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Die Umweltpolitik der konservativ-liberalen Regierung Eine vorläufige Bilanz | APuZ 47-48/1989 | bpb.de

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APuZ 47-48/1989 Sozial-liberale Umweltpolitik Von der Karriere eines neuen Politikbereichs Die Umweltpolitik der konservativ-liberalen Regierung Eine vorläufige Bilanz Die Entwicklung der internationalen Umweltpolitik und des Umweltrechts durch internationale und europäische Organisationen Artikel 1

Die Umweltpolitik der konservativ-liberalen Regierung Eine vorläufige Bilanz

Helmut Weidner

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Ära der konservativ-liberalen Umweltpolitik begann Ende 1982. Seitdem sind nahezu sieben Jahre vergangen — Zeit genug, um nach ihren Grundmerkmalen und bisherigen Leistungen zu fragen. Anhand eines mehrdimensionalen Analyserasters werden Maßnahmen und Leistungen der Umweltpolitik in der Regierungszeit der konservativ-liberalen Koalition bewertet. Es zeigt sich, daß die Umweltpolitik der gegenwärtigen Bundesregierung im internationalen Vergleich, insbesondere innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, als fortschrittlich und effektiv einzuordnen ist. In wichtigen Umweltbereichen hat sie sogar eine Vorreiterrolle übernommen. Im historischen Vergleich zur Umweltpolitik der sozial-liberalen Regierung (1969— 1982) wird jedoch festgestellt, daß von der jetzigen Regierung keine umweltpolitischen Innovationen entwickelt worden sind: Das umweltpolitische Konzept und das Regelungsinstrumentarium wurzeln immer noch im schon 1971 entwickelten Umweltprogramm. Die Untersuchung kommt zu dem allgemeinen Fazit, daß die positiven Umwelteffekte, die seit 1983 erzielt wurden, im wesentlichen mit dem gestiegenen Problcmdruck und den veränderten sozioökonomischen Rahmenbedingungen erklärt werden können.

I. Eine unerwartete Schrittmacherrolle

Starthilfe von der alten Regierung Die seit 1969 amtierende sozial-liberale Bundesregierung hatte erstmals in der Bundesrepublik Deutschland eine systematische staatliche Umweltpolitik geschaffen und damit eine gesellschaftspolitische Dynamik ausgclöst. die sie zeitweilig, jedoch vergeblich, bremsen wollte 1) -Einer der letzten Kraftakte der Bundesregierung galt hingegen der Verbesserung des Umweltschutzes. Am 1. September 1982, wenige Wochen vor dem Regierungswechsel, faßte sie neue Beschlüsse zur künftigen Gestaltung der Umweltpolitik, die teilweise weit über das bis dahin geltende Umweltprogramm hinausgingen

Diese Beschlüsse und bereits früher fertiggestellte, jedoch „schubladisierte" Entwürfe strengerer Umweltgesetze kamen der konservativ-liberalen Regierungskoalition zugute. Neuer Bundesinnenminister und damit zuständig für den Umweltschutz, wurde Friedrich Zimmermann (CSU). Er, der zuvor kaum Engagement für den Umweltschutz gezeigt hatte, erkannte relativ schnell, wie populär und wählerwirksam Maßnahmen zugunsten des Umweltschutzes inzwischen geworden waren. In kurzer Zeit setzte er zur großen Überraschung seiner Kritiker und gegen den zeitweilig heftigen Widerstand der betroffenen Industriekreise strenge umweltpolitische Regelungen durch. Dabei griff er weitgehend auf das am 1. September 1982 verabschiedete Umweltprogramm der sozial-liberalen Koalition zurück, in dem Maßnahmen zur Luftrein-haltung den Schwerpunkt bildeten. Diese Prioritätensetzung wurde von ihm beibehalten. 2. Programme und Maßnahmen der neuen Regierung In Abschnitt IV („Perspektiven unserer Politik“) seiner Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 ging der neue Bundeskanzler Helmut Kohl nur sehr allgemein auf den Umweltschutz ein. Aufhorchen ließen dagegen programmatische Reden des Bundesinnenministers. Besonders ein Satz seiner Parlamentsrede am 14. Oktober 1982 wurde später oft zitiert: „Umweltschutz ist neben der Vermeidung kriegerischer Konflikte die wichtigste Aufgabe der Menschheit in den nächsten Jahren.“

Die Ziele und Maßnahmenprogramme aus den letzten Tagen der alten Regierung wurden nicht nur nahezu unverändert übernommen, sie wurden zum Teil sogar verschärft. Das gilt vor allem für die Luftreinhaltepolitik. Die weitere Bearbeitung des schon vorliegenden Entwurfs der heftig umstrittenen Großfeuerungsanlagen-Verordnung zählte zur ersten umweltbezogenen Amtshandlung des neuen Innenministers Die Verordnung, an der die alte Regierung nahezu fünf Jahre gearbeitet hatte, wurde von ihm nach rund neun Monaten (am 1. Juli 1983) in Kraft gesetzt. Den Anstoß hierzu gaben insbesondere die rapide Zunahme der Waldschäden („Waldsterben“) in der Bundesrepublik und die hierdurch ausgelöste, zeitweise heftige öffentliche Diskussion, in der die staatliche Luftreinhaltepolitik als viel zu lax kritisiert wurde. Einem großen Teil der Öffentlichkeit war zudem deutlich geworden, daß die Probleme allein mit nationalen Maßnahmen nicht in den Griff zu bekommen waren. In der Absicht, international koordinierte Maßnahmen gegen den „sauren Regen“ voranzutreiben, organisierte die Bundesregierung im Juni 1984 in Der Beitrag baut auf meinem Aufsatz in: Scheidewege. Jahresschrift für skeptisches Denken, 19 (1989/90), S. 129— 156, auf. München eine multilaterale Umweltkonferenz, an der 31 Staaten aus Ost und West teilnahmen. Die Konferenz trug mit dazu bei, daß im Juli 1985 in Helsinki ein Protokoll mit dem Ziel verabschiedet wurde, die nationalen Gesamtemissionen von Schwefeldioxid (SO 2) von 1980 bis spätestens 1993 um mindestens 30 Prozent zu senken. Einzelne Staaten verpflichteten sich sogar zu weitaus größeren Emissionssenkungen; zu dieser Spitzengruppe gehörte auch die Bundesrepublik Deutschland. Sie kündigte SO 2-Emissionsminderungen von 60 Prozent bis 1993 an. Bei den internationalen Vereinbarungen zur Verringerung der Emissionen von Stickstoffoxiden (NO,) engagierte sich die Bundesregierung ebenfalls für striktere Maßnahmen als von etlichen anderen Staaten gewollt

Auch auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaften (EG) spielte die Bundesregierung immer häufiger eine Schrittmacherrolle Der bereits im Juli 1983 unternommene Versuch, die in den USA geltenden Abgasgrenzwerte für Personenkraftwagen als EG-Richtlinie für 1986 durchzusetzen, wurde indessen durch den Widerstand Frankreichs, Großbritanniens und Italiens vereitelt Zu diesem anfänglichen Mißerfolg mag die stellenweise ungeschickte politische Taktik der Bundesregierung beigetragen haben, vor allem, daß sie nicht bereit war, auf bundesdeutschen Autobahnen eine Höchstgeschwindigkeit vorzuschreiben. Nach wie vor ist die Bundesrepublik das einzige Industrieland der Welt, in dem es kein generelles Tempolimit auf Autobahnen gibt. Andererseits spricht vieles dafür, daß ohne den (alle juristischen und diplomatischen Bedenken zunächst einmal beiseite lassenden) „Paukenschlag“ des Bundesinnenministers — die Forderung nach einer EG-weiten Einführung von Katalysatoren für alle PKW, notfalls auch ein nationaler Alleingang der Bundesrepublik — der Entscheidungsprozeß auf EG-Ebene noch träger verlaufen wäre

Insgesamt kann festgestellt werden, daß die konservativ-liberale Bundesregierung schon kurz nach ihrem Amtsantritt den Konflikt mit mächtigen Industriegruppen wagte und für frischen Wind in der Luftreinhaltepolitik sorgte. In diesem Gebiet übernahm die Bundesregierung zudem die schwierige (und undankbare) Rolle eines „Vorreiters“ auf dem hindemisreichen Parcours der internationalen Umweltpolitik

Die Maßnahmen unter Innenminister Zimmermann konzentrierten sich zwar auf die Luftreinhaltung, doch blieb die Politik in den anderen Umweltschutzbereichen nicht stehen. Die hier eingeleiteten Maßnahmen waren hingegen selten auf die kurzfristige und deutliche Senkung der Umweltbelastung ausgerichtet. Sie blieben stärker dem althergebrachten Ansatz einer symbolisch-regulativen Umweltpolitik verhaftet, bei dem rechtliche Regelungen (Ge-und Verbote) nicht mit präzisen, kontrollfähigen und zeitlich abgestuften Vollzugsprogrammen verbunden werden.

