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Strukturberichterstattung als Ersatz für eine vorausschauende Strukturpolitik? Eine Zwischenbilanz der von den Wirtschaftsforschungsinstituten vorgelegten Strukturberichte | APuZ 22/1982 | bpb.de

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APuZ 22/1982 Zukunftsperspektiven der Sozialen Marktwirtschaft Die Suche nach einer Wirtschaftsordnung von morgen In diesem Beitrag werden einige Gedanken aus meinem Buch . Alternativen zur Macht“ (Düsseldorf 1981) dargelegt, in dem die bestehende Wirtschaftsordnung in der Bundesrepublik Deutschland eingehender analysiert und der Versuch gemacht wird, Eckpunkte einer denkbaren Ordnung von morgen aufzuzeigen. Stand und Perspektiven der Strukturberichterstattung Strukturberichterstattung als Ersatz für eine vorausschauende Strukturpolitik? Eine Zwischenbilanz der von den Wirtschaftsforschungsinstituten vorgelegten Strukturberichte Trend zur Dienstleistungsgesellschaft oder Re-Industrialisierung? Zu einer Fragestellung der Strukturberichte

Strukturberichterstattung als Ersatz für eine vorausschauende Strukturpolitik? Eine Zwischenbilanz der von den Wirtschaftsforschungsinstituten vorgelegten Strukturberichte

Detlev Ehrig

/ 19 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die andauernde Wachstumsund Beschäftigungskrise der westdeutschen Wirtschaft hat die Effizienzprobleme einer auf die alleinige Steuerung von Kreislaufgrößen ausgerichteten globalen Wirtschaftspolitik in aller Deutlichkeit sichtbar gemacht. Das Wechselbad wirtschaftspolitischer Praxis in der Bundesrepublik, die den Preisauftrieb mit Hilfe einer restriktiven Geldpolitik wirksam bekämpfen will und gleichzeitig den Anstieg der Arbeitslosigkeit registrieren muß, während andererseits eine fiskalische Vollbeschäftigungspolitik den Inflationssockel noch weiter nach oben treibt, verlangt offensichtlich neue Einsichten in sich ändernde gesamtwirtschaftliche Produktions-und Verteilungsprozesse. Es geht dabei um die Entwicklung eines theoretischen Konzepts, das die institutionellen und strukturellen Entwicklungsprozesse in einer interventionistischen Wirtschaft verarbeitet und in der Lage ist, eine entsprechend theoretisch begründete Handlungsorientierung für eine Vollbeschäftigung und Wachstum sichernde Wirtschaftspolitik abzugeben. Der Beitrag setzt sich mit der Frage auseinander, ob die erstmals vorgenommene Strukturberichterstattung diesen Ansprüchen gerecht werden kann. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Erwartungen an eine Strukturberichterstattung, analytische Defizite hinsichtlich der ungelösten Anpassungsprobleme struktureller Wandlungen beseitigen zu helfen, nur unzureichend eingelöst werden. Statt in ihre Analysen institutionelle Strukturen, Konflikte, reale Anpassungsprozesse und politische Konfliktstrategien aufzunehmen, verweisen die Berichte auf Vorstellungen, die die ungelösten Anpassungsprobleme in einem sich selbst verwirklichenden ökonomischen und gesellschaftlichen Optimum marktwirtschaftlicher Prozesse aufgehoben sehen. Der Beitrag erörtert die Frage, ob eine politisch gesteuerte, aktive vorausschauende Strukturpolitik ein gangbarer Weg zu einem wirtschaftspolitischen Handlungskonzept sein kann, die krisenhaften strukturellen Entwicklungsprozesse einer staatlich alimentierten Privatwirtschaft angemessen zu verarbeiten.

I. Problemstellung: Das Ende der Globalsteuerung

Seit mehr als einem halben Jahrzehnt ist die westdeutsche Wirtschaft von einer anhaltenden Wachstumsschwäche der volkswirtschaftlichen Produktion geprägt. Die zu Ende der sechziger Jahre noch von Karl Schiller beschworene Magie eines stabilen Verhältnisses von Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht entwickelt sich mit zunehmender Dauer des Wachstumseinbruchs mit gleichbleibend hoher Arbeitslosigkeit, Preisniveausteigerungen und bedrohlich defizitärer Leistungsbilanz zunehmend zu einer Schimäre. Gehörte es zu den Frühphasen einer Wirtschaftspolitik der globalen Nachfragesteuerung, daß das Vollbeschäftigungsziel als Restgröße einer auf das Wachstum des Sozialprodukts orientierten Wirtschaftspolitik bestimmbar sei, mußte spätestens mit dem Ausbleiben entsprechend hoher Wachstumsraten eine der Grundannahmen für die Wirksamkeit staatlicher Makroplanung zerstört werden.

Die wirtschaftspolitische Praxis in der Bundesrepublik begab sich damit in ein Dilemma aus inflationsdämpfender restriktiver Geldpolitik und nachfragesteigernder inflationsfördernder fiskalischer Vollbeschäftigungspolitik.

Der anhaltende Wachstums-und Beschäftigungseinbruch hat nicht nur Zweifel an der Wirksamkeit globalsteuernder Politikmuster aufkommen lassen, sondern zugleich auch die Analyse jener überzyklischen wirtschaftlichen Bewegungen zu einem vordringlichen wirtschaftspolitischen und -theoretischen Interesse werden lassen, die sich in strukturellen Wandlungen äußern. Der mit dem wirtschaftlichen Wachstum einhergehende Wandel in der Struktur des gesamtwirtschaftlichen Gefüges verlief solange reibungslos, wie Anpassungsprobleme bei der Vernichtung von Arbeitsplätzen in einzelnen Sektoren der Wirt-schäft durch ein rasches Wachstum von Produktion und Beschäftigung in anderen Sektoren der Wirtschaft überdeckt wurden. In Zeiten eines raschen Wirtschaftswachstums bei Vollbeschäftigung stellte sich der strukturelle Wandel nicht als ein Problem.

