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München 1938: Illusion des Friedens | APuZ 43/1988 | bpb.de

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APuZ 43/1988 München 1938: Illusion des Friedens Die „Reichskristallnacht": Der Judenpogrom vom November 1938 Die deutschen Juden und der Nationalsozialismus 1933-1939 Wird Österreichs Geschichte umgeschrieben?

München 1938: Illusion des Friedens

Manfred Funke

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Aus militärstrategischen Gründen suchte Hitler die Tschechoslowakei zu beseitigen. Deren Bündnisse mit Moskau und Paris jedoch sowie starke militärische Befestigungen und das Vertrauen auf britische Protektion veranlaßten Prag zum trotzigen Widerstand gegen den wachsenden Druck aus Berlin. Prags Unnachgiebigkeit versuchte Hitler deshalb nicht nur mit Gewaltandrohung von außen sondern auch durch unannehmbare Autonomieforderungen seitens der Sudetendeutschen im tschechoslowakischen Staatsverband zu zermürben. Entsprechend bekam die Sudetendeutsche Partei vom Auswärtigen Amt in Berlin den Auftrag, von der Prager Regierung immer mehr zu verlangen als diese zugestehe, um die politische Sprengkraft in der Tschechoslowakei zu steigern. Parallel dazu inszenierte Droh-Reden Hitlers und grenznahe militärische Demonstrationen mußten in Europas Hauptstädten als brutale Entschlossenheit des deutschen Diktators gedeutet werden, der wegen der Sudeten einen neuen Krieg mit den Westmächten riskieren zu wollen schien. Um den Frieden in Europa zu retten, fügten sich die Ministerpräsidenten Italiens, Englands und Frankreichs dem Münchener Verhandlungsdiktat. Das der Tschechoslowakei zugemutete Opfer war kein Beleg blinder Appeasement-Politik. Großbritannien als Schlüsselmacht Europas war aufgrund seiner weltweit bedrohten Empire-Interessen und des erheblichen Rüstungsdefizits weder willens noch fähig, wegen der das Selbstbestimmungsrecht der Völker für sich reklamierenden Sudeten einen Präventivkrieg auszulösen. Ein solcher war faktisch in Frankreich und England um so weniger durchsetzbar, als Hitler pathetisch mehrfach versicherte, nach dem Anschluß der Sudeten an das Deutsche Reich keine weiteren territorialen Forderungen mehr zu haben.

Spuren der Hoffnung

Mit der Eröffnung des Nürnberger Parteitags der NSDAP am 5. September 1938 tritt die „Sudetenkrise“ in die entscheidende Phase. Deutsche Drohungen gegenüber Prag schaffen ein Stimmungsbild. das Frankreichs Botschafter Frangois-Poncet beim Empfang des diplomatischen Corps in Nürnberg zur beschwörenden Grußadresse an Hitler drängt: „Der schönste Lorbeerzweig wird stets jener bleiben, der gepflückt wird, ohne daß er auch nur einer Mutter Tränen kostet.“

Unbeweglich hört Hitler zu. Unbeweglich steigert er in den Folgetagen weiter die Konfrontation. „Man lebt auf einem Vulkan“, hält Francois-Poncet in seinem Tagebuch fest. Erst am 28. September kommt in letzter Minute die Erlösung: Während Premierminister Chamberlain im Unterhaus von seinen Besuchen bei Hitler in Berchtesgaden und Bad Godesberg „als letzter Zuflucht“ zur Friedens-wahrung mit ernster Stimme spricht, wird ihm ein Papier zugereicht. Der 70jährige Premier reagiert auf die Zeilen laut BBC-Rundfunkreporter Harold Nicolson so: „Er hob sein Gesicht, so daß das Licht von der Decke voll darauf fiel. Alle Furchen der Sorge und Müdigkeit schienen plötzlich geglättet zu sein; er wirkte zehn Jahre jünger und schien zu triumphieren. „Herr Hitler“, sagte er, „hat sich soeben einverstanden erklärt, seine Mobilmachung um vierundzwanzig Stunden aufzuschieben und mit Signor Mussolini, Monsieur Daladier und mir in München zu einer Konferenz zusammenzutreffen.“ . . . „Eine Sekunde lang herrschte Totenstille im Haus. Und dann brach das ganze Haus in tosende Hochrufe aus, weil alle wußten, dies könnte Frieden bedeuten.“

Zwei Tage später atmet Europa auf. Mittags, am 30. September 1938, ist das Dokument perfekt, das die Tschechoslowakei zur Abtretung der sudetendeutschen Gebiete zwingt. Die im Pokerspiel um Krieg und Frieden von Hitler besiegten Staatsmänner werden zu deren eigener Überraschung begeistert gefeiert. „In Italien wird dem Duce vom Brenner bis Rom, vom König bis zu den Bauern ein Empfang bereitet, wie ich noch nie gesehen ihn habe“, trägt Graf Ciano, der italienische Außenminister, in sein Tagebuch ein. „Daladier, vive la paix!“, jubeln die Münchner zum Fenster des Hotels Vierjahreszeiten hinauf, bis dem Staatsmann die Tränen rinnen. Rückkehr Seine nach Paris ruft nach Beobachtung des französischen Außenministers Bonnet „ein Fieber hervor, welches die Bevölkerung auf den höchsten Grad feuriger Begeisterung bringen sollte“. Das zusätzlich zum Münchner Abkommen dem deutschen Diktator von Chamberlain abgehandelte deutsch-englische Verständigungspapier trägt den alten Herrn hinauf auf die höchsten Wogen der Sympathie. Als der Premier nach seiner Landung, der Menge den Text zeigend, ruft: „Peace in our lifetime!", wollen nur ganz wenige wahrhaben, daß man erneut einen Rechtsbruch Hitlers hingenommen hat -

Das Diktat von knappsten Verhandlungsfristen, von ultimativen Androhungen des „So oder So“, verbunden mit demonstrativer Entschlossenheit zum Krieg bewirkten erneute Nachgiebigkeit. Hätten nicht endgültig in der Sudetenkrise die Groß-mächte Hitler die Zähne zeigen müssen? Wie konnte vor allem die europäische Schlüsselmacht Großbritannien durch Erfüllungsbereitschaft gegenüber Hitlers Forderungen („Appeasement“) hoffen, den Diktator in eine europäische Staaten-welt ohne Gewaltpolitik einbinden zu können? Waren Hitlers Ziele aber so eindeutig, daß man zur Abwendung der Katastrophe einen Eindämmungskrieg gegen das Reich hätte führen müssen — und wenn ja, auf welcher völkerrechtlichen Grundlage? Handelten Chamberlain, Daladier und besonders Roosevelt, die alle die Vaterschaft des Münchner „Friedens“ beanspruchten und erst 1942 davon abrückten, politisch blind und naiv? Harold Nicolson „schämte sich des Unterhauses“ wegen dessen Frie-*denshysterie. Winston Churchill sah in „München“ eine „Tragödie“: „Das britische und das französische Kabinett glichen damals zwei überreifen Melonen. die man gegeneinander drückt; aber was die Stunde verlangte, war aufblitzender Stahl.“ Ist dieser Vorwurf bzw. Selbstvorwurf gegenüber den großen Demokratien nicht zu billig?

Diese Fragen bedürfen besonderer Zuwendung, um die Akteure in ihren Konfliktfeldern zu verstehen statt sie pauschalierend zu verdammen. „Appeasement“ jedenfalls ist eine zu billige Signatur für das Konferenzdiktat von „München“ 1938, für das die Tschechen zahlten, die ihre Unterdrükkung dann 1945 mit der Vertreibung der Sudetendeutschen rächten und dieses Faktum vor die Revisionsfähigkeit von Entwicklungen setzten, die ihren Quellgrund in der das Selbstbestimmungsrecht mißachtenden Siegespsychose von 1918/19 bei der Staatsgründung der Tschechoslowakei hatten.

