Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Portugal und Spanien in der Europäischen Gemeinschaft Politische Lage, ökonomisches Potential und wirtschaftspolitische Problembereiche der neuen Mitgliedsländer | APuZ 8/1986 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 8/1986 Artikel 1 Portugal und Spanien in der Europäischen Gemeinschaft Politische Lage, ökonomisches Potential und wirtschaftspolitische Problembereiche der neuen Mitgliedsländer Die Iberische Halbinsel und Europa Ein kulturhistorischer Rückblick Italien in den achtziger Jahren

Portugal und Spanien in der Europäischen Gemeinschaft Politische Lage, ökonomisches Potential und wirtschaftspolitische Problembereiche der neuen Mitgliedsländer

Anton P. Müller

/ 16 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Motive für die Erweiterung der Gemeinschaft um Spanien und Portugal sind in erster Linie politischer Natur. Dabei decken sich Zielsetzungen einer Absicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen in den Beitrittsländern mit den Interessen der Gemeinschaft. In wirtschaftlicher Hinsicht stellt die Vollmitgliedschaft lediglich einen Schritt auf dem Weg in die Gemeinschaft dar, der bereits zu Beginn der siebziger Jahre mit Präferenzabkommen eingeleitet wurde und wegen einer vereinbarten Übergangsfrist bis in die neunziger Jahre reichen wird. Die beiden iberischen Länder sind unzureichend auf den Beitritt vorbereitet. So wird die neue Konkurrenzsituation zwar dazu beitragen, daß innergesellschaftliche und wirtschaftliche Anpassungsprozesse beschleunigt vollzogen werden, doch treten angesichts der wirtschaftspolitischen Probleme — insbesondere bei der Arbeitslosigkeit — Hindernisse auf, die die vom Beitritt ausgehenden positiven Impulse konterkarieren können. Für die Gemeinschaft bringt die Erweiterung neue Aufgabenstellungen in der Agrar-und vor allem in der Regionalpolitik. Langfristig leitet die Erweiterung einen Prozeß ein, der das Gewicht der Gemeinschaft in die südeuropäischen Länder verlagert.

I. Einleitung

Tabelle 1: Erwerbstätige nach Produktionsbereichen (in 00) EG der Zehn Bundesrepublik Deutschland Spanien Portugal -------------___ Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen 17, 6 39, 8 42, 5 13, 7 46, 1 40, 3 42, 3 32, 0 25, 7 42, 8 29, 5 27, 7 11, 0 40, 8 48, 3 8, 5 49, 9 44, 6 29, 5 37, 2 33, 3 . 29, 9 32, 7 37, 4 7, 5 34, 6 57, 9 5, 4 41, 1 53, 5 18, 0 33, 5 48, 5 26, 7 36, 5 36,錐ٞ

Mit der Unterzeichnung der Beitrittsverträge am 12. Juni 1985 und ihrer Anerkennung durch das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente sind Spanien und Portugal am 1. Januar 1986 Vollmitglieder der Europäischen Gemeinschaft geworden. Die Süderweiterung der EG, die vor fünf Jahren mit der Aufnahme Griechenlands begann, ist damit zu ihrem vorläufigen Abschluß gekommen.

Tabelle 6: Wahlergebnisse in Portugal 1975 bis 1985 Sozialisten Soziale Demokraten) Demokratische Allianz ) Zentrumsdemokraten Kommunisten Demokratische Erneuerung 2) Sonstige 116 81 X 16 35 X 2 1976b) 107 73 X 42 40 X 1 74 X 128 X 47 X 1 74 X 134 X 41 X 1 101 75 X 30 44 X X 57 88 X 22 38 45 X 1975 Sitzverteilung 3) 1979 1980 1983 1985 3) 1975: Verfassungsgebende Versammlung; ab 1976 Nationalversammlung b) in dieser Legislaturperiode gab es abweichend von der üblichen Zahl von 250 Parlamentssitzen 263 Ab流

Mit dem Beitritt der beiden iberischen Länder ändert sich der Charakter der Gemeinschaft. War die ursprüngliche Sechsergemeinschaft noch eine Verbindung von ökonomisch etwa gleich entwikkelten Volkswirtschaften und wurde bei der ersten Erweiterung mit Irland lediglich ein strukturschwaches Land mit aufgenommen, so beinhaltet die Süderweiterung den Beitritt von drei Ländern, deren Wirtschaftsstrukturen und Entwicklungsniveaus sich erheblich von denen der industrialisierten EG-Mitglieder unterscheiden. Mit Spanien und Portugal wurden Länder aufgenommen, deren Industrialisierungsgrad — trotz der Wachstumsschübe, die beide Länder in den sechziger Jahren erlebten — auch heute noch erheblich unter dem der nördlichen EG-Staaten liegt und deren Erwerbsstruktur durch einen hohen Anteil von Beschäftigten in der Landwirtschaft gekennzeichnet ist.

EG der Zehn hiervon:

Bundesrepublik Deutschland EG der Zwölf hiervon:

Spanien Portugal Zum Vergleich:

USA Japan 1 658 249 2 255 505 92 9 369 378 Tabelle 7: Zehner-und Zwölfergemeinschaft. Fläche, Bevölkerung und Bruttoinlandsprodukt 271, 9 61, 4 320, 4 38, 4 10, 1 234, 2 119, 2 2 777, 1 779, 4 3 010, 2 207, 7 25, 4 4 639, 0 1 441, 7 Quelle: Eurostat. Fläche (in 1000 km 2) Bevölkerung (in Mio. Einw.) Bruttoinlandsprodukt (in Mrd. ECU 1984)

Die Anpassungsprobleme, die sich schon beim Beitritt Griechenlands gezeigt haben, werden durch die Erweiterung um Spanien und Portugal noch deutlicher in Erscheinung treten. Für die EG erwachsen hieraus neue Anforderungen, die insbesondere der Agrar-und Regionalpolitik neue und umfassendere Aufgaben stellen. Die Volkswirtschaften der neuen Mitglieder werden einem härteren Wettbewerb ausgesetzt, was den seit Mitte der siebziger Jahre eingeleiteten Anpassungsprozeß beschleunigen wird; andererseits wird der Beitritt die heute schon bestehenden Schwierigkeiten im Umstellungsprozeß erhöhen und vor allem in der ersten Phase zu weiteren Belastungen führen.

