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Sozialstationen — ein Konzept ambulanter Versorgung in der Bewährung | APuZ 24-25/1987 | bpb.de

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APuZ 24-25/1987 Ausgaben für die Gesundheit — Steuerungsprobleme und Reformmöglichkeiten Sozialstationen — ein Konzept ambulanter Versorgung in der Bewährung Artikel 1

Sozialstationen — ein Konzept ambulanter Versorgung in der Bewährung

Wulf Damkowski

/ 40 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Auf der Grundlage eines vom Verfasser durchgeführten Forschungsprojekts wird das Konzept, insbesondere ältere Menschen ambulant durch Sozialstationen zu betreuen, überprüft. Der Beitrag kommt zu dem Ergebnis, daß sich dieses Konzept im Grundsatz bewährt hat, da Sozialstationen dazu beitragen können, daß ältere Menschen solange wie möglich in ihrer vertrauten, häuslichen Umgebung verbleiben und für sie Heim-bzw. Krankenhausaufenthalte vermieden oder jedenfalls verkürzt werden. Am Beispiel der Hamburger Sozialstationen werden allerdings auch einige Defizite aufgezeigt, deren Behebung die Arbeit von Sozialstationen effektivieren könnte. Dazu gehören: — Das Ziel, durch Hilfe zur Selbsthilfe zu befähigen, sollte als Aufgabe der Sozialstationen unter der Voraussetzung verstärkt umgesetzt werden, daß es von Klienten und Angehörigen akzeptiert wird und hierfür die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. — Die Einwohnereinzugsbereiche der Sozialstationen sind häufig für eine bürgemahe Betreuung der Klienten zu groß bemessen; dies hat auch zur Folge, daß die Sozialstationen z. T. — gemessen an der Mitarbeiterzahl — Größenordnungen erreicht haben, die eine flexible, unbürokratische Sozialarbeit erschweren. Bezogen auf die festgestellten Defizite werden konkrete Veränderungsvorschläge gemacht. Der Beitrag schließt mit der Überlegung, ob und inwieweit Sozialstationen zu dezentralen, bürgemahen und quartiers-bezogenen Anlaufstellen ausgebaut werden können, die ihre Arbeit nicht — wie bisher — faktisch nur auf die Betreuung älterer Menschen beschränken, sondern auch andere Zielgruppen einbeziehen.

I. Sozialstationen als sozialpolitisches Konzept

Als Konsequenz aus neueren Ansätzen in der Gesundheits-und Sozialpolitik und als Antwort auf bestimmte Defizite der herkömmlichen sozialen Dienste sind in den vergangenen 10— 15 Jahren in nahezu allen Bundesländern Sozialstationen als dezentrale Organisationsformen zur ambulanten, häuslichen Versorgung hilfebedürftiger Bevölkerungsgruppen, insbesondere älterer Menschen geschaffen worden. Das prägende Element dieser Entwicklung — die ambulante Versorgung —, das inzwischen in einer Änderung des Bundessozialhilfegesetzes (§§ 3, 3 a, 93 Abs. 2) seinen Niederschlag gefunden hat, ist unterschiedlich motiviert und verfolgt verschiedene Ziele. Teils wurde hiermit die Absicht verbunden, die rapide gestiegenen Kosten im stationären Bereich des Gesundhe seinen Niederschlag gefunden hat, ist unterschiedlich motiviert und verfolgt verschiedene Ziele. Teils wurde hiermit die Absicht verbunden, die rapide gestiegenen Kosten im stationären Bereich des Gesundheitswesens zu senken, teils stand im Hintergrund ein eher globales Konzept zur Schaffung gemeinde-und bürgernaher Infrastrukturen 1).

Derart verschiedene Motive und Ziele waren auch für die Gründung von Sozialstationen in der Bundesrepublik maßgebend. So hat im Jahre 1979 die Freie und Hansestadt Hamburg ein Konzept für die Schaffung von Sozialstationen vorgelegt, nach dem die bisherigen sozialpflegerischen Versorgungsangebote vereinheitlicht und längerfristig zu einem flächendeckenden Netz von Einrichtungen ausgebaut werden sollen. Neben den 1979 geschaffenen drei Sozialstationen sind bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Hamburg 22 Einrichtungen entstanden (Stand: September 1986). Bis zum Jahre 1989 sollen in Hamburg insgesamt 40 Sozialstationen ein flächendeckendes Netz ambulanter Versorgung bilden 2).

Das empirische Feld der Hamburger Sozialstationen war Gegenstand eines Forschungsprojekts dessen Ergebnisse auszugsweise hier dargestellt werden sollen. Dabei werden z. T. auch frühere, auf Sozialstationen bezogene Untersuchungen und die Praxis anderer Bundesländer berücksichtigt. Bei dem erwähnten Forschungsprojekt stand der evaluative Charakter im Mittelpunkt. Er erstreckte sich auf zahlreiche Variablen des Umfeldes und der Binnenstruktur von Sozialstationen. Die Ausführungen werden hier allerdings angesichts des begrenzten Rahmens auf folgende Teilbereiche beschränkt:

— Hilfe zur Selbsthilfe als Aufgabenkonzept von Sozialstationen (II.);

— die Organisation der Trägerschaft von Sozialstationen (III.);

— Einzugsbereiche und Größe von Sozialstationen (IV.);

— die Finanzierung von Sozialstationen (V.).

Hieran schließen sich dann auf diese Bereiche bezogene Veränderungsvorschläge und weiterführende Fragen an (VI.).

II. Hilfe zur Selbsthilfe als Aufgabenkonzept von Sozialstationen

Die abnehmende Tragfähigkeit und Selbstverständlichkeit der bisher vorausgesetzten sozialen Netze, neue Erscheinungsformen sozialer Dienste, der dramatische Rückgang von Ressourcen bisheriger Leistungserbringer und schließlich die leeren Kassen und Kürzungen in den Sozialhaushalten von Ländern und Kommunen legten eine vermehrte Erschließung und Nutzung von Hilfspotentialen im nicht-professionellen Bereich nahe So sind auch die Sozialstationskonzepte von der Selbsthilfediskussion beeinflußt. Deutlich wird dies in den Förderrichtlinien zahlreicher Bundesländer und Trägerorganisationen der freien Wohlfahrtspflege, die den Sozialstationen auch die Aufgabe zuweisen, Selbst-und Nachbarschaftshilfe in der Bevölkerung zu initiieren und zu fördern.

Die Verbindung von Fremdhilfe, erbracht durch professionelle Kräfte, und ehrenamtlicher, unentgeltlicher Selbsthilfe durch Angehörige oder extrafamiliale soziale Netze im Umfeld des Klienten erfordert abgestimmte Kooperationsformen zwischen beiden Systemen. Die Einbeziehung von Selbsthilfeaktivitäten in das professionelle System sozialpflegerischer Dienste wird einerseits mit den aufgrund steigender Nachfrage wachsenden Kosten des öffentlichen Sozial-und Gesundheitsdienstes begründet. In diesem Zusammenhang erscheint die Initiierung von Selbsthilfe als ein Beitrag zur „sparsamen Sozialpolitik“ begriffen zu werden der angesichts der Engpässe in den Sozialhaushalten an Bedeutung gewinnt. Andererseits stellt die Einbeziehung ehrenamtlicher Helfer und die Förderung von Selbsthilfe aus der Sicht der Sozialstationen oftmals einen notwendigen Bestandteil eines „Rationalisierungsprozesses“ der Dienstleistungserbringung insofern dar, als die Träger auf diese Weise die Personalkapazität an Veränderungen der Nachfrage anpassen und außerdem Personalnebenkosten einsparen können Diese Feststellung gilt — bezogen auf die ehrenamtlichen Helfer — in gleicher Weise für die Unterstützung durch Familienangehörige, die z. B. durch die Anleitung in der häuslichen Pflege eine notwendige Ergänzung und Unterstützung der professionellen Pflegekräfte darstellen können.

Auf der anderen Seite stellt sich jedoch auch die Frage, inwieweit das Angebot ambulanter Versorgung zu einem Rückgang vorhandener Selbsthilfe-bereitschaftführen kann. In zahlreichen Untersuchungen wird jedenfalls die Übernahme bisher traditionell laienhaft-unentgeltlicher Hilfeleistungen im Bereich der familialen und nachbarschaftlichen Haus-und Gesundheitspflege als Antwort auf die Überlastung von Selbsthilfenetzen verstanden. Es muß daher gefragt werden, in welchem Maße, in welcher Form und wo Selbsthilfeaktivitäten zu verorten sind und wie weit die Sozialstationen als Vermittler dazu beitragen können, laienhafte Kompetenzen zu fördern. 1. Die Ambivalenz des Selbsthilfebegriffs Damit Sozialstationen diese Selbsthilfeaufgabe angemessen erfüllen können, muß zunächst Klarheit darüber geschaffen werden, was unter „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu verstehen ist. Dies ist umso mehr notwendig, als der Begriff der Selbsthilfe in der sozialpolitischen Diskussion ebenso für die Propagierung einer Verlagerung sozialpflegerischer Aufgaben auf die bereits vielfach überforderten Familien verwandt wird, wie auch Formen solidarischer Selbsthilfe Betroffener unter diesem Schlagwort firmieren. Erstere Position reduziert dann nicht selten den Selbsthilfeansatz auf eine willkommene Strategie der Sparpolitik, während letztere Position für den Selbsthilfebegriff etwa folgenden Bedeutungsgehalt absteckt

— Stützung und Entlastung von familialer Selbsthilfe, soweit diese von den Beteiligten gewollt wird, sowie — Aufbau und Erhaltung extrafamilialer Selbsthilfe durch kleine, soziale Netze in Nachbarschaft, Bekanntenkreis und städtischem Quartier.

Im Vordergrund steht dabei, den Hilfebedürftigen ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit den von ihnen akzeptierten und möglichst selbstbeschafften Hilfen, die ihren körperlichen und psychosozialen Bedürfnissen entsprechen, zu ermöglichen. 2. Die Operationalisierung des Selbsthilfe-begriffes Soll das Selbsthilfekonzept für Sozialstationen ein umsetzbarer, handlungsleitender Aufgabenansatz sein, so bedarf der Selbsthilfebegriff einer weiteren Operationalisierung hin zu einem konkreten Aufgaben-und evtl. Maßnahmenkonzept für die einzelne Sozialstation. Hierum hat sich das erwähnte Forschungsprojekt bemüht Danach wird „Hilfe zur Selbsthilfe“ im einzelnen wie folgt definiert:

Bezogen auf den Klienten bedeutet der Selbsthilfe-ansatz: — Rehabilitation sowohl physisch als auch psychosozial; — Förderung und Unterstützung, so daß die Möglichkeiten der vorhandenen sozialen Dienste sinnvoll genutzt werden können;

— Erhaltung bzw. Schaffung sozialer Kontakte; — Hilfe zur Lebensbewältigung (Krankheit, Alter, Sterben), damit verbunden: Akzeptierung des Hilfebedarfs und Akzeptanz des Hilfeangebots;

— Entwicklung von coping-Strategien (eigene Kräfte mobilisieren können bzw. geeignete Hilfe von außen beziehen).