Die Bundesrepublik sieht sich seit Beginn der siebziger Jahre mit Entwicklungen konfrontiert, welche die Anpassungsfähigkeit der Produktionsstrukturen an die sich wandelnden Bedingungen vor dem Hintergrund niedriger Wachstumsraten überfordern:

a) Verschiebung des Wechselkursgefüges nach dem Zusammenbruch des Weltwährungssystems in Richtung einer Aufwertung der Mark. Dadurch wird der exportorientierte Produktionssektor empfindlich getroffen;

b) Anstieg der Energie-und Rohstoffpreise, die zu ernsthaften Zahlungsbilanzproblemen führen;

c) zunehmende Industrialisierungs-und Exportanstrengungen der „Schwellenländer", durch die die Weltmarktanteile der entwickelten Länder bei rohstoff-und arbeitsintensiven Produktionsprozessen eingeengt werden;

d) Revolutionierung der technologischen Entwicklung durch Verwendung von Mikroprozessoren; e) Differenzierungen im sektoralen und regionalen Konjunkturverlauf

Alle diese Faktoren tragen mit dazu bei, daß sich der Strukturwandel nicht mehr beschäftigungsneutral vollzieht, sondern eine zunehmende Differenzierung von Arbeits-und Gütermärkten mit sich bringt in bezug auf die Struktur von Arbeitslosigkeit und auf die Wachstumsaussichten einzelner Branchen. So* gesehen ist es nicht verwunderlich, „daß die Enttäuschung über die Einsatzmöglichkeit und Effektivität der globalen Konjunktur-Steuerung das ist, was die Wirtschaftspolitiker aller westlichen Länder heute miteinander verbindet"

Auf der Ebene der Beschreibung findet diese Erkenntnis allenfalls ihren gemeinsamen Nenner in dem als Krise des Keynesianismus apostrophierten Zustand der herrschenden Wirtschaftspolitik. Hingegen offenbaren die Erklärungsmuster für die offensichtlichen Schwächen in der Wirkungsweise und den Erfolgsbedingungen globaler Wirtschaftspolitik den hinreichend bekannten Dissens in der Beurteilung der Leistungsfähigkeit marktwirtschaftlich organisierter Ökonomien. Nichts überraschendes bedeutet es somit, wenn im Sog einer sich fortdauernd krisenhaft entwik. kelnden ökonomischen Realität sowohl deren theoretischer Analyserahmen als auch deren politische Bewältigungsmuster in eine Krise geraten.

Im Kern geht es bei der Analyse des Verhältnisses von langfristig angelegten (überzyklischen) Entwicklungen und einem gesamtwirtschaftlichen Vollbeschäftigungsgleichgewicht um die Entwicklung eines theoretischen Konzepts, das die institutionellen und strukturellen Entwicklungsprozesse in einer interventionistischen Wirtschaft verarbeitet und in der Lage ist, eine entsprechend begründete Handlungsorientierung für eine Vollbeschäftigung und Wachstum sichernde Wirtschaftspolitik abzugeben.

II. Auf der Suche nach neuen wirtschaftspolitischen Leitbildern

Es ist auffallend, daß mit der Erkenntnis über zunehmende Steuerungsdefizite indirekter Globalsteuerung zugleich auch eine Reihe von neuen Strömungen nachkeynesianischer Paradigmen der Wirtschaftspolitik auftauchen. Sie reichen von einer Rückbesinnung auf Vorstellungen über eine im Grundsatz stabile Konkurrenzökonomie bis hin zu Analysen über eine prinzipiell systembedingte Instabilitätstendenz einer auf Privatheit verfaßten dezentralen Ökonomie. Insbesondere der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinen Jahresgutachten mehrmals den Versuch unternommen, das Bild einer im Grundsatz stabilen, lediglich durch außerökonomische Faktoren gestörten Konkurrenzwirtschaft zu zeichnen. Für die Fehlentwicklungen wird ein stabilitätswidriges Verhalten wirtschaftlich relevanter Gruppen, namentlich der Gewerkschaften und des Staates, verantwortlich gemacht

Auf der anderen Seite stehen jene theoretischen Ansätze, die die Instabilitäten eines marktwirtschaftlichen Systems aus seinen inhärenten Bedingungen und Wirkungsweisen ableiten. Sie nehmen etwa die Zunahme von Konzentrationsbewegungen zum Anlaß, eine damit verknüpfte monopolistische Profitstrategie von nach unten starren Preisen zu formulieren. Folge davon sei ein Mißverhältnis zwischen steigenden Gewinneinkommen auf der einen Seite und sinkender Nachfrage bei sinkendem Lohnanteil am Volkseinkommen auf der anderen Seite. Aus diesem Blickwinkel ist es die sich aus einer monopolistisch strukturierten Wirtschaft ergebende Verteilung zwischen Gewinnund Lohneinkommen, die ein chronisches Nachfragedefizit aus einem für die Sicherung von Vollbeschäftigung zu niedrigem Lohneinkommen hervorruft Vollbeschäftigungspolitik wird dann zu einer Einkommensumverteilung zugunsten von Lohnbeziehern

