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Konturen sowjetischer Rüstungspolitik | APuZ 22/1984 | bpb.de

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APuZ 22/1984 Artikel 1 Der amerikanische Verteidigungshaushalt Konturen sowjetischer Rüstungspolitik Die Entwicklung bundesdeutscher Militärausgaben in Vergangenheit und Zukunft

Konturen sowjetischer Rüstungspolitik

Wolfgang Pfeiler

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag befaßt sich mit dem Wachstum der sowjetischen Rüstung, mit der damit verbundenen Belastung der sowjetischen Volkswirtschaft und mit den Beziehungen zwischen Politik und Militär, Politik und Wirtschaft sowie Militär und Wirtschaft. Ungeachtet fraglicher westlicher Berechnungsmethoden sind die sowjetischen Rüstungsausgaben über Jahrzehnte kontinuierlich angestiegen. Dieser Trend setzt sich gegenwärtig fort Die damit verbundenen Belastungen konnten von der Volkswirtschaft verkraftet werden und ließen zugleich eine kontinuierliche, wenn auch mäßige Steigerung des Lebensstandards zu. Zwar wiegt die Rüstungslast schwer, doch die Grenze des Möglichen ist noch nicht erreicht. Die Grundsatzentscheidungen über die sowjetische Rüstungspolitik werden vom Verteidigungsrat des Politbüros getroffen. Die sowjetische Rüstung ist somit nicht auf das Wirken eines „militärisch-industriellen Komplexes" zurückzuführen; sie ist vielmehr das Ergebnis der Politik der KPdSU. Der Primat der Politik über Militär und Wirtschaft ist charakteristisches Merkmal des sowjetischen politischen Systems.

über den jeweiligen Stand und die Perspektiven der sowjetischen Rüstungswirtschaft ist im Laufe der letzten 60 Jahre sehr viel geschrieben, diskutiert und mehr noch spekuliert worden. Inwieweit die, Schätzungen stimmten oder nicht, konnte dabei in der Regel erst nach Ablauf einer größeren Zeitperiode beurteilt werden. Im nachhinein zeigte sich nicht selten, daß es hier erhebliche Fehleinschätzungen gegeben hat. Es hat gravierende Überschätzungen, vor allem aber immer wieder hartnäckige Unterschätzungen des sowjetischen Potentials und der sowjetischen Fähigkeiten gegeben. Der wichtigste Grund hierfür ist die Tatsache, daß in der Sowjetunion Daten, die sich auf den militärischen Bereich beziehen, in der Regel nicht verfügbar gemacht sind. Aber auch die relativ wenigen Angaben, die publiziert werden, sind nicht unproblematisch. Meistens ist die sowjetische Methodologie nicht bekannt, mit der die jeweiligen Informationen gewonnen wurden. Des weiteren muß in der Regel davon ausgegangen werden, daß allein die Publikation von Informationen durch die Sowjetunion von politischen Absichten mitbeeinflußt ist. Genauer gesagt: Es wird fast ausnahmslos nur das veröffentlicht, was politisch opportun erscheint. So hat „die Diskrepanz zwischen dem, was die Sowjetunion sagt und was der Westen glaubt, inzwischen absurde Proportionen angenommen, und man möchte gern wissen, wie lange dieser Zustand noch vorhalten kann"

Zwar hat sich die Datenbasis, die in diese Schätzungen einfließt, in den letzten beiden Jahrzehnten durch die Satellitenaufklärung ganz erheblich verbessert. Aber auch diese nationalen technischen Mittel (National Technical Means) ergeben keine vollständige Transparenz. Besonders schwierig ist es, von quantitativ ermittelten Outputs auf finanzielle Inputs und damit auf das Rüstungswachstum rückzuschließen. Und in noch höherem Maße gilt das, wenn es um qualitative Veränderungen bei den Outputs geht. So ist es immer wieder zu recht unterschiedlichen Einschätzungen über das Wachstum der sowjetischen Rüstungsausgaben gekommen. Und auch im vergangenen Jahr gab es wieder eine analytische Debatte in den USA über den Umfang, das Wesen und die Prozentzahlen dieses Wachstums

Ein besonderes methodologisches Problem bei der Untersuchung der sowjetischen Realität hat einen politischen Hintergrund. Die politischen Entscheidungsträger in den westlichen Ländern wollen nämlich die Informationen über die Sowjetunion möglichst schnell erfassen können, um sie als Entscheidungshilfen nutzen oder um sie überhaupt bewerten zu können. In aller Regel können sie mit den verfügbaren Informationen nur dann arbeiten, wenn diese in den Kategorien vorliegen, in denen westliche Politiker zu denken gewohnt sind. Das ist solange unproblematisch, als es sich um reale Größen handelt, beispielsweise eine Umrechnung von Tonnen in Faß. Es wird jedoch problematisch, wenn man die sowjetische Wirklichkeit in Dollars oder in Prozenten vom Bruttosozialprodukt (BSP) erfassen will. Alle Umrechnungen dieser Art, auf die die Politiker ja nicht verzichten können, sind notwendigerweise immer mit einem gewissen Verlust an Wirklichkeit oder mit Verzerrungen verbunden.

I. Das Wachstum der Rüstung

Die Bandbreite der Schätzungen, welche Zuwachsraten die sowjetische Rüstungswirtschaft aufweist, ist in den westlichen Quellen stets unterschiedlich gewesen. Sie erstreckt sich von 2 % bis etwa 8, 5 % jährlich. Bis Ende 1982 lagen mittlere Schätzungen etwa bei 4 % Das änderte sich 1983, als die CIA (Central Intelligence Agency) erklärte, daß man seit 1976 die Zuwachsraten der sowjetischen Militärausgaben erheblich (um bis zu 50 %) überschätzt habe. Tatsächlich hatten sie nur bei real 2 % jährlich gelegen. Demgegenüber behauptete die DIA (Defense Intelligence Agency), daß die CIA eine falsche Berechnungsmethode angewendet habe. Die Analytiker des Pentagons gingen mit ihrer neuesten Schätzung von 6, 5 % sogar über ihre früheren Einschätzungen (4 %) ganz wesentlich hinaus . Bei diesen Angaben wurde angenommen, daß die sowjetischen Geldausgaben in Rubel um diesen Prozentsatz gestiegen wären, wiewohl der Outputzuwachs sich dann nur um 3 % bis 4 % vermehrte. Während man so auf der einen Seite davon ausging, daß man in der Vergangenheit aufgrund überhöhter Schätzungen auch zu überhöhten Prognosen gelangt sei, hieß es auf der anderen Seite, daß man bisher falsche Berechnungsmethoden zugrunde gelegt habe.

Immerhin kam es zu einer annähernden Übereinstimmung insoweit, daß die Sowjetunion in den letzten Jahren etwas weniger bei der Rüstung zulegte, als man erwartet hat . Es erhebt sich die Frage, worauf dieser Effekt zurückzuführen ist. Eine mögliche Erklärung, die vom DIA favorisiert wird, ist, daß die Sowjetunion finanziell tatsächlich soviel ausgegeben wie man vorausgesagt habe, daß sie aber dafür weniger bekommen habe. Anders formuliert: Kostensteigerungen und Ineffizienz haben den Ausstoß vermindert . Andere Autoren zeigen, daß die sowjetischen Verteidigungsausgaben und das sowjetische Bruttosozialprodukt (BSP) oder auch Nationaleinkommen in sehr hohem Maße linear korreliert sind. Sie vermuten deshalb, daß die Militärausgaben durch irgendein politisches Arrangement in der Führung an das sowjetisehe Wirtschaftswachstum gekoppelt seien

Aus dieser Sicht heraus hätten sich die sinkenden Zuwachsraten der Gesamtwirtschaf:

in den letzten Jahren proportional auch au'

die Verteidigungsausgaben ausgewirkt. Sollte dies zutreffen, so würde das heißen, daß die gestiegenen gesamtwirtschaftlichen Zuwachsraten des Jahres 1983 dann auch wieder entsprechende Steigerungen bei den Zuwachsraten der Rüstung zur Folge haben würden. Eine offizielle chinesische Quelle deutet eine noch viel einfachere Erklärung an. Hier heißt es, „daß die Sowjetunion 1982 ihren Plan über die jährliche Steigerung der Militärausgaben um 4 bis nicht erfüllen konnte"

