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Neue Entwicklungen in Israels Parteienlandschaft | APuZ 46-47/1984 | bpb.de

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APuZ 46-47/1984 Neue Entwicklungen in Israels Parteienlandschaft Israelische Nahost-Politik nach den Wahlen 1984. Perspektiven einer politischen Wende Deutsch-israelische Beziehungen im Spiegel der öffentlichen Meinung Der israelische Kibbutz heute — Vom Siedlungspionier zum Schrittmacher sozialer Innovationen*)

Neue Entwicklungen in Israels Parteienlandschaft

Jochanan Hans Roman

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Mit einem entscheidendem Wahlsieg beendete 1977 der „Likud-Block" unter Führung von Menachem Begin die 29 Jahre alte Herrschaft der im „Maarach" vereinten Arbeiterparteien. In den Wahlen 1981 konnte der Maarach mit dem Likud wieder gleichziehen, aber dessen Bundesgenossenschaft mit den religiösen Parteien (mehr als 10% in der 120 Mandate zählenden Knesset) ermöglichte es dem Likud, wiederum eine Regierungskoalition zu bilden. Die folgenden drei Jahre sahen schwere Erschütterungen des Vertrauens in die Außen-und Innenpolitik der Regierung. Der Libanonkrieg, der nur der Absicherung des nördlichen Galiläas gegen Raketenbeschuß der im Südlibanon verschanzten Terroristen dienen sollte, wurde gegen den Willen des größeren Teils des Jischuw weit über dieses Kriegsziel hinaus ausgeweitet, und die bereits 1980 inaugurierte populistische Wirtschaftspolitik, die dem Likud die Wahlen von 1981 retten konnte, hatte inzwischen zu einer Inflation von schwindelnder Höhe und zu einem beängstigenden Schwund der Devisenreserven geführt Ein im März 1984 eingebrachtes Mißtrauensvotum führte daher zum Sturz der Regierung und zu Neuwahlen. Zu den für Juli 1984 angesetzten Wahlen reichten nicht weniger als 26 Parteien ihre Listen ein; 15 davon gelangten in die Knesset. Für die Mehrzahl der Parteien lag der Schwerpunkt in der Konfrontierung mit der arabischen Welt — und hier reichen die Programme von absoluter Unnachgiebigkeit gegenüber territorialen Forderungen bis zu ebenso exzessiver, an Selbstaufgabe grenzender Konzessionsbereitschaft. Zu einem Verständnis der Parteienlandschaft gehört jedoch auch die Einsicht in die divergierenden Standorte der Parteien in sozio-ökonomischen Fragen, in die Auseinandersetzungen zwischen den religiösen und den säkularen Teilen des Jischuw und nicht zuletzt den zunehmenden Einfluß der „Sepharden“ und „Orientalen" auf alle politischen Entscheidungen. Die Wahlen vom Juli 1984 ergaben ein absolutes „Unentschieden" zwischen Maarach und Likud. Es kam daher zu einer „Regierung der nationalen Einheit“, der als vordringlichste Aufgabe die Überwindung der Wirtschaftskrise gesetzt ist

I. Resümee der 9. Knesset-Periode (1977— 1981)

Abbildung 1

Die Parlamentswahlen vom November 1977, die die jahrzehntelange Vorherrschaft der Arbeiterpartei beendeten und der oppositionellen Likud-Bewegung zum Sieg verhalfen, sind zweifellos Markstein und Beginn der Gegenwartsgeschichte der israelischen Parteien-landschaft. Eine Analyse der Wahlergebnisse hat gezeigt, daß dem Umschwung eine gewisse Verdrossenheit der Wählerschaft mit der im Laufe ihrer langen Herrschaft entstandenen Verknöcherung der Arbeiterpartei, ihrer Vetternwirtschaft und den Anzeichen von Korruption zugrunde lag. Diese Verdrossenheit kam auch in der Gründung einer Protest-partei („Dash"), die im Wahlkampf nicht weniger als 15 Mandate erringen konnte, zum Ausdruck. Andererseits erzielte der Heruth mit seinem im Likud verankerten Bündnis mit dem Bürgertum und seiner weitgehenden Annäherung an die religiösen Parteien eine schier unangreifbare Majorität, die dann noch dadurch verstärkt wurde, daß Teile der erwähnten Protestpartei sich — in offensichtlichem Widerspruch zu dem ausgesprochenen Willen ihrer Wählerschaft — der Regierungskoalition anschlossen.

Die Knessetperiode 1977 bis 1981 stand im Zeichen der Begin-Sadat-Friedensinitiative und des Camp-David-Abkommens, das auch von dem größten Teil der Opposition gebilligt und ratifiziert wurde; gleichzeitig begann in dieser Zeit eine intensive Besiedlung der Westbank und des Gaza-Bezirks, die von der Arbeiterpartei bekämpft wurde, wenn die Siedlungen außerhalb der Grenzen des von ihr programmierten „Allon-Plans" lagen.

Innerhalb der Regierungskoalition machten sich die ersten Risse bemerkbar, als „SuperFalken“ der Heruthfraktion im Protest gegen die Konzessionen des Camp-David-Abkommens eine neue Partei, die „Tchiah“ gründeten; diese wollte mit Hilfe der Gush-Emunim-Bewegung (des Blocks der Getreuen) die Räumung der jüdischen Sinai-Kolonien sogar mit Gewalt verhindern. Es war aber weniger der außenpolitische Schaden als vielmehr die Wirtschaftspolitik des Likud, die die Regierung in eine ernste Gefahr brachte. Die ungebremste freie Marktwirtschaft, speziell die Liberalisierung der Devisenkontrollen, hatte die Inflationsrate zu ungeahnten Höhen anschwellen lassen. Die daraufhin versuchte Drosselung der Inflationsspirale durch rigorose Sparmaßnahmen verärgerte die Bevölkerung dann jedoch so sehr, daß mit Beginn des Jahres 1981 alle Meinungsumfragen eine drastische Niederlage des Likud voraussagten.

Aber eine erneute Richtungsänderung der Wirtschaftspolitik, die die vorausgegangene Sparpolitik eher ins Gegenteil verkehrte, erreichte auch bei der Wählerschaft ein Umdenken. Im Wahlkampf des Herbstes 1981, der mit einer niemals vorher erlebten Verbissenheit geführt wurde, spielte die persönliche Ausstrahlung Menachem Begins auf die nichtaschkenasische, speziell auf die Wählerschaft marokkanischer Herkunft eine entscheidende Rolle. Von da an trat der „ethnische“ Faktor in der israelischen Politik in den Vordergrund aller Erwägungen. Von ihm wird im Verlauf dieser Abhandlung noch die Rede sein.