Bezogen auf quartierorientierte, soziale Netze heißt Hilfe zur Selbsthilfe:

— Stützung, Erhaltung und Aufbau funktionierender familialer, extrafamilialer Selbsthilfenetze (Familie, Nachbarschaft, Stadtteil), soweit Selbsthilfe von den Beteiligten gewünscht wird;

— Entlastung vorhandener konflikthafter familialer und extrafamilialer Selbsthilfe;

— Kooperation mit vorhandener oder zu beschaffender sozialer Infrastruktur im Quartier (z. B. Altentagesstätten, Alteninitiativen, Sozialdienststellen, Krankenhäuser, Ärzte, Verbände u. a.) und Schaffung von geeigneten, organisatorischen Bedingungen im Quartier. 3. Grenzen der Selbsthilfeaufgabe in der Praxis der Sozialstationen In der alltäglichen Arbeit der meisten Sozialstationen dürfte ein so operationalisierter Selbsthilfeansatz allerdings eher eine untergeordnete Rolle spielen. So besteht beispielsweise das Grundangebot der Hamburger Sozialstationen im Kern aus der Gemeindekrankenpflege, der Haus-, Familien-und Altenpflege sowie der darin eingeschlossenen Haushaltshilfen Darüber hinaus gehört es jedoch nach dem Konzept des Hamburger Senats auch zu den Aufgaben der Sozialstationen, „. . . soweit wie möglich auch Angehörige und Nachbarn zur Mithilfe in der Pflege anzuleiten“

Daß in der Praxis die genannten kranken-und altenpflegerischen Aufgaben die aus dem Selbsthilfeansatz abgeleiteten Aufgaben in den Hintergrund drängen, hängt nicht nur mit der Dringlichkeit ersterer Aufgaben, sondern mit einer Reihe weiterer Punkte zusammen. Im Mittelpunkt steht hierbei, daß diese zusätzlichen Aufgaben häufig die personellen und finanziellen Ressourcen der Sozial-stationen übersteigen. Darüber hinaus werden der weitergehenden Umsetzung des Selbsthilfeansatzes auch fachliche Grenzen bei den Mitarbeitern (z. B. Überforderung bei psychisch schwerkranken Klienten) gesetzt. Grenzen ergeben sich auch aufgrund des gesundheitlichen Zustandes der Klienten. Denn häufig ist die körperliche oder psychische Verfassung eines hochbetagten Klienten so schlecht, daß auf Selbsthilfe gerichtete Maßnahmen von vornherein als wenig aussichtsreich gelten müssen. Einschränkungen ergeben sich auch deshalb, weil im sozialen Umfeld des Klienten, sei es bei den Angehörigen, sei es bei Nachbarn, die Übernahme von Selbsthilfeaufgaben entweder nicht akzeptiert wird oder zu Überforderungen führt.

Schließlich sind Befürchtungen, ein umfassendes Angebot an professionellen ambulanten Helfern könne die Mithilfebereitschaft der Familie mindern, nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings wird ein Pflegerückzug der Familie aufgrund des Leistungsangebots von Sozialstationen durch die durchgeführte Untersuchung nicht so generell — wie häufig geäußert — bestätigt.

Zusammenfassend lassen sich vor allem folgende Gründe für einen solchen Pflegerückzug angeben: — Die pflegenden Angehörigen sind überfordert, z. B. psychisch, physisch oder auch fachlich, etwa bei bestimmten Krankheitsbildern, die eine qualifizierte krankenpflegerische Betreuung notwendig machen. — Die vorherige Pflege der Angehörigen wurde u. U. nur deshalb durchgeführt, weil man keine Alternative kannte oder erwogen hatte. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß u. U. sowohl die Pflegebedürftigen selbst als auch die pflegenden Angehörigen von wechselseitigen Erwartungen und Schuldgefühlen in ihrem Handeln geleitet werden, die eine Einbeziehung von externen Hilfen z. T. auch dann verhindern, wenn sie dringend erforderlich wären. — Andererseits kann eine nicht mehr nötige „Zwangspflege“ der Angehörigen dazu führen, daß diese sich entsprechend ihren Bedürfnissen endlich zurückziehen können. — Die räumliche, organisatorische, berufliche und private Lebenssituation der Angehörigen erlaubt nicht die Pflege des Familienangehörigen, bzw. die Pflegebereitschaft fehlt.

— Die vorhandenen Angehörigen sind selbst u. U. aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustandes hilfsbedürftig oder sind dies vielleicht sogar durch die Pflege der Angehörigen geworden.

— Die Sozialstation wird im Sinne einer bezahlten Dienstleistungseinrichtung in Anspruch genommen. — Die Beziehung zwischen den Angehörigen ist gestört oder belastet. 4. Chancen des Selbsthilfeansatzes in der Praxis Trotz der geschilderten Rahmenbedingungen haben die Hamburger Sozialstationen eine Reihe von Angeboten und Aktivitäten entwickelt, die wichtige Ansatzpunkte für die Umsetzung des Selbsthilfegedankens darstellen. Diese können mit den Stichworten — Stützung der familialen Pflege, — Förderung von Nachbarschaftshilfe, — aktivierende Pflege als Hilfe zur Selbsthilfe und — Erhalt der Selbständigkeit in der häuslichen Umgebung gekennzeichnet werden. a) Stützung der familialen Pflege Die familiale Pflege verlangt oft die Ergänzung und Unterstützung durch professionelle Kräfte, um eine angemessene häusliche Versorgung durch die Angehörigen aufrechtzuerhalten und um Belastungen und Überforderungen der Familie zu mindern. In den Fällen, in denen die Sozialstation die Betreuung und Pflege von Klienten mit übernimmt, wird in der Regel eine Aufgabenteilung zwischen Fachkräften und Familienangehörigen überlegt und angesprochen. Je nach Hilfebedarf des Klienten und je nach der Bereitschaft, Fähigkeit und Möglichkeit der Angehörigen wird im Einzelfall versucht, den Einsatz der Mitarbeiter diesen Bedingungen anzupassen. Ziel ist es, die Eigenkompetenz der pflegenden Familie und des Klienten aufrechtzuerhalten, zu aktivieren und eine professionelle Überversorgung mit Hilfeleistungen zu verhindern. Letzteres könnte nämlich eher den Effekt haben, daß die Selbsthilfekompetenzen gemindert werden. Die Aufgabe der ambulanten Pflege besteht daher darin, die Lücken familialer Pflege-leistungen zu schließen und damit einer inhumanen Unterversorgung entgegenzuwirken. Die Arbeitsteilung zwischen Angehörigen und den Fachkräften vollzieht sich im wesentlichen auf mehreren Ebenen: — situative Ebene: Die Art und der Umfang der Aufgabenteilung zwischen Angehörigen und ambulanten Diensten werden im wesentlichen mitbestimmt durch die komplexe Lebenssituation des Klienten, seiner Angehörigen und dem daraus erwachsenen objektiven und subjektiven Leistungsvermögen. Im Einzelfall wird im Gespräch geprüft, welche Möglichkeiten sowohl auf Seiten der Angehörigen, des Klienten als auch der Sozialstation gegeben sind, bestimmte Hilfen in Selbst-oder Fremdhilfe zu übernehmen. — fachliche Ebene: Von den Fachkräften werden solche Aufgaben übernommen, die die Familienangehörigen fachlich überfordern; dazu gehören insbesondere medizinisch-krankenpflegerische Leistungen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten übernehmen die Angehörigen die Weiterführung des Haushalts und eine leichte pflegerische Betreuung des Klienten. Darüber hinaus können Familienangehörige u. U. durch Zuwendung und emotionale Nähe besser als die professionellen Kräfte zum psychischen Wohlbefinden des Klienten beitragen. Z. T. werden auch Anteile der Hausarbeit durch Mitarbeiter der Sozialstation mit übernommen, wenn z. B.der Ehepartner aufgrund seines Alters oder Gesundheitszustandes hierbei überfordert wäre. Im Einzelfall wird geklärt, wozu und wie lange u. U. die Mitarbeiter hinzugezogen werden müssen, um eine zumutbare Betreuung durch die Angehörigen langfristig sicherstellen zu können. Die Mitarbeiter bemühen sich im Rahmen der Möglichkeiten, die fehlenden pflegerischen Fachkenntnisse der Angehörigen durch Anleitung und Schulung zu verbessern und damit die Selbsthilfekompetenz der Familie zu fördern. Grundpflegerische Arbeiten wie Waschen, die z. T. auch von Angehörigen übernommen werden könnten, müssen u. U. auch deshalb von den Mitarbeitern mit übernommen werden, da die zu pflegenden Angehörigen oder die Angehörigen selbst dies nicht zulassen (Scham-grenze). — zeitliche Ebene: Da die Einsätze der Sozialstation in der Regel zeitlich begrenzt sind, übernehmen die Angehörigen die Pflege und Betreuung in der übrigen Zeit.

Die Zusammenarbeit mit den Angehörigen wird jedoch von den Mitarbeitern nicht in allen Fällen als positiv erlebt. Dies trifft vor allem dann zu, wenn die Angehörigen ein aktivierendes, auf die Stärkung der Selbsthilfemöglichkeiten orientiertes Pflegeziel nicht akzeptieren, sondern erwarten, daß die ambulanten Dienste den Angehörigen und Klienten alle notwendigen Aufgaben abnehmen. Proble-matisch erscheinen auch die Fälle, in denen die Angehörigen die Hilfe der Sozialstation aus finanziellen Erwägungen erst gar nicht in vollem Umfang in Anspruch nehmen.

Trotzdem ist es die Zielsetzung aller Hamburger Sozialstationen, die familiale Pflege im Rahmen des Möglichen zu unterstützen und die Selbsthilfemöglichkeiten der Angehörigen zu aktivieren. Einige Sozialstationen bieten hierfür weitere Hilfen an. Dazu gehören vor allem: Kurse in häuslicher Krankenpflege, Gesprächskreise für Angehörige, Beratungsmöglichkeiten, Verleih von Pflegegeräten und Hilfsmitteln und die Übernahme von Kurzzeitpflege.