Ebenfalls sehr einfach und einsichtig ist auch die Erklärung, daß die vergleichsweise kleinen jährlichen Schwankungen bei den Wachstumsraten der sowjetischen Verteidigungsausgaben über die letzten zwanzig Jahre hin ausschließlich auf Fluktuationen im Beschaffungszyklus für die bedeutenderen Waffensysteme zurückzuführen sind Das heißt mit anderen Worten: Immer dann, wenn größere Waffenbeschaffungsprogramme gerade abgeschlossen worden sind, entsteht der Eindruck, als ob anschließend weniger für die Verteidigung getan würde, obwohl es prinzipiell durchaus möglich wäre, daß gleichzeitig erhebliche zusätzliche Mittel in neue Forschungs-und Entwicklungsprogramme hin-einfließen. Die Frage, in welchem Umfang die UdSSR ihre Verteidigungsaufwendungen erhöht, wird aller Voraussicht nach auch in Zukunft permanent Gegenstand der Diskussion sein. Für die politische Einschätzung sind dabei nicht so sehr die einzelnen, nach verschiedenen Berechnungsmethoden ermittelten Zahlen interessant, sondern vielmehr die langfristigen Trends. Und dieser Trend zeigt über die Jahrzehnte hin das sowjetische Bestreben, die militärische Macht zu festigen und auszubauen. Der Ausbau der sowjetischen Hochseeflotte seit Mitte der sechziger Jahre ist dafür ein sichtbares Beispiel. Ein zusätzliches Indiz in diese Richtung ist auch die kontinuierliche Erweiterung der Produktionsfläche der sowjetischen Rüstungsindustrie, die auf jährlich etwa 3 % geschätzt wird Hierbei handelt es sich um die Produktionsfläche von 134 Rüstungsbetrieben, von denen 24 für die Landstreitkräfte, 24 für die Marine, insgesamt 37 für die Luftwaffe und die Luftabwehr und 49 für die Raketenstreitkräfte arbeiten. Anzeichen für eine Verminderung dieser Wachstumsrate gibt es nicht.

Neben der Frage nach dem tatsächlichen Wachstum der Rüstung gilt es auch zu prüfen, welchen Rüstungszuwachs die Sowjetunion angesichts ihres industriellen Produktionspotentials und seiner Wachstumsraten verkraften kann. Die Grundannahme lautet, „daß die sowjetische ökonomische Basis zu eng ist, um gleichzeitig einen weiteren massiven Anstieg in militärischer Stärke, den Erhalt und die Ausweitung eines ohnedies überdehnten Empires und den langsamen, aber beständigen Anstieg im sowjetischen Lebensstandard zuzulassen, der langfristig für die interne Stabilität wesentlich ist" -Umgekehrt bedeutet das, daß es durch Rüstungsbegrenzungen möglich wäre, das gesamtwirtschaftliche Wachstum bis zu einem halben Prozent zu steigern und damit die Chancen für eine bessere Konsumgüterversorgung zu erhöhen. Bond und Levine haben hierzu eine Computer-Simulation gemacht. Sie gingen von einer mittleren Wachstumsrate von 4, 5 % im Bereich der Rüstungswirtschaft aus und verglichen dann, wie sich die Gesamtwirtschaft entwickeln würde, wenn (a) die Zuwachsrate bei der Rüstung auf 2, 5 % abgesenkt oder (b) diese Rate auf 7, 5 % erhöht werden würde. Weder im Fall (a) noch im Fall (b) gab es eine signifikante Auswirkung der Beschränkung bzw. Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf den Gesamt-Output der nationalen Produktion. Es gab auch keine Auswirkungen auf die Investitionen, wohl aber auf die Konsumgüterversorgung

Zwei andere Autoren gingen davon aus, daß sich die Anteile am Bruttosozialprodukt, die jeweils der Investitionsgütersektor, der Konsumgütersektor und der Verteidigungsgütersektor einnehmen, in den letzten zehn Jahren stabilisiert haben. Sie schätzen, daß eine jährlich dreiprozentige Erhöhung der sowjetischen Verteidigungsausgaben möglich ist, ohne daß der Investitionssektor und der Konsumsektor darunter zu leiden haben. Langfristig gesehen halten sie, je nachdem welche Annahme über künftige gesamtwirtschaftliche Wachstumsraten man zugrunde legt, jährliche Rüstungssteigerungen bis zu % für möglich 13). In ähnlicher Weise zeigt auch die neueste Berechnung für den amerikanischen Kongreß, daß eine erhebliche Steigerung der Wachstumsraten der Rüstungsindustrie auf die Gesamtwirtschaft nur einen sehr begrenzten Einfluß haben würde. Selbst wenn man diese Wachstumsrate über ein Jahrzehnt mit 9 % ansetzte, würde die Verminderung des Gesamtwachstums gering sein, und auch die Wachstumsraten beim Konsum würden sich nur um 1 % pro Jahr verringern

Es gibt somit keine immanenten Sachzwänge, die wesentliche Begrenzungen herbeiführen würden: „Das militärische Wachstum oder die Aufrüstung der Sowjetunion hält an, wenn auch möglicherweise unter dem Eindruck gewisser Faktoren verlangsamt." Das aber muß nicht unbedingt heißen, daß die Sowjetführung eine solche Entwicklung uneingeschränkt positiv sieht. Es bedeutet vielmehr, daß diese Führung politisch entscheidet, in welchem Umfang sie Ressourcen für die Rüstung bereitstellt.

II. Die Rüstungslast

Die Grundfrage, die sich hier stellt, ist, welche Rüstungslast die sowjetische Wirtschaft überhaupt zu tragen imstande ist. Bei einer solchen Fragestellung wird meist stillschweigend davon ausgegangen, daß die Verteidigungsausgaben eine Belastung für das wirtschaftliche Wachstum wären. So einfach liegen die Dinge jedoch nicht; denn Zuwachs an erzeugten Rüstungsgütern geht ja auch in das wirtschaftliche Wachstum mit ein. Auch die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Ergebnisse deuten darauf hin, daß es zwischen Rüstungswirtschaft und Gesamtwirtschaft eine permanente Rückkoppelung gibt. Im Westen gibt es im großen und ganzen drei Methoden, die Kosten der sowjetischen Verteidigungsaufwendungen im weitesten Sinne zu ermitteln. Die erste Methode geht von den sowjetischen Inputs aus, d. h. von den Allokationen, die das sowjetische Budget für den Verteidigungssektor vorsieht. Die beiden anderen Methoden gehen dagegen vom sowjetischen Output aus, d. h. von dem, was die Sowjetunion an Verteidigungspotential produziert hat.

Die erste Methode wird auch als Budget-Methode bezeichnet. Hier wird der offizielle sowjetische Haushalt als Grundlage genommen. Dabei werden dann alle Positionen des sowjetischen Gesamtbudgets daraufhin abgeklopft, inwieweit in ihnen Aufwendungen für die Rüstung verborgen sind. Die Summe dieser Schätzungen wird dann zu dem eigentlichen Verteidigungsetat addiert. Die Schwachstellen dieser Verfahrensweise bestehen in folgendem: Sie bezieht sich nur auf die finanziellen Inputs und nicht auf das, was mit ihrer Hilfe tatsächlich an Potential erzeugt worden ist. Zum zweiten hängen die Ergebnisse von den Schätzungen ab, die die westlichen Experten für den sowjetischen Haushalt vornehmen. Und schließlich ist man bei Anwendung dieser Methode auf die offiziellen sowjetischen statistischen Angaben angewiesen. Der Indikator also, der die sowjetische Rüstungslast in Prozenten vom sowjetischen Gesamthaushalt angibt, beruht nicht auf Fakten-Wissen und ist dementsprechend unzuverlässig

Die zweite Methode besteht darin, zu kalkulieren, was das sowjetische Verteidigungsinstrumentarium kosten würde, wenn es in der USA hergestellt worden wäre. Auf diese Weise wird also ein Dollar-Äquivalent der sowjetischen Militärausgaben errechnet. Da man bei diesem Verfahren von sowjetischen Angaben unabhängig ist, gilt es als aussagekräftiger als die Budget-Methode. Aber auch hier gibt es spezifische Mängel. Zunächst einmal erscheint dabei die sowjetische Verteidigungsorganisation, gemessen an den Bedingungen, die in den Vereinigten Staaten existieren, weniger effizient. Da hier die amerikanischen Verhältnisse Maßstab sind, heißt das, daß sich sowohl die amerikanische Inflation als auch alle Sold-Erhöhungen bei den US-Streitkräften unmittelbar als eine Erhöhung der sowjetischen Militärausgaben niederschlagen. Umgekehrt würde sich beispielsweise die Wiedereinführung der Wehrpflicht in den USA als Senkung der sowjetischen Militärausgaben auswirken. Und wenn man versucht, die Rüstungsausgaben der Volksrepublik China nach diesem Verfahren zu berechnen, so ergibt sich das „bizarre" Ergebnis, daß Chinas Verteidigungsausgaben genauso hoch sind wie die Amerikas Die Aussagekraft dieses Berechnungsverfahrens ist also auch recht begrenzt.

