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Der amerikanische Verteidigungshaushalt | APuZ 22/1984 | bpb.de

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APuZ 22/1984 Artikel 1 Der amerikanische Verteidigungshaushalt Konturen sowjetischer Rüstungspolitik Die Entwicklung bundesdeutscher Militärausgaben in Vergangenheit und Zukunft

Der amerikanische Verteidigungshaushalt

Wolfgang Pordzik

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die aktuellen Zuwachsraten im Verteidigungshaushalt der USA reflektieren eine historisch einmalige Rüstungsanstrengung in Friedenszeiten. Kontrovers ist jedoch in den Vereinigten Staaten lediglich das Ausmaß der Steigerung — eine Erhöhung von real 4% wird selbst von Gary Hart und Walter Mondale befürwortet Die wesentlichen aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Administration und Kongreß betreffen die nuklearstrategischen Programme der Regierung, obwohl sie weniger als ein Drittel des Verteidigungshaushaltes ausmachen. Insbesondere in der Frage der MX-Stationierung hat der Präsident schwere Niederlagen hinnehmen müssen. Aber auch die Programme zur Stärkung der Bereitschaft der konventionellen Kräfte sind nicht unumstritten. Nach einer Studie des Congressional Budget Office werden die geplanten Rüstungsausgaben weder die Inflation in den USA beschleunigen noch negative Beschäftigungseffekte haben. Die Gefahr für die amerikanische Wirtschaft liegt eher in der insgesamt hohen Staatsverschuldung. Bei diesbezüglichen Sparmaßnahmen wird der Kongreß jedoch im Wahljahr 1984 kaum eine Ausnahme für den Verteidigungshaushalt gelten lassen.

dereits vor seiner Amtsübernahme hatte Präsident Reagan eine deutliche Steigerung der merikanischen Verteidigungsanstrengungen gefordert. Nach dreijähriger Amtszeit dokunentieren die Zuwachsraten im Verteidigungsbudget, daß die Verstärkung der amerikanischen Streitkräfte und ihrer Kampfkraft zum zentralen Element der Sicherheitspolitik der Reagan-Administration geworden ist. Gegenüber dem letzten Militärhaushalt von Jimmy Carter hat sich bis jetzt die Gesamtsumme um nahezu 50% erhöht. Für das Haushaltsjahr 1985 hatte die Administration ursprünglich 313, 4 Mrd. Dollar für die Belange der nationalen Sicherheit gefordert, die im Rahmen einer Fünf-Jahres-Planung auf 446 Mrd. Dollar für 1989 gesteigert werden sollten. Zuwachsraten dieser Größenordnung repräsentieren eine historisch einmalige Rüstungsanstrengung der Vereinigten Staaten in Friedenszeiten.

I Anforderungen der Administration Evom Kongreß genehmigte Ausgaben Schaubild 3: Gegenüberstellung der von der Administration geforderten und der vom Kongreß genehmigten Verteidigungsausgaben (Haushaltsjahr 1982 bis 1985) Quelle: Armed Forces Journal International, March 1984, S. 34.

Daß eine Steigerung der Verteidigungsausgaben angesichts der sowjetischen Aufrüstung notwendig ist, stößt bei den Nordamerikanern auf breite Zustimmung. Selbst die beiden demokratischen Präsidentschaftsbewerber, Walter Mondale und Gary Hart, befürworten trotz ihrer erbitterten Kritik an der Amtsführung von Ronald Reagan einen jährlichen Zuwachs im Verteidigungssektor von real rund 4%. Nicht die Steigerung der Verteidigungsausgaben als solche ist politisch kontrovers, sondern das Ausmaß und die Verwendungsrichtung. Hinzu kommt der Zielkonflikt zwischen militärischer Sicherheit und volkswirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Angesichts der beunruhigend hohen Staatsverschuldung fordert die Mehrheit der Kongreßabgeordneten, daß im Rahmen der globalen Sparmaßnahmen des Staates auch bei den Aufwendungen für Verteidigung die Zuwachsraten zurückgeschraubt werden. Bereits jetzt haben die republikanischen Fraktionsführer von Senat und Repräsentantenhaus gegenüber dem Weißen Haus durchgesetzt, daß der vom Präsidenten für 1985 geforderte Verteidigungsansatz um 16 Mrd. Dollar gekürzt und damit die reale Steigerungsrate gegenüber 1984 von 13% auf 7, 5% reduziert wird.

Zu diesen fiskalischen Sorgen kommt eine weitverbreitete Skepsis, ob die Administration bei ihren Rüstungsplanungen sorgfältig die Kosten und Nutzen der einzelnen Programme analysiert und mit einem schlüssigen sicherheitspolitischen Gesamtkonzept integriert hat. Schließlich wird kritisch gefragt, wie die enormen Investitionen im Verteidigungsbereich die mittel-und langfristigen Wachstumschancen der amerikanischen Volkswirtschaft beeinflussen. Besonders interessieren die Auswirkungen auf die Beschäftigungslage, die inflationäre Entwicklung sowie die Investitionsquote.

I. Die Struktur der amerikanischen Verteidigungsausgaben

Schaubild 1: Entwicklung der Verteidigungsausgaben zwischen 1964 und 1988/89 nach „budget authorization" und . outlays'in Mrd. Dollar (konstant)

Für das laufende Haushaltsjahr 1984 ist die Administration vom Kongreß im vergangenen Herbst autorisiert worden, finanzielle Verpflichtungen im Verteidigungssektor bis zu einer Höhe von 265 Mrd. Dollar einzugehen Das Verteidigungsministerium selbst wird davon etwa 97% erhalten, während sich der Restbetrag auf andere mit militärischen Aufgaben befaßte Ministerien und Behörden (Energieministerium, Zivilschutzbehörde, Wehrerfassung usw.) verteilt. Allerdings wird vom Pentagon pro Haushaltsjahr jeweils nur ein Teilbetrag dieser Ermächtigungssumme (authorization) ausgegeben. Die tatsächlich getätigten Ausgaben (outlays) betragen 1984 rund 231 Mrd. Dollar, d. h. bis zu dieser Obergrenze dürfen im Haushaltsjahr 1984 vom Verteidigungsministerium fällige Rechnungen beglichen werden. Die Unterscheidung zwischen „budget authority" und „outlays" läßt sich insbesondere bei der Beschaffung neuer Waffensysteme illustrieren. Die Entwicklung, Produktion und Indienststellung neuer Waffentechnologien erstreckt sich über mehrere Jahre und finanziell werden zunächst Teilbeträge des insgesamt für ein neues Waffensystem autorisierten Ausgabenvolumens fällig. Beispielsweise wurden für den neuen strategischen Bomber des Typs B-l im Haushaltsjahr 1984 fast 7 Mrd. Dollar autorisiert, während im gegenwärtigen Entwicklungsstadium dieses Flugzeuges für 1984 tatsächlich nur 700 Mio. Dollar zu bezahlen sind.

