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Deutsche Interessen im Konzept der strategischen Verteidigung | APuZ 43/1986 | bpb.de

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APuZ 43/1986 Alternativen zur nuklearen Abschreckung als Grundlage europäischer Sicherheit? Kriterien für einen militärischen Strategie-und Strukturwandel Deutsche Interessen im Konzept der strategischen Verteidigung Die strategische Verteidigungsinitiative der Vereinigten Staaten. Bewertung und Diskussion

Deutsche Interessen im Konzept der strategischen Verteidigung

Werner Kaltefleiter/Ulrike Schumacher

/ 32 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die freie Welt hat nicht die Wahl, strategische Verteidigung in die internationale Politik einzuführen oder nicht, sondern allein die Alternative, ob sie der Sowjetunion ein Monopol bei diesen Systemen überlassen will oder nicht. Da die USA sich entschieden haben, diese Herausforderung der Sowjetunion anzunehmen, bleibt für die Europäer nur die Frage: Beteiligung oder abseits stehen? Für eine Beteiligung sprechen drei sicherheitspolitische Gründe: 1. Die simultane Entwicklung von Schutzsystemen gegen Angriffswaffen unterschiedlicher Reichweiten, damit Europa keine Zone minderer Sicherheit wird. 2. Die simultane Entwicklung von Punktzielverteidigungssystemen für die bedrohten militärischen Ziele in den USA wie in Europa: das Konzept der erweiterten Luftverteidigung. 3. Die Nutzung der bei den Forschungen zur strategischen Verteidigung anfallenden neuen Technologien für die konventionelle Verteidigung in Europa. Darüber hinaus bewirkt das wissenschaftlich-technische Großprojekt SDI einen Technologie-schub; die Bundesrepublik Deutschland könnte ihre Stellung als eine führende moderne Industriegesellschaft verlieren,'wenn sie an dieser technologischen Revolution nicht teilnähme.

I. Die Entscheidungssituation

Abbildung 3

Nach der Rede des amerikanischen Präsidenten vom 23. März 1983, in der er ein Forschungsprogramm zur Ermittlung der Möglichkeiten zur strategischen Verteidigung ankündigte, ist gerade in Europa erst sehr zögernd eine Diskussion dieser Fragen entstanden Inzwischen aber ist SDI zum beherrschenden Thema geworden, ohne daß sich ein Konsens abzeichnet. Dabei spiegeln sich nicht nur die üblichen sicherheitspolitischen Frontierungen in der Bewertung dieses Konzeptes wider; insbesondere fehlt es an einer nüchternen Interessenabwägung 2). Besonders in der Bundesrepublik Deutschland — das gilt teilweise aber auch für die USA und die anderen westeuropäischen Länder — wird die Diskussion über die Initiative von Präsident Reagan zur Strategischen Verteidigung noch in einer Form geführt, als könnten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten isoliert darüber entscheiden, ob Systeme zur strategischen Verteidigung in die Sicherheitspolitik eingeführt werden oder nicht 3). Eine solche Annahme übersieht nämlich, daß die Sowjetunion seit langem an der Entwicklung strategischer Verteidigungssysteme arbeitet 4). Präsident Reagan hat in seiner Rede vor beiden Häusern des ameri-kanischen Kongresses am 3. Juni 1986 darauf hingewiesen, daß seit der Unterzeichnung des ABM- Eine solche Annahme übersieht nämlich, daß die Sowjetunion seit langem an der Entwicklung strategischer Verteidigungssysteme arbeitet Präsident Reagan hat in seiner Rede vor beiden Häusern des ameri-kanischen Kongresses am 3. Juni 1986 darauf hingewiesen, daß seit der Unterzeichnung des ABM-Vertrages 1972 die Sowjetunion ungefähr genau-soviel für strategische Offensivwaffen ausgegeben hat wie zur strategischen Verteidigung Heute belegen mindestens drei Entwicklungstendenzen die sowjetischen Anstrengungen;

l. Die ständige Modernisierung des durch den ABM-Vertrag zugelassenen Raketenabwehrsystems um Moskau, das im übrigen nicht nur die sowjetische Hauptstadt, sondern auch Abschußrampen für 300 landgestützte Interkontinental-raketen einbezieht.

2. Der erfolgreiche Test der Boden-Luft-Rakete SA-X-12 gegen Mittelstreckensysteme mit Flug-bahnen, die denen von Langstreckensystemen sehr ähnlich sind, so daß die Annahme begründet ist, daß diese SA-X-12 auch als Abwehrsystem gegen Langstreckensysteme geeignet ist Auch diese Maßnahme ist durch den Wortlaut des ABM-Vertrages gedeckt, der sich ausschließlich auf Langstreckensysteme bezieht.

3. Ebenfalls in Übereinstimmung mit dem ABM-Vertrag stehen die intensiven Forschungsarbeiten der Sowjetunion auf dem Gebiet der Lasertechnologie, die dabei bereits in den sechziger Jahren technologische Durchbrüche erzielt und darüber in der Fachliteratur publiziert hat auf die die USA in ihrem gegenwärtigen Forschungsprogramm zurückgreifen.

Daneben gibt es jene Aktivitäten der Sowjetunion, die nicht mit dem ABM-Vertrag kompatibel sind. Hier ist in erster Linie der Bau der großen Radaranlage im Zentrum der Sowjetunion bei Krasnojarsk zu nennen. Der ABM-Vertrag gestattet derartige Radaranlagen ausschließlich an der Peripherie eines Landes; die Anlage von Krasnojarsk macht nur Sinn in einem Netz von nach außen gerichteten Radarsystemen, die die ganze Sowjetunion abdecken und als Grundlage eines Raketenabwehrsystems einfliegende Raketen erfassen können

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß die Sowjetunion seit etwa zehn Jahren über ein getestetes ASAT-System verfügt das seitdem die militärisch relevanten Kommunikationssatelliten der westlichen Allianz bedroht; die USA haben einen ersten Test mit einer gegen einen Satelliten gerichteten Rakete im Sommer 1985 erfolgreich durchgeführt Diese ASAT-Kapazität würde im Konzept strategischer Verteidigung besondere Bedeutung erhalten, und zwar sowohl zur Bedrohung amerikanischer raumgestützter Systeme als auch zum Schutz entsprechender sowjetischer Systeme

Wichtiger als diese sicherheitspolitischen Einzelheiten ist jedoch, daß die Sowjetunion in ihrer politischen und militärischen Strategie den Gedanken der wechselseitig garantierten Zerstörung, der die konzeptionelle Grundlage des ABM-Vertrages war, nie akzeptiert hat Der Schutz des eigenen Landes, d. h. im Falle eines Konfliktes das Territorium der Sowjetunion wenn möglich als ein Sanktuarium zu erhalten, hat im strategischen Denken der Sowjetunion stets Priorität gehabt Dem entspricht es, daß die Sowjetunion ein dichtes Netz der Luftverteidigung aufgebaut und ständig auf neuestem Stand gehalten hat. Ebenfalls gehören die vielfältigen Maßnahmen zur Zivilverteidigung in dieses Konzept Im sowjetischen strategischen Denken bedeutet die Entwicklung von strategischen Verteidigungssystemen nichts anderes, als die Nutzung moderner Technologie zur Verwirklichung eines traditionellen Zieles.

Daraus folgt, daß die Entscheidungssituation für die USA und ihre Verbündeten nicht lautet, ob sie strategische Verteidigungssysteme in die internationale Politik einführen oder nicht, sondern ob sie der Sowjetunion ein Monopol bei dieser Technologie überlassen wollen, oder ob sie bereit sind, ihrerseits solche Systeme zu entwickeln. Das heißt im ersten Schritt, die technologischen Optionen zu erforschen, um damit die Voraussetzungen zu schaffen, um solche Systeme in einem zweiten Schritt auch einführen zu können, wenn die politische Entwicklung dies erfordert.

