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Aussteigermentalität und politische Apathie Jugendlicher. Eine zentrale Herausforderung für die politische Bildung der achtziger Jahre | APuZ 32-33/1982 | bpb.de

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APuZ 32-33/1982 Grenzen der Politik „Freiheit" als Bürgerpflicht Ein Beitrag zur Ermutigung demokratischer Gesellschaft Über das Altern revolutionärer Ideen. Materialien zum Übergang des Herzklopfens für das Wohl der Menschheit in den Weltlauf und der Versuch eines Resümees Aussteigermentalität und politische Apathie Jugendlicher. Eine zentrale Herausforderung für die politische Bildung der achtziger Jahre

Aussteigermentalität und politische Apathie Jugendlicher. Eine zentrale Herausforderung für die politische Bildung der achtziger Jahre

Wolfgang Lorig

/ 37 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Neuere Untersuchungen zum politischen Bewußtsein und Verhalten Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland kommen fast übereinstimmend zu Ergebnissen, die den Zielen und Ansprüchen politischer Bildung widersprechen: Statt eines konstruktiven Aktiv-bürgertums praktiziert die Mehrzahl der jungen Bürger unkritische Anpassung, Rückzug in alternative Lebensformen oder — seit dem Frühjahr 1981 — z. T. gewaltsamen Protest. Dies alles darf sicherlich nicht einseitig auf Fehlentwicklungen im Bereich politischer Pädagogik zurückgeführt werden; vielmehr ist zugleich auch auf gewisse gesellschaftspolitische Versäumnisse hinzuweisen. Dennoch haben sich die Vertreter politischer Bildung selbst-kritisch die Frage zu stellen, inwieweit bestimmte Denkmuster und Konzepte ihres Faches sinnvolle Orientierungshilfen für junge Menschen in unserer komplexen Industriegesellschaft geben können. Da heute die Identitätsbildung gerade junger Menschen u. a. durch den raschen technologisch-sozialen Wandel zusätzlich erschwert wird, sollte sich politische Bildung in stärkerem Maße um sinnorientierte Bindungsmöglichkeiten, ein solides Orientierungswissen sowie um Einsichten in Herkunft und Notwendigkeit von Verfahrens-und Wertekonsens in einer pluralistischen Demokratie bemühen. Angesichts der aktuellen jugendsoziologischen Befunde sind dabei auf angemessene Weise die Existenz-und Zukunftsängste der jungen Bürger aufzuarbeiten. In diesem Zusammenhang hat politische Bildung Sinn und Wissen von demokratischen Institutionen sowie die Tradition der normativen Grundlagen westlicher Demokratien zu vermitteln. Die für die Bewältigung der neuartigen Probleme westlicher Gesellschaften notwendige „Rehabilitierung demokratischer Tugenden" und die offensichtlich erforderliche realistische Ermunterung zu mitverantwortlicher Teilhabe am Gemeinwesen werden jedoch nur dann positive Ergebnisse zeigen, wenn unser politisches System angemessenere institutioneile Regelungen für Partizipation und Konfliktaustragung schafft

I. Einleitung

Didaktiker politischer Bildung diskutieren seit geraumer Zeit die Problematik eines normativen Minimalkonsenses in ihrem Fach, erörtern ausführlich die Legitimation von Lernzielen sowie Möglichkeiten für deren Operationalisierbarkeit und verfassen Abhandlungen über gesellschaftspolitische Zieldefinitionen Angesichts des bei zahlreichen Jugendlichen verbreiteten politischen Desinteresses und der zunehmenden Gefahr, daß ein relevanter Prozentsatz der jungen Generation durch eine mehr oder weniger konsequente Distanzierung vom „Modell Deutschland" für unser Gemeinwesen verlorengeht, scheint die Frage nach der Praxisrelevanz politischer Didaktik und der Realisierbarkeit politischer Bildungsansprüche insgesamt sinnvoll zu sein. Einerseits sollten die Möglichkeiten politischer Bildung nicht (mehr) überschätzt, andererseits muß die Feststellung, daß „politische Didaktik ihrem Gegenstand nicht mehr oder noch nicht gerecht zu werden vermag", daß sie „in sich selbst kreist und sich in Grabenkriegen über abstrakte Zielsetzungen paralysiert" sorgfältig aufgearbeitet werden.

Die damit angedeutete umfangreiche Aufgabenstellung ist im Rahmen dieses Beitrages nicht zu bewältigen. Vielmehr werden hier anhand ausgewählter Kategorien grundsätzliche Überlegungen zu aktuellen Problemen und Möglichkeiten politischer Bildung aufgezeigt. Dabei deutet auf die Notwendigkeit einer realistischeren Einstellung in der politischen Bil-düng weniger die Tatsache hin, daß der Politik-/Sozialkundeunterricht heute (wieder) seine Relevanz für die Schulen inhaltlich neu begründen muß, als vielmehr das Ergebnis empirischer Studien zum politischen Bewußtsein und Verhalten junger Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Die ermittelten Daten bezüglich politischer Interessen, Einstellungen und Aktivitäten widersprechen weitgehend den formulierten Zielsetzungen politischer Bildung: Nur zu oft praktizieren gerade Jugendliche statt eines konstruktiven politischen Aktivbürgertums Formen desinteressierter Anpassung an die gesellschaftlichen Gegebenheiten, Rückzug in alternative Lebensformen oder aber grundsätzliches Protestverhalten gegenüber bestehenden Strukturen und Werten.

Selbst die Jugendunruhen der Jahre 1980/81, die Hausbesetzerszene, die Ökologiebewegung und die Friedensbewegung sollten nicht vorschnell als bewußte Reformanstöße für das bestehende politische System gedeutet werden, wenn man von den Intentionen und Motiven der Akteure ausgeht. Zahlreiche Demonstranten dokumentierten vielmehr ihre grundsätzliche Abneigung gegenüber dieser Form von Demokratie und deren Repräsentanten oder aber den Wunsch, möglichst unbehelligt von diesem Staat und dieser Gesellschaft in einem eigenen „Freistaat" nach selbstgesetzten Maßstäben leben zu können. „Was sich abzeichnet, ist eine neue radikaldemokratische Massenbewegung, die ihr Recht auf Freiraum, überleben und Lebenssinn einklagt und begonnen hat, die Verhältnisse zum Tanz zu bitten ... Hier und jetzt wird begonnen, am Rande, in Nischen und auf Inseln, das Modell einer sanften, solidarischen, ökologisch ausgeglichenen und demokratischen Zivilisation aufzubauen. Auf die alten Illusionen und Versprechungen verläßt sich fast niemand mehr" Will die politische Bildung (und deren Didaktik) zukünftig nicht die Lebenssituation eines ihrer wichtigsten Adressaten ausblenden, sind die vorhandenen jugendsoziologischen Befunde kurzfristig mit Sorgfalt aufzuarbeiten und auszuwerten. Die Mehrzahl junger Bürger steht bereits unserer Demokratie gleichgültig bzw. gelangweilt gegenüber, und zuviele Ju-gendliche suchen inzwischen in alternativen Bewegungen/Projekten neue Formen von Sinnhaftigkeit und Lebensverwirklichung. Ob und wieviele dieser jungen Menschen im Ernstfall sich für diese Republik engagieren würden, läßt sich kaum abschätzen. Insgesamt sind wohl eher skeptische Erwartungen angebracht.

II. Jugendliche 1981 — zwischen Anpassung, Ausstieg und Protest

Inzwischen liegen verschiedene Untersuchungen zu den Wertorientierungen und zur politischen Kultur Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland vor, die in wesentlichen Punkten zu ähnlichen bzw. gleichen Ergebnissen kommen. Die 1979/80 durchgeführte repräsentative Jugenduntersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Konrad-Adenauer-Stiftung weist drei Auffälligkeiten nach: Rückzug in die Privatheit inidviduelle Leistungsbereitschaft zum persönlichen Nutzen sowie ein verbreitetes politisches Desinteresse: „Nur 10% der Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren sind gegenwärtig .sehr stark'bis . stark'politisch interessiert; 90% dagegen nur . etwas', . kaum'oder . überhaupt nicht'. Mit wachsendem Alter und höherem Bildungsstand wird das politische Interesse zwar entwicklungsbedingt größer — bei den 18-bis 21jährigen steigt es auf gut 25%, bei Gymnasiasten und Hoch-und Fachhochschülern auf 40 bzw. 44%—, für die breite Mehrheit der jungen Menschen aber spielt Politik bei der Gestaltung ihres Lebens keine zentrale Rolle“

Die Mehrheit der systembejahenden Jugendlichen spricht der Politik also keine wesentliche Bedeutung zu; verbreitetes politisches Desinteresse und eine insgesamt geringe Beteiligungsbereitschaft deuten auf ein „unterentwickeltes Verständnis von der Rolle des Staatsbürgers" hin. Für sie bedeutet Demokratie zunächst und fast ausschließlich eine Betonung individueller Grund-und Freiheitsrechte und gleichzeitig die Erzeugung wirtschaftlichen Wohlstandes sowie sozialer Dienstleistungen.