Der Weg in die Krise

Die innere und äußere Schwäche des Reiches legte Hitler zunächst die Strategie der Selbstverharmlosung nahe. Verdeckt hinter Friedensparolen und in Ausnutzung der günstigen internationalen Lage meisterte er die Risikozone. Den Aufbau der Wehrmacht ab März 1935 umhüllte er mit Gesten der Friedfertigkeit. Am 21. Mai 1935 versicherte er der Welt, keine Absicht zur Einmischung in Österreich oder gar den Willen zur Annexion zu haben: „Wer in Europa die Brandfackel des Krieges erhebt, kann nur das Chaos wünschen.“ Auch nach der Wiederbesetzung der Rheinlande am 7. März 1936 beruhigte Hitler: „Wir haben in Europa keine territorialen Forderungen zu stellen.“

Doch schon Anfang 1937 wurde der neue Kurs sichtbar: „Deutschland ist heute eine europäische Großmacht und ist wieder eine Weltmacht geworden!“, erläuterte Hitler „das Wunder“ der Wieder-aufrichtung eines deutschen Volksheeres. „Kein Mensch kann mit uns anbinden, sie werden auch nicht anbinden. Nicht etwa, weil die anderen vielleicht nicht unter Umständen es ganz gerne wollten, wir brauchen bloß die Presse lesen, sondern weil sie nicht mehr können.“ Deutschlands Gegner würden künftig um so eher nach dem deutschen Ölzweig in der einen Hand greifen, als sie das Schwert in der anderen sähen

Zu diesen Gegnern zählte Hitler England und Frankreich mit ihrer Klientel, die das Ziel der deutschen Politik, nämlich Sicherung und Vermehrung der „Volksmasse“ und des „Raumes“, behinderten. Zur Lösung dieser deutschen Frage „könne es nur den Weg der Gewalt geben“. „Zur Verbesserung unserer militärpolitischen Lage müsse in jedem Fall einer kriegerischen Verwicklung unser 1. Ziel sein, die Tschechei und gleichzeitig Österreich niederzuwerfen, um die Flankendrohung eines etwaigen Vorgehens nach Westen auszuschalten.“ Dabei müsse der Überfall auf die Tschechei „blitzartig“ schnell erfolgen

Der kampflose Zugewinn Österreichs im März 1938 verwies indes auf die Möglichkeit einer ähnlichen diplomatischen Überrumpelung Prags, legte aber auch zugleich vorsichtiges Taktieren nahe, da die Tschechoslowakei abwehrstarke Befestigungen besaß und über Stützungsverträge mit Frankreich und Rußland verfügte, was für Deutschlands Presse Grund genug war, die SR als , Flugzeugträger des Bolschewismus* zu attackieren. Ein drittes Kalkül empfahl sich zudem, um die Doppelstrategie von Ölzweig und Schwert besonders druckvoll zu gestalten: die Benutzung der dreieinhalb Millionen Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei als Sprengsatz und fünfte Kolonne.

Hatte Hitler noch in der Phase der Schwäche im Februar 1933 in Richtung Prag versichert, keinerlei Beziehungen zu den deutschen Radikalen in der CSR zu unterhalten, die den Anschluß an Deutschland wollten, so wurden bald die Verfechter der Autonomiebestrebungen verdeckt aus Berlin vom Auswärtigen Amt und anderen Institutionen der Volkstumspflege finanziell unterstützt. Haupt-adressat und Hitlers Hoffnungsträger war eine deutsche Sammlungsbewegung, die am 30. April 1935 „Sudetendeutsche Partei“ (SdP) benannt wurde. Ungeachtet interner Richtungskämpfe über Fragen der relativen Autonomie der Sudetendeutschen oder der völligen Lostrennung von Prag machte die SdP soviel Druck, daß die Prager Regierung ihrerseits durch Repressions-und Disziplinie- rungsmaßnahmen (Teplitz-Schönauer Vorfälle) die Lage verschärfte

In einem umfassenden Geheimbericht vom 19. November 1937 informierte SdP-Führer Konrad Henlein Hitler über die unüberbrückbaren Schwierigkeiten seiner Bewegung mit der Prager Regierung. Beklagt wurde besonders die Tschechisierungspolitik geschlossener deutscher Siedlungsgebiete: „Es gibt heute kaum mehr eine sudetendeutsche Familie, in der nicht ein Angehöriger wegen eines politischen Delikts verfolgt würde, in Untersuchungshaft sitzt oder aber eingekerkert ist. Die tschechische Justiz ist vollständig zu einem Mittel der antideutschen Vernichtungspolitik des Regimes geworden und gehorcht den Bedürfnissen der tschechischen Regierung und des tschechischen Generalstabes.“ Zur Abwehr der Umklammerung wolle die SdP mit ihren eineinhalb Millionen Anhängern und 600 000 Organisierten die politische Zusammenfassung aller Sudetendeutschen, was ein „nationalsozialistisches Ergebnis“ verbürge. Erkenntnisleitend bleibe, „daß eine Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen in der Tschechoslowakei praktisch unmöglich und eine Lösung der sudetendeutschen Frage nur vom Reiche her denkbar ist“

In welche Richtung Hitlers Gedanken bereits gingen. zeigte die Weisung des Reichskriegsministers von Blomberg am 24. Juni 1937 zum „Aufmarsch Grün“. Gemeint war die blitzartige Besetzung Böhmens und Mährens in Ausnutzung der völkischen Zersplitterung der Tschechoslowakei bei entsprechend vorhandener Nutzbarkeit „der politischen und völkerrechtlichen Voraussetzungen“. Weitere Überlegungen Hitlers am 5. November und Blombergs am 21. Dezember 1937 verdeutlichten, daß es nur noch um das Wann und Wie ging — konkret: um die Schaffung eines Rechtfertigungsgrundes für eine Aggression. Im Gespräch mit OKW-Chef General Keitel am 21. April 1938 erwog Hitler sogar laut Aufzeichnung seines Adjutanten Major Schmundt „blitzartiges Handeln auf Grund eines Zwischenfalls (z. B. Ermordung des deutschen Gesandten im Anschluß an eine deutschfeindliche Demonstration)“

Offiziell machte Hitler das Volk mit dem neuen Etappenziel am Sonntag, den 20. Februar 1938, vertraut. In einer vom Rundfunk übertragenen Reichstagsrede nannte er es für eine Weltmacht auf Dauer unerträglich, daß zehn Millionen Deutsche die Vereinigung mit dem Reiche unter Mißachtung der feierlich beschworenen Selbstbestimmung vorenthalten werde und sie draußen Verfolgung erleiden müßten. Entspannung und friedlicher Ausgleich seien notwendig. „Wer aber eine solche Entspannung durch einen Ausgleich in Europa mit Gewalt zu verhindern versucht, der wird eines Tages die Gewalt zwangsläufig unter die Völker rufen!“

Doch so leicht wie Österreich war ein Coup gegen Prag nicht zu landen. Dies stellte sich endgültig für Hitler heraus, als Gerüchte von deutschen Truppenmassierungen in der Nähe der tschechischen Grenze Staatspräsident Benesch am 20. Mai zu Teilmobilisierungen veranlaßten, begleitet von Schikanen und Gewalttaten gegen Deutsche. Getroffen wurde Berlin zudem von den bis dahin moderaten Briten und Franzosen, die schwerste Vorwürfe gegen Hitlers Gefährdung des Friedens erhoben. Taktische Erwägungen legten es demzufolge der Reichsführung nahe, dem tschechischen Gesandten am 23. Mai zu versichern, Deutschland hege keinerlei Angriffsabsichten. Henlein wurden Verhandlungen mit der tschechischen Regierung empfohlen und das Auswärtige Amt dementierte Truppenkonzentrationen. Die Reichsführung schien auf dem Rückzug. Doch bei Hitler bewirkten die Ohrfeigen der internationalen Presse das Gegenteil. Hatte er in seiner Weisung „Grün“ vom 20. Mai 1938 noch formuliert, daß es nicht in seiner Absicht liege, die Tschechoslowakei ohne Herausforderung schon in nächster Zeit durch eine militärische Aktion zu zerschlagen, wenn nicht eine besonders günstige Gelegenheit dazu veranlasse, so hieß es am 30. Mai: „Es ist mein unabänderlicher Entschluß, die Tschechoslowakei in absehbarer Zeit durch eine militärische Aktion zu zerschlagen. Den politisch und militärisch geeigneten Zeitpunkt abzuwarten oder herbeizuführen, ist Sache der politischen Führung.“