II. Das Parteienspektrum nach den Wahlen von 1981

Die Wahlen von 1981 sahen ein Wiedererstarken des Maarach, des Bündnisses der Ar-beiterparteien: Mit jetzt 48 Mandaten gegenüber seinem vorherigen Tiefstand von 32 Mandaten, wurde er so stark wie der Likud; dber dem Bündnis des Likud mit den religiösen Parteien konnte der Maarach auch dies-nal keine Koalition mit einem gleichstarken artner entgegensetzen. Daher wurde der Li3 kud wiederum mit der Regierungsbildung betraut. Im größeren Rahmen gesehen, konnte das „rechte" Lager einen Zuwachs von acht Mandaten verzeichnen, das „linke“ Lager wuchs um zwölf Mandate, das religiöse Lager erlitt einen Verlust von vier Mandaten, während Parteien, die man vielleicht als parlamentarische Mitte bezeichnen könnte, völlig aus dem Parteienspektrum verschwanden, denn der „Shinui" (zwei Mandate), ursprünglich Mitgründer der Dash-Partei, war, wie seine weitere Entwicklung zeigen wird, bereits zu dieser Zeit dem linken Lager zuzuordnen. Im religiösen Lager war der Abstieg der national-religiösen Partei „Mawdal" von zwölf auf sechs Mandate bemerkenswert. In den’ Jahren nach der Staatsgründung war der Mawdal mit 16 Mandaten der alleinige Bannerträger der religiösen Wählerschaft, später verlor er einige Mandate an die nicht-zionistische, extrem religiöse „Agudat Israel“. Aber als aus ihren Reihen in den siebziger Jahren die Gush-Emunim-Bewegung entstand, die sich die Besiedlung der Westbank zum Ziel gesetzt hatte, geriet die Partei in ein unausweichliches Dilemma; dies bestand in der Unvereinbarkeit einer traditionellen, auf die Tolerierung der säkularen Bevölkerungsgruppen eingestellten Religiosität und einem der Wiedergewinnung des „gottverheißenen Heiligen Landes" verhafteten Fanatismus. So kam es zu einer Abwanderung großer Wählermassen, vornehmlich aus der jungen Generation, die zum Likud und später zur Tchiah übergingen, die in dieser Gründungsphase aus weltlichen Elementen des Likud und dem religiös inspirierten Gush Emunim zusammengesetzt war. Eine weitere Schwächung des Mawdal bedeutete der Austritt des Religionsministers Abu Chazera aus der Partei. Er gründete eine eigene, auf seiner marokkanischen Anhängerschaft aufgebaute Partei. Die „Tami" konnte drei Mandate erringen, größtenteils auf Kosten des Mawdal. Die Tami schloß sich nach den Wahlen der Regierungskoalition an 1).

Auch in der Führungsspitze des Likud hatten weitgehende Änderungen stattgefunden. Im Oktober 1979 war Außenminister Moshe Da-jan, im Mai 1980 Verteidigungsminister Ezer Weizman zurückgetreten. Beide Politiker hatten entscheidend an den Camp-David-Verhandlungen teilgenommen; ohne den nie versiegenden Einfallsreichtum Dajans und ohne die persönliche Ausstrahlung des liebenswürdigen Ezer Weizmans, der das Vertrauen von Sadat gewinnen konnte, wäre der Friedensvertrag mit Ägypten wohl kaum zustande gekommen. Aber mit der erneuten Verhärtung der Beginschen Politik in der Frage der besetzten Gebiete waren sie nicht einverstanden. Weizman begab sich in die „politische Wüste“, aus der er erst 1984 wieder auftauchen sollte. Dajan gründete die Telem-Partei, die trotz der immensen Popularität Dajans nur zwei Sitze erobern konnte. Dajan war zur Zeit der Wahl bereits unheilbar krank; er starb im Oktober 1981. Damit war der Weg frei für Ariel Sharon, der vom Landwirtschaftsminister zum Verteidigungsminister avancierte und von nun an eine maßgebende Rolle in der Wehrpolitik des Staates spielen konnte.

III. Politische Positionen der Parteien

1. Außenpolitik: Westbank und Libanonkrieg In einem Staat, der von einem Ring übermächtiger Feinde umgeben ist, die diesen Staat und seine Bewohner vernichten wollen, genießt die äußerste Verteidigungsbereitschaft und die geschlossene und entschlossene Abwehr akuter Kriegsgefahren unbedingte Priorität über jedweden ideologischen Dissens hinsichtlich der Gestaltung der politischen Auseinandersetzung mit der feindlichen Umwelt. Erst wenn der Würgegriff des feindlichen Rings sich lockert, die militärische Überlegenheit der Feindbündnisse in Frage gestellt ist und Anzeichen dafür bestehen, daß auch die politische Einheitsfront des Feindes rissig geworden ist, kann eine ideologisch unterbaute Außenpolitik zum Zuge kommen.

Für Israel konnte es in den ersten 20 Jahren seiner Existenz nur militärische Überlegungen geben; der Feind diktierte das Gesetz seines Handelns. Erst der Ausgang des Sechs-Tage-Krieges von 1967, der den Sicherheitsgürtel Israels in ungeahntem Ausmaß erweiterte, und die militärische Schlagkraft Israels — um nicht zu sagen: seine militärische Überlegenheit — unter Beweis gestellt hatte, ließ eine Verständigung mit der arabischen Welt 'in den Bereich des Möglichen rücken.

Der Heruth, die dominante Fraktion des Likud, hatte bis 1965 an der Doktrin der vor-staatlichen „Revisionistischen“ Partei festgehalten, die ein „Israel auf beiden Seiten des Jordans“ forderte. Erst die Vereinigung des Heruth mit den Liberalen im Gachal-Block, dem Vorgänger des Likud, reduzierte die Forderung auf das Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer als dem eigentlichen „integralen Bestandteil der historischen Heimat des jüdischen Volkes". Konsequenterweise konnte nach dem Sechs-Tage-Krieg eine auch nur teilweise Rückgabe dieses Landes nicht Gegenstand von Verhandlungen werden, selbst nicht für den — unwahrscheinlichen — Fall, daß die arabische Welt als Gegenleistung die Anerkennung Israels und einen völkerrechtlich verankerten Friedensvertrag anbieten würde. Auch das unerwartete Erscheinen Begins im Gewand eines Friedensapostels konnte nur vorübergehend den Eindruck erwecken, er wäre auch hinsichtlich der Westbank konzessionsbereit. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen wurde es jedem intelligenten Beobachter klar, daß Begin durch die Rückgabe des Sinai nur das Ausscheiden Ägyptens aus der militärischen Feindfront erreichen und sich damit gleichzeitig seinen Besitzstand in Judäa und Samaria sichern wollte.

Die vor den Wahlen 1981 konstituierte Tchiah war aus dem Trauma der Aufgabe der Sinai-Siedlungen entstanden. Die um diese Partei gescharten „Super-Falken" befürchteten, daß Begin auch in der Westbank „schwach" werden und vielleicht einem Einfrieren der Siedlungstätigkeit zustimmen könnte, und sei es nur als taktische Konzession gegenüber einem überwältigenden Druck der Vereinigten Staaten. An der Gründung der Tchiah war auch der Gush Emunim beteiligt; dies gab der Partei anfangs auch eine religiöse Note. 1984 ging der Gush Emunim aber auf die neugegründete „Morascha" über, und damit wurde die Tchiah eine rein weltliche Partei, während die Morascha alle nationalistisch-religiösen Elemente in sich vereinigte.