Neben der Mehrheit junger Bürger, die sich teilweise unkritisch anpaßt, teilweise kritisch integriert ist ein wachsendes inhomogenes Protestpotential festzustellen, welches unterschiedliche Formen von Verweigerung bzw. Protest praktiziert. Die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung gibt ein Protestpotential (Rückzug ins Private aus Gründen politischer Enttäuschung, Gegenkultur der grundsätzlichen Verweigerer, Gruppierungen im Spektrum der traditionellen linken Protestbewegung) von 15 % der Jugendlichen zwischen 14 und 21 Jahren an. Dies sind ca. 1, 5 Millionen junger Bürger, die sich teilweise durch intellektuelle Fähigkeiten und ein überdurchschnittliches Engagement — jedoch nicht innerhalb den tradierten Strukturen — auszeichnen. Eine Klassifikation der aktuellen „Protest-und Rückzugspotentiale" bereitet Schwierigkeiten, da die Szenen, Gruppen und Inhalte sich schnell verschieben und zugleich auf vielfältige Weise miteinander verflochten sind. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Strömungen (Okologiebewegung, Friedensbewegung, neue Jugendbewegung, Alternativbewegung, Hausbesetzerszene u. a. m.) hat primär analytische Funktion, wenn auch bezüglich politischer Aktivitäten — im weitesten Sinne — graduelle Unterschiede zu konstatieren sind. „Jede der genannten Strömungen beruht auf einer bestimmten Opposition gegen bestehende Krisenerscheinungen. Jede formuliert von daher eine bestimmte Systemkritik und verbindet diese mit entsprechenden alternativen Ideen und Entwürfen." Zwischen den verschiedenen Strömungen, die über ideelle, personelle, formelle und informelle Kanäle miteinander vernetzt sind, ereignen sich Diffussionsprozesse, in denen „Einstellungen und Ideen quer durch alle Lager sickern, dabei zwar eine unterschiedliche, für das jeweilige Lager charakteristische Gestalt annehmen, aber sich eben doch ausbreiten"

Bei aller Verschiedenheit der Milieus und Zusammenhänge lassen sich gemeinsame Grundanschauungen erkennen, die nachstehend — in verallgemeinernder Form — stichwortartig aufgeführt sind: eine ausgeprägte Theorieabstinenz, u. a. weil nicht gesellschaftspolitische Konzeptionen im engeren Sinne entworfen werden, sondern im Zentrum der Bemühungen eine Humanisierung der jeweils überschaubaren konkreten Lebenszusammenhänge steht; die Entwicklung einer . Gegensprache", die wesentlich mit der Entstehung neuer Lebensinterpretationen und Lebensweisen zusammenhängt (Aufbau einer Gegen-bzw. Parallelkultur); eine antiinstitutionelle Grundeinstellung in Verbindung mit Sympathien zu basisdemokratischen oder anarchistischen Vorstellungen sowie der häufig artikulierte Wunsch, möglichst abseits von diesem Staat und dieser Gesellschaft eine autonome Lebensform verwirklichen zu können (Eroberung und Verteidigung von „befreiten Gebieten" bzw. Freiräumen)

Daß sich demgegenüber die Mehrheit der Jugendlichen ruhig verhält, sich anpaßt und ein „ausgeprägt privatistisch-individualistisches Selbstgefühl" aufzeigt, sollte dem Beobachter der Jugendszene kein Anlaß zur Selbstzufriedenheit sein. Zum einen finden sich Elemente von Alternativmentalität im Bewußtsein breiter, vornehmlich jüngerer und besser ausgebildeter Bevölkerungsgruppen. Mag der Kern der Alternativkultur zahlenmäßig relativ gering sein, so haben doch inzwischen größere Teile der Jugend alternative Wertvorstellungen und Lebensentwürfe aufgenommen Vieles spricht für die These, „daß die Jungen, die in vielen Städten der Bundesrepublik auf die Straße gehen, ihren Protest kundtun und neue Lebensformen zu realisieren versuchen, auch Ängste, Empörung und Wünsche eines Großteils der übrigen Jugend ausdrükken" 15a).

Andererseits scheint „die verbreitete System-bejahung der großen Mehrheit der Jugendlichen... weitgehend konjunkturabhängig“ zu sein, weshalb eine weitere Verschlechterung der beruflichen Zukunftschancen junger Menschen zu erneuten, verschärften Jugend-protesten führen könnte.

Michael Theunissen spricht von einer Herausforderung durch einen „passiven Anarchismus“, womit er nicht nur auf Aussteiger, Drogenabhängige, Protestaktivitäten verweist, sondern zugleich auf die angepaßten Bürger, die sich zuweilen von den obigen nur durch konformere Mittel der Selbstbetäubung unterscheiden. „Sezession und Akkomodation entspringen beide dem Scheitern der Hoffnung auf Partizipation" Viele junge Menschen — dies erlebt wohl fast täglich jeder, der lehrend an Universitäten oder Schulen tätig ist — unterdrücken in einer Öffentlichkeit ihre Meinungen, da sie Schwierigkeiten für den beruflichen Werdegang oder sonstige Nachteile als mögliche Konsequenzen befürchten. Das Münchener Institut für Jugendforschung resümiert die Ergebnisse einer repräsentativen Jugendbefragung aus dem Jahre 1979: „Nur knapp ist die Mehrheit, die von der Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung in Schule und Beruf effektiv überzeugt ist... Fast die Hälfte (43 %) gab sich vorsichtig und kritisch abwägend: „Ich finde, daß es nicht günstig ist, in Schule und Beruf zu sagen, was man denkt, weil man dadurch Nachteile haben kann.'Es ist beunruhigend, wenn nahezu jeder zweite Jugendliche die Gefahr sieht, durch eine un-verblümte Antwort . anzuecken'." Mit hoher Gewißheit läßt sich dementsprechend feststellen, daß die große Mehrheit der jungen Menschen heute kaum Bereitschaft zu Zivilcourage und einem Aktivbürgertum zeigt.

Für enttäuschte, resignierte, gescheiterte, aber auch besonders sensible, gesellschaftskritische und engagementbereite Jugendliche ist in den letzten Jahren die Alternativbewegung und ihre Gegenkultur zu einem diffusen, fluktuierenden Sammelbecken geworden. Die Ursachen für die Distanzierung zahlreicher junger Menschen von den überkommenen Strukturen und Lebensentwürfen können im Rahmen dieses Textes nicht auf angemessene Weise erörtert werden. In Anlehnung an Roland Eckert seien drei wesentliche Entwicklungen skizziert, die im Kontext eines kontinuierlich anwachsenden Bildungssektors in unserer Gesellschaft (Verweildauer und Anzahl von Schüler/Studenten) Voraussetzungen für jugendliche Protest-und Rückzugsformen darstellen:

— Der Zusammenbruch des traditionellen Erziehungskartells aus Familie, Schule, Betrieb und Kirche ereignet sich parallel zu einem größer werdenden Einfluß von Massenmedien und Gleichaltrigengruppen auf den Sozialisationsprozeß, wo Jugendliche u. a. eigene Wert-muster entwickeln können.

— Da in den Gruppen von Gleichaltrigen Autorität immer wieder neu erkämpft und begründet werden muß, gewinnen Gleichheitsvorstellungen an Bedeutung und die Bereitschaft schwindet, Amtsautorität als solche zu akzeptieren. — Wissenschaft und Unterricht dechiffrieren die gesellschaftlichen Institutionen als historisch geworden und veränderbar. Insbesondere die Schule thematisiert Institutionen häufig über deren normative Begründungen, wobei dann die gesellschaftspolitische Realität vor den entwickelten demokratischen Idealen kaum bestehen kann.

Der seit Mitte der sechziger Jahre in den westlichen Demokratien konstatierte Wertwandel von materialistischen Orientierungen (Daseinsbewältigung) hin zu postmaterialistischen Einstellungen (Selbstverwirklichung) sensibilisiert die Heranwachsenden für Negativerfahrungen bei Versuchen gesellschaftspolitischer Einflußnahme und für das Erleben von Widersprüchen zwischen den verkündeten Werten unserer Gesellschaft und deren Verwirklichung im Alltag. In den siebziger Jahren verschärft sich die Konkurrenzsituation an Schulen wie Hochschulen (Numerus clausus) und Ausbildungs-sowie Arbeitsplätze werden zunehmend knapper. Die verstärkten Ausleseprozesse führen zu einem Anwachsen der Gruppe erfolgloser, gescheiterter Jugendlicher und schließlich — neben anderen Faktoren — zu einer verbreiteten Zukunftsangst junger Menschen.

Vor diesem Hintergrund entwickeln vor allem Jugendliche verschiedene Formen von Flucht-bewegungen und Protestverhalten Die Hoffnung auf eine konstruktive Änderung bestehender politischer Strukturen scheint bei vielen nicht mehr gegeben zu sein; statt dessen suchen zahlreiche Heranwachsende — die sich durch eine radikale Kritik der negativen Folgen des bestehenden sozio-ökonomischen Systems verbunden fühlen(ein pessimistisches Zukunftsbild und die Überzeugung, daß eine Politik herkömmlicher Art den anstehenden Problemen nicht gerecht werden kann — nach neuen Lebensformen und -Inhalten in Freiräumen am Rande des bestehenden Systems.

Mit den Protesten von 1980/81 ist der stille Rückzug aus dem „Modell Deutschland“ einem mannigfaltigen Aktionismus gewichen. Horst-Eberhard Richter weist darauf hin, daß die An-hänger der Alternativkultur offensichtlich fühlen, daß ihre Identität nur durch eine entsprechende aktive Darstellung und Verteidigung der eigenen Konzepte zu bewahren sein wird. Damit bindet sich die Alternativszene wesentlich in die aktuellen Protestbewegungen ein, ja die „empfindsame Mentalität der Alternativkultur" bildet „den eigentlichen geistig-emotionalen Hintergrund, aus dem der neue Widerstandswille entspringt"

Viele junge Menschen sind nicht mehr bereit, ihre Distanzierung von der „Mehrheitskultur" argumentativ zu erklären. Die teilweise praktizierte Kommunikationsverweigerung oder gar Kommunikationsunfähigkeit dokumentiert nicht selten einen „mangelnde(n) Glaube(n) an die Explikationskraft von Sprache überhaupt" Zerfällt aber erst die Praxis des Miteinanderredens, dann stehen wir am Beginn einer Epoche zweier Kulturen, einer Mehrheits-und einer Gegengesellschaft. Angesichts des verbreiteten Mißtrauens in die Fähigkeiten unserer Verantwortlichen, der gleichgültigen oder aber feindlichen Haltung gegenüber dem Staat sowie der zuweilen rigorosen Distanzierung von traditionellen Institutionen und Normen stellt Kurt Sontheimer die Frage, ob wir es mit einer Generation zu tun haben, „die für diesen Staat, für diese Art von Demokratie, für die bei uns vorherrschende Form des Lebensstils verloren ist"

Teilt man den Eindruck, daß „die Bereitschaft zum geduldigen Aufdröseln der Probleme schwindet", „der Kompromiß immer fragwürdiger zu werden scheint", das Problem der persönlichen Identität sich zuspitzt und der Sinn-zusammenhalt der Gesamtgesellschaft brüchig zu werden beginnt dann sollten die Vertreter politischer Bildung selbstkritisch der Frage nachgehen, inwieweit ihr Fach konstruktive Beiträge zum Abbau von Orientierungsdefiziten junger Menschen und zur offensichtlich notwendigen Rekonstruktion von Sprachfähigkeit zwischen den Generationen und Gesellschaftsgruppierungen geleistet bzw. versäumt hat. Ausgehend von einer kritischen Befragung zentraler Denkmuster politischer Bildung sind Wege zu skizzieren, die einen Beitrag zur Entwicklung eines sinnvollen Verhältnisses zwischen den jungen Bürgern und dem demokratischen Gemeinwesen darstellen können. Bisher sind entsprechende Ansätze kaum formuliert!