Andere Ansätze konzentrieren ihre Analyse wirtschaftspolitischer Effizienzprobleme auf die Determinanten einer langfristig als sinkend angenommenen Rentabilität des eingesetzten Kapitals. Danach sind sie das Ergebnis eines technischen Fortschritts, der die Wachstumsraten der Ausstattung der Arbeitsplätze mit Kapital schneller steigen läßt als das Wachstum der Produktion durch den entsprechenden Mehreinsatz an Kapital. Bei gleichbleibenden Preisen führt dies zu einer sinkenden Rentabilität des für die Produktion eingesetzten Kapitals. Der Einschätzung einer trendmäßig gesunkenen Kapitalrentabilität stehen Annahmen über umgekehrt steigende Gewinnanspruchsniveaus gegenüber, vor al-lem als Folge steigender Gewinnrisiken im Zusammenhang mit steigender technischer Komplexität von Produktionsprozessen. Un-ausbleibliche Folge sind demnach langfristig sinkende Investitionsraten

Eine dritte zu nennende Forschungsrichtung orientiert sich an dem Nachweis von prinzipiell entstehenden Ungleichgewichten in einer privaten, dezentral orientierten Wirtschaft, und zwar unabhängig von etwa sich entwickelnden Strukturproblemen. Danach sind es die rationalen einzelwirtschaftlichen Unternehmensstrategien, die dazu führen, daß einmal entstehende wirtschaftliche Ungleich-gewichte nicht beseitigt, sondern durch ein einzelwirtschaftliches Anpassungsverhalten noch vergrößert werden. So wird etwa eine für die gesamtwirtschaftliche Stabilität unerwünschte Übernachfrage nicht dazu führen, daß die Unternehmer ihr Angebot einschränken werden, sondern selbstverständlich die Produktion ausweiten werden, also exakt das Gegenteil von dem tun, was gesamtwirtschaftlich notwendig wäre. Es ist somit das stabilitätswidrige einzelwirtschaftliche Verhalten, das keine Rückkoppelung von gesamtwirtschaftlich unerwünschten Resultaten erfährt

In einem auffälligen Gegensatz zu den analytischen Forschungsanstrengungen zur Erklärung von Effizienzproblemen globaler nachfragesteuernder Wirtschaftspolitik stehen die Sichtweisen von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, der Bundesregierung und den Gremien der wissenschaftlichen Politikberatung. Sie bewegen sich vor allem auf der Ebene der Analyse von Wandlungsprozessen in den gesamtwirtschaftlichen Angebots-und Nachfragestrukturen, die unter den Bedingungen sich abschwächender gesamtwirtschaftlicher Wachstumsraten zu strukturellen Verwerfungen geführt haben, denen mit einer entsprechend angepaßten strukturspezifischen wirtschaftspolitischen Strategie zu begegnen sei. Näher betrachtet erweist sich allerdings die Hinwendung zur Strukturpolitik als angepaßter wirtschaftspolitischer Strategie nur als scheinbarer Konsens. Recht früh trat der Sachverständigenrat mit Vorschlägen für eine sektorale Strukturpolitik als Ergänzung zur Globalsteuerung hervor. Die Herausbildung strukturpolitischer Vorstellungen durch den Rat geschah allerdings nicht ohne Entwicklungsbrüche im Jahresgutachten 1975 gab der Sachverständigenrat ein vehementes Plädoyer gegen mehr Strukturpolitik ab. Statt dessen ging er davon aus, daß der Marktmechanismus als Steuerungsinstrument strukturellen Wandels weiterhin leistungsfähig sei. Eine zunehmende Konzentration der allgemeinen Wirtschaftspolitik auf die Strukturpolitik sei von daher weder ökonomisch begründet noch ordnungspolitisch wünschbar. Um den notwendigen Bedarf an Strukturwandel durchsetzen zu können, seien hinreichend hohe Gewinne notwendig. Für den Sachverständigenrat war damit klar, daß die Wirtschaft einen beträchtlichen Strukturwandel „durchaus friktionsfrei" bewältigen könne

Demgegenüber stellte der Sachverständigen-rat in seinem ein Jahr später erstellten Gutachten unumwunden fest, daß der Struktur-wandel der letzten Jahre nicht mehr beschäftigungsneutral gewesen sei und die Anforderungen an die Steuerungskapazität des Marktes zugenommen hätten Die vom Sachverständigenrat nun vorgeschlagene sektorale Strukturpolitik sollte das Ziel haben, die nachfrageorientierte Globalsteuerung durch eine „mittelfristig angelegte angebotsorientierte Therapie" zu ergänzen. Die Investitionsschwäche sollte durch eine indirekte steuerliche Förderung überwunden und so den Markt-kräften zum Durchbruch verholten werden. Die zu schwache Steuerungskapazität des Marktes sollte nach diesen Vorstellungen durch Korrekturen der Einkommensverteilung zugunsten der Gewinne gestärkt werden. Insoweit handelte es sich hierbei weniger um einen auf Branchen gezielten strukturpolitischen Ansatz als vielmehr um „globale Wachstumspolitik durch Gewinnsubventionierung"

In die gleiche Richtung wie der Sachverständigenrat zielen die Vorstellungen aus der Sicht der Arbeitgeber. Ihrer Ansicht nach komme es angesichts der Struktur-und Trendprobleme darauf an, die langfristigen Zukunftserwartungen in die unternehmerischen Investitionsentscheidungen durch eine staatlich alimentierte Politik der Förderung neuer und erwartungsträchtiger Investitionsprojekte zu stärken In einem deutlichen Gegensatz hierzu haben die Gewerkschaften bereits frühzeitig eine Politik des aktiven, an einem politischen Gesamtkonzept orientierten Strukturwandels propagiert. In seinen Beschlüssen der Bundeskongresse 1975 und 1978 hat der DGB seine Leitlinien zur Strukturpolitik dargelegt. Für die Erreichung des Vollbeschäftigungsziels als Richtschnur wirtschaftspolitischen Handelns sehen die Beschlüsse eine Bündelung vor von Instrumenten der Konjunktur-und Strukturpolitik sowie der Investitionslenkung auf der Grundlage des DGB-Konzepts zur gesamtwirtschaftlichen Mitbestimmung.

