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Drähte, die die Welt umspannen: die Nachrichtenagenturen | APuZ 45/1983 | bpb.de

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APuZ 45/1983 Artikel 1 Kabelfernsehen in der Bundesrepublik und in anderen westeuropäischen Ländern „Kabel-Demokratie" -der Weg zur Informationskultur Drähte, die die Welt umspannen: die Nachrichtenagenturen

Drähte, die die Welt umspannen: die Nachrichtenagenturen

Hermann Meyn

/ 32 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Informationen, die von Nachrichtenagenturen verbreitet werden, sind nicht so objektiv, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Auch auf dem Markt der Nachrichten spielen politische und wirtschaftliche Gründe und Abhängigkeiten eine Rolle. Nachrichten sind Waren, die verkauft werden, je nach politischem System mit kommerziellen oder politischen Absichten. Dies erklärt auch, warum bestimmte Regionen selbst heute noch — nachrichtenmäßig betrachtet — weiße Flecken sind, Gebiete, die das weltweite Netz der Weltagenturen nicht erfaßt. Andernorts leidet man wiederum unter dem Nachrichtenüberfluß, an der „Nachrichtenverschmutzung", die beispielsweise dadurch entsteht, daß Agenturen auch dann noch über die Ausführungen eines Politikers berichten, wenn diese lediglich Wiederholungen früherer Darlegungen sind. Auf dem Nachrichtenmarkt der Bundesrepublik wirkt sich natürlich die Möglichkeit, daß einzelne Kunden von Agenturen das täglich eingehende Material aller Dienste miteinander vergleichen können, außerordentlich positiv für den Endverbraucher aus. Zum einen wird sich aufgrund des Konkurrenzdrucks jede Agentur davor hüten, in den Geruch der Parteilichkeit und Manipulation zu geraten. Zum anderen zwingen die Vergleichsmöglichkeiten die Nachrichtendienste zu höchster Aktualität So sorgt in einem hohen Ausmaß der Satz „Die Konkurrenz schläft nicht“ bei den Agenturen in der Bundesrepublik dafür, daß die Redaktionen schnell und präzise mit Informationen versorgt werden. Trotz aller Manipulationschancen und Nachrichtendefizite und trotz aller Lücken, die das weltweite Nachrichtennetz hat, ergibt sich so für die Bürger der Bundesrepublik eine insgesamt erfreuliche Schlußbilanz.

Wenn in der Golf-Region oder an der Berliner Mauer Schüsse fallen, wenn der amerikanische Präsident Ronald Reagan eine Pressekonferenz gibt oder an der New Yorker Börse die Kurse nach oben gehen, wenn in Japan ein Jumbo-Jet abstürzt oder in Indien eine Überschwemmungskatastrophe Tausende obdachlos macht — immer weiß fast die ganze Welt kurz nach dem Ereignis, was in anderen Teilen der Welt geschieht. Große Zeitungen und Rundfunkanstalten leisten sich zwar in vielen Hauptstädten ihre eigenen Korrespondenten, doch um das Wichtigste zu erfahren, sind auch sie auf die Nachrichtenagenturen angewiesen, auf jene Einrichtungen also, die den Erdball mit einem fast lückenlosen Netz von Informanten umspannen und auf diese Weise dafür sorgen, daß wir pausenlos global informiert werden.

I. Die Entstehung von Agenturen

Die Abkürzungen der größten Agenturen sind bekannt, seit sich viele Zeitungen angewöhnt haben, die Herkunftsquellen ihrer Meldungen zu nennen: AP steht für Associated Press, UPI für United Press International, AFP für Agence France Presse und dpa für Deutsche Presse-Agentur. Nur eine der ältesten Agenturen der Welt, Reuter, kommt ohne Abkürzung aus und trägt noch heute den Namen ihres Gründers.

Julius Reuter stammte aus Kassel, war ein politisch interessierter junger Mann und kam Mitte des vorigen Jahrhunderts auf die Idee, zwischen Brüssel und Aachen Brieftauben zur schnelleren Übermittlung von Nachrichten einzusetzen. Doch dieser schwunghafte Handel mit Meldungen — es handelte sich vor allem um Börsennotierungen — dauerte nur anderthalb Jahre; dann gab es auch zwischen Brüssel und Aachen eine Telegraphenlinie, die schneller war als Reuters Brieftauben

Der junge Mann aus Kassel ließ sich indes nicht entmutigen. Er ging nach London und gründete dort einen Nachrichtendienst, der rasch zu einem der bedeutendsten des Kontinents aufstieg.

Der Gedanke, mit Nachrichten Geschäfte zu machen und Zeitungen, Börsianer und politische Stellen gleichzeitig mit Meldungen zu beliefern, lag vor rund 150 Jahren sozusagen in der Luft. Damals gründete der französische Kaufmann Charles A. Havas in Paris ein Nachrichtenbüro. In Berlin begann wenig später Dr. Bernhard Wolff mit den Vorbereitungen für den ersten deutschen Nachrichtendienst, der dann unter der Abkürzung WTB — Wolffsches Telegraphenbüro — bekannt wurde und fast 80 Jahre lang auf dem Nachrichtensektor in Deutschland eine Monopolstellung besaß.

Das Tempo der Nachrichtenübermittlung, die Zahl der Informationen, die Dichte des Informationsnetzes haben sich selbstverständlich seit der Mitte des letzten Jahrhunderts grundlegend gewandelt, aber die Kernfrage für die Arbeit der Agenturen: — Was ist überhaupt eine Nachricht? — ist heute noch genau so schwer zu beantworten wie damals.

II. Nachrichten und Meinungen

Der Nestor der Publizistikwissenschaft, Emil Dovifat, der auch noch in jüngeren Dissertationen zitiert wird 2), hat einmal gemeint, Nachrichten seien „Mitteilungen über neue, im Daseinskampf des Einzelnen und der Gesellschaft auftauchende Tatsachen" Nicht so griffig, aber ausführlicher ist da Roger Clausse mit seiner Unterscheidung der aktuellen Information in die vier Kategorien:

1. Informationen von öffentlichem Interesse mit amtlich herausgegebenen sowie anderen allgemein nützlichen Informationen, zum Beispiel Wetterbericht, Polizeimeldungen, Lotto-zahlen, Sportergebnisse, die man auch als Dienstleistungsinformationen bezeichnen kann.

2. Ausführliche Berichterstattung über aktuelle Tatsachen, zum Beispiel Parlamentstagungen und sonstige öffentliche Veranstaltungen. 3. Nachrichten, das heißt Meldungen über regelwidrig auftretende Tatsachen und Ereignisse, die einen Anspruch auf öffentliches Interesse haben und über Massenmedien in die Gesellschaft projiziert werden.

Vermischte Nachrichten, in denen Skandale, Anekdoten und Zwischenfälle eine bedeutende Rolle spielen. Sie sind nicht immer eindeutig von den Nachrichten zu trennen 4). Wissenschaftliche Definitionsversuche des Begriffs „Nachricht" helfen verständlicherweise dem Agenturjournalisten, der vor Ort rasch entscheiden muß, ob etwas berichtenswert ist oder nicht, wenig weiter. Da stellen sich dann recht handfeste praktische Probleme, auf die hier kurz eingegangen werden soll. Public-Relations-Berater werden beispielsweise dafür bezahlt, daß ihnen etwas einfällt, was die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ein Unternehmen, ein Produkt oder eine Person lenkt Muß nun der Agenturjournalist, der den „PR-Gag" durchschaut, trotzdem über das künstlich geschaffene Ereignis berichten? Konkreter: Mußte die Deutsche Presse-Agentur melden, daß Berlins Innensenator zum Anstoß eines Fußballspiels im Olympiastadion mit dem Hubschrauber landete? Oder wie steht es mit der Berichterstattungspflicht über das völlig unnütze Auftreten von Politikern an Unglücksstätten? Helfen könnten sie vom Schreibtisch aus viel besser-, plastische Eindrücke vom Ausmaß der Katastrophe liefert im Zweifelsfalle das Fernsehen, aber in der Spekulation auf die Nachricht vom Erscheinen am Unglücksort, die dazu noch die Betroffenheit und Anteilnahme signalisiert, pflegen Politiker zu Großbränden und Überschwemmungen, Zugzusammenstößen und Flugzeugfehlstarts zu eilen. Und zumeist geht ihre Kalkulation auf: Die Bildreporter zeigen ihn, wie er bestürzt am Tatort agiert; die Nachrichtenagenturjournalisten wiederum melden, welche Polit-Prominenz sich bei welcher Katastrophe ein Stelldichein gab.

