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Kabelfernsehen in der Bundesrepublik und in anderen westeuropäischen Ländern | APuZ 45/1983 | bpb.de

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APuZ 45/1983 Artikel 1 Kabelfernsehen in der Bundesrepublik und in anderen westeuropäischen Ländern „Kabel-Demokratie" -der Weg zur Informationskultur Drähte, die die Welt umspannen: die Nachrichtenagenturen

Kabelfernsehen in der Bundesrepublik und in anderen westeuropäischen Ländern

Michael Schmidbauer

/ 14 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das Thema „Kabelfernsehen" enthält einen Teil jener Probleme, die aktuell mit der Entwicklung und der Kombination von Computer-, Kabel-und Bildschirmtechnik anstehen. In der Bundesrepublik wird das Kabelfernsehen mit den Kabelpilotprojekten in Berlin, Dortmund, Ludwigshafen und München starten — neben einigen ebenfalls kommunalbezogenen Versuchen beispielsweise in Baden-Württemberg oder auch in Niedersachsen. Hauptstreitpunkte der Projekte sind die Finanzierung und die Organisationsform. Ein Vergleich mit einigen westeuropäischen Staaten zeigt, daß die Expansion des Kabelfernsehens in der Bundesrepublik hinter der Entwicklung in diesen Ländern erheblich nach-hinkt. Ein solcher Vergleich zeigt aber auch, daß der Zug zu ungehemmter Privatisierung sowohl im Hinblick auf die technische Einrichtung der Kabelanlagen (Netzträgerschaft) wie im Hinblick auf die Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten (Programmträgerschaft) zu einem politischen, kulturellen und finanziellen Chaos führen kann. Deshalb ist gerade für den Auf-und Ausbau des Kabelfernsehens in der Bundesrepublik mit Nachdruck zu klären, ob die Privatisierung und — im Endeffekt — Kommerzialisierung der Netz-und Programmträgerschaft wie politisch geplant vorangehen soll, oder ob nicht besser doch die Lehren aus der westeuropäischen Entwicklung zu ziehen sind. Dies würde bedeuten, daß das Postmonopol der Netzträgerschaft bestehen bleibt und für die Programmträgerschaft eine öffentlich-rechtliche Organisation des „Rundfunksektors" sowie eine Kommerzialisierung allenfalls für die „Nichtrundfunk-Dienste" versucht wurde.

Die sogenannten neuen Informations-und Kommunikationstechniken basieren auf der Zusammenschaltung von Computer-, Kabel-und Bildschirmtechnik. Die aktuelle Situation im Bereich dieser Techniken wird insbesondere durch die folgenden Trends gekennzeichnet: — durch die rasante Entwicklung und produktivitätssteigernde Anwendung zunehmend leistungsstärkerer und arbeitsrationalisierenderer Mikroprozessoren — vor allem in der Meß-, Steuerungs-und Regeltechnik, in der Datenverarbeitung, in der Nachrichtentechnik, im Sektor „Haushaltsgeräte" und in der Unterhaltungs-und Freizeitelektronik;

Abbildung 5

— durch die forcierte Digitalisierung und Optoelektronisierung der Informationsverteilung und Informationsvermittlung, was nicht nur zu einer Vielzahl von schmal-und breitbandigen Übertragungsmöglichkeiten führt, sondern auch zu einer — schon mittelfristig erreichbaren — Vereinheitlichung dieser Möglichkeiten in einem, nämlich im Glasfaser-Netz; — durch die geplante massive Ausweitung des Medienangebots in Form von Programmen und Diensten — offeriert insbesondere von Bildschirmtext und Kabelfernsehen (sowie den hieran gekoppelten Satellitenzuspielungen). Die folgende Skizze bezieht sich auf den letztgenannten Punkt. Das bedeutet nicht, daß damit alle Probleme, die über den medienpolitischen Rahmen hinausgehen (Rationalisierung, Veränderung der Arbeitsplatz-und Beschäftigtenstruktur, Überwachungsmöglichkeiten, Datenschutz etc.), geringgeschätzt würden. Es bedeutet nur, daß im vorliegenden Zusammenhang mit Nachdruck die medienpolitische Qualität zur Diskussion gestellt wird, die sich mit einem Bereich der Verkabelung, der Breitbandverkabelung, verbindet und hier am

I. Die aktuelle Situation

1. Kabelfernsehen in Westeuropa 1982

Beispiel des Kabelfernsehens (Kabelprogrammfernsehen und Kabeldienste) illustriert wird