Kritiker sehen bereits in diesen Forschungsarbeiten ein weiteres Drehen an der sogenannten Rüstungsspirale, das quasi automatisch zur beiderseitigen Entwicklung von. Systemen strategischer Verteidigung führen würde. Dies aber müsse und könne durch Rüstungskontrollpolitik verhindert werden Auch wenn man mit der Zielsetzung dieser Überlegungen übereinstimmt, bleibt, daß die Komplexität der Entwicklung die Möglichkeiten der Rüstungskontrolle überfordert: Wie bereits bei der Beschreibung der sowjetischen Aktivitäten dargelegt, sind zahlreiche Maßnahmen, die der strategischen Verteidigung dienen können, mit dem ABM-Vertrag vereinbar. Der erste Schritt einer umfassenden Rüstungskontrollpolitik gegen strategische Verteidigung müßte also in einer Neuformulierung des ABM-Vertrages bestehen. Da die Technologien zum Schutz gegen Flugkörper unterschiedlicher Reichweite sehr ähnlich sind, müßte eine solche Formulierung praktisch jede Form der Luftverteidigung ausschließen. Dies aber hätte schwerwiegendste Konsequenzen gerade auch für die konventionelle Verteidigungsfähigkeit Europas und liegt sicher nicht im Interesse Europas im allgemeinen und der Bundesrepublik im besonderen.

Ein zweites kommt hinzu: Der Übergang von Forschung zu Versuchssystemen und ersten anwendbaren Systemen ist fließend, woraus sich unlösbare Verifikationsprobleme ergeben. Der wissenschaftliche Durchbruch, der letztlich strategische Verteidigung ermöglichen könnte, wird möglicherweise in der Entwicklung eines Computer-chips liegen. Dies aber bedeutet, daß ein effizientes Verifikationssystem einen Kontrollapparat über Wissenschaft und Forschung legen würde, der mit dem Gedanken einer freien Gesellschaft unvereinbar ist — und über die Aufgeschlossenheit der Sowjetunion gegenüber einem solchen Kontrollsystem sind Illusionen offensichtlich wenig angebracht.

Letztlich wird auch in diesem Bereich die Geschichte der Menschheit als eine Geschichte neuer Ideen und neuer Technologien sich fortsetzen. Nichts spricht für die Annahme, daß die neuen Technologien, die strategische Verteidigung ermöglichen könnten und die aus der Komplexität einer modernen Industriegesellschaft erwachsen, durch politische Maßnahmen verhindert werden könnten. Schließlich waren solche Maßnahmen in der Vergangenheit nicht in der Lage, die Entwicklung wesentlich einfacherer Systeme zu verhindern

Gegenüber solchen Zweifeln kann allerdings eingewandt werden daß im Zusammenhang mit den revolutionären technologischen Entwicklungen, die als Ergebnis der Arbeiten an strategischer Verteidigung erwartet werden können, auch Aufklärungssysteme entstehen können, die heute noch unvorstellbare Verifikationschancen eröffnen. Dabei ist allerdings daran zu erinnern, daß Verifikation, wenn sie politisch etwas bedeuten soll, nicht nur das Erkennen einer Vertragsverletzung beinhalten darf, sondern auch Mittel zur Verfügung stellen muß, um die Vertragsverletzung zu verhindern oder rückgängig zu machen. Wie gerade die jüngste amerikanische Diskussion über vielfältige sowjetische Vertragsverletzungen in den letzten Jahren zeigt, sind derartige politische Instrumente auch in Ansätzen nicht erkennbar

Für Europa im allgemeinen und für die Bundesrepublik im besonderen ist diese fast philosophische Frage über die Chancen von Rüstungskontrollpolitik in der Phase einer technologischen Revolution zumindest zunächst von untergeordneter Bedeutung. Sie mag Gegenstand von bündnisinternen Konsultationen sein. Die europäische Entscheidungssituation aber ist eine andere: Die Vereinigten Staaten haben entschieden, die sowjetische Herausforderung in diesem Technologie-wettbewerb anzunehmen Was Präsident Reagan aus innenpolitischen Gründen eine strategische Verteidigungsinitiative genannt hat, ist in Wirklichkeit eine Reaktion auf die sowjetischen Aktivitäten in diesem Bereich Innenpolitisch kontrovers ist diese Initiative zu einem Forschungsprogramm in den USA als solche nicht. Die vorhandenen Kontroversen sind beschränkt auf die Höhe der jährlich zu bewilligenden Mittel und damit auf das Tempo des Forschungsprogramms. Das innenpolitische Meinungsspektrum schwankt dabei zwischen Auffassungen, ob jährlich ca. 1 % oder 2 % des Verteidigungshaushaltes für dieses Forschungsprogramm zur Verfügung gestellt werden sollen

Es wäre allerdings verfehlt, die Begründung für die Entwicklung von strategischer Verteidigung ausschließlich in der Reaktion auf die sowjetische Initiative in diesem Bereich zu sehen. Zwei weitere wesentliche Argumente kommen hinzu:

1. Sowjetische Offensivwaffen bedrohen sowohl die konventionelle Verteidigung Europas als auch für die Abschreckung wichtige militärische Einrichtungen. Sie unterliegen dem Risiko eines sowjetischen Erstschlages. Gegen diese potentielle sowjetische Erstschlagskapazität hilft keine Anhäufung weiterer Offensivwaffen, sondern am besten Abwehrsysteme gegen die sowjetischen Offensivwaffen

2. In den freien Gesellschaften, insbesondere in Westeuropa, ist eine deutliche Erosion des Konsenses über die gegenwärtige Strategie zu beobachten, die auf nuklearer Abschreckung und wechselseitig garantierter Zerstörung beruht In der Bevölkerung wächst der Widerstand gegen eine Politik, die die eigene Bevölkerung als Geisel für die eigene Friedfertigkeit hält. Damit verzichten die Staaten auf eine ihrer ursprünglichsten Aufgaben, nämlich den Schutz der eigenen Bevölkerung gegen eine äußere Bedrohung. Strategische Verteidigung ist in diesem Sinne die Wiedererrichtung von Schutzwällen mit modernster Technologie

Daraus folgt für die europäische Entscheidungssituation, daß es ausschließlich um die Frage geht, ob und wenn ja in welcher Form europäischen Interessen durch welche Form der Beteiligung Rechnung getragen werden kann. Auch in dieser Frage muß Europa wieder einmal erkennen, daß die Zeit vorbei ist, in der europäische Länder entscheiden konnten, ob und wo wann was geschieht, sondern daß die europäische Entscheidungssituation auf die Frage reduziert ist, wie in welcher Form Einfluß genommen werden kann, damit europäische Interessen berücksichtigt werden. Alles andere wäre europäische Hybris.

Dies aber bedeutet: Eine Einladung zur Beteiligung an der Forschung zur strategischen Verteidigung der Sowjetunion gibt es nicht, und auch die politischen Kreise in Europa, die vielfältigen Formen der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion mit größter Aufgeschlossenheit entgegensehen, erwarten eine solche Einladung nicht und halten sie auch nicht für erreichbar. Damit reduziert sich die europäische Entscheidungssituation auf die Frage, ob und wie eine Beteiligung an dem amerikanischen Forschungsprogramm in Frage kommt.

Dem wird entgegengehalten, daß es auch die Alternative eines eigenen europäischen Forschungsprogramms gibt, ja viele glauben, man solle der amerikanischen Verteidigungsinitiative eine europäische gegenüberstellen, die sich auf die gerade für Europa relevanten Bereiche konzentriert.

Verteidigungsminister Manfred Wörner hat seinerseits die Initiative für eine erweiterte Luftverteidigung ergriffen und dafür die grundsätzliche Zustimmung der Verbündeten gefunden Daß solche Möglichkeiten für eine europäische selbständige Rolle bestehen, ist im Prinzip richtig Wesentlich ist die Art der Koordination mit den amerikanischen Bemühungen. Zunächst darf nicht übersehen werden, daß für die entsprechenden Verteidigungsanforderungen in Europa und für die strategische Verteidigung, wie sie die USA konzipiert haben, weitgehend dieselben Technologien gefragt sind Zu ihrer Entwicklung sind über mehrere Jahre hinweg Summen erforderlich, die jährlich nur 1— 2% des amerikanischen Verteidigungshaushaltes erfordern. Dieser Aufwand entspricht aber immerhin 3— 6% der europäischen Verteidigungsanstrengungen. Dabei handelt es sich absolut um Beträge, die — wenn auch über mehrere Jahre verteilt — höher sind als der jährliche Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik Deutschland. Derartige Beträge in unkoordinierter Parallelität auszugeben, kann kein demokratischer Politiker verantworten. So reduziert der ökonomisch-finanzpolitische Sachzwang die europäische Option erneut, und zwar auf die Frage des Ob und Wie einer Beteiligung am amerikanischen Programm.