Im folgenden sollen diese konkreten Ansatzpunkte für die Unterstützung der Selbsthilfebereitschaft von Klienten und Angehörigen näher beschrieben werden:

Kurse in häuslicher Krankenpflege: Solche Kurse werden für die Angehörigen von den Sozialstationen durchgeführt. Nach ihnen besteht in der Regel eine sehr große Nachfrage. Auch in den Sozialstationen, in denen ein derartiges Angebot nicht besteht, wird diese Form gezielter Angehörigenarbeit für wichtig gehalten. Sinnvoll erscheint es, im Rahmen solcher Kurse neben der fachlichen Anleitung im pflegerischen Bereich auch Möglichkeiten zu bieten, auf die psychischen Belastungssituationen in der Pflege einzugehen.

Beratung und Gesprächskreise für Angehörige: Die Sozialstationen sehen es als ihre Aufgabe an, entweder zu Hause oder in der Sozialstation in Gesprächen auf die psychische Belastung der Angehörigen einzugehen und in diesem Bereich Hilfen zu geben. Die psychische Unterstützung der Angehörigen wird in vielen Sozialstationen in einem großen Umfang geleistet und auch seitens der Angehörigen gewünscht. Verstärkter Unterstützung bedürfen die Angehörigen vor allem bei der Betreuung von Pflegebedürftigen in Sterbesituationen. In der Regel ist es Aufgabe des jeweiligen Mitarbeiters im einzelnen Fall, die Angehörigen sowohl in der praktischen Pflege als auch bei psychischen Belastungen zu unterstützen. Insgesamt stellt die Anleitung der Angehörigen zunächst eine zusätzliche Arbeitsbelastung der Mitarbeiter dar; diese wird jedoch von diesen weitgehend akzeptiert, da dadurch langfristig auch eine Entlastung für die Sozialstation erreicht werden kann. Gesprächsgruppen für Angehörige gibt es zwar in den meisten Sozialstationen nicht, es wird jedoch als sinnvoll angesehen, die Angehörigen durch gemeinsamen Austausch von Erfahrungen zu Problemen und Belastungen in der familialen Pflege zu unterstützen.

Verleih von Pflege-und Hilfsgeräten: Zur fachgerechten Pflege von Klienten bedarf es in bestimmten Fällen spezieller Pflegegeräte oder Hilfsmittel (z. B. Krankenbetten, Rollstühle, Toilettenstühle, Aufstehhilfen etc.). Die meisten Sozialstationen verfügen über entsprechende Hilfs-und Pflegemittel, die im Bedarfsfall verliehen werden. Allerdings wird die Ausstattung mit solchen Hilfsmitteln nicht in allen Sozialstationen angesichts der Nachfrage für ausreichend gehalten. Der Verleih oder auch die Vermittlung der Hilfsgeräte trägt in besonderem Maße dazu bei, die Pflege durch Angehörige z. T. erheblich zu erleichtern und somit die Selbsthilfemöglichkeit zu stärken, ohne daß eine weitere ambulante Betreuung notwendig wird. Z. T. übernehmen die Mitarbeiter der Sozialstation die Anleitung der Angehörigen bei der Handhabung der jeweiligen Geräte.

Kurzzeitpflege: In vielen Sozialstationen besteht die Möglichkeit, die Angehörigen von der Pflege stunden-, tage-oder auch wochenweise (z. B. bei Urlaub) zu entlasten und die Pflege in diesen Zeiten durch ambulante Dienste zu ersetzen. Die Nachfrage hiernach ist bei solchen Angehörigen, die bereits in der Pflege mit der Sozialstation Zusammenarbeiten, meist größer als bei pflegenden Angehörigen, die ohne Fremdhilfe auskommen bzw. aus-zukommen versuchen. Insgesamt scheint jedoch die Nachfrage relativ gering zu sein. Dies ist auch ein Grund dafür, daß die Übernahme von kurzfristigen, zeitlich begrenzten Vertretungen weitgehend kein organisatorisches Problem für die Sozialstationen darstellt. Bei Urlaubsvertretungen bedarf es jedoch in der Regel einer längerfristigen, frühzeitigen Planung des Personaleinsatzes. In Sozialstationen, in denen relativ häufig Urlaubsvertretungen anfallen, kann der Nachfrage im Bereich der Hauspflege und Haushilfen meist entsprochen werden. Schwieriger wird eine Kurzzeitpflege dann, wenn es sich um Schwerstpflegebedürftige handelt, die intensiver, auch krankenpflegerischer Betreuung bedürfen. In solchen Fällen wird an die Altenfürsorge verwiesen, die dann eine Kurzzeitaufnahme in einem Pflegeheim vermittelt. Teilweise werden die Angehörigen auch von der Sozialstation selbst ermutigt, z. B. einmal zu verreisen, um sich von den Belastungen der Pflege zu erholen.

Das Angebot einer Kurzzeitpflege scheint insgesamt unter folgenden Bedingungen möglich zu sein:

— Es muß genügend Personal vorhanden sein.

— Die Nachfrage muß sich in Grenzen halten.

— Der Grad der Pflegebedürftigkeit darf nicht zu hoch sein (vor allem in Hinblick auf die notwendigen Pflegestunden). — Bei Urlaubsvertretungen muß eine frühzeitige Einsatzplanung möglich sein.

Der Grund für die bisher eher begrenzte Nachfrage nach Kurzzeitpflege liegt vermutlich darin, daß die pflegenden Angehörigen noch ungenügend über diese Möglichkeit informiert sind. Längerfristig dürfte ein verstärktes Angebot an Kurzzeitpflege noch an Bedeutung gewinnen, da auf diese Weise die Pflegemöglichkeit und -bereitschaft von Angehörigen gesichert werden kann. Ergänzend zur ambulanten sozialpflegerischen Versorgung wird auch die Angliederung von teilstationären Tagespflegestätten an die Sozialstationen erörtert.

In einigen Sozialstationen bestehen hierzu bereits konzeptionelle Überlegungen. Tagespflegestätten könnten in erster Linie von älteren, hilfsbedürftigen Menschen in Anspruch genommen werden, bei denen die häusliche Versorgung zeitweilig nicht durch Angehörige, Nachbarn oder die ambulanten Dienste gewährleistet werden kann. Ein solches zusätzliches Versorgungssystem könnte für die älteren Menschen die Möglichkeit stärken, solange wie irgend möglich in der häuslichen Umgebung zu verbleiben. Darüber hinaus kann durch die Tages-pflege die gesundheitliche und psychosoziale Selbständigkeit des pflegebedürftigen Menschen gezielt durch therapeutische und rehabilitative Maßnahmen gefördert werden.

Die Angliederung einer solchen stadtteilbezogenen Einrichtung an die Sozialstation erscheint auch deshalb sinnvoll, weil so eine bedürfnisgerechte Koordination der Vor-und Nachsorge durch die organisatorische Verknüpfung beider Einrichtungen erreicht werden könnte. Darüber hinaus könnte eine solche teilstationäre Einrichtung die ambulanten und stationären Systeme untereinander durchlässiger machen und die Kooperation zwischen beiden verbessern. Im Hinblick auf die Familienpflege sind von einer teilstationären Einrichtung zusätzliche entlastende Wirkungen zu erwarten. U. U. wird durch sie überhaupt erst die Pflege der Angehörigen ermöglicht. Dies gilt z. B. auch bei berufstätigen Familienmitgliedern, die u. U. bisher aus zeitlichen Gründen die Pflege von Angehörigen nicht übernehmen konnten. Die Chance der Realisierung von Tagespflegeplätzen hängt jedoch u. a.

auch von der entsprechenden Bereitschaft der Sozialstationsträger ab. b) Förderung von Nachbarschaftshilfen Neben der Stützung der familialen Selbsthilfekompetenz gehört es zu den Aufgaben der Sozialstationen, „. . . Nachbarschafts-und ehrenamtliche Hilfen im jeweiligen Einzugsbereich so weit wie möglich zu aktivieren und zu schulen“ Die Hoffnung, daß die Sozialstationen einen solchen „Aktivierungseffekt“ in größerem Umfang erzielen können, scheint sich jedoch nach den Erfahrungen der Hamburger Sozialstationen nur begrenzt zu erfüllen. Deutlich wird allerdings, daß im allgemeinen alle Sozialstationen bemüht sind, nachbarschaftliche Initiative, sofern diese gewünscht wird, zu unterstützen und so weit wie möglich in die Betreuung des Klienten mit einzubeziehen.

Aufgabenbereiche im Rahmen der Nachbarschaftshilfe können u. a.sein: leichte pflegerische Tätigkeiten, Besuche, Haushilfen, Information der Sozialstation, wenn eine Notsituation eintritt. Einige Nachbarschaftshilfen funktionieren in diesem Sinne gut; oft handelt es sich hierbei um bereits vorhandene nachbarschaftliche Kontakte, aufgrund derer schon vor Einbeziehung der Sozialstation Hilfen geleistet wurden. In vielen Fällen sind Nachbarschaftshilfen — ähnlich wie bei der Unterstützung durch Angehörige — mit eine Voraussetzung dafür, daß die ambulanten sozialpflegerischen Dienstleistungen durchgeführt werden können.

Ob allerdings Nachbarschaftshilfe tatsächlich geleistet wird, hängt jedoch offenbar auch von der sozialen Struktur des jeweiligen Quartiers ab. Tendenziell scheint in solchen Stadtgebieten eher nachbarschaftliche Hilfe geleistet zu werden, in denen gewachsene nachbarschaftliche Beziehungen bestehen. Teilweise wird in den Hamburger Sozialstationen die Erfahrung gemacht, daß ein besonderer Bedarf an ambulanten Hilfen dort vorhanden ist, wo keine Hilfen in der engeren Umgebung des Klienten vorhanden sind; oder anders ausgedrückt: Dann, wenn Nachbarschaftshilfe vorhanden ist, wird diese oft von den Sozialstationen gar nicht bemerkt.

Die Zusammenarbeit der Sozialstationen mit den Nachbarn des Klienten kann in einigen Fällen dann problematisch werden, wenn die Nachbarn andere Vorstellungen von den zu erbringenden Hilfeleistungen haben: beispielsweise dann, wenn die Nachbarn darauf drängen, daß der Klient, auch wenn dies nicht der Wunsch des Betroffenen ist, besser in einem Pflegeheim untergebracht wäre oder wenn die Nachbarn Hilfen geben, die der Klient auch selbst leisten könnte, so daß Bemühungen der Mitarbeiter in der Sozialstation im Hinblick auf eine aktivierende Pflege bzw. die Stärkung von Selbsthilfe dadurch unterlaufen werden.

