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Die Japaner denken und handeln anders | APuZ 19/1981 | bpb.de

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APuZ 19/1981 Indochina und das westliche Erbe Singapur — ein Modell für die Dritte Welt? Kapitalismus in der sozialistischen Republik Die Japaner denken und handeln anders

Die Japaner denken und handeln anders

Siegfried Böttcher

/ 10 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Angesichts der „japanischen Herausforderung" ist eine Beschäftigung mit diesem Phänomen geboten. Ziel dieses Aufsatzes ist es, den andersartigen, entgegengesetzten geistigen und sozialen Hintergrund, der zu dieser erstaunlichen Entwicklung geführt hat, zu beleuchten. Dies geschieht durch eine Folge von idealtypischen Gegenüberstellungen: — Das kausale Denken im Westen — das Kreis-oder Umzingelungsdenken im Fernen Osten; — der durchrationalisierte, der gespaltene Mensch im Westen — der ganzheitliche Mensch im Osten; — das Ego im Westen — das Wir im Fernen Osten; — der Absolutheitsanspruch im Westen — die Relativierung im Fernen Osten; — das „Entweder-Oder" im Westen — das „Sowohl-als-Auch" im Fernen Osten; — geborgen und gefangen in der Gruppe; — japanischer Geist zusammen mit westlicher Technik. Nach der Öffnung Japans in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben die Japaner mit der Modernisierung ihres Landes begonnen. Sie haben dabei gezeigt, daß sie die beiden gegensätzlichen Pole — japanischer Geist und westliche Technik — vereinbaren konnten und können. Heute ist der . American Way of Life" verblaßt, das deutsche Sozial-modell hat an Glanz verloren, und der Marxismus in den Ostblockländern ist angeschlagen. Japan scheint dagegen eine Geheimformel zu kennen. Trotz zunehmender Technisierung, trotz Umweltverschmutzung, trotz Hektik haben sich die Japaner ihre Lebensart, ihre Lebenswelt weitgehend bewahren können: Ihr ganzheitliches, hierarchisches Denken ist differenziert und flexibel.

Japans wirtschaftliche Erfolge sind erstaunlich. Schlagworte wie „Die japanische Herausforderung" und „Angst vor japanischen Exporten" sind in aller Munde. Die Beschäftigung mit Japan ist en vogue. Viele Reisende suchen das Geheimnis des japanischen Erfolges zu ergründen. Man spricht von der Notwendigkeit, computergesteuerte Roboter, mehr vorfabrizierte Teile usw. auch in der deutschen Produktion zu benutzen. Das ist sicherlich richtig, aber bleibt zunächst noch vordergründig. Bemühungen, z. B. im VW-Werk, das japanische gemeinschaftliche Arbeits-und Diskussionssystem einzuführen, gehen schon weiter und tiefer.

Wir können und sollten nicht versuchen, das „japanische Sozialmodell" insgesamt zu übernehmen. Das geht sicherlich nicht. Durch eine Analyse und Beschäftigung mit der japanischen Lebens-und Arbeitsform können wir jedoch die Schwächen und Stärken unserer Welt klarer erkennen, um dann in Teilbereichen notwendige Kurskorrekturen einzuleiten. Die folgenden Gegenüberstellungen sind im Weberschen Sinne idealtypisch zu verstehen und sollen zum Nachdenken anregen.

Das kausale Denken im Westen — das Kreis-oder Umzingelungsdenken im Fernen Osten

Das abendländische Denken geht in eine bestimmte Richtung; man kann es mit Jung als gerichtetes Denken bezeichnen. Es ist geradlinig und auf ein Ziel oder Resultat ausgerichtet. Man geht von einer Ursache aus, die eine Wirkung hat. Cogito ergo sum. In diesem Denken liegt ein Hochmut und gleichzeitig eine Armut; denn es erfaßt mit dem Intellekt nur eine Seite des Menschen.