Den im Vergleich zur Luftreinhaltepolitik schwächeren umweltpolitischen Leistungen in anderen Bereichen standen entsprechend geringere Verbesserungen der Umweltqualität gegenüber; teilweise kam es sogar zu erheblichen Verschlechterungen. Am Beispiel der Nordsee ist überdies zu sehen, wie falsch die Bundesregierung die Angemessenheit ihrer umweltpolitischen Maßnahmen eingeschätzt hat. So stellte sie noch 1986 fest: „Nach den gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist eine plötzliche Veränderung des Zustands der Nordsee, die den sofortigen biologischen Tod weiter Gebiete zur Folge hätte, nicht zu befürchten.“ Bereits im Mai 1988 entstand jedoch in der Nordsee eine katastrophale Situation, die ein explosionsartiges Algenwachstum und den Tod vieler Robben zur Folge hatte. Als große Schwachstelle in der Umweltpolitik galt (und gilt weiterhin) der Bodenschutz. Im Februar 1985 wurde zwar von der Bundesregierung eine „Bodenschutzkonzeption“ beschlossen das theoretisch und methodisch recht anspruchsvolle Konzept wurde aber erst viel später (1987) durch die „Leitlinien und Maßnahmen zum Bodenschutz“ in praxisbezogene Regelungen umgesetzt. Die Bodenbelastungen nahmen nach einhelliger Experten-meinung weiterhin zu

Obwohl in Einzelbereichen unbestrittene Erfolge erzielt worden waren, nahm die Kritik an der Umweltpolitik von Minister Zimmermann im Verlauf seiner Amtszeit ständig zu Verschiedene Entscheidungen der Bundesregierung waren besonders umstritten, so zum Beispiel die Ablehnung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen und die Duldung sehr großzügiger Umweltregelungen in der Genehmigung für das Kohlekraftwerk Busch-haus. Vor allem die Entscheidung gegen das Tempolimit geriet unter den (nicht ausgeräumten) Verdacht, im Interesse der bundesdeutschen Automobilindustrie auf der Grundlage eines methodisch zweifelhaften Gutachtens des TÜV Rheinland gefällt worden zu sein Der schleppende Verhandlungsprozeß zu den PKW-Abgasgrenzwerten auf der EG-Ebene wurde nunmehr auch dem Innenminister angelastet, teilweise — in Verkennung des harten Widerstands anderer EG-Mitgliedsländer — zu Unrecht. Freilich setzte sich Minister Zimmermann selbst in ein schiefes Licht, indem er dürftige Verhandlungsergebnisse vor der Öffentlichkeit beschönigte.

II. Der Tschernobyl-Effekt: Ein Bundesumweltministerium entsteht

Der Verlust an Vertrauen in die umweltpolitische Kompetenz des Bundesministeriums des Innern erreichte seinen Höhepunkt kurz nach der Tschernobyl-Katastrophe im April 1986. Die verzögerte und teilweise sehr abwiegelnde Reaktion des Innenministers auf weit verbreitete Sorgen in der Bevölkerung über mögliche Folgen der gestiegenen Strahlenbelastung sowie das Zutagetreten von eklatanten planerischen und organisatorischen Mängeln im Strahlen-und Katastrophenschutz führten dazu, daß speziell der Innenminister und generell die Organisation des staatlichen Umweltschutzes scharf kritisiert wurden In der Bundesregierung wird sich damals vermutlich die Einschätzung durchgesetzt haben, daß ein Abbau des Vertrauensverlustes in die staatliche Umweltpolitik kaum möglich wäre, wenn derselbe Minister zuständig bliebe, der sich nach weitverbreiteter Meinng in der Öffentlichkeit als „oberster Umweltschützer“ diskreditiert hatte.

In dieser Situation fällte die Bundesregierung eine schnelle Entscheidung von beträchtlichem politischen Raffinement: Am 5. Juni 1986 wurde durch Organisationserlaß des Bundeskanzlers das „Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit“ (BMU) gebildet. Mit Walter Wall-mann, zuvor Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, wurde ein nicht in Umweltfragen ausgewiesener Politiker zum ersten vollamtlichen Umweltminister der Bundesrepublik Deutschland ernannt. In das neue Ministerium wurden bisher auf verschiedene Bundesministerien verteilte Umweltschutz-aufgaben eingegliedert. Einige für die Gestaltung und Durchsetzung einer präventiven Umweltpolitik wichtige Kompetenzen ließ man allerdings anderen Ministerien

Gemessen an der Zahl der Personalstellen gehört das BMU zu den kleineren Ministerien. Bei seiner Gründung hatte es rund 340 Stellen, im Jahr 1987 waren es dann rund 520 Mitarbeiter; das Budget betrug fast 400 Millionen DM. Für das Jahr 1990 sind für Umweltschutzausgaben im Bundeshaushalt rund 2, 6 Milliarden DM vorgesehen, davon 850 Millionen DM für den Bereich Atomenergie. Das sind rund 0, 9 Prozent des Bundeshaushalts (301 Milliarden DM); ohne den Anteil für Atomenergie verbleiben rund 0, 6 Prozent. Das Budget des BMU ist mit 950 Millionen DM angesetzt (rund 0. 3 Prozent des Bundeshaushalts)

Neben den politischen Folgen von Tschernobyl gab sicherlich der Blick auf die unmittelbar bevorstehende Landtagswahl in Niedersachsen und die Bundestagswahl im Januar 1987 einen Anstoß zur personellen und organisatorischen Neugestaltung der staatlichen Umweltpolitik — hatten doch unter anderem Meinungsbefragungen gezeigt, daß umwelt-politische Themen eine herausragende Rolle in der öffentlichen Diskussion spielten Analysen des Forschungsinstituts der Konrad-Adenauer-Stiftung ergaben zudem: „Bei dem . . . Thema Umweltschutz konnten die GRÜNEN ihren Kompetenz-vorsprung mehr und mehr gegenüber der CDU/CSU und vor allem der SPD ausbauen. Hielten im Herbst 1983 auf diesem Gebiet 26 Prozent der Bevölkerung die Union und 19 Prozent die SPD für kompetent, so waren es 29 Prozent, die den GRÜNEN eher die Leistungsfähigkeit bei der Lösung dieser Aufgabe zutrauten. Und die Kompetenz der GRÜNEN nahm von Jahr zu Jahr zu (1985: 40 Prozent. 1986: 42 Prozent). Im Januar 1987 hielten 45 Prozent der Bevölkerung die GRÜNEN auf dem Gebiet des Umweltschutzes für kompetent, die SPD zu 24 Prozent und die Union zu 22 Prozent . . . Auf die Frage nach den Leistungen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Umweltschutzes seit dem Regierungswechsel 1982 waren in der Bevölkerung — Oktober 1985 55 Prozent — März/April 1986 53 Prozent — Oktober 1986 48 Prozent der Auffassung, die Regierung Kohl habe , etwas bzw. viel getan'.“

Infolge der Tschernobyl-Katastrophe lag der Tätigkeitsschwerpunkt des Bundesumweltministers zu Beginn seiner Amtszeit im Bereich der Kernenergie, vorrangig beim Strahlenschutz. Eine seiner ersten Initiativen war die Erarbeitung eines Strahlenschutzvorsorge-Gesetzes, das am 31. Dezember 1986 in Kraft trat. Dieses Gesetz und die damit verbundenen Maßnahmen wurden von den Oppositionsparteien, von Wissenschaftlern und besonders von Umweltschutzorganisationen kritisiert. Sie sahen darin einen Versuch, die politische Überlebensfähigkeit der Kernenergieerzeugung sicherzustellen und kritische Meinungsvielfalt durch Zentralisierung einzuschränken .