Die Durchsetzung dieses unabänderlichen Entschlusses bewies bald (dies darf angesichts der modischen Diskussion um Hitlers Führungsschwäche auch hier nicht unerwähnt bleiben), daß Hitler unter Assistenz Ribbentrops und Himmlers der eigentliche Koordinator und alleinige Motor des Stoßes gegen Prag wurde. Die Wehrmachtsspitze zeigte sich am 28. Mai 1938 bei einer Angriffsberatung mit Hitler höchst zögerlich. Vor allem der Generalstabschef des Heeres, Ludwig Beck, widersetzte sich Hitlers riskanten Plänen. General Jodl vermerkte darüber: „Noch einmal flammt der ganze Gegensatz auf, der sich ergibt aus der Erkenntnis des Führers, wir noch in diesem Jahre, müssen und der Auffassung des Heeres, wir können noch nicht,da sicherlich die Westmächte eingreifen und wir ihnen noch nicht gewachsen sind.“ Auf Drängen Becks fand Anfang August eine Besprechung der Armeechefs statt, die mehrheitlich Becks Einwände akzeptierten. Eine weitere Konferenz Hitlers am 10. August auf dem Berghof mit jüngeren Generälen führte wegen deren Skepsis gegenüber den deutschen Westbefestigungen (Westwall) zum Eklat

Zwischenzeitlich war auch Göring „unter die Pazifisten gegangen“, wie Staatssekretär von Weizsäkker in seinem Tagebuch festhielt. Weizsäckers Chef, Außenminister von Ribbentrop, beschwerte sich über Generaloberst von Brauchitsch, „der erklärte, er könne nicht marschieren lassen; der Zustand der Wehrmacht und der Festungen verbiete das“. Ribbentrop hingegen figurierte im Berater-Ensemble Hitlers neben Himmler immer mehr als Kriegstreiber, während von Weizsäcker unter Vermeidung eines Krieges eine Abtretung der Sudetengebiete mittels einer Aktivierung des Nationalitätenproblems erreichen wollte

Die Unterschiedlichkeit der Auffassungen spiegelte einen Schwebezustand, von dem sich Hitler zeitweilig beeindrucken, aber im Kern nicht beirren ließ. General Beck trat am 27. August zurück. Dem willfährigen OKW-Chef Keitel befahl Hitler am 3. September, die Truppen zum 28. September in Bewegung zu setzen Fest auf sein Ziel eingeschworen, blieb Hitler gleichwohl hochelastisch im Erkunden des vorteilhaftesten Weges, der nur über London führen konnte in einer Situation, welche am treffendsten Stalins Kommissar des Auswärtigen, Litwinow. am 23. August gegenüber dem deutschen

Botschafter von der Schulenburg lapidar markierte:

„Sie wünschen die Vernichtung der Tschechoslowakei. Sie wollen das Land erobern. Natürlich ziehen Sie es vor, Ihre Ziele mit friedlichen Mitteln zu erreichen. Ein Krieg ist immer ein Risiko.“

Diese Risiken bestanden bis zu Mussolinis Konferenzangebot am 28. September unmittelbar und haben Hitler letztlich wohl zur Annahme eines Verhandlungssieges bewogen. Göring wisse von Hitler, so berichtete von Weizsäcker, daß Hitler zwei Gründe zur Wahl der friedlichen Methode veranlaßt hätten: erstens Zweifel am Kriegswillen des deutschen Volkes, was beim Durchmarsch einer motorisierten Division durch Berlin am 27. September deutlich zu spüren war, sowie, zweitens, Hitlers Sorge, daß ihn bei Ablehnung der Offerte Mussolini im Stich lassen würde In der Tat war auffällig, daß zur markigen verbalen Unterstützung des Duce für Hitler entsprechende militärische Mobilisierungsmaßnahmen an der italienisch-französischen Grenze keineswegs parallel folgten. Auch war die Überlegung nicht abwegig, London und Paris könnten Roms „Schrei nach Korsika, Tunis, Nizza“ ein wenig erhören und den Duce in eine antideutsche Front einbinden. Besonders sorgte sich Hitler aber wegen eines möglichen „Verduns“ vor dem starken, der Maginotlinie nachgeahmten Festungswerk der Tschechei Entsprechend durfte Hitler aus vitalem Eigeninteresse keine diplomatischen Chancen leichtfertig vertun. Sie wurden zunächst mit militärischer Repression angereichert, aber durch diese nicht ersetzt, da London weitgehendes Verständnis für deutsche Korrekturwünsche gegenüber dem Versailler Vertragsbestimmungen signalisierte. Bei Verzicht auf Gewalt wäre ziemlich alles möglich und verhandelbar. hieß die Leittendenz Londoner Außenpolitik. Aber wie würde sich Frankreich verhalten, wie die UdSSR mit ihren Beistandsverpflichtungen gegenüber Prag?

Krieg in Sicht

Der Juli 1938 war von britischen Versuchen bestimmt, Berlin an den Verhandlungstisch zu bringen. Unterstaatssekretär Sir Alexander Cadogan teilte dem deutschen Botschafter von Dirksen am 19. Juli mit, daß die Regierung fortlaufend Juli mit, daß die Regierung fortlaufend („fast täglich“) bemüht sei, die Prager Regierung zu einer schnellen und weitherzigen Verhandlungsführung anzuhalten. In Berlin brachte der britische Botschafter Henderson gegenüber dem AA-Staatssekretär von Weizsäcker den „unbedingten Wunsch“ zum Ausdruck, die tschechische Krise friedlich zu bereinigen „und darauf aufbauend das deutsch-englische Verhältnis umfassend zu verbessern“ 18).

Am 22. Juli versprach Premierminister Chamberlain persönlich Botschafter von Dirksen, daß London in Prag auf Nachgiebigkeit drängen werde 19). Da Frankreich der Bitte nicht nachkam und der Botschafter in Berlin, Andre Francois-Poncet, düster einen Krieg in drei Wochen voraussagte, entsandte Chamberlain seinen persönlichen Vertrauten Lord Runciman in die Tschechoslowakei, um ein eigenes Lagebild zu gewinnen. Gleichzeitig drängte der britische Außenminister Lord Halifax seinen deutschen Kollegen von Ribbentrop am 28. Juli zu einer „peaceful solution“. Das Echo aus Berlin war ungünstig. In der Sprachregelung vom 3. August wies von Ribbentrop die deutschen Missionen an, jegliche Intervention des Auslands als „gewaltiges Risiko“ darzustellen: „Eine Einmischung z. B. Frankreichs würde nichts anderes bedeuten als ein mutwillig gegen Deutschland gerichteter Angriffskrieg.“

Auch die Verschiebung einiger Flak-Batterien in Richtung CSR-Grenze, verstärkte Manöver und ein Entlassungsaufschub Wehrpflichtiger verfehlten wohl nicht ihre Wirkung. Jedenfalls versicherte in Paris Außenminister Bonnet dem deutschen Botschafter Graf Welczeck, man müsse bis an die äußerste Grenze des Entgegenkommens gehen, auch wenn dies den Tschechen nicht behage -Englands Ringen um eine diplomatische Lösung, die Entwicklung des Franco-Regimes in Spanien, die Ungewißheiten hinsichtlich Mussolinis Konfliktverhalten, Frankreichs Parteienhader und seine desolate Wirtschaft sowie der entschiedene Kriegsunwille der Bevölkerung ließen kaum eine andere Wahl

Als kraft eigener Beobachtung und umgarnt von der SdP Lord Runciman zur Überzeugung gelangte, „daß das Nationalitätenproblem in der Tschechoslowakei innerstaatlich unlösbar ist“ geriet Staatspräsident Benesch unter Druck. Am 18. August 1938 formulierte er einen Plan, der faktisch auf eine Autonomie der Sudetendeutschen hinauslief. Er versprach 1. die sofortige Einführung der Gleichberechtigung der deutschen Sprache in den historischen Ländern (Böhmen, Mähren, Schlesien);

2. die Durchführung des Beamtenproporzes im sudetendeutschen Gebiet, und zwar zur schnelleren Durchführung eine Überquote für deutsche Beamte;

3.den Erlaß eines Budget-Gesetzes, in welchem für die sudetendeutschen Gebiete ein besonderer Schlüssel im Staatshaushalt eingeführt wird;

4. die Auflegung einer Interventions-Anleihe zur Wiedergutmachung gewisser Schäden im sudetendeutschen Gebiet.