II. Motive und Rahmenbedingungen der Erweiterung

Tabelle!: Ausfuhr in Mitgliedstaaten der EG (in % der Gesamtausfuhr) EG der Zehn Bundesrepublik Deutschland Spanien Portugal 51, 7 48, 1 45, 8 57, 3 52, 4 48, 1 48, 3 58, 9 Quelle: Eurostat. 1982 1983

Gründe für Beitritt und Aufnahme Die Aufnahme Portugals und Spaniens in die Europäische Gemeinschaft ist in erster Linie politisch motiviert. Sie ist Ausdruck eines politischen Bewußtseins, welches Europa als kulturelle und geographische Einheit begreift, das in der Gemeinschaft seine politische Einigung sucht. Die Süderweiterung wurde deshalb trotz der wirtschaftlichen Probleme vollzogen.

Tabelle 8: Bruttoinlandsprodukt je Einwohner (1984) Dänemark Bundesrepublik Deutschland Italien Irland Griechenland Spanien Portugal Zum Vergleich: USA Japan , 116, 1 113, 8 86, 7 67, 3 53, 8 69, 5 43, 4 144, 6 111, 2 13 647 12 723 7 787 6 253 4 178 5 370 2 647 19 475 12 088 in Kaufkraft-standards ) ) EG-Zehnergemeinschaft = 100. Quelle: Eurostat, OECD. in ECU

Politisch ist die Aufnahme von Spanien und Portugal (wie auch die Griechenlands) durch die Zielsetzung begründet, die sich dort seit Mitte der siebziger Jahre herausbildenden demokratischen Systeme zu stabilisieren 1). Die demokratischen Parteien in diesen Ländern erhoffen sich von der EG-Mitgliedschaft eine Absicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen und erst auf mittlere Sicht die Besserung der wirtschaftlichen Lage

Tabelle 9: Selbstversorgungsgrade in Portugal, Spanien und Zehnergemeinschaft (in • 1981/82) Reis Mais Weizen Schweinefleisch Rindfleisch Butter Zucker 43 43 26 95 95 29 2 87 32 104 96 99 83 100 70 73 127 101 103 122 144 Portugal Spanien EG der Zehn Quelle: Europäisches Parlament auf der Grundlage von Eurostat und nationalen Statistiken.

Diese Bestrebungen der Beitrittsländer decken sich mit denen der Gemeinschaft. Auch geopolitische Gründe sprechen für die Süderweiterung. Neben den Altmitgliedern der NATO (Griechenland und Portugal) trat 1982 auch Spanien dem Bündnis bei. Dadurch besteht nun die Südflanke der NATO von der Ägäis über die Straße von Gibraltar bis zu den Azoren aus Ländern, die gleichzeitig dem Nordatlantischen Verteidigungspakt und der Europäischen Gemeinschaft angehören Nach dem Abschluß der Süderweiterung gehören mit Ausnahme Norwegens alle europäischen Mitglieder der NATO auch der Gemeinschaft an. Das Europäische Parlament sieht hierin eine Chance, das Gewicht Europas in der Allianz zu verstärken

1 ha 1— 5 ha 100— 1000 ha > 1000 ha 33 % 57 % 3 % 0, 3 % 2, 3 % 8, 0 % 59, 0 % 27, 0 % Tabelle 10: Struktur der spanischen Agrarbetriebe Betriebe Quelle: Censo Agrario 1972. Fläche

Für die iberischen Länder gab es zum Beitritt keine realistische Alternative. Die Hoffnungen auf eine Integration mit den lateinamerikanischen Ländern erwiesen sich als illusorisch historisch begründete Animositäten zwischen Spanien und Portugal verhinderten einen bilateralen Zusammenschluß, und für Portugal war mit dem Verlust der Kolonien nach der Revolution 1974 die jahrhundertealte Orientierung nach Übersee endgültig unmöglich geworden. Für Spanien und Portugal bot nur eine Hinwendung zu Europa die Möglichkeit, den „iberischen Isolationismus“ zu überwinden. 2. Stand der ökonomischen Integration Wirtschaftlich ist die Vollmitgliedschaft von Spanien und Portugal die formale Anerkennung einer real schon weitgehend vollzogenen Integration. Der EG-Anteil an den Ausfuhren Spaniens ist prozentual ebenso hoch wie der der EG-Aus-fuhren der Bundesrepublik, und Portugal übertrifft mit 59% sogar erheblich das Niveau der Zehnergemeinschaft.