Als gemeinsamer Nenner in der Außenpolitik des aus Arbeiterparteien verschiedener Richtungen (Mapai, Achduth Avoda, Rafi, Mapam) zusammengeschweißten Maarach kann die territoriale Kompromißbereitschaft genannt werden. Aber welches Ausmaß die territorialen Verzichte annehmen dürften (die „AllonTeilungslinien''als Verzichtsmaximum oder nur als Ausgangspunkt von Verhandlungen), ob man den Palästinensern das Selbstbestimmungsrecht, also das Recht auf einen eigenen Staat konzidieren dürfe, ob man nur mit König Hussein oder auch mit einem Vertreter der Palästinenser bzw. gar mit der PLO verhandeln könne — in allen diesen Fragen gehen die Ansichten des Maarachs weit auseinander. Insbesondere der „rechte" Flügel des Maarachs betont nachdrücklich das Recht jedes Juden, sich in jedem Teil des historischen Israel niederlassen zu dürfen; nur aus realpolitischen Erwägungen könne man bereit sein, auf die Ausübung dieses Rechtes in den von Arabern dicht bevölkerten Gebieten zu verzichten. Diese Position ist nicht allzuweit von den Anschauungen der zum Likud gehörenden Liberalen entfernt. Auch diese mögen, wenn es hart auf hart geht, zu recht vorsichtigen Konzessionen bereit sein.

Aus der Erkenntnis, daß eine derart beschränkte Konzessionsbereitschaft Israels zu keinem Fortschritt des Friedensprozesses führen könne, haben Raz (die Bürgerrechtspartei), Shinui, Mapam und die neue Partei der Progressiven Positionen links vom Maarach bezogen.

Jenseits aller realpolitischen Einschätzungen sind sie von einem Gefühl moralischen Unbehagens erfüllt, das ihnen die nach dem Sechs-Tage-Krieg entstandene Situation verursacht. Die zionistische Bewegung hatte immer gehofft, zu einem friedlichen Zusammenleben mit der arabischen Bevölkerung gelangen zu können, denn der Aufbau des verödeten Landes war ja auch dieser zugute gekommen. Daß der Krieg zur Herrschaft Israels über eine Million Araber geführt hat, ist aus der Sicht der „Friedensfront" ein unerträglicher Zustand, für dessen Beseitigung nur das Gebot der Selbsterhaltung — die Sicherheit des Fortbestandes des Staates innerhalb „verteidigungsfähiger''Grenzen — die alleinige Richtschnur sein dürfe.

Man mag die Invasion im Libanon als die wohl bisher einzige kriegerische Aktion Israels charakterisieren, die sich nicht auf einem Konsens des Jischuws — der jüdischen Bevölkerung Israels — stützen konnte. Die PLO hatte sich, seit sie 1980 aus Jordanien vertrieben wurde, im Libanon als ein Staat im Staate etabliert; sie hielt von dort Nord-Galiläa und insbesondere die große Siedlungsstadt Kirjat Schmona unter fortgesetztem Raketenbeschuß. Es war klar, daß Israel diesen Zustand auf die Dauer nicht hinnehmen konnte. Dem US-amerikanischen Diplomaten libanesischer Abstammung Philip Habib war es aber im Herbst 1981 immerhin gelungen, die PLO zur Einstellung der Beschießungen zu bewegen. Als jedoch am 6. Juni 1982 in London ein Attentat auf den israelischen Botschafter verübt wurde, folgten die Ereignisse Schlag auf Schlag: ein Luftangriff auf PLO-5 Stützpunkte im Libanon, darauf erneuter Raketenbeschuß Galiläas, schließlich — am 8. Juni — Einmarsch der israelischen Truppen in den Libanon. Ministerpräsident Begin verkündete, daß die Aktion die Herstellung einer Sicherheitszone von 40 Kilometern bezwecke (der maximalen Reichweite der PLO-Raketen). Der Notwendigkeit einer solchen Aktion konnten sich auch die Führer des Maarach nicht verschließen, und sie gaben ihre, wenn auch nur zögernde Zustimmung. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß Verteidigungsminister Sharon — mit oder ohne das vorausgegangene oder nur nachträglich eingeholte Einverständnis Begins — viel weitergehende Pläne hatte. Er ließ die Armee bis nach Beirut vorstoßen und riskierte auch Zusammenstöße mit den im Süd-Osten des Libanon postierten syrischen Militäreinheiten.

Mit dem von Sharon eindeutig erklärten Kriegsziel der „endgültigen politischen und physischen Vernichtung der PLO" konnten sich die Oppositionsparteien nicht einverstanden erklären, und zwar sowohl wegen der bis dahin entstandenen Verluste (500 Tote), als auch wegen der zu erwartenden Verluste unter der Zivilbevölkerung, hinter der sich die Terroristen verschanzt hatten. Es kam zu Protestversammlungen der Bewegung Shalom Achschaw (Frieden jetzt), zur Abdankung eines kommandierenden Generals, ja sogar zu vereinzelten Fällen von Kriegsdienstverweigerung. Einem nun offensichtlich werdenden Plan Sharons, zusammen mit dem christlichen Falangistenführer Bashir Jemayel eine neue, von Israel abhängige Ordnung im Libanon zu schaffen, war zunächst Erfolg beschieden: Bashir Jemayel wurde am 23. August 1982 zum Präsidenten von Libanon gewählt. Drei Wochen später wurde er Opfer eines Attentates. Die Wahl seines Bruders Amin, der syrischen Einflüssen unterlegen war, machte Sharons Pläne zunichte. Von nun an gewann Syrien eine die libanesische Politik völlig beherrschende Position.

Am 18. September 1982 überfielen christliche Falangisten die palästinensischen Flüchtlingslager Zabra und Shatila. Israel wurde beschuldigt, das Massaker nicht verhindert zu haben. Die in der Nähe befindlichen israelischen Militäreinheiten wären in der Lage gewesen, einzugreifen, wenn sie einen entsprechenden Befehl erhalten hätten. In Israel verlangten die Oppositionsparteien die Einberufung einer Untersuchungskommission, und als Begin sich nicht dazu entschließen konnte, organisierten sie eine Hunderttausende zählende Massendemonstration, die die Einsetzung einer solchen Kommission erzwang. Die Kommission stellte fest, daß Sharon und der Generalstabschef Rafael Eitan es unterlassen hätten, das Massaker zu verhindern, und empfahl, Sharon seines Postens als Verteidigungsminister zu entheben. Begin folgte dieser Empfehlung, behielt aber Sharon im Kabinett als Minister ohne Geschäftsbereich. Professor Arens, Sharons Nachfolger im Sicherheitsministerium, sah sich im Dezember 1983 gezwungen, die Armee auf eine neue Linie entlang des Auwaliflusses zurückzunehmen. Aber auch diese Position ist angesichts der zunehmenden Feindseligkeit der Bevölkerung und beinahe täglichen Sprengstoffattentaten auf die Besatzungstruppen inzwischen unhaltbar geworden. Auch die Führung des Likud ist zu der Einsicht gekommen, daß an eine länger dauernde Besetzung der Auwali-Linie nicht gedacht werden kann, jedoch ein Rückzug bis zur israelischen Grenze eine erneute Raketenbeschießung Galiläas zur Folge haben könnte — ein nicht auszudenkender Prestigeverlust für den Likud. Worin aber liegen die Alternativen: in der Stärkung der südlibanesischen Formationen des verstorbenen Majors Haddad, im Einsatz von Grenzschutztruppen der Vereinten Nationen oder in einer diplomatischen Verständigung mit Syrien? Mit diesen schwerwiegenden Problemen wird sich der neue Verteidigungsminister des Maarach, Jizhak Rabin, zu befassen haben. 2. Sozialpolitik Die Bezeichnungen „rechts" und „links" bedeuten im israelischen Sprachgebrauch fast ausschließlich das, was im allgemeinen unter „Falken" und „Tauben" verstanden wird. Vielfach stehen außenpolitisch „linke" Parteien auch links im sozialpolitischen Spektrum, was aber keineswegs die Regel ist. Herut, die Mehrheitsfraktion des Likud, rekrutiert die Masse ihrer Wähler aus den orientalischen Armutsvierteln der großen Städte und den hart um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfenden Einwohnern der „Entwicklungsstädte" er ist daher sozialpolitisch nicht weniger links als der Maarach, dessen Mehrheitsfraktion, die ehemalige Mapai Ben Gurions, sich heute nicht nur auf die soliden Kader der Facharbeiterschaft und der mittleren Beamtenschaft stützen kann, sondern auch weitgehend auf die wohlsituierte Bürgerschaft von Nord-Tel-Aviv und Haifa-Carmel. Die am linkesten Flügel des Parteienspektrums angesiedelte „Kommunistische Partei", die offiziell als „Demokratische Front für Frieden und Gleichbe-B rechtigung" firmiert, ist ein von der Sowjetunion ferngelenktes Auffangbecken für israelische Araber aus allen sozialen Schichten; sie ist keineswegs auf ideologische Positionen des Marxismus festgelegt, für die Muslime ohnehin wenig empfänglich sind. Auch die Sheli-Partei der 9. Knesset, die jetzt im neuen Gewand als „Progressive Partei für Frieden“ auftaucht, ist — als Vorkämpfer für eine israelisch-arabische Verständigung — extrem links im außenpolitischen Sinne, ohne sich sozialpolitisch zu artikulieren.