III. Kritische Analyse ausgewählter Denkkategorien politischer Bildung vor dem Hintergrund einer Orientierungskrise der jungen Generation

In den modernen westlichen Industriegesellschaften läßt das anwachsende Tempo technologisch-sozialen Wandels die menschlichen Erfahrungen rascher veralten, als sie sich bilden und konsolidieren können Die Auflösung überlieferter Geltungen und das zunehmende Versagen von Traditionen als Orientierungshilfen führen letztlich zu einer Orientierungskrise und lassen inzwischen den Fortschrittsbegriff auch unter diesem Aspekt als fragwürdig erscheinen. Ein zentrales Problem unserer Gesellschaft dürfte somit nicht (mehr) die Hemmung von Fortschritt aus traditionaler Orientierung darstellen, sondern eine Orientierungskrise unter den Bedingungen sich beschleunigenden sozialen Wandels und der daraus resultierenden unbeabsichtigten Nebenfolgen. „Der Wandel hat eine Geschwindigkeit angenommen, die ihn unmenschlich werden läßt. Es gibt nämlich ein humanes Maß für Veränderung, und das hängt mit der menschlichen Lebensdauer zusammen ... Wenn die Rahmenbedingungen des Lebens sich so schnell ändern, daß ein junger Mensch keine längerfristigen Pläne mehr machen kann, und ein Mensch von 50 Jahren das Gefühl hat, eigentlich nicht mehr mitreden zu können, dann ver-düstert sich die Zukunftsperspektive, und die Lebensqualität vermindert sich."

Angesichts dieser Faktoren und einer feststellbaren Erodierung des Wertesystems westlicher Demokratien, die sich wesentlich als eine Auflösung verhaltensleitender Normen manifestiert, dürfte die Identitätsbildung gerade junger Menschen besonders schwierig geworden sein. Die Pädagogik, hier primär die politische Bildung, ist zu befragen, ob sie in ausreichendem Maße solide Orientierungshilfen während des Sozialisationsprozesses angeboten hat zur Entwicklung eigenständiger Lebensperspektiven und zu einer verantwortungsbewußten Gestaltung von Formen gesellschaftlichen Miteinanderlebens.

Kurt Gerhard Fischer belegt in einem kurzen Aufsatz zutreffend die eingeschränkten zeitlichen Möglichkeiten des Politikunterrichts an Schulen und wehrt sich gegen Schuldzuweisungen an die politische Bildung für Apathie, Werteverfall und andere problematische Zeiterscheinungen. In den nachstehenden grundsätzlichen Überlegungen geht es nun aber eben nicht um das Aufzeigen monokausaler Erklärungen für die teilweise gravierenden Abweichungen junger Bürger von den Leitbildern politischer Bildung und Sozialisation. Vielmehr werden einige Ideen politischer Erziehung unter dem Gesichtspunkt analysiert, inwieweit sie bei Heranwachsenden eine sinnorientierte Auseinandersetzung mit Fragen des Gemeinwesens und ein Verständnis für Bürgerrechte und Bürgerpflichten fördern können. 1. Emanzipation als ein Leitziel politischer Erziehung und die Utopie der Herrschaftslosigkeit

In den letzten Jahren erfolgte im Zusammenhang mit dem Ideengut „emanzipatorischer Pädagogik" keinesfalls nur im Politikunterricht eine gezielte Infragestellung und Relativierung überlieferter Werte und Strukturen. Während der klassische Emanzipationsbegriff einen Vorgang bezeichnet, der jeweils einen Anfang und ein Ende hat, nämlich die Mündigkeit des betroffenen Subjekts in einem bestimmten Lebensbereich, verweist die moderne Bedeutung auf ein Ideal, das Endziel eines unendlichen Befreiungsprozesses sein soll.

„. Emanzipation'heißt die Befreiung der Subjekte — in unserem Fall der Heranwachsenden in dieser Gesellschaft — aus Bedingungen, die ihre Rationalität und das mit ihr verbundene gesellschaftliche Handeln beschränken." Als „Fähigkeit zur Überwindung von Fremdbestimmung" verweist dieser Emanzipationsbegriff auf die „Ablösung ... aus allen gesellschaftlich verursachten Abhängigkeiten, sofern ... diese Abhängigkeiten subjektiv als , übel'erlebt werden bzw. erlebbar gemacht werden können"

Dieses Verständnis von Emanzipation unterscheidet sich grundsätzlich vom liberalen Emanzipationsbegriff, „wo Menschen hinsichtlich der Organisation der Rahmenbedingungen ihres Handelns von fremder Vormundschaft befreit werden und die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit erhalten, an dieser Organisation mitzuwirken" Mündigkeit im Sinne des modernen sozialpsychologischen Emanzipationsbegriffs verweist dagegen als utopisches Fernziel auf eine neue Gesellschaft, wo Freiheit, Gleichheit und Glück für alle Mitglieder in einem größeren Maße als je zuvor verwirklicht sein sollen. Damit gewinnt Emanzipation den Charakter eines „geschichtsphilosophisch deduzierten Erloungsbegriffs, der die endgültige Aufhebung von Entfremdung überhaupt verheißt" und fordert damit — direkt oder indirekt — zur Distanzierung von dem implizit abgewerteten Bestehenden auf: von Autoritäten, Überlieferungen, Institutionen, religiösen und sozialen Bindungen.

Wenn tatsächlich die soziokulturelle Situation der westlichen Industriestaaten u. a. geprägt ist von einem weitgehenden Verlust des Glaubens an eine rational verständliche Weltordnung, von einer Schwächung zwischenmenschlicher Bindungen und einem Mangel an glaubwürdigen Vorbildern so resultieren bereits aus diesen Faktoren gravierende Erschwernisse für die Identitätsbildung junger Menschen. Politische Bildung, die in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen nicht die Erarbeitung eines soliden Orientierungswissens stellt, sondern primär auf eine Problematisierung von Vertrautheiten und Hinterfragung tradierter Standards abhebt, kann angesichts des immer rascher zunehmenden wissenschaftlichen, technischen und sozialen Wandels kaum sinnvolle Beiträge zur Linderung existentieller Verunsicherung leisten.

Die aus verschiedenen Sozialisationsbedingungen resultierende Ich-Schwäche Jugendlicher fördert deren Wunsch nach Komplexitätsreduktion, Weltvereinfachung und macht anfällig für harmonieversprechende Ideologien Die Flucht vor den Anforderungen einer sich permanent verändernden komplexen Umwelt — und der damit verbundenen Identitätsarbeit — hinein in Heilslehren, die Geborgenheit und neue Gemeinschaftlichkeit versprechen, oder aber in einen militanten Aktionismus kann zur Gefährdung für unsere Demokratie werden, für deren überleben Teilhabe der Bürger an politischen Willensbildungsprozessen sowie die Bereitschaft zur gemeinschaftlichen Mitverantwortung konstitutive Voraussetzungen sind.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen des Sozialisationsprozesses spricht Hans Maier von einer „Pathologie der Bildung“, wenn in der Schule im Namen abstrakter Emanzipationsvorstellungen den jungen Menschen Identifikationsmöglichkeiten zusätzlich erschwert werden und so ignoriert wird, daß Lebensmut und Vertrauen sich wesentlich erst aus Bindungen entwickeln können: „Wer die Welt zu heil und zu friedlich nimmt, der übersieht leicht ihre Abgründe — und stolpert dann um so sicherer hinein. Aber auch das Umgekehrte gilt: Wer nicht aus seiner Kindheit die Ahnung einer heilen Welt bewahrt hat, der wird die wirkliche, unheile Welt nicht bestehen."

Die Fähigkeit zur Selbstbestimmung setzt voraus, „daß der Mensch seine Identität gefunden und ausgeprägt hat“ Die Entfaltung von Selbständigkeit vollzieht sich wesentlich in Bindungen verschiedener Art: an einzelne Menschen, an bestimmte Gruppen, an Institutionen, an eine Heimat, eine Sprache, ja an eine sinnvolle Aufgabe. Identitätsfindung als psychische Voraussetzung hängt somit konstitutiv von einer gewissen Integration in das Gemeinwesen ab, „denn das kritische Hinaus-fragen auf bessere Möglichkeiten hin, auf Veränderung im Sinne größerer Gerechtigkeit hat partielle Integration zur Voraussetzung"

Eine realistische politische Bildung, die sich ihrer Möglichkeiten bewußt ist und zugleich die qualitativ neuartigen ungelösten Probleme der postindustriellen Gesellschaft in ihre Konzepte eingearbeitet hat, hält den Lernenden nicht einseitig zum Mißtrauen an und qualifiziert die bestehende Wirklichkeit nicht zugunsten utopischer Zielvorstellungen bzw. idealisierter Lebensverhältnisse ab. Vielmehr versteht sie sich als eine Orientierungshilfe in einer komplexen, sich rasch verändernden Umwelt, indem sie u. a. auf „kritische Sympathie" mit dem demokratischen Gemeinwesen abzielt, was eine wesentliche Voraussetzung für eine humane Veränderung unangemessener Zustände bildet. Dieses Verständnis politischer Bildung basiert wesentlich auf Ralf Dahrendorfs Feststellung, „daß die Entwicklung von Lebenschancen in manchen Bereichen entwickelter Gesellschaften heute vor allem das Wachsen neuer Ligaturen bedeuten muß, daß also die größere Gefahr für die Freiheit nicht von fehlenden Optionen, sondern von fehlenden Bindungen und Bezügen droht“

Politische Bildung fördert jedoch einseitig das Mißtrauen der Lernenden und verstärkt gegebenenfalls die passivische Distanzierung von der Demokratie, wenn sie sich als „eine in die Zukunft weisende, fortschrittliche, den bestehenden gesellschaftlichen Zustand transzendierende“ Pädagogik begreift und Politik zu einem Heilshandeln machen will, das die praktische Einlösung ideeller Zielvorstellungen zu leisten habe. Diese Vorstellungen knüpfen zumindest partiell an Denkmuster aus der unpolitischen Geschichte des deutschen Bürgertums an: „Politisch ohne Erfahrung, hatte das deutsche Bürgertum die Bereiche Moral und Politik nie recht zusammenbringen können. Entweder galt ihm die Politik als ein allzumal schmutziges Geschäft (wenn man nämlich die Maßstäbe einer idealistischen Moralphilosophie anlegte); oder man , totalisierte‘ sie und erwartete von ihr die Erfüllung individueller Existenz (was auf dasselbe hinauslief) Die Entwicklung eines realistischen Politikbegriffs, dessen Grundlage der , common sense', das Aushandeln von Ringen um Veränderung und das oder Bewahrung bilden, wurde verzögert bzw. erschwert.