Gleichfalls als Antwort auf die Steuerungsdefizite der von ihr betriebenen Wirtschaftspolitik beschloß die Bundesregierung 1976 die Vergabe von Forschungsaufträgen an die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute zur Entwicklung einer sektoralen Strukturberichterstattung Dies geschah allerdings ohne explizite wirtschaftspolitische Zielvorgabe. Die Diskussion innerhalb der soziallibe-ralen Koalition hat im Gegenteil deutlich g macht, daß die strukturpolitischen Vorstellui gen in sich widersprüchlich und von kein« einheitlichen Gesamtkonzeption getrage sind. Auf der einen Seite werden sie bestimn durch eine in Anlehnung an den Sachverstäi digenrat orientierte Politik der Sicherung de Rahmenbedingungen für unternehmerisch Investitionen mit dem Ziel einer Effektive rung des Marktmechanismus, auf der andere Seite beinhalten sie Vorstellungen eines pol tisch gesteuerten aktiven Strukturwandels 1 Er soll zugleich das Ergebnis einer konzertie ten Aktion von Staat, Unternehmer, Gewerl schäften und Forschungsinstituten bilden'Insgesamt läßt aber trotz unterschiedlich« Konzeptionen die Bundesregierung keine Zweifel daran, daß die Gestalt der aus de Strukturberichten fließenden Strukturpoliti die Konsistenz mit dem bestehenden On nungsrahmen zu gewährleisten hat, die Zuon nung der Verantwortung für den Strukturwa del nach wie vor bei den Unternehmen ve bleibt.

III. Strukturberichterstattung als Ausgangspunkt für ein strukturpolitisches Gesamtkonzept? — Übersicht über einige Forschungsergebnisse

1. Der analytische Bezugsrahmen

Im Gegensatz zur Konjunkturanalyse sind der spezifische Gegenstand der Strukturberichterstattung nicht die periodisch wiederkehrenden Schwankungen der volkswirtschaftlichen Globalgrößen, sondern der Niederschlag ver-schiedener dominanter globaler Trender Wicklungen in den langfristigen Verändern gen der sektoralen Strukturen, d. h. die An lyse von Wandlungsprozessen. Ihnen haft im Gegensatz zu den konjunkturellen Ei Wicklungen keine Periodizität an. Erkenntn gegenstand sind somit die strukturell! Wandlungen als historischer Prozeß

Eine Bewertung der Strukturberichte hi sichtlich der Einlösung von Erwartungen ui Anforderungen an eine Strukturberichterst tung wird erschwert durch eine auch in d Auftragsvergabe nicht geklärte Zuordnu der Strukturberichterstattung entweder zu ner aktiven vorausschauenden oder zu ein der Globalsteuerung nachgeordneten Polit Eine weitere Schwierigkeit kommt durch d Problem der Analyse des Erfahrungsgege Stands „Strukturwandlungen“ hinzu: Ei Strukturberichterstattung, die lediglich ei nachvollziehende Beschreibung von War lungsprozessen vornimmt, besitzt für sich { nommen wenig Wert. Einen besonderen Informationsbedarf über den „marktwirtschaftlichen Verdauungsprozeß" (Helmstädter) gibt es nicht Was interessiert, ist die Analyse von Schwachstellen, also jener Bereiche, von denen ungelöste Beschäftigungsprobleme ausgehen, oder allgemeiner formuliert, die von einem Referenzsystem — etwa in Form eines stetigen gleichgewichtigen Wachstums ohne Strukturänderungen — abweichen.

Wenn es offensichtlich ist, daß im Messen und Beschreiben des Phänomens „struktureller Wandel" allein keine hinreichende Erklärung und Erkenntnis liegt, so kann es insbesondere den wirtschaftspolitisch handelnden Instanzen auch nicht darum gehen, lediglich mit einem Abbild realökonomischer Entwicklungen konfrontiert zu werden, erforderlich ist vielmehr eine Reduktion der Gesamtschau ökonomischer Wandlungen auf einen Erklärungszusammenhang, der wirtschaftspolitisch entscheidbar ist.

Die Ansatzpunkte einer Strukturanalyse werden damit in zweifacher Weise bestimmt: Zum einen geht es um eine theoriegeleitete Beschreibung struktureller Prozesse, zum anderen um eine Analyse jener Voraussetzungen oder Rahmenbedingungen, die ihren Verlauf bestimmen, das heißt dafür verantwortlich sind, daß sich ein struktureller Wandel entweder friktionsfrei oder nur mit Hemmnissen durchsetzen kann. Der Analyse der Rahmenbedingungen kommt insbesondere Bedeutung bei der Begründung von strukturpolitischen Strategien zur Gewährleistung eines friktionsfreien strukturellen Wandels zu.