Eine europäische Verteidigungsinitiative kann sinnvoll keine Alternative zu SDI sein, sondern nur eine mit den amerikanischen Anstrengungen eng verknüpfte Ergänzung. Dabei ist es dann letztlich eine politisch-taktische Frage, wie man die europäische Beteiligung nennt. Angesichts der Grundsatzdiskussion, die die amerikanische Initiative ausgelöst hat, und der z. T. bewußten Mißverständnisse, wie sie der von Senator Kennedy geprägte Begriff „star wars“ nahelegt, scheint es sinnvoll zu sein, für wichtige Teilaspekte sich begrifflich von SDI zu lösen, wie Manfred Wörner dies mit seiner Initiative zur erweiterten Luftverteidigung getan hat. Der Begriff „Europäische Verteidigungsinitiative“ provoziert darüber hinaus das Mißverständnis, daß es sich hier um etw’as Eigenständiges, im Wettbewerb zu den USA Stehendes handelt, obwohl dies von den Initiatoren dieser Gedanken nicht beabsichtigt ist. Auf der anderen Seite ist es unübersehbar, daß die Vereinigten Staaten nicht nur an einer Mitwirkung europäischer — sowie japanischer und israelischer — Technologie interessiert sind, sondern Wert auf die politische Unterstützung der Verbündeten für das Konzept der strategischen Verteidigung legen. Dies alles legt eine Doppelstrategie nahe: Einerseits eine formelle Beteiligung an SDI, andererseits die Forcierung eigener Anstrengungen mit eigenen Mitteln, wie es das Konzept der erweiter-ten Luftverteidigung vorsieht. Angesichts einer Öffentlichkeit, die jede sicherheitspolitische Innovation der Allianz als eine Provokation der Sowjetunion versteht und neue Rüstungsmaßnahmen der Sowjetunion zu übersehen tendiert, ist es politisch klug, solche Innovationen als Fortschreibung bestehender Konzepte zu verstehen, wie dies für die erweiterte Luftverteidigung in der Tat gilt. Schon diese Entscheidungssituation verlangt eine Mitwirkung Europas an den Forschungsarbeiten zur strategischen Verteidigung. Darüber hinaus sind die inhaltlichen Interessen Europas zu definieren. Gilt allein das Prinzip, daß die Beteiligung an sich schon wertvoll und wichtig ist, oder gibt es auch bestimmte Ziele, die durch die Beteiligung erreicht werden können? Die Argumente, die dazu in dieser Entscheidungssituation relevant sind, lassen sich in sicherheitspolitische und ökonomische unterteilen

II. Sicherheitspolitische Implikationen

Das amerikanische Konzept zur strategischen Verteidigung sieht nach den bisherigen Vorüberlegungen ein vierstufiges Raketenabfangnetz vor Ein erster Abfangversuch soll bereits in der Startphase der gegnerischen Raketen unternommen werden, wenn der noch brennende Raketenantrieb die Ortung erleichtert (die soge-nannte boostphase = Startphase). Ein zweiter Versuch zur Zerstörung der gegnerischen Rakete soll unmittelbar im Anschluß an die Startphase erfolgen (post boostphase = Separationsphase), bevor die einzelnen Sprengköpfe sich von der Rakete getrennt haben. Beide Phasen dauern jeweils nur etwa zwei bis fünf Minuten; sie haben jedoch den großen Vorteil, daß in diesen Phasen mit der Zerstörung einer Rakete bis zu zehn oder auch mehr Sprengköpfe unschädlich gemacht werden könnten.

Die dritte Flugphase (genannt mid-course phase = Distanzphase) dauert am längsten, ca. 25 Minuten; in ihr ist allerdings die Ortung der nun selbständig ihr Ziel suchenden Sprengköpfe am schwierigsten. Zudem besteht in dieser Phase die Notwendigkeit, Sprengköpfe von Attrappen zu unterscheiden. An sie schließt sich die letzte Phase (genannt terminal phase = Endphase) mit dem Wiedereintritt des Sprengkopfes in die Atmosphäre an, in der der letzte Versuch unternommen werden soll, jene restlichen Sprengköpfe abzufangen, die die drei vorausgegangenen Abwehrketten durchdrungen haben.

Nach den bisherigen Forschungsarbeiten scheinen Lasersysteme geeignet zu sein, die Abwehraufgaben in der ersten und zweiten Phase zu übernehmen, wobei die Frage offen ist, ob bodengestützte Laserenergiequellen mit entsprechenden-Spiegeln im Raum oder im Raum gestützte Energiequellen geeigneter sind Für die dritte Phase scheinen raumgestützte Teilchenstrahler eine Lösung zu bieten, da diese auch die Fähigkeit haben, Sprengköpfe von Attrappen zu unterscheiden Im Gegensatz dazu muten die extrem schnellen Abfangraketen (Systeme, die auf der Grundlage kinetischer Energie wirken) für die letzte Phase fast wie konventionelle Technologie an

Für alle Phasen bestehen darüber hinaus drei zentrale Probleme: Die Abfangsysteme selbst unverwundbar zu halten, die anfliegenden gegnerischen Raketen frühzeitig zu orten und ihre Flugbahnen zu berechnen, sowie die Koordination und Steuerung der Abwehrsysteme, insbesondere bei einer großen Zahl anfliegender Systeme Bemerkenswert an diesen Technologien ist, daß sie — im Gegensatz zu den meisten Waffensystemen — sinnvoll ausschließlich defensiv genutzt werden können. Dazu drei Beispiele für die wichtigsten Ansätze: Ein Laserstrahl, der die Atmosphäre zu durchdringen vermag und damit eine Rakete in der Startphase zerstören könnte, würde, wenn er sein Ziel verfehlte und auf eine sowjetische Stadt träfe, möglicherweise eine walnußgroße Delle in einen Pflasterstein brennen. Der Teilchenstrahl, der von einer Weltraumstation Raketen in ihrer Flugbahn außerhalb der Atmosphäre zerstören kann, kann die Atmosphäre nicht durchdringen und ist schon deshalb gegen Ziele auf der Erde nicht verwendbar. Die schnellen Abfangraketen der letzten Phase schließlich haben nicht die Reichweite, um gegnerisches Territorium zu erreichen. Außerdem tragen sie keine Sprengköpfe, sie zerstören beim Zusammenstoß durch ihre kinetische Energie von Masse und Geschwindigkeit. Neben diesen technischen Einzelheiten wird der ausschließlich defensive Charakter dieser Systeme am besten an folgender Frage deutlich: Wer muß sich rechtfertigen, wenn eine mit nuklearen Sprengköpfen bestückte Rakete abgefangen wird? Der, der die Rakete abgefeuert hat, oder der, der sie abgefangen hat

Die sicherheitspolitischen Konsequenzen eines solchen mehrstufigen Abwehrnetzes hängen zunächst von seiner Leistungs-und Funktionsfähigkeit ab. Dabei sind drei Denkmöglichkeiten als Ergebnis der Forschungsarbeiten zu unterscheiden:

1. Es gelingt, ein umfassendes Schutzsystem für die USA und ihre Alliierten zu entwickeln. Dies ist als politische Zielsetzung immer wieder genannt worden Auch die zentrale politische Begründung für strategische Verteidigung, nämlich die Überlebensfähigkeit der betroffenen Länder zu garantieren, geht von dieser Zielsetzung aus. Ein solcher umfassender Schutz für die USA und ihre Verbündeten setzt nicht notwendigerweise voraus, daß 100% aller einfliegender Systeme rechtzeitig abgefangen werden könnten; es scheint heute, daß ein solches „wasserdichtes“ System nicht möglich, aber auch nicht erforderlich ist Dies läßt sich wie folgt begründen: Wenn es in jeder Stufe nur gelingen würde, einen relativ hohen Prozentsatz der einfliegenden Systeme zu zerstören, würde es für den Angreifer unberechenbar, welche Ziele er erfolgreich angreifen könnte. Anders formuliert: Ein Angriff auf militärische Ziele würde keinen Sinn mehr machen, da auf jeden Fall eine ausreichende Zweitschlagskapazität der angegriffenen Seite aufrechterhalten bliebe