Die Höhe der amerikanischen Aufwendungen für die militärische Sicherheit wird erfaßbar, wenn die Zahlen des Verteidigungsbudgets mit anderen gesamtwirtschaftlichen Größen in Beziehung gesetzt werden. Die 1984 fälligen Ausgaben (outlays) betragen etwa 6, 3% des amerikanischen Sozialproduktes. Ihr Anteil am Gesamthaushalt der amerikanischen Bundesregierung beläuft sich auf etwa 28%.

Würden in diesem Jahr die Verteidigungsausgaben gleichmäßig und direkt bei der Bevölkerung erhoben, so müßte jeder Haushalt rund 3 000 Dollar zur Verfügung stellen.

Ein Blick auf die Schaubilder 1 und verdeutlicht, daß die Verteidigungshaushalte der Regierung Reagan in ihrem Volumen je nach Bezugsgröße unterschiedlich bewertet werden müssen. Gemessen an den absoluten Dollarbeträgen fällt die rasante Ausgabensteigerung gegenüber den Vorjahren ins Auge. Relativiert wird dieser Anstieg, wenn man ihn ins Verhältnis zu der gesamtwirtschaftlichen Leistung der Vereinigten Staaten in bezug setzt. In den letzten 30 Jahren wurden zeitweilig weit höhere Anteile des Bruttosozialproduktes für militärische Zwecke ausgegeben 2). Zu Beginn der fünfziger Jahre mar-Stierte der Korea-Krieg einen sprunghaften Anstieg dieses Anteils auf mehr als 13%. Danach ist ein Rückgang bis in die Anfangsphase der Kennedy-Administration auf etwa 7% u verzeichnen. Auf dem Höhepunkt des Vietnam-Konfliktes erreichte dieser Anteil wieder 9% und fiel dann, beginnend mit der 'Va Nixon und der Dötente-Politik, bis 1979 auf unter 5% zurück. Während der siebziger Jahre haben die Entspannungsbemühungen der Vereinigten Staaten im Nachlassen der Rüstungsaufwendungen eine deutliche Entsprechung gefunden.

Noch während der Amtszeit Jimmy Carters löste jedoch nicht zuletzt die sowjetische Invasion in Afghanistan eine Aufwärtsentwicklung aus, die mit dem überwältigenden Wahlsieg Ronald Reagans im November 1980 massiv beschleunigt wurde. Für das Ende der achtziger Jahre stellt die gegenwärtige Administration eine schrittweise Verlangsamung der Verteidigungsausgaben und ein Einpendeln auf etwa 6% des Bruttosozialproduktes in Aussicht. Voraussetzung sei allerdings die planmäßige Durchführung aller Rüstungsvorhaben, um die während der siebziger Jahre gegenüber der unvermindert aufrüstenden Sowjetunion entstandene Lücke zu schließen. Wie setzt sich das Verteidigungsbudget zusammen? Verschiedene Methoden der Aufschlüsselung in unterschiedliche Verwendungskategorien vermitteln ein klareres Bild. Drei Verfahren bieten sich an: die Unterscheidung nach militärischen Missionen (mission program), die Zuordnung nach Beschaffung, Betriebskosten und Unterhaltung (appropriations account) sowie die Verteilung der Gesamtsumme auf die drei Teilstreit-kräfte Heer, Luftwaffe und Marine (service account). In den Tabellen 1 bis werden für das gegenwärtige Haushaltsjahr die fälligen Ausgaben auf der Grundlage dieser unterschiedlichen Kostenstellen dargestellt 3).

Ein Blick auf die Zahlen für die militärischen Missionen (vgl. Tabelle 1) verdeutlicht, daß entgegen einer weitverbreiteten Vorstellung auf die strategischen Nuklearstreitkräfte (land-und seegestützte Atomraketen interkontinentaler Reichweite sowie nuklearfähige Fernbomber) lediglich etwa 21% des gesamten Verteidigungshaushaltes entfallen. Den weitaus größeren Kostenfaktor stellen die sogenannten „general purpose forces“ dar. Damit sind alle konventionellen Streitkräfte, die taktischen Nuklearwaffen sowie die dazugehörigen Unterstützungs-bzw. Versorgungsteile erfaßt.

Betrachtet man die Zusammensetzung nach dem „appropriations account“ (vgl. Tabelle 2), so fällt dort der Beschaffungssektor als der größte Kostenfaktor ins Gewicht. Die Einfüh-Tabelle ung neuer Waffen und Geräte steht damit an rster Stelle. An sogenannten Operationskoten, d. h. für Betrieb und Wartung, entsteht ie zweitgrößte Summe. Da die amerikanichen Streitkräfte wegen fehlender Wehr-flicht ausschließlich aus freiwilligen Soldasn bestehen, verschlingen die Personalkoten (Gehälter, Pensionen) mit etwa 66 Mrd.

Dollar mehr als ein Viertel des gesamten Verteidigungshaushaltes. Schließlich verdeutlicht die Mittelverwendung nach Teilstreitkräften (vgl. Tabelle 3), daß der Anteil für das Heer mit ca. 24% geringer als der von Luftwaffe (34%) oder Marine (32%) bleibt.

II. Die Festsetzung und Verabschiedung des Verteidigungshaushaltes

Schaubild 2: Prozentualer Anteil der Verteidigungsausgaben am amerikanischen Bruttosozialprodukt von 1948 bis 1985 Quelle: . National Defense Budget Estimates für FY 1985', Office of the Assistant Secretary of Defense (Comptroller), March 1984.