In den Anfängen der zionistischen Besiedlung lagen die Dinge freilich anders. Die dem zaristischen Regime entflohenen russischen Studenten, die um die Jahrhundertwende ins Land kamen, waren unzweifelhaft Jünger marxistisch-sozialistischer Ideologien. In reinster Form konnten sie ihre Ideen in den „Kibbutzim" verwirklichen, die sie auf ihnen überlassenen Sümpfen und Steinwüsten errichteten; diese stellten den vielleicht radikalsten Versuch der Bildung einer „klassenlosen Gesellschaft" dar und waren zudem auf ökonomischem Gebiet durchaus erfolgreich.

Aber die ideologische Starre der Gründergeneration hat sich in der Mehrzahl der Kibbutzim weitgehend gelockert. Von den drei ursprünglich separaten Kibbutzbewegungen haben sich zwei vereinigt; sie bilden heute eine einflußreiche Gruppe innerhalb des Maarach. Die dritte Kibbutzbewegung Hashomer Hazair ist der sozialistischen Ideen treu geblieben. Im Parteienspektrum gehört sie der Mapam an, der Linksfraktion des Maarachs, die jetzt — anläßlich der Formierung der Nationalen Einheitsregierung — aus dem Maarach ausgetreten ist.

Der Arbeitgebersektor bildet parteipolitisch keine einheitliche Front, weil ein erheblicher Teil der industriellen und anderen Großbetriebe staatseigen ist bzw.der Chewrat Ovdim (Gesellschaft der Arbeitenden) gehört. Es handelt sich dabei um eine Gründung der Histadrut, der Spitzenorganisation der Gewerkschaften. Soweit jedoch von einer Interessenvertretung des Privatkapitals gesprochen werden kann, ist sie bei den Liberalen, der Juniorfraktion des Likud, zu finden. Von sozioökonomischen Aspekten aus gesehen befinden sich Herut und Liberale an entgegengesetzten Polen der Skala — heute, da die Wirtschaftsprobleme Israels im Mittelpunkt der Politik stehen, hat es bereits ernste Auseinandersetzungen der beiden Fraktionen gegeben, die vielleicht sogar die Fortdauer des Likud in Frage stellen können. 3. Kulturpolitik — Säkularer Staat oder Theokratie?

Im Oktober 1947 schrieb David Ben-Gurion an Rabbi Maimon, dem Führer der Agudat-Israel-Bewegung: „Wir haben nicht die Absicht, einen theokratischen Staat zu errichten. Wir werden keinen Religionszwang auf die Bürger unseres Staates zulassen, der auch Nicht-Juden haben wird. Aber der Schabbat wird unser offizieller Ruhetag sein, die religiösen Speisegesetze werden in offiziellen und aus Staatsmitteln unterhaltenen Institutionen beobachtet werden. Angelegenheiten des personalen Status der Bürger werden religiösen Gerichten übertragen und für Kinder aus religiösen Familien wird ein selbständiges Schulsystem errichtet werden.“

Das ist der berühmte Brief des „Status quo“, so genannt, weil diese Regeln schon in der vor-staatlichen Struktur des „Jischuw" galten, nur daß ihnen staatliche Gesetzesgewalt fehlte. Ben-Gurions Schreiben war an die super-orthodoxe Agudat Israel addressiert, aber es war die Nationale Religionspartei (Mawdal), die in den nächsten 30 Jahren der Koalitionspartner der Arbeiterregierungen wurde, während die Agudat Israel nur in der 1. Knesset einen Minister stellte.

Im ersten Jahrzehnt des Staates funktionierte das Status-quo-Prinzip beinahe reibungslos. Die Auseinandersetzungen zwischen den Arbeiterparteien und dem Mawdal beschränkten sich auf die Frage, wieweit die Schabbatruhe und die Beachtung der Speisegesetze auch auf die im strikten Sinne nicht öffentlichen oder staatlich beeinflußten Bereiche auszudehnen sei, zum Beispiel auf den Autobusverkehr auf Industriebetriebe, die Regierungsaufträge erhielten, auf Hotels, die vom Staat unterstützt wurden. Als weit einschneidender erwies sich die Zuständigkeit der Rabbinatsgerichte bei Personalrechtsfragen. In Anwendung traditionell religiösen Rechts erkannten sie nur eine Person, die von einer jüdischen Mutter geboren oder zum Judentum übergetreten war, als Juden an und verweigerten Eheschließungen oder Ehescheidungen, wenn nicht Mann und Frau in diesem Sinn nachweisbar Juden waren. „Wer ist Jude?" Diese Frage entbrannte in voller Heftigkeit, als die religiösen Parteien einen Uber-tritt zum Judentum nur anerkennen wollten, wenn die Konversion in strikter Befolgung „halachischer" Vorschriften erfolgt war; das hieß in der Praxis, daß nur Konversionen anerkannt wurden, die von orthodoxen und nicht von konservativen oder Reform-Rabbinern durchgeführt worden waren. Immer wieder aufflammender Streitpunkt war die Zulässigkeit von Abtreibungen. Nachdem die Arbeiterregierung durchgesetzt hatte, daß Abtreibungen auch im Falle wirtschaftlichen Notstands zugelassen werden könnten, erzwangen die religiösen Parteien später die Streichung dieser Bestimmung. Das halachisehe Gebot, den Körper des Verstorbenen unversehrt zu lassen und die Totenruhe nicht zu stören, damit der Hingeschiedene bei Ankunft des Messias an der Auferstehung teilnehmen könne, führte zu immer rigoroser werdenden Einschränkungen medizinischer Obduktionen. Später, nunmehr bereits von lautstarken Massendemonstrationen der Agudat Israel unterstützt, wurde die Forderung erhoben, daß archäologische Ausgrabungen nur mit Genehmigung des Religionsministeriums vorgenommen werden dürften.

