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Der „Anschluß“ von 1938 als innerösterreichisches Problem | APuZ 9/1988 | bpb.de

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APuZ 9/1988 Artikel 1 Der „Anschluß“ von 1938 als innerösterreichisches Problem Der Anschluß Österreichs — Stationen auf dem Weg zum März 1938 Der „Anschluß“ von 1938 und die internationalen Reaktionen

Der „Anschluß“ von 1938 als innerösterreichisches Problem

Gerhard Botz

/ 46 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Im Zentrum von Österreichs politischer Identität steht die Überwindung der Anschlußidee und der Folgen des „Anschlusses“ von 1938. Nationale Selbstfindung erfolgte in Österreich mehr als vier Jahrzehnte lang unter besonderer Betonung der Opfer-Rolle Deutschland und dem Nationalsozialismus gegenüber, während bestimmte belastende Aspekte, vor allem die Mitbeteiligung von vielen Österreichern am Nationalsozialismus und an dessen Politik im Zweiten Weltkrieg, unterbelichtet wurden. Demgegenüber wird hier, in Absetzung sowohl von Österreich-apologetischen Darstellungen als auch von pangermanischen Positionen. versucht, eine interpretatorische Balance zwischen den Extremen zu wahren. Österreich und Österreicher haben mehr als oft angenommen, zur Entstehung und zum Funktionieren des Nationalsozialismus und zu dessen Regime beigetragen. Der „Anschluß“ an Deutschland war nicht nur Invasion von außen, sondern auch eine Machtübernahme österreichischer Nationalsozialisten von oben wie von unten. Das Ergebnis der Volksabstimmung vom 10. April 1938 spiegelt über die bekannten Bedingungen des Dritten Reiches hinausgehend eine von „Anschlußbegeisterung“ getragene Welle des Konsenses mit dem NS-Regime, der jedoch bald wieder einer gewissen Ernüchterung über die gesellschaftliche Realität im „Großdeutschen Reich“ wich, ohne vollends in Oppositionsverhalten umzuschlagen. Denn diese Realität stellte sich für große Teile der österreichischen Bevölkerung durchaus als ambivalent dar; Terror, politische Entrechtung und vollkommene staatliche Auflösung Österreichs wurden zunächst durchaus durch wirtschaftliche Gewinne und gesellschaftliche Modernisierung mehr als kompensiert, so daß erst mit der Verschärfung der Lage im Krieg und der sich abzeichnenden Niederlage eine nachhaltige Umorientierung des Österreichbewußtseins und wachsende Widerstandsbereitschaft einsetzten.

Wie andere kleine Nationen Europas hat auch das heutige Österreich in Auseinandersetzung mit einem großen Herrschaftsverband seine Identität erlangt oder doch geschärft — gleichgültig, ob es sich dabei um eine vollendete Nationsbildung oder Vorstufen dorthin handelt Daher nimmt das öffentliche Erinnern des „Anschlusses“ von 1938 im Jahre 1988 einen ganz besonderen Stellenwert in der österreichischen politischen Kultur ein. (Um den von einem österreichisch-patriotischen Standpunkt doch etwas merkwürdigen Beigeschmack eines „Gedenkjahres 1938“ zu vermeiden, wurde sogar, vermutlich im linkskatholischen oder gemäßigt-konservativen Milieu, ein neues Wort erfunden: „Bedenkjahr“ 1938/1988). Selbst nach der Über-windung der in der Ersten Republik weit verbreiteten Anschlußidee, die in Österreich bis 1938 immer einen wesentlich zentraleren politischen Stellenwert gehabt hatte als in Deutschland, ist — als eine fatale List der Geschichte — auch in der Zweiten Republik der „März 1938“ ein Großereignis geblieben. das die politisch-kollektive Identität der Österreicher noch immer auf das nachhaltigste prägt, wenn auch in einem gegenüber dem Jahr 1938 umgekehrten Sinn. In der Stellungnahme pro oder kontra Anschluß an Deutschland, d. h. auch pro oder kontra Zugehörigkeit zur deutschen Nation, bestimmen sich auch heute noch zum überwiegenden Teil österreichische Identitäten

Zweifelsohne ist in dieser Hinsicht das österreichische Nationsbewußtsein gesichert, wie alle neueren Meinungsumfragen belegen So stieg der Anteil der Österreicher, die sich zur österreichischen Nation bekannten, zwischen 1956 und 1980 von 49% auf 67%. während zugleich das Bekenntnis zur deutschen Nationszugehörigkeit von 46% auf 11 % zurückging. Dennoch mußte es schon Anfang der achtziger Jahre bedenklich stimmen, daß gerade zu jenem Bereich des österreichischen (offiziösen) Geschichtsbildes, der in den siebzigerJahren — verglichen mit den politisch-fachhistorischen Debatten um das Bürgerkriegsjahr 1934 und die Zerstörung der Demokratie 1933 — als gänzlich unproblematisch und im Sinne der österreichischen Historiographie gelöst gegolten hatte, innerhalb kurzer Zeit sechs wichtige Bücher erschienen, die das österreichisch-deutsche Verhältnis thematisierten

Begann der erlangte nationale und politische Konsens mit wachsender Entfernung vom „Schicksalsjahr 1945“, ohne dessen Fernwirkungen das politische System der Zweiten Republik nicht zu verstehen ist, verlorenzugehen? Oder ließen die Vorboten kommender krisenhafter Entwicklungen eine Populartradition aufbrechen, die — im Gegensatz zu den offiziellen Deklarationen und Reden der Politiker, unberührt von mehr als 30 Jahren demokratischem Geschichtsunterricht. 20 Jahren Zeitgeschichtsforschung und zehn Jahren schulischer Politischer Bildung — die Neuformierung des österreichischen Geschichtsbewußtseins nur unvollständig nachvollzogen hatte und sich normalerweise nur im Kreise der Familie und am Biertisch äußerte? Oder war das in erster Linie bloß (außen-) politisch aufgefaßte Österreich-Bewußtsein im Begriff, infolge des Fehlens einer entsprechenden demokratischen Wertestruktur im Zeichen der auch auf Österreich übergreifenden „Wende“ von innen her ausgehöhlt zu werden?

Seit dem Präsidentschaftswahlkampf 1986 und dem ominösen Wort des mit fast 54 % der Stimmen gewählten Bundespräsidenten Waldheim von seiner „Pflichterfüllung“ im Zweiten Weltkrieg ist nun vollends offenkundig geworden, wo die Schwäche-zonen des dominierenden Österreich-Bewußtseins liegen: in der „verdrängten“, aber dennoch massiven Präsenz eines Geschichtsbildes, das in vielem den politisch-offiziösen und wissenschaftlichen Interpretationen von der Rolle Österreichs in der NS-Periode widerspricht.

Denn Nationalsozialismus und „Anschluß“ wurden in der suböffentlichen Erinnerung nicht in erster Linie oder überhaupt nicht gleichgesetzt mit Fremdherrschaft und Diktatur, sondern mit (deutsch-) „nationaler“ Begeisterung, industriellen und verkehrstechnischen Großprojekten, Beseitigung der Arbeitslosigkeit, Kameradschaft im Krieg; die Befreiung 1945 wurde daher viel mehr als „Zusammenbruch“ und Beginn einer (neuen) Okkupation durch die vier Alliierten denn als Befreiung erfahren — gerade umgekehrt zu der Sicht des nicht unbedeutenden antifaschistischen Bevölkerungssegments und der politischen Führungsschichten.

Die Mehrheit der Österreicher hatte offensichtlich ihren Mangel an (österreichischem) Nationsbewußtsein der Zwischenkriegszeit eher überwunden als manche Mängel ihres Demokratieverständnisses. Denn die Abwälzung jeder Verantwortung am „Anschluß“ und am Nazismus nach außen enthob die Österreicher der Notwendigkeit, den demokratiezerstörenden Kräften im Innern nachzugehen: den einheimischen NS-Traditionen, dem „Austrofaschismus“ und dem autoritär-„paranazistischen“ Hintergrund. Im Interesse der Stimmenmaximierung und der Großen Koalition verzichtete auch das sozialistisch-antifaschistische Segment auf eine Durchbrechung dieses „Konsenses“

Antifaschismus in Österreich war praktisch nur Antinazismus und ließ andere demokratiezerstörende Tendenzen von rechts ungeschoren Daher konnten sich Kurt Waldheim und seine Anhänger und ganz Österreich als „Opfer“ des (deutschen) Nationalsozialismus empfinden und zugleich nichts Unvereinbares darin sehen, damals an einem äußeren und inneren Vernichtungskrieg gegen „Untermenschen“ mitgewirkt zu haben. Wie zu zeigen sein wird, hat diese keineswegs alt-oder neonazistische, aber dennoch für Aufstieg und Nachwirken des Nationalsozialismus essentielle Geschichtssicht allerdings nicht ganz unrecht, wenn sie einige zentrale Punkte der „offiziösen“, auch antifaschistischen, Interpretation des „Anschlusses“ in Zweifel zieht.

Am Anfang dieser Interpretation, ganz Österreich als NS-Opfer zu sehen, die in anderer Form auch von der antifaschistischen Linken vertreten wird, steht die Moskauer Deklaration der Anti-Hitler-Koalition vom 30. Oktober 1943. Schon dort war die Rede davon, daß das wiederherzustellende Österreich das erste Opfer von Hitlers Angriffspolitik gewesen sei; zugleich wurde Österreich jedoch auch an seine Verantwortung wegen seiner Teilnahme am Krieg auf der Seite Deutschlands erinnert Schon in dieser „Zeugungsurkunde“ der 15 Monate später geborenen Zweiten Republik wurde jenes Schlupfloch vorbereitet, durch das sich Österreich nach 1945 in einem hohen Maße einer Mitverantwortung am Nationalsozialismus entziehen konnte.

Die österreichische Nachkriegspolitik verstand es vorzüglich, den ersten Teil der Moskauer Deklaration, die Opfer-Rolle Österreichs, in den Verhandlungen mit den Alliierten hervorzustreichen, und den zweiten, von der Mitverantwortung sprechenden Teil vergessen zu machen. Dies mochte im ersten Jahrzehnt der Zweiten Republik zweifelsohne ein Gebot der Staatsräson sein, sofern Österreich sich für berechtigt hielt, jeden Wiedergutmachungsanspruch der Hitler-Opfer abzulehnen. Ging es doch zunächst darum, eine bessere Behandlung Österreichs in den Verhandlungen um einen Staatsvertrag und insbesondere eine möglichst weitgehende Reduktion der Reparationsleistungen zu erwirken. Zugleich hätte ein Staat, der seine Entstehung zum überwiegenden Teil 1945 einer Befreiung von außen und nicht einer Erhebung im Inneren verdankte, schwer auf dem Bekenntnis seiner Mit-verantwortung an dem überwundenen Regime aufbauen können.

Obwohl sich die staatstragenden Parteien der Zweiten Republik anfangs stark zum Antinazismus bekannten und politischen Widerstandskämpfern eine nicht unbedeutende Rolle einräumten, wäre angesichts der keineswegs klar antinazistischen Einstellung eines Großteils der österreichischen Bevölkerung die Mitverantwortungsthese wohl auch innenpolitisch selbstmörderisch gewesen. So entstand die nur zur Hälfte wahre „Theorie“ von Österreich als dem ersten Opfer Hitlers, die geradezu zu einer Art „Lebenslüge“ wurde. Nach Erlangung des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 und dem Abzug der vier alliierten Besatzungsmächte entfiel die außen-politische Rechtfertigung der „Opfer“ -These. und mit dem Wachsen des Österreich-und Demokratiebewußtseins in den sechziger und siebziger Jahren wurde auch diese Form der politischen Legitimierung obsolet.

Dennoch hat es Österreich als Ganzes bis heute vermieden, eine Anpassung an die historische Wahrheit vorzunehmen. Angesichts der internationalen Reaktionen auf die Waldheim-Wahl und ihre Begleiterscheinungen seit 1986 — eines schweren internationalen Imageschadens und offener links-demokratischer Kritik jenseits des „klassischen“ kommunistischen und sozialistischen Antifaschismus — muß daher in dem symbolisch zugespitzten Gedenkjahr zum „Anschluß“ die „Opfer-These“ wieder verstärkt in Erscheinung treten Um sie polarisieren sich die Geschichtsbilder, und um sie läuft das österreichische Äquivalent der deutschen Historikerkontroverse ab In diesem Kontext sind die folgenden Ausführungen, die sich mit Teilaspekten der „Opfer-These“ hinsichtlich des „Anschlusses“ beschäftigen, zu sehen.