Das fernöstliche Denken ist dagegen nicht geradlinig. Es ist eine Art Umzingelungs-oder Umklammerungsdenken. Der Ostasiate macht viele kleine Vorstöße — gewissermaßen in Form von zunächst ungeordneten Pfeilen — auf eine bestimmte Mitte, auf das Denkziel hin. Diese Vorstöße bestehen aus einem Gemisch intellektueller, gefühlsmäßiger, empfindungsmäßiger und willensmäßiger Art. Sie sind ganzheitlich ausgerichtet. Wenn der Gegenstand von allen Pfeilen eng umklammert ist, wird er nicht nur vom Intellekt, sondern von der ganzen Psyche ergriffen.

Diese ganzheitliche Denkart hat den Vorteil, recht schnell ungefähr im Bilde zu sein. Sie hat jedoch den Nachteil der Ungenauigkeit. Der Ostasiate denkt nicht überwiegend mit dem Kopf, sondern mit der Leibesmitte, dem Nabel, der Psyche. Deshalb bekommt man häufig vage Auskünfte und es ist schwierig, ihre Entscheidungen vorauszuahnen. Man muß Geduld haben und die Sache reifen lassen. Man kann den Denkprozeß schwerlich beschleunigen.

Dieses Denken kann langsamer, aber auch schneller als das unsrige sein. Es ist jedoch tiefer, nicht so flach oder kurzatmig wie bei uns angelegt. So können uns die Ostasiaten im Kombinieren und im Überblick komplizierter Zusammenhänge überlegen sein. Dies hat sich gerade in der Vorbereitung und Durchführung ihrer langfristigen Exportstrategien gezeigt.

Aufschlußreich ist auch, daß die heutige Physik von ihren rationalen Ansätzen her mit dem modernen Unbestimmtheitsdenken just diese Ansätze in Frage stellen muß. Ursache ist Wirkung, Wirkung ist Ursache; das kann man mit dem alten Denken nicht mehr recht begreifen. Das rationale Denken ist zu einseitig.

Der durchrationalisierte, der gespaltene Mensch im Westen — der ganzheitliche Mensch in Ostasien „Die Lebensformeln des Westens sind an der Grenze ihrer Fruchtbarkeit angelangt. Der Ra35 tionalismus steht am Ende seiner Weisheit und der Mensch ist einer inneren und äußeren Hilflosigkeit ausgeliefert, wenn er keine neuen Wege der Wesensfindung und der Sinngebung erschließt. Die verwandelnde und erlösende Kraft der Religion nimmt in dem Maße ab, als das Bildgefüge, in dem sie sich darstellt, und die Gottesvorstellung, die es trägt, der Verwurzelung im ursprünglichen Seinsbezug des Menschen verlustig gehen, weil sie rationalisiert weder der Kritik des Verstandes standhalten, noch die Sehnsucht nach letzter Geborgenheit stillen. So ist die Überheblichkeit des Ichs, dessen Bewußtseinsordnung und Lebensformeln die Verbindung mit dem Seinsgrund verstellen und verzerren, auch der Grund für die Unfähigkeit wahrhaft zu glauben."

Soweit Graf Dürckheim in seinem Vorwort zum Buch „Hara — die Erdmitte des Menschen". Auch in China und Japan hat es im 16. und 17. Jahrhundert Rationalisten im Ansatz gegeben; man konnte also auch in diese Richtung denken. Die Schriften dieser Philosophen wurden jedoch verboten. Sie paßten nicht in die vorherrschende ganzheitliche Denk-oder besser Lebensausrichtung hinein. Eine ähnliche Entwicklung — wenn auch in der gegengesetzten Richtung — fand in Europa dadurch statt, daß ganzheitliche Denker Randfiguren blieben.

Der Rationalismus ist bei uns eine der wichtigsten Vorläufer für die Entwicklung der technischen Wissenschaften und damit der Industrialisierung mit dem beispiellosen materiellen Aufschwung gewesen. Soweit das Materielle; aber diese Entwicklung hat zu einem gespaltenen, verarmten Menschen geführt. Was heißt schon: Cogito ergo sum? Ist es nicht besser und umfassender: ich denke, ich fühle und empfinde; kurzum: ich bin ein ganzheitlicher Mensch?

Sehr lange, wenn nicht zu lange, haben wir unsere Geistesausrichtung als das Non plus ultra begriffen — was sie nicht ist. Wir haben ein wenig herablassend von den uralten Weisheiten des Fernen Ostens gesprochen, aber sie nicht weiter beachtet. Jetzt zeigt sich, daß diese differenzierten Lebensauffassungen nach wie vor lebendig sind und vielleicht dem wurzellos gewordenen westlichen Menschen Hilfe geben könnten.