Für den außenstehenden Beobachter ist der Entstehungs-und Verabschiedungsprozeß les jährlichen Verteidigungsbudgets überaus kompliziert und schwer durchschaubar Von der Planung bis zur endgültigen haushaltsgesetzlichen Verabschiedung im amerikanischen Kongreß dauert dieser Verhandlungsprozeß für jeden Verteidigungshaushalt mehr als zwei Jahre. Bereits jetzt laufen die Vorbereitungen des Budgets für das am 1. Oktober 1986 beginnende Haushaltsjahr 1987 auf vollen Touren. Grundsätzlich läßt sich das Verabschiedungsverfahren in zwei Phasen unterteilen: a) die Budgetplanung innerhalb der Administration und b) die sich anschließend öffentlich vollziehende Überprüfung bzw. Korrektur durch den Kongreß. Neben Exekutive und Legislative wirken externe Sachverständige in Anhörungen des Kongresses intensiv an diesem Entwicklungsprozeß mit. Beim Verteidigungshaushalt für 1983 etwa füllten die Hearings mehr als 11 000 Protokollseiten. Wichtigste Grundlage für alle Budgetplanungen des Pentagon ist die vom Verteidigungsminister erstellte Richtlinie zur Verteidigung (defense guidance). In diesem Geheimdokument werden aus der Sicht der politischen Führung des Verteidigungsministeriums in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Stabschefs (Joint Chiefs of Staff) die Sicherheitslage für die Vereinigten Staaten analysiert und die sich daraus ergebenden Auftragslagen für die Streitkräfte artikuliert. Die „defense guidance" wird jeweils im Januar fortgeschrieben und deckt einen Planungszeitraum von fünf Jahren ab. Unmittelbar relevant ist die Richtlinie allerdings unter haushaltspolitischen Gesichtspunkten vor allem für die nächstfolgende Budgetauseinandersetzung. Für das laufende Haushaltsjahr 1984 legte Verteidigungsminister Weinberger mit seiner „defense guidance" vom Januar 1982 bereits die entscheidenden Weichenstellungen fest. Danach hatten die einzelnen Teilstreitkräfte mehrere Monate Gelegenheit, aus der Sicht ihres Auftrages auf die Richtlinien des Ministers zu reagieren. Während dieser internen Entwicklungsphase bringen Luftwaffe, Marine und Heer ihre Anforderungen für Personal, Waffen und Ausrüstung ein und schaffen damit eine erste Grundlage für die Verwendung der später vom Kongreß zu bewilligenden Haushaltsmittel. Umorientierungen und Beschleunigungen bei den bereits angelaufenen Beschaffungsprogrammen werden ebenfalls in dieser Phase integriert. Am Ende dieses innerhalb des Verteidigungsministeriums stattfindenden Prozesses, der sich etwa auf zehn Monate erstreckt, reicht der Verteidigungsminister seine Etatanforderungen gegenüber dem Präsidenten ein.

Der amerikanische Regierungschef ist verpflichtet, jeweils im Januar eines Jahres für das später im Herbst beginnende neue Haushaltsjahr gegenüber dem Kongreß seine „Haushaltsbotschaft" (budget message) zu überbringen. In diesem Bundeshaushalt des Präsidenten sind die vorgesehenen Militär-ausgaben als Einzeltitel enthalten. Vorher wurden sie zwischen Verteidigungsministerium, Nationalem Sicherheitsrat (National Security Council) und dem am Weißen Haus angegliederten Büro für Haushaltsfragen (Office for Management and Budget) nach politischen und militärischen Gesichtspunkten gewichtet. Die jährliche „budget message" des amerikanischen Präsidenten reflektiert deswegen auch die Sicherheits-und Militärpolitik seiner Administration. Von diesem Zeitpunkt ab verlagert sich die Haushaltsdiskussion in den Kongreß und damit die Öffentlichkeit Durch das Haushaltsgesetz sind die 535 Kongreßabgeordneten gehalten, bis zum 15. Mai jeden Jahres in einer ersten Haushaltsentschließung (first concurrent budget resolution) das Gesamtvolumen aller staatlichen Einnahmen und Ausgaben durch Projektion festzusetzen. Auch für die Landesverteidigung werden Höchstgrenzen verbindlich festgelegt. Federführend bei der Erarbeitung dieser ersten Budgetresolution sind die Haushaltsausschüsse (budget committees) von Senat und Repräsentantenhaus. Wenn der Gesamtbetrag für die Verteidigung feststeht, beginnen die langwierigen Detailberatungen über die konkrete Verwendung der Gelder.

Bevor das Verteidigungsministerium für die geplanten Vorhaben Zahlungen vornehmen darf, muß vom Kongreß für jede Maßnahme in einem zweifachen Bewilligungsverfahren die Genehmigung erteilt werden. Das entsprechende Bewilligungsgesetz wird von den Verteidigungsausschüssen im Zuge der „defense authorization" vorbereitet und mit beträchtlichen Auflagen hinsichtlich der Verwendung versehen. Nach Abschluß dieser „Bevollmächtigung für Verteidigungsausgaben" wird zwischen Mai und Oktober das Verteidigungsbudget einer zweiten Prüfung unterzogen. Jetzt erarbeiten die beiden Bewilligungsausschüsse (appropriation committees) detaillierte Vorschriften für die Bezahlungsverfahren der vielfältigen Rüstungsprojekte. Wenn auch nach dem amerikanischen Haushaltsgesetz diese „appropriations" bis zur zweiten Septemberwoche durch Verabschiedung des Appropriationsgesetzes abgeschlossen sein sollte, so ist diese Frist in den letzten Jahren doch häufig überschritten worden. Um trotzdem die Finanzierung des am 1. Oktober neu beginnenden Haushaltsjahres zumindest teilweise sicherstellen zu können, behilft sich der Kongreß mit sogenannten „continuing resolutions appropriations", d. h. mit einer vorbehaltlich der endgültigen Beschlußfassung anzuwendenden Überbrückungsfinanzierung. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, daß sich die Mitwirkungsmöglichkeiten der Kongreßabgeordneten beim Budgetverfahren seit Mitte der siebziger Jahre vervielfacht haben. Die Neufassung des Haushaltsgesetzes von 1974 verschafft dem Kongreß mehr Einwirkungsinstrumente. Der Rückgang von Führungsstruktur und Parteidisziplin im Kongreß macht es dem Präsidenten und seiner Administration schwer, selbst die Abgeordneten der eigenen Partei zur solidarischen Unterstützung der Regierungsprogramme zu bewegen. Eine neue Generation selbstbewußter Abgeordneter, teilweise durch brillante Mitarbeiterstäbe unterstützt, versucht, auch den Bereich der Außen-, Sicherheits-und Militärpolitik mehr und mehr zu bestimmen Als Gegengewicht zur Bürokratie der Administration verfügen die Abgeordneten bei der Haushalts-und Finanzpolitik über den Apparat des Büros für Budgetfragen (Congressional Budget Office). Selbst zu militärstrategischen und rüstungspolitischen Spezialfragen kann diese Institution jederzeit die Daten der Administration ür bestimmte Rüstungsvorhaben überprüfen. Dazu kommen andere wissenschaftliche Dienste wie der Congressional Research Service oder das General Accounting Office. Inensiven Gebrauch machen die zuständigen Ausschüsse von ihrem Recht, die jeweiligen Repräsentanten der Administration zur aus-jährlichen Befragung vorzuladen. Allerdings haben zunehmende Unabhängigkeit und Wirkungsmöglichkeit im Verteidigungsbereich auch dazu geführt, daß sich die Zahl der auf den Kongreß bezogenen Rüstungslobbyisten Entsprechend vervielfacht hat. Inwieweit dadurch Haushaltsentscheidungen im Verteidigungssektor tatsächlich beeinflußt werden, ist kaum zu beantworten. Mit Sicherheit dienen die Begegnungen mit den Vertretern der Rüstungsbetriebe nicht immer nur dazu, beim jeweiligen Abgeordneten oder seinem Mitarbeiter ein qualifiziertes Urteilsvermögen durch Vermittlung von Informationen über einzelne Rüstungsinvestitionen zu schaffen.