Tabelle!!: Vergleichsziffern zur landwirtschaftlichen Produktivität. EG-Zehnergemeinschaft (= 100) und Länder der Süderweiterung 1979/80 Weizen Roggen Mais Kartoffeln 23, 0 17, 2 21, 9 34, 5 41, 8 31, 9 84, 9 57, 4 6. 0, 5 45, 1 108, 9 55, 3 100 100 100 100 Portugal Quelle: OECD. Spanien Griechenland EG der Zehn

Diese enge Verflechtung begann Anfang der siebziger Jahre, als die EG mit Spanien und Portugal Präferenzabkommen abschloß. Diese Handelsabkommen sahen für eine Vielzahl von iberischen Produkten drastische Zollabsenkungen bei Lieferungen in die EG vor, während die Gemeinschaft für ihre Ausfuhren auf einen entsprechenden Zollabbau verzichtete Hierdurch war es den beiden Ländern bereits während der siebziger Jahre möglich, ihre Exporte in die Gemeinschaft kräftig zu erhöhen, ohne ihre weniger wettbewerbsfähigen Produktionsbereiche einem übermäßigen Konkurrenzdruck auszusetzen. Die Zahlen deuten daraufhin, daß die Volkswirtschaften Spaniens und Portugals ihr Potential an Ausfuhren in die Gemeinschaft heute bereits weitgehend ausgeschöpft haben, so daß nach dem Beitritt kaum noch entscheidende zusätzliche Impulse wirksam werden können. Andererseits wird der mit der Mitgliedschaft einsetzende weitere Zollabbau hauptsächlich den Altmitgliedern der EG zugute kommen. Hinzu kommt, daß neben EG-Importen auch Güter aus Drittländern auf den iberischen Markt drängen werden, wenn Spanien und Portugal zu dem für zahlreiche Produktionsbereiche niedrigeren EG-Außentarif übergehen. Um den Anpassungsdruck zu mildern, wurde ein langer Zeitraum für den Zollabbau vereinbart, der sich über acht Stufen bis zum Jahr 1993 erstreckt.

Tabelle 12: Preisverhältnisse von Agrarprodukten (Portugal und Spanien gegenüber EG-Zehnergemeinschaft) Mais Weizen Schweinefleisch Rindfleisch Butter Magermilchpulver Zucker 113, 6 103 116, 6 110 78 192 113, 7 111 99 94 98 121 176 105 Portugal Preisverhältnis zur EG der Zehn (EG-Preise = 100) Spanien Quelle: Europäisches von Eurostat und nationalen Statistiken. Parlament auf der Grundlage

Mengenmäßige Handelsbeschränkungen entfallen bis auf wenige Ausnahmen gleich zu Beginn der Mitgliedschaft. Allerdings werden in mehreren Bereichen sogenannte „ergänzende Handels-mechanismen“ praktiziert werden, die eine Kontrolle des Warenaustausches beinhalten. Sonder-regelungen werden auch auf die Bereiche Textilien und Stahl angewendet.

Tabelle 13: Jährliche Wachstumsraten des realen Bruttoinlandsprodukts seit 1960 Spanien: Portugal: 1960 bis 1970 7, 57 % 1960 bis 1970 6, 56 % 1970 bis 1980 3, 73 % 1970 bis 1973 8, 58 % 1980 bis 1984 1, 52% 1974 bis 1982 3, 73 % Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage von Basisdaten aus IWF, International Financial Statistics.

Im Agrarbereich wird die Übergangszeit sogar zehn Jahre dauern und während dieser Zeit durch Lieferkontingente bei Obst, Gemüse, Wein und Oliven beschränkt sein. Weiterhin wurden für den Bereich Fischerei Begrenzungen der jeweiligen Flotte, der Fischereizonen und der Fangmengen vereinbart. Trotz der politischen Vollmitgliedschaft bleibt der freie Zuzug für eine Tätigkeit als Lohn-und Gehaltsempfänger bis 1992, und im Falle Luxemburgs bis 1995, genehmigungspflichtig

III. Politische Rahmenbedingungen in den Beitrittsländern

Tabelle 3: Entwicklung der außenwirtschaftlichen Verflechtung von Spanien und Portugal mit der EG 1970 bis 1984 (in Mio. ECU) * Spanien Portugal 1 162 442 14 648 4 023 19, 8 17, 1 1 802 813 12 850 3 624 15, 1 11, 3 ) jährliches Wachstum in %.

Quelle: Eurostat und eigene Berechnungen. Gemeinschaftseinfuhren 1970 1984 Wachstumsrate 1) * 1 ECU = 2, 2 DM. 1970 Gemeinschaftsausfuhren 1984 Wachstumsrate )

Für die beiden neuen EG-Mitglieder bringt der Beitritt eine Entwicklung zum vorläufigen Abschluß, die Mitte der siebziger Jahre einsetzte, als beide Länder ihre autoritären Regime überwanden und sich demokratische Institutionen schufen. Die Umgestaltungen im politischen System waren begleitet von einer tiefgreifenden Änderung der sozialen Verhältnisse und der Kultur. Spanien und Portugal sind dabei, sich eine neue nationale Identität zu schaffen. 1. Spanien In Spanien erfolgte der Übergang zur Demokratie schrittweise im Rahmen der von Franco eingerichteten Institutionen Heute ist das Land auf dem Weg zu einem bipolaren Parteiensystem, nachdem zur ersten demokratischen Wahl nach fast 40jähriger Diktatur sich noch gut zweihundert Parteien und Gruppierungen zur Wahl beworben hatten

Tabelle 14: Leistungsbilanzsalden Spaniens und Portugals 1980— 1984 (in Mrd. US-Dollar) Spanien Portugal -5, 2 -1, 1 -5, 0 -4, 2 -2, 6 -3, 3 -2, 5 + 2, 1 -1, 0 -0, 5 1980 1981 1982 1983 Quelle: IWF, International Financial Statistics. 1984

Schon bei der ersten Cortes-Wahl am 15. Juni 1977 konnten zwei Parteien — das Demokratische Zentrum (UCD) und die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) — zusammen fast zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinigen. In den folgenden Wahlen konnte die PSOE ihre Position weiter stärken und bei den letzten Parlamentswahlen 1982 zur dominierenden politischen Kraft werden.