Benesch verlangte als Gegenleistung lediglich einen „Waffenstillstand“ der Presse von zwei Monaten. Das, was Jahre umkämpft war, schien nun greifbar nahe, doch Berlins Reaktion machte klar, daß die sudetendeutschen Belange nur das Mittel zum Zweck bedeuteten. Außenminister von Ribbentrop reagierte gegenüber der ratsuchenden SdP-Führung: „Henlein und seine Leute müßten sich selbst zu helfen wissen. Die Antwort auf den Benesch’schen Vorschlag ergebe sich aus den Henlein gegebenen allgemeinen Richtlinien, nämlich: Immer zu verhandeln und nicht den Faden abreißen zu lassen, dagegen immer mehr zu fordern als von der Gegenseite gegeben werden könne.“ Ein Eingehen auf Benesch „müßte unbedingt vermieden werden“

Demgemäß blieb das Gespräch der SdP-Vertreter Emst Kundt und Wilhelm Sebekovsky mit Benesch am 26. August ergebnislos, obgleich dieser ein Canossa seiner politischen Ambitionen eingestand, die aus der Siegerstimmung von 1918 geboren waren und nun durch einen Modus vivendi mit den Sudetendeutschen ersetzt werden sollten

Doch schon zwei Tage zuvor formulierte in Berlin Alfred Jodl, Chef der Abteilung Landesverteidigung der Wehrmacht, einen Plan für Vorausmaßnahmen und die Angriffsgestaltung nach erfolgter Schaffung eines den deutschen Einmarsch in die Tschechei rechtfertigenden Zwischenfalls. Am 30. August akzeptierte Hitler die Vorschläge der Heeresführung

Inzwischen ging das Pokerspiel weiter. Der französische Außenminister Bonnet warnte am 2. September den deutschen Botschafter, daß bei Kriegs-handlungen Paris und London, auch Moskau und Washington, fest entschlossen seien, Prag zur Hilfe zu eilen. Andererseits nahm Bonnet die Äußerung Graf Welczecks hin, daß eine Lösung nur in der Angliederung der sudetendeutschen Gebiete bestehen könne. „Bonnet widersprach nicht. Er erwiderte, nach der Autonomie werde eine solche Angliederung ganz von selbst [sic], wenn wir warten könnten.“

Warten wollte und konnte Hitler immer weniger. Für einen Angriffs-und eventuellen Stellungskrieg (Hitler: „Bei 2. Armee kann sich Verdun wiederholen“ wurden die Witterungsbedingungen zum drängenden Zeitfaktor. Andererseits konnte Hitler den angefachten Pressekrieg nicht ohne Ergebnis in sich zusammenfallen lassen oder beliebig überdehnen. Der aufgestaute Erwartungsdruck unter den dreieinhalb Millionen Sudetendeutschen, der seit dem Anschluß Österreichs aufgrund tschechischer Repressalien immer explosiver wurde, trieb Hitler in eine Propaganda-Offensive, die ohne konkreten Zugewinn die erheblichste Prestige-Gefährdung des „Führers“ bedeutet hätte. Die aufgeheizte Stimmung des politischen Klimas verdeutlichte wohl am intensivsten Hitlers späterer Dank an die Pressevertreter, vor denen er am 10. November 1938 lobend feststellte, daß die Nerven „der Herren in Prag“ dem Trommelfeuer der deutschen Medien nicht hätten standhalten können

Indessen blieb Hitler klarsichtig genug im Hinblick auf das militärische Risiko, das die tschechischen Befestigungen darstellten. In der Nachtsitzung vom 9. auf den 10. September sprach Hitler gegenüber Generaloberst von Brauchitsch sowie den Generälen Keitel und Halder von den Problemen: zu schwache Artillerie gegenüber Forts, Festrennen (Verdun!), Bindungslosigkeit von Panzern und Infanterie aufgrund zeitverzögerten Vorankommens. Doch erneut wurde überdeutlich, daß es Hitler nicht hauptsächlich um den Anschluß der Sudetendeutschen ging, sondern um die Zerschlagung der gesamten Tschechoslowakei durch einen Zangen-angriff der 10. und 12.deutschen Armee Einen Ausweg aus der verschlungenen Lage bot möglicherweise das am selben Tag nachmittags in Berlin eintreffende Telegramm des deutschen Geschäfts-trägers in London. Er hatte aus absolut einwandfreier Quelle erfahren, daß es Lord Halifax tags zuvor gegenüber dem französischen Gesandten Corbin als Unmöglichkeit bezeichnet hatte, die Waffen zu ergreifen, um 3, 461 Millionen Menschen das Selbstbestimmungsrecht zu bestreiten. Corbin hatte dem beigepflichtet und nur ein militärisches Eingreifen Frankreichs für den Fall zugesagt, daß die Deutschen marschieren würden

Im Wissen um diese Nachgiebigkeit hielt Hitler am 12. September am Schluß des Nürnberger Parteitags eine Drohrede, die überdeutlich war: „Herr Benesch hat diesen Deutschen keine Geschenke zu geben; sie haben das Recht, ein eigenes Leben zu beanspruchen, genau wie jedes andere Volk . . . Die Deutschen in der Tschechoslowakei sind weder wehrlos noch sind sie verlassen.“ Die Brandrede Hitlers löste im Sudetengebiet aufstandsähnliche Unruhen aus. „Ein Volk — ein Reich — ein Führer!“ tönten die Parolen besonders laut in Eger und Reichenberg. Henlein-Anhänger griffen tschechische Polizei und Gendarmerie an. Die Prager Regierung reagierte am 13. September mit der Verhängung des Standrechts im Sudetengebiet und einer Mobilisierung der Armee. Die Katastrophe schien unausweichlich. Da bot am Abend des 13. September Chamberlain Hitler an, sofort nach Deutschland zu kommen.

Während Henlein der von Chamberlain entsandten Runciman-Kommission am 14. September erklärte, daß die Sudetendeutschen „heim zum Reich wollen und daß keine Macht sie von diesem Willen abbringen würde“ machte sich der englische Premier auf zum Obersalzberg. Paris signalisierte sein Einverständnis mit einem Plebiszit nach dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts. Botschafter Sir Nevile Henderson, der Gast auf dem Parteitag war. äußerte sich dahin, daß er die Unterstellung der Sudeten unter tschechische Oberherrschaft für einen schweren Fehler halte Wie sehr alles auf des Messers Schneide stand, zeigen zwei Akten-stücke: am 14. September telegrafierte AA-Staats-Sekretär von Weizsäcker auf Weisung von Ribbentrops dem deutschen Gesandten in Prag, Frauen und Kinder der Angehörigen der Gesandtschaft und Konsulate allmählich und unauffällig „herauszuziehen“. Der Gesandte selbst sollte am 17. nach Berlin kommen. Am selben Tag vermerkte von Weizsäcker für seinen Minister bezüglich der Reise Chamberlains: „Das Angebot des 70jährigen, sich persönlich so für den Frieden einzusetzen, um ein europäisches Chaos zu vermeiden, zeige seinen Willen zu einem letzten opfervollen Schritt.“ Unverblümt machte Hitler dem britischen Premier am 15. September klar, daß er „unter allen Umständen“ den drei Millionen Deutschen die Rückkehr ins Reich ermöglichen werde. Er würde jeden Krieg und sogar das Risiko eines Weltkriegs dafür in Kauf nehmen. Chamberlain seinerseits wies darauf hin, daß Großbritannien an sich an der sudetendeutschen Frage nicht interessiert sei und sie als deutsch-tschechische Angelegenheit erachte. „Großbritannien sei nur an der Aufrechterhaltung des Friedens interessiert.“ Auf eine entsprechende Frage Chamberlains nach Hitlers möglichen weiteren Forderungen antwortete Hitler: „Die tschechoslowakische Frage wäre allerdings das letzte größere Problem, das zu lösen wäre. Zwar gäbe es noch die Memelfrage, aber hier wolle sich Deutschland damit begnügen, daß Litauen das Memelstatut genau durchführe.“ Ferner wolle Deutschland auch weiterhin Kolonien, aber dies sei keine „kriegerische Forderung“. Dem zur Beratung mit seinem Kabinett nach London zurückkehrenden Premier wurde jedoch von Hitler bedeutet, daß möglicherweise zwischenzeitlich „der große Militärapparat, den Deutschland aufgebaut hätte, in Bewegung gesetzt werden müßte. Sei dieser Apparat erst einmal in Bewegung, so sei er sicher nicht mehr aufzuhalten.“