In den Jahren der Regierung Reagan hat der Kongreß die Zuwachsraten im Verteidigungshaushalt gebremst (vgl. Schaubild 3). Allerdings konnte sich die Administration bisher mit ihren wesentlichen Beschaffungsprojekten durchsetzen. Die Kongreßabgeordneten haben lediglich die Freigabe der Mittel verzögert bzw. die Investitionen über einen größeren Zeitraum verteilt.

III. Die kontroversen Sektoren im Verteidigungshaushalt

Nuklearstreitkräfte General Purpose Forces Kommunikation und Nachrichtenbeschaffung Luft-und Seetransport Nationalgarde und Reservisten « Forschung und Entwicklung Allgemeine Bevorratung und Unterhaltung Ausbildung, medizinische Versorgung und allgemeine Personalaufwendungen Verwaltung im Verteidigungsministerium Unterstützung von Verbündeten 20, 6 Mrd. 100, 8 Mrd.

17, 1 Mrd.

4, 2 Mrd.

11, 4 Mrd.

18, 7 Mrd.

20, 2 Mrd. 42, 5 Mrd.

3, 1 Mrd.

0, 8 Mrd. 1: Quelle: US-Verteidigungshaw

Mehr als die Hälfte der für die nächsten Wahre vorgesehenen Ausgaben wird das Pentagon im Investitionsbereich vornehmen, d. h. für den Ankauf neuer Waffensysteme, für Forschung und Entwicklung sowie für den Bau militärischer Einrichtungen und Anlagen.

Diesen Schwerpunkt im Beschaffungsbereich rechtfertigt die Administration mit einem unaufschiebbaren Nachholbedarf gegenüber der Sowjetunion. In seinem jüngsten Jahresbericht schreibt Verteidigungsminister Weinberger: „Diese Administration sah sich schwerwiegenden Unzulänglichkeiten bei Waffen und Gerät gegenüber. Verglichen mit der sowjetischen Ausrüstung waren viele unserer Systeme Veraltet. Unser Heer war mit seinen Panzern aus den 60er Jahren, seiner Artillerie und seinen Fahrzeugen insgesamt zurückgeblieben. Die Zahl der Schiffe in unserer Marine war auf die Hälfte geschrumpft und die Flugzeuge in unserer Luftwaffe mußten dringend modernisiert werden, um überhaupt den dramatischen Verbesserungen der sowjetischen Luftwaffe und Luftabwehr gewachsen zu sein. ... Alle 3 Elemente unserer nuklearstrategischen Triade waren 1980 durch eine gefährliche Veraltung bedroht, die die Stabilität der Abschreckung insgesamt unterminierte."

Die forcierte Beschaffungspolitik des Verteidigungsministeriums stößt bei liberalen und konservativen Kritikern auf Widerspruch. Zunächst wird befürchtet, daß die Ausgaben für die Beschaffung neuer Systeme auf Kosten der operationellen Ausgaben (Betriebs-, Ausbildungs-und Wartungskosten) erfolge. Der langjährige Pentagon-Berater und Strategie-experte William Kaufmann etwa kommt zu dem Ergebnis, daß während der letzten drei Jahre die Investitionsaufwendungen um 86% angestiegen seien, während gleichzeitig die Unterhaltungskosten mit nur 30% Zuwachs vernachlässigt worden seien Angesichts der Kompliziertheit und Anfälligkeit hochmoderner Waffentechnologie müsse allerdings mit zunehmendem Aufwand für Ausbildung und Einsatzbereitschaft gerechnet werden. Außerdem würden mittel-und langfristig durch die umfangreichen Beschaffungsprojekte mehr und mehr Mittel des Verteidigungshaushaltes im voraus gebunden, ohne daß der Kongreß oder auch nachfolgende Administrationen die Möglichkeit echter Kurskorrekturen besäßen. Diese Kritik wird ergänzt durch den Vorwurf, daß die angesetzten Kosten für die Beschaffungsprojekte zu gering seien und die Gefahr einer unkontrollierbaren Kostenexplosion entstehe

Welche Beschaffungsmaßnahmen der Reagan-Administration verursachen diese Steigerung der Investitionsausgaben? War der Kongreß bereit und in der Lage, seinerseits die ursprünglich eingesetzten Haushaltsmittel dafür zu modifizieren? In der öffentlichen Diskussion dominieren vor allem die Pläne für die Modernisierung der nuklearstrategischen Waffensysteme. Obwohl diese Waffenkategorie weniger als ein Drittel aller Verteidigungsausgaben verschlingt, hat sich die Aufmerksamkeit doch nicht zuletzt wegen der landesweiten Kampagne für einen „nuclear freeze" darauf konzentriert. Auch werden Struktur und Größe der nuklearen Streitkräfte von einem möglichen Rüstungskontrollprozeß zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion zuerst betroffen. Es überrascht deshalb nicht, daß in der Auseinandersetzung zwischen Administration und Kongreß das strategische Modernisierungsprogramm im Mittelpunkt steht. Folgende Projekte müssen nach den Vorstellungen des Verteidigungsministeriums verwirklicht werden: die Stationierung von 100 schweren MX-Interkontinentalraketen, die Entwicklung und der Bau einer kleineren ballistischen Langstreckenrakete des Typs „Midgetman" mit nur jeweils einem Sprengkopf, die Einführung von zwei neuen Bombertypen sowie die beschleunigte Stationierung von insgesamt 20 U-Booten der Trident-Klasse mit den dazugehörigen Atomraketen des Typs Trident D-5. Bis zur Einsatzfähigkeit dieser Systeme sind nach vorsichtigen Schätzungen in den nächsten fünf Jahren etwa 290 Mrd. Dollar aufzubringen