Ein banales und zudem fast zwanzig Jahre altes, vom Grundsatz aber immer noch interessantes Beispiel mag veranschaulichen, wie schwierig es für Agenturen ist, darüber zu befinden, was meldenswert ist. Wir entnehmen den Fall einem Aufsatz des Münchner Publizistikwissenschaftlers Otto B. Roegele in der Fachzeitschrift „Publizistik". Darin heißt es: „Am 25. Juni 1964 um 22. 30 Uhr wandelten zwei Berlinerinnen von 20 und 22 Jahren zwischen Knesebeck-und Bleibtreustraße und wurden dabei von einem Bildjournalisten des . Stern in einer Bekleidung photographiert, für die sich die Bezeichnung . Oben ohne'eingebürgert hat. Weitere Aufnahmen wurden anschließend in der Bar , Eden Saloon gemacht Es kam zu einer Strafanzeige gegen die beiden Photomodelle, den Bildjournalisten und einen anderen Mitwirkenden. Mitte Oktober gab die Justizpressestelle Berlin kund, daß das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden sei. Die Einzelheiten, die bei der Untersuchung bekannt wurden, machten das ganze, im Grunde eher komische Unternehmen überhaupt erst interessant. Es stellte sich nämlich heraus, daß die beiden Damen im . topless-Abendkleid'in Wirklichkeit eigentB lieh gar nicht existiert hatten, sondern für diesen Zweck . gestellt'worden waren. Die Idee war von dem Bildjournalisten ausgegangen, die Kleider waren für diesen Zweck durch Umarbeiten normaler Abendkleider in einem Modehaus in der Uhlandstraße eigens hergerichtet worden. Auch waren sie nicht eigentlich . Oben ohne', sondern wurden so eingerichtet, daß sie, durch Ablegen eines Überkleids, jeweils nur für die paar Sekunden der Aufnahmen dergestalt verwandelt wurden ... Das Ereignis, das hier geschaffen wurde, entbehrt jeder öffentlichen Bedeutung." Und dennoch verfehlte die gestellte Szene ihre Wirkung nicht, weil Deutschlands größte Illustrierte Neues aus Berlin berichten konnte, das Nachahmung fand. Zu welchem Zeitpunkt mußte nun eine Nachrichtenagentur, die nicht nur an die gestrenge Politik, sondern auch an die bunten Seiten der Zeitungen zu denken hat, das Thema aufgreifen? Daß es eine Top-Meldung gewesen wäre, wenn dpa gleich nach der Veröffentlichung im „Stern" den Schwindel aufgedeckt hätte — keine Frage, aber soviel Zeit zum eigenständigen Recherchieren bleibt den meisten Agenturjournalisten nicht, weil sie mit der Wahrnehmung von Pressekonferenzen aller Art terminlich zugedeckt werden.

In einer Sendung des RIAS über Nachrichtenagenturen hat der Berliner dpa-Korrespondent Thomas Spieker beklagt, daß die Zeit zum Nachrecherchieren zumeist zu kurz ist. Und er hat als sein Auswahlprinzip über Berichtenswertes die Maxime formuliert, mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Wünsche der Kunden berichte er auch dann über die Pressekonferenz eines Politikers, wenn er den Eindruck habe, daß eigentlich nichts Neues gesagt worden sei. Solche Situationen häufen sich naturgemäß in Wahlzeiten. Dazu Spiekers Kommentar im RIAS: „Man muß versuchen, ausgewogen zu berichten. Ehe ich jemanden ganz unterschlage, denke ich, ich muß das halbwegs informativ anbieten, was der Politiker gesagt hat, sonst gerät man in Versuchung, den einen oder anderen häufiger zu schneiden ,"

Die genannten Beispiele sollten zeigen: Nachrichten können im Extremfall von PR-Experten arrangierte Ereignisse sein; sie können unter Ausgewogenheitsgesichtspunkten zustande kommen und auf den individuellen Wünschen der Abnehmer beruhen. Das hehre Prinzip von der allgemeinen Bedeutung einer Information für die Öffentlichkeit steht nur in den Lehrbüchern und deckt sich nicht mit der Praxis.

Eher praktische als theoretische Probleme bereitet schließlich auch die Trennung der Nachricht von der Meinung — eine Forderung, die grundsätzlich an alle Nachrichtenagenturen gestellt wird.

Die Agenturen sollen objektiv berichten. Dieser Begriff ist so alt wie umstritten, so schillernd wie begehrt; er hat unlängst noch Günter Bentele und Robert Ruoff zu einem Sammelband unter dem Titel „Wie objektiv sind unsere Medien?“ animiert, in dem Wissenschaftler und Journalisten zu Wort kommen. Der Göttinger Kommunikationswissenschaftler Jörg Aufermann hat in dieser Aufsatz-sammlung vier Bestimmungselemente des Begriffs der journalistischen Objektivität entwickelt: 1. Sachlichkeit, 2. Überparteilichkeit, 3. Trennung von Nachricht und Kommentar, 4. nicht-manipulative, an professionell objektivierbaren Kriterien orientierte Nachrichten-auswahl

So nützlich solche Umschreibungen auch sind, bei den Praktikern stoßen sie allemal auf Ablehnung — auch in dieser Aufsatzsammlung: Franz Alt nennt „Objektivität" schlicht eine „Schimäre", und fährt fort: „Die typisch deutsche Sucht nach . Objektivität'ist die typisch deutsche Sucht nach Päpsten, die Wahrheiten vermitteln. Es gibt in Politik und Wirtschaft aber selten die Wahrheit, es gibt fast immer Wahrheiten: linke und rechte, konservative und liberale, Gewerkschaftswahrheiten und Unternehmerwahrheiten und viele, viele Wahrheiten dazwischen. Das entspricht eine? freien und pluralistischen Gesellschaft. . Objektiv'kann — vielleicht — ein Journalist sein, der fürs . Neue Deutschland'schreibt. Da gibt es nur eine Wahrheit." Und der NDR-Redakteur Johann-Henrich Wichmann urteilt: „Objektivität im Journalismus kann es gar nicht geben. Sie ist eine Fiktion.“

Zuzugeben ist den Praktikern, daß es die Wahrheit sicherlich nicht gibt; nachdrücklich widersprochen werden aber muß der Unterstellung, die Forderung nach Objektivität sei sozusagen eine Erfindung der Wissenschaftler. Fast alle Rundfunkgesetze fordern beispielsweise mehr oder minder expressis verbis, daß die Nachrichtengebung objektiv sein soll. Das paßt gewiß nicht für Franz Alt, paßt also nicht für Magazinjournalismus, aber der Verzicht auf das Objektivitätsgebot für Nachrichtenübermittlung würde natürlich sofort die Frage nach anderen, nach besseren und überzeugenderen Kriterien aufwerfen. Sie sind nirgends in Sicht, was nicht heißen soll, daß es in der praktischen journalistischen Arbeit unendlich viel Mühe macht, sich der Objektivitätsforderung anzunähern. Der „Tagesschaü'-Redakteur Michael Abend hat aufgrund eigener Erfahrungen über diese Problematik anhand von konkreten Beispielen in der schon genannten Aufsatzsammlung von Bentele und Ruoff berichtet und sie in den vier Kernthesen zusammengefaßt:

„ 1. Die Vielschichtigkeit eines Themas begrenzt oft den Objektivitätsanspruch darauf, nichts Falsches zu berichten" (Beispiel: Ein Drei-Minuten-Bericht über eine achtstündige Wirtschaftsdebatte im Bundestag).

„ 2. Produktionszwänge und Zeitnot erschweren mitunter die objektive, abgewogene Berichterstattung.“ „ 3. Der Objektivitätsanspruch kann sich häufig nur auf die differenzierte Wiedergabe der Nachrichtenlage, nicht aber auf das Geschehen selbst beziehen" (Beispiel: Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan).

„ 4. Objektivität heißt auch, hinter die Kulissen blicken, Interessen aufdecken und benen-nen, Gesagtes und Geschehenes relativieren."