Die Institute analysieren den strukturellen Wandel ohne Zugrundelegung von explizit entwickelten theoretischen Entwicklungsmustern. Theoretische Rückgriffe beziehen sich im wesentlichen auf die Drei-Sektorenhypothese: Für die Erklärung struktureller Verschiebungen von einem zunächst dominanten rohstoffproduzierenden primären Sektor zum warenproduzierenden sekundären und schließlich zum dienstleistungsproduzierenden tertiären Sektor greifen somit alle Institute auf Modelle zurück, die den Strukturwandel als Abfolge unterschiedlicher Entwicklungsphasen begreifen, die durch eine jeweils historisch vorherrschende Produktionstechnik oder einen vorherrschenden Produktionssektor gekennzeichnet sind. Dieser von den Instituten vorgenommene Rückgriff auf Theorien wirtschaftlichen Wandels kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Berichte in weiten Teilen weniger analytischen als vielmehr deskriptiven Charakter tragen und somit von einer Ursachenanalyse noch weit entfernt sind

2. Determinanten der strukturellen Entwicklung

Zentrales Ziel der Analyse von Determinanten struktureller Entwicklungen muß es zweifellos sein, einen Beitrag zur Erklärung von ungelösten wirtschaftlichen Anpassungsschwierigkeiten, vor allem für die hohe Arbeitslosigkeit, zu liefern. Gemessen daran fallen die Ergebnisse dürr aus. In weiten Teilen der Berichte, mit Ausnahme der Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin (DIW), fehlt der Bezug zu der zu erörternden Problemstellung. Statt dessen beschreiben sie wirtschaftliche Realgeschichte. So finden sich in allen Berichten die folgenden summarischen Trendbeschreibungen der Indikatoren „Beitrag des Sektors zum Bruttosozialprodukt" und . Anteil der Sektoren an den Erwerbstätigen“ wieder:

a) Der primäre Sektor ist bei allen Indikatoren gesunken;

b) die Entwicklung des nominalen Anteils am Sozialprodukt und die sektoralen Beschäftigungstrends bestätigen formal die zunehmende Dominanz des tertiären Sektors;

c) in realen Größen gemessen ist der Anteil des Dienstleistungssektors am Sozialprodukt gesunken. Dies ist allerdings auf den Umstand unterschiedlicher Preissteigerungen in den Sektoren zurückzuführen.

Eine fortschreitende technologische Entwicklung, eine weitere Zunahme der internationalen Arbeitsteilung und Verschiebungen in den Nachfragestrukturen bei Unternehmen, privaten Haushalten und Staat sind nach übereinstimmender Auffassung der Institute die wesentlichen Determinanten für eine spezifizierte Analyse der allgemein angegebenen strukturellen Trends.

Alle Gutachten kommen zum Ergebnis, daß eine insgesamt gestiegene Ausstattung der Arbeitsplätze mit Kapital und ein im Verhältnis zur Kapitalausstattung gesunkenes Produktionsergebnis die bestimmenden Merkmale für die technologische Entwicklung in den letzten Jahren gewesen sind und somit die Struktur des Angebots an produzierten Gütern bestimmt haben.

Für das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, Essen (RWI) ist die ins-gesamt gestiegene Kapitalausstattung je Arbeitsplatz begleitet von „einer auf Dauer unvermeidlichen" Verschlechterung der Rentabilität bei begrenzten Preissetzungsspielräumen und Absatzmöglichkeiten. Von daher sei es ein angemessener Ausweg, nach Produktionsstrategien zu suchen, die die Kapitalausstattung bezogen auf Arbeitsplätze und auf das Produktionsergebnis senken helfen und von daher die Rentabilität der Produktion erhöhen. Die negativen Auswirkungen auf die Absatzmöglichkeiten der Investitionsgüterindustrie seien jedoch nicht zu übersehen (RWI, S. 165ff.).

In der Tatsache, daß der hohe Anteil an Rationalisierungsinvestitionen an den Gesamtinvestitionen dazu geführt hat, daß die Ausstattung mit Kapital und Arbeitsplätzen je produzierter Einheit in den letzten Jahren rückläufig gewesen sei, sieht das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel(IfW) den Grund dafür, daß selbst bei Vollauslastung der vorhandenen Kapazitäten die Anzahl der durch die veränderten technischen Produktionsbedingungen zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze nicht ausreiche, um allen, die Arbeit suchen, eine Beschäftigungsmöglichkeit zu ge-ben (IfW, S. 12). Dies ist zugleich als Hinweis zu verstehen auf das im Zusammenhang mit steigender Arbeits-und Kapitalproduktivität insbesondere von den Gewerkschaften geforderte beschäftigungspolitische Instrument der Arbeitszeitverkürzung.

Damit dürfte auch klar sein: Die gegenwärtigen Beschäftigungsprobleme lassen sich nicht allein unter dem Gesichtspunkt gesunkener gesamtwirtschaftlicher Wachstumsraten diskutieren. Die Wiederherstellung vormaliger Wachstumsraten löst das Beschäftigungsproblem noch nicht. Sich verlangsamende Wachstumsraten bei sinkender Arbeitskräftenachfrage sind zugleich auch das Ergebnis technologisch bestimmter Wandlungsprozesse.

In der Veränderung der Endnachfrage der privaten Haushalte sieht insbesondere das IfW die wichtigste Erscheinungsform und Ursache des Strukturwandels. So seien durch Verschiebungen der relativen Preise zu Lasten der Verbrauchsgüter und zugunsten der Gebrauchsgüter Präferenzeffekte in der Nachfrageentwicklung feststellbar. Von daher seien auch die Schwierigkeiten von verbrauchsnahen Sektoren mit Veränderungen des privaten Ausgabeverhaltens erklärbar. Die Nachfrageverschiebungen innerhalb des warenproduzierenden Sektors sowie vom warenproduzierenden zum Dienstleistungssektor haben dazu geführt, daß auch die Nachfrage nach Arbeitskräften Wanderungsbewegungen unterworfen ist. Insbesondere geht das Wachstum voi Arbeitskräften im Dienstleistungssektor um beim Staat einher mit Arbeitsplätzeabbau in primären und im sekundären Sektor

Die Abschwächung von Zuwachsraten im ver brauchsnahen Sachgüterkonsum trifft auf de: anderen Seite die Investitionsgüternachfrage und zwar stärker als die entsprechende Kon sumgüternachfrage, da die Erweiterungsinve stitionen in einer solchen Situation ebenfalli unterbleiben. Von daher relativiert sich aucl das Schlagwort von der Investitionslücke; ein entsprechend global angelegte investitions orientierte Wirtschaftspolitik würde in die sem Bereich an den Möglichkeiten dei Marktes Vorbeigehen