Tabelle 15: Arbeitslosenquoten EG-Zehner-gemeinschaft Bundesrepublik Deutschland Spanien Portugal 4, 2 4, 1 4, 7 4, 6 5, 9 3, 3 12, 3 7, 8 10, 9 8, 4 19, 6 13, 0 Quelle: Eurostat. 1975 1980 1984

Maßgeblichen Anteil an der Stabilisierung des demokratischen Systems hatte König Juan Carlos, der immer mehr zur überparteilichen Integrationsfigur wurde. Eine Konsolidierung der demokratischen Verhältnisse ist jedoch noch nicht erreicht. Die Wunden des Bürgerkrieges von 1936 bis 1939 mit seinem brutalen Terror auf beiden Seiten sind noch nicht verheilt, und auch die spanische Tradition des Staatsumsturzes durch Militärgruppen, die zur Zerrüttung des Staatswesens im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts geführt hatte ist noch nicht überwunden. Eine weitere Gefahr stellt der anhaltende Terrorismus durch separatistische Bewegungen dar. 2. Portugal Im Gegensatz zu Spanien erfolgte in Portugal der Übergang zur Demokratie durch einen vom Militär getragenen Umsturz. Die sogenannte „Nelkenrevolution“ vom 25. April 1974 nahm ihren Ausgang von einer Offiziersrevolte und drohte zeitweise zu einer neuen Diktatur zu führen Aber auch in Portugal traten bei den Wahlen die gemäßigten Parteien als dominierende politische Kraft hervor. Die Sozialistische Partei unter Mario Soares, der einen deutlich pro-westlichen und sozialdemokratischen Kurs steuert wurde schon bei den ersten Wahlen, die nach 48 Jahren der Diktatur stattfanden, zur stärksten Partei.

Tabelle 16: Jährliche Inflationsraten EG-Zehner-gemeinschaft Bundesrepublik Deutschland Spanien Portugal 13, 8 6, 0 16, 1 17, 3 12, 8 5, 5 16, 1 19, 4 6, 1 2, 6 11, 3 30, 7 Quelle: Eurostat. 1975 1980 1984

Parteienstruktur und Institutionen sind jedoch äußerst labil. Ungeklärte Verfassungsprobleme mit widerstreitenden Kompetenzen von Staats-und Ministerpräsident sowie die Unfähigkeit der führenden Politiker, die wirtschaftliche Situation zu bessern, haben zu einer anhaltenden Instabilität von Wirtschaft und Politik geführt. Seit 1974 hat das Land 16 verschiedene Regierungen erlebt, wurde von einem Rechts-und einem Linksputsch bedroht und ist nach einer kurzen wirtschaftlichen Expansionsphase in den ersten Jahren nach der Revolution rasch in eine tiefgreifende Stagnation versunken.

1. Eisen und Stahl........................

2. Schiffbau .................................

3. Textil und Bekleidung............

4. Haushaltsgeräte........................

5. Elektroindustrie .....................

6. Fernmeldewesen.....................

7. Elektroteile (Autos) ................

8. Papier.......................................

9. Werkzeugmaschinen .............. 10. Düngemittel............................. 11. Schuhfabrikation .................... 12. Übrige Brancϖ

Auch die jüngsten Wahlen zur Nationalversammlung im Oktober 1985 haben keine Klärung der politischen Verhältnisse gebracht. Das Auftreten einer neuen Partei, die von Anhängern des Staatspräsidenten Eanes gebildet wurde, hat das politische System noch labiler gemacht. Bei diesen Wahlen hat die Sozialistische Partei eine einschneidende Niederlage erlitten. Bei den Präsidentschaftswahlen am 26. Januar 1986 hat sich der Trend zugunsten der Konservativen fortgesetzt. Die linken Parteien konnten sich auf keinen gemeinsamen Kandidaten einigen, so daß Diego Freitas do Amaral mit der Unterstützung von PSD und CDS 46, 5% der Stimmen erreichte, während der Kandidat der Sozialisten, der ehemalige Ministerpräsident Mario Soares, nur 25, 5% und der von der Eanes-Partei und den Kommunisten unterstützte Salgado Zenha 20, 7% der Stimmen erzielte. Da keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen konnte, wird in Kürze ein zweiter Wahlgang stattfinden.

IV. Volkswirtschaftliche Aspekte der Erweiterung

1. März 1986 1. Januar 1987 1. Januar 1988 1. Januar 1989 1. Januar 1990 1. Januar 1991 1. Januar 1992 1. Januar 1993 10% 12, 5% 15% 15% 12, 5% 12, 5% 12, 5% 10% Tabelle 4: Zeitplan für den gegenseitigen Zollabbau 10% 10% 15% 15% 10% 10% 15% 15% Zeitpunkt Rate der Absenkung Spanien Portugal Quelle: Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

1. Struktur der Zwölfergemeinschaft Mit der Aufnahme Spaniens und Portugals erhöht sich die Gesamtbevölkerung der Gemeinschaft auf 320, 4 Millionen Einwohner; das Bruttoinlandsprodukt steigt um 233, 1 Milliarden ECU auf über drei Billionen.

Gemessen an der Zahl der Verbraucher wird die EG zum größten Markt der westlichen Welt, der die USA um 86 Millionen Konsumenten übertrifft und mehr als zweieinhalb Mal so groß ist wie Japan. Ein Vergleich mit den Vereinigten Staaten und Japan muß jedoch berücksichtigen, daß die EG kein homogener Markt ist. Neben erheblichen kulturellen Unterschieden ist die Gemeinschaft dadurch gekennzeichnet, daß neun verschiedene Sprachen gesprochen werden und elf unterschiedliche Währungen gelten.