Diese Traditionselemente deutschen politischen Denkens kommen bei Emanzipationsvorstellungen zur Geltung, die eine Lebensform ohne .fremdbestimmende'organisierte Institutionen, ein Gemeinwesen ohne Herrschaft, ohne Unterscheidung zwischen Herrschenden und Beherrschten antizipieren. Und tatsächlich verbinden nicht wenige junge Menschen ihre Distanzierung von dem bestehenden Gemeinwesen mit einer Infragestellung der rechtsstaatlich sanktionierten Verfahren politischer Willensbildung, einer Absage an die repräsentative Demokratie und deren Spielregeln sowie der Forderung nach einer basisdemokratischen Ordnung, wo alle als Freie und Gleiche mitbestimmen. Die im Spektrum alternativer Kultur feststellbare „unvergorene Mischung von Fundamentalkritik und politischer Utopie" deutet auf Zielvorstellungen hin, die die politische Substanz jener Gemeinwesen aushöhlen, „in denen gerade die Bejahung eines bestimmten Begriffs der Herrschaft als Voraussetzung einer politischen Ordnung gilt, in der der Bürger die Rechte und Pflichten der Freiheit in Anspruch nehmen darf"

Die Aufrechterhaltung einer funktionierenden sozialen Ordnung ohne die Benutzung physischer Gewalt und ohne die Androhung dieses Mittels ist zwar denkbar, aber sie scheint — zumindest nach bisheriger Erfahrung — als allgemeines Prinzip menschlichen Zusammenlebens nicht realisierbar zu sein.

Der moderne Verfassungsstaat mit seinen spezifischen Verfahrensweisen, Verantwortlichkeitsregelungen und Kontrollmechanismen stellt sicherlich kein vollkommenes Modell für das Zusammenleben freier Bürger dar, gleichwohl hat er sich durch Praktikabilität und eine prinzipielle Reformierbarkeit als eine akzeptable Herrschaftsweise bewährt Den konstitutiven Zusammenhang zwischen politischer Freiheit und politischer Herrschaft erkannten im 18. Jahrhundert bereits die Verfasser des , Federalist, wenn sie, ausgehend von einer Dialektik von Vertrauen und Mißtrauen, ein realistisch-skeptisches Menschenbild entwarfen und daraus die Notwendigkeit kontrollierter Herrschaft ableiteten Die neuzeitliche Demokratie, die auf Humanisierung menschlicher Existenzbedingungen abhebt, hat „sehr viel mehr mit den Modalitäten der Ausübung politischer Herrschaft als mit ihrem Abbau zu tun: mit dem Zugang zu Herrschaftspositionen, mit Kontrolle und schließlich, vor allem, mit der Funktion politischer Herrschaft" 2. Zur Bedeutung „institutionellen Wissens"

im Politikunterricht Nicht nur Jugendliche begreifen heute unseren Staat primär als einen Apparat, „der Dienstleistungen, wirtschaftlichen Wohlstand und Luxus zu produzieren hat" Die Intention, Glück und Wohlfahrt der Bürger möglichst umfassend durch politisches Handeln zu ermöglichen, führte zu einer Allzuständigkeit des modernen Leistungsstaates, der sich konfrontiert sieht mit einer wachsenden Zahl von Ansprüchen und Erwartungen. Der Staat in Gestalt einer Versorgungsanstalt, die das materielle Wohlergehen der Bürger zu gewährleisten und diese in unterschiedlichen Lebensbereichen zu betreuen hat, zeigt inzwischen eine „wachsende innere Schwäche, einen permanenten Verlust an aggregativer, ordnender und gestaltender Kompetenz" Die ord-nungspolitischen Aufgaben des Staates sind — zumindest im Bewußtsein seiner Bürger — zugunsten materialer Zielbestimmungen in den Hintergrund getreten. Die problematischen Folgeerscheinungen obiger Entwicklung werden mittlerweile deutlich erkennbar: Einerseits resultiert aus den mannigfaltigen sozialstaatlichen Hilfsprogrammen ein Zerfallen des gegenseitigen Verantwortungsbewußtseins unter den und zugleich eine Minderung der Loyalitäts-und Leistungsbereitschaft der Bürger für den Staat. Andererseits nimmt das „Unbehagen gegenüber der Anonymität großgesellschaftlicher und zentralstaatlicher Institutionen und dem schwindenden Spielraum für selbstbestimmte und Aktivität selbstorganisierte der Menschen“ zu.

Entsprechend diesen allgmeinen Überlegungen stellt auch die Enquete-Kommission eine ambivalente Haltung Jugendlicher gegenüber dem Staat fest: Der Staat und seine Vertreter werden meist als Gegner, wenn nicht gar als Feinde interpretiert. Gleichzeitig fordert man aber von diesem Staat Beistand und Unterstützung. Diese „Steinbruchmentalität" gegenüber dem Staat findet wohl eine Erklärung darin, . daß dem Staat in den letzten Jahrzehnten in allen entwickelten Industriegesellschaften gleichsam eine Allzuständigkeit für die Lösung von Problemen zugewachsen ist“ Wesentlich bedingt durch die absehbaren „Grenzen des Wachstums" und die weltwirtschaftliche Krisenentwicklung kann er aber den Erwartungen der Bürger heute bereits weniger nachkommen. Der Abschied von einem Staats-begriff, der die Bürger weitgehend von der Verantwortung für deren materielle Existenz entpflichten konnte, ist abzusehen. Ob aber der Loyalitätsbedarf unseres liberalen Verfassungsstaates auch dann noch gesichert sein wird, wenn wohlfahrtsstaatliche Leistungen in nicht geringem Maße abgebaut werden müssen, scheint fraglich zu sein.

Sollen die Bürger aus Einsicht und Überzeugung eine Minderung des Lebensstandards und mögliche individuelle Belastungen mit-fragen, muß ihnen — und hier besonders den jungen Bürgern — der Kernbereich und die ursprüngliche Aufgabe des liberalen Verfassungsstaates für ein humanes Zusammenleben freier und gleicher Bürger wieder nahe-gebracht werden: „Ordnung zu schaffen, das Recht durchzusetzen und damit Frieden im In-nern zu sichern" Statt dessen stehen heute viele, die sich durch ein besonders ausgeprägtes politisches Interesse und Engagement bemerkbar machen, der bestehenden demokratischen Ordnung fremd oder gar feindselig gegenüber, ja sie werten sie als „formal-demokratisch", wenn nicht gar als „faschistoid" ab.

Sorgfältig sollte die politische Bildung den Lernenden die Einsicht vermitteln, daß deren individuelle Freiheit eben dieser liberal-demokratische Prägung - westlicher mit sei nem System des . limited government ermöglicht und sichert. Die zunehmende Gewaltbereitschaft bei einzelnen Gruppen innerhalb der Protestszene, die unter Berufung auf eine höhere Moral ein Widerstandsrecht gegen den Staat ableiten, wirft die Frage nach dem Sinn des Gewaltmonopols auf und dokumentiert zugleich die Gefahr eines „romantischen Rückfalls" (Richard Löwenthal). Spätestens an diesem Punkt ist (auch) die politische Erziehung aufgefordert, „im Bemühen um historische und systematische Aufklärung eine entschiedene und selbstbewußte Verteidigung der liberalen, parlamentarisch verfaßten Parteidemokratie" zu leisten. Politische Bildung hat in unserem Gemeinwesen „weder die Moral des Zynikers noch die des Revolutionärs" zu vermitteln, sie sollte vielmehr „auf den einsichtig handelnden Bürger zielen, auf Respektierung der anderen, auf Loyalität gegenüber der gesetzten Ordnung, auf Einvernehmen und Verträglichkeit"

Die Infragestellung des Staates als Ordnungselement konvergiert mit einer allgemeinen Gleichgültigkeit gegenüber bzw. mit einer Ablehnung von Institutionen. Die Kenntnis spezifischer Leistungen von demokratischen Institutionen und die Einsicht in deren Bedeutung für den Bestand einer freiheitlichen Ordnung sowie für den humanen Wandel einer offenen Gesellschaft fehlen weitgehend. Sicherlich haben nicht wenige Jugendliche bereits frühzeitig negative Erfahrungen mit verhärteten Institutionen machen müssen und glauben inzwischen, „daß die notwendigen politischen und ökonomischen Veränderungen von etablierten Institutionen nicht durchgesetzt werden können, sondern von unten durch Mas-senbewegungen erkämpft werden müssen“ Gleichwohl bilden erst Institutionen — die einer Kritik prinzipiell zugänglich sein müssen — den konstitutiven Rahmen für ein friedliches Zusammenleben freier Bürger.