Probleme und Grenzen bei der Einbeziehung von Nachbarn ergeben sich im Einzelfall auch dann, wenn es sich um „demente“ bzw. psychisch kranke Klienten handelt. Hier wird beobachtet, daß in solchen Fällen Nachbarn an die Grenzen ihrer Hilfsbereitschaft stoßen und der besonderen Unterstützung durch die Sozialstation bedürfen. Schwierig wird die Initiierung von Nachbarschaftshilfe z. T. auch in solchen Fällen, in denen es darum geht, die Nachbarn verbindlich für bestimmte Aufgaben und Hilfeleistungen zu gewinnen. Probleme entstehen beispielsweise bei der Organisation von Besuchs-diensten dann, wenn die Bereitschaft und Möglichkeit von Nachbarn nicht immer gegeben ist, den Klienten kontinuierlich zu betreuen. Einige Sozial-stationen vermitteln auf Anfrage — z. T. in Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden — Besuchs-dienste durch ehrenamtliche Helfer.

Eine intensive, kontinuierliche Anleitung und Unterstützung der Nachbarn und ehrenamtlichen Helfer gelingt aufgrund von Zeit-und Personalknappheit nur in seltenen Fällen.

Insgesamt gilt, daß die Aktivierung und Initiierung von nachbarschaftlicher und ehrenamtlicher Hilfe durch die Sozialstationen vor Ort allgemein für notwendig gehalten und im Einzelfall auch versucht wird; jedoch kann eine gezielte, systematische Einbeziehung des sozialen Umfeldes des Klienten aufgrund von Zeit-und Personalknappheit nicht immer gelingen. Dies gilt verstärkt, wenn die Nachbarn nicht bereits vor der Tätigkeit der Sozialstation ganz oder teilweise Hilfen für den Klienten geleistet haben. Grenzen der Nachbarschaftshilfe werden auch dann deutlich, wenn es um die fachpflegerische Versorgung von Klienten geht. Grundsätzlich wird die Einbeziehung von Nachbarn für wünschenswert gehalten, auch wenn über den Einzelfall hinaus eine systematische Stärkung der Nachbarschaftshilfe bei den augenblicklichen Rahmenbedingungen nur begrenzt machbar erscheint. c) Aktivierende Pflege als Hilfe zur Selbsthilfe Stärkung der Die Selbsthilfefähigkeit des Klienten und seines sozialen Umfeldes setzt voraus, daß solche sozialpflegerischen Maßnahmen geplant und durchgeführt werden, die darauf abzielen, die vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Klienten sowohl im physischen als auch im psychosozialen Bereich zu aktivieren bzw. zu reaktivieren. Somit ist die sozialpflegerische Versorgung nicht nur auf eine „bewahrende Pflege“ gerichtet, sondern verfolgt das Ziel einer aktivierenden Pflege, d. h. Verstärkung der Selbständigkeit des hilfsbedürftigen Klienten, sofern dies seine gesundheitliche und soziale Situation zuläßt. In Anbetracht der hohen Pflegebedürftigkeit einer Vielzahl von Klienten von Sozialstationen scheint dies zunächst ein weitgestecktes Ziel zu sein.

Dennoch gilt es, im Rahmen des jeweils Möglichen die Wiedergewinnung von Selbständigkeit zu fördern. Pflegerische Maßnahmen im Rahmen von aktivierender Pflege können demnach auf folgenden Ebenen wirksam werden: Aktivierende Pflege kann die körperliche Mobilisierung des Klienten bedeuten, kann aber auch beispielsweise darauf gerichtet sein, haushälterische Tätigkeiten durch die Unterstützung der Sozialstation wieder selbst auszuführen. Eine Voraussetzung für das Gelingen der aktivierenden Pflege ist neben der Bereitschaft des Klienten auch die Motivation und die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter der Sozialstationen. Darüber hinaus bedarf es organisatorischer Bedingungen, die eine solche qualitative Pflegemethode ermöglichen. So muß insbesondere ausreichend Zeit zur Verfügung stehen, und die entsprechenden Pflegeleistungen müssen finanziell abgesichert sein.

Im Grundsatz bemühen sich die Sozialstationen, den Erfordernissen einer aktivierenden Pflege zu entsprechen und gegebenenfalls die Mitarbeiter in diesem Bereich durch Fortbildung und Anleitung weiter zu qualifizieren. Es wird jedoch auch betont, daß die völlige Wiederherstellung der Selbständigkeit der Klienten oftmals aufgrund der hohen Pflegebedürftigkeit nicht erreichbar erscheint. Grundsätzlich wird im Einzelfall überlegt, welche und in welchem Maße Maßnahmen im Sinne einer aktivierenden Pflege notwendig und sinnvoll sind. Dazu bedarf es auch im Mitarbeiterteam, das mit der Versorgung des Klienten betraut ist, entsprechender Absprachen und Koordination, so daß gemeinsam an einem Pflegeziel gearbeitet werden kann. Den Einsatz-, Mitarbeiter-und Fallbesprechungen in der Sozialstation kommt daher besondere Bedeutung zu. Auch wird die permanente fachliche Qualifizierung der Mitarbeiter und ihre Sensibilisierung für die Notwendigkeiten einer aktivierenden Pflege, auch im Rahmen der begrenzten Zeit, für notwendig gehalten.

Allerdings stößt der Ansatz der aktivierenden Pflege teilweise auch bei den Klienten auf Grenzen. Dies gilt z. B. für „Selbstzahler“, die teilweise aufgrund der hohen selbst zu tragenden Pflegekosten nur daran interessiert sind, daß das in ihrem Sinne Notwendigste ohne großen Zeitaufwand ausgeführt wird. Probleme können sich auch ergeben, wenn der Klient oder seine Angehörigen wenig Verständnis für dieses umfassende Pflegeziel aufbringen. Dies gilt z. B. dann, wenn Klient oder Angehörige vor der Übernahme zusätzlicher Aufgaben im häuslichen Bereich zurückschrecken. d) Erhaltung der Selbständigkeit in der häuslichen Umgebung Bei diesem Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe geht es darum, ob und inwieweit die Sozialstationen mithelfen können, den vielfach nachgewiesenen Wunsch älterer, aber auch anderer hilfsbedürftiger Menschen nach Verbleib in der vertrauten Umgebung, der eigenen Wohnung, und nach Fortbestehen der Selbständigkeit und Selbstbestimmung zu verwirklichen. Im allgemeinen sehen die Sozialstationen die Möglichkeit in einem großen Umfang, Heimaufenthalte zu vermeiden oder zumindest hinauszuschieben. Dies gilt auch für Krankenhausaufenthalte von Klienten.

Nach Einschätzungen der Hamburger Sozialstationen wird bei 42% der betreuten Personen eine Heimvermeidung durch Leistungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege und bei 58 % der Klienten durch Leistungen der Haus-, Familien-und Altenpflege erreicht.

Damit dürften Sozialstationen im großen Umfang zugleich in der Lage sein, stationäre medizinische Akutbereiche und Pflegeheime wirkungsvoll von Aufgaben zu entlasten, die in der Häuslichkeit des Hilfsbedürftigen mindestens ebenso gut und durchweg erheblich kostengünstiger wahrgenommen werden können

III. Die Organisation der Trägerschaft von Sozialstationen

Die Trägerschaft der Sozialstationen ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich konstruiert. Im Gegensatz beispielsweise zu Berlin, wo nur ein einziger Träger für jede Sozialstation besteht, hat Hamburg sich für die Form eines kooperativen Trägerverbundes entschieden. Im folgenden werden die in Hamburg gewählte Konstruktion und ihre Bewährung in der Praxis dargestellt. 1. Die Trägerschaft aufgrund des Senatskonzepts Nach dem Konzept des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg sollen im Rahmen der Trägerschaft einer Sozialstation die bisherigen ambulanten pflegerischen Dienste, die Diakoniestationen und ähnliche Einrichtungen gemeinnütziger Träger sowie die staatlichen Krankenschwestern zusammenarbeiten Die verschiedenen Träger bilden eine örtliche Arbeitsgemeinschaft, einen Träger-verbund, der das organisatorische Fundament der Sozialstation bildet und vertraglich zum gemeinsamen Betrieb der Sozialstation verpflichtet. Aus der Mitte der Träger wird ein geschäftsführender Träger gewählt, der für den Geschäftsablauf der örtlichen Arbeitsgemeinschaft verantwortlich ist, zugleich den Rechtsträger der Sozialstation darstellt und als solcher Zuschußempfänger für die Sach-und Personalmittel der Sozialstation ist, die von der Freien und Hansestadt Hamburg zur Verfügung gestellt werden Über die Arbeitsgemeinschaft sollen die beteiligten Träger der Sozialstation mit jeweils zwei Mitgliedern grundlegende Fragen der Sozialstation mit entscheiden. In beratender Funktion sind des weiteren der Leiter der Sozialstation, Mitarbeitervertreter und u. U. weitere Institutionen, die nicht vertraglich dem Verbund angeschlossen sind, vertreten. Die Zusammensetzung der Arbeitsgemeinschaft über die stimmberechtigten Mitglieder hinaus wird in jeder Sozialstation entsprechend den regionalen, institutionellen und interessenmäßigen Gegebenheiten unterschiedlich geregelt. Das Personal für die individuellen Hilfeleistungen wird von den beteiligten Trägern ganz oder teilweise für die Arbeit der Sozialstation vertraglich abgeordnet. Es verbleibt jedoch im Personalbestand des jeweiligen Trägers, der auch die allgemeine Dienstaufsicht behält, während die Fachaufsicht und Einsatzbestimmung für die vereinbarte Dienstzeit auf die Leitung der Sozialstation übertragen wird Diese Regelung hat zur Folge, daß — bezogen auf gleiche berufliche Qualifikation und Aufgaben — je nach Träger unterschiedliche arbeitsvertragliche Regelungen gelten. Ein Teil der Personalkosten wird dem Träger durch öffentliche Mittel für die vereinbarte Einsatzzeit über den geschäftsführenden Träger der Sozialstation erstattet. Personalkosten werden jedoch nur für die im Senatskonzept ausgewiesene Personalausstattung zugewiesen. Dieses Trägermodell soll eine weitgehend selbständige Arbeit der Sozialstationen ermöglichen.