Da Menachem Begin dem religiösen Lager nahestand, konnten die religiösen Parteien unter dem Likudregime mehr erreichen als je zuvor. Die Liberalen distanzierten sich nur von den extremsten religiösen Forderungen in der Form einer von Begin zugebilligten Stimmenthaltung. Auch der Maarach ließ sich weitgehend von koalitionspolitischen Rücksichten leiten. Die im Maarach „eingebaute“ links-sozialistische Mapam-Fraktion fügte sich immer wieder der Parteidisziplin; nur ein einziges Mitglied des Maarach, Shulamit Aloni, verließ den Maarach und gründete die antiklerikale Bürgerrechtspartei „Raz". Ebenso schrieb der Shinui den Widerstand gegen religiösen Zwang auf seine Fahne.

Der führende Streiter im „innerjüdischen" Kulturkampf ist jetzt die Agudat Israel. Sie ist antizionistisch, weil nur der Messias befugt gewesen wäre, den jüdischen Staat wieder aufzurichten Aber die Realpolitiker der Agudat Israel haben erkannt, daß sie den Staat, in dessen Mitte sie leben, brauchen; ihre heutige Doktrin ist daher, daß sie zwar den Staat, nicht aber die Gesetze des Staates anerkennen, soweit sie mit den in der Halacha fixierten religiösen Gesetzen nicht übereinstimmen. Daher übernimmt die Agudat Israel auch keine Ministerposten, aber zur Wahrung ihrer finanziellen Interessen schickt der „Rat der Großen der Thora" seine Sendboten in alle Gremien, die über die Verteilung von Staatsgeldern zu befinden haben (die Knesset-Kommission für Finanzen, die Bank of Israel, etc.). Die Zuwendungen, die die religiösen Parteien, vor allem die Agudat Israel, aus der Staatskasse erhalten, sind enorm, ohne daß der Staat von ihren Parteigängern die Gegenleistungen erhält, die von allen anderen Teilen des Jischuws als selbstverständlich angesehen werden. Die Mehrzahl aller Männer der Agudat Israel widmet sich dem Studium der heiligen Schriften in „Jeschiwoth" (Talmud Thora Schulen), von denen es ungefähr 300 gibt. Sie sind vom Militärdienst befreit, erhalten aber trotzdem vom Wohlfahrtsministerium die außerordentlich hohen Unterstützungen für Väter kinderreicher Familien und zusätzlich aus dem Etat des Religionsministeriums hohe Zuwendungen. 4. Der ethnische Faktor Seit marokkanische Juden im Jahre 1977 dem Likud zum Wahlsieg verhalfen, erhielt der ethnische Faktor für alle parteipolitischen Überlegungen wachsende Bedeutung. Dies kam erstmalig zum Ausdruck, als Abu Chazera die sich auf Wähler marokkanischer oder jedenfalls nordafrikanischer Herkunft stützende Tami-Partei gründete; diesem Ereignis folgte die noch zu berichtende Abspaltung sephardischer Juden aus der aschkenasisehen Agudat Israel.

Zur genaueren Präzision der oft falschverstandenen Begriffe wie „Sepharden" oder „Orientalen“ kann auf Regierungsstatistiken verwiesen werden, die zwischen Einwohnern europäischer Herkunft (Aschkenasen) einerseits und den aus Afrika oder aus Asien eingewanderten Nicht-Aschkenasen unterscheiden. Die afrikanische Gruppe ist der im Sprachgebrauch „Marokkaner" genannte Teil des Jischuw, der in den letzten 500 Jahren in Nordafrika gewohnt hat und von dort nach Israel eingewandert ist. Er gehörte ursprünglich zu den im ersten und zweiten Jahrhundert in die römische Sklaverei verkauften Bewohnern Judäas. Im dritten Jahrhundert befanden sie sich zum größten Teil in Gallien und am Rhein. Diejenigen, die sich von dort nach Osten, also nach Deutschland (hebräisch: „Aschkenas") wandten, hießen fortan Aschkenasim, diejenigen, die nach Spanien zogen, nannte man „Sephardim" — Spanier. Dort lebten sie während der arabischen Ära Spaniens im besten Einvernehmen mit der muslimischen Bevölkerung, aber nach der christlichen Wiedereroberung des Landes wurden sie vor die Wahl gestellt, die Taufe anzunehmen oder auszuwandern. Der größere und wohl auch ärmste Teil der Auswanderer fand in den arabischen Emiraten der afrikanischen Nordküste Asyl. Sie litten dort in den nachfolgenden Jahrhunderten unter religiöser Verfolgung und wirtschaftlicher Bedrängnis. Als Israel selbständig wurde, wurden sie als Staatsfeinde behandelt und schließlich des Landes verwiesen. Fast alle, viele Hunderttausende, emigrierten nach Israel

Die aus Asien eingewanderten Juden, die eigentlichen „Orientalen", entstammen einem viel früheren Exil. Sie waren von Assyrern im achten vorchristlichen Jahrhundert und von Babyloniern 200 Jahre später nach Asien in die Sklaverei geführt worden. Bereits vor der Staatsgründung kam die erste Gruppe von Jemeniten, nur wenig später folgten die irakischen Juden nach Israel, dann zahlreiche andere „Stämme des Ostens“.

Die „Marokkaner" kamen in ein Land, das sich nach einem gerade überstandenen Krieg in einem Zustand völliger Erschöpfung befand. Die Einwanderer wurden in Lagern untergebracht, wo sie oft jahrelang warten mußten, bis Wohnungen einzugsbereit waren, und auch in allen anderen Lebenssphären waren sie in dieser Zeit von den Verfügungen einer überarbeiteten aschkenasischen, wohl nicht immer verständnisvollen Beamtenschaft abhängig. Aus dieser Situation entstand ihre Verbitterung gegen das Regime der Arbeiter-regierung und ihr Anschluß an Menachem Begins Oppositionspartei. Die „orientalischen“ Juden können dagegen keineswegs als Parteigänger des Likud klassifiziert werden, insbesondere ihre größte Gruppe, die Iraker, ist eher dem Maarach zuzuordnen, jedenfalls gehören viele prominente Iraker zum Parteiapparat des Maarach, als Knessetabgeordnete, vielfach auch mit Ministerrang.

Innerhalb der großen Parteiblöcke haben nun auch Nicht-Aschkenasen die oberste Führungsspitze erreicht: David Levi im Likud, Jizchak Navon, ein , Alt-Sepharde", im Maarach. Auch außerhalb der Parteien bekleiden Nicht-Aschkenasen heute die wichtigsten Positionen des Staates. Navon war bereits Staatspräsident, der aus dem Jemen stammende Israel Kessar ist Generalsekretär der Histadrut und der im Irak geborene Moshe Levi ist Generalstabschef.

Laut Regierungsstatistik zählte der Jischuw Ende 1982 39, 3 % Aschkenasen und 44, 3 % Nicht-Aschkenasen (22, 3 % aus Afrika, 22 % aus Asien). Juden, deren Väter bereits im Land geboren waren, wurden nicht mehr nach Herkunftsländern registriert. Diese Gruppe betrug am Stichtag 16, 4 %, so daß nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob Nicht-Aschkenasen bereits eine Mehrheit erreicht haben. „Mischehen", die am Censustag 20% erreichten, sind ein weiterer Unsicherheitsfaktor in dieser Statistik.

