eine Schmidt-Wahl als eine Anti-Strauß-Wahl war. Wie 1961 profitierte die FDP von dieser Anti-Stimmung. Wie ist dies zu erklären? 6. Die Marktlücke der FDP Zur Beantwortung dieser Frage ist es zweckmäßig, noch einmal auf die Rechts-Links-Skala zurückzugreifen. Die unterschiedliche Einstufung der SPD mit Brandt und Wehner einerseits und Schmidt andererseits verdeutlicht, daß in der Perzeption der Wählerschaft die SPD und ihre wichtigsten Repräsentanten außer dem Bundeskanzler nicht die politische Mitte, sondern eine etwas halblinke Position ansprechen. Um mehrheitsfähig zu sein, ist es notwendig, sich am 51. Prozent der Wählerschaft zu orientieren. Das führt im übrigen zwangsläufig zu Spannungsverhältnissen zwischen einer an der Mehrheitsbildung orientierten Parteiführung und der innerparteilichen Willensbildung. Im Verständnis der Wählerschalt hatte die SPD in den letzten Jahren diese Position der politischen Mitte aufgegeben und sich nach links bewegt. Daraus ergibt sich normalerweise die Marktlücke für die FDP, die erfolgreich den Eindruck zu erwecken weiß, sie zöge die Gesamtkoalition in Richtung auf die politische Mitte.

Mit der Nominierung von Franz Josef Strauß zum Spitzenkandidaten ist in der Perzeption der Bevölkerung die Bedeutung der CSU im allgemeinen und von Strauß im besonderen für die CDU/CSU insgesamt deutlich gestiegen und hat damit die Position der gesamten Unionsparteien nach rechts verschoben. Während die rechte Position der CSU unter den sozio-strukturellen Bedingungen Bayerns offen-Schaubild sichtlich nicht schädlich ist — sie ist dort mehrheitsfähig —, gilt dies nicht für das gesamte Bundesgebiet. Dies erklärt im wesentlichen auch die deutlich geringeren Verluste der CSU in Bayern im Vergleich zu denen der CDU im Rest der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Nominierung von Franz Josef Strauß gab die Union im Verständnis der Wählerschaft die politische Mitte auf und vergrößerte damit die Marktlücke zugunsten der FDP bis in ihre eigene Wählerschaft hinein. Strauß drückte, bildlich gesprochen, einen Teil des CDU-Wählerpotentials in die Arme der FDP. Durch die Nominierung von Franz Josef Strauß zum Spitzenkandidaten der Union war Jie Marktlücke der FDP erweitert worden.

Hatte sie sich bislang in der Koalition mit der SPD auf jene Wähler konzentrieren müssen, deren Verständnis die SPD an die linke Peri-Ipherie des Parteiensystems abgedrängt hatte : und die in der FDP den Garanten einer gemäßigten Position der Koalition sahen, so konnte sie jetzt in das Potential der CDU-, teilweise aber auch der CSU-Wähler eindringen, für die die Union mit dem Spitzenkandidaten Strauß die politische Mitte aufgegeben hatte.

Die Aufteilung der Erst-und Zweitstimmen legt diese Interpretation nahe. Die CDU/CSU-Kandidaten haben 1, 5 Prozentpunkte mehr Erst-als Zweitstimmen erhalten. 1976 hatte diese Differenz nur 0, 3 Punkte betragen. Addiert man die Erststimmen, so erreicht die Union 46 Prozent; ihre Verluste gegenüber 1976 verringern sich dann auf 2, 9 Prozentpunkte. Was noch wichtiger ist: Seit 1972 hatte das Stimmensplitting der FDP-Wähler fast 1. Die SPD hat bundesweit 0, 3 Prozentpunkte gewonnen — eine Veränderung, die bei einer um 2 Punkte gesunkenen Wahlbeteiligung nichts aussagt. Die SPD kann zwar mit der FDP mühelos weiter regieren, aber man kann nicht davon sprechen, daß die SPD die Wahl gewonnen hat. Vor dem Hintergrund der deutlichen Verluste der CDU/CSU ist die praktische Konstanz ihres Stimmenanteils bemerkenswert. Sie konnte als die führende Regierungspartei von den Verlusten der Opposition nicht profitieren. Dies ist vor allem auffallend, wenn man das Ergebnis an den Voraussagen und Wahlzielen mißt: Von absoluter Mehrheit and stärkster Partei war die Rede; beides wurde nicht erreicht. Die SPD hat aus der honen Einschätzung ihres Spitzenkandidaten in der Konfrontation mit Strauß keinen Nutzen riehen können. Das Bild der Partei ist insgeausschließlich die SPD-Kandidaten begünstigt. Für diejenigen, die mit der Systematik des Wahlrechts vertraut waren und sie zu nutzen wußten, war es typisches Koalitionswahlverhalten, mit der Erststimme SPD-Kandidaten und mit der Zweitstimme FDP zu wählen. Dieses Mal haben offensichtlich aber auch CDU-und sehr begrenzt CSU-Kandidaten bis zu 2 Prozentpunkte mehr Erststimmen erhalten, und zwar von CDU/CSU-Wählern, die ihren Kandidaten treu geblieben sind, die aber den Unionsparteien unter den Bedingungen dieser Wahl ihre Zweitstimme verweigerten. Die Stimmabgabe für die FDP mit der Zweit-stimme war ein Ausweichen, weil man einer eigenen Präferenz nicht nachkommen zu können glaubte, und somit ein Ausweg aus einer Spannungslage, die das Meinungsklima dieser Wahl treffend beschreibt. Dabei ist bemerkenswert, daß der Erststimmenüberhang des CSU-Kandidaten mit 0, 8 Prozentpunkten deutlich unter dem des CDU-Kandidaten liegt, was erneut verdeutlicht, daß das beschriebene Meinungsklima in Bayern nicht so ausgeprägt war wie in der übrigen Bundesrepublik — aber angesichts der Tatsache, daß es 1976 keine Differenzen zwischen CSU-Erst-und Zweitstimmen gab, ist dies auch ein Hinweis darauf, daß dieses Meinungsklima grundsätzlich auch in Bayern existierte.