Die im weiteren Verlauf der Amtszeit von Umweltminister Wallmann aufgetretenen Probleme (etwa unkorrekte Genehmigungsverfahren zugunsten der Brennelemente-Fabrik der Hanauer Firma AL-KEM, das Brandunglück bei der Firma Sandoz in Basel, zahlreiche Vorfälle von Gewässerverschmutzungen durch Chemieuntemehmen in der Bundesrepublik.der amtliche Umgang mit radioaktiv kontaminiertem Molkepulver) sowie die Reaktionen des BMU hierauf trugen relativ schnell dazu bei, daß der neue Umweltminister hinsichtlich seiner umweltpolitischen Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit in der öffentlichen Meinung an Reputation verlor.

Gleichwohl kann angenommen werden, daß die Reorganisation der staatlichen Umweltpolitik nach Tschernobyl positiv für die konservativ-liberale Koalition zu Buche schlug. Die niedersächsische Landtagswahl brachte ihr eine knappe Mehrheit, aus dem Bundestagswahlkampfim Januar 1987 ging sie als klare Siegerin hervor, und in der hessischen Landtagswahl im April 1987 erreichte die CDU/FDP-Koalition mit Walter Wallmann als Kandidaten für das Amt des hessischen Ministerpräsidenten gleichfalls die Mehrheit der Wähler-stimmen und löste hier die Koalition von SPD und GRÜNEN ab. Nachfolger von Bundesminister Wallmann wurde im Mai 1987 Professor Klaus Töpfer, zuvor Umweltminister von Rheinland-Pfalz, Inhaber eines Lehrstuhls für Raumforschung und Landesplanung sowie Mitglied im Rat der Sachverständigen für Umweltfragen, mithin ein Umweltexperte.

III. Der Experte als Umweltminister

1. Renaissance der symbolischen Umweltpolitik? Umweltminister Töpfer trat von Anbeginn mit großem Aplomb auf — so erregte seine Forderung, einen „Raucherpfennig“ einzuführen, kurzfristig viel Aufmerksamkeit. Durch seine offensive Art, Umweltprobleme klar zu benennen, und seine Fähigkeit, prima vista überzeugende Problemlösungen zu entwickeln, erwarb er sich alsbald Respekt in der Fachwelt und allgemeinen Öffentlichkeit. Die Bundesrepublik mit ihrem im internationalen Vergleich hohen Niveau ökologischen Wissens und Engagements in der Bevölkerung schien den ihr angemessenen Umweltminister bekommen zu haben.

Es ist eines der Kennzeichen für den hohen umwelt-politischen Reifegrad einer Gesellschaft, daß umweltwirksame Handlungen der Politiker gewollt und rein symbolische Aktivitäten („große Worte, kleine Taten“) relativ rasch erkannt werden Dennoch kann es politisch durchaus rational und für die vertretene Sache förderlich sein, wenn fehlende „klassische“ Machtmittel durch eine forcierte Öffentlichkeitskampagne ersetzt werden. Insofern ist die aufgekommene Kritik an Umweltminister Töpfers öffentlichen Ankündigungen und Auftritten teilweise überzogen, muß er doch fehlende parlamentarische und parteipolitische „Hausmacht“ ausgleichen, um beispielsweise den Konflikt mit starken Ministerien — etwa dem Finanz-, Wirtschafts-und Landwirtschaftsministerium — besser durchstehen zu können.

Freilich verliert eine offensive Öffentlichkeitspolitik schnell an Überzeugungs-und Wirkungskraft, wenn sie in der Sache folgenlos bleibt oder aus erkennbar sachfremden Motiven betrieben wird Zumindest in zwei bedeutenden Fällen herrschte der Eindruck vor, der Umweltminister habe nur symbolische Politik betrieben:

Die höchst unzulänglichen Entscheidungen auf der EG-Ebene zur PKW-Abgaspolitik gab der Minister als notwendige, ja dank seiner Initiative sogar erfolgreiche Kompromisse aus Dabei war die Möglichkeit nicht genutzt worden, gemeinsam mit anderen Mitgliedsländern (insbesondere den Niederlanden) ein besseres Ergebnis anzustreben. Als abzusehen war, daß der laue Kompromiß durch eine Initiative des Europäischen Parlaments und der EG-Kommission vor der Europawahl im Mai 1989 zugunsten strengerer Vorschriften für Kleinwagen aufgehoben werden würde, gab auch Umweltminister Töpfer bekannt, er wolle, schneller als geplant, strengere Vorschriften für Kleinwagen durchsetzen, notfalls im nationalen Alleingang

Nachdem die Schlacht um die Einführung ökonomischer Instrumente in die bundesdeutsche Umweltpolitik von etlichen Experten schon für verloren erklärt worden war, hob im Sommer 1989 geradezu explosionsartig eine Debatte um „Öko-Steuern“ und Umweltabgaben an. Auch der Umweltminister beteiligte sich daran und erklärte Abgabensysteme nachgerade zu einem Muß für eine rationale Umweltpolitik. Der Anlaß hierfür ist offensichtlich die im Januar 1990 anstehende Landtagswahl im Saarland: Für die SPD hatte der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine publikumswirksam das Konzept einer Energiesteuer vorgestellt, worauf Umweltminister Töpfer, der bei der Landtagswahl als Spitzenkandidat der CDU antreten soll, reagieren mußte. Der Umweltminister berief sich bei der Begründung seines Vorstoßes zugunsten ökonomi-scher Instrumente häufig auf ein Gutachten renommierter Finanzwissenschaftler Insider wissen jedoch, daß das Gutachten schon früher vorgelegen hatte und, wie einige andere, die die Einführung ökonomischer Instrumente befürworten, vom Umweltministerium eher ignoriert worden war

Es mag sein, daß es wahltaktische Überlegungen sind, die den Umweltminister verstärkt auf Mittel einer symbolischen Umweltpolitik zurückgreifen lassen. Dabei sollte nicht verkannt werden, daß in seiner bisherigen Amtszeit auch beachtliche Erfolge erzielt worden sind — etwa im Streit mit der Getränkeindustrie um Kunststoffflaschen, für die ein Pfandgeld von 0, 50 DM vorgeschrieben wurde die Verordnungen zu Kleinfeuerungsanlagen und Störfällen bei Industrieanlagen, die verbesserte steuerliche Förderung schadstoffarmer Automobile, die Erhöhung der Abwasserabgabe auf 60, — DM (ab 1993) und die Einbeziehung von Phosphor und Stickstoff in die Abgabepflicht. Eigentliche „umweltpolitische Durchbrüche“ sind derzeit jedoch noch nicht sichtbar.

Werden die in der Regierungserklärung vom 18. März 1987 enthaltenen Programmpunkte zur Umweltpolitik zugrundegelegt, so ergibt sich ferner, daß bisher etliche zentrale Vorhaben nicht realisiert wurden. Hierzu gehören: die Aufnahme des Umweltschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz, die Einführung marktwirtschaftlicher Instrumente in die Umweltpolitik, die Entwicklung und Durchsetzung eines umfassenden Konzeptes zum Schutz des Grundwassers sowie von Nord-und Ostsee, die Sanierung von Altlasten, die Einführung einer obligatorischen Umwelthaftpflichtversicherung und einer (verschuldensunabhängigen) Gefährdungshaftung.