I. Nationalsozialismus: bloß importiert oder auch österreichisches Phänomen?

Die wohl demokratiepolitisch folgenschwerste historische Verzeichnung im Zusammenhang mit dem „Bedenkjahr“ des „Anschlusses“ ist die These, nach der der Nationalsozialismus und sein Regime, unter dem die Österreicher sieben Jahre lang lebten, eigentlich nicht zur österreichischen Zeitgeschichte gehöre. Dennoch kann bei nüchterner, geschichtswissenschaftlicher Betrachtung kein Zweifel bestehen, daß der Nationalsozialismus auch (aber nicht ausschließlich) ein österreichisches Phänomen war, und zwar in folgender Hinsicht 1. Der Nationalsozialismus war ein Produkt des alten Österreich, selbst wenn der vor-hitlersche Nationalsozialismus nicht vollkommen identisch war mitjenem Hitlers in München. Nur in den gemischtsprachigen Randzonen und Industriegebieten Nordböhmens konnte innerhalb der sich bedroht fühlenden Deutsch-Sprechenden schon um die Jahrhundertwende entstehen, was nach dem Ersten Weltkrieg in vielen Regionen Mitteleuropas und Norditaliens so attraktiv wurde: der Versuch, eine Art von (mittelständischem) Sozialismus durch Nationalismus herbeizuführen. Daraus entstand eine wahrhaft explosive Kombination von nationalistischen und sozialen Protektionsbestrebungen breiter, aufstrebender neuer oder abstiegsbedrohter alter Mittelschichten einer Gesellschaft am Übergang in die Moderne. Für diese Schichten war in der Tat (deutscher) Nationalitätenkampf aussichtsreicher als der internationalistische Klassenkampf der österreichischen Arbeiterbewegung oder der konservative Nationalismus der elitären Deutsch-nationalen alter Prägung. Von Österreich sprang diese politische . Erfindung 1 nach dem Ersten Weltkrieg auf Deutschland, insbesondere auf München, über. 2. Natürlich war auch Hitler ein Produkt Österreichs. Aus dem gemäßigt deutschnationalen Milieu der oberösterreichischen Provinzstadt Linz kommend, verbrachte er seine politischen Lehrjahre in Wien. Dort wurde er zum Antisemiten und Rassengläubigen, dort entdeckte er den völkischen Radikalismus Schönerers und seiner Studenten, dort lernte er bei Karl Lueger und den Christlich-sozialen die mobilisierende Wirkung einer aus dem Katholizismus abgeleiteten politischen Liturgie und eines demagogischen Antijudaismus kennen. Uns heute absurd erscheinende Ideen obskurer Sektierer. damals aber angesehener „nationaler Denker“ Wiens prägten seine Weltanschauung. Erst als poli5 tisch gefestigter junger Mensch ging Hitler im Alter von 24 Jahren von Wien fort. 3. Nach dem Zerfall des habsburgischen Vielvölkerstaates breitete sich unter den deutschsprachigen Österreichern aller politischen „Lager“ — insbesondere unter den Deutschnationalen und den Sozialdemokraten sowie teilweise auch unter den Christlichsozialen — ein überwältigendes Streben nach einer Vereinigung mit Deutschland aus Deren Verwirklichung wurde nur zurückgehalten zunächst vom „Anschluß“ -Verbot der Siegermächte, dann von der finanziellen Abhängigkeit von Westeuropa. Als die Österreicher allmählich begannen, sich in den dreißiger Jahren auf ihre Eigenstaatlichkeit einzurichten, und die Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur offiziell einen gewissen österreichischen Patriotismus auf ihre Fahnen schrieb entfaltete Hitlers Machtübernahme in Deutschland einen neuen Sog auf die Österreicher. Der nationalsozialistische Antisemitismus störte wenige Österreicher, ja zog viele geradezu an, und Hitler versprach die Überwindung der Wirtschaftskrise, mit der das autoritär-diktatorische Österreich Dollfuß’ und Schuschniggs nicht fertig wurde. Die Unterdrückung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung schloß praktisch ein Drittel der Bevölkerung davon aus, sich mit dem bedrohten Österreich, das ja ein halbfaschistisch-autoritäres Regime war, zu solidarisieren.

So ist es auch nicht verwunderlich, daß die NSDAP auch in Österreich ab 1932 massenhaften Zulauf fand, wenngleich mit zweijähriger Verzögerung gegenüber Deutschland und mit denselben Hemm-Mechanismen wie im katholischen Süden Deutschlands; ab 1938 strömten die Österreicher schließlich in einem Ausmaß in die NSDAP wie nirgendwo sonst im „Altreich“ 1942 gab es in den „Alpenund Donaugauen“ rund 688 000 NSDAP-Mitglieder, das heißt, etwa jeder vierte erwachsene männliche Österreicher war Nazi. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum nach 1945 jede schematisch-administrative Entnazifizierung scheitern mußte, eben weil so viele Österreicher aus echter Überzeugung oder auch aus Angst und Opportunismus NSDAP-Mitglieder geworden waren Wäre auch nur ein großer Teil von ihnen 1945 aus ihren Berufen und Ämtern entlassen worden, das Verwaltungs-und Wirtschaftsleben Österreichs wäre zusammengebrochen. (Im übrigen gilt ähnliches mehr oder weniger auch für die beiden deutschen Staaten.) 4. Latenter und offener Judenhaß waren in Österreich vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis mindestens 1945 wahrscheinlich stärker als in jedem anderen westeuropäischen Land, ja wohl ebenso stark wie in Osteuropa. Antisemitismus war (und ist?) nicht nur ein unverzichtbares Element des Deutsch-nationalismus und des katholischen Konservativismus, sondern hatte auch in der sozialdemokratischen Arbeiterschaft Spuren hinterlassen Von Wien aus wurden nach dem „Anschluß“ die antijüdischen Maßnahmen des Dritten Reiches vorangetrieben. In Österreich war 1938 die Judenverfolgung etwas sehr Populäres, nicht nur im Kreise der eigentlichen Nazis. Denn hier profitierten Zehntausende Nicht-Juden vom Raub jüdischen Eigentums und von der „Deportation“ der Juden irgendwohin, wo, wie man wußte und nicht weiter nachfragte, es ihnen schlecht ging. 5. Nicht zuletzt wegen dieses tief verwurzelten Antisemitismus und Nationalsozialismus konnten überproportional viele Österreicher im Verfolgungs-und Vernichtungsapparat des Dritten Reichs Ersatzkarrieren dafür erlangen, daß sie nach dem „Anschluß“ in der „Ostmark“ selbst zu kurz gekommen waren. Beispiele sind Kaltenbrunner, Globocnik. Franz Novak, Stangl, Rauter, Seyß-Inquart, Glaise-Horstenau und der in Österreich aufgewachsene Eichmann. Daher auch der hohe Anteil von Österreichern in den Spitzenpositionen der Judenvernichtung. Nach einer Schätzung Simon Wiesenthals waren an der Hälfte der nationalsozialistischen Massenmorde an den Juden Österreicher beteiligt! 6. Nicht zuletzt kämpften Österreicher an den Fronten des Zweiten Weltkrieges praktisch mit derselben Aufopferung und Pflichtbereitschaft wie die „Reichsdeutschen“, und zwar bis zum Ende. Österreicher wirkten ohne erkennbares Zögern an Repressalien mit, die weit über das kriegsrechtlich akzeptierte Maß hinausgingen. Österreicher waren besonders häufig auf dem Balkan eingesetzt, als Generäle, Offiziere und einfache Soldaten Einerseits geschah dies deswegen, weil das österreichische Gebiet geographisch am nächsten zu Süd-osteuropa lag und die Österreicher schon in der Habsburger Monarchie diese Region Europas als halbkolonialen Hinterhof betrachtet hatten, andererseits, weil sie häufig noch südslawische Sprachen beherrschten und Hitler der nicht ganz falschen Meinung war, die Österreicher könnten als „geborene Diplomaten“ besonders gut mit den verschiedenen Völkern dieses Raumes umgehen. Österreicher waren daher oft auch in SS-und Wehrmachts-Einheiten tätig, die den „Partisanenkampf* auf den geringsten Verdacht hin gegen die Zivilbevölkerung „mit den allerbrutalsten Mitteln“ führten und berechtigt waren, „in diesem Kampf ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden“, auch wenn das Ausrotten und Niederbrennen von Dörfern und Kleinstädten, das „Aussiedeln“ ganzer Regionen auf eine andere „Endlösung“ hinauslief, auf einen Vernichtungskrieg und möglicherweise auf eine systematische Verringerung der slawischen Völker um 30 Millionen (!), um so deutschen „Lebensraum“ zu schaffen. Gerade diese Aspekte der NS-Herrschaft in Österreich, die hier ebensowenig bloß eine der Bevölkerung von oben her — von verbrecherischen Eliten, von einer fanatischen Führerclique, von einem allmächtigen Diktator — auferlegte Diktatur war wie in Deutschland, sind in Gefahr, in symbolisch aufgeladenen Situationen, wie sie im „Bedenkjahr 1988“ bestehen, unterzugehen. Einerseits, weil die österreichische Gegenwart strukturell und personell die schwere Last ihrer NS-Vergangenheit kaum wirklich ehrlich und selbstkritisch aufgearbeitet hat; andererseits, weil von ausländischer (auch von deutscher) Seite, an sich zu Recht, dennoch auch oft unaufrichtig und in selbstgefälliger Weise, gerade auf diese wunden Punkte des heutigen dominierenden österreichischen Selbstverständnisses der Zeigefinger gelegt wird; und ferner, weil diese externe Kritik intern Abwehr gegen die als einseitig und ungerecht empfundenen Vorwürfe hervorruft und verstärkten Integrationsdruck oder Ausgrenzungstendenzen gegenüber selbstkritischen österreichischen Literaten, Journalisten und Wissenschaftlern bewirkt

Ohne diese grundsätzlichen Zusammenhänge von Österreich und Nationalsozialismus festgestellt zu haben, wäre es nicht möglich, einige konkrete Problemfelder des „Anschlusses“, wie im folgenden versucht, zu skizzieren.

II. Anschluß: Okkupation oder NS-Erhebung?

Lange Zeit, insbesondere in den fünfziger Jahren, wurde in Österreich eine heftige Diskussion darüber geführt, ob der „Anschluß“ eine „Okkupation“ oder eine „Annexion“ gewesen sei Im Hintergrund standen dabei grundsätzliche Meinungsunterschiede von SPÖ und ÖVP über die Kirchen-und Vatikanpolitik. Während die Sozialisten der Meinung waren, das vom autoritär-„klerikalfa-schistischen" Staat Dollfuß’ 1934 abgeschlossene Konkordat sei ebenso wie die „ständische Verfassung“ durch eine Annexion Österreichs, dessen Verschwinden als Völkerrechtssubjekt und schließliehe Neubegründung 1945 erloschen, versuchten die Katholische Kirche und die ÖVP aus der These einer „bloßen Okkupation“ Kontinuitätslinien abzuleiten, die der Kirche die Erlangung einer ähnlich starken Position in der Zweiten Republik wie im „Ständestaat“ erleichtert hätte Beide Positionen, die mit dem Abschluß eines inhaltlichen Kompromisses 1960 und der Anerkennung der Okkupations-Theorie auch durch die Sozialisten viel von ihrer Brisanz verloren, gingen von der Annahme aus, Österreich sei ganz eindeutig ein Opfer einer ausländischen militärischen Invasion seitens Nazi-Deutschlands geworden. Dementsprechend hartnäckig erweist sich, angeheizt von aktuellen politischen Rechtfertigungsbedürfnissen, in einem ähnlichen politischen Milieu auch heute der „Opfermythos“. Dennoch begann sich allmählich unter den empirisch arbeitenden Historikern, insbesondere unter der jüngeren Generation, die Auffassung durchzusetzen, daß der „Anschluß“ 1938 ein mindestens gleicherweise aus innerösterreichischen Ursachen-strängen ableitbares wie von außen hereingebrochenes Geschehen darstellt. Wohl überpointiert hat in jüngster Zeit Erwin Schmidl meine 1978 entwikkelten Thesen vom „ambivalenten Anschluß“ und vom „Anschluß“ als dreifacher Machtübernahme zur Grundlage einer militärgeschichtlichen Studie gemacht Demnach stellt sich der „Anschluß“ als dreifacher Prozeß dar: als eine pseudorevolutionäre Machtübernahme von unten, als eine schein-legale Machtübernahme von oben und als eine übermächtige Intervention von außen. 1. Nach einigen Wochen der wachsenden „nationalen“ Gärung und Unruhe, die zuletzt vor allem in der Steiermark zu einer weitgehenden Paralysierung des Staatsapparats und zu einer Art Doppel-herrschaft geführt hatte, begann am 11. März 1938 in den meisten Landeshauptstädten und schließlich in Wien eine Art „Erhebung“ der österreichischen Nationalsozialisten und ihrer Anhänger. Welche Rolle dabei klare Weisungen der NS-Führer in Deutschland und Österreich spielten, ist im einzelnen nicht abzuschätzen. Solche Weisungen gab es jedenfalls. Angesichts des massiven außenpolitischen Drucks und der Drohung eines deutschen Einmarsches aber auch angesichts der starken Traditionen großdeutschen Denkens und des Anschluß-Wunsches in Österreich mußte jeder Einsatz des Staatsapparats gegen die tumultösen, aber im wesentlichen gewaltfreien und unbewaffneten Massendemonstrationen der einheimischen Nazis aussichtslos oder geradezu beschleunigend wirken. Dazu kam, daß es dem autoritären Regime Schuschniggs auch in letzter Minute nicht gelang, seine schmale politische Basis (durch Verhandlungen mit der 1933/34 verbotenen sozialistischen und kommunistischen Opposition) zu erweitern, daß vielmehr österreichische Nationalsozialisten den „Ständestaat“ unterwandert und zu dessen Lähmung von innen her beigetragen hatten. Auch wenn die Ereignisse von unten her in den folgenden Tagen eine starke Eigendynamik erkennen ließen — von einem „Aufstand“ der illegalen Nationalsozialisten im eigentlichen Sinne kann, abgesehen von der Steiermark und insbesondere von Graz, nur in einem sehr eingeschränkten Sinn gesprochen werden. Die von den wirtschaftlichen und sozialen Problemen der dreißiger Jahre angefachte pseudo-revolutionäre Energie der klassengreifenden NS-Anhänger — überwiegend junger Leute und Angehöriger des „neuen Mittelstandes“, des Bildungsbürgertums und des „alten“ Kleinbürgertums (Gewerbetreibende, Händler und Bauern) — äußerte sieh allerdings in relativ „spontanen“, häufig von den lokalen NS-Führem inszenierten Aktionen gegen Einrichtungen des alten Regimes, gegen das Eigentum politischer Gegner sowie in Eingriffen in die staatlichen Verwaltungsstellen und Wirtschaftsbetriebe. Dabei waren meist nur Drohungen notwendig, um das kurzfristige Ziel, Entlassung mißliebiger Personen, Auszahlung von Sonderzulagen oder Übergabe von Büroräumen etc., zu erreichen. Sachbeschädigungen von nichtjüdischem Eigentum und handgreifliche Auseinandersetzungen mit „Ariern“ waren selten.