Gerade für die zuletzt erwähnte These hat Abend ein schönes Beispiel parat, das zeigt, wie unterschiedlich der Objektivitätsbegriff interpretiert wird. Abend schreibt: „Das Präsidium der Kieler Universität wies auf einer Pressekonferenz die Vorwürfe zurück, daß an der Universitäts-Kinderklinik mißbräuchlich Medikamente an Kindern erprobt worden seien. Der Kieler Tagesschau-Reporter verband diese Aussage mit anderslautenden Informationen verschiedener Agenturen sowie mit Recherchen — Ergebnissen des , Stern'. Prompt kam fernschriftlich aus Kiel der Vorwurf, der Reporter habe die Pressekonferenz skeptisch bis negativ kommentiert und einen Werbehinweis auf den noch nicht erschienenen . Stern'gebracht. Dabei hatte er nichts anderes getan, als entsprechend seiner Pflicht zu objektiver, sachlicher, ausgewogener Berichterstattung alle ihm zugänglichen, sich teils widersprechenden Informationen zusammenzutragen und gegenüberzustellen. Dem Beschwerdeführer blieb verborgen, daß Gegenstand der Berichterstattung nicht der offizielle Anlaß (Pressekonferenz), sondern das Thema (Kinderversuche ja oder nein) sein mußte. Daß die Beschränkung auf die Pressekonferenz und das Verschweigen der gegenteiligen, belegbaren Informationen einseitige Berichterstattung, Nachrichtenverfälschung und Manipulation gewesen wäre. Gibt es ein besseres Beispiel für jenes fatale Mißverständnis, daß der Journalist nur das offiziell Verlautbarte wiederzugeben habe? Da ist sie wieder, die verschobene Ebene: Objektivität richtet sich nach dieser Auffassung nicht auf das, was tatsächlich geschehen ist, sondern auf das, was darüber behauptet wird. Der Journalist als Sprachrohr der Mächtigen." Wenn es, abgesehen von den Hörfunk-und Fernsehnachrichten, überhaupt eine publizistische Institution gibt, von der Objektivität erwartet wird, dann sind es die Nachrichtenagenturen. Und diese Erwartung bezieht sich nicht allein auf die Auswahl des Berichtenswerten, sondern auch auf den sprachlichen Ausdruck. Um ein schlichtes Beispiel zu nennen: Normalerweise wird sich eine Agentur hüten, einen Politiker etwas „behaupten" zu lassen — damit brächte ja die Agentur unterschwellig zum Ausdruck, daß sie Zweifel an der Richtigkeit einer Aussage hat, und diese Zweifel wird sie in der Regel nur äußern, wenn die „Gegenbehauptung" praktisch schon vorliegt.

Im sprachlichen Ausdruck, in Benennungen beispielsweise, spiegeln sich natürlich auch Bewußtseinsveränderungen. In den fünfziger Jahren war es gang und gäbe, von der „SBZ“, der sowjetisch besetzten Zone, zu reden; in den sechziger Jahren gab es einige, die sich als Kommunismus-Sympathisanten kritisieren lassen mußten, weil sie von der „DDR" sprachen. Und heute wird jemand, der sich in der „Zone" aufgehalten hat, als „Kalter Krieger" eingestuft. Agenturen pflegen in solchen Fällen mit den breiten Meinungsströmungen mitzuschwimmen, vollziehen sprachlich nach, was bei Mehrheiten üblich geworden ist.

III. Die Vormachtstellung von dpa

Die Bedeutung, die dem Problem der meinungsfreien und möglichst objektiven Nachrichtenübermittlung in medienpolitischen Diskussionen in der Bundesrepublik im Zusammenhang mit der Arbeit von Nachrichtenagenturen beigemessen wird, hängt natürlich vor allem mit der überragenden Stellung der Deutschen Presse-Agentur auf dem bundesdeutschen Nachrichtenmarkt zusammen. Zwei Zahlen mögen genügen, um diese Situation zu veranschaulichen: Einem Bericht Hansjoachim Höhnes in den „Media Pespektiven“ zufolge verzichteten von den 123 Publizistischen Einheiten 1981 nur zwei auf den dpaDienst, nämlich ein kleines Provinzblatt in Niedersachsen und die neugegründete „taz“, die in Berlin erscheinende „die tageszeitung". Andererseits war damals dpa für 23 Zeitungen die einzige Agentur 14). Diese Monopolstellung ist leicht erklärbar: Keine andere Agentur bietet einen so breiten Nachrichten-strom aus der Region an, der über spezielle Landesdienste zu den Redaktionen fließt.

Monopol-oder Vormachtstellung — das provoziert gleichsam die Frage nach der Unabhängigkeit der Agentur, dpa hat als Rechtsform eine GmbH, in der kein Gesellschafter mehr als 1, 5 Prozent des Gesellschaftskapitals haben darf. Der Anteil aller Rundfunkanstal-ten ist auf Prozent begrenzt. Gesellschafter sind vor allem einzelne Zeitungs-und Zeitschriftenverlage. Im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Agentur urteilt Gert-Walter Minet über diese Konstruktion zusammenfassend: „Mit diesem Statut soll sichergestellt werden, daß die Agentur im Besitz der Massenmedien bleibt und kein Gesellschafter durch Konzentration einen beherrschenden Einfluß auf das Unternehmen ausüben kann. Nimmt man dazu die organisatorische Trennung von Geschäftsführung und redaktioneller Arbeit, die von einem nur dem Aufsichtsrat verantwortlichen Chefredakteur geleitet wird, welcher der Geschäftsführung nebengeordnet ist, so scheint eine Gewähr für die Unabhängigkeit der Nachrichtenarbeit gegeben zu sein.“ 15) 1. Abhängig vom Großkapital?

Genau dies hat Heinz-Willi Gross neuerdings in einer größeren Arbeit über die Deutsche Presse-Agentur in Zweifel gezogen „Die Anteile sind zwar für den einzelnen Verlag auf 1, 5 Prozent begrenzt, aber mehrere zum selben Konzern gehörende Verlage dürfen durchaus als einzelne Anteilseigner auftreten. Damit erweist sich die , 1, 5-Prozent-Hürde'als Formalie, die letztlich dazu führt, daß die großen Verlagsgruppen aufgrund der Vielzahl der ihnen angeschlossenen und mit ihnen kooperierenden Einzelverlage auch die höchsten Anteile am Stammkapital auf sich vereinigen können.“ In seiner weiteren Argumentation verweist Gross auf die Besetzung des Aufsichtsrats, deren Mitglieder sich „mehrheitlich aus den Repräsentanten der dominierenden Tageszeitungsverlage sowie dem verlegerischen Verbandsapparat rekrutieren"

Mit anderen Worten: Ganz so pluralistisch, wie dpa sich selbst gerne sieht und lange Zeit auch von außen gesehen wurde, ist die Eigentums-und Machtstruktur bei dieser Agentur nicht. In ihren Entscheidungsgremien spiegelt sich durchaus etwas wider von dem Übergewicht, das Großverlage in der bundesrepublikanischen Zeitungslandschalt haben. Insoweit ist es verdienstvoll, daß Gross diesen Aspekt einmal hervorgehoben hat. Den nächsten Schritt geht er aber leider in seiner Dissertation nicht: Er müßte auch inhaltsanalytisch belegen, daß die Berichterstattung von dpa zugunsten der Großverlage gestaltet wird. Solange dieser Beleg fehlt, lassen sich zwar aufgrund der Eigentümerstruktur und zumal aus marxistischer Sicht nur Vermutungen anstellen. In einem Spezialfall hat es allerdings Indizien dafür gegeben, daß der Verleger-Besitz an der Agentur auch ihre Berichte beeinflußt; dies geschah während des Druckerstreiks im Jahre 1976. Ansonsten aber reicht es zum Beweis der Abhängigkeit nicht aus, wenn man — wie Gross — darauf hinweist, daß die Gewerkschaften im dpa-Aufsichtsrat nicht vertreten sind. Man kann in diesem Fall nur die Frage stellen: Unterdrückt die Agentur aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im obersten Entscheidungsgremium Meldungen über gewerkschaftliche Aktivitäten? Läßt sie den Vertreter der Arbeitgeberseite unentwegt zu Wort kommen, ohne die Gegenseite zu berücksichtigen? Wie sieht die Berichterstattung ganz allgemein bei Streiks aus? Tauchen in den dpa-Meldungen Aussperrungen als etwas Schönes, Streiks als etwas Schlimmes auf? Antworten auf diese und andere Fragen könnten nachweisen, welche Auswirkungen die Machtverteilung in der Agentur auf ihre Nachrichten hat.