Zu gentechnologischen Fragen, insbesondere wie sie auf der EG-Ebene im Zusammenhang mit Freilandversuchen behandelt werden, verhält sich der Minister angesichts deren zukünftiger umweltpolitischer Brisanz („Altlasten von morgen“) zurückhaltend. Dasselbe gilt für den Bereich Kernenergie und Wiederaufarbeitung des Nuklearmülls. Und der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom Juni 1988 zur „Umsetzung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung“ wird von vielen Experten als unzulänglich kritisiert. (Er bleibt im Inhalt auch weit unter dem Niveau, das etwa die Niederlande mit ihrem Gesetz vorgegeben haben.) Gesetzesvorschläge der Oppositionsparteien zu einer Steigerung der Transparenz umweltbezogener Aktivitäten von Unternehmen und Verwaltung wurden abgelehnt. Ein dem Problemstand angemessenes Finanzierungsprogramm zur bundesweiten Altlastensanierung wurde noch nicht vorgelegt; ähnliches gilt für den Schutz von Nord-und Ostsee. Dem Umweltminister ist bislang auch nicht das von ihm gewünschte Vetorecht bei Kabinettsentscheidungen mit relevanten Umweltauswirkungen eingeräumt worden, wie es der Finanzminister für seinen Bereich hat. Selbst ein politisches Symbol, das die Bedeutung des Umweltschutzes in der Bundesrepublik augenfällig demonstriert hätte, wurde nicht gesetzt: Bei der Planung des Neubaus des Umweltministeriums spielten ökologische Aspekte eine völlig untergeordnete Rolle; nun soll eine Arbeitsgruppe nachträglich für einige Verbesserungen sorgen.

Es wird zunehmend schwieriger, die Aktivitäten von Umweltminister Töpfer zu bewerten, da die bevorstehende Landtagswahl im Saarland ihren Schatten vorauswirft und die staatliche Umweltpolitik besonders tangiert. In dieser Konstellation ist es gegenwärtig kaum möglich, wahlkampftaktische Verhaltensweisen und auf Dauer angelegte Maßnahmen klar voneinander zu trennen. Es mag sein, daß deshalb der Eindruck entsteht, es komme zu einer Renaissance symbolischer Handlungen in der staatlichen Umweltpolitik, wie es sie schon zu Zeiten der sozial-liberalen Regierung gegeben hat.

Eindeutiger als diese Fragen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage beantwortet werden, ob es bezüglich der drei („offiziellen“) Grundprinzipien der staatlichen Umweltpolitik zu wesentlichen Änderungen im Verlauf der konservativ-liberalen Regierungsperiode gekommen ist. Das ist Thema des folgenden Abschnitts. 2. Die Umweltpolitik im Licht ihrer drei Grundprinzipien

Ein umfassendes politisches Programm für den Umweltschutz wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik von der sozial-liberalen Koalition mit dem Umweltprogramm von 1971 formu21 liert Bereits damals, eindeutiger noch im Umweltbericht der Bundesregierung von 1976 (es handelt sich hierbei um die Fortschreibung des Umweltprogramms von 1971), wurden drei umwelt-politische Grundprinzipien aufgestellt, die als handlungsleitende Orientierungen für alle umweltpolitischen Maßnahmen dienen sollten. Zu dieser „Prinzipien-Trias" gehören das Vorsorge-, das Verursacher-und das Kooperationsprinzip.

Die konservativ-liberale Regierung behielt diese Grundprinzipien bei; Ergänzungen und Veränderungen, formuliert unter der Überschrift „Leitlinien marktwirtschaftlich orientierter Umweltpolitik“ tangierten nicht ihre Substanz. Im Herbst 1986 — nach einer Aufforderung vom Bundestag im Jahr 1984 — waren zum Vorsorge-und zum Kooperationsprinzip in ausführlicher Weise „Leitlinien der Bundesregierung zur Umweltvorsorge durch Vermeidung und stufenweise Verminderung von Schadstoffen“ beschlossen worden.

Bei allgemein formulierten, nicht unmittelbar rechtsverbindlichen umweltpolitischen Prinzipien gilt noch mehr als für Umweltgesetze, daß sich ihre politiksteuernde Qualität erst im Vollzug erweist, d. h. aufgrund der tatsächlichen Aktivitäten der zuständigen Behörden und der hierdurch erreichten Effekte für die Umweltsituation Interpretierte man die Grundprinzipien aus dem Alltagsverständnis heraus, müßte man der amtlichen Umweltpolitik attestieren, daß sie die von ihr selbst anerkannten Normen weitgehend nicht einhält. Da es jedoch über den Bedeutungsgehalt und die aus ihm abzuleitenden praktisch-politischen Handlungsmaßstäbe noch keinen wissenschaftlichen Konsens gibt, ist es vorläufig angeraten, in der Bewertung eher vorsichtig-abwägend als fundamentalistisch-rigide zu sein.

Unter Beachtung dieser einschränkenden Bemerkungen kann zur politikleitenden Funktion der drei Grundprinzipien in der Regierungszeit der konservativ-liberalen Koalition im großen und ganzen folgendes Fazit gezogen werden

Das Vorsorgeprinzip ist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Weise vollständig implementiert worden. In Teilbereichen des Umweltrechts sind zwar Bestimmungen zugunsten vorsorglicher Umwelt-schutzmaßnahmen aufgenommen worden, dennoch sind sachlicher Bedeutungsgehalt und Reichweite des Prinzips immer noch umstritten Maßnahmen werden in aller Regel erst dann ergriffen, wenn umweltbelastende Aktivitäten offensichtlich zu einer Gefahr für Gesundheit und Umwelt werden oder, was häufig der Fall ist, wenn Beeinträchtigungen und Schäden schon entstanden sind.

Das Verursacherprinzip ist in Teilbereichen stärker als früher durchgesetzt worden, so besonders deutlich im Gebiet Luftreinhaltung. Andererseits sind Verursacher größerer Umweltprobleme bekannt, die nicht die Kosten zur Vermeidung, Beseitigung oder zur Entschädigung von Umweltbelastungen zu tragen haben. Auch Umweltminister Töpfer sieht die Diskrepanz in der Kostenverteilung: „Die volkswirtschaftlichen Kosten der Umweltschäden betragen jedes Jahr viele Milliarden DM. Sie fallen im wesentlichen der Allgemeinheit, nicht dem Verursacher zur Last.“

Obwohl es seit Beginn der achtziger Jahre eine intensive Diskussion zu ökonomischen Instrumenten (Abgaben. Gebühren, Zertifikate etc.) gibt und die Experten mehrheitlich einen stärkeren Einsatz dieser Instrumente in der Umweltpolitik empfohlen haben, sind verursacherorientierte ökonomische Instrumente von der amtierenden Regierung bisher nicht oder nur in sehr eingeschränkter Weise eingesetzt worden In der Novellierung des Bundesimmissionsschutz-Gesetzes 1985 ist zwar in die Luftreinhaltepolitik eine sogenannte Kompensationsregelung eingeführt worden, die für ein höheres Maß an Flexibilität und Effizienz bei unternehmerischen Entscheidungen sorgen soll, doch ist diese Regelung „aufgrund ihrer restriktiven Anwendungsbedingungen bisher ohne große Bedeutung geblieben“

Beim Kooperationsprinzip 41) ist die Situation ähnlich ambivalent: In Teilbereichen wurden die Partizipationsmöglichkeiten von Organisationen und Verbänden, die Umweltschutzinteressen vertreten, verbessert; insgesamt jedoch sind durch formelle (und informelle) Verfahren und Regelungen zum Willensbildungs-und Entscheidungsprozeß wirtschaftliche Interessengruppen bezüglich ihrer Interessendurchsetzung immer noch begünstigt. Möglichkeiten zur Stimulierung einer breiteren Partizipation sind zwar bekannt, wurden aber nicht genutzt

Insgesamt kann deshalb festgestellt werden, daß keines der offiziellen umweltpolitischen Grundprinzipien in substantieller Weise umgesetzt worden ist. Das war allerdings auch schon zu Zeiten der sozial-liberalen Koalition der Fall. Für den hier betrachteten Regierungszeitraum gilt jedoch, daß es — entgegen vielfach geäußerter Befürchtungen — keine umweltpolitischen Rückschritte, etwa durch die Beschneidung bestehender Partizipationsmöglichkeiten von Umweltorganisationen oder durch eine „industriefreundliche“ Lockerung von Umweltvorschriften. gegeben hat. Im Gegenteil: In wichtigen Teilbereichen sind, gegen massive Opposition der betroffenen Wirtschaftsgruppen, Umweltschutzregelungen und -maßnahmen durchgesetzt worden, die zu einer erheblichen Steigerung der Umweltaufwendungen im Wirtschaftssektor und zur Senkung des Schadstoffausstoßes geführt haben. Es überwiegt zwar immer noch die reaktive und kurative Umweltpolitik, doch ist unverkennbar, daß die Reaktionen auf Problementwicklungen nunmehr rascher und effektbezogener erfolgen.