Der dritte und zugleich gebräuchlichste Maßstab ist der Anteil der Militärausgaben am Bruttosozialprodukt, der auf Rubel-Basis ermittelt wird. Bei dieser Berechnungsmethode wird das sowjetische Potential blockweise erfaßt. Das heißt, bestimmte Geräte, Waffensysteme und Personalgruppen werden als ein Block definiert, und es wird ihnen ein Preis in Rubel zugeordnet. Die Summe aller Preise wird dann auf das BSP bezogen.

Auch dieser Maßstab ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zunächst einmal erfordert er hinsichtlich der Datenbeschaffung und Auswertung enorme Aufwendungen. Und selbst wenn dieses Verfahren sehr differenziert durchgeführt wird, bleibt auch hier die Summe der Verteidigungsausgaben letzten Endes eine Summe unterschiedlicher Schätzungen. Des weiteren ist in der Sowjetunion nicht das BSP, sondern das Nationaleinkommen die statistische Berechnungsgrundlage. Die Größe BSP wird aber mit Hilfe westlicher Umrechnungsmethoden ermittelt

Schließlich ist der Indikator „Verteidigungsausgaben/BSP" schon wegen der oben erwähnten Rückkoppelungsschleife nicht eindeutig. Wenn sich nämlich die Rüstungswirtschaft nicht zur Gänze negativ auf die Gesamtwirtschaft auswirkt, so kann auch der Anteil der Verteidigungsausgaben am BSP nicht ohne weiteres als ein Maß für die volkswirtschaftliche Belastung durch Rüstung angesehen werden Das Resultat ergibt sich also aus einer geschätzten Zahl (den Militär-ausgaben) bezogen auf eine nach westlichen Umrechnungsmethoden ermittelte Größe (das BSP). Die beiden Schätzungen (Militärausgaben, BSP) innewohnende Problematik wird also kumuliert. Dementsprechend hat es auch mit diesem Berechnungsmaßstab immer wieder Schwierigkeiten gegeben. So schätzte die CIA bis 1976 die sowjetischen Verteidigungsausgaben auf 6 — 8% des BSP. 1976 wurde diese Zahl dann abrupt auf 11 — 13% erhöht. „Dies wurde weithin so mißverstanden, daß es bedeuten würde, daß die Sowjets mehr in Waffen investieren würden. Die Wahrheit war, daß sie mehr investierten, um aufgrund ihrer Ineffizienz dieselbe Menge an Waffen zu produzieren." Real hatte sich in der Sowjetunion also gar nichts verändert. Verändert hatte sich die CIA-Einschätzung der Effizienz des sowjetischen Rüstungssektors. Man war inzwischen zu der Auffassung gelangt, daß diese Effizienz wesentlich niedriger war als bisher angenommen. Je geringer jedoch die Effizienz der eingesetzten Mittel, um so höher mußte ihr absoluter Umfang sein. Konsequenterweise mußte also der in der Rüstungswirtschaft verbrauchte Anteil am Bruttosozialprodukt höher angesetzt werden. Die Leistungsfähigkeit der sowjetischen Rüstungswirtschaft war also niedriger einge-schätzt worden. Letzteres drückt sich auch in den gegenwärtig geltenden Schätzungen aus. Allgemein wird zur Zeit im Westen der Anteil der sowjetischen Verteidigungsausgaben am BSP auf 12 bis 14% geschätzt die Gesamtbreite der Schätzung bewegt sich jedoch von 10 bis 20 % Franklyn Holzman hat kürzlich den Versuch unternommen, sich mit den Berechnungen der CIA auseinanderzusetzen, um zu einer realistischeren Einschätzung zu gelangen. Seine Berechnungen ergaben, daß die CIA-Werte um etwa 1 bis 2 % reduziert werden müßten Mit anderen Worten: die sowjetischen Rüstungsausgaben bezogen auf das BSP betragen zwischen 10 und 13 %.

Realitätsbezogener als die vorstehend skizzierten drei Berechnungsmethoden wäre das Verfahren, die geschätzten Militärausgaben auf das Nationaleinkommen zu beziehen, wie es in der sowjetischen Statistik erfaßt wird. Denn die Leistungsfähigkeit der Rüstungsindustrie hängt nicht direkt vom Bruttosozialprodukt, sondern von der Leistungsfähigkeit von Industrie und Wissenschaft ab. Eine solche Berechnungsmethode wäre auch deshalb realistischer, weil der Dienstleistungssektor im amerikanischen BSP einen unverhältnismäßig größeren Anteil einnimmt als auf der sowjetischen Seite Allerdings wären die Ergebnisse eines solchen Verfahrens für westliche Politiker schwieriger zu handhaben, da dann ein direkter Zahlenvergleich mit den Rüstungslasten der NATO-Länder nicht mehr möglich wäre. Will man dennoch den Anteil der Verteidigungsausgaben am BSP als Maß für die Belastung einer Volkswirtschaft ansehen, so müssen folgende Überlegungen mit einbezogen werden. Die Produktion von Rüstungsgütern, die in den Export gehen und der UdSSR wenigstens teilweise nicht unerhebliche Deviseneinnahmen bringen, kann schlechterdings nicht als Teil der Belastung angesehen werden, sondern eher als ihr Gegenteil. Darüber hinaus erscheint es fraglich, ob man eine ökonomische Belastung auch ohne weiteres als eine politische Last sehen kann. In der Bewertung der sowjetischen Führung sind die Militärausgaben zu einem sicher nicht unwesentlichen Teil ein wichtiger Beitrag zur Außenpolitik, ein Beitrag, die politischen Zielvorstellungen, darunter auch die wirtschaftlichen Interessen, durchzusetzen. „Unter diesem Blickwinkel erscheinen die VA [Verteidigungsausgaben; W. P. [als positiver Beitrag zur Gesamtpolitik eines Staates und der Anteil der VA am BSP als (politische) Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft, das Ihrige zur Durchsetzung der außenpolitischen Ziele beizutragen." Den sowjetischen Führern könnten sie so durchaus als ein unverzichtbares Mittel zur Stabilisierung der sozialistischen Wirtschaft erscheinen.

Alle bisherigen Versuche, den Umfang und das Wachstum der sowjetischen Rüstungswirtschaft und deren Anteil an der Gesamt-wirtschaft so zu berechnen, daß man zu vergleichbaren Zahlen kommt, sind also ziemlich problematisch. Ihre Ergebnisse sind mehr von den Berechnungsmethoden als von der Realität abhängig.