Mit ganzer Wucht aber entlud sich die soziale Unzufriedenheit, die durch das in Österreich immer lebendige Potential von Antisemitismus ihre Zielrichtung erhielt, vor allem in Wien gegen die Juden Anfangs wurde die brutale Beraubung. Beschimpfung, tätliche Demütigung und Verhaftung von Juden von den neuen Machthabern als ein Sicherheitsventil für unkontrollierte „Umsturz“ -Tendenzen geradezu gefördert. Der pogromartige Zustand dauerte daher auch noch an, als die übrigen Über-griffe schon weitgehend eingedämmt waren. 2. Hätte es keine anderen Kräfte der politischen Umgestaltung nach dem 11. März gegeben, Österreich wäre wohl monatelang in wirtschaftlichem und verwaltungsmäßigem Chaos versunken. Doch nicht nur wegen des steuernden Eingreifens deutscher Zentralen kam es nicht dazu. Denn aufgrund ihrer Vorgeschichte konnte die Machtübernahme auch von innen her erfolgen, von jenen Positionen aus, in die die Nationalsozialisten während der Endphase des selbständigen Österreich teils illegal, teils legal eingedrungen waren. Wie es am 11. März schon in der Regierung Schuschnigg mit Seyß-Inquart und Glaise-Horstenau nationalsozialistische Stützpunkte gab, so waren wichtige Schaltstellen in den Behörden, in der Wirtschaft, im Presse-und Bildungswesen, in der „Kultur“ schon unter nationalsozialistischen Einfluß geraten. Daß es die unter eng formalen Gesichtspunkten „legal“ an die Macht gekommene NS-Bundesregierung schon gab und die „Erhebung von unten“ schon angefangen hatte, als der deutsche Einmarsch begann, muß als ein entscheidender Faktor bei der Einschätzung des Ereignisablaufes in der ersten Woche angesehen werden.

Den Anschein von Legalität vor der internationalen und der nationalen Öffentlichkeit zu wahren war ein vordringliches Ziel nationalsozialistischer Politik. Was unter demokratischen Verhältnissen weit schwieriger gewesen wäre, erleichterte die bestehende, schon stark am Führerprinzip ausgerichtete „autoritäre“ Verfassung von 1934. Und da die gesamtösterreichische Führungsspitze mit Seyß-Inquart gleich zu Beginn nationalsozialistisch geworden war, stand einer von dort hierarchisch ausstrahlenden „legalen“ Umgestaltung der politischen Verhältnisse nichts mehr im Wege. Dasselbe vollzog sich bei der Einsetzung und Bestätigung nationalsozialistischer Landeshauptmänner und Bürgermeister in den Landes-und Gemeindeverwaltungen. die ebenfalls der formellen Bestätigung durch Seyß-Inquart sicher sein konnten.

Da die meisten NS-Führer von Anfang an erkannten, daß sie auf das reibungslose Funktionieren des Großteils der vorhandenen Bürokratien im öffentlichen Bereich und auch in der privaten und öffentlichen Wirtschaft angewiesen waren, nahmen NS-Führer wie Seyß-Inquart die Beamten vor allzu heftigen Angriffen nationalsozialistischer Fanatiker und Postenjäger in Schutz, wenn diese Beamten auch nur halbwegs tragbar waren und den Anschein von Loyalität erweckten, was wiederum nicht schwer war. Nur den allerhöchsten „ständestaatlichen“ Amtsträgem und den Juden gegenüber gab es keinen Pardon.

Aber dieses Bündnis der neuen österreichischen Führungsschicht mit der traditionellen Beamtenschaft war nicht nur eine Zweckverbindung. Es hatte auch einen gemeinsamen sozialen und ideologischen Hintergrund. Denn wie die meisten Mitglieder der Regierung Seyß-Inquart kamen diese neuen Führer überwiegend aus dem „gehobenen Mittelstand“. Höhere Beamte, freiberufliche Akademiker und Wirtschaftsmanager waren für sie typische Berufe. Ein unter ihnen stark vertretenes Laufbahnmuster, das vom Deutschnationalismus über die „nationale“ Richtung der Heimwehr in die NSDAP, besonders in die SS, verlief, war für viele von ihnen charakteristisch. Ideologisch waren sie daher mehr oder weniger einem gerade in der Beamtenschaft und bei Freiberuflern besonders starken Deutschnationalismus verpflichtet; selbst über den Kreis der Deutschnationalen und Nazis hinaus spielten „gesamtdeutsche“ Reichsvorstellungen, auch wenn sie katholisch-antinazistisch geprägt waren, eine ausschlaggebende Rolle. Dasselbe gilt auch auf andere Weise für die Funktionäre der nun allerdings vollends ausgeschalteten Arbeiterbewegung.

So wurde der 11. März 1938 zur Stunde der „Betont-Nationalen“ und „Katholisch-Nationalen“, wie Adam Wandruszka je nach dem Anteil des Deutschnationalismus bzw. katholischen Konservativismus in ihren Vorstellungen die „Brückenbauer“ zum Nationalsozialismus nennt Selbst „alte Kämpfer“ und „Illegale“ unter den österreichischen Nazis waren durch einen mehr oder weniger deutlichen katholisch-konservativen, österreichisch-separatistischen und antipreußisch-antideutschen Grundzug gekennzeichnet. Auch wenn die „Katholisch-Nationalen“ in der Anfangsphase der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich eine wichtige Rolle spielten, ging die Entwicklung im Laufe schon eines Jahres zugunsten der radikalen Nationalsozialisten über sie hinweg. Der Grund dafür lag in der dritten, letztlich entscheidenden Komponente der Machtübernahme, in der von außen. 3. Die militärische Okkupation Österreichs ging einher mit einer Invasion deutscher Polizeikräfte, Abgesandter zahlreicher Zentralbehörden des „Reiches“ und Vertreter privater wirtschaftlicher Interessen, wobei jeder in dem schon in den ersten Stunden entbrennenden „Wettlauf nach Wien“ der erste sein wollte. Es ging dabei wohl unmittelbar weniger um persönliche karrieristische Ziele — wenn auch um diese — als um den Ausbau und die Stärkung administrativer, wirtschaftlicher und kultureller Macht. Als Ergebnis wurde Österreich schon in den ersten Wochen auf dreierlei Weise unter „reichsdeutsche“ Kontrolle genommen: Unübersehbar waren sachliche und personalpolitische Einzelmaßnahmen wie „Anforderungen“ von Büro-und Wohnräumen, Dienst-und Sachleistungen verschiedenster Art. Einander widersprechende Anweisungen und personalpolitische Eingriffe der deutschen Emissäre führten dabei zu einem stärkeren Wirrwarr, als es die Übergriffe von unten hervorgerufen hatten.

Wichtig war sodann das Instrumentarium der gesetzgeberischen Normensetzung, das die „Reichsgrundgesetze“ in Österreich einführte und die verfassungsrechtliche Stellung der Bundesländer und Wiens einschneidend betraf. Noch wichtiger war die Etablierung einer immer einflußreicher werdenden Parteiinstanz in der Person des pfälzischen Gauleiters Josef Bürckel, der von Anfang an als Beauftragter Hitlers für die Reorganisation der NSDAP und für die Durchführung der „Volksabstimmung“ einen mächtigen Gegenpol zu den staatlichen Stellen der „Ostmark“ und des „Altreichs“ bildete. Konsequenterweise ging nach einigen Wochen daraus das Amt des „Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ hervor, das Bürckel bis 1940 in Österreich umfassende Vollmachten gab.

Die schärfste Form der Gleichschaltung wurde indes in der auch vom „Altreich“ her bekannten Weise von SS und Gestapo ausgeübt. Die dadurch bewirkte Beseitigung der alten politischen Führungsgruppen und die Einschüchterung derer, die nicht von Anschlußbegeisterung erfüllt waren; bereiteten die Grundlage für die anlaufende „Volksabstimmungs“ -Propaganda.

In der Verflechtung dieser drei Prozesse wird erst verständlich, wie die NS-Machtübernahme in Österreich ablief. Hatte der Nationalsozialismus 1933 im Deutschen Reich noch mehrere Wochen, ja Monate benötigt, um alle ernsthaften politischen und gesellschaftlichen Oppositionskräfte zu überwinden, die traditionellen Machteliten, hohe Bürokratie, Militär und private Wirtschaft gleichzuschalten oder sich mit ihnen vollends zu arrangieren, so lief dasselbe in Österreich in wenigen Tagen ab. Wenngleich hier eine Zeitlang eine völlig unübersichtliche Lage drohte, so wurde durch den dreifachen Machtergreifungsprozeß im Endeffekt doch um so energischer mit den konservativen einheimischen Machtfaktoren aufgeräumt. Überwogen in den allerersten Tagen die Tendenzen zu einem „Umsturz“ von unten und einer Machtergreifung von österreichischen Führungsstellen aus, so wurde bald das Eingreifen der „Reichsdeutschen“ zur Garantie einer umfassenden Machtübernahme, die in erster Linie eine solche des deutschen Nationalsozialismus war

III. Volksabstimmung: echt, manipuliert oder gefälscht?

Eine andere Frage, die die Betrachter der Geschichte des „März 1938“ entzweit, ist jene nach der Authentizität des 99%igen Ja-Ergebnisses der von Hitler zur plebiszitären Akklamation des „Anschlusses“ angesetzten „Volksabstimmung“ vom 10. April 1938. Während es sich dabei um keinen grundsätzlich anderen Vorgang handelte als im Fall der „Reichstagswahlen“ im „Altreich“, die in der deutschen Historiographie zu keinen wesentlichen Kontroversen geführt haben, ist deren österreichisches Pendent innerhalb Österreichs und noch mehr zwischen österreichischen und deutschen Geschichtsinterpreten äußerst kontrovers. Auf deutscher Seite wird nicht selten mit einer gewissen Häme auf die jubelnden Massen auf dem Wiener Heldenplatz und das noch „ 99prozentigere“ Abstimmungsergebnis als im „Altreich“ hingewiesen; von österreichischer Seite wird dem empört mit dem Hinweis auf den SS-Terror und auf die Millionen der nicht auf dem Heldenplatz versammelten Österreicher, die still zuhause geweint hätten, geantwortet. Der gemeinsame Ausgangspunkt für beide gegensätzlichen Meinungen dürfte in einer der für Parteiendemokratien typischen Überschätzung des Politischen liegen: entweder in der Vorstellung der Allmacht der politischen Eliten über das „Volk“ und der Totalität der Kontrolle von dessen Meinungen oder in einer etwas naiven Gleich

Setzung von Entscheidungen im Wahlakt mit politischen Meinungen, eingefahrenen Verhaltensweisen und dauerhaften Mentalitäten.