3. Wirtschaftspolitische Implikationen

Eine Bewertung der Strukturberichte muf sich auch daran orientieren, inwieweit eine Zuordnung von diagnostischen Erkenntnissei über ungelöste Anpassungsprobleme struktu rellen Wandels zu den den Analyseergebnis sen angemessenen wirtschaftspolitischen Ent Scheidungen gelungen ist. Gemessen an dem Forschungsaufwand und den Erwartungen ar eine Fortentwicklung wirtschaftspolitische! Paradigmen fallen die Ergebnisse der wirt schaftspolitischen Empfehlungen auch hiei dürftig aus. Die Forschungsinstitute nehmet keine Schritte zur Klärung der Frage nach dei Einordnung der Strukturpolitik vor, weder aul der ordnungspolitischen noch auf der instru mentellen Ebene.

Die wirtschaftspolitischen Vorschläge be schränken sich im wesentlichen auf allgemeine Hinweise hinsichtlich der Einlösung des strukturpolitischen Handlungsbedarfs durch eine weitgehend angebots-, d. h. unternehmensorientierte Politik: Investitionsrisiken sollen tragbar gemacht werden, Hemmnisse für die Durchsetzung des Strukturwandels beseitigt und technologischen Neuerungen zum Durchbruch verhelfen werden. Im Ergebnis enthalten die Vorschläge somit nicht mehr als die Empfehlungen des Sachverständigenrats für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, angereichert lediglich mit einigen Vorschlägen hinsichtlich langfristig angeleg ter staatlicher Risikoübernahme bei Investitionen durch eine entsprechende Steuer-und Technologiepolitik. Wenn auch das DIW einschränkend anmerkt, daß sich die Zukunftsorientierung der Strukturpolitik nicht auf eine Selektion von Wachstumsbranchen und deren Förderung beschränken dürfe, sondern daß der strukturpolitische Anpassungsprozeß zu einer ausgewogenen und sozial akzeptablen wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen habe, folgen ebensowenig Schritte zu einer strukturpolitischen Programmatik, die eben jene Komponenten zum Inhalt einer Struktur-politik machen könnte.

Hinter den Empfehlungen der Strukturberichte steht die wirtschaftspolitische Triade: »höhere Gewinne — höheres Wachstum — mehr Beschäftigung'1. Je höher die ökonomischen Wachstumsraten sind, um so leichter lassen sich danach in einem Sektor vernichtete Arbeitsplätze anderswo neu schaffen. Was sich als Strukturproblem darstellt, ist aus dieser Sicht lediglich Folge eines verlangsamten Wirtschaftswachstums, das sich ausdrückt in ungenügend vorhandenen profitablen Expansionsbereichen. Deshalb müßte jede Strukturpolitik fehlgehen, die wachstumsbedingte Fehlentwicklungen korrigieren will. Strukturprobleme lassen sich am ehesten durch eine Verstetigung des wirtschaftlichen Wachstums über eine entsprechende Politik der Gewinn-anreize lösen.

Was ist allerdings, wenn sich die in den Strukturberichten beschriebenen Trends fortsetzen, nach denen die Wachstumsraten der Produktivität diejenigen des Sozialprodukts übersteigen, wenn also eine gleiche Menge volkswirtschaftlicher Produktion auch in Zukunft mit immer weniger Menschen erstellt werden kann? Wie soll eine Nachfrage geschaffen werden, die so stark zunimmt, daß das Produktionswachstum über die Produktivitätszunahme des Arbeitseinsatzes hinausgeht? Dies sind Fragen, die durch ein schlichtes Strickmuster aus Gewinne — Wachstum — Beschäftigung hindurchfallen müssen.

Die völlig unzureichende Konfliktanalyse angesichts strukturell ungelöster Anpassungsprozesse gerät den Instituten zwar nicht ganz aus dem Blickfeld, ist aber dennoch nicht bestimmend für die entsprechende wirtschaftspolitische Strategie. So stellt sich etwa für das RWI in seiner Einschätzung der Steuerungsleistungen marktwirtschaftlicher Prozesse die Frage, ob die Änderungen im gesamtwirtschaftlichen Rahmensystem „nicht die Absorptionsfähigkeit der Marktsteuerung ... überfordern... und den am wirtschaftlichen Leben beteiligten Menschen Anpassungsleistungen auferlegt werden, die zu tragen sie nicht bereit oder in der Lage sind“ (RWI, S. 8). Es sei von daher nicht auszuschließen, daß die Preise als Steuerungsinstrument für strukturelle Entwicklungen insbesondere langfristige Knappheitsverhältnisse nicht zureichend wiedergeben; die aus ökonomischen Gründen notwendig werdenden Anpassungsleistungen vor allem für die Beschäftigten könnten das politisch tolerierbare Maß übersteigen. Dahinter steht somit die Befürchtung, daß das Konsensus-Potential in der Bundesrepublik nicht beliebig vergrößerbar ist, schon gar nicht für eine Regierung, die sich einer sozial-liberalen Politik verpflichet fühlt. Eine angemessene Verarbeitung der Einsicht in die Konfliktträchtigkeit wirtschaftlicher Wandlungsprozesse in eine entsprechende wirtschaftspolitische Strategie leistet der Bericht freilich nicht.