Unterstellt man eine 90% Abfangfähigkeit aufjeder Stufe, so erreicht von 10000 Sprengköpfen, die von 1 000 Raketen gestartet wurden, nur einer sein Ziel. Aber auch bei einer nur 60% Abfangfähigkeit (Ziffern in den Klammern) ist die Leistungsfähigkeit eines vierstufigen Abfangsystems noch beeindruckend: nur 256 von 10000 Sprengköpfen erreichen ihr Ziel, was für einen Angriff auf militärische Ziele offensichtlich nicht ausreicht. Gegen eine solche Argumentation wird eingewandt, daß ein solches Schutzsystem eine veränderte Zielplanung zur Folge hätte: Da militärische Ziele nicht mehr mit ausreichender Erfolgsaussicht angegriffen werden könnten, würde sich die Zielplanung wieder an den Bevölkerungszentren orientieren Ein solche Zielplanung ist aber nur für einen vergeltenden Zweitschlag sinnvoll; als Erstschlag würde er nur die Zerstörung des eigenen Landes durch die ungeschmälerte Zweitschlagsfähigkeit des Angegriffenen auslösen. Anders formuliert: Auch ein Abwehrsystem, das keinen 100%igen Schutz bietet, nimmt jedem poten-tiellen Angreifer die militärischen Optionen für einen Erstschlag. Das bedeutet freilich auch, daß bei einem solchen System Nuklearwaffen nicht obsolet werden. Sie würden allerdings in ihrer Funktion begrenzt auf vergeltende Zweitschlagswaffen; sie verlören ihren bedrohenden Charakter als potentielle Erstschlagswaffen. Sicherheit in einer solchen Situation wäre das Ergebnis einer Kombination von Verteidigungsfähigkeit und Abschreckung. 2. Eine besondere Problematik würde sich ergeben, wenn ein solches Schutzsystem nicht für die USA und ihre Verbündeten, sondern nur für die USA möglich wäre. Dies ist zunächst technologisch unwahrscheinlich. Da die USA grundsätzlich doppelt bedroht werden können, nämlich durch Langstreckensysteme — wie zur Zeit — und durch Kurz-und Mittelstreckensysteme von vor den amerikanischen Küsten getauchten U-Booten, wäre ein amerikanisches Raketenabwehrsystem, das nur gegen Langstreckensysteme wirken würde, sinnlos. Es könnte durch Kurz-oder Mittelstreckensysteme unterlaufen werden. Gerade solche Systeme stellen aber die Bedrohung für Europa dar. Das bedeutet, daß jedes Schutzsystem für die USA Komponenten gegen Kurz-und Mittelstreckensysteme enthalten muß, also Komponenten, die den entsprechenden Schutz in Europa bewirken könnten Dementsprechend gibt es in der amerikanischen Behörde zur Koordination der Forschung zur strategischen Verteidigung (SDJO) auch eine offizielle Arbeitsgruppe für Kurzstreckensysteme.

Technisch ist es dabei heute noch umstritten, ob Schutzsysteme für größere oder geringere Reichweiten leichter zu erstellen sind. Der Schutz gegen Systeme großer Reichweite wird zwar durch die längere Flugzeit erleichtert, aber der größte Teil dieser Flugzeit fiele in jene dritte Phase, in der Ortung und Unterscheidung von Attrappen besonders schwierig sind. Demgegenüber sind die Systeme kürzerer Reichweite zwar durch extrem kurze Flugzeiten gekennzeichnet, ihre Ortung und die Berechnung ihrer Flugbahnen wird jedoch dadurch erleichtert, daß all die Schwierigkeiten, die sich aus der Erdkrümmung ergeben, nicht oder kaum bestehen Schließlich lassen sich Kurzstreckensysteme wegen der kurzen Flugzeit nicht mit mehreren Sprengköpfen, die unabhängig voneinander auf eigene Ziele gelenkt werden können, ausstatten.

Unabhängig von diesen technischen Problemen und Möglichkeiten würde jedoch auch nur der Gedanke an ein auf die USA beschränktes Schutz-system zu einer politischen Belastung für das Bündnis sondergleichen Europa würde damit quasi bündnisoffiziell zu einer Zone minderer Sicherheit erklärt werden. Dabei ist zwischen den militärstrategischen und den politisch-psychologischen Auswirkungen zu unterscheiden. Ausschließlich militärstrategisch gesehen wäre in einem solchen Fall die Glaubwürdigkeit der Bündnisgarantie, die von einer zu ihrer eigenen Verteidigung fähigen USA ausgesprochen würde, größer als heute. All die Zweifel, die in den letzten ca. 25 Jahren an der Glaubwürdigkeit der amerikanischen Nukleargarantie für Europa geäußert wurden, gingen von der nuklearen Verwundbarkeit der USA aus. Insofern könnte man unter militärstrategischem Aspekt argumentieren, daß es gerade auch im europäischen Interesse läge, wenn wenigstens Nordamerika geschützt werden könnte. Aber ein solches militärstrategisch zwar rationales Argument vernachlässigt das innenpolitische Umfeld in Europa, in dem zwangsläufig ein einseitiger Schutz für Nordamerika als Rückzug der USA aus ihrer Bündnisverpflichtung in Europa betrachtet würde.

Daraus ergibt sich das erste zentrale inhaltliche Interesse der Europäer bei einer Beteiligung an den Forschungsarbeiten zur strategischen Verteidigung: Durch ihre Mitwirkung die simultane Entwicklung von Schutzsystemen gegen Angriffswaffen unterschiedlicher Reichweiten sicherzustellen. 3. In der Diskussion über die Möglichkeiten strategischer Verteidigung wird darauf hingewiesen, daß möglicherweise die Technologien zuerst verfügbar sein werden, die in der Tradition der ABM-Diskussion der sechziger Jahre stehen. Dabei handelt es sich um Systeme zum Abfangen von Raketen in der letzten Flugphase. Sie sind nicht zur flächendeckenden, sondern nur zur Punktzielverteidigung geeignet Es ist denkbar, daß in einer längeren Entwicklungsphase von strategischen Verteidigungssystemen am Anfang nur solche Punktverteidigungssysteme zur Verfügung stehen könnten

Als Argument für solche begrenzten Verteidigungssysteme wird darauf hingewiesen, daß ein zentrales Problem der Glaubwürdigkeit der gegenwärtigen Abschreckungsstrategie die Verwundbarkeit der landgestützten amerikanischen Langstreckensysteme ist. Vergeblich haben die USA in den Rüstungskontrollverhandlungen bislang versucht, dieses Problem durch eine substantielle Reduzierung der sowjetischen sogenannten schweren Systeme zu lösen Eine Punktzielverteidigung wäre eine Antwort auf diese von den sowjetischen schweren Raketen ausgehende Bedrohung.

Auch in diesem Bereich gibt es jedoch eine parallele Bedrohung in Europa: Zunächst mit der Mittelstreckenwaffe SS-20, dann auch mit der Stationierung der Kurzstreckensysteme SS-21, SS-12/22, SS-23 in der DDR und CSSR, und schließlich mit der Bereitstellung von konventionellen und chemischen Sprengköpfen für diese drei Systeme hat sich die Sowjetunion eine neue nukleare wie auch konventionelle Option geschaffen. Sie könnte wichtige militärische Ziele in Europa ausschalten und damit die konventionelle Verteidigungsfähigkeit Europas in ihrer Substanz treffen. Von besonderer politischer Bedeutung ist dabei, daß dies auch mit konventionellen Sprengköpfen, also unterhalb der sogenannten nuklearen Schwelle, geschehen könnte

Eine solche Bedrohung zentraler militärischer Ziele (z. B. Flugplätze, Munitionsdepots, Kommandozentralen, etc.) durch die sowjetische Luftwaffe hat es auch in der Vergangenheit gegeben. Unter anderem aus diesem Grunde gibt es in Europa — anders als in den USA — eine lange Tradition der Luftverteidigung, die zuletzt wieder durch die Einführung der Roland/Patriotsysteme erheblich modernisiert worden ist Daraus ergibt sich heute die fast schizophrene Situation, daß dieselben militärischen Ziele zwar mit erheblichem Aufwand gegen Flugzeuge, nicht aber gegen Raketen, und zwar auch nicht gegen solche mit konventionellen Sprengköpfen, verteidigt werden könnten. Auch die Antwort auf dieses Problem kann die Entwicklung von Punktzielverteidigung sein. Die Technologien zum Schutz der amerikanischen Minuteman, deutscher Munitionsdepots und britischer Flugplätze sind weitgehend identisch Daraus ergibt sich das zweite europäische Interesse bei der Beteiligung an der Forschung zur strategischen Verteidigung — nämlich sicherzustellen, daß auch Punktverteidigungssysteme simultan für die bedrohten Ziele in Europa und den USA entwickelt werden