Soviel zu möglichen Abhängigkeiten vom Großkapital. Sollten sie sich bemerkbar machen, gäbe es allerdings Mechanismen, die schnell für eine Korrektur sorgen würden. Angenommen, dpa berichtete zugunsten einer bestimmten Partei. Dann würden mit Sicherheit die zu dieser Partei „in Opposition" stehenden Zeitungen Alarm schlagen. Mit anderen Worten: Selbst wenn entgegen den Statuten bestimmte Gesellschaftergruppen die Agentur auf einen ihnen genehmen Kurs bringen wollten, müßte schon die Furcht vor der Reaktion anderer solche Überlegungen im Keim ersticken. Eine Agentur lebt nun einmal vom Renommee ihrer Unabhängigkeit. Setzt sie die leichtfertig aufs Spiel, spielt sie mit ihrer Existenz. 2. Abhängig vom Staat?

Nicht nur die Abhängigkeit von wirtschaftlichen Machtgruppen, sondern auch die Abhängigkeit von staatlichen Institutionen kann für Nachrichtenagenturen in westlichen Demokratien rufgefährdend sein. Die Deutsche Presse-Agentur schloß 1951 mit der Bundesregierung einen Vertrag über die Lieferung von Nachrichten, in dem es unter anderem hieß: „Die dpa liefert für sie im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes im In-und Ausland erreichbares Nachrichtenmaterial in deutscher Sprache unverzüglich an die Bundesregierung." dpa verpflichtet sich zur Erweiterung des Korrespondentennetzes, während die Bundesregierung im Gegenzug ihre Auslandsvertretungen anweist, „den Ausländskorrespondenten der dpa Unterstützung zur Erlangung von Nachrichten und Informationen auch aus eigenem Material zu gewähren"

Auch späteren Vereinbarungen lag das beiderseitige Interesse zugrunde, im Ausland präsent zu sein. Den ökonomischen Charakter unterstrich der damalige Chefredakteur Fritz Sänger in einem Begleitschreiben zur ersten Vereinbarung an die Leiter der dpaLandesdienste: „Wo in Gesprächen auf diesen Vertrag eingegangen wird, können und sollen Sie seinen Inhalt und sein Prinzip darlegen, nämlich seinen Charakter einer echten kommerziellen Vereinbarung, die Ware bietet und korrekt Bezahlung fordert."

Wie eng sich die Kooperation freilich zuweilen gestaltete, zeigt eine Protokollnotiz zur erwähnten Vereinbarung, in der es heißt: „Die ständige Fühlungnahme der Ausländskorrespondenten der dpa mit den deutschen Auslandsvertretungen kann in besonders gelagerten Fällen auch dazu führen, daß Korrespondenten der dpa zugleich die Aufgabe eines Pressereferenten einer deutschen Auslandsvertretung übernehmen." Daraus folgert Gross zu Recht: „In einem solchen Fall könnte sich dann der dpa-Korrespondent in seiner Eigenschaft als Pressereferent das regierungsoffizielle Material selbst übergeben und es anschließend als . objektive Nachricht'einer . unabhängigen'Nachrichtenagentur verbreiten." Ganz gleich, ob es jemals zu einer solchen Zusammenarbeit kam oder nicht — allein die Tatsache, daß man an solche Personalunionen gedacht und sie im Gegenteil nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat, muß bedenklich stimmen. Schätzungen zufolge machen die Zahlungen der Bundesregierung an dpa im Etat der Agentur mehr als zehn Prozent aus. Wie direkt die Aufrechterhaltung der dpa-Auslandsdienste von der Subventionierung durch Interessierte abhängig ist, zeigte nach Meinung von Gross die Einstellung des französisch-sprachigen Afrika-Dienstes im Jahre 1975. Damals fror die Regierung die Zahlungen an die Agentur in der bisherigen Höhe ein. „Prompt sah sich die dpa gezwungen, die entstandene Finanzlücke von 500 000 DM durch die Einstellung des französisch-sprachigen Dienstes für das frankophone Westafrika auszugleichen. Daß es ausgerechnet diesen Dienst traf, mag wohl daran liegen, daß ein Fortfall der nachrichtlichen Präsenz in dieser Region, von den Auslands-aktivitäten deutscher Konzerne aus gesehen, am ehesten zu verschmerzen war", urteilt Gross

Daß die Einstellung dieses dpa-Dienstes auch unter politischen Aspekten Interesse weckte, und zwar im Konkurrenz-Verhältnis der Bundesrepublik zur DDR, geht im übrigen aus einer Antwort hervor, die damals das Presse-und Informationsamt der Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage des Bundestagsabgeordneten Norbert Blüm gab. In der Antwort hieß es: „Erkenntnisse über die Belieferung der bisherigen Bezieher des französischsprachigen Dienstes von dpa mit Informationsmaterial der Nachrichtenagentur ADN liegen nicht vor. Die sorgfältigen Beobachtungen unserer Auslandvertretungen lassen jedoch die generelle Feststellung zu, daß auch die DDR über keine unbegrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten zur Erweiterung der propagandistischen Auslandsarbeit verfügt. Die DDR wird trotz Ausweitung ihrer Bemühungen wahrscheinlich nicht in der Lage sein, in allen Bereichen tätig zu werden, in denen die Bundesrepublik Deutschland aus finanziellen Gründen ihre bisherige Informationstätigkeit einschränken oder ganz aufgeben muß."

Die Gesamtproblematik eh'er herunterspielend, schreibt Minet über die Beziehungen zwischen dpa und der Bundesregierung: „Der Grundgedanke des Auslandswettbewerbs ist neben kommerziellen Aspekten für die Nachrichtenagentur journalistischer, für die Regierung eher politischer Art. Dieser Unterschied muß bei der Beurteilung der Förderung betont werden. Die politischen Interessen gehen nicht von der Agentur aus. Ihr wird lediglich aus politischen Gründen der Rahmen für die Auslandsarbeit geschaffen, den dpa nach den Grundsätzen ihres Statuts ausfüllt. Dadurch grenzt sie sich von den Staatsagenturen des Ostblocks ab."

Keine Frage, daß TASS oder ADN die Aufgabe haben, im Sinne der herrschenden Partei mit Nachrichten Politik zu machen, eine Aufgabe, die dpa von keiner Bundesregierung zugemutet werden könnte, dpa ist unabhängig von der Bundesregierung — trotz der Finanzmittel, die für Dienste bezahlt werden, und dennoch muß die Kooperation Agentur-Regierung immer wieder kritisch durchleuchtet werden. Das behagt zwar beiden nicht. Das Bundespresseamt pflegt von . Amtsverschwiegenheitsverpflichtungen“ zu reden, wenn es auf dieses Thema angesprochen wird, und dpa spricht vom „Wahren des Geschäftsgeheimnisses“; aber dies kann kein Maßsab sein. Um sich gar nicht erst Verdächtigungen auszusetzen, sollten beide Vertragspartner stets für ein Höchstmaß an Transparenz in ihren Beziehungen zueinander auch gegenüber der Öffentlichkeit sorgen, gerade weil es im Gesellschaftsstatut der Agentur ausdrücklich heißt, das Unternehmen erfülle seine Aufgabe „unparteiisch und unabhängig von Einwirkungen und Einflüssen durch Parteien, Weltanschauungsgruppen, Wirtschafts-und Finanz-gruppen und Regierungen".

IV. Die kleineren deutschen Agenturen

1. vwd — der „kleinere Bruder“ von dpa Probleme der Unabhängigkeit stellen sich naturgemäß vor allem bei Anbietern von Wirtschaftsinformationen. vwd, die Vereinigte Wirtschaftsdienste GmbH, ist im Besitz von dpa und den Spitzenverbänden der Industrie, der Banken, der Versicherungwirtschaft sowie des Groß-und Einzelhandels. Für deutsche Verhältnisse ist eine private Wirtschaftsnachrichtenagentur ein völliges Novum. Bevor im Februar 1949 vwd unter maßgeblicher Beteiligung von Industrieverbänden gegründet wurde, hatten Wirtschaftsnachrichten in Deutschland amtlichen Charakter. Vor dem Zweiten Weltkrieg stammte das Material von den deutschen Auslandsmissionen und zum Teil von Berichterstattern, die aus öffentlichen Mitteln bezahlt wurden. Angesichts der Zwangswirtschaft kam man nach 1945 zunächst ohne Wirtschaftsnachrichten aus. Erst die Währungsreform weckte das Interesse der heimischen Industrie und des Auslands an ökonomischen Vorgängen und Entwicklungen in der Bundesrepublik und außerhalb der Grenzen. So kam es im Februar 1949 zur Gründung der Vereinigten Wirtschaftsdienste, die sich durch enge Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsdienst der Agentur Reuters gleich den Zugang zu Wirtschaftsdaten in der ganzen Welt sicherten.