Grundsatzfragen, wie Kooperation der beteiligten Träger, Koordinierungsfragen, übergreifende Öffentlichkeitsarbeit, Sammlung und Auswertung von Erfahrungen sowie die u. U. nötige Lösung örtlich nicht regelbarer Probleme fallen allerdings in die Kompetenz eines Landeskuratoriums für Sozialstationen. Dessen weitere Aufgaben sind die Entwicklung eines einheitlichen Rahmenvertrages zur Bildung von örtlichen Arbeitsgemeinschaften und die Festlegung von Abrechnungsmodalitäten für die Sozialstationen und die jeweiligen Kosten-träger Mitglieder des Kuratoriums sind Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (Arbeiterwohlfahrt, Diakonisches Werk, Deutsches Rotes Kreuz, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Caritas-Verband und zusätzlich die jüdische Gemeinde, die jedoch nicht wie die anderen Verbände als Träger von Sozialstationen auftritt), Vertreter der zuständigen Bezirksbehörde, ein Vertreter der Behörde für Arbeit, Jugend und Soziales, zwei Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände sowie ein Vertreter des Landesseniorenbeirats.

Maßgeblich für dieses Organisationsmodell waren die besonderen Gegebenheiten der stadtstaatlichen Situation in Hamburg, die damit verbundene Vielfalt und Dichte von Einrichtungen, die bereits vorher in das Aufgabenspektrum der neugegründeten Sozialstationen fallende Dienstleistungen erbracht hatten. 2. Strukturdaten zur Trägerschaft Im Hinblick auf die Zusammensetzung der örtlichen Arbeitsgemeinschaften sind die evangelischen Kirchengemeinden insgesamt deutlich überrepräsentiert. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, daß einige Sozialstationen Vorgänger-Einrichtungen hatten, die Kranken-, Haus-und Altenpflege durch evangelische Gemeindeschwestern oder Diakoniestationen leisteten. Neben den evangelischen Kirchengemeinden spielen als Mitglieder im Trägerverbund der Sozialstationen vor allem die Wohlfahrtsverbände eine entscheidende Rolle. Hierzu zählen insbesondere die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz, der Caritas-Verband, die Mitgliedsorganisationen im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband und das Diakonische Werk.

Bei der Konzipierung des Hamburger Trägermodells wurde z. T. auf die vielfältigen Erfahrungen der Diakoniestationen und anderer Einrichtungen zurückgegriffen. Neu war in allen Fällen jedoch die Einbeziehung der staatlichen Gemeindeschwestern in das Verbundsystem der Sozialstationen, so daß in den Bereichen, in denen bisher eine staatliche Gemeindeschwester tätig war, diese über die Vertretung der einzelnen Bezirksämter auch Mitglied der Trägerorganisation der meisten Sozialstationen wurde.

Bedingt durch die vor Gründung der einzelnen Sozialstationen vorhandenen Dienste, Institutionen und deren Bereitschaft, sich zu einer Sozialstation zusammenzuschließen, ergaben sich eine unterschiedliche Zusammensetzung und Größe der Arbeitsgemeinschaften. So setzt sich die örtliche Arbeitsgemeinschaft der untersuchten Sozialstationen aus mindestens fünf bis maximal elf Mitgliedern zusammen. Bei der Wahl des geschäftsführenden Trägers wird die Bedeutung der evangelischen Kirchengemeinden deutlich. So liegt bei mehr als einem Drittel der untersuchten Sozialstationen die Geschäftsführung in der Hand von evangelischen Kirchengemeinden bzw. einer Diakoniestation. Ansonsten wird die Trägerschaft durch Verbände der freien Wohlfahrtspflege bzw.deren Mitgliedsorganisationen wahrgenommen. 3. Bewährung und Probleme des Trägerschaftsmodells Überwiegend wird von den Sozialstationen selbst die Zusammenarbeit in der örtlichen Arbeitsgemeinschaft als tragfähig beurteilt. Trotzdem bestehen Interessenkonflikte. Zum einen ergeben sich solche Konflikte vor allem durch die Mitgliedschaft einzelner Kirchengemeinden, die auf der traditionellen Stellung und dem Berufsbild ihrer Gemeindeschwestern bestehen oder bestanden haben. Interventionen erfolgten in der Weise, daß teils erwartet wurde, daß die kirchlichen Gemeinde-schwestern, deren Arbeitgeber weiterhin eine einzelne Kirchengemeinde ist, auch künftig in den jeweiligen Kirchengemeindebezirken eingesetzt werden; teils wurde auch der Anspruch erhoben, daß die Gemeindeschwestern auch während ihrer Dienstzeit für die Sozialstation für seelsorgerische Aufgaben in der Kirchengemeinde zur Verfügung stehen.

Wesentlicher Konfliktpunkt in den Arbeitsgemeinschaften ist das Finanzierungssystem für die Sozial-stationen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Sozialstation nicht kostendeckend arbeitet. In einigen Sozialstationen wurden daher Defizitvereinbarungen getroffen, um durch Zuschüsse einzelner Träger einen Kostenausgleich zu ermöglichen. In den Sozialstationen, in denen nicht alle Träger durch Defizitvereinbarungen gebunden werden konnten, werden die Konflikte am deutlichsten. Dies gilt insbesondere auch für die Trägerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, die sich in keiner Sozialstation an Defizitvereinbarungen beteiligt hat. Da der Trägerverbund auch über Personalausstattung der Sozialstationen mit entscheidet und die damit verbundenen Personalfolgekosten den Mitgliedern des Trägergremiums mit angelastet werden, hat dies in einigen Fällen auch zur Aufkündigung von Mitgliedschaften geführt; in weiteren Fällen ist dies zu erwarten.

Neben den Konflikten im Bereich der Finanzierung ergeben sich Interessengegensätze auch bei konzeptionellen Entscheidungen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Träger mit unterschiedlichen Leitbildern zu einer gemeinsamen Entscheidung finden sollen. In einigen Sozialstationen wird darauf hingewiesen, daß die Interessenkonflikte auch daher rühren, daß die einzelnen Träger für ihre Mitarbeiter unterschiedliche Tarifverträge abschließen. Die Folge kann sein, daß innerhalb einer Sozialstation unterschiedliche Gehälter gezahlt werden. Dies wiederum führt dazu, daß im Falle von Defiziten einzelne Träger Personalkosten mittragen müssen, die sich nicht aus den von ihnen abgeschlossenen Arbeitsverträgen ergeben.

Zur Lösung solcher Konflikte werden unterschiedliche Strategien verfolgt. Teils werden informell Entscheidungen der Arbeitsgemeinschaft vorgeklärt, und zwar in der Regel durch die Leitung der Sozialstation oder durch den geschäftsführenden Träger. In einigen Sozialstationen wird allerdings auch deutlich, daß eine gleichberechtigte Zusammenarbeit und Entscheidungskompetenz — dies betrifft vor allem die Vertreter von Kirchengemeinden — nicht ausreichend vorhanden ist. Teils wird dies auf die einzelnen Persönlichkeiten selbst, teils auf Fluktuation bei den Vertretern der Kirchengemeinden zurückgeführt. Diese Situation führt in einigen Sozialstationen dazu, daß die Entscheidungen vor allem durch die Vorstellungen des geschäftsführenden Trägers geprägt sind. Dieser hat in der Regel eher Einblick in die Arbeit der Sozialstation, so daß „Harmonie“ in den Arbeitsgemeinschaften nicht unbedingt auf eine kompetente gemeinsame Zusammenarbeit schließen läßt.

Eine tendenziell positivere Zusammenarbeit der Träger ist in solchen Sozialstationen feststellbar, bei denen bereits vor Gründung der Sozialstation Kooperationen vorhanden bzw. erprobt waren.

Durch einige Träger — insbesondere bei verschieden-konfessionellen Kirchengemeinden — sind auch außerhalb der Sozialstation neue Kooperationsformen entwickelt worden. Nicht überall können offenbar Gegensätze zwischen den Trägern allein durch Zusammenarbeit in einer Sozialstation beseitigt werden; dies zeigt sich auch daran, daß z. T. aufgrund unüberwindlicher Interessengegensätze einzelne Träger wieder den Organisationsrahmen der Sozialstation verlassen haben bzw. dies beabsichtigen zu tun. Andererseits wird in anderen Sozialstationen aufgrund der gemeinsamen Trägerschaft durchaus zu einer gemeinsamen Verantwortung gefunden; dies gilt z. T. vor allem für einige der älteren Sozialstationen.

Insgesamt wird die Kooperation mehrerer Träger in einer Arbeitsgemeinschaft überwiegend positiv bewertet. Der wesentliche Grund für diese Einschätzung liegt darin, daß offenbar über den Trägerverbund ein Kooperationsdruck in Richtung auf ein unter den verschiedenen Trägern im Stadtteil abgestimmtes Handeln ausgeübt wird. Z. T. wird die gewählte Konstruktion aber auch als problematisch empfunden, da einzelne Träger versuchten, in die Sozialstation hineinzuregieren, mit ihren eigenen bürokratischen Verfahren (lange Antragsfristen und Vorlaufzeiten) die Arbeit der Sozialstation erschwerten oder aber der einzelne Träger nur ein geringes Interesse an der Weiterentwicklung der Sozialstation habe.

Für Probleme in der Zusammenarbeit werden auch die allgemeinen Rahmenbedingungen für Hamburger Sozialstationen verantwortlich gemacht; dies gilt insbesondere für das Finanzierungssystem. Zusätzlich führen unterschiedliche, z. T. gegensätzliche Interessen der einzelnen Träger im Trägerverbund, etwa in personal-und arbeitsrechtlichen Fragen, oder das Bestreben einzelner Träger, das eigene „Profil“ zu erhalten, zu Entscheidungsschwierigkeiten. Letzterer Punkt war für einen Leiter einer Sozialstation der Grund, sich in Abkehr von dem Hamburger Trägermodell für nur einen einzigen Träger je Sozialstation auszusprechen.

IV. Einzugsbereiche und Größe von Sozialstationen

1. Einzugsbereiche Wichtig für die qualitativ bessere Versorgung insbesondere der älteren Menschen ist die Größe des Einzugsbereichs einer Sozialstation. Als Einzugs-bereich wird das Gebiet bezeichnet, in dem die jeweilige Bevölkerung mit ambulanten, gesundheitlichen und sozialpflegerischen Diensten versorgt wird. Die Größe dieses Versorgungsgebietes wird dabei recht unterschiedlich definiert, insbesondere nach den Kriterien „ländliche“ oder „städtische“ Struktur. So geht man für den ländlichen Raum im Durchschnitt von etwa 15000 bis 25000 Einwohnern aus, in städtischen Gebieten liegt die Zahl dagegen wesentlich höher und schwankt zwischen 20000 und 50000 Einwohnern je Sozialstation.