Die Abstimmung vom 10. April 1938 erbrachte mit 99, 6% Ja-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von 99, 7 Prozent in der Tat ein Ergebnis, das selbst die Erwartungen der nationalsozialistischen Führer übertraf. Wie ist nun dieses Resultat unter dem Aspekt der nationalsozialistischen Herrschaftstechnik zu erklären?

Zunächst ist davon auszugehen, daß eine generelle Fälschung des Ergebnisses von oben ebensowenig wie bei anderen Abstimmungen im „Altreich“ nachzuweisen ist. Immerhin verfuhren aber die gänzlich unkontrollierten nationalsozialistischen Wahlbehörden bei der Stimmenauszählung und Zurechnung von Stimmzetteln zu den „Ungültig“ -und „Nein“ -Stimmen nicht allzu sorgfältig. Auch waren rund 360 000 oder 8 Prozent der über 20jährigen Österreicher überhaupt vom Stimmrecht ausgeschlossen, teils, weil sie jüdische Vorfahren hatten wie die 183 000 Österreicher mosaischen Religionsbekenntnisses und die etwa 120 000 „Rassejuden“ und „jüdischen Mischlinge“, teils, weil sie aus politischen Gründen verhaftet waren oder nicht an der Abstimmung teilnehmen durften. (Allerdings ist auch die Zahl von 76 000 Österreichern, die bereits unmittelbar nach dem „Anschluß“ verhaftet worden seien, eher als Mythos denn als einigermaßen exakte Schätzung anzusehen, wie K. R. Stadler schon 1967 nachgewiesen hat.)

Was jedoch noch stärker zählt, ist die Tatsache, daß es praktisch kein Wahlgeheimnis gab. Durch Flüsterpropaganda verbreitete sich die wohl in vielen Fällen richtige Meinung, das Wahlgeheimnis sei nicht gewahrt und es bestehe eine geheime Kontrolle. Tatsächlich ist solches aus Deutschland und von der Saarabstimmung vielfach belegt. Allein schon das Betreten der Wahlzelle wurde von sehr vielen für bedenklich gehalten, so daß sie außerhalb der Zelle blieben und öffentlich den „Ja“ -Kreis auf dem Stimmzettel ankreuzten. In vielen Fällen war auch diese „Freiwilligkeit" nicht gegeben.

Dennoch hätte dies zur Erzielung des doppelten Effekts der „Volksabstimmung“ — plebiszitäre Akklamation unwiderrufbarer politischer Entscheidungen und politische Massenmobilisierung — nicht ausgereicht. Dazu bedurfte es neben der Einschüchterung durch den massiven Terror von SS und Polizei eines Zusammenspiels verschiedenster Faktoren: breite organisatorische Erfassung aller Nationalsozialisten und ihrer Sympathisanten, Mobilisierung der Bevölkerung durch eine technisch und psychologisch raffinierte Propaganda, symbolische Partizipation und kurzfristig wirksame sozialpolitische Maßnahmen. Nicht zuletzt bedurfte es auch öffentlicher Unterstützungserklärungen aus allen relevanten politisch-sozialen Gruppen. Angesichts so weittragender Veränderungen wie der Aufgabe der Unabhängigkeit des Landes und eines einschneidenden politischen Systemwandels hätten ein bloßes Schweigen der hierarchischen Spitze bei den Gläubigen der dominanten Religion und eine vollständige verbale Zurückhaltung der ehemaligen politischen Führer des Austromarxismus bei der überwiegend noch sozialdemokratisch eingestellten Arbeiterschaft als Ausdruck von Nicht-Zustimmung aufgefaßt werden können. Die maßgebenden NS-Führer bemühten sich daher intensiv, propagandistisch wirksame Zustimmungserklärungen angesehener Vertreter aller halbwegs wichtigen politisch-sozialen und weltanschaulichen Gruppen zu erlangen.

Mit Loyalitätserklärungen von Kardinal Innitzer und der Empfehlung des österreichischen Episkopats, am 10. April 1938 mit „Ja“ zu stimmen, gelang Bürckel ein rascher Erfolg, den der Beauftragte Hitlers später nicht einmal mit der Einhaltung gegebener kirchenpolitischer Zusicherungen zu begleichen hatte

Noch einfacher scheint den NS-Führem die Erlangung der Zustimmung zum „Anschluß“ von Seiten des ersten sozialdemokratischen Staatskanzlers Karl Renner gemacht worden zu sein. Renners Zustimmungserklärung erforderte offensichtlich kaum mehr als die Erweckung vager Hoffnungen, dadurch das Los politisch und rassisch verfolgter Parteifreunde verbessern zu können. Zwar distanzierte Renner sich in dem Interview, das am 2. April 1938 im „Neuen Wiener Tagblatt“ erschien, anders als der katholische Episkopat, deutlich von den Methoden, mit denen der „Anschluß“ herbeigeführt wurde. Dennoch fiel seine Zustimmung, nur erklärlich aus der jahrzehntelangen sozialdemokratischen Anschlußideologie, recht überschwenglich aus, indem er den vollzogenen „Anschluß“ als „geschichtliche Tatsache“ hinnahm und erklärte, „und diese (Tatsache) betrachte ich als wahrhafte Genugtuung für die Demütigungen von 1918 und 1919, für St. Germain und Versailles. Ich müßte meine ganze Vergangenheit als theoretischer Vorkämpfer des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen wie als deutsch-österreichischer Staatsmann verleugnen, wenn ich die große geschichtliche Tat des Wieder-zusammenschlusses der deutschen Nation nicht freudigen Herzens begrüßte.“

Renner leistete damit einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren der NS-Herrschaft. Dieser politische Fehler wurde auch dadurch nicht gemindert, daß sich auch andere ehemals führende sozialdemokratische Funktionäre im Exil — wie etwa Otto Bauer und Friedrich Adler — dafür aussprachen, den nun einmal vom Nationalsozialismus erzwungenen „Anschluß“ im Sinne einer Voraussetzung für die erhoffte gesamtdeutsche soziale Revolution nicht mehr rückgängig zu machen

Allein durch diese beiden Zustimmungserklärungen war dem Nationalsozialismus ein abstimmungsgemäßes Wohlverhalten von etwa zwei Dritteln der österreichischen Bevölkerung sicher. Das „nationale Lager“ war ohnehin entweder direkt nationalsozialistisch geworden oder es trat aus Tradition für den „Anschluß“ ein. Die ebenso reibungslose Erlangung von öffentlichen „Huldigungen“ der Repräsentanten anderer Gruppen wie der nichtkatholischen Kirchen, der Wiener Tschechen, der Kärntner Slowenen, prominenter Träger von Wissenschaft und Kultur war demgegenüber nur noch eine Art flankierender Maßnahme.

Wie problematisch insgesamt das Ergebnis des Plebiszits war, geht aus dem Umstand hervor, daß einige kleine Bauemgemeinden in Tirol, zu denen die Kunde von dem Umschwung nicht gedrungen war, die von Schuschnigg für den 13. März angesetzte und dann abgesagte Volksbefragung doch durchgeführt und zu 100 % gegen den „Anschluß“ gestimmt hatten, dann aber am 10. April mit demselben Stimmenverhältnis den „Anschluß“ bekräftigten.

Abschließend erhebt sich daher die immer nur spekulativ zu beantwortende Frage, wieviele der Ja-Stimmen auf die wirklich überzeugten Anhänger Hitlers und des „Anschlusses“ entfielen. Dazu liegen nur vage Schätzungen über den Stand vor dem „Anschluß“ vor. In einer für die NS-Ideologie überdurchschnittlich stark anfälligen sozialen Gruppe, der Beamtenschaft, waren nach Schätzungen der Gestapo in Tirol 35 bis 40 % offene oder verdeckte Gegner, 45 % Nationalsozialisten und 10 bis 20 %

bis 40 % offene oder verdeckte Gegner, 45 % Nationalsozialisten und 10 bis 20 %

Mitläufer 34). Insgesamt hatten die „ständestaatlichen“ Behörden die Zahl der nationalsozialistischen Aktivisten auf um 80 000 geschätzt, wohingegen die NSDAP nach dem „Anschluß“ in Österreich rund 200 000 „alte Kämpfer“ und „Illegale“, zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch „Märzenveilchen“ (Opportunisten), feststellte. Schuschnigg rechnete bei seiner für den 13. März geplanten, zweifelsohne ebenfalls nicht korrekten Volksbefragung mit einer „verläßlichen Mehrheit von 65 bis 75 Prozent“ 35). Somit wäre in der gegebenen Situation mit nur 25 bis 35 Prozent echten und unbedingten „Anschluß“ -Begeisterten, ein großer Teil davon Nationalsozialisten, zu rechnen gewesen.

IV. Die Einstellung der Bevölkerung zum „Anschluß“: pro oder kontra

Bei einer Erörterung der Zustimmung der österreichischen Bevölkerung eher zum „Anschluß“, weniger zum Nationalsozialismus ist des weiteren hervorzuheben, daß es dem Nationalsozialismus innerhalb weniger Tage oder doch Wochen gelungen ist, ein wirklich überwältigendes Bild der allgemeinen Zustimmung hervorzurufen. Für das heutige Österreichverständnis geradezu beschämend sind die zahlreichen in-und ausländischen Berichte von dem „Begeisterungssturm“ auf Straßen und in Kundgebungen. Was vielleicht noch mehr zählt, ist die Tatsache, daß es kein einziges der historischen Forschung bekannt gewordenes Photo gibt, auf dem die Spalier stehenden Zuschauer auch nur annähernd jene schmerzverzerrten Gesichter zeigen wie die tschechische Bevölkerung beim Einmarsch Hitlers in Prag. Diesen Umstand einfach auf die Manipulation der Pressephotographen und die Kontrolle der Meinungsäußerung zurückzuführen, wie dies gerade wieder in jüngster Zeit nicht selten geschieht, ist geschichtswissenschaftlich schlichtweg unseriös. Jede private Photosammlung aus dieser Zeit dürfte das offizielle Bildmaterial bestätigen. Sicher waren es nicht alle Österreicher, die sich bis zur Hysterie begeistert zeigten. Nachweislich waren viele von den Vorgängen Mitte März 1938 distanziert und beunruhigt. Doch die überwiegende Mehrheit der Österreicher — so muß man bekennen — nahm den „Anschluß“, wenn nicht offen zustimmend, so doch mindestens passiv abwartend hin. Das heißt nicht, daß sie auch dem Nationalsozialismus in jeder seiner Dimensionen zugestimmt hätten.

Die eigentliche Frage der österreichischen Historiographie zur Zeit nach dem 11. März 1938 hat daher zu lauten: Warum gab es so wenig gezeigten Protestwillen und so wenige registrierbare Widerstandshandlungen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, abgesehen nur von einer verschwindenden Minderheit kommunistischer, sozialistischer und katholisch-konservativer Aktivisten? Natürlich waren die antinationalsozialistischen Organisationen auf einen Widerstand gegen einen Unterdrückungsapparat wie den des Nationalsozialismus nicht genügend vorbereitet. Natürlich waren diese Organisationen vollauf beschäftigt, ihre gefährdeten Mitglieder in Sicherheit zu bringen. Doch die Tatsache eines fehlenden bereiten Widerstands bleibt bestehen und ist ohne die Berücksichtigung einer Reihe von z. T. schon aufgezählten Faktoren nicht erklärbar. Diese Faktoren sind: — der tatsächlich perfekt von oben her organisierte Terror und zugleich das Aufbrechen eines nationalsozialistischen Terrors von unten aus den Kreisen der einheimischen Nationalsozialisten und Mitläufer; — die in der ganzen Ersten Republik nahezu allumfassende Anschlußideologie und Orientierung des Nationalbewußtseins auf Deutschland hin — eine Orientierung, die so selbstverständlich war, daß sich selbst die Österreichideologie des „Ständestaates“ ihr nicht zu entziehen vermochte; — damit zusammenhängend das vor allem im Bürgertum verbreitete Bedürfnis nach Wiederherstellung imperialer Großmachtstellung, in der diese Schichten ihre gesellschaftlich (relativ) bedrängte Stellung außenpolitisch zu kompensieren suchten (Reichsmythos); — die insbesondere in Westösterreich verbreitete Erleichterung, daß eine kriegerische Auseinandersetzung, die weite Teile des Landes zum Kriegsschauplatz gemacht hätte, vermieden wurde; — die Erleichterung auf Seiten der ehemals sozialdemokratischen Arbeiterschaft über eine Beseitigung des autoritären „Ständestaates“, der als diktatorisches Regime per se gar nicht imstande sein konnte, dieses ausgeschlossene Drittel der österreichischen Bevölkerung am politisch-sozialen Herrschaftsprozeß teilnehmen zu lassen; und schließlich — vor allem die wirtschaftlichen Erwartungen (nicht schon reale Verbesserungen), die sich mit einem „Anschluß“ Österreichs an Deutschland bei einem oberflächlichen Vergleich beider Länder ergaben: hier eine beinahe noch auf dem Weltwirtschaftskrisen-Niveau stagnierende Wirtschaft mit etwa einer halben Million Arbeitslosen und Ausgesteuerten, dort ein rascher Wirtschaftsaufschwung mit einem deutlichen Arbeitskräftemangel. Daß die deutsche Wirtschaft direkt auf den Zweiten Weltkrieg zusteuerte, war nicht vielen bewußt. Der Verlust der staatlichen Unabhängigkeit und die Vertauschung einer politischen Unfreiheit durch eine andere waren ein vorerst leichtfertig gezahlter Preis.