Hitlers Eskalationsbereitschaft hielt an: am 17. September genehmigte er die Aufstellung eines sudetendeutschen Freikorps. Tags darauferging die Weisung zum Aufmarsch von fünf deutschen Armeen entlang der tschechoslowakischen Grenzen. Am 20. September empfing Hitler den ungarischen Ministerpräsidenten Imredy sowie Außenminister von Kanya und legte ihnen die Rückgliederung der Ungarn aus dem tschechischen Staatsverband nahe. Auch dem polnischen Botschafter riet Hitler am selben Tag zu einem ähnlichen Schritt. Schon einen Tag danach verlangte Polen von Prag eine Volksabstimmung im Gebiet von Tschechen. Auch die Slowaken forderten am 20. September völlige Autonomie, was ihnen von Berlin aus via SdP am 17. September nahegelegt worden war. Zur gleichen Zeit forderte Henlein: „Wir wollen heim ins Reich“, was Prag mit einem Auflösungsdekret gegen die SdP und zahlreichen Repressalien beantwortete. Diese wiederum führten im Reich zur Verhaftung von 150 Tschechen und der Anweisung an den deutschen Gesandten in Prag, der dortigen Regierung mitzuteilen, daß für jeden erschossenen Deutschen ein Tscheche liquidiert würde

Am 18. September erging die gemeinsame Botschaft Londons und Paris’ an Präsident Benesch, er möge das Sudetenland abtreten und dieses Opfer für den Frieden bringen. Darüber war Hitler keineswegs glücklich. Gegenüber Imredy tat er kund, daß er die deutschen Forderungen gegenüber Chamberlain „brutal“ vertreten werde. Seiner Auffassung nach sei die einzig befriedigende Lösung ein militärisches Vorgehen. Es bestände aber die Gefahr, daß die Tschechen alles annehmen würden

Entsprechend zeigte sich Chamberlain am nächsten Tag, (22. September) beim zweiten Treffen mit Hitler sehr enttäuscht (disappointed and puzzled), als Hitler der Forderung nach Sicherheitsgarantien für die restliche Tschechoslowakei auswich und eine Mitwirkung dritter Mächte bei der Gebietsregelung verweigerte: „Schnellste und beste Lösung bestände daher darin, das strittige Gebiet dem Zufall etwaiger Zwischenfälle durch eine Besetzung durch deutsche Truppen und Verwaltungsorgane zu entziehen.“ Der am selben Tag gemeldete Rücktritt der Regierung Hoda in Prag und die Bestellung des Generalinspekteurs der tschechischen Armee, General Syrov, zum neuen Regierungschef irritierten Hitler keineswegs. Die Beratungen am 22723. September in Bad Godesberg gestaltete er ultimativ. Chamberlain, der eine Abtretung in geordneter Form unter neutraler Aufsicht und ohne militärische Besatzung wünschte, stieß auf Granit: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, schnürte Hitler seinem Gast ins Nachrichtenpaket, mit dem der Premier vors Unterhaus treten mußte. Freilich brachte er auch einen kleinen Zweig der Hoffnung mit, denn Hitler hatte ihm zugleich gesagt: „Das tschechische Problem sei, wie er bereits mehrfach erklärt habe, die letzte territoriale Forderung, die er in Europa noch zu stellen hätte.“ Ward Price, dem Reporter der Daily Mail, versicherte Hitler, das „Krebsgeschwür“, das „tschechische Übel“ abzustellen, wobei niemand in Deutschland deswegen einen Krieg mit den Westmächten wolle („Wahnsinn“)

Unbeirrt von Prags allgemeiner Mobilmachung am 24. September, von Roosevelts Friedensappell am 26. und der telegrafischen Bitte des mächtigsten britischen Zeitungsverlegers, Lord Rothermere, die letzte Frist am 1. Oktober nicht ablaufen zu lassen, beharrte Hitler auf der sofortigen Erfüllung seines Godesberger Memorandums vom 23. An dessen Ende hieß es: „die Übergabe der geräumten sudetendeutschen Gebiete hat zu erfolgen ohne jede Zerstörung oder Unbrauchbarmachung von militärischen, wirtschaftlichen und Verkehrsanlagen . . ,“

Am 26. September lehnte Hitler es ab, die Abstimmung in den Sudetengebieten von der Britischen Legion (ehemalige Frontkämpfer) unter General- leutnant Sir Frederick Maurice kontrollieren zu lassen. Roosevelt erhielt zur Antwort, daß die Deutschen mit Wilsons Idealen getäuscht worden seien. „Nicht Deutschland trägt die Schuld daran, daß es ein sudetendeutsches Problem überhaupt gibt.“ Am Abend des 26. trieb Hitler in seiner Sportpalast-Rede zum Höhepunkt. Weitere Nachgiebigkeit gegenüber Prag nannte er „verderbliche Schwäche“: „Und nun steht vor uns das letzte Problem, das gelöst werden muß und gelöst werden wird! Es ist die letzte territoriale Forderung, die ich in Europa zu stellen habe, aber es ist die Forderung, von der ich nicht abgehe, und die ich, so Gott will, erfüllen werde.“

Tags danach untermauerte Hitler seinen Entschluß gegenüber dem Chamberlain-Intimus Sir Horace Wilson. Wenn die Tschechei sein Memorandum vom 23. ablehne, sei er „fest entschlossen, dieses Land zu zerschmettern“. Für den Fall, daß England und Frankreich eingriffen, wäre in sechs Tagen der Krieg da. Er hätte nicht umsonst viereinhalb Milliarden für die Rheinlandbefestigungen ausgegeben. „Er müsse aber doch erklären, daß man hier einem frivolen Spiel mit einem Weltkriege gegenüberstehe, nur weil ein kleines Land seit 20 Jahren die Ermächtigung besitze, seine Verpflichtungen nicht zu erfüllen ... Es sei verletzend, daß England offenbar Deutschland für weniger wichtig ansehe als die Tschechei.“ Wilson versprach, die Tschechen zur Vernunft zu bringen („I still try to make those Czechos sensible“). Am selben Tag ging ein Brief Hitlers an Premier Chamberlain ab mit dem Tenor der Erträglichkeit und der Wahrung des Gesichts: „Es versteht sich für mich ganz von selbst, daß alle deutschen Stellen jede Härte gegen die tschechische Regierung vermeiden werden.“

Unterdessen zeigte sich Prag unverändert zäh: Massenverhaftungen von Deutschen, Beschlagnahme ihrer Rundfunkgeräte, Verdunkelungsanordnungen, der Bau von Schützengräben deuteten auf Kampfentschlossenheit. Während Roosevelt erneut am 27. September Hitler bat, mit friedlichen Methoden das Problem zu lösen („peaceful männer“), befahl Hitler am selben Tag das Einrücken von sieben Divisionen in ihre Ausgangsstellungen dergestalt, „daß die Aktion gegen Grün’ ab 30. 9. möglich ist, nachdem ein Tag vorher bis 12. 00 Uhr die Entscheidung gefallen ist“

Die Entscheidung fiel am 28. September in unerwarteter Weise. Mit Blick auf die am 1. Oktober ablaufende Frist übermittelten der englische Botschafter (bereits am 27., 23 Uhr) und der französische dem Auswärtigen Amt die Bereitschaft, „in letzter Minute“ das „drohende Unheil“ abzuwenden und die Besetzung der Sudetengebiete im Prinzip zu billigen. „An dem Plan sei neu nicht nur“, meinte nach Darstellung von Weizsäckers Francois-Poncet, „daß er weitergehe als alles Bisherige, was uns entgegengebracht wurde, sondern auch insofern als der Plan den Tschechen noch nicht bekannt sei. Wir, Deutschland, würden zuerst gefragt. Stimmten wir zu, so werde die Französische Regierung die Tschechische zur Annahme auffordern. Lehne die Tschechei dann ab, so würden daraus Schlußfolgerungen abzuleiten sein, die er hier nicht näher zu präzisieren brauche.“