Die Stationierung der mobilen MX-Rakete wurde bereits von der Carter-Administration eingeleitet. Gegenüber dem bedrohlichen Erstschlagpotential der Sowjetunion in Gestalt ihrer Raketentypen SS-17, SS-18 und SS-19 sollte ein Gegengewicht geschaffen werden. Anderenfalls wäre die Sowjetunion theoretisch in der Lage, mit diesen schweren Interkontinentalraketen die unbeweglichen amerikanischen Systeme Minuteman II und III in einem Erstschlag zu zerstören. Dieses Bedrohungsszenario ist als „Fenster der Verwundbarkeit" (window of vulnerability) bekanntgeworden und von der Reagan-Administration als akute Gefahr für die nationale Sicherheit immer wieder beschworen worden. Trotz unzähliger Untersuchungen ist es allerdings bis heute nicht gelungen, eine strategisch befriedigende und politisch akzeptable Stationierungsmethode zu finden. Die über-schwere Rakete hätte mobil sein müssen, sollte sie die Zielerfassung seitens der Sowjetunion tatsächlich unmöglich machen. Präsident Reagan mußte eine bittere Niederlage hinnehmen, als der Kongreß im Dezember ! 1982 das von ihm mit Vehemenz propagierte Konzept einer MX-Stationierung auf engstem Raum (dense pack) entschieden zurückwies.

Gleichzeitig wurden die im Verteidigungshaushalt 1983 eingestellten 625 Mio. Dollar für die weitere Entwicklung und Erprobung gesperrt und ihre Bewilligung von der Vorlage einer überzeugenden Dislozierungsmethode abhängig gemacht. Präsident Reagan stand der Gefahr gegenüber, mit dem wesentlichsten Element seiner nuklearstrategischen Modernisierung zu scheitern.

Inzwischen liegt das Gutachten zum Gesamt-problem, der Bericht der sogenannten „Scowcroft Commission", auf dem Tisch -Präsident Reagan hatte eine unabhängige Gutachterkommission mit der Überprüfung des nuklearstrategischen Kräfteverhältnisses zwischen Ost und West beauftragt und auch unter Einbeziehung rüstungskontrollpolitischer Kriterien um Alternativvorschläge gebeten.

Der Kommissionsbericht hält daran fest, daß zumindest 100 MX-Systeme stationiert werden sollten. Den Grund sieht die Kommission nicht in erster Linie in der sowjetischen Fähigkeit eines erfolgversprechenden Erstschlages gegen das amerikanische Minuteman-Potential, sondern vielmehr in der Notwendigkeit, gegenüber der Sowjetunion glaubwürdig zu demonstrieren, daß die Vereinigten Staaten schwerwiegende Verschiebungen im Kräfteverhältnis nicht akzeptieren können.

Nur auf diesem Wege könne die sowjetische Seite zu Kompromißvereinbarungen über Rüstungskontrolle bewegt werden. Aus Gründen der nuklearstrategischen Stabilität schlägt die „Scowcroft Commission" auf längere Sicht die Reduzierung von mit Mehrfachsprengköpfen (MIRV) ausgestatteten Fernraketen vor und spricht sich für eine neue Rakete kleinerer Dimension mit nur einem Sprengkopf aus.

Die um Konsens bemühte Administration hat sich die Gutachterempfehlungen zu eigen gemacht und in die START-Verhandlungen eingebracht. Der Kongreß gab im Haushalt 1984 die erforderliche Anfangsfinanzierung frei.

Ob allerdings im Haushaltsjahr 1985 die für das Projekt zuständige Luftwaffe wie gewünscht für den Produktionsbeginn der ersten 40 Raketen weitere 6 Mrd. Dollar erhält, war bereits vor dem 16. Mai 1984 mehr als fraglich. Der um Einsparungen bemühte Kongreß zweifelte erneut die Rechtfertigung dieses Waffensystems an und faßte zumindest eine zeitliche Streckung des Programms ins Auge. Eine Studie des „Congressional Budget Office" wies darauf hin, daß durch Reduzierung der für 1985 geplanten 40 Raketen auf 21 über die nächsten fünf Jahre 6 Mrd. Dollar gespart werden könnten Die Forderung nach ersatzloser Streichung des MX-Programms wurde in einer bedeutenden Abstimmung des mehrheitlich demokratisch besetzten Repräsentantenhauses am 16. Mai mit 218 zu 212 Stimmen zurückgewiesen. Unmittelbar vor der Entscheidung hatte Präsident Reagan persönlich an die Abgeordneten appelliert und eindringlich die Notwendigkeit des von ihm als „peace Keeper" bezeichneten Raketen-systems unterstrichen. Allerdings befürwortete das Repräsentantenhaus mit 229 zu 199 Stimmen gleichzeitig, zunächst lediglich 15 Raketen zu finanzieren und die Freigabe der Gelder zudem noch bis zum 1. April nächsten Jahres zurückzuhalten. Damit soll gegenüber der Sowjetunion ein Anreiz zur Rückkehr zu den nuklearstrategischen Rüstungskontrollverhandlungen geschaffen werden. Die endgültige MX-Finanzierung für das Haushaltsjahr 1985 wird jetzt auf dem Vermittlungswege zwischen Repräsentantenhaus und Senat festgelegt werden. Wenn auch der Senat selbst noch keine eigene Entscheidung getroffen hat, so ist doch mit größerer Unterstützung für die Pläne der Administration zu rechnen.