Unabhängig von diesen parallelen Problemfeldern in den USA und in Europa existiert eine weitere Bedrohungsform in Europa. Angesichts der Entwicklungsarbeiten in der Sowjetunion und später auch in den USA ist es nur realistisch anzunehmen, daß beide Seiten in vergleichbaren Zeiträumen vergleichbare Systeme zur strategischen Verteidigung entwickeln werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn über die Einführung solcher Systeme in Rüstungskontrollverhandlungen Vereinbarungen erzielt werden könnten. Je wirksamer solche strategischen Verteidigungssysteme wären, desto größer würde die Bedeutung des konventionellen Ungleichgewichtes in Europa. Seit Mitte der fünfziger Jahre hat die NATO versucht, ihre konventionelle Unterlegenheit in Europa durch nukleare Optionen zu kompensieren — wobei die Glaubwürdigkeit dieser nuklearen Optionen in den letzten Jahren allerdings fragwürdig geworden ist. Mit der Einführung von Verteidigungssystemen gegen Systeme unterschiedlicher Reichweite wird diese Kompensation nicht mehr möglich. Das konventionelle Ungleichgewicht in Europa erhielte dann strategische Bedeutung. Angesichts der Wirtschaftskraft der NATO-Länder ist es natürlich theoretisch möglich, dieses Un-gleichgewicht durch umfassende konventionelle Nachrüstung auszugleichen — wie die NATO dies schon einmal auf ihrer Lissabonner Konferenz 1952 beschlossen, aber nie durchgeführt hat. Es ist aber nicht realistisch anzunehmen, die westlichen Demokratien würden dieses Mal politisch in der Lage sein, die für ein konventionelles Gleichgewicht notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Deshalb wird die Antwort auf das bestehende konventionelle Ungleichgewicht wiederum in neuen Technologien gesucht werden müssen

In der Suche nach solchen neuen Technologien liegt eine weitere Bedeutung der Forschung zur strategischen Verteidigung und ein drittes europäisches Interesse bei einer solchen Beteiligung. Zahlreiche Technologien, die für strategische Verteidigung entwickelt werden mögen, könnten in dieser oder jener Form Bedeutung auch für die konventionelle Verteidigung erhalten: Lasersysteme und elektromagnetische Kanonen mögen die Panzerabwehrwaffen von morgen sein; die Aufklärungssysteme, die startende Raketen ohne Zeitverlust orten, könnten jedem potentiellen Angriff das Element der Überraschung nehmen; Computer, die die Verteidigung gegen Tausende von Sprengköpfen und Attrappen koordinieren, werden auch Feuerleitsysteme für konventionelle Waffen von bisher nicht gekannter Schnelligkeit ermöglichen. Es ist von zentralem europäischen Interesse, durch eine Beteiligung an der For-schung zur strategischen Verteidigung die Nutzung derartiger neuer Technologien für die konventionelle Verteidigung simultan zu sichern. Zusammenfassend kann man also feststellen, daß es ein dreifaches sicherheitspolitisches Interesse der Europäer gibt, dem ihre Beteiligung an dem amerikanisch initiierten Forschungsprogramm zur strategischen Verteidigung dient. Primär aus geopolitischen Gründen, also insbesondere wegen der Grenzlage der Bundesrepublik Deutschland, aber auch wegen der wirtschaftlichen und technologischen Führungsrolle der Bundesrepublik in Europa sind dabei die deutschen Interessen im europäischen Verbund am ausgeprägtesten. Daraus folgt aber auch, daß die europäischen Interessen nur durch ein engagiertes deutsches Mitwirken verwirklicht werden können. Gerade deshalb sind die diskutierten europäischen Interessen bei den Forschungen zur strategischen Verteidigung auch traditionelle deutsche Interessen:

— Die Einheit des Bündnisses durch die Entwicklung von gleichwertigem Schutz für alle Teile der Allianz;

— die Glaubwürdigkeit der Abschreckung durch den Schutz wichtiger militärischer Einrichtungen auf beiden Seiten des Atlantiks; — die Nutzung von Technologien, die für die strategische Verteidigung entwickelt werden, zur Überwindung des konventionellen Ungleichgewichts in Europa.

Dies aber verdeutlicht zugleich, daß die in der Diskussion um die strategische Verteidigung aufgekommenen Fragen nur die alten Strukturprobleme der Allianz in neuer Form aufwerfen. Seit ihrer Gründung war es das politische Problem der Allianz, glaubwürdig deutlich zu machen, daß Europa und Amerika nicht Zonen unterschiedlicher Sicherheit sind. Mit dem Konzept der Abschreckung untrennbar verbunden ist die Notwendigkeit, die dazu erforderlichen militärischen Einrichtungen zu schützen. Mit neuer Technologie quantitative Unterlegenheit auszugleichen, war stets die Politik der Allianz So verlangen die alten Strukturprobleme der Allianz eine Antwort, die der technologischen Revolution entspricht, die durch das Konzept der strategischen Verteidigung zu erwarten ist. Daß dies geschieht, ist das deutsche und europäische Interesse bei der Beteiligung an der Forschung zur strategischen Verteidigung.

III. Ökonomische Implikationen

Zur Verwirklichung von strategischer Verteidigung wird es erforderlich sein, vielfältige, heute schon bekannte Technologien in noch nicht verwirklichter Form miteinander und mit völlig neuen Technologien, deren Umrisse gerade in den Grenzen der wissenschaftlichen Phantasie erkennbar sind, zu verbinden. Es handelt sich um die größte wissenschaftliche Herausforderung, der sich die modernen Gesellschaften je gestellt haben. Sie übertrifft die Herausforderung, auf dem Mond zu landen, denn das Apollo-Projekt kannte zwei zentrale Probleme nicht, die für strategische Verteidigung von großer Bedeutung sind: Weder bestand für die Astronauten das Problem, den Mond zu orten, noch wurde die Fähre durch Mondattrappen abgelenkt. Auch drohte den Mondfahrern nicht die Gefahr, von feindlichen Gegenmaßnahmen angegriffen zu werden. Strategische Verteidigungssysteme aber müssen gegen die Angriffsraketen der nächsten und übernächsten Generation entwickelt werden, die ihrerseits vielfältige Eigenschaften enthalten werden, die ihre Ortung erschweren Das vorhandene ASAT-Programm der Sowjetunion gibt einen Vorgeschmack darauf, wie schwierig es sein wird, die Überlebensfähigkeit der einzelnen Elemente der Raketenabwehrsysteme insbesondere auch im Raum zu gewährleisten.

Zur Verwirklichung eines solchen wissenschaftlich-technologischen Großprojekts bedarf es nicht nur der genialen Einzelleistung eines Wissenschaftlers oder Ingenieurs, wie dies über Jahrhunderte die Technologiegeschichte der Menschheit gekennzeichnet hat. Von der Erfindung des Rades über die der Buchdruckerkunst, der Dampfmaschine, des Telefons, des Automobils, des Röntgenstrahls, der ersten Rechenmaschine bis hin zur ersten Kernspaltung durch Otto Hahn haben wissenschaftlich-technische Einzelleistungen Geschichte gemacht. Mit dem Manhattan-Projekt, das zur Entwicklung eines atomaren Sprengkörpers führte, begann eine neue Geschichte der wissenschaftlich-technischen Großprojekte, in denen zahllose Einzelleistungen und häufig Genialität ebenso wie systematische Großversuchsserien koordiniert werden müssen.

Man kann die Zahl der an der Forschung zur strategischen Verteidigung in den USA beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure auf 50000 bis 60 000 schätzen. Diese Zahl ist ebenso beeindrukkend wie unsinnig. Einerseits ist die Zahl derer, die im Auftrage des Pentagon an einem Projekt arbeiten, das aus den für SD 1 vorgesehenen Haushaltsmitteln finanziert wird, wesentlich kleiner. Andererseits ist die Zahl derer, die irgendwo in den Universitäten oder Labors großer und kleiner Unternehmen an einer Technologie arbeiten, die einmal ein entscheidendes Bindeglied im Gesamtsystem der strategischen Verteidigung sein könnte, wesentlich größer. Die deutschen Ingenieure, die vor Jahren Spiegel von sonst nirgendwo erreichter Ebenmäßigkeit entwickelten, haben sich nicht träumen lassen, daß diese Spiegel-Technologie einst benötigt werden könnte, um vom Raum aus Laserstrahlen auf startende Raketen zu lenken. Es gibt amerikanische Schätzungen, nach denen allein in den USA aufjeden Dollar, den der Staat für die Finanzierung der SDI-Forschung ausgibt, vier weitere Dollar aus privaten Mitteln zur Verfügung gestellt werden für Forschungsarbeiten, die SDI-relevant sein könnten

Gerade dieses Beispiel zeigt, daß auch in einem solchen Großprojekt die geniale Einzelleistung, die z. B. zu dem perfekten Spiegel führte, unverzichtbar ist. Hinzu aber muß die Lösung der Koordinations-und Informationsaufgabe kommen, das über Tausende von Plätzen verstreute Einzelwissen zusammenzufügen. Gerade gegenüber dieser Aufgabe erweist sich die Überlegenheit einer freien Gesellschaft. Dies ist der Sowjetunion offensichtlich bewußt. Obwohl sie selbst seit langem mit Hochdruck an Fragen der strategischen Verteidigung arbeitet, unternahm sie vielfältige Anstrengungen, um die Entwicklung solcher Systeme durch die USA zu stoppen, als sie realisierte, daß die Vereinigten Staaten ihr SDI-Programm begannen.