IV. Perspektiven einer vorausschauenden sektoralen Strukturpolitik

Es ist derzeit noch nicht absehbar, ob die Strukturberichterstattung überhaupt institutionalisiert wird. Zümindest auf Seiten der FDP gibt es ordnungspolitische Bedenken. Damit zusammen hängt das Hauptproblem der Auftragsvergabe und der Ergebnisse der Strukturberichterstattung. Es ist ihre halbherzig ausformulierte Programmatik, die eine Zuordnung zu Anforderungen beliebig erscheinen läßt. Für eine künftige strukturspezifische Forschung über die Effizienzprobleme einer globalen Wirtschaftspolitik in einer hochentwickelten, staatlich alimentierten Wirtschaft wird es nicht genügen, die empirischen Evidenzen einer krisenhaft sich entwickelnden Wirtschaft auf die Maße des Prokrustesbettes der ökonomischen Gleichgewichtsmechanik zurechtzustutzen. Vielmehr gehört zu einer dem Gegenstand angemessenen Analyse die Aufnahme institutioneller Strukturen, Konflikte, realer und politischer Anpassungsprozesse.

Dies aber setzt voraus, daß sich eine Analyse ökonomischer Entwicklungen auch mit den Funktionen eines Preissystems beschäfigt, das sich immer mehr zu einem (Um-) Verteilungsinstrument entwickelt hat. Weiterhin hat sie sich mit den Folgen von Konzentrationsbewegungen auf die wirtschaftspolitische Steue33 rungsfähigkeit auseinanderzusetzen. Schließlich gehört eine Analyse jener Bedürfnisse und Nachfragestrukturen hinzu, die sich nicht über den Markt artikulieren, gleichwohl aber einer politischen Lösung bedürfen (wie etwa der gesamte Bereich der Umweltproblematik). Ein ansatzweise Berücksichtigung dieser Erfordernisse an eine Strukturanalyse hat die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel in ihrem Gutachten vorgenommen Die Kommission hat sich für ein Gesamtkonzept strukturpolitischer Maßnahmen ausgesprochen und dies unter dem Begriff „aktive Strukturpolitik" zusammengefaßt. Im einzelnen umfassen sie eine „gezielte Erhaltung", eine „geordnete Anpassung" und eine „vorausschauende Gestaltung". Was die Kommission unter dem noch klärungsbedürftigen Begriff der „vorausschauenden Gestaltung" versteht, hat sie in einer Reihe von Unterzielen konkretisiert (Gutachten, S. 132):

— Gezieltes Aufspüren von Marktnischen und technologischen Lücken;

— Entwicklung neuer Technologien und Produkte; — Entwicklung von Dienstleistungstechniken; — Förderung von Produktionsumstellungen durch Nutzung von Spezialisierungspotentialen. Die instrumenteilen Schlußfolgerungen bleiben gegenüber diesen Ansprüchen bescheiden. Sie gehen lediglich in Richtung auf den Ausbau der Strukturstatistik und die Einrichtung eines Sachverständigenrats für Struktur-fragen. Daß die Kommission damit wenig zur Erkenntnis-und Gestaltungsaufgabe „Struktur" beizutragen vermag, liegt auf der Hand. Auf der anderen Seite können auch nicht die Kongreßbeschlüsse des DGB sowie die Vorstellungen der Einzelgewerkschaften zum Schiffbau oder zum Einzelhandel darüber hinwegtäuschen, daß auch innerhalb der Gewerkschaften noch ein erhebliches Defizit besteht in der Ausfüllung der programmatischen Rahmenvorstellungen einer von ihnen propagierten vorausschauenden Strukturpolitik. Insbesondere wird es zu den Aufgaben einer den Vorstellungen über die soziale Verantwortung für die vom Strukturwandel betroffenen Menschen entsprechenden, vorausschauendeh Strukturpolitik gehören, ein strukturpoliti-sches Gesamtkonzept zu entwerfen, das min destens folgenden Rahmen umfassen sollte: 1. Übersicht über die wirtschaftliche struktu relle Entwicklung im Sinne einer Ex-post Analyse unter besonderer Berücksichtigung von Beschäftigungswirkungen strukturelle Wandlungsprozesse;

2. Erarbeitung von Kriterien für eine politisck wünschenswerte wirtschaftliche strukturell« Entwicklung;

3. Schaffung eines Instrumentariums zur Ab Schätzung von Beschäftigungswirkunger strukturell wirkender wirtschaftspolitische] Instrumente;

4. Neuordnung wirtschaftspolitischer Instru mente für einen gezielten strukturspezifi sehen Einsatz;

5. Schaffung von politischen Durchsetzungsbe dingungen für eine zieladäquate Strukturpoli tik im Sinne der DGB-Vorstellungen zur ge samtwirtschaftlichen Mitbestimmung. Greift man auf die Erfahrungen der Investi tionslenkungsdebatte zu Beginn der siebzige Jahre zurück, so lassen sich einige Anknüp fungspunkte für eine produktive Weiterent Wicklung sozialorientierter ökonomische Lenkungsstrategien finden. Die inzwischei wieder zu den Akten gelegte Diskussion übe die Sozialindikatoren bei der Erstellung unVerteilung von Gütern könnte hier einig, mögliche Anregungen geben. Die soziale Indi katoren berücksichtigende Produktionsratio nalität weist zugleich hin auf die Notwendig keit entsprechender wirtschaftspolitischer In strumente sowie auf das Gebot einer Demo kratisierung ökonomischer Prozesse, d. h. au den Ausbau einer gesamtwirtschaftlichen Mit bestimmung im Sinne einer Einrichtung voi Wirtschaftsund Sozialräten.