Das Ego im Westen — das Wir im Fernen Osten

Das Ego-Bewußtsein im Westen, unsere individualistisch aufgebaute Gesellschaft, geht auf drei große Wurzeln — Griechenland, Rom und das Westchristentum — zurück. Dieses Ego. Bewußtsein hat sicherlich viel bewirkt und bewirkt es noch. Doch es hat eben zu einer unge. heuren Vereinzelung und Vereinsamung des Menschen geführt. Die sogenannte „Selbstver.

wirklichung" der Frauen und der Singles ist vielleicht eine der letzten Fehlentwicklungen in dieser Richtung.

In Japan dagegen ist die Gruppe alles. Das Individuum (das es in unserem Sinne gar nicht gibt) hat sich in die Gruppe einzuordnen — und dies auch klaglos zu tun.

Diese fundamentalen Unterschiede sind wesentlich religiös bzw. sozio-religiös bedingt. Die westlichen Länder sind idealtypisch als „verinnerlichte Sünden-oder Schuldkulturen" zu verstehen. Damit ist die persönliche Beziehung und das persönliche Schuld-oder Sündengefühl gegenüber einem persönlichen Gott gemeint.

In Japan kann man demgegenüber von einer „sozialen Schamkultur" (haji) sprechen; man muß sich sozialiter einfügen. Es gibt nicht wie im Westchristentum über Jahrhunderte herausgebildet und aufrechterhalten ein sexuelles Sündenbewußtsein. Als die ersten katholischen Missionare Anfang des 17. Jahrhunderts nach Japan kamen, konnten sie das Wort „Sünde" oder „Sünder" nicht richtig in japanischer Sprache wiedergeben. Es gab ja auch keine wie im Westen seit Paulus und Augustinus ausgerichtete entsprechende Welt. Die Patres übersetzten das Wort „Sünder" mit „Zainin“ oder „Shoganin", was einen Menschen meint, der gegen Sozialgesetze verstößt, also im Grunde etwas ganz anderes bedeutet. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die Psychoanalyse Freuds in Japan nicht hat Fuß fassen können. Diese setzt ein rationales, kausales Ich-Denken und ein Sündenbewußtsein voraus, was bei den Japanern nicht vorhanden ist. Dafür kennen sie durchaus soziale Schuldgefühle, die aber andersartig sind und sich auch anders auswirken.

Das Zen geht darüber hinaus davon aus, daß im Kern allen Lebens kosmische Kräfte lebendig sind. Diese sind jedoch vom Willen des Individuums überlagert und behindert. In dem Maße, wie der Mensch sein Ich, das ihn von jener tiefen Substanz trennt, zu überwinden vermag, werden jene Kräfte in ihm frei. Er wird sehend, er ist erleuchtet. Nun handelt nicht mehr das Individuum aus seinem Willen heraus, sondern Es handelt. Dieses Es ist der Person, dem Individuum überlegen.

Der Absolutheitsanspruch Im Westen — die Relativierung im Fernen Osten Wegen des religiösen Absolutheitsanspruches sind im Westen eine Reihe von Kriegen geführt worden. Sehr viel Leid ist dadurch über die Menschen gekommen.

Auch in Japan gab es zunächst Reibereien zwischen den drei sozio-religiösen Ausrichtungen: dem Shintoismus als rein japanischer Lebensauffassung und dem von China eingeführten Buddhismus und Konfuzianismus. Im 5. Jahrhundert n. Chr. hat jedoch Prinz Shotoku, der Einiger Japans, diese drei Weltanschauungen mit einem Baum verglichen: die erste ist die Wurzel, die zweite der Stamm und die dritte sind die Äste oder die Blätter. Alle gehören ganzheitlich zusammen. Wie staatsmännisch und wie weise war damals dieser Vergleich! Deshalb kann heute der Japaner shintoistisch heiraten, im Leben verschiedenen Sekten angehören und schließlich buddhistisch begraben werden.