Edward Teller hat 1986 gesagt, die Sowjetunion habe einen zeitlichen Vorsprung von 20 Jahren, aber weil sie so langsam sei, zähle dies nur wie 10 Jahre Wer die Zielstrebigkeit, die Selbstsicherheit und den Optimismus der heute an der Forschung zur strategischen Verteidigung beteiligten amerikanischen Wissenschaftler und Ingenieure erlebt hat, ist versucht anzunehmen, daß der heute möglicherweise noch vorhandene Vorsprung der Sowjetunion in wenigen Jahren dahingeschmolzen sein wird — dies allerdings nur unter einer Bedingung: daß die Politik Geschwindigkeit und Vielfalt in der gegenwärtigen Entwicklung nicht künstlich bremst.

Aus dieser Charakterisierung der SDI-Forschung als eines wissenschaftlich-technologischen Groß-projektes ergeben sich drei Schlußfolgerungen:

I. Die USA haben ein Interesse daran, daß ihre Verbündeten sich mit leistungsfähigen Industrien und Forschungsinstituten im Bereich der Hochtechnologie an den Forschungen beteiligen. Dieses Interesse besteht nicht, weil es irgendein Problem gäbe, das die Amerikaner voraussichtlich nicht selbst in der Lage wären zu lösen, sondern weil es ökonomischer, d. h. billiger ist und schneller geht, wenn man die Arbeiten an diesem Groß-projekt grenzüberschreitend koordiniert. Staatliche Rahmenabkommen für diese Beteiligung der Verbündeten sind nicht in jedem Einzelfall unabdingbar. Sie sind aber notwendig, zumindest jedoch zweckmäßig für eine Beteiligung, die über Einzelfälle hinausgehen soll. Gerade die hoch-entwickelten Partner der USA, wie z. B. die Bundesrepublik, Großbritannien und Japan, können im Rahmen solcher Abkommen wesentliche Beiträge leisten Diese Abkommen haben den Zweck, einerseits die Chancengleichheit ausländischer Anbieter im Wettbewerb um die amerikanischen Forschungsaufträge zu sichern, andererseits können sie das Problem des Transfers von sicherheitsrelevanten Daten, die für bestimmte Forschungen unabdingbar sind, regeln. Schließlich eröffenen sie die Möglichkeit, abweichend vom amerikanischen Zivilrecht dem ausländischen Partner Formen der eigenen Nutzung der in diesem Zusammenhang erzielten technologischen Neuerungen zu eröffnen 2. Die Verwirklichung eines wissenschaftlich-technologischen Großprojektes ist nicht durch die Anstrengung einzelner „Rüstungsindustrien“, sondern nur durch die wissenschaftlich-technische Leistung einer ganzen Industriegesellschaft möglich. Sie wird erleichtert, wenn dabei mehrere derartige Gesellschaften Zusammenwirken. Daraus folgt auch, daß die Etikettierung dieser Forschungsarbeiten als „zivil“ oder als „militärisch“ in der weitaus größten Zahl der Fälle unsinnig ist. Ein wissenschaftlich-technisches Großprojekt führt die daran beteiligten Gesellschaften, was die Technologieentwicklung betrifft, in ein neues Entwicklungsstadium. 3. Daraus ergibt sich das europäische Interesse an einer umfassenden Beteiligung an den Forschungen zur strategischen Verteidigung. Dieses Interesse ist primär ein deutsches, weil die Bundesrepublik die führende Industriemacht Europas ist. Dabei ist das Interesse der deutschen Rüstungswirtschaft ebenso offensichtlich wie es nur einen kleinen Teil des deutschen Gesamtinteresses ausmacht. Beispielhaft sei nur die Entwicklung einer neuen Panzergeneration erwähnt. Im Zeitalter der Laserwaffen wird es einen im internationalen Vergleich führenden Panzer aus deutscher Produktion nur geben, wenn deutschen Firmen die Spitzentechnologie im Laserbereich, wie sie im Rahmen von SDI entwickelt wird, vertraut ist.

Von weitaus größerer Bedeutung ist jedoch die Ausstrahlung dieses Technologieschubes auf alle anderen Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Schon heute ist erkennbar, daß Produktionsverfahren, die auf der Anwendung von höchsten Energieschüben beruhen, revolutioniert werden. Neue medizinische Diagnoseverfahren fallen als „Nebenprodukte“ ebenso ab wie neue Möglichkeiten zur Konservierung von Lebensmitteln. Neue Methoden zur Entdekkung knapper Ressourcen unter der Erdoberfläche und unter dem Meeresboden sind erkennbar. Der Bezug zwischen der Forschung zur strategischen Verteidigung und der systematischen Nutzung des Weltraums und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten für die Herstellung neuer Produkte, Legierungen und Kristalle mit vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten auch in der Medizin sei nur am Rande erwähnt

Selbstverständlich könnte manches dieser „Nebenprodukte“ auch durch Einzelanstrengungen in dem jeweiligen Bereich erzielt werden. Aber es geht gar nicht um jeden dieser Einzelbereiche, sie stehen hier nur beispielhaft und können beliebig durch andere ergänzt werden. Es gilt, den umfassenden Technologieschub zu veranschaulichen, der von einem derartigen wissenschaftlich-technologischen Großprojekt ausgeht.

Die Konsequenz dieser Überlegungen ist, daß die Gruppe der modernen Industriegesellschaften in wenigen Jahrzehnten gespalten oder zumindest weitfächrig ausdifferenziert sein wird. Auf der einen Seite werden die stehen, die an diesem umfassenden Technologieschub voll oder weitgehend beteiligt sein werden; auf der anderen Seite jene, die diesen Anschluß verpaßt haben. Vor diesem Hintergrund ergibt sich das Interesse der Bundesrepublik, die ihren Wohlstand nicht Rohstoffen und Energiequellen, sondern ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der technologischen Qualität ihrer Produkte verdankt, von selbst

Diese Argumentation darf jedoch nicht zu dem Fehlschluß führen, daß es primär wirtschaftlich-technologische Überlegungen sind, die das deutsche Interesse an einer Beteiligung an SDI begründen. Das entscheidende Argument geht von den deutschen Sicherheitsinteressen aus. Daß die ökonomischen Interessen in die gleiche Richtung zielen, vermehrt den Nutzen dieser Entwicklung; aber selbst wenn eine SDI-Beteiligung ökonomische Nachteile mit sich brächte, wären die sicherheitspolitischen Argumente höher einzustufen. Immer wenn es zu einem Zielkonflikt zwischen Frieden und Freiheit einerseits und Wohlstand andererseits kommt, ist die Versuchung, für den Wohlstand zu optieren, weil man die Gefährdung von Frieden und Freiheit nicht sieht, nicht glaubt oder nicht glauben will, sehr groß. Die Kette der Beispiele dafür reicht von Karthago bis in die Gegenwart. Kennzeichnend für das Konzept der strategischen Verteidigung aber ist, daß dieses Projekt einen Zielkonflikt zwischen Frieden, Freiheit und Wohlstand in den beteiligten Industriestaaten nicht kennt. Sowohl die sicherheitspolitischen als auch die ökonomischen Gründe legen eine umfassende deutsche Beteiligung nahe. Mit dem Abkommen vom 28. März 1986 sind dafür die institutionellen Voraussetzungen geschaffen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. W. Kaltefleiter/U. Schumacher, Europas Interesse an SDI: Primat der Sicherheitspolitik, in: Europäische Wehrkunde, Juni 1986.