Darüber hinaus ist die Zwölfergemeinschaft durch ein deutliches Wohlstands-und Leistungsfähigkeitsgefälle gekennzeichnet. Portugal, als schwächstes Glied der Gemeinschaft, erwirtschaftet ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf der Bundesrepublik. Gemessen an Kaufkraftstandards liegt Portugal 72, 7 Punkte unterhalb von Dänemark, und auch Spanien hat zum EG-Durchschnitt einen Abstand von 30, 5 Punkten. Die Berücksichtigung regionaler Unterschiede ergibt eine noch stärkere Differenzierung. Auf der Grundlage des Sammelindex der Europäischen Gemeinschaft zur Messung regionaler Disparitäten gibt es unter Einbeziehung der Länder der Süderweiterung und nach Festlegung des Durchschnitts auf 100 Abweichungen, die von 153, 2 (Groningen) bis zu 44, 8 Punkten (Andalusien) reichen 2. Problembereich Landwirtschaft Die Landwirtschaft zählte zu dem schwierigsten Problembereich der Beitrittsverhandlungen Angesichts der heute schon vorhandenen Überschußproduktion in vielen Sparten der Landwirtschaft stellt vor allem die Aufnahme Spaniens, das über ein umfangreiches Agrarpotential verfügt, eine Herausforderung an die europäische Agrarpolitik dar.

Mit dem Beitritt Spaniens erhöht sich die landwirtschaftliche Nutzfläche der Gemeinschaft um 30 %; die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen steigt um 25 % und die Zahl der Betriebe um 32 %. Die 38 Millionen zusätzlichen Verbraucher, die durch den Beitritt Spaniens hinzukommen, werden die Gesamtbevölkerung der EG jedoch nur um 14 % erhöhen

Die etwa zwei Millionen landwirtschaftlichen Betriebe Spaniens (EG der Zehn insgesamt 5, 5 Millionen) zeigen große Unterschiede in der Betriebsgröße und Produktivität. Generell dominieren Kleinbetriebe, denen jedoch vor allem im Süden des Landes latifundienartige Großbetriebe gegenüberstehen Nur etwa drei Prozent der Betriebe verfügen über 86 % der gesamten Nutzfläche.

Spanien weist bei zahlreichen Produkten hohe Selbstversorgungsgrade auf, wobei bei Weizen, Wein, Olivenöl und Kartoffeln sowohl Spanien als auch die frühere Gemeinschaft Selbstversorgungsgrade von über 100% erzielen Andererseits ist in vielen Bereichen auch die spanische Agrarwirtschaft nicht wettbewerbsfähig, wie die Vergleichsziffern zur landwirtschaftlichen Produktivität (Tabelle 11) und die Preisverhältnisse (Tabelle 12) zeigen.

Im Gegensatz zu Spanien verfügt Portugal nur über ein geringes Agrarpotential. Die portugiesische Landwirtschaft ist hinsichtlich ihrer Produktivität die leistungsschwächste in ganz Westeuropa. Strukturell ist die portugiesische Landwirtschaft durch das Vorherrschen von Klein-und Kleinstbetrieben gekennzeichnet Von insgesamt etwa 800 000 Betrieben verfügen 300 000 über weniger als einen Hektar Nutzfläche

Die Leistungsschwäche der portugiesischen Landwirtschaft ist die Folge der jahrhundertelangen Vernachlässigung des Hinterlandes. Erst nach der Revolution 1974 setzten erste Bemühungen zu einer Strukturreform ein, die jedoch im bürokratischen Kompetenzwirrwarr und wegen ideologischer Auseinandersetzungen rasch versandeten 3. Industriepotentiale Seit Beginn der sechziger Jahre bis zum ersten Ölpreisschock 1973/74 haben die Volkswirtschaften Spaniens und Portugals hohe Wachstumsraten erzielt, die zeitweise das Doppelte des OECD-Durchschnitts betrugen. Wie andere halb-industrialisierte Schwellenländer wurden auch Portugal und Spanien von den nach der Ölkrise einsetzenden weltwirtschaftlichen Umstrukturierungen besonders hart getroffen. Es stellte sich heraus, daß diejenigen Sektoren, die von der staatlichen Wirtschaftsplanung in diesen Ländern am stärksten gefördert wurden — Schiffbau, Stahl-und Werftindustrie —, nun zu den Bereichen gehörten, die weltweit unter Überkapazitäten litten.

Der wirtschaftliche Umstrukturierungsprozeß fiel in beiden Ländern mit grundlegenden politischen Veränderungen zusammen, was die Anpassung zusätzlich erschwerte und verzögerte. Seit Ende der siebziger Jahre sind beide Volkswirtschaften durch anhaltende Stagnationstendenzen gekennzeichnet. a) Spanien Die spanische Industrie entwickelte sich unter dem Schutz hoher Zollmauern. Unter Franco gesellte sich zur traditionellen Schutzpolitik ein ausgeprägtes Autarkiestreben. Bereits gegen Ende der fünfziger Jahre zeichnete sich jedoch ab, daß die Politik der Ersetzung von Importen durch eigenerzeugte Produkte in eine Sackgasse führte. Nach der Sättigung des Inlandsmarktes — was wegen der niedrigen Kaufkraft bald erreicht wurde — gab es keine weiteren Anreize zur Produktentwicklung und Produktivitätssteigerung mehr; andererseits war die heimische Produktion weiterhin auf technologische Importe angewiesen Protektionismus und Autarkiestreben hatten zwar zum Aufbau eines breitgefächerten Industriepotentials beigetragen, doch wurden wegen der Abschottung nur wenige Unternehmen international voll wettbewerbsfähig.