Ein mangelhaftes Wissen um Sinn und Aufgabe sozialer Institutionen verhindert die Einsicht, „daß Freiheit und sittliches Handeln der einzelnen ethische Institutionen und Recht und die sie verbürgende politische Ordnung als ihre Bedingung voraussetzen" Im Politikunterricht der letzten Jahre wurde institutionelles Wissen im Zusammenhang mit der durchaus berechtigten, zuweilen aber in deutscher Gründlichkeit überzogenen Abkehr von der „Institutionenkunde“ vernachlässigt. Bei vielen Jugendlichen fehlt inzwischen ein angemessenes Wissen über Prozesse und Strukturen einer sonst immer unanschaulicher werdenden Politik sowie eine Einsicht in Werden und Sinn demokratischer Verfahrensregelungen. Wenn der Zwang zu Orientierungen mit der Geschwindigkeit wissenschaftlichen, technologischen und sozialen Wandels wächst, kommt dem Orientierungswissen eine fundamentale Bedeutung zu, insofern dieses die Grundlage bildet für „Ortsbestimmungen durch Herkunftsrekonstruktionen oder Wiedererkennung, Bestandsaufnahmen, Erkundungen und Vermessungen von Unbekanntem im Ausgang vom Bekannten“ letztlich also für die Bildung von Identitäten.

Die oben angedeutete Vernachlässigung struktureller und empirischer Elemente in der politischen Bildung fügt sich in eine Tradition deutschen politischen Denkens: Insbesondere das Herrschaftsproblem wird hier einseitig normativ diskutiert, während strukturelle Fragen eine Vernachlässigung erfahren. Demgegenüber sieht Karl Raimund Popper die Garantie für eine freiheitliche politische Ordnung primär in einer zweckgerichteten Konstruktion politischer Institutionen, die in entsprechenden gesellschaftlichen Traditionen wurzeln: „Wir müssen lernen, daß alle politischen Probleme letzten Endes institutionelle Probleme sind, Probleme des gesetzlichen Rahmens und nicht Probleme von Personen, und daß der Fortschritt zu größerer Freiheit nur durch die institutionelle Kontrolle dei Macht sichergestellt werden kann."

Die Korrektur der vorwiegend formal und institutionell ausgerichteten politischen Bildung der fünfziger und sechziger Jahre endete zuweilen in einer einseitigen Akzentuierung normativ-kritischer Aspekte und einer Vernachlässigung empirischer Elemente, was sich vielleicht auch aus der Geschichte kontinentaler Demokratietheorie erklären läßt, die sich im Gegensatz zur anglo-amerikanischen „in der aufgezwungenen Entfremdung der praktischen Vernunft vom politischen Handeln" entwickeln mußte. Im Politikunterricht scheint eine intensivere vergleichende Erarbeitung der geschichtlichen Entwicklung und der Grundprinzipien beider Demokratieauffassungen angebracht Sie ermöglicht eine Besinnung auf die problematische Geschichte der deutschen politischen Theorie und leistet vielleicht einen Beitrag für die Ausbildung einer historisch begründeten und zugleich zukunftsorientierten politischen Kultur.

In diesem Zusammenhang sind die fatalen Folgen einer Revolte gegen die Lebensform westlicher Demokratien, die sich bereits in Weimar ereignet hat und von Herbert Marcuse wieder gefordert wurde, für den Bestand einer offenen Gesellschaft aufzuzeigen. Die Alternativszene weist Elemente jener Tradition bürgerlicher Kulturkritik auf, wenn sie Gemeinschaft gegen Gesellschaft, das überschaubare gegen das Komplizierte, Kultur gegen Zivilisation stellt und dies verbindet mit einer Aversion gegen Form und Inhalt bürgerlicher Demokratie und in der 3. Konsens Konflikt politischen Bildung Konflikterziehung im Sinne einer „Erziehung durch Konflikte" oder „mit Hilfe von Konflikten" hat während der letzten Jahre zunehmend als didaktisches Prinzip Einzug in den Politikunterricht gefunden. Hermann Giesecke, der empfiehlt, den Konflikt „zum leiten-den didaktischen Prinzip zu erheben" will mit seiner Didaktik u. a. abzielen auf die Fähigkeit, „sich im Sinne des allgemeinen Fortschritts an Demokratisierung und der Durchsetzung der eigenen Interessen in manifesten Konflikten zu engagieren und diese möglichst auf die latenten zurückführen" zu können. Da Politik sich wesentlich im Rahmen bestimmter Verfahren und Formen als eine kontroverse Auseinandersetzung um Anschauungen und Interessen ereignet, dürfte eine falsche Harmonisierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens in der politischen Bildung inzwischen überwunden sein. Auch zum Zwecke einer Lernmotivation wird der Konflikt in der pädagogischen Praxis meist sinnvoll genutzt Allerdings sind Bedenken gegen den Versuch zu formulieren, Konflikterziehung als die zentrale Aufgabe politischer Bildung zu deklarieren

Konflikte müssen Gegenstand des Politikunterrichts sein, wobei dessen Funktion darin besteht, Hinweise und Hilfen zur Konfliktbewältigung zu geben, nicht aber in einer Ausweitung von Konfliktpotentialen. Mangelnde Konfliktfähigkeit der heranwachsenden Bürger und deren Unfähigkeit, die zahlreichen Konfliktsituationen des Alltags angemessen zu bewältigen, können — wie oben gezeigt — Orientierungsdefizite und gesellschaftliche Polarisierungen mitverursachen, vor allem in einem Land, wo Konfliktfähigkeit zu den „am wenigsten ausgebildeten demokratischen Tugenden zählt“ Die Pädagogik, die einen konstruktiven Beitrag zur „Entwicklung einer politischen Kultur des Konflikts" leisten will, zeigt bestehende Konflikte auf und verbindet diese mit den Integrationsmöglichkeiten einer pluralistischen Demokratie. Der Konflikt stellt hier keinen Schlüssel aller gesellschaftlichen Probleme dar, vielmehr geht es—neben anderen Zielen — um die Vermittlung von Fähigkeiten zu einer rationalen Konlliktbewältigung

Neben der Wirklichkeit von Konflikten werden große Bereiche der Gesellschaft von Konsens oder Selbstverständlichkeit bestimmt Der Konsens bildet damit die notwendige Ergänzung zum Konflikt, weshalb eine um Sachlichkeit bemühte politische Bildung weder die tatsächlich vorhandenen Interessengegensätze noch die Notwendigkeit und Realität von Übereinstimmungen in Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens unterschiedlich berücksichtigen wird.

Die in einer pluralistischen Demokratie mögliche friedliche Form der Konfliktregelung setzt einen von einer möglichst breiten Mehrheit getragenen Grundkonsensus voraus, der von den Bürgern täglich zu verwirklichen und zu erneuern ist. Der Pluralismustheoretiker Ernst Fraenkel hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß das Funktionieren und der Bestand einer pluralistischen Ordnung nicht allein vom Konsens über die „Spielregeln eines fair play“ (Verfahrenskonsens) abhängt, „sondern auch eines allgemein anerkannten Wert-kodex bedarf, der ein Minimum abstrakter regulativer Ideen generellen Charakters enthalten muß“ Da der Konsens über bestimmte Lebensfragen nicht ein für allemal festgeschrieben ist, kommt den Prozessen der Konsensbildung eine besondere Bedeutung zu. Hierbei erfüllen die Institutionen, deren Sinnhaftigkeit politische Bildung verstärkt berücksichtigen sollte, „die Funktion des Konsensangebots, der Pflege und Bewußtmachung tradierter Gemeinsamkeiten der an die jeweilige Gesellschaftsentwicklung angepaßten Neuformulierung, der Konsensanreicherung, aber auch gegebenenfalls der Bewußtmachung reduzierter Übereinstimmung“

Eine Ablehnung von konfliktkanalisierenden Verfahren parlamentarisch-repräsentativer Demokratie sowie eine weitere Erodierung des für unsere pluralistische Gesellschaft konstitutiven Wertgefüges beinhalten die Gefahr von Anomie und darüber hinaus von Anarchie, wobei als Axiom gelten kann, „daß ein von Anarchie bedrohtes Gemeinwesen in einem letzten verzweifelten Ausdruck seines Lebenswillens zur Despotie greifen wird" Das Unbehagen vieler junger Menschen an unserem pluralistischen Gemeinwesen, das sich vor dem Hintergrund einer Kulturkrise westlicher Demokratien artikuliert, fordert u. a. die politische Pädagogik zum Überdenken bisheriger Konzepte auf. Richard Löwenthal deutet in seiner ausführlichen Analyse der kulturellen Situation des Westens mögliche erzieherische Konsequenzen an: Die geforderten „normativen Lösungen für die Probleme der Erziehung" verweisen auf die Erfahrung, daß Identität und Weltverständnis in einer Zeit abnehmender Traditionslenkung menschlichen Verhaltens sich nicht ausbilden können „ohne eine Vorstellung von der geschichtlichen Herkunft der konkreten Gemeinschaft, und unter heutigen Bedingungen auch von der gemeinsamen Herkunft und den gemeinsamen Werten des Westens" Die Einsicht in die gemeinsamen Wurzeln und Werte westlicher Demokratien, die den sich notwendig wandelnden Verhaltensnormen und Institutionen zugrunde liegen, eröffnet auch die Möglichkeit einer Rückbesinnung auf ein — zuweilen vergessenes — pädagogisches Ziel: Zustimmung zur Wirklichkeit, die aus einem historischen Gegenwartsverständnis resultiert und zugleich die Voraussetzung für eine humane Veränderung unzulänglicher Gegebenheiten bedeutet.

Wenn, wie oben bereits angedeutet, Integration in die Gesellschaft mit Identitätsfindung zusammenhängt und auch Veränderung im Sinne größerer Gerechtigkeit partielle Integration zur Voraussetzung hat dann sollte auch der Kategorie „politische Gerechtigkeit" in der politischen Bildung eine besondere Beachtung zukommen. Im Rahmen dieser grundsätzlichen Überlegungen kann kein Überblick zur politikphilosophischen Diskussion um die Idee der Gerechtigkeit und auch kein politikdidaktisches Konzept dazu vorgestellt werden. Vielmehr geht es zunächst um Hinweise und Anregungen, so fragmentarisch diese im einzelnen auch noch sein mögen.