IV. Schlußfolgerungen

Schaubild 3

samt wenig attraktiv. Insbesondere ist auf die in der Perzeption der Wählerschaft relativ linke Position der Partei im Vergleich zum Bundeskanzler zu verweisen. Solange die SPD diese Position nicht ändern kann, wird sie bei etwa 43 Prozent eine Art Schallgrenze erreicht haben. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, wie sich das Bild Schmidts entwickeln wird, wenn das Kontrastbild von Strauß fehlt. Der polarisierende Wahlkampf, der eben auch den fast vergessenen „Schmidt-Schnauze" hinter dem Kanzler wieder sichtbar werden ließ, wird Spuren hinterlassen.

Die gerade auch nach der Regierungsbildung in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung viel diskutierten Verbrauchserscheinungen in der Koalition und insbesondere auf Seiten der SPD haben sich im Meinungsbild vor der Wahl schon deutlich niedergeschlagen. Hier ist durch das gestiegene Gewicht des linken Flügels innerhalb der SPD — erstmalig hat sich die parlamentarische Linke organisiert und verfügt über eine Stärke, die deutlich größer ist als die Mehrheit der Koalition, d. h. sie ist in der Situation einer Veto-Gruppe — die parteiinterne Konfliktlage in der SPD deutlicher, als das in der Vergangenheit der Fall war, verstärkt, und zugleich innerhalb der Koalition institutionalisiert. Das legt die Vermutung nahe, daß dies zu einer weiteren Verschlechterung des Images der SPD führt.

2. Die Gewinne der FDP bedeuten keine substantielle Stärkung der Partei. Es waren Ausweichstimmen von Wählern, die im Spannungsverhältnis zwischen CDU/CSU-Präferenz und Opposition gegen Strauß standen. Das bedeutet aber zugleich, daß es sich hier keineswegs um stabile Anhängerschaften für die FDP handelt, auf die sie in kommenden Wahlen zurückgreifen kann. Aber hier drängt sich der Vergleich zu 1961 auf, als die FDP in einer ähnlichen Spannungslage der Anti-Adenauer-Wahl auf 12, 8 % der Stimmen kam, dieses Potential jedoch auch damals nicht stabilisieren konnte.

3. Die Union hat diese Wahl verloren. Daran gibt es nichts zu deuten. Es ist ihr schlechtestes Ergebnis seit 1953.

Unabhängig von allen Einzelfragen stellt sich nach dieser dritten Niederlage der Union als Oppositionspartei die Frage nach ihrer langfristigen Strategie. Sie hat daüber viel, laut und öffentlich und mehr als der Sache dienlich war in der Vergangenheit nachgedacht, ohne dabei das zentrale Problem zu berühren. Sie hat sich 1972 und 1976, erst recht aber 1980 in ihrer Kandidatenauswahl an ihren Stammwählern orientiert. Die Begeisterung, die Strauß entgegenschlug, wenn er zu seinen Anhängern sprach, sagt eben nichts aus über die Zustimmung, die er im Bereich der kritisch distanzierten Wählerschaft findet, ohne die aber keine Partei mehrheitsfähig ist. Will die Union erfolgreich sein, und dies ist keine Frage ihres Privatvergnügens, sondern die Erfüllung ihrer Aufgaben im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, dann muß sie ihre Spitzenkandidaten rechtzeitig und auf die Vorstellungen dieser Wähler „zugeschnitten" auswählen. Neben Strauß hielten z. B. 62 % Kohl und 45 % Stoltenberg für den wichtigsten Mann der Union. Kohl bekam von 71 %, Stoltenberg von 83% eher gute Noten Dabei ist bemerkenswert, daß Stoltenberg überwiegend auch von SPD-Wählern (64 % und FDP-Wählern (84 %) eher positiv beurteilt wurde, während die Mehrheit der SPD-Wähler (55 %) Kohl weniger gut, aber eine Mehrheit der FDP-Wähler (54 %) auch ihn eher positiv bewerten.