5. Teilnahmegebühren für das Kabelfernsehen in Westeuropa (Juni 1982)

1. Kommunikationsmöglichkeiten des Kabel-TV

Die Möglichkeiten des Kabel-TV sind auf die folgenden spezifischen Qualitäten zurückzuführen:

— hohe Übertragungskapazität der Breitbandkabel;

— es können nicht nur Fernsehprogramme, sondern auch Kabeldienste (Informations-, Abruf-und Dialogdienste) befördert werden; — die Kabelnetze können im lokalen, allenfalls regionalen Bereich, also als orts-und gemeindebezogene Inselnetze verankert werden, die allerdings auch — beispielsweise über Richtfunk und Satelliten — zu größeren Einheiten zusammengeschaltet werden können;

— die von der Zentrale eines Kabelnetzes sowohl ortsüblich empfangbaren wie auch „vor Ort“ produzierten Angebote können dem Teilnehmer zugespielt werden-, — die Besonderheit der sogenannten Rückkanal-Kommunikation läßt eine Verbindung von den Empfängern zur Kabelzentrale zu. Insgesamt gilt so, daß mit Hilfe des Breitbandnetzes einerseits die Quantität der ortsüblich und teilnehmerindividuell empfangbaren An-geböte wesentlich erweitert werden kann und daß andererseits neue, sozusagen kabelspezifische Informations-und Kommunikationsleistungen (Lokal-TV, „Offener Kanal", Kabelverteiltext, interaktive Dienste) sowohl im Bereich des Programmfernsehens wie in jenem der Dienste bereitgestellt werden können. Die Kabelpilotprojekte in der Bundesrepublik 2)

Die „Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems (KtK)", die 1973 von der Bundesregierung eingerichtet worden war, empfahl 1976 in ihrem Abschlußbericht unter anderem, den Kabelrundfunk, das Kabelfernsehen in Form von Pilotprojekten zu erproben. Die KtK ergänzte ihre Empfehlung mit den folgenden, den Umriß der Projekte festlegenden Hinweisen:

— Die Projekte sollten mindestens 10 000 Privathaushalte umfassen, die in ihrer sozialen Zusammensetzung repräsentativ sind für die bundesdeutsche Bevölkerung.

— Es sollten unterschiedliche technische Realisierungen des Kabelnetzes, der inhaltlichen Angebote und der Endgerätekonfiguration erprobt werden.

— Die Probesysteme sollten hinsichtlich ihrer technischen und betrieblichen Bedingungen vergleichbar und so angelegt sein, daß sie in ein künftiges regionales oder bundesweites KTV-Netz integrierbar sind.

— Die Projekte sollten sich sowohl auf die Erprobung des Kabelrundfunks wie auf den Test von Kabeldiensten beziehen.

— Ermittelt werden sollten insbesondere die Akzeptanz und die Nutzungsweisen der Teilnehmer — auch und gerade unter der Voraussetzung eines neuartigen Angebots.

— Die Teilnehmer sollten für die Benutzung des Kabelnetzes und für die Partizipation an 1. Organisationsform Unter diesem Titel vollzieht sich die Auseinandersetzung zwischen jenen, die auch den Kabelrundfunk und Kabeldiensten solche finanziellen Mittel aufbringen, wie sie realistischerweise bei einem normalen Dauerbetrieb anfallen werden. — Auf-und Ausbau der Kabelsysteme sollten durch eine sozial-und kommunikationswissenschaftliche Untersuchung begleitet werden. Hieran anschließend und bedingt durch den Tatbestand, daß Rundfunkangelegenheiten Ländersache sind, beschlossen die Ministerpräsidenten der Bundesländer 1978 und 1980, daß in Dortmund, Ludwigshafen-Frankenthal, München und West-Berlin Pilotprojekte gestartet werden sollten. Zu bedenken ist hierbei, daß die Breitbandverkabelung in der Bundesrepublik durchaus nicht auf den Bereich der Kabelpilotprojekte beschränkt ist. Im Investitions-und Arbeitsplan der Bundespost spielt die bundesweite Verkabelung sowohl vor wie nach dem Beschluß der Ministerpräsidenten eine bedeutende Rolle. Zur Zeit sind in der Bundesrepublik ca. 350 000 Wohneinheiten an Breitband-Anlagen angeschlossen, allerdings oft an Anlagen, die in ihrer Kapazität unter den Anforderungen liegen, die das Übertragsvolumen der Pilotprojekte verlangt (aber leicht auf deren Niveau gebracht werden können). Raum für weitere Kabelprojekte ist also in vielen bundesdeutschen Regionen vorhanden.