Gauleiter Bürckel, der die Volksabstimmungskampagne in Österreich leitete, war sich durchaus im klaren darüber, daß die „augenblickliche Massen-begeisterung . . . nicht überschätzt werden“ dürfe Er und andere NS-Führer in Österreich gingen immer davon aus, daß die bisher katholisch-konservativ eingestellten sozialen Gruppen, vor allem die Bevölkerung der Agrargebiete und das Großbürgertum sowie die ehemals sozialdemokratische und kommunistische Arbeiterschaft, im Grunde nicht ihre bisherige politische Überzeugung aufgegeben hätten, wenngleich sie mit „Ja“ gestimmt hatten.

Die Antwort auf die hier gestellte Frage soll daher weder im Sinne des einen noch des anderen Extrems gegeben werden. Die zweifelsohne weit verbreitete Anschlußbegeisterung der Österreicher im März und April 1938 entsprach in vielem der augenblicklichen Situation; sie war sicher nicht annähernd so hoch, wie die Abstimmungsergebnisse suggerieren. Doch sollten Terror und Meinungsmanipulation nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich dabei um einen Aufbruch echter nationaler Begeisterung in jenem Sinne, wie sich der Großteil der Österreicher der Zwischenkriegszeit national verstand, handelte. Die machtpolitische Zukunft des Dritten Reiches war trotz aller Ankündigungen des NSDAP-Programms und der Parteiführer schließlich noch offen; viele seiner außen-und innenpolitischen Ziele deckten sich mit den ohnehin bodenständigen autoritären Denkstrukturen und korporatistischen institutioneilen Traditionen, und das Los der verfolgten Minderheiten — Juden, Zigeuner, Slawen, politische Gegner — berührte nur wenige. Die Anpassung der Österreicher im Jahre 1938 auf puren Opportunismus zurückzuführen, griffe zu kurz. Sie waren durchaus in ihrer Mehrheit bereit, im „Großdeutschen Reich“ ihre „Pflicht“ zu erfüllen.

V. Wirtschaftlich-soziale Bilanz: Ausbeutung oder Gewinn?

Eine andere Streitfrage im Zusammenhang mit dem „Anschluß“ ist die Einschätzung seiner gesellschaftlichen, insbesondere sozialpolitischen und wirtschaftlichen Folgen. Es war zunächst eine auch vom Ausland nicht hinterfragte Annahme aller nichtnazistischen und nicht-NS-freundlichen Interpretationslinien, die „Okkupation“ des Landes mit schärfster wirtschaftlicher Ausbeutung, mit Verschlechterung der Lage der Arbeiterschaft (vor allem in der „austromarxistischen“ Interpretation) und den Negativerscheinungen des Weltkriegs gleichzusetzen und positive Kurzfristeffekte sowie Strukturveränderungen, verstanden im Sinne des wirtschaftspolitischen Konsenses der Zweiten Republik bis in die frühen achtziger Jahre, nicht gelten zu lassen. Allerdings ergaben sich aus der österreichischen Situation in den siebziger Jahren differenziertere Interpretationsmöglichkeiten: Die „Anschlußidee“ war zu einem großen Teil überwunden, ein nicht weniger als in der Bundesrepublik Deutschland beeindruckendes „Wirtschaftswunder“ hatte das österreichische Selbstbewußtsein dem deutschen Nachbarn gegenüber und international in der Ära Kreisky gewaltig gehoben, und es bestanden auch keine offenen vermögensrechtlichen Fragen mit Nachbarstaaten mehr. So konnten Ende der siebziger Jahre auf der Grundlage eines erstmals nicht mehr latent „paranazistischen“ oder kämpferisch antinazistischen Selbstverständnisses auch die positiven Effekte des „Anschlusses“ thematisiert und in den Kontext des NS-Regimes gestellt werden. Zunächst seien solche „ambivalente“ Aspekte am Beispiel der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Folgen der Integration Österreichs in das nationalsozialistische Deutschland skizziert

Daß 1938 in aller Massivität eine Ausbeutung von Österreichs wertvollen, zum Teil noch ungenutzten wirtschaftlichen Ressourcen im Interesse des „Großdeutschen Reiches“ einsetzte, empfand die breite Mehrheit der Österreicher zunächst nicht als negativ, stellte sich dieser Vorgang doch als die ersehnte Belebung der infolge der deflationistischen Wirtschaftspolitik des „Ständestaates“ immer noch damiederliegenden Wirtschaft dar. Nicht nur das gesamte staatliche Eigentum — gewaltige Devisen-und Goldreserven, Grundbesitz, Bundesforste, Eisenbahnen, Monopolbetriebe, Kunstschätze etc. — ging mit dem Ende Österreichs auf das Dritte Reich über. Auch die industriellen und finanziellen Großunternehmen gerieten in einem noch größeren Ausmaß in deutsche Hände, als es in der Ersten Republik schon geschehen war. Der Reichtum Österreichs an Eisenerz, Magnesit, Erdöl, Holz, elektrischer Energie usw. war für die unter Rohstoffknappheit leidende deutsche Rüstungswirtschaft ein dringend benötigtes Erfordernis für die weitere Expansion. Noch wertvoller war das unausgeschöpfte Potential Österreichs an menschlicher Arbeitskraft und Fertigkeit, das vom nationalsozialistischen Deutschland zuerst in die Wirtschaft geleitet, dann im Kriegseinsatz verheizt wurde. Die meisten Sparten der österreichischen Volkswirtschaft erwarteten sich vom „Anschluß“ einen fühlbaren Aufschwung.

In der Tat kam es auch 1938/39 zu einem Wirtschaftsboom ersten Ranges und zu einer Art Gründungsfieber in allen direkt und indirekt rüstungsabhängigen Sparten. Großprojekte der Schwer-und Metallindustrie, der chemischen Industrie und der Energieerzeugung wurden im Interesse der deutschen Wirtschaft bevorzugt vorangetrieben. Die Landwirtschaft erhielt Produktions-und organisationstechnische Impulse zur Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit. Ihre drückende Verschuldung wurde nicht durch eine Entschuldung, wohl aber durch eine Umschuldung auf längere Zahlungsziele hin gemildert. Doch die mit der Erzeugung von Gütern des kurz-und langfristigen privaten Bedarfs befaßten Wirtschaftszweige, aber auch manche traditionelle Exportgüterindustrien profitierten von dem einseitigen Boom nur noch wenig. Und als die erste stürmische Expansionsperiode vorüber war, stellten viele österreichische Unternehmer und noch mehr nationalsozialistische Parteigänger, die ihr Wunsch zum Wiederaufstieg in die Klasse der besitzenden Kleinbürger politisch motiviert hatte, enttäuscht fest, daß sich die deutschen Konzerne die meisten der einträglichen Betriebe gesichert und ihr Führungspersonal dort untergebracht hatten, daß auch die „Arisierung“ genannte Beraubung der österreichischen Juden nicht dem „Mittelstand“, sondern in erster Linie der großen Wirtschaft genützt hatte — ein Faktor, der innerhalb der österreichischen NSDAP eine steigende Ablehnung der „reichsdeutschen“ Parteigenossen, wenngleich nicht des Nationalsozialismus überhaupt, hervorrief.

Schon 1940/41 zeigte sich, daß vor allem der Osten Österreichs im Vergleich zu den westlichen Regionen und dem „Altreich“ immer weiter zurückblieb, so daß führende Nationalsozialisten in Wien und Berlin ein (niemals realisiertes) Programm zur Abwendung einer wirtschaftlichen (und politisch-psychologischen) Krise in der „Ostmark“ entwerfen mußten. Der später auch auf Österreich übergreifende Luftkrieg mit seinen Menschenopfern und materiellen Zerstörungen stürzte schließlich ab 1943 das Land in ein Chaos. Dennoch verschwanden viele der eingetretenen strukturellen Veränderungen nicht mehr, und die Zweite Republik konnte vielfach — trotz aller kriegsbedingten Rückschläge — daran anschließen, ja, die Wirtschaftsstruktur Österreichs trägt, im guten wie im schlechten, bis in die Gegenwart hinein die Züge des „Anschluß“ -Erbes. Überhaupt erfuhr Österreich in vielen Sektoren eine beschleunigte gesellschaftliche Modernisierung eine tendenzielle „Entprovinzialisierung der Provinz“ und Reduktion seiner regionalen Disparitäten zwischen Ost und West bzw. Wien und den „Ländern“, eine Westorientierung, die bis heute weiterwirkt. Ähnlich ambivalent — sich von überwiegend positiven Reaktionen zum stärkeren Hervortreten der Nachteile des „Anschlusses“ wandelnd — verlief auch die Entwicklung auf dem Sektor der Sozialpolitik. insbesondere der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen

Es ist überflüssig zu betonen, daß alle diese mindestens zweischneidigen „Errungenschaften“ nur für „Volksgenossen“ galten, während politische Gegner, „Fremdvölkische“ und Juden davon partiell bis total ausgeschlossen waren. Gerade auf Kosten der Juden wurde auch eine in Österreich, und ganz besonders in Wien, gesamtgesellschaftlich ins Gewicht fallende „negative Sozialpolitik“ durchge-führt. Diese „negative Sozialpolitik“ bestand darin, daß auf Gebieten, in denen der Nationalsozialismus infolge sozialer Rücksichtnahmen auf Privilegierte oder in Sektoren, wo er infolge seiner Kriegsvorbereitungen nicht einmal in Friedenszeiten eine konstruktive Sozialpolitik durchführen konnte, den „Partei-und Volksgenossen“ oft echte Verbesserungen ihrer Lebenslage nur auf Kosten der verfolgten Minderheiten verschaffte. Dies geschah vor allem in der „Mittelstandspolitik“, die weitgehend mit dem Eigentum der jüdischen Geschäfte und durch sonstige „Arisierungen“ betrieben wurde Dasselbe geschah auf dem Gebiet der Wohnraum-beschaffung, wo die Vertreibung und Vernichtung der Juden bis 1942 den Wohnbestand der Wiener „arischen“ Bevölkerung um etwa 10% bis 15% vermehrte, um bedeutend mehr als die 64 000 Wohnungen, die eine 15jährige sozialdemokratische Wohnbautätigkeit seit 1918/19 hatte schaffen können Und es gab Anzeichen, daß sich diese Art von Sozial-und Wirtschaftspolitik auf Kosten der slawischen Minderheiten, vielleicht auch auf Kosten der Katholischen Kirche nach einem „Endsieg“ fortgesetzt hätte.

All diese Formen nationalsozialistischer pseudosozialpolitischer Maßnahmen haben dazu geführt, daß das Regime auch in Österreich nicht bloß auf Terror und propagandistischer Beeinflussung aufgebaut war, sondern sich auf mehr oder weniger breite Zustimmung oder Duldung verlassen konnte. Doch je mehr für das frühere Heer der Arbeitslosen (600 000) und die lohnabhängige Bevölkerung überhaupt die Beschäftigung und die Wiedererlangung und Verbesserung sozialer Sicherungen zur Selbstverständlichkeit wurden, um so stärker traten die Nachteile der Situation seit dem „Anschluß“ ins Bewußtsein. Noch stärker wirkte es sich aus, als nach wenigen Monaten allgemein erkennbar wurde, daß die von der Propaganda angefachten Erwartungen zur Erlangung wirtschaftlicher und sozialer Vorteile zum Teil in einer in voller Kriegsvorbereitung befindlichen Gesellschaft nicht erfüllbar waren. Daher ließ die Massenzustimmung zu dem nationalsozialistischen „Anschluß“ in Österreich, vor allem im Osten des Landes, schon im Herbst 1938 merklich, mit dem Näherkommen des Krieges beschleunigt nach, um allerdings bei jedem neuerlichen außenpolitischen und militärischen Erfolg wieder zurückzupendeln. Dadurch traten im Laufe des Zweiten Weltkrieges die Elemente der Unterdrückung, aber auch das Moment der chauvinistischen Integration gegenüber äußeren Gegnern in der NS-Herrschaftspraxis immer mehr in den Vordergrund. Partielle wirtschaftliche und soziale Unzufriedenheit, verschärfte politische Verfolgung und erwachende Resistenz stehen dabei in einem untrennbaren Wechselwirkungsverhältnis, in das auch die Auswirkungen der politisch-verwaltungsmäßigen Gleichschaltung hineinspielten.