IV. Umweltpolitische Leistungen der konservativ-liberalen Regierung

Die Leistungsbewertung der konservativ-liberalen Umweltpolitik und die Charakterisierung ihres Politikstils wird je nach gewähltem Blickwinkel und Bezugspunkt unterschiedlich ausfallen und entsprechend strittig sein. In der einschlägigen Literatur werden die mannigfaltigsten Bewertungssysteme und -kriterien vorgeschlagen zu den am häufigsten genannten Bewertungskriterien gehören Umweltverbesserungen, Maßnahmeeffizienz, Innovationsanreize, administrative Handhabbarkeit, Problemverschiebungen, gesellschaftliche Akzeptanz sowie Gerechtigkeit.

Die umfassendste Bewertung der Umweltpolitik der gegenwärtigen Regierung hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in seinem Ende 1987 veröffentlichtem Gutachten vorgenommen Die Maßnahmen und Effekte werden eher ambivalent beurteilt: „Erste größere Erfolge allgemeinen Umweltschutzes zeichnen sich deutlich ab, doch ebenso klar werden Mängel, Mißerfolge und Verzögerungen auf dem Weg in eine bessere Umwelt erkannt. Der eingeschlagene Weg erweist sich als richtig, muß aber konsequenter beschritten werden.“

Zum Umweltbewußtsein in der Bevölkerung stellt der SRU fest: „Die Sorge um den Zustand und die Zukunft der natürlichen Umwelt ist in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland weit verbreitet; die Einschätzung ist heute sogar noch pessimistischer. als sie im Umweltgutachten des Rates von 1978 dargestellt war . . . Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden hinsichtlich ihrer Problemlösungskapazität zunehmend skeptisch betrachtet.“

An dem in der Bundesrepublik verwendeten um-weltpolitischen Instrumentarium kritisiert der SRU besonders das weitgehende Fehlen von ökonomischen und flexiblen Instrumenten Defizite werden unter anderem bei der Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von umweltbezogenen Informationen, im Naturschutz und in der Landschaftsplanung im Bereich Bodenschutz, Gewässerschutz sowie beim Lärmschutz und dem Schutz von Lebensmitteln vor Verunreinigungen festgestellt. Im Bereich Umwelt und Energie wird einerseits die Nutzung von Kernenergie als „umweltpolitisch verantwortbar“ bezeichnet, andererseits wird darauf verwiesen, daß die Entsorgung der radioaktiven Abfälle mit dem Bau von Kernkraftwerken nicht Schritt gehalten habe

Als positiv zu bewertende Umweltschutzleistungen hebt der SRU insbesondere die Maßnahmen zur Luftreinhaltung, den Bau von Kläranlagen, das Verbot von bleihaltigem Benzin, das im Vergleich zu früheren Zeiten stärkere Engagement auf internationaler Ebene sowie einige der ökonomischen Anreizprogramme zur Verbesserung der Umweltsituation hervor.

Ein eindeutiges Gesamturteil über die Qualität der umweltpolitischen Maßnahmen hat der SRU nicht gefällt. Wägt man Lob und Tadel in seinem Gutachten gegeneinander ab, so überwiegt wohl die Kritik an den umweltpolitischen Leistungen der Regierung. Das gilt meines Erachtens vor allem für die Kriterien gesellschaftliche Akzeptanz, Effizienz, Gerechtigkeit und Umweltqualitätsentwicklung.

Nicht nur pflichtgemäßes (und. wie dargestellt, teilweise berechtigtes) Lob äußert auch Umweltminister Klaus Töpfer über die bisherigen Ergebnisse der Umweltpolitik. Für einige zentrale Bereiche konstatiert er größere Versäumnisse und manche augenscheinlichen Erfolge relativiert er durch den Hinweis auf ihre problematischen Nebenfolgen: „Es ist ja bedenkenswert, daß gerade unsere erfolgreiche Politik in der Luftreinhaltung und im Gewässerschutz zum vermehrten Anfall von problematischen Abfällen geführt hat.“

In der Abfallentsorgung gibt es für ihn bereits eine Krisensituation: „Die augenblickliche Krise der Abfallentsorgung erstreckt sich nicht nur auf den Bereich des Sonderabfalls. Krisenhafte Entwicklungen zeichnen sich auch bei der Hausmüllentsorgung und bei der Entsorgung sonstiger Massenabfälle, wie etwa beim Klärschlamm, ab . . . Der zunehmende Abfallexport verschleiert den Krisenzustand.“ „Schließlich“, so Töpfers Fazit, „besteht gegenwärtig ein erhebliches und auch künftig nie völlig zu vermeidendes , Vollzugsdefizit* im öffentlichen Umweltrecht“

Der langjährige Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Günter Hartkopf, dort bis zu seinem Ausscheiden kurz nach der Amtsübernahme durch Friedrich Zimmermann die treibende Kraft bei der Gestaltung und Durchsetzung der Umweltpolitik — teilweise auch mit unorthodoxen Mitteln —, zeigt etliche Defizite auf und zieht unter anderem folgendes Resümee: „Das Gleichheitsprinzip, also die Abschaffung von Schädigungsprivilegien, muß ausgebaut, das Minimierungsprinzip durchgängig verankert werden. Das Gleichrangigkeitsprinzip der Umweltmedien untereinander wird zwar teilweise schon praktiziert, doch hat es noch keinen Eingang als selbständiges Prinzip in die Politik gefunden. Das Gemeinwohlprinzip ist schwach ausgebildet . . . und das Ressourcenschonungsprinzip ist schon gar nicht in praktische Politik umgesetzt worden.“

Es ist hier nicht der Raum, um die zahlreichen Umweltrechtsexperten zu Wort kommen zu lassen, die eine eher negative Bilanz zu den Leistungen der konservativ-liberalen Umwelt(rechts) politik ziehen Dasselbe gilt für Experten der Umweltökonomie. Ob es Wissenschaftler aus unabhängigen Instituten oder Ämtern sind — die Mehrzahl von ihnen übt grundlegende Kritik am bislang von der staatlichen Umweltpolitik Erreichten.

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Horst Siebert, schon frühzeitig mit Umwelt-publikationen hervorgetreten vermißt den „Mut, konsequent marktwirtschaftliche Instrumente in der Umweltpolitik auch einzusetzen“ Die Finanzwissenschaftler Karl-Heinrich Hans-meyer und Hans Karl Schneider gehen in ihrem auch für den ökonomischen Laien erhellenden Gutachten auch auf die allgemeine Umweltpolitik ein und stellen unter anderem fest, daß in allen umweltpolitischen Regelungsbereichen nur noch ein enger Spielraum für ökonomische Instrumente verblieben ist. Den sehen sie noch enger werden, weil Politik und Verwaltung „ihr umweltpolitisches Heil ausschließlich in einer Perfektionierung ordnungsrechtlicher Eingriffe“ sehen