Politisch relevant ist jedoch eine andere Frage, die sich sowohl der sowjetischen Führung als auch den westlichen Beobachtern stellt: Inwieweit lassen sich die bisherigen Steigerungsraten bei der Rüstung aufrechterhalten oder vielleicht sogar noch vergrößern? Nicht wenige westliche Wissenschaftler gehen davon aus, daß die UdSSR in den nächsten Jahren bestrebt sein wird, das Wachstum im Rüstungssektor zu begrenzen. Solche Bestrebungen sind sicher auch durchaus vorhanden. Eine tatsächliche Verminderung des sowjetischen Rüstungsausstoßes ist jedoch aus folgenden Gründen äußerst unwahrscheinlich: 1. Die Außen-und Sicherheitspolitik, der di« sowjetischen Rüstungsanstrengungen dienet sollen, hat sich in den entscheidenden Mo menten nicht geändert. Die Aufgaben, derer Erfüllung die politische Führung von ihrer Militär fordert, sind in den letzten Jahrer eher noch komplexer geworden. Zu dieser Aufgaben gehören auch die Schwierigkeiter und Belastungen, denen sich die Sowjetunior innerhalb ihres Blocks und vor allem ir Afghanistan gegenübersieht.

2. Die allgemeine Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen und das vorläufige Ende der Genfer Rüstungskontrollverhandlungen geben eher gegenteilige Anreize. Auch die verstärkten amerikanischen Rüstungsanstrengungen der letzten Jahre, die ihrerseits eine Reaktion auf den sowjetischen militärischen Aufwuchs sind, werden im Sinne einer Rückkoppelung eher stimulierend auf die Wachstumsraten der sowjetischen Rüstungswirtschaft wirken

3. Wie schon oben angedeutet, sind die Belastungen durch die Rüstung nicht so groß, daß dadurch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung entscheidend gefährdet werden könnte. Auch historische Vergleiche sprechen dafür, daß die bisherigen Aufwendungen keinesfalls unerträglich sind. Wenn man etwa den schon genannten Indikator „Verteidigungsausgaben/BSP" zugrunde legt, so sind 13 oder 14 % kein außergewöhnlich hoher Wert und so können auch die sowjetischen Führer einigermaßen zuversichtlich davon ausgehen, notfalls noch über Reserven zu verfügen. Würden sie vor die Alternative gestellt, entweder den Rüstungswettlauf fortzusetzen oder poli-tische Zugeständnisse zu machen, so würden sie das erstere wählen.

4. Die Struktur des sowjetischen Wirtschaftssystems ist so angelegt, daß Begrenzungen für den Verteidigungssektor nicht zu erwarten sind. Erfordernisse der Verteidigungsindustrie haben absolute Priorität vor den beiden anderen Bereichen der Wirtschaft, vor dem Investment-und vor dem Konsumgütersektor. Um die Funktionsfähigkeit des militärischen Sektors zu wahren, werden notfalls umfangreiche Transfers aus dem zivilen Bereich getätigt

Die Einbettung der sowjetischen Rüstungsproduktion in die sowjetische Gesamtwirtschaft läßt sich am besten als ein System von drei Regelkreisen beschreiben: Der Regelkreis mit der höchsten Priorität ist die Rüstungswirtschaft, der mit der zweithöchsten die Investitionsgüterwirtschaft und der mit der niedrigsten die Konsumgüterwirtschaft. Diese drei Regelkreise sind in dem Sinne miteinander verwoben, daß der erste auf Kosten der beiden anderen ultrastabil gehalten wird, wie auch der zweite zu Lasten des dritten. Der innere Regelkreis (die Rüstungswirtschaft) ist auf diese Weise doppelt gegenüber allen innen-und außenpolitischen Störungen abgesichert. Anders formuliert: Alle Engpässe, alle Mängel und Systemzwänge, alle negativen innenpolitischen und außenpolitischen Einflüsse gehen primär zunächst einmal zu Lasten des Konsumgütersektors. Sie schlagen nur in Ausnahmefällen auf den zweiten Regelkreis, auf die Investitionsgüterindustrie, durch. Der innere Regelkreis, die Rüstungs-Wirtschaft, ist demgegenüber unempfindlich gemacht worden. Das gilt selbstverständlich auch für westliche Bemühungen, über den Außenhandel die sowjetische Rüstungswirtschaft zu beeinflussen. Zwar hat die Sowjetunion sich bietende Möglichkeiten genutzt, Engpässe bei den eigenen Rüstungsprogrammen durch den Import westlicher Technologie zu überwinden — und sie setzt diese Bemühungen auch nach dem amerikanischen Technologie-Embargo zum Teil mit nicht-legalen Methoden fort — aber sie ist davon nicht eigentlich abhängig. Berichte in westlichen Medien über die Ausnutzung westlicher Technologie durch die Sowjetunion haben in dieser Hinsicht mitunter einen verzerrten Eindruck hervorgerufen. David Holloway hat darauf hingewiesen, daß die vorliegenden Beweise die Proportionen nicht wiedergeben Es handelt sich hier mehr um eine Sammlung von Einzelfällen als um einen Trend. Auch in der Vergangenheit hat die UdSSR die entscheidenden militärischen Technologien (Wasserstoffbombe, Raketen, Satelliten) unabhängig entwickelt. Mehr noch als in jedem anderen Wirtschaftssektor ist sie essentiell daran interessiert, bei der Waffenproduktion autark und nicht von eventuellen Import-Möglichkeiten abhängig zu sein

5. Von den Kosten her sind Beschränkungen beim Rüstungswachstum nur in geringem Umfang gegeben. Westliche Beobachter stimmen darin überein, „daß die den großen Rüstungsindustrien zugeteilten Offiziere des Verteidigungsministeriums (voenpredy) keine Rücksicht auf die wirtschaftlichen Kosten nehmen, zu denen Waffen und Waffensysteme produziert werden, sondern nur auf deren Qualität achten" 6. Abschließend sei noch auf den Rüstungsexport der Sowjetunion hingewiesen, der für sie sowohl ein Mittel der Außenpolitik als auch ein Mittel zum Devisenerwerb ist. Da diese Form des Exports im Laufe der Jahre einen immer höheren Stellenwert bekommen hat, darf er bei der Untersuchung der sowjetischen Rüstungswirtschaft auf keinen Fall außer acht gelassen werden: . die Militärausgaben und Rüstungsproduktion der Sowjetunion sollten zusammen mit dem Export von militärischer Hardware und mit dessen Auswirkungen auf die gesamte sowjetische innere ökonomische Entwicklung analysiert werden" So betrug der Anteil der Rüstungsgüter am sowjetischen Gesamtexport im letzten Jahrzehnt zwischen 10 und 25 % Geht man von den Abkommen und Verträgen aus, die die UdSSR mit Ländern der Dritten Welt zwischen 1972 und 1981 abgeschlossen hat, so hat sie bis dahin etwa 27 % des Waffenmarktes der Dritten Welt an sich gezogen Damit ist der Handel mit Waffen inzwischen eine der Haupteinnahmequellen für Devisen geworden. Mindestens 10 %, wahrscheinlich 15 %, vielleicht sogar 17 % der sowjetischen Deviseneinnahmen stammen aus diesem Handel womit er inzwischen die sowjetische Flotte als Devisenbringer übertroffen hat

Der Umfang des Waffenhandels, den die UdSSR selbst „Handel mit nichtgenannten Ländern“ nennt, ist nicht genau bekannt und wird unterschiedlich geschätzt. Das Bundes-institut für ostwissenschaftliche und internationale Studien berichtet, daß die UdSSR 1980 einen Aktivsaldo von 3 Mrd. und 1981 von 3, 5 Mrd. Rubel erlöst habe. In einer Publikation der Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen heißt es, daß der Wert der sowjetischen Waffenexporte von 1969 bis 1979 von 1, 1 auf 9, 1 Mrd. Dollar angestiegen sei und daß allein 1980 für über 40 Mrd. Dollar Waffen verkauft worden seien. Annähernd die Hälfte aller sowjetischen Exporte in die Dritte Welt soll Mitte der siebziger Jahre aus Waffenlieferungen bestanden haben . Und die Anzahl der Empfängerländer dort hat sich im Laufe eines Jahrzehnts auf etwas über 30 Staaten ungefähr verdoppelt -Zu den wichtigsten Empfängerländern außerhalb des Ostblocks und Afghanistans gehörten vor allem Libyen, der Irak, Syrien, Indien, Äthiopien, Angola, Nordkorea und der Jemen (Sanaa)

In einigen Bereichen der sowjetischen Rüstungsproduktion liegen die Anteile, die in den Export gehen, besonders hoch. Man schätzt, daß bei Kriegsschiffen, Panzern und Geschützen mit Selbstfahrlafetten etwa die Hälfte, bei Flugzeugen und gepanzerten Fahrzeugen etwa ein Drittel, bei Hubschraubern ein Viertel und bei U-Booten ein Zehntel der Produktion in den Export in die Dritte Welt gegangen sind Bei derartigen Größenordnungen ergibt sich dann auch ein von sowjetischer Seite sehr erwünschter Effekt: die Stückkosten bei der Waffenproduktion werden nämlich niedriger.