VI. Auflösung Österreichs: aufgezwungen oder freiwillig?

Besondere Schwierigkeiten, den komplexen historischen Tatbestand des „Anschlusses“ mit dem dominanten staatlichen (und nationalen) Selbstverständnis des heutigen Österreich zu vereinen, ergeben sich auf dem Sektor der symbolisch aufgeladenen und personalisierten Frage nach Bruch oder Kontinuität des Nach-„Anschluß“ -Österreichs mit der Ersten bzw. Zweiten Republik. So wird allzu-leicht eine staats-und völkerrechtliche Diskontinuität — im letzteren Fall von der offiziellen Geschichtsinterpretation nicht einmal behauptet, während die Rechtswissenschaft dahin tendiert, von einem „Scheintod“ Österreichs zu sprechen — auf die Gesamtgesellschaft übertragen, in der dieser Tatbestand gerade am wenigsten existierte. Daher auch das besonders markante Auseinanderklaffen zwischen Populartradition des Geschichtsbewußtseins über die „Anschluß“ -Periode und den offiziösen Lesearten, zwischen den antinazistischen Geschichtsbildern und den (älteren) wissenschaftlichen Darstellungen. „Untergang Österreichs“, „Finis Austriae“, „Tod eines Staates“ sind in diesem Zusammenhang häufig gebrauchte Metaphern, die, wie zu zeigen sein wird, auf der gesamtstaatlichen Betrachtungsebene durchaus in einem hohen Maße, doch nicht einmal hier vollkommen zutreffend sind, geschweige denn auf der regional-und lokalgeschichtlichen Ebene der Politik-und Verwaltungsabläufe

Der Begriff des Anschlusses hatte bis 1938 viel vom Charakter einer staatsrechtlichen und politischen Leerformel an sich gehabt, auf die sich die unterschiedlichsten politischen Gruppen und gesellschaftfichen Interessen hätten einigen können, solange nicht konkretisiert wurde, auf welche Weise die Vereinigung Österreichs mit Deutschland die und Judenverfolgung in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg, in: Das österreichische Judentum, Wien 1974, S. 141— 164; Erika Weinzierl, Zu wenig Gerechte, Graz 1969. politischen Machtzentren unterschiedlichster Rangordnung innerhalb des einzugliedernden Landes betraf Da politische Machtausübung selbst in einem Willkür-und Maßnahmenstaat wie dem Dritten Reich mindestens zum Teil im Rahmen verfassungsmäßiger Nonnen und einer geordneten Verwaltung ablief, war die Frage der rechtstechnischadministrativen Eingliederung, die Entscheidung von Verwaltungsaufbau und administrativer Gebietsabgrenzung. zugleich eine Frage von eminent politischer Bedeutung. An ihr kristallisierten sich binnen kurzem unterschiedliche soziale Interessensrichtungen heraus. Sie waren es auch, die in wechselnden Tendenzen der „Ostmark" -Politik wirksam wurden, je nachdem, welche Gruppierung stärkeres Gewicht erlangte. Hitlers Führerstellung in dem vielfältigen In-, Mit-und Gegeneinander der politisch-sozialen Realität des Dritten Reiches war. wie sich gerade in der „Ostmark" -Politik zeigte, oft nicht mehr als die eines Schiedsrichters oder Beobachters.der sich auf die Seite des voraussichtlich Stärkeren stellte, aber im Fall Österreichs ein hartnäckiges Interesse an personalpolitischen, wirtschaftlichen und stadtplanerischen sowie anderen Details der Politik zeigte.

In zeitlicher Abfolge stellt sich die wechselnde Österreich-Politik des Dritten Reiches als eine ständige, stufenweise Verschärfung dar: Von lockeren Formen der Einbindung des neuen Gebietes in das Deutsche Reich ging die Entwicklung zu immer engeren Integrations-und Gleichschaltungsformen über. Vier solcher Stufen lassen sich unterscheiden: 1. Stufe: Eine ganz lockere Form des Zusammenschlusses Österreichs und Deutschlands durch eine Personalunion der Ämter der beiden Staatsoberhäupter in der Person Hitlers Ein diesbezüglich bis zum Einmarsch der deutschen Truppen bestehender Plan wurde schon von den Ereignissen überholt, noch bevor er überhaupt verwirklicht werden konnte. Er war auf deutscher Seite nur durch außenpolitische Rücksichtnahme und Bedenken bezüglich der Anschlußbegeisterung der Österreicher motiviert gewesen. Da sich diese Gründe binnen kurzem als nicht stichhaltig erwiesen, hatte die deutsche Staatsführung schon am Abend des 12. März kein Interesse mehr daran. Hitler gab diesen Plan schon auf, während er noch in Linz weilte.

2. Stufe: Vollständige staatsrechtliche Vereinigung Österreichs mit Deutschland, wobei Österreich als Ganzes erhalten bleiben sollte. Diese Lösung wurde durch das ,. Anschluß“ -Gesetz vom 13. März 1938 tatsächlich herbeigeführt und bestimmte in den nächsten vier bis sechs Wochen den Großteil der verfassungs-und verwaltungsrechtlichen Schritte. Sie ist mit Seyß-Inquart in seiner Stellung als Reichsstatthalter in Österreich aufs engste verknüpft. Diese Lösung hätte zweifellos den Interessen der konservativ-katholischen Richtung im österreichischen Nationalsozialismus und den traditionellen Machtträgem, vor allem den staatlichen Bürokratien und Teilen der ostösterreichischen Exportwirtschaft, am meisten entsprochen.

Doch schon zur Zeit der „Volksabstimmung“ begann man. sich im Stab des Volksabstimmungsbeauftragten Bürckel mit einem neuerlichen Kurs-wechsel in der „Anschluß“ -Politik zu befassen. Nachdem Bürckel am 23. April 1938 die volle staatliche und NS-politische Macht in Österreich durch die Ernennung zum Reichskommissar erlangt hatte, fielen im Mai 1938 die Entscheidungen, die im „Ostmark-Gesetz“ vom 14. April 1939 schließlich verwirklicht wurden, nämlich als 3. Stufe, die auf eine Auflösung Österreichs als Ganzes und auf eine separate Eingliederung der einzelnen Bundesländer als „Reichsgaue“ hinauslief (Burgenland und Vorarlberg wurden überhaupt aufgelöst). Diese „Reichsgau" -Lösung verletzte zwar die Interessen jener Gruppen, die die vorhergehende Stufe unterstützt hatten, sie fand jedoch auch in Österreich keinen geringen Rückhalt, vor allem bei den Bundesländer-Nationalsozialisten, bei der nach Deutschland ausgerichteten Wirtschaft und beim Bürger-und Kleinbürgertum der Landeshauptstädte, deren Anti-Wien-Affekt aus der Ersten Republik auch nach der NS-Machtübernahme weiterwirkte. Die Hauptbefürworter der „Reichsgau“ -Lösung waren jedoch die zentralen NSDAP-Stellen und die obersten Reichsbehörden in München und Berlin, die an einer möglichst weitgehenden Auslöschung all dessen interessiert waren, was an Österreich erinnern konnte, und die hier ihre eigenen verfassungspolitischen Vorstellungen von einem nationalsozialistischen Reich verwirklichen wollten.

Doch gibt es einige Anhaltspunkte, daß die 3. Anschluß-Stufe nicht auch die endgültige sein sollte. Schon im April und Mai 1938 gab es Bestrebungen von Seiten deutscher Machtträger, vor allem des Reichsinnenministers Frick, Bormanns und Reichs-kommissars Bürckel, auf einer 4. Stufe eine noch engere rechtliche und politische Integration Österreichs herbeizuführen. Die „Reichsgaue“ auf österreichischem Gebiet sollten sich nicht einmal mehr an die historischen Bundes-ländergrenzen anlehnen, sondern nach verwaltungstechnischen Gesichtspunkten völlig neu gebildet werden. Vorarlberg wäre vielleicht zu Schwa-B ben gekommen, Tirol wahrscheinlich zu Bayern, Kärnten und die Steiermark hätten eine Einheit gebildet usw. Politisch hätte dies zweifellos eine totale Brechung jedes historisch verankerten Staats-und Landesbewußtseins bedeutet. Da Hitler eine daraus unvermeidlich resultierende allgemeine Mißstimmung der Österreicher nicht in Kauf nehmen wollte, wurden solche Maximalpläne zurückgestellt. Möglicherweise wären sie aber nach einem, wie man erhoffte, siegreichen Weltkrieg wieder hervorgeholt worden.

Schon die vorletzte Stufe war für Österreich schlimm genug; es wurde in seine historischen Bausteine zerlegt (Reichsgaue Wien, „Niederdonau“, „Oberdonau“, Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol) und jeder politischen Eigenständigkeit beraubt. Mit der Liquidation der meisten alten Zentralbehörden in Wien, das auf die Stufe einer zweitrangigen Großstadt herabgedrückt wurde, wurden 1940 auch die Bezeichnungen „Österreich“ und „Ostmark“ eliminiert, da sie der deutschen Staatsführung zu sehr mit historischen Reminiszenen verknüpft waren. Aber auch die an ihre Stelle tretende Sammelbezeichnung „Reichsgaue der Ostmark“ schien Anfang 1942 so gefährlich zu werden, daß auch ihre Verwendung untersagt wurde und — wenn eine zusammenfassende Bezeichnung ganz unvermeidlich war — nur durch die Neuprägung „Alpen-und Donaureichsgaue“ ersetzt werden durfte Und dennoch ist es so. daß diese „Auslöschung“ Österreichs, solange es dem „Heimatgefühl“ und dem „Landesbewußtsein" nicht widersprach. auch von vielen „Ostmärkern“, insbesondere im Westen und Süden des Landes, hingenommen wurde.

VII. Überwindung der Anschlußidee: Selbstfindung oder Opportunismus?

Auf der wirtschaftlichen, sozialen und politisch-institutionellen Ebene zeichnete sich im Bewußtsein der Bevölkerung schon im Herbst 1938 ein immer stärker werdendes Hervortreten (und schließliches Überwiegen) der negativen Seiten des Anschlusses ab. Je nach sozialer Klasse und Schicht waren dabei jeweils andere Probleme ausschlaggebend. Teile des österreichischen Großbürgertums und des besitzenden Kleinbürgertums verspürten die Auswirkungen der auf Konzentration ausgerichteten und daher die deutschen Großunternehmen bevorzugenden NS-Wirtschaftspolitik, die auch in der Vergabe des geraubten jüdischen Besitzes zum Tragen kam. Viele Arbeiter fühlten sich in ihren anfänglichen Erwartungen und im Vergleich mit dem . Altreich“ weiterhin lohn-, sozial-und gesellschaftspolitisch enttäuscht. Katholische Kleinbürger und Bauern wurden von dem nach einer Protestdemonstration jugendlicher Katholiken in Wien am 7. Oktober 1938 („Rosenkranzfest“) aufbrechenden offenen Kirchenkampfzurückgestoßen. Die Beamtenschaft und das Bildungsbürgertum fühlten sich durch die politische und kulturelle Zurücksetzung Österreichs in ihrem persönlichen Selbstwertgefühl mitgetroffen. Die „mittelständischen“ Kernschichten des Nationalsozialismus empfanden Unmut über die ausbleibende wirtschaftlich-gesellschaftliche Kompensation für die auf sich genommenen Verfolgungsmaßnahmen des „Ständestaates“ und über die Zurücksetzung inner-parteilichen (vor allem deutschen) Rivalen gegenüber. Aus diesen verschiedenen Strömen wurde ein allmählich steigendes Potential kollektiver Unzufriedenheit. Erst vor diesem Hintergrund konnte sich ab 1939 bzw. 1943 ein nennenswerter spontaner und organisierter Widerstand kommunistischer, katholisch-konservativer und sozialdemokratischer Gruppen bilden

Wie die Begeisterung großer Teile der Bevölkerung im März 1938 über den „Anschluß“ als Zustimmungserklärung zum Nationalsozialismus aufgefaßt werden konnte und jedenfalls zur Stabilisierung von dessen Regierungssystem mit beitrug, so war auch die politisch-gesellschaftliche Ablehnung des Nationalsozialismus untrennbar mit der österreichisch-patriotischen Unzufriedenheit über den „Anschluß“ vermengt. Wie in Wiederaufnahme und Nachholung der Verbindung von nationaler und demokratischer Bewegung des frühen 19. Jahrhunderts begannen im österreichischen Widerstand antifaschistische und separatistisch-nationale Momente zu verschmelzen — eine Entwicklung, die für die Zweite Republik grundlegend werden sollte. Es ist daher kaum möglich, auch im organisierten Widerstand einigermaßen scharf zu trennen, ob die Erweckung eines Österreich-Bewußtseins dem antifaschistischen Kampf oder — umgekehrt — der Antifaschismus der Wiedererlangung österreichischer Unabhängigkeit dienen sollte.