Wird zur Bewertung eine historische Perspektive gewählt, so fällt im Vergleich zur Umweltpolitik der sozial-liberalen Regierung zunächst eher die Kontinuität als eine grundlegende Änderung auf. Eine nähere, gleichwohl immer noch unvollständige Betrachtung zeigt dann, daß, gemessen am Kriterium „Umweltqualitätsverbesserungen“ — ich selbst halte dies für das wichtigste Bewertungskriterium —, teilweise erhebliche Fortschritte zu verzeichnen sind Wird der Senkung von Schadstoffemissionen Vorrang vor anderen Kriterien eingeräumt, ist die umweltpolitische Leistung der konservativ-liberalen Regierung besser als die ihrer Vorgängerin. Man muß aber sehen, daß im Verlauf der achtziger Jahre nicht nur der Problemdruck stark zugenommen hat, sondern sich auch die gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen für die Durchsetzung einer strengeren Umweltpolitik erheblich gebessert haben

Die Zunahme des umweltpolitischen Handlungsdrucks im Sinne von Handlungsforderungen an die politischen Entscheidungsträger, die diese nicht folgenlos ignorieren oder in lediglich symbolischer Weise behandeln können, resultiert im wesentlichen aus dem gestiegenen Umweltbewußtsein der Bevölkerung, ihrem gesunkenen Vertrauen in Problemlösungskapazität und -willen der zuständigen politisch-administrativen Institutionen, dem wachsenden Mißtrauen gegenüber dem angeblich neutralen Sachverstand von naturwissenschaftlich-technischen Experten und — was besonders wichtig ist — der Verbesserung der Rahmenbedingungen für umweltschutzengagierte Bürger, ihre Forderungen in zielgerichtete und wirksame umweltpolitische Aktivitäten umzusetzen.

Zu den wichtigsten dieser Rahmenbedingungen zähle ich. daß — der Organisationsgrad bzw. das Organisationspotential für Umweltschutzinteressen gestiegen ist;

— das „Umweltwissen“ von Laien über ein breites Spektrum umweltrelevanter Aspekte zugenommen hat;

— institutionalisiertes „Gegenwissen“ zu der etablierten Umwelt-Expertokratie verstärkt wurde;

— die privaten und öffentlichen Medien der Umweltdiskussion breiteren Raum geben;

— die Bereitschaft in der Bevölkerung, wirksame Umweltschutzmaßnahmen zu akzeptieren und zu unterstützen, weiter gestiegen ist;

— der nahezu generelle Widerstand von Unternehmen und Gewerkschaften gegen effektive Umweltschutzregelungen stark gesunken ist;

— von den Bundesländern und Kommunen eine progressivere Umweltpolitik betrieben wird, während sie früher nicht selten Umweltschutzvorhaben des Bundes abschwächten oder verhinderten;

— die juristische Diskussion zu Rechtsproblemen des Umweltschutzes sowie die Rechtsprechung in wachsendem Maße „umweltfreundlichere“ Tendenzen zeigt; — auf parlamentarischer Ebene sich die früheren Konfliktfronten völlig verkehrt haben. Während zu Zeiten der sozial-liberalen Koalition umweltpolitische Vorhaben häufig auf Gegnerschaft in den Oppositionsparteien stießen, steht die jetzige Regierung einer Opposition gegenüber, die nahezu ständig strengere Umweltschutzmaßnahmen anmahnt und auch entsprechende Vorschläge einbringt.

Stellt man diese allgemein günstigeren Rahmenbedingungen für umweltpolitische Aktivitäten in Rechnung, dann wird man im Vergleich mit der vorherigen Regierung vielleicht weniger von größeren Leistungen sprechen können, allenfalls von größeren erzielten Effekten. Eines fällt jedoch besonders deutlich auf: die theoretisch-konzeptionelle Schwäche der gegenwärtigen Regierung auf dem Gebiet der Umweltpolitik. Während die sozial-liberale Regierung in recht kurzer Zeit ein in seinen Grundpfeilern noch immer geltendes, auch aus heutiger Sicht politisch anspruchsvolles Programm (das Umweltprogramm von 1971) erstellt hat, ist es der nachfolgenden Regierung in bis heute sieben Jahren Regierungszeit nicht gelungen, etwas Vergleichbares zu entwickeln. Gegenüber ihren programmatischen Leistungen — „Umweltpolitik der Bundesregierung. Bilanz und Perspektiven“ (1986), „Leitlinien Umweltvorsorge“ (1986) und „Umweltpolitik. Bilanz des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit“ (1987) — ist das, was die sozial-liberale Regierung in wesentlich kürzerer Zeit, unter geringerem Problem-und Handlungsdruck und mit begrenzterem Wissen über ökologische Zusammenhänge und politische Durchsetzungsprobleme entworfen hatte, geradezu als ein konzeptionelles Monumentalgebäude zu bezeichnen

Das umweltpolitische Strategiedefizit wird im übrigen angesichts der Entwicklungen in der Europäischen Gemeinschaft besonders deutlich. Es ist eigentlich unverständlich, daß die Bundesregierung noch immer kein Strategiekonzept zur EG-Umweltpolitik entwickelt hat, obwohl die Bundesrepublik aufgrund ihres ökologischen und wirtschaftlichen Verflechtungsgrades potentiell stärker von umweltrelevanten EG-Entscheidungen betroffen ist als andere Mitgliedsländer

Es mag sein, daß die jetzige Regierung bewußt eine Strategie der kleinen Schritte verfolgt, indem sie sich auf derzeit Durchsetzbares und nicht auf den unvermeidlich konfliktgeladenen Entwurf einer langfristigen Strategie zur ökologischen Modernisierung umweltschädigender Wirtschafts-und Gesellschaftsstrukturen konzentriert. In ihrer starken Konzentration auf das (zur Schadensbegrenzung) Machbare scheint sie meiner Meinung nach den (von Regierungspolitikern gern zitierten) Satz von Max Weber, daß Politik das langsame Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich sei einseitig zu interpretieren. Mit „Leidenschaft und Augenmaß“ hat Max Weber sicherlich nicht ein „Durchwursteln“ gemeint, eher wohl die hartnäckige Durchsetzung von politischen Zielen gegen machtvolle Interessengruppen auf der Grundlage eines visionären Pragmatismus.

Eine weitere Methode der Bewertung der Umweltsituation und der entsprechenden umweltpolitischen Leistungen innerhalb eines Landes ist die des internationalen Vergleichs 70). Die mir bekannten komparativen Studien, Länderanalysen und -berichte sowie internationalen Datenkompilationen erlauben meines Erachtens folgende Bewertung der konservativ-liberalen Umweltpolitik im Vergleich zum umweltpolitischen Entwicklungsstand in westlichen Industrieländern: Im Falle der drei Grundprinzipien bundesdeutscher Umweltpolitik zeigt sich, daß es zwar einige Länder gibt, in denen das eine oder andere der Prinzipien effektiver realisiert worden ist daß es jedoch nicht möglich ist, für alle drei Prinzipien eine eindeutige Länderrangfolge zu bilden. Deutlich macht der internationale Vergleich vor allem, daß es den empirischen Optimalfall einer systematisch-präventiven Umweltpolitik bislang nirgendwo gibt.

Stehen Umweltqualitätsentwicklung, Emissionsentwicklungen und der Einsatz emissionsmindernder Techniken im Zentrum des internationalen Vergleichs, dann rechtfertigen die umweltpolitischen Leistungen der konservativ-liberalen Regierung eine Einordnung ihrer Umweltpolitik in das Spitzenfeld, zu dem nur wenige Nationen gehören (etwa Japan. Schweden, Schweiz, Niederlande)

V. Schlußbetrachtung: Kontinuität statt Wende

Die Suche nach herausragenden Besonderheiten im Politikstil, bei Strategien und Instrumentarien der Umweltpolitik der konservativ-liberalen Regierung im Vergleich zu ihrer Vorgängerin führt zu dem Ergebnis, daß hier keine wesentlichen Veränderungen stattgefunden haben. Es gibt zwar relative Unterschiede in einzelnen Bereichen — eine fundamentale Wende in der Umweltpolitik, die es rechtfertigte, von einer spezifisch konservativ-liberalen Umweltpolitik zu sprechen, ist hingegen nicht erfolgt. Ihre programmatische Basis wurzelt eindeutig noch in den Umweltprogrammen (1971 und 1976) der sozial-liberalen Regierung.