  2. Protokoll der Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Bonn, 10. 12. 1985, Anhörung zur Strategischen Verteidigungsinitiative; H. J. Veen/P. R. Weile-mann (Hrsg.), Standpunkte zu SDI in Ost und West, Forschungsbericht 49 der Konrad-Adenauer-Stiftung, Melle 1985. Vgl. auch: Bonner Friedensforum e. V., Heft 5, SDI oder , Krieg der Sterne*, Bonn, April 1986, insbesondere S. 117 ff., sowie E. Pond, The Security Debate in West Germany, in: Survival, Vol. XXVIII, Nr. 4, 1986, S. 322— 336.

  3. Eingehend dazu: W. R. Van Cleave, Fortress USSR, Stanford 1986, S. 17 ff. Für einen Überblick s. H. Rühle, Tschernenkos . Krieg der Sterne*, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22. 1. 1985, S. 9, sowie Department of Defense (Hrsg.), Soviet Military Power 1986, Washington, D. C., 1986, S. 41 ff., und Department of Defense and Department of State (Hrsg.), Soviet Strategie Defense Programs, Oktober 19852.

  4. R. Reagan, Strategie Modemization, To the Congress of the United States, published by the White House, June 1986.

  5. Department of Defense (Hrsg.), Soviet Military Power 1985, Washington, D. C., 1985, S. 48.

  6. A. Chalfont, SDI: The Case for the Defence, London 1985 (Institute for European Defence and Strategie Studies, Occasional Paper No. 12), S. 32.

  7. Vgl. Arms Control and Disarmament Agency, Soviet Noncompliance, Washington, D. C., 1. 2. 1986, sowie Department of Defense (Hrsg.), Soviet Military Power 1986 (Anm. 4), S. 43.

  8. A. Chalfont (Anm. 7), S. 20.; U. Schumacher, Rüstungskontrolle als Instrument sowjetischer Außenpolitik, Herford 1984, S. 158; vor allem auch J. Tirman (Hrsg.), SDI. Der Krieg im Weltraum, Bern—München-Wien 1985, S. 167 ff.

  9. Siehe „U. S. ASAT Test Successful" (am 13. 9. 85), in: Facts on File (World News Digest with Index) 45 (1985), Nr. 2339, S. 690.

  10. Vgl. W. J. Durch (Hrsg.), National Interests and the Military Use of Space, Cambridge, Mass., 1984, hier insbesondere die Beiträge von G. J. Jelen, Space Vulnerabilities and Countermeasures, S. 89 ff., und D. L. Haffner, Approaches to the Control of Antisatellite Weapons, S. 239 ff. Department of Defense and Department of State (Anm. 4), S. 16.

  11. Vgl. U. Schumacher, Rüstungskontrolle als Instrument sowjetischer Außenpolitik, in: Werner Kaltefleiter (Hrsg.), Schriftenreihe . Libertas Optima Rerum" des Instituts für Sicherheitspolitik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Herford 1984, S. 39 u. S. 115.

  12. Vgl. J. D. Douglas/A. M. Hoeber, Soviet Strategy for Nuclear War, Stanford 1979; T. W. Wolfe, Sowjetische Militärstrategie, Köln—Opladen 1967.

  13. Department of Defense and Department of State (Anm. 4), S. 21.

  14. Siehe u. a. S. Drell et al., The Reagan Strategie Defense Initiative: A Technical, Polical and Arms Control Assessment, Stanford 1984 (Center for International Security and Arms Control); M, C. G. Bundy et al., The President’s Choice: Star Wars or Arms Control, in: Foreign Affairs, 63 (1984/85) 2, S. 264 ff.; E. Bahr, Ost und West als Partner der gemeinsamen Sicherheit, in: Europäische Wehrkunde, 34 (1985) 3, S. 141 ff.

  15. Zur allgemeinen Problematik s. W. Kaltefleiter/U. Schumacher, Rüstungskontrolle — ein Irrweg?, München 1984.

  16. U. Nerlich, Folgerungen aus SDI für Strategie, Rüstungskontrolle und Zum Entscheidungsbedarf der Bundesrepublik Deutschland, in: Europa Archiv, (1 986) 4, S. 94, sieht andere positive Auswirkungen von SDI auf die gesamte Rüstungskontrollpolitik. Er betont, daß die Wiederaufnahme der Rüstungskontrollverhandlungen Folge von SDI ist, und glaubt, daß im Rahmen einer eventuellen kooperativen Einführung von Verteidigungssystemen erhebliche Reduzierungen in den Offensivwaffen erreicht werden könnten. Diese Aussage impliziert zunächst, daß auch Nerlich eine Verhinderung von strategischer Verteidigung durch Rüstungskontrollpolitik für nicht möglich hält. Darüber hinaus ist seiner ersten These sicher zuzustimmen: Die Sowjets versuchen, das amerikanische SDI wegzuverhandeln und hoffen dabei auf Unterstützung durch die öffentliche Meinung in den westlichen Demokratien. Die Vision von einem umfassenden Abkommen zur Einführung von Verteidigungssystemen und gleichzeitiger Reduktion von Offensivwaffen scheint jedoch recht spekulativ. Zahlreiche Szenarien sind denkbar.

  17. Vgl. „The President’s Report to the Congress on Soviel Noncompliance with Arms Control Agreements“, January 23, 1984; „The President’s Unclassified Report to the Congress on Soviet Noncompliance with Arms Control Agreements“, February 1, 1985, und „The President’s Unclassified Report to Congress on Soviet Noncompliance with Arms Control Agreements“, December 23, 1985, sowie schließlich Arms Control and Disarmament Agency, Soviet Noncompliance (Anm. 8). Für eine politische Diskussion s. W. Kaltefleiter, Politische Implikationen Strategischer Verteidigung, in: Zeitschrift für Politik, 32 (1985) 1, S. 8 ff., hier S. 17; A. Katz, After Detection — So What?, in: R. F. Staar (Hrsg.), Arms Control: Myth versus Reality, Stanford 1984, S. 166 ff.

  18. Department of State (Hrsg.), Die Strategische Verteidigungsinitiative, Washington, D. C., Januar 1985, S. 9.

  19. Department of Defense and Department of State (Anm. 4); vgl. auch P. H. Nitze, The Impact of SDI on U. S. —Soviet Relations, in: Current Policy, No. 830, Published by the United States Department of State, Washington, May 1986.

  20. Siehe dazu W. Schreiber, Die Strategische Verteidigungsinitiative. Vorgeschichte, Konzeption, Perspektiven, (Konrad-Adenauer-Stiftung, Forschungsbericht 45) Melle 1985, S. 47.

  21. Office of Technology Assessment (= OTA) (Hrsg.), Strategie Defenses. Two Reports, New Jersey 1986, S. 17 ff.

  22. Vgl. z. B. K. H. Biedenkopf, Die Akzeptanz einer Friedenssicherung mit Waffen, in: P. -K. Würzbach (Hrsg.), Die Atomschwelle heben. Moderne Friedenssicherung für Übermorgen, Koblenz 1983, S. 53 ff.

  23. Eingehend dazu: W. Kaltefleiter, Strategie Defense on the Broader Historical Stage, in: Strategie Review, 13 (1985) 3, S. 14 ff.

  24. M. Wörner, A Missile Defense for NATO Europe, in: Strategie Review, Vol. 14 (1986) 1, S. 13 ff., insbes. S. 15 f.; siehe auch: P. Wilson, A Missile Defense for NATO: We Must Respond to the Challenge, in: Strategie Review, Vol. 14 (1986) 2, S. 9 ff,, insbes. S. 12, sowie S. Menaul, Nato and, Ballistic Missile Defense, in: Global Affairs, (1986) 3, S. 12 ff.

  25. Siehe z. B. High Frontier Europa (Hrsg.), The European Defense Initiative EDI, Some Implications and Consequences, Rotterdam 1985; s. auch W. Schütze, SDI oder EUREKA?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/85, S. 30 ff., bes. S. 35 ff., und: Forum Zukunft e. V., Europäische Verteidigungsinitiative, Ottobrunn 1985.

  26. Vgl. Kap. II: „Sicherheitspolitische Implikationen“.

  27. Für einen Überblick vgl. N. C. Brown, The Strategie Defense Initiative and European Security, A Conference Report, Published by the Rand Corporation, January 1986.

  28. Vgl. The President’s Strategie Defense Initiative, Washington, D. C., January 1985, sowie R. Jastrow, How to Make Nuclear Weapons Obsolete, Boston—Toronto 1985; The Director, Strategie Defense Initiative Organization, SDI, A Technical Progress Report, submitted to the Secretary of Defense, Washington, D. C., June 1985. S. auch Congressional Research Service, The Strategie Defense Initiative: Program Description and Major Issues, von C. Di Maggio, A. F. Manfredi und S. A. Hildreth, Washington, D. C., January 7, 1986; vgl. auch A. Graf von Rothenburg/R. Wäsche, SDI: Aufbruch zu einer neuen Dimension der Sicherheit?, Bonn 1986.