Im folgenden wird in Form einer Übersicht der aktuelle Stand der Pilotprojekte verdeutlicht. Hauptthemen sind dabei jene Punkte, die auch in der medienpolitischen Diskussion an erster Stelle stehen: die Organisationsform, die Anbieterstruktur und die Finanzierung der Projekte. Nicht eingegangen ist in die Zusammenstellung die Situation in West-Berlin, da diese zur Zeit nicht überschaubar ist.

II. Aktueller Stand der Kabelpilotprojekte in Dortmund, Ludwigshafen-Frankenthal und München 2)

2. Kabelfernsehen in Westeuropa — Prognose für 1987 — TV-Haus-

Kabelrundfunk nach dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkprinzip organisiert sehen möchten, und jenen, die für private, privat-wirtschaftliche Nutzung der — die bisherige Beschränktheit der Sendefrequenzen aufhebenden — Kabelkanäle eintreten. Für letztere bleibt dabei allerdings das Problem, daß sie — entsprechend dem „Saarland" -Urteil des Bundesverfassungsgerichts — angeben müssen, wie sie eine private, eine privatwirtschaftliche Trägerschaft an den Pluralismus der gesellschaftlichen Gruppierungen rückbinden. Für die Pilotprojekte sind aus dieser Auseinandersetzung die folgenden Konsequenzen gezogen worden:

Dortmund — öffentlich-rechtliche Organisation im Rahmen des WDR und mit Unterstützung des ZDF; Einrichtung eines Projektbeirats, der sich aus den Vertretern der gesellschaftlichen Gruppierungen zusammensetzt und die Entwicklung des Projekts beratend begleitet; keine private, privatwirtschaftliche Trägerschaft; keine Wirtschaftswerbung in den für das Projekt vorgesehenen Rundfunkversuchsprogrammen (inklusive Dienste und Abruf-programme)

Ludwigshafen — eigenständige öffentlich-rechtliche Anstalt für Kabelkommunikation entsprechend dem Landesgesetz über einen Versuch mit Breitbandkabel; Kernpunkt der Anstalt die Versammlung als Rat der gesellschaftlich relevanten Kräfte, der in seinen Kontrollmöglichkeiten durch die Landesregierung eingeschränkt wird, die faktisch allein über die Zulassung eines Interessenten als Programmund/oder Diensteanbieters entscheidet; private und privatwirtschaftliche Programmund/oder Diensteträgerschaft möglich, zu der die Landesregierung zuläßt und die die Versammlung kontrolliert; ebenfalls möglich kommunale Diensteträgerschaft; Wirtschaftswerbung zugelassen München — privatrechtliche Betriebsgesellschaft (Münchner Pilotgesellschaft für Kabelkommunikation GmbH), die auf der Basis eines Gesellschafts-und Grundvertrags die Programm-, Dienste-und Pay TV-Verteilung organisiert; Träger der Betriebsgesellschaft:

Freistaat Bayern (20%); die Interessengemeinschaft Neue Medien GmbH (20%); die Bayern Tele GmbH (10%); die Mediengesellschaft Bayerische Tageszeitungen GmbH (10%); die Industrie-, Handels-und Handwerkskammer Oberbayern und München (10%); die Landes-hauptstadt München (10%); der Bayerische Rundfunk (10%); das ZDF (10%); die in das Kabelnetz eingespeisten Fernsehprogramme müssen nach Art. Illa der bayerischen Verfassung öffentlich-rechtlich kontrolliert sein — zuständig für diese Programme sind daher BR und ZDF, die auch für die Kontrolle ausländischer Programme kompetent sind; Dienste und Pay TV stehen vorbehaltslos privatwirtschaftlicher Nutzung offen; wichtige Klausel im Vertragswerk: auch privatwirtschaftliche Interessenten haben die Möglichkeit, sich „innovatorisch" an der Trägerschaft von eigenverantwortlich gestalteten Fernsehprogrammen zu beteiligen; Wirtschaftswerbung ist zugelassen. 2. Anbieter Entsprechend den Bedingungen, die die Organisationsform vorgibt, stehen bisher die folgenden Anbieter — aufgeschlüsselt nach den Bereichen „Programm'1 und „Dienste" — fest:

Dortmund — Programme: inländische Rundfunkanstalten Dienste: inländische Rundfunkanstalten (Kabeltextverteildienst von WDR und ZDF)

Abruf-und Individualabrufprogramme: inländische Rundfunkanstalten Offener Kanal: Bürgersendungen Für die Dienste der Stadt Dortmund und die Anrufprogramme wird ein (schmalbandiger, das Telefonnetz nutzender) Rückkanal eingerichtet. Ludwigshafen — Programme: inländische Rundfunkanstalten ausländische Rundfunkanstalten Erste Private Fernsehgesellschaft mbH/EPF (Rheinpfalz-Verlag, Neue Medien GmbH-BDZV) Programmgesellschaft für Kabel-und Satellitenkommunikation/PKS (Deutscher Raiffeisenverband, Verband der Gewerblichen Waren-und Dienstleistungsgesellschaften, REWE, EDEKA etc.)

Pilot-Medien GmbH (Landesvereinigung der Unternehmerverbände, DIHT, BDI, BDA, BASF etc.)

das Unternehmen Aargus/Hamburg die Agentur Markt + Meinung die Sportprogrammgesellschaft ROFA Apollo Film Tristar Funk-und Fernsehgesellschaft mbH Bertelsmann Allgemeine Audiovisionsgesellschaft mbH Verlag Frankfurter Allgemeine Zeitung Warner Amex/USA Beta Film (über PKS) Landessportbund Rheinland-Pfalz Deutsche Lesegesellschaft e. V.

German Television News GmbH Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Forschung in der Medizin GmbH Landesaktionsgemeinschaft Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz ProTV Programm-und Dienstleistungsgesellschaft mbH Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Landes-verband Rheinland-Pfalz e. V.

Verlag Internationales Gesundheitswesen Dienste: Erste Private Fernsehgesellschaft mbH (Kabeltextverteildienst)

Stadt Ludwigshafen (Informationsdienst) Offener Kanal: Bürgersendungen München — Programme: inländische Rundfunkanstalten ausländische Rundfunkanstalten Interessengemeinschaft Neue Medien GmbH Bayern Tele GmbH Mediengesellschaft Bayerischer Tageszeitungen mbH Bertelsmann Holtzbrink Tristar Funk-und Fernsehgesellschaft mbH ROFA Schallplattenverlag „Rüssel" (Otto Waalkes) Dienste: Bayern Tele GmbH (Teleschriftformen) Landeshauptstadt München (Informationsdienst) Wie der für das Münchner Projekt vorgesehene Rückkanal genutzt wird, ist noch nicht geklärt; ebenso wenig geklärt ist die Einrichtung von Pay TV-Möglichkeiten. 3. Kosten der Projekte für drei Jahre Dortmund 90 Mio. DM (ohne die Kosten für den Kabeltext-Verteildienst und die Abrufprogramme) Deckung: 35 Mio. DM von den 140 Mio. DM, die aus der Erhöhung der Rundfunkgebühr zum 1. 7. 1983 für die vier Pilotprojekte abgezweigt werden (nach dem Beschluß der Ministerpräsidenten der Bundesländer von 1980) 2, 7 Mio. DM Investitionszuschuß des Landes Nordrhein-Westfalen ? weitere Landeszuschüsse ? Teilnehmergebühren (vorgesehen sind 10 000 Kabelhaushalte)

Ludwigshafen 45— 55 Mio. DM Deckung: 35 Mio. DM aus der Erhöhung der Rundfunkgebühren (s. o.)

10 Mio. DM Grundgebühren der Teilnehmer (vorgesehen sind 30 000 Kabelhaushalte)

5, 5 Mio. DM Benutzergebühren/Abgaben der Programm-und Diensteveranstalter 2, 8 Mio. DM Landeshaushaltsmittel München — bisher keine präzise Kalkulation veröffentlicht; die Kosten dürften sich auf der Höhe der Aufwendungen für das Ludwigshafener Projekt einpendeln Deckung: 35 Mio. DM aus der Erhöhung der Rundfunkgebühren (s. o.)