Ein weiteres Streitobjekt stellt der geplante Langstreckenbomber B-l dar. Weitgehend unbestritten ist die zunehmende Veraltung der gegenwärtigen Bomberflotte mit den Flugzeugtypen B-52 G/H: Wenn diese Maschinen auch mit erheblichem Kostenaufwand modernisiert wurden, so geht das Grundmodell doch auf die Avionik der fünfziger Jahre zurück. Die Regierung Carter hatte das B-l Programm gestrichen und statt dessen der Ausstattung der B-52 mit Marschflugkörpern den Vorzug gegeben. Das jetzige Verteidigungsministerium will beides und außerdem die Entwicklung eines durch Radar weitgehend nicht erfaßbaren „Stealth" -Bombers beschleunigen. Ob für die Zwischenzeit die Investition für den B-l-Bomber vertretbar ist, bleibt überaus kontrovers. Vor allem die de-mokratischen Abgeordneten im Kongreß erblicken in der Beendigung dieses Beschaffungsvorhabens eine weitere Einsparungsgelegenheit. Für das Haushaltsjahr 1985 will das Verteidigungsministerium dafür zur Ausgabe von rund 8 Mrd. Dollar ermächtigt werden

Kaum eine politische Kontroverse hat sich im Zusammenhang mit der Stationierung der neuen Trident-U-Boote entzündet. Dieses Waffensystem, einschließlich der geplanten zielgenauen Raketeneinheiten für diese Bootsklasse, wird als die Abschreckung stabilisierendes Element der Nuklearstreitkräfte betrachtet. Solange diese seegestützten Raketen vom Gegner nicht lokalisierbar d. h. von einem Erstschlag auch nicht bedroht sind, gelten sie geradezu als perfektes Instrument der Abschreckung. Mit einem Kostenaufwand von rund 4 Mrd. Dollar für 1985 wird die Administration unter breiter Zustimmung des Kongresses das Programm fortsetzen

Im konventionellen Bereich hat die gegenwärtige Führung des Pentagon einen Strategiewandel eingeleitet. Für Verteidigungsminister Weinberger ist es unabdingbar, daß die amerikanischen Streitkräfte konventionell für drei verschiedene Konfliktszenarien in unterschiedlichen Regionen gleichzeitig vorbereitet sein müssen Im Fall einer militärischen Auseinandersetzung in Mitteleuropa sehen die Planungen die Mobilisierung und Heran-führung massiver Verstärkungskräfte von Nordamerika vor. Die militärische Beistands-Verpflichtung für die Verteidigung der westeuropäischen NATO-Verbündeten steht an erster Stelle. Militärische Konflikte werden aber auch gleichzeitig in der Region des Persischen Golfes sowie im Pazifik für möglich gehalten. Das Verteidigungsministerium weist in seiner Bedrohungsanalyse darauf hin, daß sich die Sowjetunion durch ihre konventionelle Aufrüstung einschließlich der Beschaffung enormer Luft-und Seetransportkapazitäten in die Lage versetzt hat, auf mehreren Kriegsschauplätzen gleichzeitig präsent zu sein

In der inneramerikanischen Debatte streite sich die Militärexperten darüber, ob man m dem vorhandenen Streitkräftepotential die sen strategischen Zielsetzungen in Wirklich keit gerecht werden kann. Der demokratisch Verteidigungsfachmann, Senator Sam Nunr erhebt etwa den Vorwurf, daß es die Admi nistration bei ihren konventionellen Verteidi gungsplanungen an einem realistischen Ver hältnis von Zielen und vorhandenen Mittel fehlen lasse Zusätzliche Finanzmittel übe:

das bisher Veranschlagte seien auf keiner Fall politisch durchsetzbar. Die Kritik kon zentriert sich vor allem auf die begonnene Erweiterung der amerikanischen Marine. Bis Ende der achtziger Jahre will das Pentagon insgesamt 600 Schiffe zur Verfügung haben Vor allem die Ergänzung der 12 Flugzeugträger-Kampfgruppen um drei zusätzliche auf insgesamt 15 Verbände mit den dazugehörigen F-14 und F-15 Kampfflugzeugen und den Begleitkreuzern der Aegis-Klasse bleibt kontrovers. Die Beschaffungskosten einer vollständigen Kampfgruppe betragen etwa

Mrd. Dollar Die Marineführung besteht unter Hinweis auf die Insellage der Vereinigten Staaten auf diesen zusätzlichen Schiffs-einheiten nicht nur zur Absicherung der Verbindungswege auf See, sondern gleichzeitig auch zum offensiven Einsatz gegen sowjetische Festlandziele sowie zu politischen Demonstrationszwecken im Falle sowjetischer Expansionsversuche in instabilen Regionen der Dritten Welt. Viele Kritiker befürchten, daß die amerikanischen Großflugzeugträger gegenüber hochentwickelten konventionellen Kampfmitteln immer verwundbarer werden Schon jetzt müsse ein Großteil der Beschaffungskosten für die Selbstverteidigung investiert werden. 1 Der finanzielle Spielraum für die angestrebten Offensivkapazitäten werde immer enger. Mit Sicherheit wird sich in der kommenden Haushaltsdebatte der Kongreß mit den Planungen im Marinebereich besonders kritisch auseinandersetzen.

IV. Verteidigungsausgaben und die amerikanische Volkswirtschaft

Beschaffungen Betrieb, Unterhaltung und Wartung Personal Forschung und Entwicklung Bau militärischer Anlagen und Einrichtungen Allgemeine Verwaltungskosten 86, 0 Mrd. 70, 0 Mrd. 66, 7 Mrd. 27, 0 Mrd. 5, 0 Mrd. 3, 5 Mrd. 64, 5 Mrd. 67, 7 Mrd. 54, 0 Mrd. 25, 2 Mrd. 4, 1 Mrd. 2, 2 Mrd. Tabelle 2: Quelle: US-Verteidigungshaushalt (Haushaltsjahr 1984) nach „appropriation account" in US-Dollar budget authorization outlays (Ermächtigung) (tatsächliche Ausgaben) Schätzungen des Autors auf Grundlage der Jahresberiw

er außerordentlich steile Anstieg der Vereidigungsausgaben seit 1981 wirft die Frage . ach den Konsequenzen für die amerikaniche Volkswirtschaft auf. Das von Präsident leagan 1981/82 im Kongreß durchgesetzte ‘rogramm zur Wiederbelebung der Wirtchaft bestand aus allgemeinen Steuersencungen, Kürzungen im Bereich der staatlihen Sozialausgaben sowie Steueranreizen ür individuelle Spareinlagen und Investitioen. Gleichzeitig verlangte die Administraion, die Ausgaben für die militärische Sicherreit drastisch zu erhöhen. Befürchtet werden ron Kritikern vor allem negative Auswirkungen in Gestalt inflationärer Schübe und erlahnender Produktivität