Ohne enge Tuchfühlung mit anderen Spezialagenturen wäre vwd auch heute nicht in der Lage, die Informationsbedürfnisse seiner Klientel zu befriedigen. Die Daten des nordamerikanischen Marktes beschaffen die Wirtschaftsdienste Dow Jones und Commodity News Service; die Schweizer Telekurs AG, nach eigenen Angaben die weltweit größte Datenbank auf dem Wertpapier-Gebiet, versorgt vwd mit den Börsennotierungen.

Das Gros der Kunden stellen mittlere und Großunternehmer. Im Vergleich zu ihnen — es sind ungefähr 6 500, die zur Stammkundschaft zählen — spielen die Zeitungs-und Rundfunkredaktionen als Abonnenten eine untergeordnete Rolle.

Ziel der Agentur ist es nach den Worten ihres Chefredakteurs Käckenhoff, zu dem Dienst zu werden, der „die Informationsbedürfnisse der deutschen Wirtschaft als deren Spezial-Agentur erfüllt." Das ist ein hoher Anspruch, der zugleich eine Antwort auf die Frage verlangt, wie es denn mit der Objektivität der vwdMeldungen bestellt ist.

Kritiker meinen: nicht zum besten. Angaben über Dividendenausschüttungen und Zinsentwicklungen, Börsenkurse und Marktnotierungen lassen sich nicht manipulieren; ansonsten aber ist fast alles, was an Nachrichten aus der Wirtschaft stammt — und das weiß eigentlich auch jeder, der im Wirtschaftsleben steht —, recht eng mit der Quelle verbunden, aus der die Meldung stammt. Jahresabschlüsse sowie Gewinn-und Verlustangaben eines Unternehmens sagen normalerweise recht wenig über die tatsächliche Lage aus, und da überdies die Tendenz in Unternehmen weit verbreitet ist, die Dinge in einem besseren Licht erscheinen zu lassen, als sie sind, ist es für eine Agentur ein schwieriges Unterfangen, der Wahrheit nahe zu kommen, zumal für eine Agentur wie vwd, bei der als Folge der Besitzverhältnisse die Wirtschaft insgesamt „ein Wörtchen" mitzureden hat. vwd-Journalisten vorzuhalten, sie ständen im Auftrage der Industrie, wäre sicherlich eine schlimme Übertreibung; daß es indes für sie besonders schwierig ist, Erfolgsmeldungen von Firmensprechern unter den Tisch fallen zu lassen, deren Seriosität sie bezweifeln, liegt auf der Hand. 2. Kleine Agentur — große Sorgen: ddp Zwar besitzt dpa auf dem bundesdeutschen Nachrichtenmarkt eine Vormachtstellung, aber kein Monopol. Sie muß sich unter anderem dem Wettbewerb der jüngsten deutschsprachigen Nachrichtenagentur stellen, dem Deutschen Depeschen Dienst (ddp).

Als die große amerikanische Agentur United Press International 1971 ihren deutschsprachigen Dienst einstellte, sah man eine Chance für die Fortsetzung ihrer Arbeit in einer Neugründung, die sich ganz bewußt von der wichtigsten Konkurrenz, von dpa, absetzen sollte.

ddp berichtet — auf einen kurzen Nenner gebracht — „farbiger" als die Deutsche Presseagentur. Hansjoachim Höhne kommt in seinem zweibändigen Report über Nachrichtenagenturen zu dem Ergebnis: „Der Inlandsdienst von ddp hat durch eine bewußte Personalisierung von Informationen einen neuen Stil der Nachrichtenpräsentation entwickelt, ddp forciert Meldungen, bei denen nicht das Ereignis, sondern die Meinung einer politischen Persönlichkeit dazu in den Mittelpunkt gerückt wird. Dadurch erscheint das Geschehen für den Abnehmer lebendiger, und für den Nachrichtenlieferanten ist diese Art der Informationsgabe lukrativ, da sie seine Ansicht publik macht. Die Agentur ist dadurch zu einem gesuchten Veröffentlichungsorgan geworden, da sie dem Selbstdarstellungsbedürfnis der Politiker entgegenkommt."

Agenturen sind dazu da, um Schlagzeilen für Zeitungen von politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ereignissen zu liefern. Abweichend von dieser Normalfunktion einer Agentur machte ddp allerdings im Frühjahr 1983 selbst Schlagzeilen. Am 31. März mußte die Agentur ihren Nachrichtenbetrieb schließen und Konkursantrag beim Bonner Amtsgericht stellen. Dies machte schlaglichtartig auch einer breiten Öffentlichkeit deutlich, daß Agenturen Wirtschaftsunternehmen sind. Kurze Zeit nach dem Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens nahm ddp jedoch wieder die Nachrichtensendungen auf. Die Agentur, die ursprünglich die Rechtsform einer GmbH mit einem Gründungskapital von 250 000, — DM hatte, an der auch die Mitarbeiter beteiligt waren, wurde in eine Aktiengesellschaft umgebildet. Das Aktienkapital an der neuen Firma beträgt 1 Million DM. Unter den 38 Aktionären sind Bezieher und Mitarbeiter des Dienstes, unter anderm das „Flensburger Tageblatt" und der Bochumer „Effecten-Spiegel" des Verlegers Bolko Hoffmann.

Bei den schwierigen Verhandlungen zur Fortführung des Unternehmens spielte auch die Frage eine Rolle, ob es gerecht sei, daß dpa zwischen 1971 und 1982 aus Presseamtsmitteln für die im In-und Ausland erbrachten Leistungen insgesamt 108 Millionen DM erhalten habe, ddp im gleichen Zeitraum aber nur 5, 6 Millionen DM. Selbst unter Einrechnung der völlig unterschiedlichen Größen der Agenturen (ddp erscheint neben dpa seit jeher als Medienzwerg) habe sich in dieser finanziellen Zuwendung „keine proportionale Gleichbehandlung" widergespiegelt, erklärte ddp-Geschäftsführer Manfred Jacubowski einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung" zufolge.

Nach Meinung von Insidern soll ddp bislang nur zwei Jahre mit Gewinn gearbeitet haben. Daß sich der Dienst aber immerhin zwölf Jahre lang überhaupt gegenüber der übermächtigen Konkurrenz von dpa behaupten konnte, beweist nach Ansicht von Dieter Brumm „seine Beweglichkeit" Brumm lobt, der Deutsche Depeschen Dienst sei unbürokratischer und deshalb manchmal auch schneller als dpa, aber er schränkt auch ein: . Andererseits reichten die Kräfte oft nicht für die notwendigen Recherchen; so geriet die Agentur in den Ruf, nicht immer zuverlässig zu sein.“ Viele Abbestellungen gab es auch wegen der schlechten Qualität der Auslands-berichterstattung. Kürzlich hat der neue Chefredakteur Norbert Hoyer, speziell auf dieses Manko angesprochen, Besserung gelobt Ab Sommer 1984 will ddp neben dem World News Service (Chicago), ADN und TASS auch Dienste der „Times", des „Observer" und der BBC beziehen.

V. Die drei westlichen Weltagenturen

Neben dpa, ddp und vwd bemühen sich drei westliche Weltagenturen um Kunden in der Bundesrepublik. Am erfolgreichsten von ihnen operierte bislang die deutsche Tochter der amerikanischen Agentur Associated Press (AP). Die deutsche Tochter hat die Rechtsform einer GmbH und gehört zu 100% der amerikanischen Mutter, die ihrerseits von Zeitungsverlagen getragen wird. Die Agentur schreibt über sich selbst: „Strikte Objektivität und bei kontroversen Themen die Beachtung des journalistischen Imperativs, auch die andere Seite zu Wort kommen zu lassen, sind oberster Grundsatz für alle Mitarbeiter der AP. Schnelligkeit in der Nachrichtenübermittlung ist wichtig, noch wichtiger war für AP stets, daß die Nachrichten ein korrektes, ungeschminktes und unparteiisches Bild von Ereignissen, von Personen und Entwicklungen geben.“

Die amerikanische Agentur wird in der Bundesrepublik von 63 Publizistischen Einheiten, also von Tageszeitungen, die ihren Mantel in eigener Regie herstellen, von sieben Zeitschriften, 14 Rundfunkanstalten sowie zwölf anderen Kunden bezogen. Weltweit zählt die Agentur für ihre Dienste rund 13 500 Abonnenten in 110 Ländern, darunter 1 390 Zeitungen und ungefähr 5 000 Rundfunkanstalten.