Es ist gegenwärtig noch nicht einzuschätzen, inwieweit das anspruchsvolle Umweltprogramm („Unsere Verantwortung für die Schöpfung“) der CDU, das sie auf ihrem Parteitag im September 1989 in Bremen beschlossen hat, die Umweltpolitik der Bundesregierung tatsächlich beeinflussen wird. Dasselbe gilt für die umweltpolitische Initiative von Bundeskanzler Helmut Kohl auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Paris im Juli 1989, die wesentlich dazu beitrug, daß der Umweltschutz von den dort versammelten Staatschefs der sieben wichtigsten Industrieländer zu einem vorrangigen Ziel erklärt wurde.

Das Fazit „Kontinuität statt Wende“ mag vor dem Hintergrund massiver ideologischer und sonstiger Differenzen zwischen sozial-liberaler und konservativ-liberaler Regierungskoalition überraschend sein, bestätigt jedoch allgemeine Ergebnisse politikwissenschaftlicher Forschungen, daß parteipolitische Faktoren von eher geringer Bedeutung für umweltpolitische Leistungen sind Diese hängen überwiegend vom ökologischen Belastungsniveau und seinem Politisierungsgrad, also dem umwelt-politischen Handlungsdruck, sowie von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab Daß zugleich nur geringe Unterschiede im Politikstilbeider Regierungen feststellbar sind, dürfte damit zu erklären sein, daß Regierungen zwar wechseln, die für die Programmbildung und den Vollzug im um-weltpolitischen Bereich zuständige Verwaltung sowie ihre Organisationsmuster jedoch im wesentlichen unverändert weiterbestehen Hinzu kommt, daß die „Politikverflechtung“ zwischen Bund und Ländern aufgrund der föderalistischen Kompetenzstruktur bei Umweltschutzaufgaben „radikale“ Änderungen in der Politik sehr unwahrscheinlich macht Für die These vom strukturkonservierenden Einfluß der zuständigen Verwaltung und ihrer Entscheidungs-und Organisationsmuster über den Regierungswechsel hinaus spricht auch, daß der Typus einer überwiegend nach juristischen Prämissen gestalteten. hoch bürokratisch-regulativen Umweltpolitik weiterhin dominiert und es flexible ökonomische Instrumente so schwer haben, Eingang in die bundesdeutsche Umweltpolitik zu finden Der Übergang zu einer flexibleren, marktkonformen Umweltpolitik setzt nach Expertenmeinung einen „doppelten Qualitätssprung“ voraus. Der Übergang zu einer nicht nur effizienteren, sondern auch bürgernäheren, gerechteren und präventiven Umweltpolitik wird dann wohl eines umweit-und rechtspolitischen Quantensprungs bedürfen

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. zur Umweltpolitik der sozial-liberalen Regierung die grundlegende Studie von E. Müller, Innenwelt der Umweltpolitik. Sozial-liberale Umweltpolitik — (Ohn) macht durch Organisation?. Opladen 1986.

  2. Die Umweltbeschlüsse der sozial-liberalen Regierung sind wiedergegeben und kommentiert in: Umwelt (BMI). 91, 14. September 1982.

  3. Umwelt (BMI), 92. 9. November 1982. S. 1.

  4. Vgl. ebenda, S. 2.

  5. Vgl. Umwelt (BMU). 12, 31. Dezember 1988. S. 535f.; BUS-Bullctin (Bundesamt für Umweltschutz. Schweiz), (1988) 4, S. 15-18.

  6. Vgl. International Energy Agency, Emission Controls in Electricity Generation and Industry, Paris 1988, S. 41— 55 und S. 163-166.

  7. Vgl. K. Becker, Der weite Weg nach Luxemburg. Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland zur Verminderung der Schadstoffemissionen von Personenkraftwagen, Umweltbundesamt Berlin. Juli 1988 (MS).

  8. Das zeigen vorläufige Ergebnisse eines von der Anglo-German Foundation geförderten Gemeinschaftsprojekts der University of Sussex (Abt. SPRU) und des Wissenschaftszentrums Berlin (Abt. Normbildung und Umwelt) zum Thema „PKW-Abgasregelung in der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien“. Der Endbericht der Untersuchung soll Ende 1990 veröffentlicht werden.

  9. Vgl. H. Weidner. Air Pollution Control Strategies and Policies in the F. R. Germany. Berlin 1986; ders.. A Survey of Clean Air Policy in Europe, Schriftenreihe des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, FS II 89— 301, Berlin 1989.

  10. Vgl. E. Reiche, Umweltpolitik im 10. Deutschen Bundestag und im Bundesrat 1983 und 1987, Materialien (Deutscher Bundestag), Bonn 1987; Bundesminister des Innern (Hrsg.), Umweltpolitik der Bundesregierung. Bilanz und Perspektiven, Bonn 1986.

  11. Bundesminister des Innern (Hrsg.), Umweltpolitik der Bundesregierung. Bilanz und Perspektiven. Bonn 1986. S. 80; vgl. auch Deutscher Bundestag (Hrsg.), Schutz der Nordsee: Öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit am 5. Oktober 1987 (Zur Sache. Themen parlamentarischer Beratung 4/87), Bonn 1987.

  12. Vgl. Bundesminister des Innern (Hrsg.), Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung. Stuttgart-Mainz 1985.

  13. Vgl. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1987. Stuttgart-Mainz 1987. sowie R. Zieschank. Bodenbelastung in der BRD — Die verborgene Umweltkatastrophe, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft. 17 (1988) 1. S. 61—Tl, und die dort angegebene Literatur. Vgl. auch Maßnahmen zum Bodenschutz. Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag, Bundestags-Drucksache 11/1625 vom 12. Januar 1988.

  14. Das ergibt eine Auswertung der Presseberichterstattung in den überregionalen Zeitungen der Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum 1984/85.

  15. Vgl. F. Biermann, Abgasreduzierung und Tempo-Limit als verkehrspolitischer Konflikt in der Bundesrepublik Deutschland, unveröffentlichte Diplomarbeit am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin. Berlin 1989; Institut für Energie-und Umweltforschung Heidelberg (IFEU). Die Entwicklung der Schadstoffemissionen aus dem Kfz-Verkehr. Eine Bilanz der Auswirkungen der EG-Beschlüsse und der steuerlichen Anreize zum schadstoff-armen PKW, IFEU-Bericht Nr. 42. Heidelberg 1985.

  16. Vgl. Presseberichterstattung in den überregionalen Tageszeitungen und Wochenzeitschriften der Bundesrepublik Deutschland sowie H. P. Peters u. a.. Die Reaktionen der Bevölkerung auf die Ereignisse in Tschernobyl. Ergebnisse einer Befragung, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. 39 (1987) 4. S. 764— 782; N. Dube. Die öffentliche Meinung zur Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland 1955 — 1986. Eine Dokumentation. Schriftenreihe des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. FS II 88-303. Berlin 1988.

  17. So verblieb etwa die Zuständigkeit für das Pflanzenschutzmittelrecht beim Bundesministerium für Landwirtschaft. für das Gefahrstoffrecht beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, für energiepolitische Entscheidungen beim Wirtschaftsministerium; Raumordnung und Landesplanung ressortieren weiterhin beim Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen und zentrale Forschungsfelder (Klima. Ressourcenschonung) bleiben im Bundesministerium für Forschung und Technologie.

  18. Vgl. Das Parlament, Nr. 32 vom 22. September 1989.

  19. Vgl. insbesondere die Emnid-Meinungsumfrage für den Zeitraum 1985— 1987, wiedergegeben bei U. Margedant, Entwicklung des Umweltbewußtseins in der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 29/87, S. 15— 28, hier S. 28. Vgl. auch M. Dierkes/H. -J. Fietkau, Umweltbewußtsein — Umweltverhalten. Gutachten für den Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Stuttgart-Mainz 1988, und die dort angegebene Literatur sowie N. J. S. Watts, Environmentalism in Europe: Social Change and the New Politics, Dissertation am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin. Berlin 1987.