? Teilnehmergebühren (vorgesehen sind 10 000 Haushalte — Grundgebühr je Teilnehmer ca. DM 20, —)

? Benutzergebühren/Abgaben der Programm-und Diensteveranstalter ? Landeshaushaltsmittel In den für Dortmund, Ludwigshafen und München genannten Kosten sind nicht die Netzkosten berücksichtigt, die die Bundespost — als „Trägerin" der Netzhoheit — aufzubringen hat. Zu berücksichtigen ist ferner, daß in den Aufwendungen für die Projekte Ludwigshafen und München keine Programm-und Dienstekosten enthalten sind, da diese zu Lasten der Veranstalter gehen (in Dortmund sind diese Kosten von den Projektorganisatoren WDR und ZDF zu tragen). 4, Teilnehmeraufwendungen Da für diese Aufwendungen bisher keine genauen und für die einzelnen Projektorte verbindlichen Angaben vorliegen, sind die folgenden Daten als orientierende Richtwerte zu betrachten.

Anschlußgebühr an die Bundespost (inklusive Kosten für Konverter):

einmalig pro Wohneinheit 400— 600 DM Umbaukosten pro Wohneinhei Teilnehmeraufwendungen Da für diese Aufwendungen bisher keine genauen und für die einzelnen Projektorte verbindlichen Angaben vorliegen, sind die folgenden Daten als orientierende Richtwerte zu betrachten.

Anschlußgebühr an die Bundespost (inklusive Kosten für Konverter):

einmalig pro Wohneinheit 400— 600 DM Umbaukosten pro Wohneinheit 300DM monatliche Gebühr an die Bundespost für die Kabelbenutzung 6— 9 DM monatliche Rundfunkgebühr 16, 25 DM monatliche Grundgebühr an die Betriebsgesellschaft, Anstalt etc., die in den Projekten die Übertragung der Programme und Dienste organisiert 20 *D) M monatliche Gebühr für Pay TV an die jeweiligen Programm-und Filmeanbieter 30 DM ) 3). monatliche Gebühr für Informations-, Abrufund/oder Dialogdienste 30 ) *D*M Kosten für ein TV-Gerät, das mehr als 12 Programme empfangen kann 3 000 DM Kosten für Zusatzgeräte zum Empfang von Pay TV und Kabeldiensten (Rückkanal!), der — wenn er wie in Dortmund über das Telefonnetz geht — auch Telefongebühren erfordert 3 000 DM

Angesichts — des aktuellen Standes der Kabelpilotprojekte, die weit von jeder „Rückholbarkeit" entfernt sind; — der wirksam verankerten ökonomischen und administrativen (vor allem bundespostalischen) Interessen, die klarerweise über die Grenzen der Projektorte hinausreichen (siehe dazu die Verkabelungsstrategie der Bundespost, die bundesweit orientiert ist und betrieben wird) 4); — der nachhaltigen Unterstützung, die insbesondere die Projekte Ludwigshafen und München durch die Landtagsberatungen über ein baden-württembergisches bzw. ein niedersächsisches Landesmediengesetz erhalten, ist offensichtlich, daß sich das Kabelfernsehen in den kommenden Jahren auch in der Bundesrepublik durchsetzen wird. Wie die Situation des Kabelfernsehens in anderen westeuropäischen Ländern aussieht, soll im folgenden Kapitel gezeigt werden.

III. Einige Hinweise zur Entwicklung des Kabelfernsehens in Westeuropa

3. Netz-und Rundfunk(programm) kompetenz in westeuropäischen Staaten Netz-kompetenz

Gemessen an einigen westeuropäischen Ländern ist die Bundesrepublik in Sachen . Breitbandverkabelung" zweifellos ein Nachzügler. In diesen Staaten haben Planung und Organisation von Kabelfernsehen inzwischen einen wichtigen Platz eingenommen. Die anschließende Darstellung bezieht sich auf elf Länder und hat die Aufgabe, einen knappen Überblick über Stand und Perspektive des westeuropäischen Kabelfernsehens zu geben. Die Verbreitung des Kabelfernsehens hat in den hier angesprochenen Ländern 1982 das folgende Ausmaß erreicht (vgl. Übersicht 1).

Wie Übersicht 2 zeigt, soll sich der Prozentsatz der Kabelfernsehanschlüsse bis 1987 entscheidend vergrößern — vor allem in Luxemburg und Schweden.