Ausgehend von einem Menschenbild, das den Menschen als Bedürfnis-und Vernunftwesen versteht, erarbeitet Otfried Höffe einen Gerechtigkeitsbegriff, der nicht in der Überwindung von Herrschaft, sondern in ihrer vernunftgemäßen Struktur besteht. Er sieht dementsprechend den politischen Grundkonflikt im Gegensatz von politischer Gerechtigkeit (gerechter Herrschaft, Verfassungsstaat) gegenüber der Diktatur einerseits und der Anarchie andererseits. In einer gerechten Herrschaftsordnung versucht der Mensch durch die Einrichtung vernunftbestimmter, gerechter Institutionen die Selbstgefährdung durch seinesgleichen zu bewältigen. Dies stellt eine reflektierte und freie Form der Bändigung menschlicher Triebe und Bedürfnisse dar, aber auch eine permanent gefährdete: „Denn Institutionen haben zwar eine Eigenmacht; aber ohne die Anerkennung der in ihr Lebenden haben sie keinen Bestand. Für die institutioneile Bändigung ist deshalb eine eigentümliche Zerbrechlichkeit charakteristisch. Wie es die Unrechtsverhältnisse unseres Jahrhunderts zur Genüge gezeigt haben, ist der Rückfall in Barbarei nie auszuschließen." Ohne Vermittlung eines soliden Wissens um diese Zusammenhänge dürfte Erziehung zum kritischen Denken — auch nach Ansicht Richard Löwenthals — eine Illusion bleiben. Erst das Wissen von Fakten, Daten, geschichtlichen Ursprüngen und Zusammenhängen ermöglicht eine angemessene, rationale Urteilsbildung und ersetzt dem Heranwachsenden in gewissem Umfang fehlende Erfahrung. Die zunehmende Kontingenz unserer Zivilisation entwertet persönliche Erfahrungen und konfrontiert die Individuen zunehmend mit den Grenzen ihrer Fähigkeiten, Veränderungen angemessen verarbeiten zu können. Robert Spaemann spricht deshalb von der Problemhaftigkeit einer Pädagogik, die vor allem kritisches Denken fördern will und dabei den Kontingenzbereich durch gezielte Hinterfragung tradierter Standards und Sinnfigurationen zusätzlich erweitert.

Die Orientierungsprobleme junger Menschen fordern auch von der politischen Bildung Antworten auf die Frage, wodurch sie den Verlust an Sicherheit, die Folgen von neuen Techniken, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, neuen Rechtsnormen sowie neuen Formen des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens geistig, seelisch und physisch bewältigen hilft

IV. Neue Aufgabenschwerpunkte politischer Bildung in der Gegenwart

Der Konsens über Grundlagen und Ziele unserer Demokratie ist schwächer geworden. Die Gefährdung der Legitimität geht dabei weniger von den aktionistischen Protesten als vielmehr von einem allgemeinen Relativismus aus, der als „ein Anzeichen für die Gefahr zunehmenden Verfalls, zunehmender Verzweiflung und zunehmender Anomie aus Mangel an erkennbarem Sinn und einsehbaren Normen" zu deuten ist Große Teile der jungen Generation vollziehen unter der Oberfläche äußerer Anpassung eine eigentümliche Apathie oder praktizieren unterschiedliche Formen von Verweigerung.

Bestimmte Aussagen/Denkmuster politischer Bildung haben — bewußt oder unbewußt — die Loyalität der Heranwachsenden zu unserem Gemeinwesen kaum gefördert und/oder überzogene Erwartungen an politisches Handeln hervorgerufen. Politische Erziehung, die dem Jugendlichen Politik ausschließlich über Erfahrungen in Familie und Schule vermitteln möchte, fördert die Verwechslung dieser überschaubaren und z. T. intimen Lebensbereiche mit dem Ernstfall politischer Konfliktregelung. „Desillusionierung mit den harten Realitäten der Politik und vielleicht der Wunsch, in der Gesellschaft dadurch Geborgenheit zu finden, daß Konflikte autoritär unterdrückt werden, könnten die Folgen sein."

Politische Bildung sollte heute in ihre Entwürfe die bei Jugendlichen in besonderem Maße ausgeprägten Existenz-und Zukunftsängste einbeziehen, die die Initiative junger Bürger nur zu oft lähmen oder zu aggressiver Distanzierung von Staat und Gesellschaft führen können. Dies kann erfolgen im Zusammenhang mit der Herausarbeitung und Veranschaulichung der „zwar relativen, aber doch qualitativen Vorzüge der westlichen politischen Kultur und ihrer immanenten — gerade auch sozialen — Lebens-und Entwicklungsfähigkeit bei aller Detailkritik und Korrekturbedürftigkeit" Die politische Pädagogik hat dabei Einsichten zu vermitteln in den Sinn und die Wandlungsfähigkeit demokratischer Institutionen undin die Tradition der normati-ven Grundlagen westlicher Demokratien, d. h. vor allem des freiheitlichen Verfassungsstaates.

Das Bemühen um eine „reformatorische Neuordnung der Normen und Institutionen auf der Grundlage der westlichen Werte, aber auf dem Niveau der heutigen Bedingungen" verweist auf die Notwendigkeit einer Rehabilitierung demokratischer Tugenden. In einer Zeit sich abzeichnender „Grenzen des Wachstums" und immer noch expandierender materieller Bedürfnisse ergeben sich aus dem Mangel an gemeinschaftsorientierten Motivationen Probleme für die Regierbarkeit eines demokratischen Gemeinwesens. Der Anspruch des einzelnen auf Selbstbestimmung, der in der politischen Bildung zuweilen einseitig im Vordergrund stand, findet seine notwendige Ergänzung in „Tugenden rationaler Selbstdisziplin“ die erst zwischenmenschliche Beziehungen auf einem bestimmten humanen Niveau ermöglichen. Vor allem die Tugenden der Mäßigung und Selbstbeherrschung werden für die Bewältigung unserer Zukunft unerläßlich sein.

Bei einem Bergedorfer Gespräch über den Jugendprotest im November 1981 verwies Hartmut von Hentig auf die Bedeutung von Strategien zur Selbstbeherrschung und damit zur Stärkung der Person. Auch Carl Friedrich von Weizsäcker macht auf diesen Zusammenhang aufmerksam: „Vernunft politisch zu ermöglichen, indem man ihre Forderungen realisiert, ist noch auf unabsehbare Zeit eine inhaltlich bestimmte Aufgabe, die der Politik definierte Ziele setzt. Zur Vernunft aber gehört Selbstbeherrschung, denn nur Selbstbeherrschung dokumentiert Freiheit."

Mit diesen Andeutungen ist eine Aufgabe skizziert, die Schule bzw. politische Bildung allein gewiß nicht bewältigen werden. Dennoch kann der Politikunterricht durch „vernunftgeleitete Praxis", „durch gemeinsames denken-des Tun" zur Ausbildung von Grundhaltungen im Sinne demokratischer Tugenden einen wesentlichen Beitrag leisten. Politische Bildung, die, was der Begriff der Mitverantwortung beinhaltet, die Lernenden auf eine realistische Weise zur Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen befähigen und ermuntern möchte, ist angewiesen auf die sie umgebende politische Kultur.

Die Ausbildung demokratischer Tugenden und die Bereitschaft zu politischer Mitverantwortung hängen wesentlich von der Art der Partizipationsmöglichkeiten ab, die für alle Bürger prinzipiell offen sind, die Fähigkeiten für ein politisches Engagement zeigen. Dabei geht es nicht um eine . totale Teilnahme', deren Fragwürdigkeit die demokratietheoretische Diskussion inzwischen aufgezeigt hat. Staatsbürgerliche Freiheit und Verantwortlichkeit ereignen sich vielmehr vor allem in überschaubaren Lebens-und Handlungsfeldern, weshalb kurzfristig die Freiräume und Einflußmöglichkeiten der Bürger auf kommunal-politischer Ebene erweitert werden sollten. Verantwortungsfähigkeit und -bereitschaft der Jugendlichen sind nur dort zu erwarten, „wo im Horizont einer offenen Gesellschaft und politischer Freiheit den Bürgern Verantwortung und Freiheit auch zugestanden wird" Wacher demokratischer Gemeinsinn kann sich erst dann bilden, wenn tatsächlich ernsthafte Möglichkeiten für praktische Erfahrungen gegeben sind. Niemand sollte vorhandene institutioneile Fehlentwicklungen leugnen, wobei sich die Parteien in verstärktem Maße mit den aktuellen jugend-politischen Herausforderungen und auch dem Gedankengut der Protest-und Alternativgruppen auf sachliche Weise auseinandersetzen müssen. Hierbei dürften nicht wenige Kritikpunkte und Alternativkonzepte ihre Berechtigung und Realisierbarkeit erweisen, was sicherlich zu konstruktiven partiellen Verbesserungen unseres politischen Systems führen könnte 85a).

Die unkonventionellen Formen politischer Aktivitäten gerade junger Bürger werden wohl solange auf breiter Basis fortbestehen, bis durch „institutioneile Fantasie“ angemessenere institutionelle Regelungen für Konfliktaustragung und Teilhabe geschaffen worden sind. Die Enttäuschung zurückgewiesener Partizipationsbereitschaft und das daraus resultierende Gefühl, von politischen Entscheidungen ausgeschlossen zu sein, obwohl vor allem die Jugendlichen etwaige Negativ-folgen zu tragen haben, können durch sinnvoll erweiterte Partizipationschancen in gewissem Maße abgebaut werden. Politische Bildung sollte in diesem Kontext Möglichkeiten und Grenzen einer Partizipationsdemokratie vermitteln: Erweiterte Partizipationschancen sind nämlich ohne Euphorie hinsichtlich ihrer Glückspotentiale“ zu bewerten, da „sie neben Gratifikationen auch bisher unbekannte Enttäuschungen bereithalten"

Die spezifische Leistung politischer Bildung junger Menschen zur Demokratie könnte darin bestehen, den Heranwachsenden in verstärktem Maße normativ-institutionelle Orientierungshilfen für ein verantwortliches Leben in einer komplexen Industriegesellschaft zu vermitteln sowie die Lernenden auf fundierte, realistische Weise auf eine konstruktiv-kritische Teilhabe an politischen Willensbildungsprozessen vorzubereiten. Sicherlich kann Optimismus allein die anstehenden Probleme nicht bewältigen, der verbreitete Pessimismus bei jungen Bürgern leistet dies aber erst recht nicht. Die Jugendlichen müssen vielmehr (wieder) lernen, die Welt, in der sie leben, als ihre eigene zu verstehen. Es geht um „den Mut zur Politik, den Mut zum Staate als der res publica, die unser Ding ist, und den Mut zu glauben, daß wir es in der Hand haben, das Notwendige möglich zu machen .. "

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. u. a.: Siegfried Schiele/Norbert Schneider (Hrsg.), Das Konsensproblem in der politischen Bildung, Stuttgart 1977-, Kurt Gerhard Fischer (Hrsg.), Zum aktuellen Stand der Theorie und Didaktik der Politischen Bildung, Stuttgart 1980 (4., überarb. und erw. Aufl.); Jürgen Wilbert, Politikdidaktik zwischen staatlicher Autorität und gesellschaftlicher Partizipation — Kriterien für einen strukturanalytischen Vergleich der Politikbegriffe und Erziehungsziele in: Pädagogische Rundschau 32 (1978), S. 190 ff.