Wir haben hingegen zu dieser Entwicklung Jahrhunderte gebraucht und haben erst zu einer Art Relativierung gefunden, nachdem die religiösen Fundamente und Bindungen verblaßt waren, nicht mehr recht trugen und die Menschen den Unterschieden zwischen verschiedenen Kirchen oder Denominationen gegenüber ziemlich gleichgültig geworden sind.

Geborgen und gefangen in der Gruppe

Der Japaner ist in der Gruppe, die vertikal gegliedert ist, geborgen. Grundlage für dieses Geborgensein ist das „Amae", was etwa bedeutet „Anspruch auf geliebt werden". Dies fängt als Kind bei der Mutter an, setzt sich als Erwachsener bei der eigenen Frau und in der Firma fort und korrespondiert mit der Verpflichtung, sich auch entsprechend zu verhalten und einzuordnen.

Japanische Kinder werden nicht zu Individuen erzogen; denn sie werden es als Erwachsene nicht wirklich sein müssen. Jede zwischenmenschliche Beziehung besteht aus einem Höher-und Tiefer-Verhältnis zueinander (Oyabun-Kobun).

Für dieses „Oben" und „Unten" kennt die japanische Sprache viele Nuancierungen. Die Firma fühlt sich für den einzelnen verantwortlich, das einzelne Mitglied für die Firma. Der Chef ist der „Vater", der aber nicht einsam und diktatorisch herrscht. Die Japaner verbrauchen in langen Besprechungen anscheinend viel Zeit. Das ist aber gleichzeitig die sorgfältige Pflege einer Teamarbeit, einer Art nicht institutionalisierter Mitbestimmung. Die Entscheidungen reifen heran. Vorschläge werden in der Gruppe erörtert — wenn sie auch zunächst von einem Mitglied kommen können. Nachdem sich in der Firmengruppe eine Mehrheit herausgebildet hat, wird diese Meinung von „Oben" übernommen und dann von allen loyal getragen. Der Konsens ist damit hergestellt.

Die Kehrseite dieses Eingebundenseins: Hart im Nehmen zu sein und ein Problem individuell selbständig meistern, lernen die jungen Japaner kaum. Man kann auch nicht individuell ausscheren. Es gibt ein japanisches Sprichwort, wonach man sein „haji", d. h.seine „Gruppenscham", auf einer Reise, insbesondere im Ausland, vergessen kann. Sonst muß man Tag für Tag dieses Eingeordnetsein hinnehmen. Vielleicht überwiegt aber die Geborgenheit in der Familie, in der Nachbarschaft und in der Firma die Nachteile, daß man sich nicht „selbstverwirklichen“ kann.

Wegen des Vertikalgefüges hat es der Japaner schwer, mit Ausländern umzugehen. Der Ausländer paßt schlecht in dieses Schema hinein. Wenn der Japaner den Ausländer gewissermaßen an die vertikale Spitze stellt und entsprechend behandelt, wird das oft als Unterwürfigkeit ausgelegt, was es überhaupt nicht ist. Das andere Extrem gibt es auch; dann erscheint der Japaner als angeberisch oder arrogant. Die Schwierigkeit besteht darin, daß ein Gegenübertreten und Miteinanderleben auf horizontaler Ebene für den Japaner so schwer ist Das hat er nicht gelernt. Es ist deshalb auch ein Klischee, von dem überaus höflichen Japaner und von unserer weniger höflichen Art zu sprechen. Die japanische Höflichkeit ist eine typisch vertikale Höflichkeit, unsere Höflichkeit ist horizontal basiert. Beide Verhaltensweisen passen nicht recht zueinander, und daraus ergeben sich viele Schwierigkeiten.

Japanischer Geist zusammen mit westlicher Technik Nach der Öffnung Japans in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind die Japaner mit dieser Devise, einer scheinbaren Unvereinbarkeit, in die Modernisierung ihres Landes eingetreten. Sie haben gezeigt, daß sie diese beiden gegensätzlichen Pole vereinbaren konnten und können. Heute ist der „American Way of Life" verblaßt, das deutsche Sozialmodell hat an Glanz verloren, und der Marxismus in den Ostblockländern ist angeschlagen. Japan scheint dagegen eine Geheimformel zu kennen. Trotz zunehmender Technik, trotz Umweltverschmutzung, trotz Hetze haben sich die Japaner ihre Lebensart, ihre Lebenswelt weitgehend bewahren können. Ihr ganzheitliches, hierarchisches Denken ist differenziert und flexibel.