Der Export von Rüstungsgütern ist jedoch nur ein — und nicht einmal der vorrangige — Aspekt sowjetischer Militärhilfepolitik, so günstig die ökonomischen Effekte für die sowjetische Rüstungsindustrie auch sein mögen. „In der Hauptsache dürften der Militärhilfe Moskaus jedoch . klassische'machtpolitische Ziele zugrunde liegen." Dies ist der Grund dafür, daß ein Teil der sowjetischen Militär-hilfe kostenlos oder zu wesentlich günstigeren Konditionen, als im Waffenhandel üblich, gewährt wird. Selbstverständlich schließt diese Hilfe nicht nur die Lieferung von Waffensystemen, Munition und Ersatzteilen ein, sondern auch die entsprechende militärische Ausbildung und das Bereitstellen der erforderlichen Infrastruktur. Obwohl die bisherigen Erfahrungen deutlich gezeigt haben, daß sowjetische Militärhilfe in den meisten Fällen nicht zu einem entsprechenden Anstieg des politischen Einflusses geführt hat, ist und bleibt sie dennoch Teil der sowjetischen globalen Politik. Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht zu erwarten, daß die Produktion militärischer Güter insgesamt in Zukunft eingeschränkt werden könnte.

Alle vorstehend genannten Gründe sprechen in ihrer Gesamtheit dafür, daß die UdSSR auch in Zukunft den Ausbau ihrer Rüstungswirtschaft kontinuierlich fortsetzen wird. Gelegentliche Schwankungen bei der Beurteilung der sowjetischen Zuwachsraten spielen hier angesichts des historischen Dauertrends nur eine untergeordnete Rolle. Auch wenn man, wie die gegenwärtigen Schätzungen, davon ausgeht, daß sich die Zuwachsrate vermindert habe, so heißt das dennoch, daß sich der absolute Zuwachs an Potential wiederum etwas vergrößert hat.

Die Eigeneinschätzung im Politbüro tendiert nach den Erfolgen des Jahres 1983 offensichtlich dahin, daß auch eine Ausweitung der Produktion keine Stagnation im Lebensstandard bedeuten muß: „Die Sowjetwirtschaft sichert nicht nur einen ununterbrochenen Anstieg des materiellen und kulturellen Lebens-niveaus des Volkes, sondern auch die erfolgreiche Lösung der Verteidigungsaufgaben. Das gegenwärtige Niveau der Produktion, der Wissenschaft und der Technik in unserem Lande erlaubt es, wenn das als Antwort auf die militärische Herausforderung des Imperialismus nötig werden sollte, jede beliebige Art von Waffen herzustellen und Armee und Flotte in der notwendigen Quantität damit auszurüsten."

III. Struktur der Rüstungspolitik

Wenn also Beschränkungen beim sowjetischen Rüstungszuwachs aufgrund interner Faktoren nicht zu erwarten sind, so erhebt sich noch die Frage, inwieweit hier Begrenzungen als Ergebnis von politischen Verhandlungen erzielt werden könnten. Praktische Erfahrungen gibt es bisher hierzu nicht. Klammert man die Probleme der Machbarkeit verhandelter Rüstungsbegrenzungen und ihrer Verifikation aus, so bleibt immer noch die Frage übrig, ob eventuelle Verhandlungsergebnisse auch innenpolitisch implementiert und durchgesetzt werden können.

Schon seit Jahrzehnten, aber insbesondere in den letzten Jahren, ist im Westen die Frage diskutiert worden, wie in der Sowjetunion das Verhältnis zwischen politischer und militärischer Führung gestaltet ist. Die große Rolle, die die Streitkräfte im gesellschaftlichen Leben dieses Landes spielen, die Allgegenwart militärischer Uniformen und der Kult mit militärischen Rängen, Auszeichnungen und Orden haben nicht selten den Eindruck entstehen lassen, daß den Militärs der UdSSR mehr Einfluß zukomme als denen anderer Länder. Der Eindruck verstärkte sich, als 1983 im Zusammenhang mit dem Abschuß eines südkoreanischen Passagierflugzeuges Pressekonfe-* renzen veranstaltet wurden, auf denen höchste Militärs die sowjetische Haltung darlegten. Vor allem stellte sich immer wieder die Frage, in welchem Umfang die Militärs politische Entscheidungen beeinflussen oder blokkieren können.

Auf der wissenschaftlichen Ebene ist diese Diskussion vor allem durch neuere amerikanische entscheidungstheoretische Ansätze und Modelle gefördert worden. Im Kontext dieser Ansätze wurden politische Entscheidungen nicht mehr primär als die Entscheidungen von politischen Führern oder von Staaten verstanden, sondern als das Ergebnis von Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Institutionen, Interessengruppen und Bürokratien. Diese an der Wirklichkeit der USA entwickelten entscheidungstheoretische Konzeptionen wurden dann auch angewendet, um den Entscheidungsprozeß in sozialistischen Staaten besser erforschen und verstehen zu können. Vorteil dieser Konzepte war es, daß durch sie das Bewußtsein für die Komplexität und Differenziertheit sozialistischer Strukturen geweckt oder gefördert wurde. Ihr Nachteil bestand darin, daß sie vom „demokratischen Zentralismus" Leninscher Deutung geprägte Entscheidungsstrukturen nicht erfassen konnten und so der Eindruck entstand, als könne man die politischen Entscheidungsprozesse in Ost und West mit den gleichen Methoden analysieren und erfassen. So wurde immer wieder nach dem Eigeninteresse etwa des sowjetischen Verteidigungsministeriums oder des Generalstabes gefragt und eben auch nach den spezifischen Interessen der sowjetischen Rüstungsindustrie. Man unterstellte — von den eigenen Denkmodellen ausgehend — für die UdSSR einen militärisch-industriellen Komplex analog dem in den USA. Man fragte so nicht mehr nach den sowjetischen Entscheidungsstrukturen, sondern danach, ob der Einfluß dieses militärisch-industriellen Komplexes zunehme oder nicht. Mit anderen Worten: Ein entscheidungstheoretischer Ansatz, der zur Erklärung der amerikanischen Wirklichkeit erhebliches beigetragen hatte, wurde auf die sowjetische Wirklichkeit angewendet, aber nicht als Hypothese, sondern als Theorem

Ein weiterer Nachteil derartiger entscheidungstheoretischer Konzepte ist, daß sie die sowjetische Geschichte und die durch sie bedingten Traditionen ausblenden. Wenn man die Frage nach dem Verhältnis zwischen Politik und Militär aus der historischen Perspektive angeht, so wird eines sehr schnell deutlich: Seit es die Sowjetunion gibt, hat die Armee dieses Staates unter strikter Kontrolle der politischen Führung gestanden. In allen entscheidenden Fragen und auf allen Ebenen hat die Partei ihre „führende Rolle" immer durchgesetzt. Und umgekehrt hat die militärische Führung die Hegemonie der Partei niemals ernsthaft in Frage gestellt

Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie finden sich in den historischen Erfahrungen und in den institutionellen Einrichtungen, die die Kommunistische Partei im Laufe der Zeit geschaffen hat, wie auch vor allem in der Struktur des überwachungs-und Kontrollsystems innerhalb der Streitkräfte. Daneben gibt es aber auch keine unvereinbaren Interessenunterschiede zwischen politischer und militärischer Führung.