  2. Fritz Erich Anheim, Politische Didaktik auf dem Prüfstand, in: Materialien zur Politischen Bildung 4/1981, S. 45 ff., hier S. 45 und 50.

  3. Jürgen Bacia/Klaus-Jürgen Scherer, Paßt bloß auf! Was will die neue Jugendbewegung?, Berlin 1981, S. 20 f.

  4. An diesem Punkt setzt auch die Kritik von Hermann Giesecke an. Ders., Plädoyer für eine praktische und praktikable politische Didaktik, in: Kurt Gerhard Fischer (Hrsg.), Zum aktuellen Stand ..., a. a. O., S. 40 ff., S. 41: „Leider hat sich die Forschung der letzten Zeit allzu einseitig damit beschäftigt, was die Menschen können und wissen sollten, kaum aber damit, wie sie wirklich politisch denken, urteilen und handeln und woraus das resultiert Man konnte daraus schließen, daß sich die didaktische Forschung primär an den (politischen; beruflichen) Interessen der Lehrenden orientiert und allenfalls sekundär auch an denen der Lernenden.“ — Die nachstehenden Ausführungen beziehen sich primär auf das Sozialisationsfeld Schule (Schüler als Adressaten politischer Bildung), da der Autor in diesem Bereich auf entsprechende Praxiserfahrung zurückgreifen kann.

  5. Hans-Joachim Veen, Zwischen Zufriedenheit und Protest I und II (Ergebnisse einer repräsentativen Jugendstudie vom Spätsommer 1979 im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung), in: Materialien zur Politischen Bildung 3/1981, S. 51 ff., und 4/1981, S. 61 ff.; Jugendwerk der Deutschen Shell (Hrsg.), Jugend '81, Lebensentwürfe, Alltagskulturen, Zukunftsbilder, Bd. 1— 3, Hamburg 1981, Opladen 1982; Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Zur Situation der Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen, Bonn-Bad Godesberg März 1982; Ch. Krause/D. Lehnert/K. -J. Scherer, Zwischen Revolution und Resignation, Bonn 1980; Institut für Demoskopie (IFD), Jung sein heute, Eine Umfrage für den STERN, Allensbach

  6. Hans-Joachim Veen, Zwischen Zufriedenheit und Protest (I), a. a. O., S. 52.

  7. Ders., Solange nur die Kasse stimmt...? über das schwierige Verhältnis der jungen Generation zu ihrem Staat, in: Sonderdruck aus dem Rheinischen Merkur/Christ und Welt, Nr. 23 und 24 vom 5. und 6. Juni 1981.

  8. Die Untersuchung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Zur Situation ..., a. a. O„ S. 54 ff., unterscheidet „unkritisch-angepaßte Jugendliche”, „kritisch-integrierte Jugendliche”, „passiv-außenstehende Jugendliche” und „kritisch-alternative Jugendliche".

  9. Vgl. Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1981, S. 578.

  10. Ausführlich zu den unterschiedlichen Bewegun-gen/Gruppierungen:

  11. Ebenda, S. 10.

  12. Ebenda, S. 27.

  13. Vgl. u. a.: Hans-Eckehard Bahr (Hrsg.), Wissen wofür man lebt. Jugendprotest — Aufbruch in eine Veränderte Zukunft, München 1982, bes. S. 118 ff., Jugendprotest und neue Kultur"; Reimar Oltmanns,

  14. Hans-Joachim Veen, Zwischen Zufriedenheit und Protest (I), a. a. O„ S. 53.

  15. Diese Aussage impliziert zunächst keine Wertung der Denkmuster und Konzepte aus dem Bereich der Alternativkultur.

  16. Hans Joachim Veen, Zwischen Zufriedenheit und Protest (I), a. a. O., S. 52.

  17. Michael Theunissen, Freiheit und Gehorsam (Manuskript). Zitiert nach: Peter Glotz, Die Beweglichkeit des Tankers, München 1982, S. 182.

  18. Institut für Jugendforschung (IJF), Die Einstellung der jungen Generation zur Arbeitswelt und Wirtschaftsordnung 1979, Studie im Auftrag des Jugendwerks der Deutschen Shell, Hamburg 1980 (3), S. 62 f.

  19. Die nachstehenden Überlegungen orientieren sich wesentlich an: Roland Eckert, Jugendprotest, Bürgerinitiativen und Parteiendemokratie, in: deutsche jugend, H. 2, Februar 1982, S. 68 ff., bes.

  20. Vgl. Ronald Ingelhart, The Silent Revolution in Europe: Intergenerational Change in Post-Industrial Societies, in: American Political Science Review, vol. LXV, Dec. 1971, no. 4, S. 991 ff.; Kai Hilde; brandt/Russell J. Dalton, The New Politics. Political Change or Sunshine Politics?, in: Max Kaase/Klaus von Beyme eds., Elections and Politics. German Political Studies, vol. 3., London/Beverly Hills 1978, S. 69 ff.

  21. Ausführlich hierzu: Jugendwerk der Deutschen Shell (Hrsg.), Jugend '81, Bd. 1, a. a. O., Kapitel „Die Gesellschaft der Altersgleichen".

  22. Horst-Eberhard Richter, Ich kann nur noch durch Widerstand ich selber sein, in: Hans-Ecke-hard Bahr (Hrsg.), Wissen wofür man lebt, a. a. O., $195 ff.. S. 202.

  23. Dieter Baacke, Jugend zwischen Anarchie und Apathie?, in: Wilhelm von llsemann (Hrsg.), Jugend fischen Anpassung und Ausstieg (Studie im Auf-

  24. Kurt Sontheimer, Die verunsicherte Republik, München 1979, S. 7.

  25. Peter Glotz, Die Beweglichkeit des Tankers, a. a. O., S. 67 und S. 139. — Auch Kurt Sontheimer, Sinneswandel ohne Toleranz, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 26 vom 25. 6. 1982, stellt eine wachsende Intoleranz fest, die „die notwendige Kommunikation zwischen den verschiedenen Interessen und Gruppen im demokratischen Dialog" unterbindet und die „die auf Ausgleich und Kompromiß angewiesene pluralistische Gesellschaft einer schweren Zerreißprobe“ unterwirft.

  26. Vgl. hierzu die ausführlichen Überlegungen bei Hermann Lübbe, Fortschritt als Orientierungsproblem. Aufklärung in der Gegenwart, Freiburg 1975, S. 32— 56.

  27. Robert Spaemann, Emanzipation — ein Bildungsziel?, in: Merkur XXIX (1975), S. 1 lff„ S. 18.

  28. Kurt Gerhard Fischer, „Viel Lärm um nichts" — oder: Wie ist es um die Politische Bildung bestellt?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/1981, S. 25 ff., S. 27 und 29.

  29. Zum Begriff und zur Kritik wesentlicher Inhalte und Ziele vgl. Wollgang Brezinka, Die Pädagogik der Neuen Linken, München/Basel 1980 (5., neu bearb. Aufl.); siehe auch: Hans-Günter Assel, Kritische Bemerkungen zu Denkansätzen in der politischen Bildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 1/1979, S. 3 ff.

  30. Klaus Mollenhauer, Erziehung und Emanzipation, München 1968, S. 11; vgl. auch S. 27.

  31. Vgl. Kurt Gerhard Fischer, Emanzipation als Lernziel der Schule von morgen, in: Überlegungen zur Didaktik des Politischen Unterrichts, Göttingen 1972, S. 80 ff., bes. S. 85 ff.

  32. Hermann Giesecke, Die Jugendarbeit, München 1971, S. 152. — Rolf Schmiederer, Politische Bildung im Interesse der Schüler, Frankfurt a. M. 1977, S. 88, spricht unter Verweis auf das „Prinzip Hoffnung" etwas zurückhaltender von der „Utopie der Emanzipation und Demokratie".

  33. Robert Spaemann, Emanzipation ..., a. a. 0.,

  34. Karl Martin Grass/Reinhart Koselleck, Artikel . Emanzipation', in: Otto Brunner u. a. (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 153 ff., S. 174.

  35. Vgl. Richard Löwenthal, Gesellschaftswandel und Kulturkrise, Frankfurt a. M. 1979, bes. S. 21— 36.

  36. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang vom narzistischen Jugendlichen als einem neuen Sozialisationstyp, den u . a. Apathie, Introvertiertheit, fehlende Willenskraft und Vermeidung von Konfliktsituationen kennzeichnen. Vgl. Hans Thomae/Klaus Wasmund/Thomas Ziehe, Politische Apathie, Hannover 1976.

  37. Hans Maier, Streiflichter zur Zeit. Freiburg 1980, S. 113, S. 25.

  38. Ludwig Kerstiens, Erziehungsziele neu befragt, Bad Heilbrunn/OBB. 1978, S. 178.

  39. Thomas Nipperdey, Konflikt — Einzige Wahrheit der Gesellschaft, Osnabrück 1974, S. 29.

  40. Walter Scheel, Mut zu kritischer Sympathie — Hans Küng, Heute noch an Gott glauben? Zwei Reden, München/Zürich 1977, S. 14.