IV. Neuwahlen 1984

Ende des Jahres 1983 mehrten sich die Anzeichen, daß der Stern des Likud im Sinken war. Zwei Gründe gab es für den Umschlag der Volksstimmung: Der Libanonkrieg hatte hohe Verluste zur Folge gehabt, und es war noch kein Ende abzusehen. Zweitens hatte die Finanzpolitik der Regierung schlimme Rückschläge erlitten, welche die Bevölkerung täglich am eigenen Leibe erfuhr. Finanzminister Joram Aridor, der den Sparpolitiker Jigael Horowitz abgelöst und durch massive Zoll-und Steuervergünstigungen und verstärkte Subventionen für alle Verbrauchsgüter die Wahlen für den Likud gerettet hatte, setzte diese Politik auch in der Folgezeit fort. Die Inflation stieg im raschen Tempo, die Devisenreserven schrumpften, aber der Bürger, gegen die Inflation durch ein ausgeklügeltes Indexierungssystem weitgehend abgesichert, sah nur, daß sich die Wirtschaft in allen Zweigen zu entwickeln schien, investierte seine Ersparnisse, wo immer er glaubte, an der Konjunktur teilnehmen zu können. Plötzlich wertete Aridor dann die Währung in zwei Schüben am 6. und 11. Oktober 1983 um 25% ab. Das Publikum wurde von Panik erfaßt. In überstürzten Verkäufen zerstoben die Ge9 winne der vorangegangenen Hausse, Späteinsteiger erlitten empfindliche Verluste, und die Banken, deren Aktien die begehrteste Anlage gewesen waren, mußten die Finanzbehörden um Hilfe angehen.

Aridor konnte sich nicht halten; aber auch sein Nachfolger bemühte sich vergeblich um eine Gesundung der Finanzen. Im Frühjahr 1984 war die Inflation auf über 200 % gestiegen und die Devisenreserven waren auf einem besorgniserregenden Tiefstand angekommen. In dieser Situation war der Maarach außerordentlich an vorgezogenen Wahlen interessiert, aber erst mit der unerwarteten Hilfe von Abu-Chazeras Tami-Partei gelang es am 22. März 1984, die Regierung zu stürzen. Der Tag der Neuwahlen wurde auf den 23. Juli 1984 festgesetzt.

Es ist in Israel leicht, eine Partei zu gründen und ihre Zulassung zu den Knessetwahlen genehmigen zu lassen.

Die Zahl der 1984 eingereichten Listen betrug 26, von ihnen gelangten 15 (8 alte und 7 neue) in die nächste Knesset.

Die folgende kurze Übersicht über das Parteienspektrum am Anfang der Wahlkampagne wird die nachfolgenden Entwicklungen besser verständlich machen.

Im Likud waren große Veränderungen vor sich gegangen. Menachem Begin hatte im September 1983 sein Amt als Regierungschef mit einer einfachen Erklärung „ich kann nicht mehr“ in einer Regierungssitzung niedergelegt, ohne weder damals noch seither Gründe für diesen Entschluß anzugeben. Zu seinem Nachfolger wurde im Likud Jizschak Schamir gewählt, nachdem David Levi seine Kandidatur zurückgezogen und auch Ariel Scharon es für opportun gehalten hatte, zu diesem Zeitpunkt eine abwartende Haltung einzunehmen. Zwischen Heruth und Liberalen war es aber nach Begins Rücktritt zu hitzigen Auseinandersetzungen gekommen, da den Liberalen vor 20 Jahren 18 sichere Plätze auf der Likud-Einheitsliste zugesagt worden waren Inzwischen war klar geworden, daß die auf das Votum einer bürgerlichen Wählerschaft bauenden Liberalen mit einer selbständigen Liste nur einen Bruchteil der ihnen im Likud verbürgten Mandate erhalten würden. Vor die Alternative gestellt, im Likud ohne Son-derstellung aufzugehen oder ihn zu verlassen, akzeptierten die Liberalen die vielleicht nur vorläufige Kompromißlösung einer unbeträchtlichen Reduzierung ihrer gesicherten Plätze.

Die Tschiah hatte bedeutenden Zuzug in der Person des ehemaligen Generalstabschefs Rafael Eitan erhalten, eines „Superfalken" eigener Prägung. Ezer Weizman hatte eine neue Partei, die Jachad, gegründet. Er hoffte, zwischen Likud und Maarach das Zünglein an der Waage zu werden, um der einen oder der anderen seine politische Linie aufzwingen zu können. Die Omez des ehemaligen Finanzministers Horowitz verlangte eine Wiederaufnahme der von ihm seinerzeit eingeschlagenen Sparpolitik. Die neue Schass war als eine Sammlungsbewegung sephardischer Orthodox-Religiöser entstanden, die sich in der von Aschkenasen dominierten Agudat Israel zurückgesetzt fühlten. Auf die neue Progressive Partei für Frieden und die Kach-Partei des Raw Kahane wird noch zurückzukommen sein.

Die im Juni einsetzende Wahlkampagne richtete sich fast ausschließlich an jene große Wählergruppe, die in den städtischen Armenvierteln und in „Entwicklungsstädten" lebt also an die aus Nordafrika, vor allem aus Marokko stammenden sephardischen Juden. Der Maarach hoffte, dem Likud diese Gruppe zu entfremden, indem er auf die von der Regierung verursachte Wirtschaftsmisere und die immer noch steigenden Verlustziffern im Libanonkrieg hinwies. Der Likud verstand es jedoch, die Verbesserung der Lebensbedingungen sehr anschaulich aufzuzeigen, die er gerade für diese Schichten des Jischuw in die Wege geleitet hatte; den Klagen über den Libanonkrieg begegnete er mit einer anderen Taktik, indem er etwa ein neunjähriges Mädchen aus Kirjat Schmona im Fernsehen vorführte, das sehr eindrucksvoll von seinem Leben im Luftschutzkeller erzählte und davon, daß es jetzt „endlich leben könne wie alle anderen Kinder in Israel". 1. Wahlergebnisse Noch am Vortag der Wahlen hatten Volks-befragungen einen Vorsprung des Maarach vor dem Likud von acht bis zehn Mandaten voraussgesagt. Die in der Wahl erzielte Differenz von nur vier Mandaten war daher für Maarach-Anhänger sehr enttäuschend. Auch im Gesamtergebnis hatte sich das Parteien-spektrum nur unter Einbeziehung der „Progressiven" etwas nach links verschoben, wie die folgende Tabelle zeigt. Raz und Shinui, die linksliberalen Parteien, hatten auf Kosten des Maarach einen erheblichen Stimmenzuwachs erzielt. Die Tchiah war von drei auf fünf Mandate gekommen: Das Erscheinen des Generals a. D. Rafael Eitan auf der Wahlliste, des legendären Helden aller Kriege Israels, hatte auf andere Kriegsveteranen, besonders aber die Jugend, seinen Eindruck nicht verfehlt. Nach einer von der Zeitung Haarez veröffentlichten Analyse hat Tchiah in den für das Militär bestimmten Wahlurnen 9, 7% aller Stimmen erhalten, gegenüber 4% im Landesdurchschnitt Jachads Anhänger waren enttäuscht; sie hatten mit fünf oder sechs Mandaten gerechnet. Die religiösen Parteien (9— 13 der Tabelle) konnten zwar mit 13 Mandaten ihre frühere Stärke behalten, aber die Zusammensetzung hatte sich wesentlich verschoben. Mawdal, der schon aus den vorigen Wahlen geschwächt hervorgegangen war, hatte zwei weitere Mandate verloren, vermutlich an die nationalistische Morascha Partei. Agudat Israelund Tami mußten je zwei Mandate an die sephardischorthodoxe Schass abgeben — ein alle Politiker verblüffendes Ergebnis. Man hatte sich nicht vorstellen können, daß sie in Konkurrenz mit der Agudat Israel einen solchen Erfolgskurs nehmen würde.