Die höchsten militärischen Führer sind nicht so sehr Interessenvertreter ihrer Organisation, als vielmehr von der politischen Führung Beauftragte, die dafür zu sorgen haben, daß die ihnen anvertraute Organisation im Sinne dieser Führung funktioniert. „Das Militär ist ein administrativer Arm der Partei, nicht ewas, das davon getrennt wäre oder mit ihr konkurrieren würde." Die „führende Rolle der Kommunistischen Partei" wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont und gerade auch von den militärischen Führern immer wieder akzeptiert.

Vor allem aber hat die Partei in der UdSSR die Unterordnung der Militärs auf vielfältige Weise institutionalisiert. Das oberste Entscheidungsgremium für alle sicherheitspolitischen, rüstungswirtschaftlichen und militärischen Fragen ist der Verteidigungsrat des Politbüros. Er hat die höchste Richtlinien-und Entscheidungskompetenz in allen Fragen der Sicherheitspolitik unter Einschluß des gesamten Rüstungssektors. Seine Entscheidungen sind bindend für das Verteidigungsministerium, aber auch für die militärisch-industrielle Kommission, die dieses mit dem Ministerrat und den übrigen sowjetischen Ministerien verbindet. Zu den militärpolitischen Fragen, die der Verteidigungsrat des Politbüros regelmäßig berät und beschließt, gehören u. a.

— Besetzung der Führungspositionen in der Sowjetarmee, der Rüstungsindustrie und der rüstungsrelevanten Forschung und der Spitzenpositionen im Verteidigungsministerium, — Formulierung der Militärdoktrin, — Festsetzung von Umfang und Verwendung der Haushaltsmittel für alle sicherheits-und rüstungspolitischen Bereiche, — Allokation der rüstungsrelevanten Ressourcen, — Grundsatzentscheidungen über die rüstungsrelevante Forschung, — Festsetzung von Truppenstärken und Ausrüstungen der einzelnen Teilstreitkräfte, — Bestimmung der Richtlinien für die sowjetischen Delegationen, die mit dem Westen über Rüstungskontrolle verhandeln, — die politische und organisatorische Kontrolle der Streitkräfte durch die Partei. Sowohl der Generalstab als auch die fünf Teilstreitkräfte sind dann ihrerseits dem Verteidigungsministerium untergeordnet Die wichtigste Institution aber, mit der die Parteiführung eine permanente Kontrolle über die Streitkräfte ausübt, ist die Politische Hauptverwaltung. Sie trägt ein „organisatorisches Doppelgesicht"; sie ist eine Hauptabteilung im Verteidigungsministerium, zugleich aber hat sie den Rang einer Abteilung des Zentralkomitees der KPdSU Die Politische Hauptverwaltung hat zwei wesentliche Funktionen. Zum einen obliegt ihr der Bereich der ideologischen Ausbildung und Beeinflussung der Streitkräfte, dah. die politische Erziehung der Soldaten durch Agitation und Propaganda. Die zweite Funktion ist die politische Überwachung. Dazu hat die Politische Hauptverwaltung eine Kommandostruktur parallel zur militärischen entwickelt. Diese politischen Offiziere erhalten die gleiche Ausbildung und auch die gleichen Privilegien wie ihre Kollegen in den fünf Teilstreitkräften. Auf diese Weise haben sie institutionalisierten Zugang zu allen Ebenen der sowjetischen militärischen Hierarchie, die die Partei für unverzichtbar ansieht, um ihre Kontrolle zu gewährleisten.

Aber die Partei stellt ihren Primat über das Militär auch dadurch sicher, daß die ganz überwiegende Mehrzahl der Offiziere Mitglieder der Kommunistischen Partei oder doch zumindest des Komsomol sind. Ganz analog zu den betrieblichen und regionalen Gliederungen der Partei gibt es solche auch auf der Ebene aller Regimenter, Divisionen und Armeen. Auch die Arbeit der Parteiorganisationen innerhalb der Streitkräfte verläuft analog zu der in den zivilen Bereichen. Mitgliedschaft in und positive Beurteilung durch die Partei sind mit die wichtigsten Voraussetzungen für den beruflichen Aufstieg der Offiziere. Unabhängig von der Parteiarbeit und von der Politischen Hauptverwaltung existiert aber noch ein weiterer Strang der politischen Kontrolle, die dritte Abteilung des Komitees für Staatliche Sicherheit (KGB). Deren Aufgabe ist es primär, der politischen Führung jederzeit eine Art Röntgenbild all dessen zu liefern, was in den Streitkräften vor sich geht. Der KGB seinerseits ist ebenfalls der Parteiführung untergeordnet; auch seine Mitarbeiter sind in der Regel Parteimitglieder, und innerhalb des KGB existiert ebenfalls die übliche Struktur der Parteiarbeit.

Darüber hinaus wäre noch zu erwähnen, daß der Anteil von Militärs in den politischen Führungsgremien sehr niedrig liegt. So sind im Verlaufe der letzten 25 Jahre nur etwa 30 Mitglieder des ZK im eigentlichen Sinne als Militärs zu bezeichnen. Ihr prozentualer Anteil hat in den letzten 20 Jahren von 9 % auf 7 % abgenommen. Auf allen Entscheidungsebenen des politischen Apparates, im Politbüro, Zentralkomitee, im Sekretariat des ZK und im Ministerrat sind Berufsmilitärs entweder unterrepräsentiert oder an nicht entscheidender Stelle vertreten Für die Behauptung oder Erwartung, daß das Militär in der sowjetischen Politik eine zunehmende Rolle spiele, finden sich keine Bestätigungen in der sowjetischen Wirklichkeit. Auch das Auftreten höchster militärischer Führer auf zwei Pressekonferenzen des vergangenen Jahres ist keine Bestätigung für eine solche Annahme. Genauso könnte man umgekehrt interpretieren, daß die für den Abschuß des Linienflugzeuges militärisch Verantwortlichen „vorgeführt" wurden, um der Welt ihre Situationstheorie darzulegen. Schließlich hatten die Militärs die Pressekonferenz nicht von sich aus und nicht allein veranstaltet, eröffnet wurde sie vom Leiter der Abteilung für Internationale Information des ZK der KPdSU.

Auch Differenzen, die von Zeit zu Zeit zwischen Äußerungen von sowjetischen Politikern einerseits und Militärs andererseits beobachtet werden, lassen nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß es hier fundamentale Meinungsunterschiede gäbe. In aller Regel lassen sich solche Unterschiede funktional, d. h. vom jeweils angezielten Auditorium her, erklären. „Kein Beweis deutet darauf hin, daß das Militär jemals die Autorität der politischen Führung, die Staatsangelegenheiten zu leiten, in Frage gestellt hätte, oder daß das Militär als eine Institution jemals eine Position eingenommen hätte, die der der Partei in irgendeiner kritischen politischen Angelegenheit entgegensetzt gewesen wäre."

Wenn nun aber auch das Militär bei den entscheidenden politischen Problemen nicht mit-zureden hat, so bedeutet das jedoch keineswegs, daß es ohne Einfluß wäre. Dieser resultiert aus der professionellen Sachkenntnis, die von der politischen Führung anerkannt und regelmäßig nachgefragt wird. Auf diese Weise können politische und vor allem sicherheitspolitische Entscheidungen indirekt mit beeinflußt werden. Aber die Entscheidungen liegen bei der politischen Führung. So ist auch der militärische Aufwuchs der Sowjetunion und die Entwicklung ihres rüstungswirtschaftlichen Potentials nicht das Ergebnis politischen Drucks seitens der Generäle oder eines militärisch-industriellen Komplexes. Es ist ein Ergebnis der Politik der KPdSU.

IV. Fazit

Insgesamt also erscheint es wenig angebracht, das westliche Theorem vom militärisch-industriellen Komplex auf die Sowjetunion anzuwenden. Die Strukturen sind hier anders Die Militärs entscheiden — wenn auch nicht allein, so doch im Prinzip —, welche Güter die Rüstungswirtschaft für sie zu produzieren hat. Diese Entscheidungen werden im Rahmen der militärisch-industriellen Kommission getroffen und hängen von den Aufgaben ab, deren Erfüllung die politische Führung von den Militärs erwartet. Vereinfacht gesagt: Es gibt keinen militärisch-industriellen Komplex, sondern einen Primat des Militärischen vor der Wirtschaft und einen Primat der Politik über das Militär.