Vom Verteidigungsministerium werden diese Gefahren vehement bestritten. Im wirtschaftichen Gesamtzusammenhang spiele der Rüstungssektor eine untergeordnete Rolle. Schließlich würden höchstens 7% des Brutto-sozialproduktes davon betroffen. Im Gegenteil, hinsichtlich der allgemeinen Beschäftigungslage wirke das Verteidigungsprogramm positiv. Nach Angaben von Verteidigungsminister Weinberger sei mit jeder Milliarde Dollar, um die sein Budget gekürzt werde, der Verlust von 30 000 Arbeitsplätzen verbunden. In der Tat läßt sich auf lokaler Ebene die zusätzliche Schaffung von Arbeitsplätzen durch Verteidigungsinvestitionen nicht bestreiten. Große Militärbasen oder im Rüstungssektor tätige Unternehmen in Bundesstaaten wie Kalifornien, Texas, Washington, Connecticut und South Carolina haben die Arbeitslosigkeit während der Rezession 1982/83 in diesen Regionen unter dem nationalen Durchschnitt gehalten. Allen Kongreßabgeordneten ist dieser Effekt bewußt. Unabhängig von der parteipolitischen Zugehörigkeit votieren die Volksvertreter im Regelfall für diejenigen Rüstungsprojekte, von denen die Ankurbelung der Wirtschaft im heimischen Wahlkreis erwartet werden kann

In einer umfangreichen Studie ist das Kongreßbüro für Haushaltsfragen (Congressional Budget Office) dem Zusammenhang von Verteidigungsausgaben und allgemeiner Wirtschaftsentwicklung wissenschaftlich nachgegangen Im Ergebnis bestätigt die vielbeachtete Analyse, daß die geplanten Rüstungsaufwendungen auf absehbare Zeit weder die Inflation beschleunigen noch die Beschäftigungslage verschlechtern. Der Report begründet diese Prognose damit, daß die durchschnittliche Kapazitätsauslastung der Industrie bis 1985 höchstens 81% betragen werde.

Damit bleibe die Auslastung weit unter 85%, d. h.der Marke, die mit wirtschaftlicher Vollbeschäftigung gleichgesetzt wird. Selbst die zwischen 1948 und 1980 im Schnitt vorhandene Kapazitätsauslastung von 83% werde in nächster Zukunft nicht erreicht. Allerdings müsse mit divergierenden Entwicklungen einzelner Produktionssektoren gerechnet werden. In der Stahlerzeugung und -Verarbeitung etwa bleibe die zu erwartende Auslastung weit hinter den Werten vergangener Jahre zurück. Dagegen könne es im hochentwickelten Technologiebereich (Luft-und Raumfahrt, Kommunikation und Mikroelektronik) aufgrund der sprunghaft steigenden Nachfrage zu Engpässen kommen. Doch werde die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten — so die Kongreßstudie — den möglichen Tendenzen einer eskalierenden Preissteigerung entgegenwirken. Auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt erkennt der Bericht keine nennenswerten Inflationsimpulse durch Lohn-oder Gehaltsentwicklungen. Zwar führten die Rüstungsaufträge zu einem Mangel hochqualifizierter Wissenschaftler und Ingenieure, doch werde die insgesamt noch immer ungünstige Beschäftigungslage die in diesem Bereich zu erwartende Gehaltsexplosion ausgleichen. Mit Computersimulationen wird in der Studie versucht, das Ausmaß neuer Arbeitsplätze als Folge von Verteidigungsausgaben zu projizieren. Dabei ergibt sich im Resultat kein Unterschied von militärischen gegenüber zivilen Aufwendungen. Mit 10 Mrd. Dollar Verteidigungsausgaben würden etwa 250 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die gleiche Wirkung werde erzielt, wenn der Betrag von 10 Mrd. für den Kauf nicht-militärischer Güter und Dienstleistungen Verwendung finden würde.

Der als Militärexperte bekannte demokratische Kongreßabgeordnete Les Aspin kommt in einer von seinem Arbeitsstab soeben erstellten Analyse zu einer ähnlichen Einschätzung Er sieht den Kern des Problems in der Finanzierung des Verteidigungsbudgets. Auch das Haushaltsbüro hat in seinem Bericht die hohe Staatsverschuldung, bis 1988 werden etwa 300 Mrd. Dollar Defizit prognostiziert, als die wirkliche Gefahr für die weitere Wirtschaftsentwicklung identifiziert. Hier stellt sich auch das politische Problem der Administration im Umgang mit dem Kongreß. Im Wahljahr 1984 wird nicht nur über den nächsten Präsidenten entschieden, sondern auch das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel aller Senatoren müssen sich der Wiederwahl stellen. Die hohe Staatsver-schuldung wird zu einem zentralen Wahl kampfthema werden, zumal Ronald Reagai mit der Forderung nach einem ausgegliche nen Haushalt, die er sogar eigens durch eine Verfassungsänderung absichern wollte, ange treten war. Wenn auch für den Durchschnitts amerikaner das Budgetdefizit zunächst nui ein abstraktes Problem ist und er im Gegen satz zu Inflation und Arbeitslosigkeit direkl davon kaum betroffen wird, so ist er doch zu Sparmaßnahmen bereit. Allerdings will die Mehrheit eine Ausnahmeregelung für das Pentagon nicht akzeptieren. Mit Blick auf ihre Wähler haben deshalb selbst die republikanischen Abgeordneten die ursprünglich von Präsident Reagan geforderte Steigerung der Militärausgaben um 13% von 1984 auf 1985 abgelehnt und eine reale Steigerung der Militärausgaben von zunächst 7, 5% als Verhandlungsgrundlage für die beginnenden Haushaltsberatungen erwirkt. Zu rechnen ist mit weiteren Kürzungen, die am Ende eine Erhöhung um etwa 6% mit sich bringen werden.

V. Ausblick

Heer Luftwaffe Marine/Marine Corps andere Behörden sowie übergreifende Aufgaben 62, 3 Mrd. (24, 2%) 86, 1 Mrd. (33, 4%) 81, 9 Mrd. (31, 7%) 27, 7 Mrd. (10, 7%) 58, 5 Mrd. 77, 2 Mrd. 78, 0 Mrd. 27, 3 Mrd. abeile 3: Quelle: US-Verteidigungshaushalt (Haushaltsjahr 1984) nach Teilstreitkräften in US-Dollar budget authorization outlays (Ermächtigung) (tatsächliche Ausgaben) Schätzungen des Autors auf Grundlage der Jahresberichte des Verteidigungsministeriums für 1984 und 1985.