In Anlehnung an diese Orientierungszahlen hat sich Hamburg dafür ausgesprochen, den Einzugsbereich auf Grenzwerte von 30000 bis maximal 50000 Einwohnern je Sozialstation festzulegen, so daß man auf einen durchschnittlichen Einzugsbereich von 40000 kommt. Gleichzeitig wurde angemerkt, daß sich Abweichungen aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten, z. B. Alters-und Sozialstruktur, unzusammenhängende Wohngebiete, in Einzelfällen ergeben können. Entsprechend einer gleichmäßigen Versorgung des gesamten Stadtstaates würden 40 Sozialstationen einem flächendekkenden Netz gleichkommen. Bei den untersuchten Sozialstationen wird dabei in den meisten Fällen der Richtwert von 40000 geringfügig (41000) bis überdurchschnittlich (55000) überschritten. Lediglich in wenigen Fällen wird der Richtwert unterschritten oder exakt eingehalten.

Die geographischen Grenzen der Einzugsbereiche orientieren sich im wesentlichen an Verwaltungsgrenzen, d. h. an Ortsteil-oder Stadtteilgrenzen; gefordert wird z. T. eine Orientierung an Kirchengemeindegrenzen, die jedoch häufig mit den Verwaltungsgrenzen übereinstimmen. Eine qualitative Erweiterung der Kriterien für Einzugsbereiche wäre darüber hinaus in der Ermittlung regionalisierter Bedarfswerte zu sehen, insbesondere auch in der Berücksichtigung demographischer und struktureller Verschiebungen innerhalb bestimmter Planungsgrenzen. Zur Bestimmung von Prioritäten für die Errichtung weiterer Sozialstationen hat das Landeskuratorium für Sozialstationen in Hamburg zudem zusätzliche Kriterien herangezogen, die zum Ziel haben, die regionalen Besonderheiten stärker in den Vordergrund zu rücken. Dazu gehören u. a. die Berücksichtigung von — örtlicher Sozial-und Infrastruktur (ungünstige soziale und Lebensverhältnisse); — bisheriger ambulanter sozialpflegerischer Versorgungssituation (entweder Unterversorgung oder aber auch bereits vorhandene Organisationsansätze im Vorfeld von Sozialstationen, deren Angebot es zu sichern und zu erweitern gilt und die den Über-gang zu einer Sozialstation erleichtern);

— struktureller Vielfalt von Versorgungsgebieten der Sozialstationen, nicht zuletzt in bezug auf die Siedlungsstruktur (Neubaugebiete und damit verbundene anonymisierte Lebensformen).

Der Hamburger Senat geht allerdings weiterhin davon aus, daß ein Einzugsbereich von 40000 Einwohnern als Planungsgröße eine bedarfsgerechte sozialpflegerische Versorgung sichern kann, so daß bisher keine Veranlassung gesehen wurde, hiervon abzuweichen

Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung zeigen, daß die Bemessung des Einzugsbereichs mit 40000 Einwohnern nahezu allen Sozialstationen zu pauschal erscheint. Der wesentliche Aspekt dabei ist die Tatsache, daß diese Größe sich an einer Nachfragehäufigkeit orientierte, die inzwischen in aller Regel wesentlich überschritten wird.

Die seit der Gründung der Sozialstationen kontinuierlich gestiegene Nachfrage führt vor dem Hintergrund der statistischen Größe der Einzugsbereiche dementsprechend zu einer ständigen Ausweitung des Personals der einzelnen Sozialstationen und damit auch zu höherem Organisations-, insbesondere Koordinationsaufwand. Dies wiederum hat Auswirkungen in anderen Bereichen: So muß z. T. die Öffentlichkeitsarbeit der Sozialstationen eingeschränkt, müssen gelegentlich Anfragen abgelehnt werden; die Ausstattung der Sozialstationen kommt zu kurz; die Zahl der geringfügig Beschäftigten steigt übermäßig an; Einsatzleitungen sind überfordert, und es wird befürchtet, daß die Qualität der Arbeit leidet.

Diese Feststellungen treffen dann umso mehr zu, wenn als Prämisse nicht allein eine flächendekkende, sondern vielmehr eine bedarfsdeckende Versorgung gesetzt würde. Neben der als zu pauschal angesehenen Bemessung der Größe der Einzugsbereiche wird z. T. bemängelt, daß die Grenzen der Einzugsbereiche häufig nicht gewachsene Stadtteilstrukturen berücksichtigen, so daß dadurch teilweise Stadtteile und Straßen zerschnitten werden, was z. B. dann ins Gewicht fällt, wenn sie kirchenhistorisch zusammengehören. Insbesondere dort, wo die Einzugsbereiche relativ großflächig gefaßt sind, wird beklagt, daß hier eine Erschließung vor allem der Randgebiete häufig aufgrund der schlechten Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel nicht möglich ist und damit deshalb die Sozialstation und ihre Leistung nicht oder nur unzureichend bekannt sind. Dies wird auch deshalb als problematisch angesehen, weil die großen Entfernungen, die beim Besuch von Hilfebedürftigen zurückgelegt werden müssen, erheblichen Zeitaufwand zur Folge haben, was letzten Endes zu einer Belastung des Personals bzw. zu einer zeitlich ungenügenden Betreuung des einzelnen Klienten führt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß eine Wegezeitvergütung häufig nicht gewährt wird.

Eine indirekte Bestätigung dieser sich aus Bemessung und Zuschnitt der Einzugsbereiche ergebenden Defizite läßt sich auch daraus ableiten, daß diejenigen Sozialstationen, die ihre Einzugsbereiche als akzeptabel ansehen, gleichzeitig auch feststellen, daß bei ihnen der Altenanteil in der Bevölkerung relativ gering, dementsprechend die Nachfrage weniger hoch ist und ein Ausbau des Personals nicht notwendig erscheint. 2. Größe von Sozialstationen Bemessung des Einzugsbereichs und der Größe von Sozialstationen hängen unmittelbar miteinander zusammen. Je größer der Einzugsbereich ist, desto größer ist die Zahl der Klienten und desto größer ist auch die Zahl der in der Sozialstation für die Betreuung der Klienten notwendigen Mitarbeiter.

Daher liegt es nahe, als Indikator für die Bemessung der Sozialstationsgröße die Mitarbeiterzahl einer Sozialstation heranzuziehen. Um die Größen-entwicklung Hamburger Sozialstationen — gemessen an dem Personalvolumen — interpretieren zu können, muß zunächst kurz deren Personalstruktur beschrieben werden.

Im Senatskonzept wird noch die durchschnittliche personelle Besetzung einer Sozialstation, die sich an ähnlichen Einrichtungen anderer Bundesländer orientiert, wie folgt festgelegt: ein Einsatzleiter, eine Bürokraft, vier examinierte Krankenschwestern/-pfleger, fünf Haus-, Familien-und Altenpflegerinnen, fünf Kräfte in der Haushilfe (einschließlich Zivildienstleistender). Den Sozialstationen wird anheimgestellt, weitere ehrenamtliche Helfer einzusetzen. Die Richtigkeit dieser Orientierungszahlen für die Hamburger Situation sollte nach den ersten Erfahrungen überprüft werden. Seit der Gründung der ersten Sozialstationen hat sich dann im weiteren Zeitverlauf deren Personalbestand kontinuierlich erhöht und weit von den Orientierungszahlen des Senatskonzepts entfernt.

Heute liegt die durchschnittliche Personalausstattung bei etwas über 100 Personen. Betrachtet man zudem die einzelnen Mitarbeiterbereiche im Ist-Soll-Vergleich, so fällt auf, daß insbesondere im Bereich der Haus-, Familien-und Altenpflege eine Expansion stattgefunden hat, die 758% gegenüber der ursprünglichen Planung erreicht hat. Hinzu kommt, daß nahezu zwei Drittel der beschäftigten Personen keine voll-oder teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter, sondern zu 53 % geringfügig Beschäftigte sind bzw. zu fast 9 % Verträge mit unter 20 Std.

haben. Nur ein Drittel der Beschäftigten verfügt über Voll-oder Teilzeitstellen, wobei Vollzeitstellen lediglich 15 % des gesamten Personalbestandes ausmachen.

Zu den Qualifikationen des Personals läßt sich feststellen, daß es sich bei fast der Hälfte der in den Sozialstationen tätigen Mitarbeiter um im weitesten Sinne ungelernte Kräfte handelt. Bei einem knappen Drittel dürfte die Ausbildung für die Arbeit im Bereich ambulanter Versorgung auf einem Minimalniveau (Haus-und Familienpflege, DRK-Kurse etc.) gerade ausreichend sein. Der Bereich der Altenpflege ist hier dagegen mit knapp 5% der Gesamtbeschäftigten und mit gut der Hälfte des Anteils der Krankenschwestern deutlich unterrepräsentiert. Erwartungsgemäß arbeiten die professionellen Kräfte (Krankenschwestern, Altenpflegerinnen) eher als Voll-und Teilzeitbeschäftigte, während die zahlreichen ungelernten Mitarbeiter als geringfügig Beschäftigte in der Regel in der Haus-und Familienpflege tätig sind.

Diejenigen Sozialstationen, in denen ehrenamtliche Helfer hinzugezogen werden, sind eindeutig in der Minderheit. Insgesamt liegt die Anzahl der ehrenamtlichen Kräfte bei nur 36 Personen; angesichts von 1 452 Mitarbeitern der untersuchten Sozialstationen entspricht dieses einem Prozentsatz von 2, 6 %. Man kann daher sagen, daß der ehrenamtliche Bereich — entgegen dem Senatskonzept — kaum eine Rolle spielt.

Die erhobenen Daten weisen darauf hin, daß die dem Senatskonzept zugrunde gelegten Zahlen dringend der Aktualisierung bedürfen. Dies trifft in besonderem Maße für den Bereich der geringfügig Beschäftigten zu, der — wie erwähnt — erheblich expandiert. Hier bedarf es insbesondere auch der Prüfung, inwieweit diese Mitarbeiter qualifiziert und in der Lage sind, Klienten angemessen zu betreuen.

Abgesehen von diesem Qualifikationsproblem bei den geringfügig Beschäftigten hat der besonders hohe Anteil dieses Mitarbeitertyps am Personalbestand entscheidenden Einfluß auf die Größenentwicklung der Sozialstationen. Daß die geringfügig Beschäftigten in so großem Umfang in den Sozial-stationen vertreten sind, ist letzten Endes wiederum auf die besondere Art des Finanzierungssystems Hamburger Sozialstationen (vgl. hierzu unter V.) zurückzuführen.