Fragt man die Abonnenten nach den Pluspunkten der AP, so fällt vor allem ein Stichwort: komprimiert. In der Tat berichtet die amerikanische Agentur, was sicherlich auch an ihrer weltweiten Verbreitung liegt, knapper als beispielsweise dpa. Nebensächlichkeiten fallen unter den Tisch, so daß vor allem Zeitungen, die unter Platznot leiden, und die Nachrichtenredakteure in den Rundfunkzentralen gerne zu AP greifen.

Im deutschsprachigen Gebiet konkurrieren mit dem amerikanischen Dienst noch Reuter und die französische Agentur Agence France Presse (afp). Beide beschränken sich in den Inlandsmeldungen auf das Allerwichtigste und versuchen, dpa auf dem Felde der Auslandsberichterstattung zu schlagen.

Ende 1971 startete Reuter noch als ausländisches Unternehmen seinen deutschsprachigen Dienst. Am 19. Mai 1978 wurde Reuter mit der Eintragung als GmbH ins Handelsregister in Frankfurt eine 100%ige deutsche Tochter des Weltunternehmens. Den Austauschvertrag mit vwd und die Anteile an dieser Agentur von damals einem Drittel kündigte Reuter zum Dezember 1978. Seither haben die Engländer die Wirtschaftsberichterstattung aus und für Deutschland in eigener Regie übernommen. In Großbritannien, wo die Agentur gleichfalls als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingetragen ist, sind vier Gruppen von Verlegern die Eigentümer: die Newspapers Publishers Association des Vereinigten Königreichs, die Press Association des Vereinigten Königreichs und der Republik Irland, die Australische Associated Press und die Neuseeländische Press Association. Die Eigentümer haben sich, wie es in einer von Hugle zitierten Selbstdarstellung heißt, verpflichtet, sicherzustellen, daß die Gesellschaft „nicht in die Hände einer einzelnen Gruppe übergeht oder von den Interessen eines einzelnen abhängig wird; ihre Integrität, Unabhängigkeit und nachrichtliche Ausgewogenheit bewahrt; expandiert, sich fortentwikkelt und ihre Geschäftspolitik so ausrichtet, daß eine führende Stellung in der Welt behauptet werden kann.“ 31)

In letzter Zeit ergaben sich nach jahrelangen bescheidenen Gewinnen respektable Einnahmen. Branchenkenner sehen in diesem positiven Trend eine Folge der Einführung diverser elektronisch gesteuerter Informationsdienste im Wirtschafts-und Finanzbereich. Angesichts der immer größer werdenden Gewinne wird jetzt erwogen, Reuter in eine Aktienge-Seilschaft umzuwandeln. Statusänderungen der Agentur können aufgrund des „Reuters trust agreement" von 1953 nur mit Zustimmung sämtlicher Teilhaber diskutiert werden.

Agence France Presse (afp), organisiert als öffentlich-rechtliche Körperschaft, spielt als Weltagentur in der Bundesrepublik eine untergeordnete Rolle. Die Franzosen haben hierzulande ganze 17 Kunden, Reuter hingegen 43. afp ist bei keiner Zeitung Erst-oder Zweitlieferant, sondern wird nur von Blättern mit drei oder mehr Agenturen bezogen. Journalisten, besonders Nachrichtenredakteure bei Rundfunkanstalten, unterstreichen, daß die Agentur besonders dann ein zuverlässiges Informationsmedium ist, wenn es um Nachrichten aus den ehemals von Franzosen besetzten Gebieten geht.

VI. TASS und ADN

Verglichen mit dem relativ großen Kunden-kreis, den die westlichen deutschsprachigen Weltagenturen auf dem bundesdeutschen Nachrichtenmarkt erobert haben, fällt die Nachfrage nach Informationen östlicher Nachrichtenagenturen recht gering aus. Telegrafnoje Agenstwo Sowjetskowo Sojusa, also TASS, beliefert mit dem deutschsprachigen Dienst, der über das Netz von ddp an die Kunden vertrieben wird, vier Rundfunkanstalten und die beiden Agenturen ddp und dpa. Dennoch wird niemand bestreiten können, daß TASS eine Weltagentur ist. Schließlich sind die Meldungen aus der Moskauer Zentrale für etwa 30% der Weltbevölkerung die einzige Nachrichtenquelle. Neben TASS gibt es in der Sowjetunion als zweite Agentur noch „Nowosti“, eine Agentur, die sich fast ausschließlich mit Auslandspropaganda befaßt und deren Funktionen in einer sowjetischen Buchveröffentlichung so umschrieben werden: „Indem sie die Devise der APN-Information für den Frieden, für die Freundschaft unter den Völkern verwirklichen, sehen die Journalisten der Agentur ihre Pflicht darin, die Maßnahmen der Friedensfeinde und Feinde des sozialistischen Fortschritts, der Vertreter des Kalten Krieges und der Aggression zu entlarven; den ideologischen Diversanten die Maske vom Gesicht zu reißen, unabhängig davon, ob es sich um gewöhnliche bourgeoise Sowjetfeinde oder neumodische Verleumder handelt — um Helfer Solschenizyns, zionistische Rassisten oder pehkingsche Fälscher.“

Ebenso wie „Nowosti" hat selbstverständlich TASS vorrangig politische Funktionen. Als offizielle staatliche Einrichtung, die direkt dem Ministerrat der Sowjetunion untersteht, ist sie bestrebt, mit Nachrichten Politik zu machen. Das entspricht der kommunistischen Doktrin, derzufolge alle Nachrichten einen propagandistischen Charakter haben müssen. TASS berichtet unentwegt über die Erfolge des sozialistischen Systems und den Aufbau nationaler Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt und registriert mit ähnlicher Akribie die Mißerfolge des kapitalistischen Systems — mit der Folge, daß TASS beispielsweise ein USA-Bild entwirft, das außer Demonstrationen und brutalen Polizeieinsätzen, Massenarmut und Massenarbeitslosigkeit nur einen helleren Punkt zeigt: die Aktivitäten der in den USA völlig bedeutungslosen Kommunistischen Partei.

Wichtige innenpolitische Ereignisse schweigt TASS oft einfach tot; über sowjetische Raumflüge berichtet die Agentur zumeist erst dann, wenn sie erfolgreich abgeschlossen wurden — eventuelle Mißerfolge sollen der Bevölkerung möglichst verheimlicht werden.

Diese Arbeitsprinzipien gelten selbstverständlich auch für ADN, den Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst, den in der Bundesrepublik neben zwei Zeitungen alle deutschsprachigen Nachrichtenagenturen abonniert haben. Nach einer Verordnung des Ministerrats der DDR vom 14. Juli 1966 ist ADN die Aufgabe zugewiesen, aktuell und parteilich in Wort und Bild zu informieren Parteilich bedeutet nach Lesart der SED, daß die Bürger der DDR ein wissenschaftlich fun-diertes, auf einer marxistischen Analyse beruhendes Weltbild bekommen, so daß sie Erkenntnisse und Informationen richtig einordnen können. ADN soll demnach zur Entwicklung und Festigung des sozialistischen Bewußtseins aller Schichten der Bevölkerung beitragen.

Für westliche Agenturen sind TASS und ADN trotz ihrer parteilichen Berichterstattung unentbehrliche Quellen. ADN-Meldungen haben stets amtlichen Charakter; sie spiegeln das wider, was das Zentralkomitee der SED veröffentlicht haben möchte.

VII. Vernachlässigte Dritte Welt

Der Vorwurf des Westens gegenüber den Nachrichtenagenturen kommunistisch regierter Länder, einseitig und parteilich zu berichten, wird selbstverständlich auch in umgekehrter Richtung erhoben. Damit nicht genug: Auch viele Länder der Dritten Welt sind mit dem, was AP und AFP, UPI und Reuter berichten, nicht zufrieden. In der Tat machen Meldungen aus Ländern der Dritten Welt im Gesamtnachrichtendienst der großen westlichen Agenturen nur einen Bruchteil aus. Die Kritik beschränkt sich aber nicht auf das Quantitative, sondern reicht weiter. UPI, AP, AFP und Reuter wird vorgeworfen, nicht von einem neutralen Standort aus zu informieren, sondern nach einem westlichen Wertsystem, sozusagen aus euro-amerikanischer Sicht. Sie überschwemmten die Welt mit Nachrichten, benutzten das Wort vom „freien Informationsfluß" als gesellschaftlichen Mythos zur Legitimation eigener wirtschaftlicher Interessen. Die großen Agenturen müssen deshalb, so die häufig geäußerte Schlußfolgerung der Länder der Dritten Welt, gezwungen werden, mehr Nachrichten von ihnen abzunehmen und zu verbreiten.