Damit war klar, daß Paris Prag allein lassen würde. Es ging nur noch um die angemessene Form der Befriedigung deutscher Wünsche bei möglichster Wahrung des Gesichts der Großmächte — vor allem Englands als Schlüsselmacht Europas. Nachdrücklich bat am 28. September der britische Botschafter in Rom, Lord Perth, um Mussolinis Vermittlung bei der Erhaltung des Weltfriedens und um entsprechende Einwirkung auf den Führer. Mit größter Beschleunigung wurde Botschafter Attolico mit der Bitte des Duce um Aufschub zu Hitler in Marsch gesetzt. Parallel dazu wurde ein von Göring, von Neurath und von Weizsäcker erarbeiteter, von Hitler gebilligter Konferenzentwurf ohne Ribbentrops Wissen nach Rom lanciert und von dort als Konferenzvorschlag Mussolinis an Berlin gerichtet Innerhalb von 24 Stunden wurde in München ohne Beteiligung der tschechoslowakischen Regierung ein Abkommen zwischen Hitler, Chamberlain, Mussolini und Daladier getroffen

Umstände und Verlauf der Konferenz verdeutlichten einmal mehr Hitlers brutale Entschlossenheit des „So oder So“. Seinem Termin-Diktat lieferten sich die Ministerpräsidenten Englands, Frankreichs und Italiens geradezu willfährig aus, als sie alle drei Hitlers „Einladung“ nach München für den folgenden Vormittag akzeptierten. Die Wahl Münchens als Konferenzort mochte aus Reverenz gegenüber dem Duce getroffen sein, dem als offiziellem Initiator der Konferenz der kürzeste Reiseweg zustand, was allerdings Hitler einen besonders wichtigen Vorteil bot: Er fuhr Mussolini bis Kufstein entgegen, um ihn auf dem Rest der Reise bis München für Deutschlands Belange einzunehmen. Die Tschechoslowakei müsse, so bekannte Hitler freimütig, in derjetzigen Form liquidiert werden, da sie 40 deutsche Divisionen festlege und die Hände gegenüber Frankreich binde.

Geschickt konnte indes der Duce die Avancen aus-pendeln und sich zum umschmeichelten Friedensstifter vor Chamberlain und Daladier stilisieren. Die Beratungen begannen um 12. 45 Uhr im „Braunen Haus“. Schon in der ersten Runde der bis nach Mitternacht währenden, zweimal unterbrochenen Verhandlungen wurde der 1. Oktober als Stichtag für die Räumung der Sudetengebiete akzeptiert. Gegen 15 Uhr gab Hitler theatralisch Entwarnung, als er vor den Teilnehmern seinen Adjutanten Schmundt anwies: „die Mobilmachung unterbleibt“. Eine Fülle von Einzelfragen wollte Chamberlain bis auf Entschädigungsverfahren für enteignete tschechische Gebäude oder den Viehbestand tschechischer Besitzer ausdehnen, als Hitler grollend die Grenze zog: „Unsere Zeit ist mir zu schade, um mit derartigen Lappalien vertan zu werden.“

Kurz nach Mitternacht konnte das Abkommen unterzeichnet werden. Es war das Ergebnis erregter, zuweilen wohl tumulthafter Auseinandersetzungen (Chefdolmetscher Schmidt: „Schulklasse“) um Besatzungsmodalitäten, polnische bzw. ungarische Minoritätenprobleme sowie um Garantieleistungen für die restliche Tschechoslowakei. Bedrückend für alle war Hitlers erpresserisches „time table“, doch schien die Friedensrettung so wichtig, daß sonst übliche vertragliche Formalitäten unterblieben. Ein paar zusammengeheftete Schreibmaschinenseiten ohne Siegel, ohne Eingangsformel, ohne Nennung der bevollmächtigten Konferenzteilnehmer und ohne Konferenzprotokoll dokumentierten die von Hitler erzwungene Strategie der Improvisation

Hitler gewann den Anschluß der Sudetendeutschen, die drei anderen den Frieden. So wähnten sie. Denn Hitler hatte unter raum-und wehrpolitischem Aspekt nur einen halben Sieg errungen. Daß er damit nicht zufrieden war, deutete er in einer Rede vor handverlesenen Vertretern der deutschen Presse wenige Wochen nach München am 10. November an, als er, wie ein Beobachter es formulierte, den Vorhang der Hinterbühne hochzog: „Der Zwang war die Ursache, warum ich jahrelang nur vom Frieden redete . . . Irgendwie glaube ich. habe sich diese Platte, die pazifistische Platte, bei uns abgespielt.“ Nun müsse das Volk lernen, „fanatisch an den Endsieg zu glauben ... Es muß erzogen werden zu dem absoluten, sturen, selbstverständlichen, zuversichtlichen Glauben: Am Ende werden wir alles das erreichen, was notwendig ist.“ Zu dieser Notwendigkeit zählte für Hitler, wie er am 28. Mai 1938 seinen Generälen eröffnet hatte, die Beseitigung derTschechei „als Rückenfeind“ im Falle eines Krieges gegen die Westmächte

Am 15. März 1939 zwang Hitler den Staatspräsidenten der Rest-Tschechoslowakei, Dr. Hacha, im Beisein seines Außenministers Dr. Chvalkovsky in Berlin vertraglich dazu, „das Schicksal des tschechischen Volkes und Landes vertrauensvoll in die Hände des Führers des deutschen Reiches zu legen“ Daß das Sudetenland nicht Hitlers „letzte territoriale Forderung“ sein würde, wie er am 26. September 1938 der Welt verkündet hatte, war nun auch den Gutwilligsten klar geworden. Sie waren schon bald nach „München“ als „Appeasers“ verschrien, die Hitler den Weg zur Zerstörung Europas freigegeben hätten. Um so lauter geriet die Klage, als man davon ablenken wollte, daß man aus Angst vor Krieg moralische Prinzipien unter dem Termindiktat Hitlers verraten hatte — und dies offenbar wohl völlig vergeblich. Aber waren die Appeasers leichtfertig und blind? Schlossen sie „einen Frieden um den Preis der Schande“?

„Appeasement“ — eine Problemskizze

Es wäre zu billig, solche Vorwürfe aus unserem Wissen um die Ereignisse nach München abzuleiten. Vielmehr sind die Möglichkeiten der Akteure zu erkunden, die im Spätsommer 1938 Hitler gegenüberstanden Aus dem Blickfeld der Westmächte konnte man Hitler schlecht das Selbstbestimmungsrecht der Völker vorenthalten, das die Siegermächte 1918 proklamiert, aber einseitig zur Anwendung gebracht hatten. Erfolgreich hatten die tschechoslowakischen Staatsgründer Masaryk und Benesch in Paris den Westmächten suggeriert, daß es keine geschlossenen deutschen Siedlungsräume gebe. Das Votum der Sudetendeutschen für einen Anschluß an Deutsch-Österreich wurde hintertrie-ben. Nach 20jähriger Tschechisierungspolitik mußte eine nationale Versöhnung und Integration als gescheitert angesehen werden, wie Benesch selber eingestand

Die kriegerische Verhinderung einer Ausgliederung der Sudeten durch einen Angriff am Rhein hätte eigene Rechtsauffassungen der Westmächte und die Prinzipien des Völkerbundes diskreditiert. Zudem war der Zeitgeist der dreißiger Jahre, nicht zuletzt unter dem Eindruck der deutschen Olympiade-Inszenierung als Festspiele des Friedens, durchtränkt von prodeutscher Entspannungspolitik. Hitlers geschickte Einklage von Wilsons 14 Punkten brachte die Westmächte in Verlegenheiten, förderte ihre Beschämung über die armselige Vertragskunst des Versailler Friedens. Durfte man aus Mißtrauen gegen Hitler Deutschland Gleichberechtigung, sichere Grenzen und nationale Selbstbestimmung verweigern und gleichermaßen mit einem Präventivkrieg (der schon als Antwort auf die Rheinlandaktion am 7. März 1936 von vielen verlangt wurde) Deutschland niederringen, d. h.den sicheren Krieg beginnen aus Sorge vor einem möglichen Krieg?