Von den Sozialstationen selbst wird ganz allgemein die Größenentwicklung für sehr bedenklich gehalten. Dabei werden unterschiedliche Begründungen gegeben. Teils wird die Auffassung vertreten, die Einzugsbereiche müßten verkleinert werden, weil nur so eine überschaubare Mitarbeiterzahl erreicht werden könne. So heißt es, inzwischen seien in Einzelfällen schon „kleine Sozialstationsfabriken“ entstanden; bestimmte Sozialstationen liefen schon jetzt in der Organisation völlig aus dem Ruder und seien nicht mehr steuerbar. Beklagt wird auch, daß gegenwärtig viel Zeit mit Organisation, Verwaltung und Improvisation verloren gehe, die besser für die Sozialarbeit genutzt werden sollte. Teils wird eine Reduzierung der Einzugsbereiche auch mit der gestiegenen Nachfrage begründet. Um eine weitere Aufblähung des Personalkörpers zu vermeiden, seien insgesamt eine geringere Mitarbeiterzahl und innerhalb dieser mehr festangestellte Beschäftigte wünschenswert.

V. Die Finanzierung von Sozialstationen

Da die Sozialstationen dazu beitragen sollen, die Krankenhäuser sowie Alten-und Pflegeheime wirksam zu entlasten, sollen nach dem Konzept des Hamburger Senats zusätzliche staatliche Mittel für ein ausreichendes Angebot an ambulant-sozialpflegerischen Diensten eingesetzt werden

Die Kosten für eine zentrale Abrechnungsstelle und die Einsatzleitung der Sozialstationen werden hiernach in voller Höhe und auf Dauer von staatlicher Seite übernommen. Dagegen sollen die Kosten für die individuellen Hilfeleistungen teils vom Sozialhilfeträger (Bundessozialhilfegesetz), teils von den Krankenkassen (Reichsversicherungsordnung) getragen werden. Für die individuellen Hilfeleistungen bestehen gegenwärtig unterschiedliche Kostenregelungen. Die staatliche und die kirchliche Gemeindepflege werden z. Z. unentgeltlich angeboten. Eine teilweise Erstattung erfolgt insoweit, als entsprechende Ansprüche nach der Reichsversicherungsordnung (z. Z. über 30, — DM) je Patient und Einsatztag bestehen. Die Leistungen der Haus-, Alten-und Familienpflege sind dagegen entweder vom Hilfeempfänger selbst (Selbstzahler: etwa rd. 30 bis 40 %) oder nach dem Bundessozialhilfegesetz zu erstatten.

Nach dem Senatskonzept soll geprüft werden, ob eine generelle Kostenerstattungspflicht für alle individuellen ambulant-pflegerischen Hilfeleistungen anzustreben ist -Dies könnte vor allem deshalb als zweckmäßig angesehen werden, weil dadurch bisherige Ungleichheiten zwischen unentgeltlicher Tätigkeit in der Gemeindekrankenpflege und dem kostenpflichtigen Einsatz in der Haus-, Familien-und Altenpflege beseitigt würden. Entsprechende Überlegungen werden z. Z. noch erörtert. Dieses Finanzierungskonzept führt vor allem deshalb zu Problemen, weil den fixen Personalkosten für einen Abrechnungszeitraum unsichere, jedenfalls nur schwer kalkulierbare Einnahmen seitens der Selbstzahler und übrigen Kostenträger gegenüberstehen. Schwierigkeiten bereitet auch die derzeitige, weder von den Sozialstationsleitungen noch den Verbänden nachzuvollziehende Trennung zwischen Krankenpflege und Altenpflege, die nach deren Meinung aufgehoben werden müßte. Besonders der Kostensatz in der Haus-, Familien-und Altenpflege wird als kaum kostendeckend angesehen. Im Unterschied zur Haus-, Familien-und Altenpflege ist die Krankenpflege durch die Subventionierung von vier vollen Stellen zunächst einmal relativ gut abgesichert. Dagegen wird die Haus-, Familien-und Altenpflege nach Stunden-sätzen abgerechnet. Mit dem Stundensatz von z. Z. 20, 40 DM ist eine Mischfinanzierung der Kosten insofern vorgegeben, als dieser Stundensatz häufig nicht ausreicht, um die in diesem Bereich anfallenden Personalkosten zu decken. Dieser Zustand wird als Ursache dafür verantwortlich gemacht, daß zur Vermeidung von Defiziten eine gewisse Anzahl von geringfügig Beschäftigten eingestellt werden muß, falls der Träger nicht bereit ist, ein eventuelles Defizit durch Eigenleistungen zu decken. Dies wiederum hat zur Folge, daß manche Sozialstationen bzw. Träger dazu neigen, in einem unangemessen großen Umfang geringfügig Beschäftigte einzustellen. Im Gegensatz zum bisherigen Finanzierungssystem wird in Überlegungen der zuständigen Senatsbehörde nicht mehr von kostendeckenden Sätzen, sondern von Eigenleistungen der Träger ausgegan25 gen. In eine andere Richtung gehen z. T. die folgenden Vorschläge aus dem Kreis der Sozialstationsleitungen: „Forderung wäre eigentlich . . . eine Sockelfinanzierung ambulanter Einrichtungen über Selbstkostenblätter festzulegen, damit . . . Vorhaltekosten der Institutionen sicherzustellen, die nicht auf die Kostensätze abgewälzt werden, um damit auf der einen Seite die Kostensätze für den Verbraucher (Selbstzahler) niedrig zu halten. Auf der anderen Seite müssen diese Sätze trotzdem erhöht werden, weil sie eigentlich nicht kostendekkend sind bzw. ihre derzeitige Kalkulation von Orientierungsgrößen ausgeht (insbes. Lohnkosten), die nicht marktgerecht sind. Das grundsätzliche Problem wird man nur dann lösen können, wenn die derzeitigen gesetzlichen Grundlagen verändert werden und eine vernünftige Absicherung des Risikos Pflegebedürftigkeit ... zu gewährleiund sten ist, und nicht der alte Mensch auf der einen Seite . . . einen Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse hat, den die einzelnen Krankenkassen sehr unterschiedlich auslegen, und auf der anderen Seite zum Sozialhilfeempfänger wird.

Gerade das ist . . . sozialpolitisch höchst bedenklich, weil Sozialhilfeleistungen im Netz unserer sozialen Sicherungen immer nur Ausnahmeleistungen sind oder dann einsetzen sollten, wenn nichts anderes mehr greift.“

Inwieweit neben einem stärkeren finanziellen Engagement des Staates auch von den Trägern eine weitergehende finanzielle Beteiligung — insbesondere durch Abdeckung möglicher Defizite — zu fordern ist, wird von den Sozialstationsleitungen unterschiedlich beurteilt. Allerdings finden sich hier durchaus in erheblichem Umfang Auffassungen, die dies für vertretbar halten.

VI. Veränderungsvorschläge

Im folgenden werden — bei grundsätzlicher Akzeptierung des Sozialstationskonzeptes — Vorschläge zur Veränderung einzelner Elemente dieses Konzeptes, die sich auf die ausgewählten Problembereiche beziehen, gemacht. Dabei wird zunächst auf kurz-bis mittelfristig umsetzbare Veränderungen eingegangen (1.), darüber hinaus werden Vorstellungen zur mittel-bis längerfristigen Weiterentwicklung des „Konzepts Sozialstation“ zusammenfassend dargestellt (2.). 1. Kurz-bis mittelfristige Veränderungsvorschläge a) Aufgaben, Klienten und Klientenumfeld Um die Tätigkeit der Sozialstationen für den Klienten noch wirksamer und überschaubarer zu machen, sollte diese insgesamt stärker auf ein integriertes, mit den Diensten außerhalb der Sozialstation koordiniertes und um einzelne Aufgabenelemente ergänztes Leistungsangebot ausgerichtet werden. Im einzelnen bedeutet dies: — Es sollte das Aufgabenkonzept um die Aufgabe der psychosozialen Beratung von Klienten selbst ihrer helfenden Angehörigen ergänzt werden. — Es sollten die ambulanten Dienste der Sozialstationen um teilstationäre Angebote (z. B. Kurzzeit-Vollversorgung, teilstationäre Tagespflegestätte in der Sozialstation, Einrichtung und Unterstützung von Altenwohngemeinschaften, stationäre Mittags-tische,Organisation eines Besuchsdienstes für Klienten in vorübergehend stationärer Unterbringung oder in häuslicher Isolierung) ergänzt werden. Auf diese Weise könnte die Selbständigkeit der Klienten länger erhalten bleiben, würden die helfenden Angehörigen wirksam entlastet werden können und würden Durchlässigkeit und Kooperation zwischen ambulantem und stationärem System verbessert werden. — Die Unterstützung von Angehörigenarbeit und Nachbarschaftshilfe sollte als Aufgabe von Sozial-stationen verstärkt werden. Dies kann durch vermehrte Einbeziehung der helfenden bzw. hilfebereiten Angehörigen und Nachbarn in den Pflegeprozeß, durch fachliche Anleitung und Fortbildung sowie durch psychosoziale Beratung der Betroffenen in der Sozialstation geschehen. Beim Klienten selbst könnten — soweit dieser dies akzeptiert — Formen der aktivierenden Pflege die Arbeit von Angehörigen und Nachbarn wirksam begleiten.

b) Größe von Einzugsbereichen und von Sozialstationen

Die Größe der Einzugsbereiche sollte weniger schematisch nach Einwohnerzahlen als vielmehr differenziert nach sozialer Problemlage und Struktur des wären regional differenzierte Bedarfswerte zu entwickeln. Die Folge der auf diese Weise neu geschnittenen Einzugsbereiche wären verhältnismäßig kleinere Sozialstationen in sozial problemaB tischen Stadtteilen bei gleichbleibender Ausstattung und zudem insgesamt kleinere überschaubare Sozialstationen, die bei geringerem internen Organisationsaufwand stärker klientennah, vor Ort und mit weniger Bürokratisierungstendenz arbeiten könnten.

Darüber hinaus sollte der Zuschnitt der Einzugsbereiche stärker an gewachsenen Stadtteilen und Wohnquartieren orientiert werden, um so den Einwohnern die Identifikation mit der Sozialstation in „ihrem“ Viertel zu erleichtern.