Mangelnder Wettbewerb auf den Produktmärkten, ein niedriges Lohnniveau und die Unterdrückung von Gewerkschaften haben dazu geführt, daß die spanischen Betriebe sich nicht allzusehr um moderne Betriebsführung und technologische Innovation bemühen mußten. Die spanische Industrie ist so heute durch ungünstige Betriebsgrößen, veraltete Unternehmensführungskonzepte und durch Produktivitätsnachteile belastet. Nach Untersuchungen des spanischen Industrie-und Energieministeriums sind lediglich etwa 40 % des industriellen Produktionsvolumens gut auf den Beitritt vorbereitet, während für 60 % mit sehr negativen Auswirkungen gerechnet wird. Hiervon wiederum ist bei etwa einem Drittel überhaupt fragwürdig, ob die Betriebe angesichts des Beitritts fortbestehen können

Mit der Mitgliedschaft in der Gemeinschaft verliert die spanische Industrie ihre Vorteile aus dem ausgefeilten System an Exportvergütungen, Einfuhrausgleichssteuern und anderen Subventionen. Durch den schrittweisen Wegfall der Importzölle wird sich der Anpassungsdruck auch auf dem heimischen Markt verstärken, wobei durch die Übernahme des gemeinsamen Außen-tarifs der EG auch zusätzliche Konkurrenz von Drittländern auftreten wird. b) Portugal In Portugal konzentriert sich die Industrie in den Küstenstreifen um Lissabon/Setübal und um Porto. Das restliche Land ist — mit Ausnahme der südlichen Atlantikküste, wo der Tourismus eine besondere Situation schafft — arm an Industrie und Infrastruktur. Portugal ist auf den EG-Beitritt nicht vorbereitet. Zwölf Jahre nach dem Sturz der Diktatur ist das politische System noch nicht zur Ruhe gekommen; den rasch wechselnden Regierungen ist es nicht gelungen, eine wirtschaftspolitische Leitlinie zu finden.

Schon vor der Revolution war die portugiesische Industrie durch Rückständigkeit geprägt. Salazar, der seit den zwanziger Jahren das Land diktatorisch beherrschte, verfolgte eine anhaltende Restriktionspolitik und schenkte Fragen der inneren Entwicklung des Landes und der Wachstumspolitik kaum Beachtung Industrie und Bankwesen waren in der Hand weniger Großunternehmen, die monopolartige Privilegien genossen und von ausländischeg Konkurrenz abgeschottet waren. Höhere Gewinnchancen in den überseeischen Territorien führten zur Vernachlässigung des Mutterlandes.

Nach der Revolution wurden Banken und Großindustrie verstaatlicht. Eine großzügige Lohn-und Sozialpolitik in den ersten Jahren nach der Revolution hat zu einer anhaltenden Überlastung des Staatshaushaltes geführt und die verstaatlichten Unternehmen sind auf weiter steigende Staatszuschüsse angewiesen. Die Verfassung verbietet die Aufhebung der Verstaatlichungen und die Arbeitsschutzgesetzgebung verhindert Entlassungen aus den oftmals überbesetzten Betrieben. Die portugiesische Industrie besitzt kaum nennenswerte Wettbewerbsvorteile. Ihr Spezialisierungsgrad ist äußerst gering; erst im Zuge eines langfristigen Wettbewerbsprozesses könnten sich leistungsfähige Betriebe herausbilden

V. Wirtschaftspolitische Problembereiche

Tabelle 5: Wahlergebnisse in Spanien 1977— 1982 (Parlamentswahlen) UCD (Demokratisches Zentrum) PSOE (Sozialisten) PSP (Volkssozialisten) AP (Volksallianz) PCE (Kommunisten) CIU (Katalanische Nationalisten) PNV (Baskische Nationalisten) Sonstige 165 118 4 16 20 11 8 8 168 121 X 9 23 8 7 14 12 202 X 106 4 12 8 6 S. 30. 1977 Sitze 1979 • 1982 Quelle: Brinsley Best, Spain to 1990, London 1984,

Die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre verfolgte in beiden iberischen Länder einen restriktiven Kurs. Spanien und Portugal sahen sich mit wachsenden Leistungsbilanzdefiziten konfrontiert, deren Abbau angesichts des bevorste-henden Beitritts als wirtschaftspolitisches Primär-ziel immer mehr in den Vordergrund rückte. Durch restriktive Geldpolitik und Abwertungen konnte zwar das Leistungsbilanzdefizit abgebaut und im Falle Spaniens 1984 sogar ein Überschuß erzielt werden, gleichzeitig stieg jedoch die Arbeitslosigkeit stark an und dürfte — neben den immer noch ungebrochenen inflationären Tendenzen — für die kommenden Jahre das schwierigste wirtschaftspolitische Problem darstellen. 1. Spanien Die wirtschaftspolitische Strategie der aus den Wahlen vom Oktober 1982 hervorgegangenen sozialistischen Regierung unter Ministerpräsident Felipe Gonzalez besteht darin, die Inflation zu dämpfen und die Leistungsbilanz zu verbessern, um die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Erholung und den Abbau der Arbeitslosigkeit einzuleiten Der restriktive Kurs der spanischen Regierung hat den Anpassungsdruck, der auf der spanischen Wirtschaft lastet, verstärkt, außenwirtschaftlich jedoch bereits erste Erfolge gezeitigt. Bei insgesamt stagnierender Produktion ist die Arbeitslosigkeit allerdings steil angestiegen. Durch politische Maßnahmen allein kann indessen der Umstrukturierungsprozeß bestenfalls beschleunigt werden. Umfassendere Ansätze zur Anpassung der Volkswirtschaft an die veränderten Wettbewerbsbedingungen wurden denn auch, allerdings erst 1983, konzipiert Dieses Programm sieht einen Abbau der Beschäftigung in den überdimensionierten Bereichen Stahl, Schiffbau, Textil, Bekleidung und einigen anderen Branchen vor, die sich auf rund 10% der Gesamtbeschäftigung in den betreffenden Bereichen belaufen soll und etwa 3 % der Gesamtbeschäftigung in der Industrie entspricht

Neben den Umstrukturierungsprozessen ist der gesamte Arbeitsmarkt durch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit geprägt, da jährlich etwa 150 000 Jugendliche in die Erwerbsbevölkerung eintreten Der Anteil der Jugendlichen unter 25 Jahren an der Gesamtzahl der Arbeitslosen beträgt inzwischen 50 %. 2. Portugal Seit Mitte der siebziger Jahre ist die portugiesische Volkswirtschaft durch fundamentale makro-ökonomische Ungleichgewichte gekennzeichnet.