Die Kosten-Nutzen-Frage war indes nicht nur moralischer Natur. Trotz aller propagandistischer Übersteigerung besaß das Reich 1938 eine ernstzunehmende, machtvolle Armee. Weder aus Londoner noch aus Pariser Sicht war das Reich einfach zu überrennen. Durfte und konnte man Deutschland zerstören, um Hitler zu bremsen? Ein längerer Abnutzungskrieg zwecks Abschreckung Hitlers mußte Folgen haben, die das Sudetenland bedeutungslos erscheinen ließen. Dies verdeutlichen zwei Zitate. Am 23. August 1938 äußerte Horace Wilson zum deutschen Geschäftsträger in London: „Es wäre der größte Wahnsinn, wenn diese beiden führenden Völker einander in einem Krieg vernichten würden. Nur der Bolschewismus würde dabei gewinnen.“ Der französische Botschafter in Moskau sagte drei Tage später seinem deutschen Kollegen Graf von der Schulenburg: „Ich hoffe im Herzen, daß es zu keinem deutsch-französischen Konflikt kommt. Sie wissen ebensogut wie ich, für wen wir arbeiten, wenn wir uns in die Haare geraten.“

Frankreich konnte und wollte ohne englische Rükkendeckung nichts unternehmen, doch Londons Kräfte waren gebunden. Im Mittelmeerraum war nach der Eroberung Abessiniens Italien, das in der „Achse“ mit Hitler alliiert war, zum schärfsten Konkurrenten Britanniens aufgestiegen. Rom schielte nach Alexandria. Die eben errichtete Franco-Diktatur machte das Schicksal Gibraltars ungewiß. In Femost stand Japan auf dem Sprung.

Am 20. Februar 1938 hatte Hitler Japans Marionettenstaat Mandschukuo anerkannt und betont, er werde es in Ostasien auf jeden Fall mit den Japanern halten Sollte Großbritannien der Ehre wegen die tschechischen Kastanien aus dem Feuer holen und seinerseits einen das Empire bedrohenden Weltbrand entfachen? Zumal gerade die Sudetenkrise die Unzulänglichkeit des britischen Rüstungsstandes aufgedeckt hatte und man einen (wiederum Hitler reizenden) Nachholbedarf feststellen mußte Durfte man Prags wegen einen Durchbruch Deutschlands bis zum Ärmel-Kanal riskieren? Und dies alles vor dem Hintergrund der Versicherung Hitlers, der Anschluß der Sudeten sei seine letzte territoriale Forderung? Womit war zudem von vornherein die Wertlosigkeit der deutsch-französischen Nichtangriffserklärung vom 6. Dezember 1938 beweisbar? Gewiß hätten die Kritiker des Appeasements andersherum die Auslösung des Krieges durch London zumindest als politische Don-Quichoterie gegeißelt, als unzulässige Verselbständigung ethischer Prinzipien gegen alle Realität und jegliche Ziel-Mittel-Relationen und damit als Zerstörung der europäischen Politik gebrandmarkt. Eine tiefe Tragik liegt darin, daß die Westmächte um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit nach innen und außen willen erst auf Hitlers Versuch der Zerstörung Europas am 3. September 1939 reagieren konnten.

Eigene Schlüsse zog inzwischen Stalin: Obwohl bündnispolitisch mit Frankreich und der Tschechoslowakei liiert hielt sich Moskau in der Sudetenkrise auffällig zurück. Erst wenn Frankreich marschiere, würde auch Rußland eingreifen, faßte Graf von der Schulenburg seine Erkundungen am 26. Dezember zusammen Ohne laute Stimme plädierte Moskau endlich für eine internationale Schiedskonferenz, nachdem es mehrfach in Richtung Berlin versichert hatte, die Abtretung der Sudetengebiete als eine innertschechische Angelegenheit zu betrachten. Spekulierte Stalin auf eine Selbstzerfleischung der kapitalistisch-imperialistischen Großmächte? Die erstaunliche Nichteinladung nach München ließ in Moskau den Verdacht einer Neuauflage des Viererpaktes (Rom-London- Paris-Berlin) entstehen, was für Stalin zwei Konsequenzen haben mußte: erstens mit Deutschland die Hauptmacht aus der antirussischen Komplizenschaft herauszubrechen (was mit dem Vertrag vom August 1939 scheinbar gelang) und sich, zweitens, vor allem so stark als möglich zu machen.

Das Versagen des Völkerbundes im japanisch-chinesischen Konflikt wie auch im italienisch-abessinischen Krieg, die Niederlage der Roten in Spanien und jüngst die praktische Auslieferung der CSR in München zerfetzten die Prinzipien kollektiver Sicherheit. Eigene Machtpolitik bildete fortan den einzigen Vertrauensgrund. Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 1. September 1939 (!) verkündete Stalin in der Prawda: „Wir müssen jederzeit bereit sein, einen bewaffneten Angriff auf unser Land zurückzuschlagen, um den Feind auf seinem eigenen Territorium zu vernichten.“ Auch ihm ging es wie Hitler darum, das von Frankreich und England kontrollierte, „alte in Europa bestehende Gleichgewicht zu beseitigen“ (Stalin am 1. Juli 1940) Das Ringen um die Vormachtstellung in Europa degradierte „München 1938“ zur Episode im Kalendarium der Weltpolitik.

Die Konferenz von München vor fünfzig Jahren markierte den Wendepunkt in Hitlers Außenpolitik. Erstmals verdichtete er seine eigenen revolutionären Ziele mit den revisionistischen großdeutschen Bestrebungen zur offenen Androhung brutaler Gewaltpolitik. „Nur unter der fortgesetzten Betonung des deutschen Friedenswillens und der Friedensabsichten war es mir möglich“, kommentierte Hitler am 10. November 1938 im vertrauten Kreise seinen Strategiewechsel, „dem deutschen Volke Schritt für Schritt die Freiheit zu erringen und ihm die Rüstung zu geben, die immer wieder für den nächsten Schritt als Voraussetzung notwendig war.“ Auch „München“ diente bei allen „polykratischen“ Widersprüchlichkeiten in Terminierungsund Verfahrensfragen der generalstabsmäßigen Vorbereitung kriegerischer Expansion.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zitatnachweise zum Vorstehenden: Andre Francois-Poncet. Als Botschafter in Berlin 1931 — 1938. Mainz 1948. S. 327; Harold Nicolson, Tagebücher und Briefe 1930— 1941, Stuttgart 1969, S. 306. Galeazzo Ciano, Tagebücher 1937/38, Hamburg 1949. S. 243; Erich Kordt, Nicht aus den Akten . . .. Stuttgart 1950. S. 277; Georges Bonnet. Vorder Katastrophe, Köln 1951. S. 119; Herbert von Dirksen. Moskau-Tokio-London, Stuttgart 1949. S. 235. Zur Darstellung der Vorgeschichte und Geschichte der Münchener Konferenz vgl. bes. Gerhard L. Weinberg, The Foreign Policy of Hitler’s Germany. Starting World War II. 1937 — 1939, Chicago 1970, S. 313— 534 (mit Auswertung aller bis dahin erschienenen Literatur); Detlef Brandes, Politik Die des Dritten Reiches gegenüber der Tschechoslowakei, in: Manfred Funke (Hrsg.), Hitler, Deutschland und die Mächte, Düsseldorf 1978; Stephen Dolezel, Tschechoslowakei — Nationalitätenprobleme im Kraftfeld der NS-Expansionspolitik, in: Erhard Forndran/Frank Golczewski/Dieter Riesenberger (Hrsg.), Innen-und Außenpolitik unter nationalsozialistischer Bedrohung, Opladen 1977. Hans-Ulrich Thamer, Ver -führung und Gewalt, Deutschland 1933 — 1945. Berlin 1986, S. 580 ff.

  2. Winston S. Churchill. Der Zweite Weltkrieg. Erinnerungen. Bd. 1. Frankfurt 1985. S. 368.

  3. Nach dem Attentat auf Heydrich drohte Hitler in Prag für den Fall weiterer Vorkommnisse die Aussiedlung von Millionen Tschechen an. Vgl. Henry Picker. Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, Stuttgart 1977, S. 412.

  4. Vgl. „Es spricht der Führer“. 7 exemplarische Hitler-Reden, hrsg. v. Hildegard von Kotze/Helmut Krausnick. Gütersloh 1966, S. 378 ff.