Doch erst die Wende von Stalingrad Anfang 1943, die Veröffentlichung , der Moskauer Deklaration der alliierten Außenminister vom 30. Oktober 1943 und der Attentats-und Umsturzversuch Stauffenbergs vom 20. Juli 1944 stimulierten den Gedanken eines wieder selbständigen Österreichs ganz wesentlich. Vor allem die oppositionellen politischen Eliten, nunmehr auch die sozialistischen Aktivisten und Widerstandskämpfer im Inland und in der Emigration, sahen weitgehend übereinstimmend ihr politisches Ziel in die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs. Die Tatsache, daß die „Moskauer Deklaration“ die Nachkriegsbehandlung Österreichs von seinem eigenen Beitrag zur Befreiung abhängig machte, läßt manche Äußerung von Österreich-Separatismus freilich im Lichte opportunistischer Anpassung erscheinen. Wie schon in der vor-nationalistischen Anschlußbewegung wirtschaftliche und politische Zweckmäßigkeitserwägungen oft mehr als Deutschnationalismus gezählt hatten, so wurden solche pragmatischen Beweggründe auch 1943 bzw. 1945 für das Entstehen des österreichischen Nationalbewußtseins wichtig. Als im September 1944 der Gestapochef Ernst Kaltenbrunner einige österreichische Reichsgaue bereiste, stellte er in Wien eine katastrophale politische Stimmungslage fest, die für „gewisse Österreichtendenzen“ empfänglich sei und schon „Niederdonau“ und — weniger — auch „Oberdonau“ angekränkelt habe. Nur in Salzburg sei noch alles in Ordnung

Daß sich diese nationsbildende Bewußtseinsveränderung in Österreich im stillen schon seit langem vorbereitet hatte, geht aus einer Begebenheit in den autobiographischen Notizen Adolf Schärfs hervor. Schärf, bis dahin wie die allermeisten sozialdemokratischen Parteiführer auf eine Bejahung des Anschlusses eingestellt, versicherte zwar einen Abgesandten der deutschen Widerstandsbewegung der lebhaftesten politischen Sympathie, schloß jedoch schon im Frühsommer 1943 die bezeichnenden Worte an: „Der Anschluß ist tot. Die Liebe zum Deutschen Reich ist den Österreichern ausgetrieben worden.“

Nichts könnte besser als dieser Ausspruch die Haltung des wachsenden Teils der österreichischen Bevölkerung und insbesondere seiner vor-bzw. nachnazistischen politischen Eliten in der Endphase des Weltkriegs charakterisieren — eine Erfahrung, die mit 372 000 Todesopfern des NS-Regimes (oder 5, 6% der Bevölkerung, darunter 35 000 politische Opfer, 65 000 Opfer rassistischer Ausrottungspolitik und 271 000 Kriegstote) teuer erkauft war, jedoch für die Zweite Republik grundlegend wurde.

VIII. Zusammenfassung im Hinblick auf das „Bedenkjahr“ 1988

Im Zentrum von Österreichs politischer Identität steht zweifelsohne die Überwindung der Anschlußidee und der Folgen des „Anschlusses“ von 1938. Nationale Selbstfindung erfolgte in Österreich mehr als vier Jahrzehnte lang unter besonderer Betonung der „Opfer-Rolle“ Deutschland und dem Nationalsozialismus gegenüber, während bestimmte belastende Aspekte, vor allem die Mitbeteiligung von vielen Österreichern am Nationalsozialismus und an dessen Politik im Zweiten Weltkrieg, unterbelichtet wurden. Daher konnte jüngst der österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky zu Recht davon sprechen, Österreich sei als die „Antithese zum Nationalsozialismus“ gegründet worden. Dies entspricht dem Elitenkonsens der Gründergeneration der Zweiten Republik in ÖVP, SPÖ und KPÖ und bezieht sich heute noch vor allem auf die staatliche Existenz Österreichs.

Ein ähnlicher, vor allem in den ersten Jahren nach 1945 vorhandener Konsens über die demokratiepolitischen Dimensionen einer solchen „Antithese zum Nationalsozialismus“ ist seit dem „Kalten Krieg“ und im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte immer mehr in den Hintergrund getreten. Schon die in den siebziger Jahren verstärkt einsetzenden Bemühungen um eine (demokratie-) politische Bildung waren nur zum Teil erfolgreich. Stark abweichend von deren Inhalten, den offiziösen Stellungnahmen und den Ergebnissen neuerer geschichtswissenschaftlicher Forschungen hat sich daher bis heute eine Populartradition erhalten, deren Geschichtsbilder keineswegs direkt nazistisch sind, die jedoch mehr oder weniger deutliche Kontinuitäten mit Österreichs NS-Vergangenheit und autoritär-„ständestaatlichen“ Traditionen aufweisen, die gerade durch Verfolgung und Widerstand unter dem NS-Regime im Sinne des Staatskonsenses der Zweiten Republik nicht nur patriotisch, sondern auch demokratisch legitimiert worden waren.

Für das gerade in jüngster Zeit verhängnisvolle Aufbrechen dieses „paranazistischen Substrats“ während der um Bundespräsident Waldheims „verdrängte“ Kriegsvergangenheit sich zuspitzenden „Staatskrise 1988“ sind neben einigen anderen Eigenheiten der jüngeren österreichischen Zeitge-B schichte vor allem zwei Faktoren zu nennen: einerseits die nicht nur ursprünglich in der bundes-wie DDR-deutschen Gesellschaft gegebene, sondern auch in Österreich starke historische Verankerung von Elementen des Nationalsozialismus und andererseits das österreichische Spezifikum, daß die historisch nur halbrichtige „Opfer-These“ der Alliierten des Zweiten Weltkriegs die Alpenrepublik lange Zeit der internationalen kritischen Beobachtung entzog und hier die „Antithese zum Anschluß“ zum Alibi für eine intensivere Entwicklung der „Antithese zum Nationalsozialismus“ werden konnte.

Somit tritt zu der vertikalen Trennlinie in der gegenwärtigen politischen Kultur Österreichs — zunehmend politisch relevant werdend — eine horizontale Trennlinie. Die eine scheidet traditioneller-weise die beiden großen „Lager“, d. h. neben den spät-deutschnationalen und grün-alternativen Potentialen die jeweils zu unterschiedlich asymmetrischen Volksparteien gewordene Sozialdemokratie und katholisch-konservative Gruppierung. Die Geschichtsbilder dieser beiden großen politisch-gesellschaftlichen Segmente Österreichs sind — mit der noch vorzunehmenden Einschränkung — als einmal mehr antifaschistisch, einmal mehr antinazistisch akzentuierte „Antithesen zum Nationalsozialismus“ zu charakterisieren. Die andere, horizontale Trennlinie in Österreichs politischer Kultur scheidet eine Schicht, in deren historischem und demokratiepolitischem Selbstverständnis in der Tat die genannte Antithese dominiert, von einer solchen, deren Vorstellungen eher von einer Synthese mit den Voraussetzungen und Nachwirkungen des Nationalsozialismus geprägt werden.

Eine geschichtswissenschaftliche Analyse des historischen „Anschlusses“ aus österreichischer Sicht hat sich, ungeachtet wo vorgetragen, den innerösterreichischen Legitimationszwängen, die sich aus der skizzierten Überlagerung der verschiedenen Konfliktlinien ergeben, zu entziehen. Daher wurde hier — in Absetzung sowohl von Österreich-apologetischen Darstellungen als auch von pangermanischen Positionen — versucht, eine interpretatorische Balance zwischen den Extremen zu wahren. Denn: Gesellschaft und politische Kultur Österreichs und viele Österreicher der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben — mehr als oft angenommen — auf direkte oder indirekte Weise zur Entstehung und zum Funktionieren des Nationalsozialismus und zu dessen Regime beigetragen.

Der „Anschluß“ an Deutschland war nicht nur Invasion von außen, sondern auch eine Machtübernahme österreichischer Nationalsozialisten von oben wie von unten. Das Ergebnis der Volksabstimmung vom 10. April 1938 spiegelt daher, über die bekannten Bedingungen des Dritten Reiches hinausgehend, eine von „Anschlußbegeisterung“ getragene Welle des Konsenses mit dem NS-Regime, der jedoch bald wieder einer gewissen Ernüchterung über die gesellschaftliche Realität im „Großdeutschen Reich“ wich, ohne vollends in Oppositionsverhalten umzuschlagen. Denn diese Realität stellte sich für große Segmente der österreichischen Bevölkerung durchaus als ambivalent dar: Terror, politische Entrechtung und vollkommene Auflösung Österreichs wurden zunächst durchaus durch wirtschaftliche Vorteile und gesellschaftliche Modernisierung mehr als kompensiert, so daß erst mit der Verschärfung der Lage im Krieg und der sich abzeichnenden Niederlage eine nachhaltige Umorientierung des Österreichbewußtseins und wachsende Widerstandsbereitschaft einsetzten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ich folge hier vor allem: Hans Mommsen/Albert Martiny, Nationalismus. Nationalitätenfrage, in: C. D. Kernig (Hrsg.). Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft, Bd. 4. Freiburg i. Br. 1971. S. 623ff.; Karl W. Deutsch. Nationenbildung — Nationalstaat — Integration. Düsseldorf 1972; Charles Tilly (Hrsg.). The Formation of Nation States in Western Europe. Princeton. N. J.. 1975. Auf einzelne Teile dieses Beitrags bin ich ausführlicher eingegangen in: Der 13. März 38 und die Anschlußbewegung. Wien 1978. und: Der ambivalente „Anschluß“ 1938/39. in: Zeitgeschichte. 6 (1978) 3. S. 91-109.

  2. Siehe vor allem: William T. Bluhm. Building an Austrian Nation. New Haven. Conn.. 1973; Peter V. Katzenstein. Disjoined Partners. Berkeley. Ca.. 1976; Robert A. Kann/Friedrich Prinz (Hrsg.). Deutschland und Österreich. Wien 1980; neuestens: Fritz Fellner. Das Problem der österreichischen Nation nach 1945. in: Otto Büsch/James J. Sheehan (Hrsg.). Die Rolle der Nation in der deutschen Geschichte und Gegenwart. Berlin 1985. S. 193— 220; Gerhard Botz. Eine deutsche Geschichte 1938— 1945? Österreichische Geschichte zwischen Exil. Widerstand und Verstrickung, in: Bernd Hey/Peter Steinbach (Hrsg.). Zeitgeschichte und Politisches Bewußtsein. Köln 1986. S. 160-185; Rudolf G. Ardelt. Drei Staaten — zwei Nationen — ein Volk? Oder die Frage wie deutsch ist Österreich?, in: Zeitgeschichte. 13

  3. Vgl. Felix Kreissler. Der Österreicher und seine Nation, Wien 1984. S. 497.

  4. Vor allem: Friedrich Heer. Der Kampf um die österreichische Identität. Wien 1981; Heinrich Lutz/Helmut Rumpler (Hrsg.), Österreich und die deutsche Frage im 19. und 20. Jahrhundert. München 1982; Ernst Bruckmüller, Nation Österreich. Wien 1984; F. Kreissler (Anm. 3); ferner: Georg Wagner (Hrsg.), Österreich. Von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein. Wien 1982; Erwin Ringel. Die österreichische Seele. Wien 1984.

  5. Für Literaturhinweise siehe u. a.: Siegfried Matti. Bestandsaufnahme zeitgeschichtlicher Forschung in Österreich, Wien 1983; Peter Malina/Gustav Spann. Bibliographie zur österreichischen Zeitgeschichte 1918— 1985. Wien 1985; Norbert Schausberger. Bibliographie zur politischen Bildung und ihrer Didaktik. Wien 1982.