Diese Zahlen verdeutlichen, daß es für die Union möglich ist, Zustimmung auch außerhalb der eigenen Anhängerschaft zu finden. Sie muß sich nur an ihren realen Chancen, nicht an der Begeisterung ihrer Anhänger orientieren.

Die Unionsparteien sind trotz der deutlichen Niederlage mehrheitsfähig. Das beweist gerade die Beurteilung der Partei unter den Bedingungen der Kanzlerkandidatur von Strauß. Die Niederlage bedeutet damit kein Menetekel für anstehende Landtags-und Kommunalwahlen. 4. Der Fähigkeit der Opposition, die Unzufrie denheit mit der Regierung aufzufangen, kommt eine besondere Bedeutung zu. Es ist kaum anzunehmen, daß die FDP stets in der Rolle des Oppositionsfilters in der Koalition dies kompensieren kann. Das gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, daß erstmalig seit 1969 die Existenz des Parteiensystems in dieser Form herausgefordert war. Nach den vorangegangenen Erfolgen in den Landtagswahlen in Bremen und Baden-Württemberg hatten viele Beobachter den Grünen eine reale Chance eingeräumt, in den Bundestag einzuziehen. Offensichtlich hatten die inneren Auseinandersetzungen im letzten Dreivierteljahr vor der Wahl den Grünen geschadet, insbesondere die kommunistische Infiltration deutlich werden lassen. 58 % der Bevölkerung hatten von diesen Konflikten gehört und ebenfalls 58 % gaben als Ursache die Einflußnahme Linksextremer an. Das alte Wort: Je roter die Grünen, desto geringer ihre Chancen, wurde bestätigt. Wer dieses Mal noch grün gewählt hatte, kam vom linken Flügel der SPD oder aus dem Bereich der Jungwähler, also einem wesentlichen Teil des Potentials der SPD. Auf der von 5 Punkten nach rechts bis zu 5 Punkten nach links reichenden Skala wurden die Grünen bei links 2, 0 eingestuft — bei den Land-B agswahlen, bei denen sie erfolgreich waren, iatten sie in der Einschätzung der Wähler och eine stärkere Position der Mitte einnehnen können. In dieser neuen Position waren lie Grünen der FDP nicht mehr gefährlich.

; s wäre jedoch verfehlt anzunehmen, daß mit ler Niederlage bei der Bundestagswahl 1980 las Konflikt-und Protestpotential, das die Grünen ansprechen und zum Teil bereits mit Erfolg angesprochen haben, ausgeräumt worlen wäre. Die Chancen der Grünen sind — wie die jeder anderen Protestpartei — um so größer, je weniger die Opposition eine attraktive Alternative zur Regierung darstellt. Das Spannungsfeld zwischen Regierung und Opposition ist die Stabilitätsgarantie des parlamentarischen Systems. 5. Die Demokratie lebt vom Wechsel der Parteiregierungen. Der regelmäßige Wechsel zwischen Regierung und Opposition verdeutlicht die Erneuerungskraft eines politischen Systems, wie sie keinem anderen System eigen ist. Daß die Union stärkste Partei im Deutschen Bundestag geblieben ist, ist wichtig; das ist kein Trostpflaster, sondern für die Ausgangssituation 1984 bedeutsam. 1984 stellt sich vor dem Hintergrund dieses Wahlergebnisses die Frage nach der Stabilität und der Innovationskraft der deutschen Demokratie. So wie der Regierungswechsel des Jahres 1969 nach 20jähriger CDU-Führung vielfach, insbesondere im Ausland, als ein Stabilitätsbeweis deutscher Demokratie bewertet wurde, so entsteht 1984 nach 15jähriger Regierungsführung durch die SPD erneut die Frage, ob in der Bundesrepublik Deutschland eine reale Chance des Machtwechsels besteht und ob damit auf Dauer eine stabile und innovationsfähige Demokratie gesichert ist. Unter diesem Aspekt ist das Wichtigste am Wahlergebnis vom 5. Oktober 1980, und zwar nicht nur für die Union, sondern auch für das demokratische System, daß CDU/CSU gerade noch eine Position haben halten können, von der aus sie 1984 glaubwürdig den Anspruch auf eine Übernahme der Bundesregierung anmelden können.

Fussnoten

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Werner Kaltefleiter, Dr. rer. pol., geb. 1937 in Hagen, o. Professor für Politische Wissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, Direktor des Instituts für Politische Wissenschaft; von 1970 bis zur Wahl zum Vizepräsidenten der Universität im Sommersemester 1975 Leiter des Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Konrad-Adenauer-Stiftung. Veröffentlichungen u. a.; Die Funktionen des Staatsoberhauptes in der parlamentarischen Demokratie, 1970; Im Wechselspiel der Koalitionen — Analyse der Bundestagswahl 1969, 1970; Zwischen Konsens und Krise — Analyse der Bundestagswahl 1972, 1973; Geheimhaltung und Öffentlichkeit in der Außenpolitik (mit Peter Krogh), 1974; Vorspiel zum Wechsel — Eine Analyse der Bundestagswahl 1976, 1977; Empirische Wahlforschung. Eine Einführung in Theorie und Technik (mit Peter Nißen), 1980.