Damit läßt sich nun auch die zu Beginn des Abschnittes III gestellte Frage einigermaßen zuverlässig beantworten. Die langfristigen rüstungswirtschaftlichen Trends, die Größe und das Wachstum des Verteidigungssektors sind von Entscheidungen der politischen Führung abhängig, wobei das sowjetische System so strukturiert ist, daß der Primat der Politik sichergestellt ist. Die Rüstungswirtschaft und das Militär unterliegen der Kontrolle der Parteiführung. Für diese wäre es daher nicht schwer, eventuelle verhandelte Absprachen über Rüstungsbegrenzungen auch tatsächlich durchzusetzen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. R. Huisken, Estimating Soviet Military Expenditure, in: Ph. Towle (Ed.), Estimating Foreign Military Power, London 1982, S. 86,

  2. Vgl. D. Hoffman, Soviet Arms, in: International Herald Tribune (IHT) vom 3. 9. 1983, S. 3.

  3. Siehe hierzu: W. Pfeiler, Die sowjetische Rüstungswirtschaft. Ihre ökonomischen Grenzen und Möglichkeiten, in: Europäische Wehrkunde, 31 (1982) 12, S. 543, sowie IISS, The Military Balance 1983— 1984, London 1983, S. 13.

  4. Vgl. hierzu: R. Halloran, Soviet Arms Reported to Outpace Economy, in: IHT vom 8. 8. 1983, S. 2; H. Smith, Soviet Military Spending Grew More Slowly Than Estimated, CIA Reports, in: IHT vom 21. 11. 1983, S. 5; Militärmacht UdSSR — im Westen überschätzt, in: Der Spiegel, 15/1983, S. 155;. Rüstungsetat Moskaus überschätzt, in: Bonner Rundschau vom 5. 3. 1983, S. 2, sowie: E. Schulz, Weltpolitische Bürden der Sowjetunion, in: W. Wagner u. a. (Hrsg.), Die Internationale Politik 1979 - 1980, München - Wien 1983, S. 176.

  5. Vgl. D. Fewtrell, The Soviet Economic Crisis: Propects for the Military and the Consumer, in: Adelphi Paper 186, London, Winter 1983, S. 1, sowie: Wireless Bulletin from Washington, Dam Remarks in Chicago on U. S. -Soviet Relations, 200/1983, S. 3.

  6. Vgl. R. Halloran/L. H. Gelb, CIA Experts Say They Overstated Soviet Military Spending, in: IHT vom 4. 3. 1983, S. 2.

  7. W. J. Bishop /D. S. Sorenson, Superpower Delense Expenditures and Foreign Policy, in: Ch. W. Kegley (Jr.) /P. McGowan (Eds.), Foreign Policy, USA/USSR (Sage International Yearbook of Foreign Policy Studies), Beverly Hills 1982, S. 178.

  8. Li Ning, Ein Jahr größerer Turbulenz, in: Beijing Rundschau vom 4. 1. 1983, S. 23; vgl. a.: Xing Shugang et al., Veränderungen des Kräfteverhältnisses zwischen der Sowjetunion und den USA, in: Beijing Rundschau vom 10. 5. 1983, S. 181.

  9. Vgl.: D. Fewtrell, a. . a O. (Anm. 5), S. 11.

  10. R. X. Larkin /E. M. Collins, DIA-Statement before the Joint Committee, Subcommittee on International Trade, Finance and Security Economics: Allocations of Resources in the Soviet Union and China — 1981, July 1981, S. 83 und 90.

  11. IISS (Ed.), Strategie Survey 1982— 1983, London 1983, S. 44.

  12. Vgl. D. Bond /H. Levine, The 1 Ith Five-Year-Plan 1981— 1985, in: S. Bialer /T. Gustafson (Eds.), Russia at the Crossroads. The 26th Congress of the CPSU, London 1982, S. 93.

  13. H. Bergendorff/P. Strangert, Projections of Soviet Economic Growth and Defense Spending, in: Soviet Economy in a New Perspective. A Compendium of Papers submitted to the Joint Economic Committee, Congress of the United States, Oct. 1976, S. 396 und 417f.

  14. G. G. Hildebrandt, The Dynamic Burden of Soviet Defense Spending, in: Joint Economic Committee — Congress of the United States (Ed.), Soviet Economy in the 1980's: Problems and Prospects, Part I, Washington 1983, S. 332 und 338.

  15. A. Mertes, Wohin entwickelt sich die sowjetische Politik?, in: H. J. Veen (Hrsg.), Die Zukunft der deutsch-amerikanischen Beziehungen, Forschungsbericht 23 des Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Konrad-Adenauer-Stiftung, Melle und Sankt Augustin 1983, S. 132.

  16. Vgl. P. Cockle, Analysing Soviet Defence Spending: the Debate in Perspective, in: Survival, 30 (1978) 5, S. 210— 217.

  17. F. D. Holzman, Military Spending Gap? Not by This Accounting, in: IHT vom 12. /13. 3. 1983, S. 4.

  18. Wenn man beispielsweise Angaben über die UdSSR und die USA auf der Basis des Bruttosozialproduktes (BSP) miteinander vergleichen will, muß man sich bewußt sein, daß es diese Kategorie BSP in der Sowjetunion nicht gibt. Die sowjetische Bezugsgröße ist hier das Nationaleinkommen. Dies entspricht in etwa dem BSP zu Faktorpreisen minus Abschreibungen und minus Dienstleistungen (zu denen auch die Ausgaben für Verwaltung, Gesundheitswesen usw. gehören). Vergleiche, die auf der Basis von Schätzungen des sowjetischen BSP angestellt werden, sind deshalb nur begrenzt aussagekräftig.

  19. Vgl. H. Regling, Militärausgaben und wirtschaftliche Entwicklung, Hamburg 1970, S. 28.

  20. A Cockburn, The Threat: Inside the Soviet Military Machine, New York 1983, S. 81.

  21. Siehe hierzu C. D. Blacker, Military Forces, in: R. F. Byrnes (Ed.), After Brezhnev. Sources of Soviet Conducts in the 1980s, (published in association with the CSIS/Georgetown University Washington, D. C.), Bloomington 1983, S. 139; J. Hemsley, Soviet Troop Control. The Role of Command Technology in the Soviet Military System, Oxford etc. 1982, S. 207; Wireless Bulletin, a. a. O. (Anm. 5), S. 3; Xing Shugang u. a., a. a. O. (Anm. 8), S. 18f. (Hier werden die Schätzungen für 1985 auf 15 % beziffert).

  22. Vgl. IISS, The Military Balance 1983— 1984, Washington 1983, S. 13.

  23. F. D. Holzman, Soviet Military Spending: Assessing the Numbers Game, in: International Security, 6 (1982) spring, S. 101; ferner zu dieser Problematik: R. Huisken, a. a. O. (Anm. 1), S. 79— 82, sowie G. Jukes, Western Assessments of Soviet Strength, in: ebenda, S. 92 f.

  24. Zum Verhältnis des sowjetischen BSP zum Nationaleinkommen siehe: H. Höhmann, Der erstarrte Koloß — Die sowjetische Wirtschaft, in: Informationen für die Truppe, (1983) 3, S. 64 ff. (Grafik), sowie D. Bond/H. Levine, a. a. O. (Anm. 17), S. 93 (Tabelle). Vgl. auch Anm. 18.

  25. J. Rohde, Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttosozialprodukt. Theoretische und methodische Probleme, Arbeitspapier SAS — AP 1 am Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn, Oktober 1983, S. 16.

  26. Siehe z. B. R. Faramazjan /V. Borisov, Ekonomiceskie aspekty voennojprogrammy Rejgana, in: Mirovaja ekonomika i mezdunarodnye otnoöenija (Memo), 8/1982, S. 38; -vgl. auch E. Schulz, a. a. O. (Anm. 4), der anmerkt, daß die NATO nur die Steigerung, nicht aber eine Senkung der sowjetischen Militärausgaben direkt beeinflussen kann. Siehe auch Jurij Andropov, Rede vor dem ZK der KPdSU, in: Pravda vom 16. 6. 1983, S. 2, sowie die Reden von K. U. ernenko und D. F. Ustinov anläßlich Andropovs Ableben, in: Pravda vom 15. 2. 1984, S. 1 und 2. Vgl. auch dw Monitor vom 15. 2. 1984, S. 8.