Um die Planung und die Organisation des westeuropäischen Kabelfernsehens adäquat einschätzen zu können, ist als nächstes zu klären, von Welchen gesetzlichen Regulierungen die KTV-Einrichtung auszugehen hat. Für den vorliegenden Zusammenhang ist dabei von wesentlicher Bedeutung, auf welche Bestimmungen der Netz-und Rundfunkfprogramm) kompetenz sich das Kabelfernsehen beziehen muß und ob diese Kompetenz bisher — also im Hinblick, auf das „konventionelle“ Fernsehsystem — im Rahmen eines gesetz-lieh fixierten „Monopols" betrieben wird. Die folgende Aufstellung gibt darüber Auskunft und zeigt, woran sich das Kabelfernsehen bei der Rundfunkversorgung (Kabeldienste siehe später) zu orientieren hat. Die Organisation des Kabelfernsehens hat sich in den meisten westeuropäischen Ländern demnach nach zweierlei zu richten:

— nach dem Netzmonopol der jeweiligen Post-und Fernsehmeldebehörde, das allerdings per Lizenzvergabe an kommunale und/oder private, privatwirtschaftliche Träger „aufgeweicht" werden kann (Großbritannien!); — nach dem Rundfunkmonopol, das durch Gesetz staatlichen, öffentlichen („öffentlichrechtlichen") und privaten Trägern zugewiesen ist.

Beide Tatbestände haben einschneidende Konsequenzen für die Organisationsform des Kabelfernsehens, für dessen Netz-und Programmorganisation. Zunächst zur Netzorganisation: In den hier angesprochenen Ländern werden die Kabelanlagen durchweg (Ausnahme: Großbritannien) von der jeweiligen Post-und Fernmeldebehörde oder von einem — durch diese Behörde beauftragten — Kabel-unternehmen eingerichtet. Die Anlagen selbst werden durch Träger betrieben, die per Lizenzierung durch die Post-und Fernmeldebehörde dazu ermächtigt worden sind (vorausgesetzt, die Post-und Fernmeldebehörde ist nicht selber am Betreiben einer Kabelanlage interessiert). Die Träger rekrutieren sich zumeist aus kommunalen Verwaltungen, Stiftungen und kommerziellen Unternehmen, die im Hinblick auf die — von ihnen vorgenommene — Programmübertragung an die geltenden rundfunkgesetzlichen Bestimmungen (beispielsweise „inländisches Rundfunkmonopol") gebunden sind. In den westeuropäischen Ländern sind zur Zeit die folgenden cable operators auszumachen:

Belgien — Gemeinden, kommunale Zusammenschlüsse, kommerzielle Kabelgesellschaften wie Coditel und Radiopublic (Philips); keine staatliche Fach-oder Rechtsaufsicht für den Bereich der Programmübertragung;

Dänemark — STOFA (50 % bei Cox Cable, Atlanta/USA), Philips, Pro-CATV, Siemens, Sveistrup und weitere kleinere Kabelgesellschaften; staatlich-postalische Kontrolle;

Finnland — die kommerzielle Gesellschaft Helsinki TV Company; in Finnland gibt es bisher keine gesetzlich vorgegebenen „Anhaltspunkte" für cable operators;

Frankreich — Tldiffusion de France (TDF), PTT, kommunale Verwaltungen, private Gesellschaften; unter staatlicher Kontrolle und staatlichem Rundfunkmonopol;

Großbritannien — Rediffusion, Visionhire, Telefusion, Radio Rentals, Philips — kommerzielle Unternehmen unter staatlich-postalischer Kontrolle; dazu kommt noch die britische Post, British Telecom, als Kabelnetzbetreiber; Luxemburg — Eltrona, Coditel und lokale Verwaltungen; Orientierung auf das luxemburgische Rundfunkmonopol, das per Regierungskonzession an die privatwirtschaftliche Compagnie Luxembourgeoise de Tldiffusion (CLT) vergeben ist;

Niederlande — rund 30 non-kommerzielle Organisationen (Gemeindeverwaltungen, lokale Kabelgesellschaften, Stiftungen);

Norwegen — Janco Electronics, Odd Rygh, Kabel-TV Rogaland, Grenland Kabel-TV, Elverum Kabel-TV, Trondheim Antenne-systemer, Sunnhordland Elektro; staatliche Kontrolle (über das Erziehungsministerium) und unter norwegischem Rundfunkmonopol; Österreich — Philips (Telekabel), Siemens, Gemeindebehörden; unter staatlich-postalischer Kontrolle und österreichischem Rundfunkmonopol; Schweden — Gemeindeverwaltungen;

Schweiz — Rediffusion, Telesystemes, Coditel, Telecommunal und eine Reihe kleinerer (kommerzieller) Unternehmen; staatliche und kommunale Kontrolle, Orientierung am schweizerischen Rundfunkmonopol.