Die Progressive Partei für Frieden mit einem arabischen Politiker als Spitzenkandidaten wird von allen Parteien (mit der möglichen Ausnahme von Mapam und Raz) als Verräter an der zionistischen Sache angesehen. Tatsächlich versuchen die Progressiven jetzt mit Hilfe der arabischen Wählerschaft zu erreichen, was ihnen im Rahmen der damals noch als zionistisch angesehenen Scheli-Partei nicht gelungen war: Israels Staatsführung zu Verhandlungen mit der PLO zu bringen. Die Progressiven betrachten die PLO als einen nicht zu umgehenden Faktor im arabischen Lager; nur „realistische" Konzessionen können ihrer Ansicht nach zu einem Frieden führen.

Eine Analyse der für die Progressiven abgegebenen Stimmen ergab, daß über 90% der Stimmen aus den arabischen Distrikten des Landes kamen 7) und die Progressiven daher als ein Teil von Israels arabischem Szenario anzusehen sind. Dies gilt auch für die Kommunistische Partei, die ebenfalls etwa 90% ihrer Stimmen aus arabischen Wahldistrikten bezieht, obwohl auf ihrer Liste seit Jahren als Spitzenkandidaten Juden stehen.

In den arabischen Wahlbezirken nahmen die Kommunisten seit jeher eine vorherrschende Stellung ein. Selbständige arabische Parteien konnten, mit Ausnahme der „Unabhängigen Arabischen Partei", die 1977 ein Mandat erhielt, niemals die Zulassungsgrenze erreichen. 1981 wurden in diesen Bezirken — bei einer Wahlbeteiligung von 68% — ungefähr 170 000 Stimmen abgegeben, von denen die Kommunisten 65 000, der Maarach 47 000 erhielten und der Rest sich auf Likud, Shinui, Mawdal und arabische Listen verteilte, die nicht zum Zuge kamen.

1984 entbrannte ein heftiger Kampf zwischen den Kommunisten und der neuen Progressiven Partei. Beide befürworteten die Hinzuziehung der PLO zu politischen Gesprächen mit Israel. Die Progressiven jedoch versuchten, die „Gemäßigten" innerhalb der PLO zum Beginn eines Dialogs mit Israel zu gewinnen 8). Die Kommunisten wiederum unternahmen ohne Erfolg den Versuch, Arafat zu veranlassen, die neue „Spalter" -Partei zu verdammen, aber auch führende Politiker der Progressiven hatten — ebenfalls vergeblich — versucht, von Arafat legitimiert zu werden.

Wegen des Interesses, das die arabischen Wähler an dem Wettstreit zwischen Kommunisten und Progressiven nahmen, stieg die Wahlbeteiligung von 68% im Jahre 1981 auf 77% im Jahre 1984; fast 200 000 Wähler gin-gen diesmal an die Urnen. Die Kommunisten gingen im arabischen Sektor aus den Wahlen geschwächt hervor; sie erzielten zwar 70 000 Stimmen, die jedoch nur 36% der insgesamt abgegebenen Stimmen ergaben. Die Progressiven erzielten 35 000, der Maarach 52 000, der Schinui, der besonders stark in den drusisehen Distrikten war, über 10 000, und Weizman über 6 000 Stimmen. Auch der Likud, der einen Araber auf seiner Liste hatte, und sogar der Mawdal, der zu einigen lokalen „Chamulot" gute Beziehungen unterhielt, erzielten einige tausend Stimmen.

Der Wahlerfolg der Kach hat wohl 95% des Jischuw — wenn wir die restlichen 5% dem extremsten Flügel der Tchiah zurechnen — nicht weniger entsetzt und schockiert als die ausländischen Berichterstatter. Allerdings wurde das Ereignis oft in einer solchen Weise aufgebläht, als wäre Kach bereits auf dem besten Wege, den Staat Israel nach seinen Ideen umzuformen.

Man ist sich in Israel sehr wohl darüber im klaren, daß aus einem „crazy fringe“, von dem niemand so recht Notiz genommen hatte, eine Partei geworden ist, dessen Führer von der Bühne der Knesset unter dem Schutz parlamentarischer Immunität seine Lehren verkünden kann. Aber vielleicht noch mehr als sein wahnwitziger Plan, die Araber Israels zur Auswanderung zu veranlassen (oder zu zwingen) — bereits am Tage nach der Wahl war er auf dem Weg in ein arabisches Dorf, um dort ein . Auswanderungsbüro" zu errichten —, entsetzt den Jischuw der Anblick seiner in gelben Hemden auftretenden, Händel suchenden Banden.

Der Jischuw war jetzt entschlossen, die Kach im Keim zu ersticken und verlangte wirksame Sofortmaßnahmen. So enthalten bereits die „Politischen Richtlinien“ der neuen Regierung der „Nationalen Einheit“ die sofortige Vorbereitung eines Gesetzes gegen den Rassenhaß. Auch ein Parlamentsabgeordneter kann mit diesem Gesetz in Konflikt kommen. Außerdem wurde auch mit Blick auf die Straßen-banden des Rabbi beschlossen, das Polizeidezernat aus dem bisher von dem Mawdal-Führer Dr. Burg verwalteten Innenministerium herauszunehmen und als ein selbständiges Polizeiministerium Chaim Bar-Lev anzuvertrauen, einem ehemaligen Generalstabschef, der heute der Führungselite, des Maarach angehört. 2. Die Regierung der nationalen Einheit Da der Maarach aus den Wahlen als größte Partei hervorgegangen war, übertrug der Staatspräsident dem Vorsitzenden des Maarach, Shimon Peres, den Auftrag zur Regierungsbildung. Seine Verhandlungen mit den Religiösen Parteien, von denen er zumindest eine für eine Knessetmajorität brauchte, blieben jedoch erfolglos, da er ihre Bedingungen nicht akzeptieren wollte.

Dagegen war Ezer Weizman nicht nur bereit einer Maarach-Koalition beizutreten, sondern er traf mit Peres ein Abkommen, wonach die Jachad dem Maarach als Fraktion beitrat Dies kann man als die wahrhaft dramatische Entscheidung eines Mannes bezeichnen, der 1977 dem Likud zu seinem Sieg verhelfen hatte. Jetzt war der Likud ebensowenig wie der Maarach im Stande, eine Regierung zu bilden; daher wurde der bereits vor den Wahlen ventilierte Gedanke einer Regierung der Nationalen Einheit wieder aufgenommen. Die Wirtschaftslage des Staates war in einem so katastrophalen Zustand, daß einschneidende Maßnahmen ohne Verzug ergriffen werden mußten; eine nur von einer knappen Mehrheit unterstützte Regierung hätte es nicht wagen können, dem Volk die unerläßlich gewordene Reduzierung seines Lebensstandards aufzuzwingen.