In Verbindung mit dem gesamtwirtschaftli chen Demokratisierungsgebot wäre es denk bar, in Anlehnung an das Instrument de regionalen Steuerung — der Gemeinschaft« aufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt Schaftsstruktur" — eine sektorspezifische Rab menplanung zu entwerfen, die Entwicklungsli nien für einzelne Wirtschaftszweige, geglie dert nach Regionen, vorzeichnen kann. Di Möglichkeiten der direkten Einflußnahme at die einzelwirtschaftlichen Entscheidunge über Investitionen lassen sich auf der staatli chen Seite durch Zuweisung öffentlicher F nanzierungsmittel, insbesondere über Subver tionen, erreichen. In diesem Sinne lassen sic Subventionen dann als gezieltes strukturpol tisches Instrument einsetzen, wenn sie grüne sätzlich nicht auflagenfrei auf dem Umwe über die Besteuerung gewährt werden, sondern an die Einhaltung von Auflagen hinsichtlich Preisen, Beschäftigung, Güterangebot und an die Berücksichtigung sozialer Kosten geknüpft sind. Die Subventionsvergabe ist dann über die Gremien der betrieblichen und gesamtwirtschaftlichen Mitbestimmung einem partizipatorischen Verfahren auszusetzen. Bei Nichterfüllung der Auflagen sollten Subventionen generell rückzahlungspflichtig werden. Auf diese Weise bekommen Subventionen eine die Produktionsstruktur gestaltende Funktion.

Die hier nur schlagartig beleuchtbare Konzeption für eine an wirtschaftsdemokratischen Vorstellungen orientierte Steuerung struktureller Prozesse macht deutlich, daß für deren programmatische Entwicklung kein theoretisches und politisches Neuland betreten werden muß. Ob allerdings wirtschaftsdemokratische strukturpolitische Konzepte Realisierungschancen erhalten, läßt sich wohl anzweifeln angesichts obwaltender Krisenbewältigungsmuster im Sinne einer Verabschiedung aus der staatlichen Verantwortung für eine vollbeschäftigte Wirtschaft.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. auch F. Rahmeyer, Die Strukturberichterstattung der Wirtschaftsforschungsinstitute — Eine kritische Bestandsaufnahme, IfMV — discussion paper 80-64, S. 2.

  2. C. C. von Weizsäcker, Grenzen der traditionellen Globalsteuerung, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 189, 1975, S. 6.

  3. So etwa im Jahresgutachten 1978/79 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drucksache 8/2313, TZ 46 ff.

  4. Beispielhaft dafür: Memorandum'79. Vorrang für Vollbeschäftigung. Alternativen der Wirtschaftspolitik, Köln 1979, S. 24 ff.

  5. Vgl. dazu E. Altvater u. a., Vom Wirtschaftswachstum zur Wirtschaftskrise. Ökonomie und Politik in der Bundesrepublik, Bd. 2, Berlin 19802, S. 313 ff.

  6. Vgl. G. Müller u. a., Ökonomische Krisentendenzen im gegenwärtigen Kapitalismus, Frankfurt/M. 1978, S. 125 ff.

  7. Vgl. W. Meißner. Die Lehre der fünf Weisen. Eine Auseinandersetzung mit den Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der geNoch

  8. Jahresgutachten 1975/76, BT-Drucksache 7/4326, TZ 317 f.

  9. Jahresgutachten 1976/77, BT-Drucksache 7/5902, TZ 289 ff.

  10. W. Meißner, a. a. O„ S. 145.

  11. Vgl. O. Vogel, Die Krise der Wirtschaftspolitik _ Aus der Sicht der Arbeitgeber, in: D. B. Simmert (Hrsg.), Wirtschaftspolitik — kontrovers, Köln 1980, S. 212.

  12. NachVorberichten 1977 und Zwischenberichten 1979 liegen seit Anfang 1981 die Endberichte zur Strukturberichterstattung vor. Im einzelnen handelt es sich dabei um: Strukturberichterstattung 1980 1. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin, Beiträge zur Strukturforschung, Heft 61, Berlin 1981; 2. HWWA — Institut für Wirtschaftsforschung, Hamburg, Hamburg 1981 3. Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW), Kieler Studien, Nr. 166, Tübingen 1981-, 4. IfO — Institut für Wirtschaftsforschung, München, München 1980; 5. Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen, Essen 1980.

  13. Vgl. E. Helmstädter, Möglichkeiten und Grenz der Strukturberichterstattung, in: D. Duwendag, Siebert (Hrsg.), Politik und Markt. Wirtschaftspol sehe Probleme der 80er Jahre, Stuttgart/New Yc 1980, S. 427.

  14. Vgl. M. Kern, Strukturtheoretische Ansätze in der Strukturberichterstattung, in: WSI-Mitteilun-gen, Nr. 8/1981, 34. Jg., S. 487— 494.

  15. Im Gegensatz zu den übrigen Instituten macht das RWI die staatliche Politik und nicht die Verschiebungen in der privaten Nachfrage dafür verantwortlich, daß der Dienstleistungssektor auf Kosten des industriellen Sektors wachsen konnte.

  16. Vgl. B. Strümpei, Fehlverhalten oder Strukturkrise? Zur Stagnation der Beschäftigung und der Investitionen in den westlichen Ländern, in: Wirtschaftsdienst Nr. 6/1977, 57. Jg., S. 287 ff.

  17. Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel: Wirtschaftlicher und sozialer Wandel in der Bundesrepublik Deutschland. Gutachten der Kommission, Göttingen 1977.

Weitere Inhalte

Detlev Ehrig, Dipl. -Volkswirt, geb. 1951, wiss. Mitarbeiter an der Universität Bremen. Veröffentlichungen zur Strukturpolitik: Sektorale Strukturpolitik — ein Ausweg aus der Krise? Ein Literaturbericht, in: Das Argument, Nr. 120, 22. Jg„ Berlin 1980; Der Dienstleistungssektor in der Strukturberichterstattung, in: Bremer Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Nr. 4, 4. Jg., Bremen 1981.