Diese cable operators müssen durchweg pro Kabelanschluß Lizenzgebühren an die Post-und Fernmeldebehörde und/oder kommunale Verwaltungen zahlen: beispielsweise in Österreich monatlich zwei Schillinge pro Anschluß und übertragenem Programm; in Dänemark eine einmalige Zahlung von 30 Kronen (3, 46 US-Dollar) pro Anschluß. Damit wird ein wesentlicher Teil der Netzinstallationskosten gedeckt (es ist klar, daß die cable operators die Lizenzgebühren auf die „Kabel-Kunden" abwälzen, die darüber hinaus an der Netzfinanzierung auch mit einem Teil ihres Kabelbenutzungsbeitrags beteiligt sind — siehe dazu weiter unten). Die Installationskosten betragen in den meisten westeuropäischen Ländern 15 000 bis 25 000 US-Dollar pro km Kabelverlegung und 250 bis 600 US-Dollar pro Kabelanschluß. (Es geht hierbei um die Verlegung von Kupferkoaxialkabeln; Experimente mit Glasfasern [fiber optics] werden zur Zeit in Frankreich, Großbritannien, Schweden und in der Schweiz vorgenommen.) über die Stationen der cable operators werden entsprechend der rundfunkgesetzlichen Bestimmungen einerseits die inländischen, andererseits jene ausländischen Programme übertragen, die von der jeweiligen Kabelstation drahtlos empfangen werden können. Dazu kommen noch spezielle Veranstaltungen (Pay TV) und interaktive Dienste, die allerdings von Ort zu Ort sowohl in ihrem Ausmaß wie in ihrer Organisationsform variieren. Eine vergleichende Betrachtung der westeuropäischen Länder ergibt hierzu das folgende Bild (die Details sind in einer Übersicht zusammengestellt): Für den Empfang dieser Programme und Dienste müssen die Kabelteilnehmer eine Reihe von Gebühren bezahlen.

IV. Zur Organisationsform des Kabelfernsehens in der Bundesrepublik: Zwischen „öffentlicher" und „privater" Orientierung

4. Programm-und Diensteangebot westeuropäischer cable operators 1982

Gerade die Hinweise auf die Situation des Kabelfernsehens in Westeuropa machen zweierlei deutlich:

— Sie zeigen erstens, daß die. bundesdeutsche Entwicklung des Kabelfernsehens nicht zuletzt durch den Druck entscheidend (mit) vorangetrieben wird, der vom bereits vorhandenen oder zügig fortschreitenden KTV-Ausbau im westeuropäischen Umfeld ausgeht. In den meisten Prognosen wird angenommen, daß in Westeuropa 1987 rund 42 Mio. Breitbandanschlüsse verlegt sein werden, davon angeblich 15 Mio. in der Bundesrepublik. — Jene Hinweise zeigen zweitens, daß die für die westeuropäischen Länder festgestellte rasante Entwicklungsdynamik in Sachen „Kabelfernsehen" insofern als „Wildwuchs" stattfindet, als ein (ordnungs-) politisches Konzept durchweg fehlt, aufgrund dessen die Kabelfernseh-Technik im Hinblick auf ihre Kommunikationsmöglichkeiten und im Interesse der Kommunikationsbedürfnisse der Bevölkerung systematisch organisiert werden. Letzteres bezieht sich sowohl auf die Netzeinrichtung („Aufweichung“ des Postmonopols) und das Programm-und Diensteangebot („öffentliB ches" Rundfunkmonopol, privatwirtschaftliche Veranstalterkonkurrenz, Widerstreit zwischen inländischen und ordnungspolitisch unterschiedlich strukturierten ausländischen Programmen) wie auch und gerade auf die Konsequenzen, die die über das Kabelfernsehen initiierten Veränderungen für die jeweilige inländische Medienorganisation insgesamt bringen werden.