Tatsächlich gibt es — golbal gesehen — in den Informationsströmen ein deutliches Nord-Süd-Gefälle, das sich vor allem in den Nachrichten der Agenturen widerspiegelt In größeren Zusammenhängen hat sich mit dieser Problematik die UNESCO beschäftigt. Sie beauftragte 1976 eine Kommission unter Leitung des irischen Nobelpreisträgers Sean McBride damit, einen Bericht über Fragen der Kommunikation in modernen Gesellschaften auszuarbeiten. 1980 zog die Generalkonferenz der UNESCO in Belgrad aus dem McBride-Bericht Folgerungen. Sie verabschiedete eine Schlußresolution, in der die Bausteine für eine Neue Weltinformations-und Kommunikationsordnung enthalten sind.

Die Neue Ordnung, von der seither viel die Rede ist, von der wir aber noch ein weites Stück entfernt sind, sollte sich nach Ansicht der Weltorganisation auf folgende Überlegungen stützen: „ 1. Beseitigung der Unausgewogenheit und der Ungleichheiten (zwischen Industrie-und Entwicklungsländern), welche die gegenwärtige Lage charakterisieren. 2. Beseitigung der negativen Wirkungen bestimmter Monopole, seien sie öffentlich oder privat, und übermäßiger Konzentration. 3. Beseitigung von inneren und äußeren Hindernissen für einen freien Informationsfluß und eine erweiterte und ausgewogenere Verbreitung von Informationen und Ideen. 4. Vielfalt von Quellen und Informationskanälen. 5. Presse-und Informationsfreiheit. 6. Freiheit für Journalisten und alle professionellen Mitarbeiter von Kommunikationsmedien, eine Freiheit, die nicht von Verantwortung getrennt werden kann. 7. Die Kapazitäten der Entwicklungsländer, ihre eigene Lage zu verbessern; dazu gehört, daß sie ihre eigenen Produktionsmittel beschaffen, daß sie Personal ausbilden, daß sie ihre Infrastruktur verbessern und daß sie Informations-und Kommunikationsmittel ihren eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen anpassen. 8. Der aufrichtige Wille der entwickelten Länder (den Entwicklungsländern) zu helfen, diese ihre Ziele zu erreieben. 9. Achtung vor der kulturellen Identität jedes Landes und des Rechts eines jeden Landes, die Weltöffentlichkeit über seine Interessen, seine Ziele, seine sozialen und kulturellen Werte zu informieren. 10. Achtung vor dem Recht aller Völker, am internationalen Informationsaustausch auf der Basis von Gleichheit, Gerechtigkeit und gegenseitigen Nutzen teilzunehmen. 11. Achtung für das Recht der Öffentlichkeit, das Recht von Volks-und gesellschaftlichen Gruppen und das Recht des einzelnen, Zugang zu Informationsquellen zu haben und aktiv am Kommunikationsprozeß teilzunehmen."

Ein großes Programm, fürwahr, das gleich in mehreren Punkten die Arbeit der Nachrichtenagenturen anspricht. Da geht es einmal um die Beseitigung von Hindernissen für einen freien Informationsfluß. Zeitungen in der DDR dürfen eben nicht, um ein schlichtes Beispiel zu nennen, einen anderen Nachrichtendienst als ADN beziehen. Das Vorrecht, die Meldungen von dpa auszuwerten, genießt nur ADN. Umgekehrt ist es in der Bundesrepublik keiner Rundfunkanstalt und keinem Presseorgan verwehrt, den Nachrichtendienst der DDR-Staatsagentur zu abonnieren; daß es, wie wir gesehen haben, fast niemand tut, hat keine politischen, sondern ökonomische Gründe.

Die von der UNESCO beschlossene Neue Weltinformations-und Kommunikationsordnung spricht sich für die Freiheit der Journalisten aus — ein Punkt, der die westlichen Nachrichtenagenturen direkt bei der Berichterstattung aus kommunistischen Ländern betrifft. Die in Ost-Berlin, Moskau, Prag oder Warschau akkreditierten Korrespondenten sind, wie in politischen Spannungszeiten immer wieder deutlich wird, in ihrem Bewegungsspielraum von vornherein erheblich eingeschränkt. Insofern vermitteln auch die Berichte westlicher Agenturen über die Situation in kommunistischen Staaten nur Teil-ausschnitte der Realität.

Trotz vieler Drähte, die die Welt umspannen, bleibt also unser Wissen über Entwicklungen und Ereignisse gerade in kommunistischen Staaten recht lückenhaft. Informationsdefizite bestehen jedoch auch — der McBride-Bericht spricht es deutlich aus — im Hinblick auf die Länder der Dritten Welt. Die Afrikaner haben kürzlich gehandelt. Zwanzig Jahre nach dem Grundsatzbeschluß, den jungen afrikanischen Staaten eine unabhängige Nachrichtenzen-trale zu geben, vier Jahre nach der offiziellen Gründung und drei Jahre nach dem ursprünglich angepeilten Starttermin hat die Panafrikanische Nachrichtenagentur, die Pana, am 1. April 1983 in Dakar im Senegal ihren Betrieb aufgenommen. Die Pana ist ein Werk der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU), die allerdings wegen innerer Spannungen erhebliche Schwierigkeiten hatte, das große gemeinsame Ziel zu erreichen, die Vermittlung von Informationen über Vorgänge in Afrika nicht mehr ausschließlich den europäischen und amerikanischen Nachrichtenagenturen zu überlassen.

Die Pana wird finanziell unterstützt durch die Internationale Fernmeldebehörde, ein Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen und der UNESCO. Das „Neue Deutschland", das SED-Zentralorgan in Ost-Berlin, kommentierte die Agenturgründung im April dieses Jahres auf seine Weise: „Das ist zweifellos ein weiterer Erfolg im Streben der afrikanischen Staaten, sich von imperialistischer Bevormundung freizumachen, neokolonialistische Störversuche abzuwehren und das vom Kolonialismus hinterlassene Erbe zu überwinden." Daß auch ADN und TASS in der Vergangenheit bemüht waren, ihre Meldungen auf dem afrikanischen Kontinent unterzubringen und damit die Entwicklungsländer politisch zu beeinflussen, wurde von der Zeitung nicht erwähnt.

Der Direktor der Pana, Scheich Ousmane Diallo, hat einer Meldung der „Neuen Zürcher Zeitung" zufolge die Bildung der Agentur so begründet: Die Weltagenturen seien in den letzten zwanzig Jahren immer mächtiger geworden und hätten ihre Macht ausgenutzt, um Nachrichten auszutauschen, zu verarbeiten und zu verbreiten, die oft nicht im Interesse der afrikanischen Länder gelegen hätten. Die Welt erfahre zu wenig über die Ereignisse in Afrika, und die spärlichen Meldungen seien überdies auf ein verwöhntes Publikum zugeschnitten. Kein einziges afrikanisches Land könne sich ein Sendernetz leisten, daß es ihm erlaube, seine Nachrichten täglich an fünfzig andere afrikanische Länder zu schicken. Kein afrikanisches Land sei in der Lage, darüber hinaus seine Nachrichten in aller Welt zu verbreiten. Kein afrikanisches Land habe schließlich die Kapazität, als gleichrangiger Partner im Gegenzug Welt-nachrichten von den Großagenturen zu übernehmen. Die Pana sei daher eine Institution von mehr als medienpolitischer Bedeutung: Sie trage allein durch ihre Existenz dazu bei, den afrikanischen Föderalismus neu zu beleben.

Um einen besseren Informationsaustausch innerhalb der Dritten Welt und mit den Industriestaaten bemüht sich seit 1964 die in Lateinamerika gegründete Agentur Inter Press Service (IPS). IPS hat seit Januar 1981 auch ein deutsches Tochterunternehmen in Bonn, aber nur wenige Kunden. Außer dem WDR und Radio Bremen sowie der Deutschen Welle beziehen nur die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ in Essen, das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel", die Wochenzeitung „Die Zeit" und das linke Berliner Blatt „Die Tageszeitung" die Meldungen des Dienstes, der weltweit über 400 Zeitungen und Rundfunk-anstalten beliefert.