Weder bei der Bekämpfung der Inflation noch beim Abbau des Haushaltsdefizits wurden nennenswerte Erfolge erzielt. Durch die gesetzlichen Maßnahmen, die Entlassungen praktisch verbieten, wurde das Beschäftigungsniveau bis vor kurzem zwar noch aufrechterhalten, doch in jüngster Zeit schlagen auch hier die Stagnationstendenzen voll durch. Angesichts einer jährlichen •Inflationsrate von 25 bis 30% während der letzten Jahre und stagnierender Löhne mußten die portugiesischen Arbeiter seit 1980 Reallohnverluste von insgesamt 14, 3 % hinnehmen

Die aus den Salazar-Jahren übernommenen •strukturellen Probleme wurden durch Fehlentwicklungen in der Wirtschaftspolitik nach der Revolution noch verstärkt. In den ersten Jahren nach 1974 verfolgten die rasch wechselnden Regierungen eine expansive Geld-und Fiskalpolitik, die den Konsum anheizte, wegen der Leistungsschwäche des Produktionsapparates jedoch zu hohen Importen und einer anhaltenden Inflationierung der Volkswirtschaft führte

Die Auslandsverschuldung stieg steil an und hat 1985 mit 15, 7 Mrd. US-Dollar über 300% der Exporteinnahmen erreicht. 1983 mußte Portugal zum zweiten Mal nach der Revolution um einen Beistandskredit beim Internationalen Währungsfonds (IWF) nachsuchen was angesichts eines Leistungsbilanzdefizits von 3, 3 Mrd. US-Dollar unausweichlich geworden war.

Das IWF-Programm zur Wiederherstellung der internationalen Zahlungsfähigkeit sah eine Rückführung der Inlandsnachfrage und eine Umlenkung der Ressourcen in den Export vor Durch Abwertungen des Escudo und Importrestriktionen konnte dieses Ziel 1984 erreicht werden. Derartige kurzfristig konzipierte Maßnahmen werden jedoch nicht ausreichen, um die grundlegenden strukturellen Schwächen der portugiesischen Volkswirtschaft zu beheben. Gegenüber der ersten EG-Erweiterung findet die Süderweiterung unter veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen statt. Während die Norderweiterung noch in einer Phase wirtschaftlicher Expansion vollzogen werden konnte, findet die zweite Erweiterung zu einem Zeitpunkt statt, in dem sich eine Vielzahl von Wirtschaftsbereichen in einem tiefgreifenden Strukturwandel befindet. Die Krisensektoren der EG sind dabei weitgehend deckungsgleich mit denen der Beitrittsländer.

Die Bewährungsprobe für die Süderweiterung stellt deshalb das Problem dar, inwieweit es der Gemeinschaft gelingen wird, angesichts hoher und zunehmender Arbeitslosigkeit den notwendigen Anpassungsprozeß zu fördern und die Volkswirtschaften wieder in eine Wachstumsphase überzuführen.

Mit der Süderweiterung verlagert sich der „politisch-psychologische Dreh-und Angelpunkt der Gemeinschaft“ in den Süden Europas Diese Verschiebung der Gewichte findet ihren unmittelbaren Ausdruck in der Mehrheitsbildung im Rat der Gemeinschaft, in dem die südlichen EG-Länder — Italien, Griechenland, Portugal und Spanien — nun die Sperrminorität besitzen, auch wenn Portugal oder Griechenland nicht mitstimmen sollten.

Wegen der unterschiedlichen Bevölkerungsentwicklung zwischen den industrialisierten Ländern und dem Südbereich der EG wird die Süd-wende der Gemeinschaft künftig noch stärker zutage treten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Maria do Ceu de Althayde de Tavares u. a., Por que vamos entrar para a CEE?, in: Cadernos Europeus, (1983) 1, bes. S. 25 ff.

  2. Vgl. Lyn Gorman/Marja-Liisa Kiljunen (Eds.), The Enlargement of the European Community. Case-Studies of Greece, Portugal and Spain, London-Basingstoke 1983, bes. S. 131 ff. und S. 187 ff.

  3. Siehe Rainer W. Rupp, Economic Co-operation and assistance within the alliance, in: NATO-Review, (1985) 1, 27— 32.

  4. Europäisches Parlament, Sitzungsdokumente: Bericht im Namen des Politischen Ausschusses über die Erweiterung der Gemeinschaft um Portugal und Spanien, Teil 1, Straßburg, 24. April 1985, S. 20.

  5. Vgl. Ramon Tamames, El Mercado Comün Euro-peo. Una perspectiva espanola y latinoamericana, Madrid 1982.

  6. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Die Europäische Gemeinschaft vor einer erneuten Erweiterung, S. 3f., in: Stichwort Europa, (1983) 17.

  7. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Die Zwölfergemeinschaft nach dem Beitritt Spaniens und Portugals, in: Stichwort Europa, (1985) 17/18, und Anlage zum Expose des amtierenden Präsidenten des Europäischen Rates vor dem Europäischen Parlament am 17. April 1985 betreffend den Stand der Beitrittsverhandlungen mit Spanien und Portugal, Straßburg, 17. April 1985.