  6. Kurt Waldheim im Wahlkampf 1986: „Ich habe im Krieg nichts anderes getan als Hunderttausende andere Österreicher, nämlich meine Pflicht als Soldat erfüllt.“

  7. Vgl. Gerhard Botz, Anschluß an die Vergangenheit! Überlegungen zum Zusammenhang von Verdrängung der NS-Vergangenheit und aktueller Krise von Zeitgeschichte, Antifaschismus und Demokratiebewußtsein in Österreich, in: Jahrbuch 1987, hrsg. v. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien 1987, S. 23— 41.

  8. Ernst Hanisch, Gab es einen spezifisch österreichischen Widerstand?, in: Peter Steinbach (Hrsg.), Widerstand, Köln 1987, S. 163-176.

  9. Hanspeter Neuhold/Waldemar Hummer/Christoph Schreuer (Hrsg.), Österreichisches Handbuch des Völker-rechts. Bd. 2, Wien 1983, S. 448; vgl. ferner Fritz Fellner. Die außenpolitische und völkerrechtliche Situation Österreichs 1938, in: Erika Weinzierl/Kurt Skalnik (Hrsg.), Österreich. Die Zweite Republik, Bd. 1, Graz 1972, S. 53— 90; Manfried Rauchensteiner, Der Sonderfall, Wien 1979; Gerald Stoürzh, Geschichte des Staatsvertrages 1945— 1955, Graz 1985.

  10. Siehe: Andreas Khol u. a. (Hrsg.), Die Kampagne. Kurt Waldheim — Opfer oder Täter?, München 1987; Thomas Chorherr (Hrsg.), 1938 — Anatomie eines Jahres. Wien 1987; Heinrich Drimmel, Vom Kanzlermord zum Anschluß, Wien 1987; wesentlich differenzierter: Gottfried-Karl Kindermann, Hitlers Niederlage in Österreich. Hamburg 1984; Fritz Molden, Die Österreicher oder Die Macht der Geschichte, München 1986.

  11. Gerhard Botz/Ernst Hanisch/Gerald Sprengnagel (Hrsg.), Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte, Frankfurt 1988 (im Erscheinen).

  12. Literaturangaben in meinem Aufsatz (Anm. 2), s. 167 ff.; ich folge hier jedoch vor allem Friedrich Heer, Der Glaube des Adolf Hitler, München 1968, und Simon Wiesenthal. Memorandum vom 12. Oktober 1966 an den österreichischen Bundeskanzler Josef Klaus (Dokumentationszentrum des Bundes jüdischer Verfolgter, Wien).

  13. Alfred D. Low, The Anschluß Movement 1918— 1919 and the Paris Peace Conference, Philadelphia 1974; Susanne Miller, Das Ringen um „die einzige großdeutsche Republik“, in: Archiv für Sozialgeschichte, 11 (1971), S. 54ff.; Stanley Suva!. The Anschluß Question in the Weimar Era, Baltimore 1974; Rudolf Ardelt. Zwischen Demokratie und Faschismus, Wien 1972; Wilfried Garscha, Die deutsch-österreichische Arbeitsgemeinschaft, Wien 1982; Friedrich F. G. Kleinwächter/Heinz von Paller (Hrsg.), Die Anschlußfrage, Wien 1930.

  14. Anton Staudinger. Zur „Österreich“ -Ideologie des Ständestaates. in: Das Juliabkommen von 1936, Wien 1977, S. 198-240.

  15. Francis L. Carsten. Faschismus in Österreich, München 1977; Bruce F. Pauley, Hitler and the Forgotten Nazis, Chapel Hill, N. C., 1981; Evan B. Bukey, Hitler’s Home Town, Bloomington 1986.

  16. Dieter Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, Wien 1981; Sebastian Meissl u. a. (Hrsg.), Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne, Wien 1986.

  17. Peter Pulzer, Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867- 1914, Gütersloh 1966; John Bunzl/Bernd Marin. Antisemitismus in Österreich, Innsbruck 1983; Hilde Weiss, Antisemitische Vorurteile in Österreich, Wien 19862.

  18. Walter Manoschek/Hans Safrian, Österreicher in der Wehrmacht, in: Emst Hanisch/Wolfgang Neugebauer/Emmerich Taios (Hrsg.), Nationalsozialismus in Österreich, Wien 1988, S. 331-360.

  19. Siehe etwa die eindeutigen Aufforderungen in Leitartikeln in „Die Presse“ 1986 und 1987 und allgemein die kritischen Stellungnahmen von österreichischen Schriftstellern zur aktuellen Politik in Österreich, vor allem in „Die Zeit“, 1986 und 1987; Josef Haslinger, Politik der Gefühle, Darmstadt 1987; Erich Fried, Nicht verdrängen, nicht gewöhnen, Wien 1987; vgl. auch den Fall Robert Knight, in: Gerhard Botz, Österreich und die NS-Vergangenheit. Verdrängung, Pflichterfüllung, Geschichtsklitterung, in: Dan Diner (Hrsg.), Ist der Nationalsozialismus Geschichte?, Frankfurt 1987, S. 141-152.

  20. H. Neuhold/W. Hummer/Ch. Schreuer (Anm. 9), Bd. 1, S. 416 ff.

  21. Adolf Schärf, Österreichs Erneuerung 1945— 1955, Wien 19657, S. 220ff.; Erika Weinzierl, Die katholische Kirche, in: E. Weinzier//K. Skalnik (Anm. 9), Bd. 2, S. 285— 319.

  22. Siehe meine zit. Studien (Anm. 1), und: Wien vom „Anschluß“ zum Krieg. Wien 19802 (hier auch weitere Quellenangaben zum Folgenden).

  23. Erwin A. Schmidl, März 38, Wien 1987; vgl. auch Hanns Haas. Der Anschluß, in: E. Hanisch/W. Neugebauer/E. Taios (Anm. 18), S. . 1-24.

  24. Siehe hierzu und zur Vorgeschichte vor allem: Ulrich Eichstädt, Von Dollfuß zu Hitler, Wiesbaden 1955; Jürgen Gehl, Austria, Germany and the Anschluß 1931 — 1938, London 1963; Dieter Ross, Hitler und Dollfuß. Hamburg 1966; Kurt Schuschnigg, Im Kampf gegen Hitler, Wien 1969; Norbert Schausberger, Der Griff nach Österreich, Wien 1978; Anschluß 1938, Wien 1981; Karl Stuhlpfarrer/Leopold Steurer, Die Ossa in Österreich, in: Vom Justizpalast zum Heldenplatz, Wien 1975, S. 35-64.

  25. Siehe Gerhard Botz, Strukturwandlungen des österreichischen Nationalsozialismus (1904— 1945), in: Isabella Ackerl/Walter Hummelberger/Hans Mommsen (Hrsg.), Politik und Gesellschaft im alten und neuen Österreich, Bd. 2, Wien 1981, S. 163— 193; ders., Austria, in: Detlef Mühlberger, The Social Basis of European Fascist Movements, London 1987, S. 242-280.

  26. Vgl. Carl Zuckmayer, „Als wär’s ein Stück von mir“, Frankfurt 1966, S. 57 ff.; Dieter Wagner/Gerhard Tomkowitz, Ein Volk, ein Reich, ein Führer, München 1968; G. E. R. Gedye, Die Bastionen fielen, Wien 1938, Wien 1947, Wien 1978 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 2).

  27. Adam Wandruszka, Österreichs politische Struktur, in: Heinrich Benedikt (Hrsg.), Geschichte der Republik Österreich, Wien 19772, S. 411 ff.; siehe auch: Erika Weinzierl-Fischer, Österreichs Katholiken und der Nationalsozialismus, I—III, in: Wort und Wahrheit, 18 (1963), S. 417— 439 und 493-526, und ebd., 20 (1965), S. 777-804; Peter Eppel, Zwischen Kreuz und Hakenkreuz, Wien 1980; Wolfgang Rosar, Deutsche Gemeinschaft, Wien 1971.

  28. Siehe: Harry Slapnicka. Oberösterreich — als es Ober-donau hieß (1938— 1945), Linz 1978; Emst Hanisch, Nationalsozialistische Herrschaft in der Provinz, Salzburg 1983; Stefan Karner, Die Steiermark im Dritten Reich 1938— 1945, Graz 19862; G. Botz, Wien (Anm. 22).

  29. Ausführlicher dazu siehe: Gerhard Botz, Krisenzonen einer Demokratie, Frankfurt 1987, S. 237— 248.

  30. Karl R. Stadler, Österreich 1938— 1945 im Spiegel der NS-Akten, Wien 1967, S. 27ff.

  31. Viktor Reimann, Innitzer. Wien 1967; Maximilian Lieb-mann, Kardinal Innitzer und der Anschluß, Graz 1982.

  32. Zit. nach: Jacques Hannak, Karl Renner und seine Zeit, Wien 1965, S. 650f.

  33. Vgl. Helmut Konrad (Hrsg.): Sozialdemokratie und „Anschluß“, Wien 1978; Ernst Panzenböck, Ein deutscher Traum, Wien 1985.

  34. K. Schuschnigg (Anm. 24), S. 313.

  35. Zit. nach G. Botz (Anm. 1), S. 97 f.

  36. Siehe etwa: Felix Romanik, Der Leidensweg der österreichischen Wirtschaft 1933— 1945, Wien 1957; Norbert Schausberger, Rüstung in Österreich 1938— 1945, Wien 1970; Hans Hautmann/Rudolf Kropf, Die österreichische Arbeiterbewegung vom Vormärz bis 1945, 3. Aufl., Wien 1976.

  37. Siehe dazu ausführlicher: Kurt W. Rothschild, Wurzeln und Triebkräfte der Entwicklung der österreichischen Wirtschaftsstruktur, in: Wilhelm Weber (Hrsg.), Österreichs Wirtschaftsstruktur gestern — heute — morgen, Bd. 1, Berlin 1961, S. 1 — 158; Felix Butschek, Die österreichische Wirtschaft 1938 bis 1945, Wien 1978; Hans Kernbauer/Fritz Weber, Österreichs Wirtschaft 1938— 1945, in: E. Hanisch u. a. (Anm. 18).

  38. Siehe vor allem die Beiträge von Klaus-Dieter Mulley, Emst Hanisch. Brigitte Kepplinger, Stefan Karner und Ma-ren Seliger in: E. Hanisch u. a. (Anm. 148).

  39. E. Hanisch (Anm. 28), S. 10ff.

  40. Vgl. Emmerich Taios, Staatliche Sozialpolitik in Österreich, Wien 1981.

  41. Gerhard Botz, Stufen der Ausgliederung der Juden aus der Gesellschaft, in: Zeitgeschichte, 14 (1987), 9/10, S. 359378.

  42. Ders., Wohnungspolitik und Judendeportation in Wien 1938— 1945, Wien 1975; Herbert Rosenkranz, Verfolgung und Selbstbehauptung: Die Juden in Österreich 1938— 1945, Wien 1978; Karl Stuhlpfarrer, Antisemitismus, Rassenpolitik

  43. Vgl. Robert Stadler/Michael Mooslechner, St. Johann/PG 1938-1945, Salzburg 1986.

  44. Vgl. Radomir Luza, Österreich und die großdeutsche Idee in der NS-Zeit, Wien 1977; Gerhard Botz, Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, Wien 19883.

  45. Vgl. auch: Karl Stuhlpfarrer, Der deutsche Plan einer Währungsunion mit Österreich, in: Anschluß (Anm. 24), S. 271— 294; Gerhard Botz, Hitlers Aufenthalt in Linz im März 1938 und der „Anschluß“, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz, Linz 1971.

  46. Erich Zöllner, Formen und Wandlungen des Österreichbegriffs, in: Historica. Studien zum geschichtlichen Denken und Forschen, Wien 1965; Ludwig Jedlicka, Verfassungsund Verwaltungsprobleme, 1938— 1955, in: Die Entwicklung der Verfassung Österreichs, Graz 1963, S. 120— 144.

  47. Siehe vor allem: Radomir Luza, Der Widerstand in Österreich 1938— 1945, Wien 1985; Willibald Holzer, Im Schatten des Faschismus. Wien 1978; Wolfgang Neugebauer, Widerstandsforschung in Österreich, in I. Ackerl u. a. (Anm. 21), S. 359— 376, sowie die Dokumentationen: Widerstand und Verfolgung in Wien 1934— 1945, 3 Bde., Wien 1975; dasselbe für Burgenland, Oberösterreich, Tirol, Niederösterreich, Wien 1979 ff.

  48. Spiegelbild einer Verschwörung, Stuttgart 1961, S. 353 ff.; Ludwig Jedlicka, Der 20. Juli in Österreich, Wien 1965, S. 21 f.

  49. A. Schärf (Anm. 21), S. 19f.

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