Wie die militärische Sicherheit unter Beachtung der politischen und wirtschaftlichen Toleranzgrenzen optimal zu organisieren ist, bleibt ein kontroverser Tagesordnungspunkt in der inneramerikanischen Debatte. Im Wahljahr 1984 wird die Auseinandersetzung von emotionaler Rhetorik der verschiedenen Lager belastet sein. Keinesfalls sollte man sich darüber hihwegtäuschen, daß trotz wirtschaftlicher Rezession und hoher Arbeitslosigkeit eine breite Mehrheit der Amerikaner mit höheren Verteidigungsleistungen einverstanden war. Die vom Kongreß abgeschwächten Zuwachsraten entsprechen dieser Grundeinstellung. Im Auge behalten sollte man auch, daß der Durchschnittsamerikaner von den Verbündeten der Vereinigten Staaten höhere Verteidigungsleistungen erwartet. Dabei ist die latente Kritik zunächst gegenüber Japan zu spüren, das einerseits die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit der Amerikaner herausfordert, andererseits zur Verteidigung seiner eigenen Sicherheit keinen auch nur annähernd vergleichbaren finanziellen Beitrag leistet. Auch die Westeuropäer werden mit zunehmendem Argwohn betrachtet. Wenn man auch zugestehen muß, daß über den tatsächlichen Beitrag der westeuropäischen Alliierten zum NATO-Bündnis innerhalb Amerikas noch immer ein Informationsdefizit besteht, so klar wird auf der anderen Seite erkannt, daß die Wirtschaftskraft der westeuropäischen Gemeinschaft die der Vereinigten Staaten bereits übertrifft. Darf es da überraschen, wenn die Amerikaner von ihren europäischen Partnern einen größeren Verteidigungsbeitrag erwarten?

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. National Defense Budget Estimates for FY 1985, Office of the Assistant Secretary of Defense (Comptroller), Washington (D. C.) March 1984. Diese Publikation enthält umfangreiches Zahlenmaterial über die Größenordnung und Struktur der amerikanischen Verteidigungsausgaben. Das amerikanische Haushaltsjahr beginnt am 1. Oktober und endet mit dem 30. September des folgenden Jahres.

  2. Vgl. Defense Dollars and Sense. A Common Cause Guide to the Defense Budget Process, Washington (D. C.) 1983.

  3. Die Zahlenangaben wurden aus Gründen der Übersicht jeweils auf-oder abgerundet. Die als „tatsächliche Ausgaben" bezeichneten Beträge sind ungefähre Schätzungen.

  4. Vgl. Budgeting For America. The Politics and Process of Federal Spending, Congressional Quarterly, Inc., Washington (D. C.) 1982 sowie St. Collender, The Guide to the Federal Budget, Fiscal Year

  5. Vgl. L. Aspin, The Defense Budget and Foreign Policy: The Role of Congress, in: Daedalus (1975) Summer.

  6. Vgl. D. M. Abshire/R. D. Nürnberger (Eds.), The Growing Power of Congress, Beverly Hills 1981.

  7. Report of the Secretary of Defense Caspar W. Weinberger to the Congress, Fiscal Year 1985, Washington (D. C.) 1984, S. 5 und 6.

  8. Vgl. W. W. Kaufmann, Analysis of the Fiscal Year 1985 Defense Budget and Associated Five-Year Defense Program, Prepublication Draft, Washington (D. C.) April 1984.

  9. Vgl. etwa G. W. S. Kuhu, Defense, in: R. N. Hol-will (Ed.), Agenda '83, Heritage Foundation, Washington (D. C.) 1983.

  10. Vgl. in Analysis of the President's Budgetary Proposals for Fiscal Year 1985, Congressional Budget Office, Washington (D. C.) February 1984, S. 41— 76.

  11. Vgl. Report of the President's Commission on Strategie Forces, Washington (D. C.) April 1983.

  12. An Analysis of Administration Strategie Arms Reduction and Modernization Proposals, Congressional Budget Office, Washington (D. C.) March 1984.

  13. Vgl. Report of the Secretary of Defense .... FY 1985 (Anm. 7).

  14. Vgl. DOD's FY 85 Budget, in: Armed Forces Journal International, March 1984.

  15. Vgl. Report of the Secretary of Defense Caspar W. Weinberger to the Congress, Fiscal Year 1983, Washington (D. C.) 1982.

  16. Vgl. Soviet Military Power, Third Edition, Department of Defense, Washington (D. C.) 1984.

  17. Vgl. S. Nunn, The Need to Reshape Military Strategy, Rede vor der Georgetown University, Washington (D. C.) am 18. März 1983 (unveröffentlichtes Manuskript).

  18. Vgl. W. W. Kaufmann, Anm. 8.

  19. Vor allem der demokratische Senator Gary Hart gilt als Gegner der geplanten Großflugzeugträger.

  20. In öffentlichen Stellungnahmen haben vor allem der Wall Street-Analytiker Henry Kaufman sowie der Volkswirtschaftler Lester Thurow auf diese Gefahren hingewiesen. Vgl. hierzu auch L. Thurow, Zero-Sum Society, New York, 1980.

  21. Ein typisches Beispiel ist der demokratische Senator Alan Cranston aus Kalifornien. Obwohl er sich als einer der schärfsten Kritiker der gegenwärtigen Verteidigungspolitik und als Mitbegründer des „nuclear freeze" profiliert hat, befürwortet er die Produktion Dieses Beschaffungsprogramm B-l-Bomber. ist für die Wirtschaft in Kalifornien überaus lukrativ.

  22. Vgl. Defense Spending and the Economy, Congressional Budget Office, Washington (D. C.) February 1983.

  23. Vgl. L. Aspin, Defense Spending and the Economy, U. S. House of Repräsentatives, Washington (D. C.) April 1984.

Weitere Inhalte

Wolfgang Pordzik, M. A„ geb. 1947; von 1977 bis 1978 Research Affiliate beim Center for International Studies des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (Mass.); bis 1981 Leiter des Forschungsbereichs Internationale Beziehungen/Sicherheitspolitik im Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung; seit 1981 Leiter des Washington Research Office der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington (D. C.). Veröffentlichungen u. a.: Die Zukunft des SALT-Dialoges, in: Europäische Wehr-kunde, 30 (1981) 9; Die inneramerikanische Diskussion über Rüstungskontrolle, in: Europa Archiv, 37 (1982) 16; Die Zukunft strategischer Rüstungskontrolle, in: Europäische Wehrkunde, 32 (1983) 7; Amerikanische Rüstungskontrollpolitik im Widerstreit, in: Europa Archiv, 38 (1983) 13.