Für die bundesdeutsche Entwicklung des Kabelfernsehens sollten gerade aus dem letztgenannten Punkt solche Schlußfolgerungen gezogen und vor allem in der Auseinandersetzung um die Kabelpilotprojekte berücksichtigt werden, die eine anarchische Expansion dieser Technik und ihrer kommunikativen Möglichkeiten weitgehend ausschließen. In drei Punkten zusammengefaßt heißt das: — Die Einrichtung der Breitband-Technik sollte unter dem strikt durchgehaltenen Netz-monopol der Bundespost erfolgen. Da es hier um eine gesamtgesellschaftlich wichtige Infrastrukturmaßnahme geht, sollte dieses Monopol möglichst nicht durch eine gezielte, auf privatwirtschaftliche Träger ausgerichtete Linzenzierungspolitik der Post ausgehöhlt werden. Das würde nicht nur der systematischen Planung und Organisation der Technik zugute kommen, sondern auch die Aufrechterhaltung des — mit dem Postmonopol verbundenen — Prinzips der Netzneutralität begünstigen. In verschiedenen westeuropäischen Ländern hat sich beispielsweise klar gezeigt, daß zumeist die Unternehmen an einer Netzträgerschaft interessiert sind, die einer Programmträgerschaft ebenfalls nicht abgeneigt sind.

— Bei den über Kabel verteilten Fernsehprogrammen sollte an der verfassungsrechtlichen Verbürgung des Rundfunks als „öffentlichem Gut" festgehalten werden. Das bedeutet, daß für alle----auch die unter privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten produzierten — Fernsehprogramme eine Kontrolle durch öffentlich-rechtliche Anstalten, entweder durch die bereits vorhandenen Funkanstalten oder durch eigenständige Anstalten, gelten. Hierbei sollte eine Mitgliedschaft von Veranstaltern im öffentlich-rechtlichen Kontrollgremium untersagt sein (siehe als Negativ-Beispiel die „Versammlung" der Anstalt für Kabelkommunikation im Projekt „Ludwigshafen"). — Die Aktivitäten der privat(wirtschaftlich) en Programm-und Diensteanbieter sollten in zweierlei Hinsicht ermöglicht werden: einmal dahingehend, daß — wie unter Abschnitt II gesagt — diese Veranstalter unter Kontrolle von öffentlich-rechtlichen Anstalten (und unter Beachtung der Situation der Lokalpresse) eigenproduzierte Programme in das Kabelnetz einspeisen können (siehe als Negativ-Beispiel die im Münchner Projekt als „Innovationsklausel" ausgegebene Regelung, nach der privatwirtschaftliche Programmanbieter ohne öffentlich-rechtliche Kontrolle tätig werden können); zum anderen dahingehend, daß jene Veranstalter die Möglichkeit haben, eigenverantwortlich, aber in Beratung mit den vorhandenen Funkanstalten und der Lokalpresse Pay TV und sonstige (interaktive) Dienste anzubieten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. M. Schmidbauer, Kabelfernsehen in der Bundesrepublik Deutschland, München 1982-, M. Schmidbauer/P. Löhr, Die Kabelpilotprojekte in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, München 1983. Als weitere Texte sind zu empfehlen: Ordnungspolitischer Rahmen zur Nutzung der neuen Kommunikationstechniken — Synopse, Stand: 5. Mai 1983, in: Media Perspektiven, (1983) 7, S. 513 ff.; K. Schrape, ökonomische Perspektiven der Medienentwicklung, in: Media Perspektiven, (1983) 8, S. 533 ff.; H. Kubicek, Soziale Folgen der Verkabelung, in: Medium, (1983) 9, S. 4ff.

  2. Vgl. dazu vor allem M. Schmidbauer/P. Löhr, a. a. O. (Anm. 1).

  3. Vgl. hierzu den Aufbau des „Breitbandigen Integrierten Glasfaser-Fernmeldeortsnetzes (BIGFON)“, in dem das Kabelfernsehen mit zahlreichen anderen Diensten zusammengefaßt werden kann. Die Einrichtung von BIGFON erfolgt nach dem Prinzip einer bundesweit-flächendeckenden Verkabelung.

  4. Vgl. LINK Corporation, CATV and Satellites in Europe, New York 1982.

  5. Hier ist eine geringe Quote von Anschlüssen an Großgemeinschaftsantennen (Master Antenna-TV/MATV) eingeschlossen.

Weitere Inhalte

Michael Schmidbauer, Dr. phil., geb. am 8. 5. 1940; Studium der Psychologie und Soziologie in München; Leiter des Instituts für Telekommunikation in München. Veröffentlichungen u. a.: Kabelfernsehen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Interessen von Wirtschaft, Politik und Publikum, München 1982; (zus. mit Paul Löhr), Die Kabelpilotprojekte in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, München 1983; Das Satellitenfernsehen für die Bundesrepublik Deutschland. Bedingungen und Möglichkeiten des Direktfernsehens via Satellit, Berlin 1983.