Im Gegensatz zu den anderen Agenturen haben bei IPS Hintergrundberichte über Entwicklungen des wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und religiösen Lebens in Entwicklungsländer den Vorrang vor Tagesnachrichten. Laut Statut fühlt sich die Agentur dabei dem Pluralismus der Meinungen verpflichtet — ein schwieriges Unterfangen, wenn man an die recht unterschiedlichen politischen Verhältnisse in den einzelnen Ländern denkt und berücksichtigt, daß die Gründung der Agentur auf Freunde und Mitarbeiter der Demo-cratia Christiana in Italien und Anhänger des langjährigen chilenischen Präsidenten und späteren Oppositionsführers Eduardo Frei zurückgeht. Das hat IPS den Ruf eingetragen, eine rechtsorientierte Agentur zu sein, doch inzwischen hat sie sich von der ursprünglichen Richtung gelöst. Geblieben ist hingegen ihre bis heute einmalige Organisationsform: Die Agentur gehört 76 Journalisten, die mit Anteilsscheinen das Unternehmenskapital aufgebracht haben. Und obwohl es sich dabei um ein rein privates Unternehmen handelt, bestimmt die Satzung, daß keine Gewinne ausgeschüttet werden; Überschüsse werden zurückgelegt oder für Investitionen verwendet. Inter Press Service vertreibt täglich rund sechstausend Wörter in der Bundesrepublik über die Nachrichtenagentur ddp. Unterstützt werden die Bemühungen der Agentur, einen Beitrag zum Abbau des Nord-Süd-Gefälles zu leisten, durch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, bei der IPS als Entwicklungshilfeprojekt läuft. Ziel dieser Förderung ist es, der Agentur den Start zu erleichtern und sie möglichst rasch in die Lage zu versetzen, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen.

VIII. Schlußbemerkungen

Generell bleibt festzuhalten: Die Informationen, die von Nachrichtenagenturen verbreitet werden, sind nicht so objektiv, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Auch auf dem Markt der Nachrichten spielen politische und wirtschaftliche Gründe und Abhängigkeiten eine Rolle. Nachrichten sind Waren, die verkauft werden, je nach politischem System mit kommerziellen oder -politischen Absichten. Dies erklärt auch, warum bestimmte Regionen selbst heute noch — nachrichtenmäßig betrachtet — weiße Flecken sind, Gebiete, die das weltweite Netz der Weltagenturen nicht erfaßt.

Andernorts leidet man wiederum unter dem Nachrichtenüberfluß, an der „Nachrichtenverschmutzung", die beispielsweise dadurch entsteht, daß Agenturen auch dann noch über die Ausführung eines Politikers berichten, wenn sie nicht mehr als die zwanzigste Wiederholung früherer Darlegungen sind.

Auf den Nachrichtenmarkt der Bundesrepublik bezogen wirkt sich natürlich die Möglichkeit, daß einzelne Kunden von Agenturen das täglich eingehende Material aller Dienste miteinander vergleichen können, außerordentlich positiv für den Endverbraucher, also die Leser, Hörer und Zuschauer, aus. Zum einen wird sich aufgrund des Konkurrenzdrucks jede Agentur davor hüten, in den Geruch der Parteilichkeit und Manipulation zu geraten — einmal als halblinks oder halb-rechts, als regierungsfromm oder der Opposition nahestehend eingestuft, müßte jede Agentur in Kürze mit einem Kundenschwund rechnen. Zum anderen zwingen die Vergleichsmöglichkeiten die Nachrichtendienste zu höchster Aktualität — eine Agentur, die erst einmal in den Ruf geraten ist, immer die letzte zu sein, wird es schwer haben, ihre Klientel zu halten. So sorgt in einem hohen Ausmaß der Satz „Die Konkurrenz schläft nicht" bei den Agenturen in der Bundesrepublik dafür, daß die Redaktionen schnell und präzise mit Informationen versorgt werden. So ergibt sich trotz aller Manipulationschancen und Nachrichtendefizite, trotz aller Lükken, die das weltweite Nachrichtennetz hat, für die Bürger der Bundesrepublik eine insgesamt erfreuliche Schlußbilanz.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. H. Höhne, Die Geschichte der Nachricht und ihrer Verbreiter, Baden-Baden 1977, S. 65 ff.

  2. Zum Beispiel von G. -W. Minet, Nachrichtenagenturen im Wettbewerb, in: Kölner Wirtschaftsund Sozialwissenschaftliche Abhandlungen, Bd. 24, Köln 1977, S. 7.

  3. E. Dovifat, Zeitungslehre, Bd. 1, Berlin 1962-, S. 54. Zur Entstehung der Trennungsnorm von Nachrichten und Meinungen vgl. K. Schönbach, Trennung von Nachricht und Meinung, in: Alber-Borschur Kommunikation, Bd. 5, Freiburg-München 1977, S. 15.

  4. Vgl. R. Clausse, Publikum und Information, Köln-Opladen 1962, S. 15 f.

  5. O. B. Roegele, Was dürfen die Kontrolleure?, in: nublizistik (1965) 3, S-352.

  6. Ebd 'Bildungsprogramm, vom 22. 4. 1983.

  7. G. Bentele/R. Ruoff (Hrsg.) Wie objektiv sind unsere Medien?, Frankfurt/M. 1982.

  8. S. 92.

  9. J. Aufermann, Journalistische Objektivität und Programmausgewogenheit, in: G. Bentele/R. Ruoff, a. a. O. (Anm.

  10. F. Alt, Es gibt keine Objektivität oder: Nur Gott ist objektiv, in: Bentele/R. Ruoff, a. a. O. (Anm. 8), S. 205.

  11. J. -H. Wichmann, über die Schwierigkeiten der Wirklichkeitstreue, in: G. Bentele/R. Ruoff, a. a. O. (Anm. 8), S. 269.

  12. M. Abend, „Hast Du sie zittern sehen?". Das Objektivitäts-Problem in der Nachrichten-Praxis, in: G. Bentele/R. Ruoff, a. a. O. (Anm. 8), S. 173.

  13. Ebd., S. 174.

  14. Vgl. H. Höhne, Nachrichten im Überfluß, in: Media Perspektiven, (1981) 6, S. 492. Es kommt hinzu, daß vor allem Verlage und Redaktionen, die Zei-tungen mit Auflagen bis zu 50 000 Exemplaren herausbringen, dpa-Meldungen in beträchtlichem Ausmaß unredigiert übernehmen. Vgl. Horst Holzer, Medien in der BRD, Köln 1980, S. 80.

  15. H. -W. Gross, Die Deutsche Presse-Agentur, Frankfurt am Main 1982.

  16. Ebd., S. 125.

  17. Ebd., S. 126. Auf solche und andere Zusammenhänge, die für die Unabhängigkeit der Agentur ja nicht ohne Belang sind, geht die dpa-Selbstdarstellung leider nicht ein. Vgl. 25 Jahre Deutsche Presse-Agentur, Hamburg o. J.

  18. Ebd., S. 183.

  19. Ebd, S. 184.

  20. Ebd., S. 185.

  21. Ebd., s. 185.

  22. Ebd., S. 204.

  23. Veröffentlicht in G. -W. Minet, a. a. O. (Anm. 2), S. 148.

  24. Ebd., S. 149.

  25. Angaben nach R. Hugle, Nachrichtenagenturen, in: Medienspiegel des Instituts der deutschen Wirtschaft, (1982) 12, S. 5.

  26. Ebd., S. 6.

  27. PH. Höhne, Die Situation auf den Nachrichten-markten der Welt, Baden-Baden 1977, S. 50.

  28. Vgl. Süddeutsche Zeitung v. 20. 4. 1983, S. 3.

  29. Dieter Brumm, Klein, aber nicht oho, in: Vorwärts v. 14. 4. 1983, S. 27.

  30. R. Hugle, a. a. O. (Anm. 26), S. 6.

  31. P. Roth, Die sowjetischen Nachrichtenagenturen, in: Neue Zürcher Zeitung v. 8. 6. 1978, S. 5.

  32. Vgl. H. Höhne, a. a. O. (Anm. 28), S. 105.

  33. Zit. nach: R. -W. Dill, Die UNESCO macht sich stark. Auf dem Weg zu einer neuen Weltinformations-und Kommunikationsordnung, in: Medien, (1981) Sonderheft, S. 9.

Weitere Inhalte

Hermann Meyn, Dr. phil., geb. 1934; 1964— 1969 Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin; 1969— 1972 Redakteur beim „Spiegel"; 1972— 1979 Chefredakteur der Zeitschrift „journalist"; 1979— 1981 Sprecher des Senats und Leiter des Presse-und Informationsamtes in Berlin; seit 1981 Freier Journalist in Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Die Deutsche Partei, Düsseldorf 1965; Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland, völlig überarbeitete Neuauflage, Berlin 1979.