  27. Das Dritte Reich verwendete bereits im Frieden 23 % seines BSP für die Rüstung und wurde Ende der dreißiger Jahre von Großbritannien noch erheblich übertroffen. Vgl. J. Dülffer, Der Beginn des Krieges 1939: Hitler, die innere Krise und das Mächtesystem, in: K. -D. Bracher /M. Funke /H. A Jacobsen (Hrsg.), Nationalsozialistische Diktatur 1933— 1945. Eine Bilanz (Bd. 21 der Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte), Düsseldorf 1983, S. 325.

  28. W. Gümpel, Entspannungspolitik und wirtschaftliche Entwicklung. Die Grenzen des internationalen Aktionsradius der UdSSR, in: Beiträge zur Konfliktforschung, 12/(1982) 2, S. 78; D. K. Simes, Militarism in Soviet Society, in: International Security, 5 (1981/82) Winter, S. 141; R. Kolkowicz /A Korbonski, Soldiers, Peasants and Bureaucrats, London 1982, S. 114f.

  29. Ultrastabilität ist in der Kybernetik die Fähigkeit eines Regelsystems, bestimmte Parameter (essentielle Variable) gegenüber Umwelteinflüssen innerhalb bestimmter Wertebereiche invariant zu halten, und zwar dadurch, daß alle Störungen mit Hilfe eines Reglers, der über hinreichende Varietät verfügt, kompensiert werden. Auf die UdSSR bezogen weist Robert Campbell darauf hin, daß die militärische Produktion hier von der zivilen getrennt zu sehen ist und daß erstere über ein hohes Maß an selfsufficiency verfügt. Dadurch hat die Ressourcen-Allokation in hohem Maße inerten Charakter und ist so weithin von den regulären Quellen der Entscheidungsfindung isoliert. (R. Campbell, The Economy, in: R. F. Byrnes (Hrsg.), a. a. O. (Anm. 21), S. 76.

  30. Eine Darstellung der sowjetischen Technologie-beschaffung und ihrer Implementierung bei: H. Regnard, LURSS et le renseignement scientifique, technique et technologique, in: Döfense nationale, (1983), Dec., S. 107- 121.

  31. D. Holloway, Western Technology and Soviet Military Power, Paper prepared for the Millenium Conference on Technology, Transfer and East-West-Relations in the 80s, May 1983, S. 343. Holloway trennt den Technologietransferprozeß in vier Stufen: Beschaffungsversuch, Transfer in die UdSSR, Assimilation und bewirkte Verbesserung. Insbesondere für die beiden letzten Stufen sei die Beweislage sehr schwach, fragmentarisch und unsicher (S. 14 f.).

  32. Vgl.: J. Nötzold, Arbeitspapier betr.: Westliche Technologieimporte in die UdSSR - Ein sicherheitspolitisches Risiko? Einige Beurteilungskriterien, Stiftung Wissenschaft und Politik - AP 2370, Ebenhausen, August 1983, S. 20.

  33. H. Adomeit, Arbeitspapier betr.: Außen-und Sicherheitspolitik unter Andropov. Tendenzen, Per-

  34. M. Checinski, Arbeitspapier betr.: Some Remarks About the Strategy of Soviet Armament Policy, Stiftung Wissenschaft und Politik — AP 2342, Ebenhausen, November 1982, S. 20.

  35. Ebd., S. 21.

  36. C. A. Roberts, Soviet Arms-transfer Policy and the Decision to Upgrade Syrian Air Defences, in: Survival, 35 (1983) 4, S. 159.

  37. Ebd.

  38. W. Kühne in einer Diskussion über die Politik der Sowjetunion in Afrika am 14. 3. 1983 im Abgeordnetenhaus des Deutschen Bundestages.

  39. Vgl. Oliver Gajzg, Der sowjetische Außenhandel im Jahre 1981, in: BlOst, Aktuelle Analysen, (1982) 11, S. 6f„ sowie: M. Checinski, a. a. O. (Anm. 34), S. 21.

  40. C. Roberts, a. a. O. (Anm. 36), S. 159.

  41. Vgl. Wireless Bulletin, a. a. O. (Anm. 5), S. 4; SIPRI gibt die Zahl der Empfängerländer für 1981 mit 28 an: World Armaments and Disarmaments. SIPRI Yearbook 1982, London 1982, S. 177 und 185.

  42. Vgl. M. Checinski, Poland s Military Burden, in: Problems of Communism, 32 (1983) 3, S. 39 (Tabelle 5).

  43. Vgl. M. Checinski, a. a. O. (Anm. 34), S. 22 (Tabelle), sowie J. Krause, Die sowjetische Militärhilfepolitik gegenüber außereuropäischen Entwicklungsländern, Stiftung Wissenschaft und Politik — S 301, Ebenhausen, April 1983, S. 130.

  44. J. Krause, a. a. O. (Anm. 43), S. 9.

  45. D. F. Ustinov, NesokruSimaja i legendarnaja ..., in: Pravda vom 23. 2. 1984, S. 2.

  46. Vgl. K. A. Dunn, „Mysteries" About the Soviet Union, in: Orbis, (1982) Summer, S. 368.

  47. Hierzu und zum folgenden: C. Blacker, a. . a O. (Anm. 21), S. 145 ff.

  48. Vgl. W. E. Odom, The Party-Military Connection: A Critique, in: D. R. Herspring/I. Volgyes (Eds.), Civilian-Military Relations in Communist Systems, Boulder 1978, S. 41.

  49. Vgl. hierzu die folgenden ausführlichen Darstellungen: A. J. Alexander, Decision-Making in Soviet •Weapons Procurement, Adelphi Paper 147/148, London, Winter 1978/79, S. 11— 20 und besonders die Grafik auf S. 7; J. T. Richelson, Social Choice Theory and Soviet National Security Making, ACIS Working Paper (Center for International and Stra-

  50. J. Gertler, Die Rolle der Streitkräfte in der sowjetischen Außenpolitik, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 7— 8/82, S. 3f., sowie C. Blacker, a. a. O. (Anm. 21), S. 145.

  51. Ebel., S. 147.

  52. J. Gertler, a. a. O. (Anm. 50), S. 148.

  53. Die sowjetischen Strukturen entsprechen hier nach wie vor eher der Kategorie des . Totalitarismus'und nicht einer Art von Vektorenresultante von verschiedenen autonomen oder auch nur halb-autonomen Organisationen. In der sowjetischen Literatur wifd ja auch jede Form von Pluralismus oder „Anarchosyndikalismus" abgelehnt. Der „demokratische Zentralismus" der KPdSU läßt das Entstehen nichtmonistischer (nichttotalitärer) Strukturen auf Dauer nicht zu.

Weitere Inhalte

Wolfgang Pfeiler, Dr. phil., geb. 1931; nach Promotion 1971 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für politische Wissenschaft an der Universität Bonn; Senior Research Fellow am Center for International and Strategie Affairs der University of California, Los Angeles; Visiting Professor an der Arizona State University, Temple, sowie Austauschwissenschaftler an der Akademie der Wissenschaften, Moskau; 1982 Habilitation; z. Z. Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Konrad-Adenauer-Stiftung; Privatdozent am Seminar für politische Wissenschaft der Universität Bonn und Redakteur der Zeitschrift „Beiträge zur Konfliktforschung". Veröffentlichungen u. a.: Durch militärische Parität zur politischen Überlegenheit, in: Beiträge zur Konfliktforschung, 12 (1982) 1; Die sowjetische Rüstungswirtschaft. Ihre ökonomischen Grenzen und Möglichkeiten, in: Europäische Wehrkunde, 31 (1982) 12; Zum Verhältnis von Abschreckung und Entspannung für die Sicherheitspolitik, in: DGFK-Jahrbuch 1982/83. Zur Lage Europas im globalen Spannungsfeld, Baden-Baden 1983.