  8. Beate Kohler, Politischer Umbruch in Südeuropa. Portugal, Griechenland, Spanien auf dem Weg zur Demokratie, Bonn 1981, S. 281.

  9. Ebd., S. 271.

  10. Gabriel Jackson, The Spanish Republic and the Civil War 1931— 1939, Princeton (N. J.) 1965, bes. S. 276 ff. und S. 293 ff.

  11. Siehe Francisco Eguiagaray, Historia contempornea de Espana, München-Madrid 1964.

  12. Michael Harsgor, Portugal in Revolution, Washington 1976.

  13. Vgl. die gesammelten Aufsätze und Reden von Maria Soares, in: ders., A Ärvore e a Floresta, Lissabon 1985.

  14. Siehe Isaltino A. Morais u. a., O sistema de governo semipresidencial, Lissabon 1984, S. 73 ff.

  15. Pilar Gonzalez Casimiro/Roberto Velasco Borroetabena, Las intervenciones financieras comunitarias con finalidad regional y su repercusion en las Comunidades Autönomas espanolas, S. 16 ff. und S. 32 ff., in: Situaciön. Revista de economia. Servicio de Estudios del Banco de Bilbao, (1985) 1, S. 5— 36.

  16. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zwischenbericht der Kommission an den Rat zur Erweiterung. Interne Maßnahmen in den beiden Bewerberländern für besonders empfindliche Wirtschaftszweige, Brüssel, 1. März 1983; siehe auch: Die Landwirtschaft Spaniens und die Erweiterung der EG., Luxemburg 1983 (= Sammlung Wissenschaft und Dokumentation, Reihe Landwirtschaftsfragen, Europäisches Parlament, Generaldirektion Wissenschaft und Dokumentation Nr. 10).

  17. Europäische Gemeinschaften, Europäisches Parlament, Sitzungsdokumente, 31. Juli 1985, Bericht im Namen des Politischen Ausschusses über die Erweiterung der Gemeinschaft um Portugal und Spanien, Teil II: Bericht über die Ratifizierung der Beitrittsverträge mit Portugal und Spanien, S. 6.

  18. Wigand Ritter u. a., Wirtschaftsgeographische Aspekte des Beitritts Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft, in: Ernst Dürr u. a., Spanien auf dem Weg nach Europa?, Bern 1985, S. 83— 182.

  19. Ebd., S. 105.

  20. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Länderbericht Portugal 1985, Stuttgart-Mainz 1985, S. 34.

  21. Europäisches Parlament (Anm. 17), S. 8.

  22. Siehe Manuel Carlos Lopes Porto, Os pases da Peninsula Iberica e a problemätica regional no seio da CEE, in: Economia, 8 (1984) 3, S. 471— 507; und Michael Vester u. a., Die vergessene Revolution. Sieben Jahre Agrarkooperativen in Portugal, Frankfurt 1982.

  23. Ernst Dürr/Petra Lehnert, Wirtschaftspolitische Voraussetzungen des Beitritts Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft, in: Ernst Dürr u. a. (Anm. 18), S. 184— 254.

  24. Jose Maria Mas, Wirtschaftliche Aspekte der Süderweiterung der Europäischen Gemeinschaft aus spanischer Sicht, Bonn (Spanische Botschaft, Wirtschaftsabteilung), Dezember 1985, S. 7,

  25. A. M.de Oliveira Marques, History of Portugal. From Empire to Corporate State, New York 19762, S. 178 ff.

  26. OECD, Economic Surveys, Portugal, Juni 1984, Paris 1984, S. 22 ff.

  27. Vgl. hierzu Klaus Esser u. a., Überlegungen zur portugiesischen Industriepolitik angesichts des Beitritts zur EG, Berlin 1980.

  28. OECD, Wirtschaftsberichte, Spanien, Mai 1984, S. 28 ff.

  29. Ebd., S. 74ff.

  30. Ebd., S. 76.

  31. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Länderbericht Spanien 1984, Stuttgart-Mainz 1984, S. 31.

  32. Eigene Berechnungen auf der Grundlage von Basisdaten aus IMF, International Financial Statistics.

  33. Vgl. A. Marques/A. Romäo, Croissance et crise de l'economie portugaise (1960— 1982), in: Economies et Societes, Serie HS, 25 (1983), S. 1701— 1740, und Manuel P. Barbosa u. a., External disequilibrium in Portugal 1975— 78, in: Economia, III (1979) 3, S. 487— 535.

  34. Banco de Portugal, boletim trimestral, 7 (1985) 2, S. 19f.

  35. International Monetary Fund, IMF-Survey, 24. Oktober 1983, S. 325 und S. 334— 336.

  36. Ebd., zum Maßnahmenkatalog siehe OECD (Anm. 26), S. 60.

  37. Europäisches Parlament (Anm. 4), S. 20.

Weitere Inhalte

Anton P. Müller, Dr. phil., geb. 1948; Akademischer Rat am Institut für Staats-und Versicherungswissenschaft der Universität Erlangen. Veröffentlichungen u. a.: Sozialpolitik und Wirtschaftsordnung. Zur Rolle der sozialen Komponente in der öffentlichen Finanzwirtschaft, Frankfurt 1983; Internationale Schuldenkrise. Bedingungen und Risiken ihrer Bewältigung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 51— 52/84, S. 3— 11; Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Das Konzept eines Sozialen Sicherungsfonds, in: Arbeit und Sozialpolitik, (1985) 4, S. 127— 130; Finanzierungskennziffern zur Analyse des Länderrisikos im Auslandskreditgeschäft, in: WiSt, (1985) 9, S. 477— 480.