Der steigenden Nachfrage in einem Quartier sollte nicht mit weiterem Größenwachstum der Sozialsta -tionen werden, begegnet sondern bei Überschreitung gewisser Obergrenzen (orientiert an der Mitarbeiterzahl) sollte dies zur Teilung von Sozialstationen und Einzugsbereichen führen. Gewisse Anhaltspunkte für Obergrenzen von Sozialstationen ergeben sich aus der Größe eines Arbeitsteams und der Leitungsspanne innerhalb von Sozialstationen Bei einer Größe eines einzelnen Arbeitsteams von maximal neun Mitarbeitern und einer Leitungsspanne von sieben ergäbe sich beispielsweise eine Obergrenze für eine Sozialstation zwischen 60 und 70 Mitarbeitern.

Um das bisherige Größenwachstum der Sozialstationen zu bremsen, den inneren Organisationsaufwand einzuschränken und eine qualifizierte Klientenbetreuung zu sichern, muß der Anteil der geringfügig Beschäftigten — in einzelnen Hamburger Sozialstationen drastisch — reduziert werden. Das setzt allerdings, da der Einsatz der geringfügig Beschäftigten indirekt zur Finanzierung der Hamburger Sozialstationen beiträgt, eine Änderung des Finanzierungssystems voraus (vgl. hierzu unten). Ein relativ kleiner Kernbestand dieser Mitarbeiter-gruppe sollte erhalten bleiben, um so eine flexible Arbeitsorganisation und Einsatzplanung zu gewährleisten. Wenn beispielsweise in jedem Arbeitsteam der Sozialstation ein bis zwei geringfügig Beschäftigte mitarbeiten würden, so ergäbe dies bei sieben Arbeitsteams einer Sozialstation einen Anteil der geringfügig Beschäftigten in einer Sozial-station von etwa zehn bis 15 Personen c) Finanzierung Finanzierungssystem und individuelle Bezahlung sollten im Verhältnis zwischen Kranken-und Alten-pflegein Richtung auf die Pauschalierung der Abrechnung (wie bei der Krankenpflege) einander angeglichen werden. Dadurch könnte die bisherige strikte Trennung beider Bereiche abgebaut werden. Außerdem führte dies zu Finanzierungsklarheit für den Klienten, erleichterte die innere Arbeitskoordination und Einsatzplanung, gewährleistete einen ganzheitlichen Pflegeansatz und würde Status-und Bezahlungsunterschiede beseitigen.

Diese Angleichung könnte durch Entkoppelung der Finanzierung von den staatlichen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und die Ersetzung dieses Finanzierungsanteils durch entsprechende globale Finanzzuweisungen der öffentlichen Hand geschehen. Auf diese Weise könnte insoweit auch die Kostenneutralität einer solchen Umstellung erreicht werden. Auch das Element der Teilfinanzierung durch „Selbstzahler“ könnte durch Einkommensanrechnung erhalten bleiben.

Allerdings würde aufgrund der vorgeschlagenen erheblichen Reduzierung des Anteils der geringfügig Beschäftigten eine Finanzierungslücke entstehen, die kurz-bis mittelfristig nur durch zusätzliche anteilige Finanzleistungen der Beteiligten (Krankenkassen, Staat, Träger) geschlossen werden könnte.

Trotzdem sind weitere sich verschärfende Finanzierungsengpässe für die Sozialstationen absehbar, die durchgreifend nur durch eine bundeseinheitliche Regelung einer Pflegekostenversicherung überwunden werden können. 2. Mittel-bis längerfristige Veränderungsvorschläge und weiterführende Fragen Im Sinne des Aufbaus und der Erhaltung kleiner, quartiersbezogener sozialer Netze und mit dem Ziel eines koordinierten, ganzheitlichen Angebots von Sozial-und Gesundheitsdiensten im städtischen Quartier sollten die Sozialstationen zu dezentralen, bürgernahen Anlaufstellen ausgebaut werden, die vor allem prophylaktische Aufgaben einbeziehen und die sonstigen privaten und öffentlichen Sozial-und Gesundheitsdienste im Quartier koordinieren.

Im Zusammenhang damit steht die Frage, ob die faktische Beschränkung des Aufgabenkonzepts Hamburger Sozialstationen auf den Adressaten-kreis „ältere Menschen“ problemangemessen ist oder ob sich — was hier tendenziell für richtig gehalten wird — die Leistung der Sozialstationen auch an andere Adressatenkreise im Sinne einer ganzheitlichen und quartiersorientierten Betreuung der Klientel (z. B. Kinder, gefährdete Jugendliche, Behinderte, psychisch Kranke, Suchtabhängige in Familien und Nachbarschaft) richten sollte. Im einzelnen wäre im Falle einer solchen konzeptionellen Aufgabenerweiterung untersuchungsbedürftig, welche Rückwirkungen ein so verändertes Aufgabenkonzept auf Organisationsstruktur, Personal, Ausstattung, Klientenzahl sowie Größe des Einzugsbereiches von Sozialstationen hätte.

Des weiteren bedürfen auch die folgenden Fragen weiterer Untersuchungen:

— Wie läßt sich der hier — als Hypothese — verfolgte Quartiersansatz im einzelnen begründen und was ist unter ihm konkret zu verstehen? Insbesondere ist hiermit die Frage nach der problemangemessenen Größe des Quartiers und damit nach der Größe des Einzugsbereichs solcher lokaler Dienstleistungszentren aufgeworfen.

— Wie lassen sich Merkmale, die für bürgernahe Dienstleistungsorganisationen bestimmend sind, für die Organisation sozialer Dienste im Quartier operationalisieren?

— Wie könnten bereits im Quartier vorhandene bzw. bezogen auf das Quartier arbeitende Ämter, öffentliche Institutionen, private Einrichtungen und Initiativen, die bisher gar nicht oder nur locker Zusammenarbeiten und unterschiedlichste Funktionen, z. B. auf Selbsthilfe oder auf permanente, professionelle Hilfe gerichtete Tätigkeiten wahrnehmen, untereinander koordiniert werden? — Eignet sich die Sozialstation als Ansatz, der auf lokaler Ebene hin zu einem intermediären Organisationselement, zu einer Kontakt-und Clearingstelle weiterentwickelt werden könnte und mit dem das im Quartier vorhandene Initiativen-, Institutionen-und Instanzensystem aufgabenbezogen und bedürfnisgerecht zu differenzieren und im Sinne sozialer Vernetzung zu koordinieren wäre?

Durch dieses im einzelnen zu organisierende, öffentlich zu legitimierende und aus öffentlichen und privaten Ressourcen zu finanzierende soziale Kooperationsnetz könnte modellhaft für die Quartiersebene gezeigt werden, wie das bisher häufig als Konkurrenzverhältnis beschriebene Beziehungssystem öffentlicher und privater Aufgabenwahrnehmung als der sozialen Zielsetzung adäquates Kooperationsverhältnis zu gestalten wäre. Zugleich könnte der heute nicht selten floskelhaft erstarrten Debatte zur Frage „Entstaatlichung versus Verstaatlichung“ bzw. „Privatisierung versus Bürokratisierung“ eine neue „dritte Perspektive“ im Sinne von öffentlicher Dezentralisierung und privater Offenheit sozialer Initiativen gewiesen werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 10. April 1979, Drs. 9/742.

  2. Vgl. W. Damkowski/S. Görres/K. Luckey, Sozialstationen — Ein Konzept ambulanter Versorgung in der Bewährung. Eine Untersuchung anhand der Hamburger Sozialstationen unter besonderer Berücksichtigung der Mitarbeitersituation, hektogr., Hamburg 1987.

  3. Vgl. insbes. F. Brandt/S. Braun, Die Effizienz und Funktionalität neuer Organisationsformen in der Altenhilfe — dargestellt am Beispiel von Sozialstationen, Saarbrücken 1981; H. -J. Dahme/F. Hegner (Anm. 1); D. Grunow/F. Hegner, Sozialstationen im Bereich der ambulanten Sozial-und Gesundheitspflege, in: B. Badufa/C. v. Ferber (Hrsg.), Selbsthilfe und Selbstorganisation im Gesundheitswesen, Bd. 1, München — Wien 1981, S. 39— 66; D. Grunow/F. Hegner/J. Lempert, Sozialstationen. Analysen und Materialien zur Neuorganisation ambulanter Sozial-und Gesundheitsdienste, Bielefeld 1979.

  4. W. Damkowski/T. Klie, Der alte Mensch zwischen professioneller Versorgung und Selbsthilfe, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit, 1984, S. 3 — 21.

  5. H. -J. Dahme/F. Hegner (Anm. 1), S. 59.

  6. Ebd., S. 77.

  7. Vgl. etwa in: B. Badura/C. v. Ferber (Hrsg.). Selbsthilfe und Selbstorganisation im Gesundheitswesen. Die Bedeutung nichtprofessioneller Sozialsysteme für Krankheitsbewältigung, Gesundheitsvorsorge und Kostenentwicklung im Gesundheitswesen, München — Wien 1981.

  8. W. Damkowski/S. Görres/K. Luckey (Anm. 3), S. 13.

  9. Ebd., S. 14 f.

  10. Mitteilung des Senats (Anm. 2), S. 6.

  11. Ebd., S. 3.

  12. Ebd., S. 7.

  13. Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 10. Juli 1980, Erster Erfahrungsbericht über die Sozialstationen in Hamburg. Drs. 9/2425. S. 29 ff.

  14. Vgl. Mitteilung des Senats (Anm. 2). S. 7f.; Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 30. November 1979, Bericht über die regionalisierte Planung von Alteneinrichtungen in Hamburg, Drs. 9/1372, S. 31.

  15. Mitteilung des Senats (Anm. 2), S. 8.

  16. Ebd., S. 8.

  17. Ebd. S. 8

  18. Vgl. Mitteilung des Senats (Anm. 14).

  19. Mitteilung des Senats (Anm. 2).

  20. Ebd.

  21. Vgl. hierzu W. Damkowski, Hochschulverwaltung unter dem Hochschulrahmengesetz, Baden-Baden 1981, S. 189 ff.; ders.. Die optimale Hochschulgröße, in: Universitätszeitung, 1984, S. 15 ff.

  22. Vgl. u. a. W. Damkowski (Anm. 22).

  23. Vgl. W. Damkowski/S. Görres/K. Luckey (Anm. 3), S. 247 f.

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Wulf Damkowski, Dr. jur., geb. 1941; 1977— 1980 Professor für Verwaltungswissenschaft an der Universität Hamburg, 1979 habilitiert an der Universität Hamburg, seit 1980 Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Politik Hamburg; 1970— 1986 Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft. Zahlreiche öffentlich-rechtliche und verwaltungswissenschaftliche Veröffentlichungen, zuletzt auch zu Fragen der Organisation sozialer Dienste auf lokaler Ebene, insbesondere zu „Sozialstationen“.