  29. Vgl. OTA Report, S. 146 ff.

  30. The Director, Strategie Defense Initiative Organization (Anm. 29), S. 15 ff.

  31. Ebd., S. 198 ff.; vgl. auch H. H. Mey, Technologie der Raketenabwehr. Entwicklungsstand und Probleme — eine Übersicht, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, 22 (1984) 6, S. 520 ff.; S. Weiner, Systems and Technology, in: A. B. Carter/D. N. Schwartz (Hrsg.), Ballistic Missile Defense, Washington 1984, S. 49 ff.

  32. Diese Problembereiche und Lösungskonzeptionen sind zu Beginn des amerikanischen Forschungsprojektes in fünf sogenannten Architektur-Studien skizziert worden, die die Grundlagen für die weiteren Forschungsarbeiten bilden; s. dazu F. S. Hoffmann, Ballistic Missile Defenses and U. S. National Security (Future Security Strategy Study, FSSS), Summary Report 10/1983.

  33. Es kann allerdings darauf hingewiesen werden, daß diese Systeme teilweise auch genutzt werden können, um Kommunikationssysteme im Raum auszuschalten, im was Zusammenwirken mit anderen Waffen einer offensiven Option gleichkommt. Aber auch in diesem Zusammenhang bleibt, daß von den zur strategischen Verteidigung geeigneten Systemen selbst keine Gefährdung von relevanten Zielen auf der Erde ausgeht, die Zerstörung kann übrigen der Kommunikationssysteme im durch andere — einfachere — Mittel erfolgen.

  34. W. Kaltefieiter (Anm. 8), S. 8 ff.

  35. So schon Präsident Reagan in seiner Rede vom 23. 3. 1983 (abgedruckt u. a. in: Europa Archiv, 38 (1983) 10, S. D 267 ff.; Wireless Bulletin from Washington, Nr. 57, 24. 3. 1983); W. Schreiber (Anm. 21), S. 40.

  36. Vgl. Congressional Research Service (Hrsg.), (Anm. 29), S. 23 f.

  37. Siehe dazu A. Chalfont (Anm. 7), S. 21 f.

  38. Z. B. J. Tirman, (Anm. 9), S. 152 ff., insbes. S. 154 f.

  39. Vgl. H. G. Hoffmann, A Missile Defense for Europe?, in: Strategie Review, 12 (1984) 3, S. 45 ff.

  40. Dazu auch W. Schreiber (Anm. 21), S. 27 ff.

  41. Vgl. W. Kaltefleiter (Anm. 8), S. 20 f.

  42. Ausführlich eingehend dazu Institute for Foreign Policy Analysis, Inc. (Hrsg.), U. S. Strategic-Nuclear Policy and Ballistic Missile Defense: The 1980s and Beyond. A Conference Report III, Cambridge, Mass., 1979.

  43. Vgl. Congressional Research Service (Anm. 29), S. 23.

  44. Vgl. U. Schumacher (Anm. 12), S. 132 ff., jüngst dazu eingehend: A. Codevilla, Strategie Defense Now, in: Global Affairs, (1986) 3, S. 17 ff.

  45. M. Wörner (Anm. 25), S. 13 ff., insbes. S. 15 f., siehe auch: P. Wilson (Anm. 25), S. 9 ff., insbes. S. 12.

  46. Siehe dazu H. G. Hoffmann (Anm. 40), S. 51 f.

  47. Vgl. J. K. Davis/R. L. Pfaltzgraff, Jr., Strategie Defense and Extended Deterrence: A New Transatlantic Debate, Cambridge, Mass., and Washington, D. C., February 1986.

  48. In diesem Sinne auch M. Wörner (Anm. 25), S. 17.

  49. Siehe dazu D. Greenwood, Strengthening Conventional Deterrence Doctrine: New Technologies and Resources, in: NATO Review, 32 (1984) 4; vgl. auch die beiden ESECS Studien: Report of the European Security Study, Strengthening Conventional Deterrence in Europe, Proposals for the 1980s (London 1983) und A Program for the 1980s (Boulder, Col., 1985).

  50. Siehe dazu H. Kujat, Europa bewahren. Anmerkungen zur NATO-Strategie, Herford 1985, S. 106 ff., insbes. S. 139 f.

  51. Siehe dazu C. S. Gray, A New Debate on Ballistic Missile Defense, in: Survival, 23 (1981) 2, S. 60 ff.; vgl. auch ders., American Military Space Policy, Cambridge, Mass., 1982, S. 45 ff.

  52. So schon Botschafter Rowny in einem Diskussionsbeitrag auf der Internationalen Wehrkunde Begegnung, München, Februar 1985.

  53. Diskussionsbeitrag auf der Internationalen Wehr-kunde Begegnung in München im März 1986.

  54. Für die Bundesrepublik Deutschland ist ein solches Abkommen auch deshalb besonders wichtig, weil es zwischen den USA und der Bundesrepublik, im Gegensatz zu Großbritannien, keine traditionell eingefahrenen Schienen der Kooperation im Bereich von sicherheitsrelevanten Technologien gibt.

  55. Das im März zwischen den USA und der Bundesrepublik geschlossene Abkommen wird diesen Anforderungen grundsätzlich gerecht.

  56. Zur Diskussion solcher und anderer möglicher „spinn offs“ s. Ausschußprotokoll der Anhörung zur Strategischen Verteidigungsinitiative, Dez. 1985, S. 81 f., S. 89 f., S. 130 f.; H. Horeis/M. Liebig (Hrsg.), Strahlenwaffen. Militärstrategie im Umbruch, München 1985, S. 185 ff. Vgl. auch R. W. Bryant, Business Opportunity Report, Stanford, March 1986, sowie M. W. Browne, The Star Wars Spinoff, in: New York Times Magazine vom 24. August 1986.

  57. So schon Bundeskanzler Kohl in seiner Rede auf der Internationalen Wehrkunde Begegnung 1985; s. Europäische Wehrkunde, 34 (1985) 3, S. 133 ff., hier S. 136.

  58. Vgl. W. Hahn, Disarmament: An Ancient Story, in: Strategie Review 10 (1982) 3, S. 9 f.

  59. Dies impliziert allerdings auch, daß der durch Forschung an strategischer Verteidigung ausgelöste Technologieschub die Diskrepanz zwischen den beteiligten Industriestaaten und der Dritten Welt ebenso vergrößern wird, wie dies für vorausgegangene Technologieschübe gegolten hat.

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W e r n e r K a 11 e f 1 e i t e r, Dr. rer. pol., geb. 1937; o. Professor für Politische Wissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Direktor des Instituts für Politische Wissenschaft; von 1970 bis 1975 Leiter des Sozialwissenschaft-liehen Forschungsinstituts der Konrad-Adenauer-Stiftung; von 1975 bis 1981 Vizepräsident der Universität Kiel; seit 1983 Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik. Veröffentlichungen u. a.: Die Funktionen des Staatsoberhaupts in der parlamentarischen Demokratie, 1970; Im Wechselspiel der Koalitionen — Analyse der Bundestagswahl 1969, 1970; Zwischen Konsens und Krise — Analyse der Bundestagswahl 1972, 1973; (zus. mit Peter Krogh) Geheimhaltung und Öffentlichkeit in der Außenpolitik, 1974; Vorspiel zum Wechsel — Eine Analyse der Bundestagswahl 1976, 1977; (zus. mit Peter Nißen) Empirische Wahlforschung. Eine Einführung in Theorie und Technik, 1980; (zus. mit Ulrike Schumacher) Conflicts Options Strategies in a Threatened World, Kiel 1982 ff. Ulrike Schumacher, Dr. phil., geb. 1951; mehrjährige Forschungsaufenthalte an der Hoover Institution, Stanford University und dem Institute for Foreign Policy Analysis, Cambridge, USA; von 1981 bis Ende 1985 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Kiel; seit 1983 stellvertretende Direktorin des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität zu Kiel; seit Anfang 1986 Referentin für Außen-und Verteidigungspolitik an der Landesvertretung Schleswig-Holstein beim Bund. Veröffentlichungen u. a.: Rüstungskontrolle als Instrument sowjetischer Außenpolitik, Herford 1984; (zus. mit Werner Kaltefleiter) Rüstungskontrolle — ein Irrweg?, München 1984.