Das nach mühsamen Verhandlungen erreichte Abkommen über die Errichtung der Regierung der Nationalen Einheit sah eine Dauer der Regierung für 50 Monate vor. In den ersten 25 Monaten soll Peres, in den nächsten Shamir als Ministerpräsident, dagegen in der ersten Hälfte Shamir, in der zweiten Peres als Außenminister amtieren. Für die gesamte Laufzeit ist Rabin als Verteidigungsminister, Jizchak Moda'i, der Vorsitzende der liberalen Likud-Fraktion, als Finanzminister vorgesehen.

Im übrigen sollte die Regierungsbank auch hinsichtlich der anderen Ministerposten paritätisch besetzt sein, wobei alle wesentlichen Entscheidungen einem „inneren Kabinett" von zehn Mitgliedern Vorbehalten sein sollten. Für dieses Kabinett wurden vom Maarach ernannt: Peres, Rabin, Navon, Bar-Lev und Weizman, vom Likud: Shamir, Levi, Sharon, Arens und Moda’i. Die „politischen Richtlinien“ beschäftigten sich mit einer Unzahl von Punkten; dabei mag die Richtlinie erwähnenswert sein, die im Libanon befindlichen Truppen zurückzuziehen, sobald dies ohne Gefährdung der Sicherheit Galiläas bewerkstelligt werden könne. Aber alle Richtlinien, die sich mit den besetzten Gebieten, mit der Fortsetzung des Camp-David-Abkommens oder auch anderen Verhandlungen mit der arabischen Welt befassen, laufen im Grunde darauf hinaus, weder die politischen Intentionen des Li-B kud noch diejenigen des Maarach zu verwirklichen. Wichtig jedoch ist die Vereinbarung, daß neue Siedlungen in der Westbank einen Mehrheitsbeschluß des „inneren Kabinetts“ erfordern.

Der Regierung traten auf der Seite des Maarach die Parteien Shinui und Ometz bei. Raz blieb in der Opposition. Die sechs Abgeordneten der Mapam traten zusammen mit einem stark links engagierten Abgeordneten der Arbeiterpartei aus dem Maarach aus. Die linke Opposition besteht daher einschließlich der . Progressiven" und den Kommunisten aus 16 Abgeordneten, die rechte Opposition — Tchiah und Kach — aus sechs Abgeordneten.

Die religiösen Parteien verhielten sich abwartend. Mawdal und Schass beanspruchen das Innen-und das Religionsministerium — nachdem das bisher von der Mawdal beherrschte Erziehungsministerium Jizchak Navon übergeben worden war. Bis zu einer Besetzung dieser Vakanzen wird der Ministerpräsident beide Ressorts verwalten.

Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Beitrages ist die neue Regierung drei Wochen im Amt Zur Enttäuschung wohl der ganzen Wählerschaft des Landes war die Regierung noch nicht im Stande, sich auf eine gemeinsame Politik zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise zu einigen. Der vom Finanzminister Moda'i vorgeschlagene Plan, auf den sich die Partner der Regierung in Vorbesprechungen geeinigt hatten, umfaßt drei Punkte: eine starke Reduzierung des Regierungsetats, die zeitweilige Außerkraftsetzung des Lebenshaltungsindexes sowie eine erhöhte Besteuerung der vermögenden Schichten. Aber die Histadrut widersetzt sich energisch jedem Eingriff in das Indexierungssystem, dem einzigen Schutz der Lohn-und Gehaltsempfänger gegen die Inflation. Angesichts dieses Widerstandes der Histadrut ist die eben geschaffene Einheitsfront der Regierungskoalition schon brüchig geworden.

In den sieben Jahren, die wir in dieser Abhandlung Revue passieren ließen, hat sich Israels Parteienlandschaft in einem Ausmaß verändert, wie es niemals vorher in seiner Geschichte der Fall gewesen war: Von den elf Parteien, die für die Wahl des Jahres 1977 angetreten waren, sind fünf noch heute vertreten: Likud, Maarach, Mawdal, Agudat Israel und die Kommunisten. Die jetzt 15 Parteien zählende Skala enthält (außer diesen fünf Parteien) drei, die 1981 in die Knesset gelangten und sieben, die erst vor Beginn der Wahlen von 1984 entstanden sind.

Bemerkenswert ist die Polarisierung des Parteienspektrums in Fragen der Außenpolitik: die Stärkung der Parteien links vom Maarach und rechts vom Likud. Ebenso bedeutsam ist die Entwicklung des Maarach von einer ursprünglich sozialistischen, dann sozialdemokratischen, schließlich mit dem Austritt der Mapam und dem Eintritt Jachads zu einer ausgesprochenen Mittelstandspartei — wohingegen der Heruth in seiner jetzt scharf betonten Distanzierung zu den Likud-Liberalen dem Maarach die Rolle des Fürsprechers der wirtschaftlich schwachen Schichten streitig machen will.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Weit später, im Jahre 1976, stürzte die Mawdal die Regierung Rabins, weil die langerwarteten amerikanischen Düsenflugzeuge nach Schabbat-Beginn eingeflogen und auf dem Flugplatz mit einer Staatszeremonie empfangen wurden. Als Partner der Likudregierung setzten die Religiösen durch, daß EIAI am Samstag weder starten noch landen dürfe.

  2. Unter Halacha versteht man die im späten Mittelalter verfaßten Kommentare der Bibel, den „Talmud“, der sich mit jeder erdenklichen juristischen Zweifelsfrage beschäftigt und unzählige Gebote und Verbote dekretiert.

  3. Die extremsten Sekten des orthodoxen Lagers nehmen an Knessetwahlen nicht teil, und Zehntausende aus Amerika eingewanderte Orthodoxe haben die israelische Staatsangehörigkeit nicht angenommen. Den Agudat-Israel-Gemeinden gehören deshalb wesentlich mehr Wahlberechtigte an, als die 80 000 Stimmen, die für die Partei 1981 abgegeben wurden, erkennen lassen, und auch mehr, als aus dem Stimmenzuwachs der Wahlen von 1984 zu errechnen ist.

  4. Ein anderer Teil begab sich in die „Levante“, auf den Balkan und auch nach Palästina. Diese „Alt-iepharden" waren bei der Staatsgründung ein gewichtiger Faktor; heute ist ihre Zahl vergleichsweise sehr zusammengeschrumpft.

  5. Die linksorientierte „Unabhängige Liberale Partei“ hatte die Verschmelzung mit dem Heruth nicht mitgemacht, jedoch verlor sie in den folgenden Jahren zusehends an Stärke. 1984 brachte sie ihre Wähler in den Maarach gegen die Garantie eines sitheren Listenplatzes für ihren Parteiführer.

Weitere Inhalte

Hans (später Jochanan) Roman, Dr. jur., geb. 1907 in Schlesien; Studium der Rechts-und Staatswissenschaften an den Universitäten Breslau und Heidelberg. Im März 1933 Auswanderung nach Palästina. Dort zunächst Mitglied eines Kibbuz, später in vielen Zweigen des Wirtschaftslebens, aber auch im öffentlichen Dienst in leitender Stellung tätig. In den fünfziger Jahren Sonderbeauftragter des Ministeriums für Handel und Industrie in den Entwicklungsländern Afrikas und Asiens. 1977 Veröffentlichung einer Abhandlung über die völkerrechtliche Bedeutung des Sinai-Abkommens vom September 1975; neueste Veröffentlichung: Israel. Reiseführer und Landeskunde, Frankfurt/M. 1984.