Es gibt auch in Japan nicht einen solchen Gegensatz wie bei uns zwischen dem mehr als Job — nicht mehr als Aufgabe und Verpflichtung — aufgefaßten Arbeitsverhältnis und der Freizeit. Beides geht in Japan ineinander über. Man fühlt sich seiner „Firmen" -Familie gegenüber verantwortlich. Wenn gestreikt wird, wird häufig nach Erfüllung des Arbeitspensums gestreikt. Es gehört zum guten Ton, nicht den ganzen Urlaub zu nehmen. Man kann vielleicht sagen: Der ganzheitliche Konfuzius scheint den nur aus der Ratio herkommenden Marxismus mit seinem Klassenkampf-Gedanken besiegt oder (von Studenten und linksgerichteten Intellektuellen abgesehen) gar nicht nach Japan hereingelassen zu haben.

Das „Entweder-Oder" im Westen — das „Sowohl-als-Auch" im Fernen Osten Im Westen ist uns das „Entweder-oder-Denken" anerzogen worden, während im Fernen Osten das „Sowohl-als-Auch" gedacht und gelebt wird. Während wir gewissermaßen von These zu Antithese und selten zu einer Synthese kamen, sind die Japaner Meister darin, Gegensätze zu verbinden oder sich zumindest davon nicht stören zu lassen. Es wird sozusagen in verschiedenen, voneinander getrennten Schubladen abgelegt — und trotzdem gehört es zusammen. Auf diese Weise sind eine Reihe von scheinbar widersprüchlichen chinesischen, europäischen und amerikanischen Einflüssen letztlich einjapanisiert worden. Das Streben nach Harmonie ist dem Japaner eigen.

Was können wir von Japan lernen?

Beim Lernen-bzw. übernehmenwollen kommt es darauf an, anhand des Gegenübers im Fernen Osten sich auf verschüttete ganzheitliche und gemeinschaftsbezogene Elemente unseres Denkens und Tuns zu besinnen.

Um solche Ansatzpunkte zu erkennen, wurde in einer Reihe holzschnittartiger Gegenüberstellungen die Andersartigkeit des Westens und des Fernen Ostens darzustellen versucht. Um jeweils die Unterschiede begreifen und ausloten zu können, muß man bei der Benutzung gleicher Worte und Bezeichnungen immer den andersartigen Hintergrund mitdenken, mitfühlen und mitempfinden — sonst redet man leicht aneinander vorbei und begreift nichts.

Sicherlich ist es weder möglich noch wünschenswert, daß wir unserer bisherigen Denkund Lebensausrichtung völlig den Rücken kehren. Erstrebenswert ist es aber, diese in ihre Schranken zu verweisen und über sie hin-auszugehen. Unsere pluralistische Gesellschaft ist nämlich in der Gefahr, zu einer ziellosen und egoistisch aufgespaltenen Gesellschaft zu werden. Den hochgeschraubten Ansprüchen steht zumeist nicht mehr eine diese erst tragende Leistungsbereitschaft gegenüber. Um diese Ungleichgewichte bei uns wieder zu beseitigen, könnten wir aus der gelebten Gemeinschaft der Japaner viel lernen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Siegfried Böttcher, Dr. rer. pol., geb. 1929; Studium der Volkswirtschaft an der Universität Kiel, Ausarbeitung der Dissertation an der Sophia Universität und dem Hitotsubashi Economic Research Institute, Tokio. Ministerialrat im Bundesministerium für Wirtschaft. Veröffentlichungen: Lebensverhältnisse in der japanischen Kleinindustrie. Das Einkommen der arbeitenden Schichten Japans in seinen Grundlagen und Entwicklungstendenzen, in: Schriften des Instituts für Asienkunde; Führung durch Ziele und die öffentliche Verwaltung, in: Verwaltung und Fortbildung, 1974; Arbeitssteuerung nach Zielen und Ergebnissen — Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit einer Verwaltungseinheit eines Bundesministeriums, in: Die Verwaltung, 1981.