  41. Ralf Dahrendorf, Lebenschancen, Frankfurt a. M. 1979, S. 132.

  42. Rolf Schmiederer, Zur Kritik der politischen Bildung, Frankfurt a. M. 1977(6), S. 22; vgl. auch S. 38- 43.

  43. Sylvia und Martin Greiffenhagen, Ein schwieriges Vaterland, München 19792, S. 271. — Ausführlich hierzu: Kurt Sontheimer, Grundzüge des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, München 1980, 8., völlig überarb. Aufl., S. 80— 85.

  44. Hans-Jochen Vogel zitiert nach: Joachim Nawrocki, Frischer Wind in Schöneberg, in: DIE ZEIT, Nr. 28 vom 9. Juli 1982, S. 5 f. — Vgl. ebenda auch die Aussage des AL-Fraktionsvorsitzenden Klaus-Jürgen Schmitt zur Ablehnung der parlamentarischen Institution.

  45. Nevil Johnson, Zur Bewertung von Herrschaft, in: Wilhelm Hennis u. a. (Hrsg.), Regierbarkeit. Studien zu ihrer Problematisierung, Bd. I, Stuttgart 1977, S. 43 ff., S. 44.

  46. Vgl. Felix Ermacora (Hrsg.), Der Föderalist. Deutsche Ausgabe, Wien 1958, Paper No. 51, S. 296f..

  47. Peter Graf Kielmannsegg, Nachdenken über Demokratie, Stuttgart 1980, S. 19.

  48. Hans-Joachim Veen, Zwischen Zufriedenheit und Protest (II), a. a. O., S. 61.

  49. Bernd Guggenberger, Sind wir noch regierbar?, in: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.), Der überforderte schwache Staat, Freiburg/Basel/Wien 1975, S. 30II., S. 35.

  50. Johano Strasser, Grenzen des Sozialstaats?, Köln/Frankfurt a. M. 1979, S. 15.

  51. Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat", a. a. O., S. 9.

  52. Hans Maier, Streiflichter zur Zeit, a. a. O„ S. 81. — Auf die gerade von Jugendlichen mit besonderer Sensibilität zu Recht wahrgenommenen institutioneilen Fehlentwicklungen in unserer Demokratie wird im Schlußkapitel hingewiesen.

  53. Christian Graf von Krockow, Es grünt so grün. Alternativbewegungen in der Parteiendemokratie, in: DIE ZEIT, Nr. 20 vom 14. Mai 1982, S. 10.

  54. Bernhard Sutor, Didaktik politischer Bildung im Verständnis Praktischer Philosophie, in: Kurt Gerhard Fischer (Hrsg.), Zum aktuellen Stand..., a. a. O., S. 126 ff., S. 131.

  55. Jörg Bopp, Politik im hier und jetzt, in: Westermanns Pädagogische Beiträge, 9/1981, S. 400 ff S. 401.

  56. Joachim Ritter, Institution . ethisch', in: Helmut Schelsky (Hrsg.), Zur Theorie der Institution, Düsseldorf 1973 (2), S. 59 ff., S. 64.

  57. Hermann Lübbe, Zwischen Trend und Tradition, überfordert uns die Gegenwart?, Zürich 1981, S. 54. — Die Bedeutung von Kontinuität und Vertrauen für die Bildung einer Ich-Identität unterstreicht u. a. Erik H. Erikson, Identität und Lebenszyklus, Frankfurt a. M. 1977(4), S. 106 ff.

  58. Karl Raimund Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. 2, München 1975(4), S. 200. -Vgl. zu diesem Aspekt die Überlegungen von Christoph Böhr, Zur politischen Philosophie des Kritischen Rationalismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 35/77. S. 15 ff., bes. S. 21 f.

  59. Hella Mandt, Responsible Government’ und kontinentale Demokratietheorie, in: CIVITAS, 13 (1974), S. 84 ff., S. 89.

  60. Vgl. u. a. Christian Graf von Krockow, Es grünt so grün, a. a. O.; Hermann Giesecke, Wir wollen alles, und zwar subito, in: deutsche jugend, Juni 1981, H. 6, S. 251 ff., S. 265.

  61. In diesem Sinne vgl. Klaus Mollenhauer, Erziehung und Emanzipation, a. a. O„ S. 71 und S. 160.

  62. Hermann Giesecke, Artikel „Konflikt”, in: Helm-wart Hierdeis (Hrsg.), Taschenbuch der Pädagogik, Baltmannsweiler 1978, S. 497ff., S. 500f.

  63. Ders., Didaktik der politischen Bildung, Neue Ausgabe, München 1972 (7. völlig neubearb. Auflage), S. 144.

  64. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Kategorie ist zu finden bei: Wolfgang Brezinka, Konfliktpädagogik'’. Zur Analyse und Kritik eines neuen pädagogischen Schlagworts, in: Zeitschrift für Pädagogik, 1979, H. 6, S. 953 ff.

  65. Sylvia und Martin Greiffenhagen, Ein schwieriges Vaterland, a. a. O., S. 324 f.

  66. Christian Graf von Krockow, Reform als politisches Prinzip, München 1976, S. 69.

  67. Wolfgang Behr, Konflikte und Konfliktbewältigung in der politischen Bildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 15/80, S. 15 ff., setzt sich intensiv mit den Möglichkeiten des Konfliktbegriffs auseinander.

  68. Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1974 (6), S. 199 f.

  69. Manfred Hättich, Pluralismus als Aufgabe, in: Heinrich Oberreuter (Hrsg.), Pluralismus, Opladen 1980, S. 109 ff., S. 124.

  70. Reinhold Niebuhr, Consensus in einer demokratischen Gesellschaft, in: Theodor Strohm/Heinz-Dietrich Wendland (Hrsg.), Politik und Ethik, Darmstadt 1969, S. 186 ff., S. 216.

  71. Richard Löwenthal, Gesellschaftswandel und Kulturkrise, a. a. O., S. 35. — Ebenda, S. 26, formuliert Löwenthal ein System tragender westlicher Werte, die im Sinne Arnold Toynbees eine Zivilisation oder Kultur zusammenhalten: Glaube an die Autonomie der Vernunft, Glaube an die Einzigartigkeit des Individuums, Glaube an den bindenden Charakter freiwillig eingegangener Gemeinschaften, Glaube an den Sinn rechtlicher Satzung, Wertschätzung der Arbeit.

  72. Vgl. hierzu: Thomas Nipperdey, Konflikt .... a. a. O„ S. 29.

  73. Vgl. John Rawls, A Theory of Justice, Cambridge/Mass. 1971; Otfried Höffe (Hrsg.), über John Rawls'Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt a. M.

  74. Otfried Höffe, Ethik und Politik. Grundmodelle und -probleme der praktischen Philosophie, Frankfurt a. M. 1979, S. 418.

  75. Robert Spaemann, Überzeugungen in einer hypothetischen Zivilisation, in: Oskar Schatz (Hrsg.), Abschied von Utopia?, Graz/Wien/Köln 1977, S. 311 ff., S. 326.

  76. Vgl. Hartmut von Hentig, Die Dialektik der Reform, in: Merkur 35 (1981), H. 5, S. 497 ff.. S. 501 f.

  77. Richard Löwenthal, Gesellschaftswandel und Kulturkrise, a. a. O., S. 35; vgl. ebenfalls Daniel Bell, Jne Cultural Contradictions of Capitalism, New York 1976.

  78. Dieter Grosser, Lehrziele und Prinzipien der Stoffauswahl in der politischen Bildung, in: ders. s 2s 8• Politischer Unterricht, Freiburg 1976, S. 9 ff.,

  79. Alexander Schwan, Grundwerte der Demokraue, München 1978, S. 151.

  80. Richard Löwenthal, Einleitung zu: Jenseits des Kapitalismus, Berlin/Bonn-Bad Godesberg 1977, S. XLV 1.

  81. Peter Graf Kielmannsegg, Nachdenken über Demokratie, a, a. O„ S. 26, vgl. ebenda das Kapitel „Demokratie und Tugend".

  82. Vgl.den Hinweis auf das Bergedorfer Gespräch bei: Elisabeth Noelle-Neumann, Selbstbeherrschung — kein Thema. Werden die Ursachen der Jugendunruhen in der falschen Richtung gesucht?, in: FAZ., Nr. 119 vom 25. 5. 1982, S. 8.

  83. Carl Friedrich von Weizsäcker, Deutlichkeit, München/Wien 19792, S. 97 f.

  84. Bernhard Sutor, Mit Klugheit aus dem Katzenjammer. Eine Lanze für die Tugend, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt, Nr. 7 vom 12. 2. 1982, S. 21. — Sutor setzt sich dort mit den Tugenden Klugheit Gerechtigkeit, Tapferkeit und der Tugend des Maßes und deren Bedeutung für die politische Bildung auseinander.

  85. Christian Graf von Krockow, Reform als politisches Prinzip, a. a. O., S. 143. — Vgl. zur Frage von Beteiligungsbereitschaft und Partizipationsmöglichkeiten auch den Praxisbericht von Wolfgang hörig, Reale Möglichkeiten für Mitverantwortung schaffen, in: Materialien zur Politischen Bildung, 1/1982, S. 16 ff.

  86. Vgl. Max Kaase, Legitimationskrise in westlichen demokratischen Gesellschaften? Mythos oder Realität?, in: Helmut Klages/Peter Kmieciak (Hrsg), Wertwandel und gesellschaftlicher Wandel, Frankfurt/M. /New York 1979, S. 328 ff., S. 346.

  87. Jakob Schissler, Strukturprobleme der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, in: Beiträge zur Konfliktforschung, 12 (1982), H. 1» S. 83 ff„ S. 110.

  88. Carlo Schmid, Politik muß menschlich sein, Bern/München 1980, S. 27. — In diesem Sinne auch: Carl Friedrich von Weizsäcker, Deutlichkeit, a. a. 0., S. 76 f.

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Wolfgang Lorig, M. A, geb. 1951; Studium der Politikwissenschaft, Germanistik, Geographie und Philosophie an den Universitäten Trier und Mainz; Studienrat an der Berufsbildenden Schule 111 in Trier-, seit 1981 Doktorand im Fach Politikwissenschaft an der Universität Trier. Zeitschriftenveröffentlichungen zu Fragen politischer Bildung an berufsbildenden Schulen.