  5. Vgl. Anm. 4, S. 88 ff.

  6. Aufzeichnung von Oberst Hoßbach über Hitlers Besprechung am 5. 11. 1937 mit den Oberbefehlshabern der Streitkräfte. in: Akten zur deutschen auswärtigen Politik. Serie D. Bd. 1. Nr. 19 (künftig zitiert: ADAP).

  7. Stephen Dolezel (Anm. 1), S. 262 ff. Zur Sprengsatz-Funktion Hans-Adolf vgl. Jacobsen, Nationalsozialistische Außenpolitik 1933— 1938. Frankfurt 1968. S. 441 ff. Ronald M. Smelser, Das Sudetenproblem und das Dritte Reich. Von der Volkstumspolitik zur Nationalsozialistischen Außenpolitik, München 1980.

  8. ADAP, Serie D, Bd. 11, Nr. 23.

  9. Vgl. Anm. 8, Nr. 133.

  10. Max Domarus, Hitler, Reden und Proklamationen 1932-1945. München 1965. II, 1. Hlbbd., S. 801.

  11. Zit. nach Alan Bullock, Hitler, Eine Studie über Tyrannei, Düsseldorf 1959, S. 447.

  12. Vgl. Anm. 11, S. 450f. Vgl. zum Komplex Klaus-Jürgen Müller, Armee und Drittes Reich 1933 — 1939. Paderborn 1987. S. 308 ff.

  13. Leonidas Hill (Hrsg.), Die Weizsäcker-Papiere 1933— 1950. Berlin 1980. S. 128; generell dazu Rainer A. Blasius, Für Großdeutschland — gegen den großen Krieg. Emst von Weizsäcker in den Krisen um die Tschechoslowakei und Polen. Köln 1981. Vgl. zur Besorgnis der Heeresführung Keitels Äußerungen in Nürnberg, zit. bei W. Churchill (Anm. 2). S. 388.

  14. Vgl. A. Bullock (Anm. 11). S. 451.

  15. ADAP. Serie D.. Bd. II. Nr. 381.

  16. Ernst von Weizsäcker, Erinnerungen, München 1950. S. 188.

  17. ADAP, Serie D, Bd. II, Nr. 424.

  18. Vgl. ebda.. Nr. 309.

  19. Vgl. ebda.. Nr. 323. 332.

  20. Vgl. ebda.. Nr. 345.

  21. So konnte z. B. London ein Jahr später nach Hitlers Angriff auf Polen nur mit stärkstem Druck Daladier zur Kriegserklärung bewegen. „Mourir pour Danzig?“, soll Daladier gefragt haben. Vgl. H. Picker (Anm. 3). S. 355.

  22. ADAP. Serie D. Bd. II, Nr. 366.

  23. Vgl. ebda., Nr. 369. S. 468.

  24. Vgl. ebda., Nr. 371, 373, 386, 391.

  25. Vgl. ebda., Nr. 388.

  26. Vgl. ebda., Nr. 422.

  27. Vgl. ebda., Nr. 424 (Besprechung Hitlers mit von Brauchitsch, Oberbefehlshaber des Heeres, am 3. 9. 1938).

  28. Vgl. Anm. 4. S. 274.

  29. Vgl. Anm. 23. Nr. 448 (Aufzeichnung des Adjutanten Major Schmundt).

  30. Vgl. ebda., Nr. 450.

  31. Vgl. Anm. 10, S. 904/905.

  32. Vgl. Anm. 23, Nr. 472.

  33. Vgl. ebda., Nr. 482.

  34. Vgl. ebda.. Nr. 475. 480.

  35. Vgl. ebda.. Nr. 487.

  36. Vgl. ebda.. Nr. 507.

  37. Vgl. ebda., Nr. 554.

  38. Vgl. ebda., Nr. 562.

  39. Vgl. ebda., Nr. 583.

  40. Vgl. Anm. 10, S. 910.

  41. Vgl. Anm. 41, S. 920.

  42. Vgl. ebda., S. 927.

  43. ADAP, Serie D, Bd. II. Nr. 634.

  44. Vgl. ebda., Nr. 635.

  45. Vgl. ebda., Nr. 654.

  46. Vgl. ebda.. Nr. 655. Nr. 656.

  47. Vgl. Anm. 16. S. 188 f.

  48. Zur Behandlung der von der Konferenzteilnahme ausgeschlossenen Delegation der Tschechoslowakei vgl. Boris Celovsky. Das Münchener Abkommen 1938. Stuttgart 1958. S. 461. Am 30. 9. gab die Regierung in Prag ihre offizielle Zustimmung zum Abkommen und erhob zugleich Einspruch „vor der ganzen Welt gegen Entscheidungen, die einseitig und ohne ihre Beteiligungen getroffen wurden“ (vgl. Fritz Peter Habel. Dokumente zur Sudetenfrage. München 1984, S. 235). Der Text des Abkommens zu Lasten der Tschechoslowakei in: ADAP, Serie D, Bd. II. Nr. 675.

  49. Vgl. zum Vorstehenden Helmuth K. G. Rönnefahrth, Die Sudetenkrise in der internationalen Politik. 2 Tie.. Wiesbaden 1961. S. 653 ff. Annex S. 327. Paul Schmidt. Statist auf diplomatischer Bühne, Bonn 1952, S. 414ff.

  50. Textnachweis bei H. von Kotze/H. Krausnick (Anm. 4), S. 270 ff. Bereits drei Wochen nach München erfolgte Hitlers Weisung zur „Erledigung der Rest-Tschechei". vgl. K. Müller (Anm. 12). S. 358. Zur außerordentlichen militärischen Kampfstärke der Tschechoslowakei vgl. die Zahlen in: Die

  51. Vertragsfaksimile in ADAP, Serie D. Bd. IV, (Vorsatz-blatt).

  52. So in Anlehnung an Churchill Karl-Heinz Janßen in: Die Zeit vom 16. 9. 1988.

  53. Zur Appeasement-Problematik konzentriert und gehaltvoll: H. -U. Thamer (Anm. 1), S. 582 ff.

  54. In seiner Melniker Rede vom 14. Oktober 1945 gab Benesch dies in besonderer Weise zu. als er. sich nun selbst auf Runcimans Votum von 1938 berufend, die Unverträglichkeit von Deutschen und Tschechen feststellte, womit nur eine Lösung verbliebe: der Exodus der Deutschen; vgl.: Von Anfang an ungerecht. Die Behandlung der sudetendeutschen Frage in der Tschechoslowakei. Eine Dokumentation, hrsg. vom Sudetendeutschen Rat. München 1972. S. 92.

  55. ADAP. Serie D. Bd. II. Nr. 382. Nr. 396.

  56. Vgl. Anm. 10. S. 799.

  57. W. S. Churchill (Anm. 2). S. 399ff.; Hitler sei auf die Engländer „geladen“ und traue ihnen nicht mehr über den Weg. (7. 11. 1938), vgl. Goebbels Tagebücher. Bd. 3. München 1987, S. 536. Am 3. Oktober hatte Chamberlain im Unterhaus erklärt, daß England zur Aufrüstung entschlossen sei. um nicht bei einer erneuten Krise ungerüstet zu sein; vgl. H. von Dirksen (Anm. 1). S. 236.

  58. Zur Vertragslage vgl. Weltgeschichte der Gegenwart in Dokumenten. Bd. 3. 1935/36. Berlin 1942. S. 294 f.

  59. ADAP. Serie D. Bd. II, Nr. 620.

  60. Zit. nach Klaus Hildebrand. Krieg im Frieden und Frieden im Krieg, in: Historische Zeitschrift. Bd. 244. (1987). S. 9. Im Kontext vgl.demnächst Manfred Funke, Hitler —

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Manfred Funke, Dr. phil., geb. 1939; Studiendirektor am Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Karl Dietrich Bracher und Hans-Adolf Jacobsen) Nationalsozialistische Diktatur, Düsseldorf 1983, sowie Die Weimarer Republik, Düsseldorf 1987; (zus. mit Hans-Adolf Jacobsen, Hans-Helmuth Knütter, Hans-Peter Schwarz) Demokratie und Diktatur, Düsseldorf 1987.