  20. Entnommen aus M. Mertens/H. G. Müller. Der Aufbau des Bundes-Umweltministeriums, in: Verwaltungsarchiv. 78 (1987) 3, S. 459— 474, hier: S. 461 f. (Nach einer neueren Umfrage zum Thema „Was drückt den Bundesbürger“ stehen Arbeitslosigkeit und Umweltverschmutzung gleichrangig an erster Stelle. Vgl. Strom-Themen, 6 [1989] 5, S. 2).

  21. Letzteres erwiese sich an den Bestimmungen zum Auf-bau eines integrierten Meß- und Informationssystems zur Überwachung der Umweltradioaktivität, die bestehende Möglichkeiten der Bundesländer zur öffentlichen Bewertung ihrer Meßergebnisse aufhöben.

  22. Vgl. die einschlägige Berichterstattung der überregionalen Tageszeitungen in der Bundesrepublik.

  23. Vgl. M. Dierkes/H. -J. Fietkau (Anm. 19).

  24. Vgl.den Bericht im Spiegel, Nr. 15 vom 10. April 1989 zu Minister Töpfers Umweltpolitik. Sehr ähnliche „Verrisse“ finden sich auch in anderen Tages-und Wochenzeitungen.

  25. Vgl. insbesondere die Verlautbarungen zu dem „Kompromiß von Luxemburg“ im Juni 1988.

  26. Andererseits hat das Bundesumweltministerium sehr schnell auf die neue Situation mit einer Änderung des steuerlichen Anreizsystems reagiert, die eindeutig zugunsten der rascheren Verbreitung von PKW mit Drei-Wege-Katalysator wirkt.

  27. K. -H. Hansmeyer war langjähriger Vorsitzender des Sachverständigenrates für Umweltfragen, H. K. Schneider ist Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

  28. Das Gutachten „Zur Fortentwicklung der Umweltpolitik unter marktsteuernden Aspekten“ trägt das Datum vom August 1989, weil es ein „abschließender und ergänzender Bericht“ ist.

  29. Vgl. Umwelt (BMU), 1, 31. Januar 1989, S. 5 und S. 14 f.

  30. Vgl. Bulletin, 27, 1987, S. 205 ff. Vgl. auch die grundsätzlichen Ausführungen von Umweltminister Töpfer in: Umwelt (BMU), 9, 1988, S. 360ff. und 12, 1988, S. 507f„ sowie die Debatte im Bundestag über das Gutachten des SRU, dokumentiert in: Das Parlament, Nr. 12 vom 12. März 1989.

  31. Vgl. Bundestags-Drucksache VI/2710. 14. Oktober 1971; vgl. auch Der Bundesminister des Innern. Umweltbericht ’ 76. Fortschreibung des Umwcltprogramms der Bundesregierung vom 14. Juli 1971, Stuttgart-Mainz 1976, S. 26ff., sowie den Beitrag von E. Müller in diesem Heft.

  32. P. -Chr. Storm. Umweltrecht. Einführung in ein neues Rechtsgebiet. Berlin 19883, S. 13— 15.

  33. Der Bundesminister für Umwelt. Naturschutz und Reaktorsicherheit. Umweltpolitik. Bilanz des Bundesministers für Umwelt. Naturschutz und Reaktorsicherheit. Bonn 1987, S. 16f.

  34. Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.). Leitlinien Umweltvorsorge. Umweitbrief. 33, 1986.

  35. Vgl. G. Hartkopf. Stichwort „Umweltpolitik“, in: O. Kimminich/H. Freiherr von Lersner/P. -Chr. Storm (Hrsg.). Handwörterbuch des Umweltrechts. Band II, Berlin 1988. Spalten 664— 687.

  36. Vgl. hierzu u. a. K. -H. Hansmeyer/H. K. Schneider, Zur Fortentwicklung der Umweltpolitik unter marktsteuernden Aspekten. Abschließender und ergänzender Bericht zum Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes Nr. 10103107. Köln, August 1989; H. Weidner/E. Rehbinder/R. -U. Sprenger, Darstellung und Wirkungsanalyse der ökonomischen Instrumente der Umweltpolitik in Japan. Gutachten im Auftrag des Umweltbundcsamtes. München 1989, dort auch weitere Literaturhinweise.

  37. Vgl. insbesondere den Beitrag von E. Rehbinder, in: U. E. Simonis (Hrsg.), Präventive Umweltpolitik, Frankfurt-New York 1988, S. 129-141; vgl. auch J. Kölble, Das geltende Umweltrecht — kohärentes Schutzsystem oder Häufung von Abwehrreaktionen?, in: Evangelische Akademie Loccum (Hrsg.). Loccumer Protokolle. 10, Rehburg-Loccum 1984, S. 6-27.

  38. K. Töpfer, Die politische Verantwortung der Umweltpolitik für das Umwelthaftungsrecht, in: Zeitschrift für Um-weltpolitik, (1988) 2, S. 287-302, hier: S. 301.

  39. Vgl. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Anm. 13). S. 72.

  40. C. Stroctmann in: Umwelt (BMU), 12, 1988, S. 17.

  41. Vgl. E. Rehbinder, Stichwort „Verbandsklage“, in: O. Kimminich u. a. (Anm. 35), Spalten 967— 976; W. Lauber, Umweltdaten und Öffentlichkeit, in: Informationen und Umweltpolitik. 51 (Schriftenreihedes Instituts für Wirtschaft und Umwelt des Österreichischen Arbeiterkammertages), Wien 1988, S. 2— 50; H. Weidner, Umweltberichterstattung in Japan. Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Umweltdaten, Berlin 1987.

  42. Zum Begriff „Politikstil“ vgl. J. J. Richardson/N. S. J. Watts. National Policy Styles and the Environment. Britain and West Germany compared. Schriftenreihe des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, HUG discussion paper 85— 16, Berlin 1985.

  43. Vgl. für viele R. -U. Sprenger, Kriterien zur Beurteilung umweltpolitischer Instrumente aus der Sicht der wissenschaftlichen Politikberatung, in: G. Schneider/R. -U. Sprenger (Hrsg.), Mehr Umweltschutz für weniger Geld. Einsatzmöglichkeiten und Erfolgschancen ökonomischer Anreizsysteme in der Umweltpolitik, München 1984, S. 41— 73; M. Jänicke, Kosten und Nutzen des Umweltschutzes im internationalen Vergleich. Ein Beitrag zur Analyse des „sozialindustriellen Komplexes“, in: Zeitschrift für Umweltpolitik, (1978) 2, S. 191— 215; M. Dierkes/K. Zimmermann. Umweltpolitik zwischen Erstarrung. Innovation und Überforderung, in: Zeitschrift für Umweltpolitik, (1988) 3, S. 197-

  44. Vgl. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Anm. 13).

  45. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen. Kurzfassung des Umweltgutachtens 1987, Bonn 1987. S. 5.

  46. Ebenda, S. 8; vgl. auch M. Dierkes/H. -J. Fietkau (Anm. 19).

  47. Vgl. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Anm. 46), S. 10.

  48. Vgl. ebenda, S. 13.

  49. Vgl. ebenda, S. 17.

  50. Von besonderem Interesse für die zukünftige umwelt-politische Diskussion in der Bundesrepublik dürften die vom SRU mit Nachdruck gestellten Forderungen nach stärkerer Transparenz in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen sein, so insbesondere bei den Verfahren zur Festlegung von Grenzwerten (Umweltstandards) (vgl. ebenda, S. 61). Bereits früher hierzu: H. Weidner/P. Knoepfel, Politisierung technischer Werte. Schwierigkeiten des Normbildungsprozesses an einem Beispiel (Luftreinhaltung) der Umweltpolitik, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 10 (1979) 2, S. 160— 170. Allgemein zum Thema vgl. die grundlegende Studie von R. Wolf, Der Stand der Technik, Opladen 1986.

  51. Vgl. K. Töpfer, Politische Durchsetzbarkeit einer langfristigen Umweltpolitik. Vortrag bei einer Fachtagung der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bonn. '25. August 1988 (mimeo).

  52. Ebenda, S. 5.

  53. K. Töpfer, Entsorgungsmanagement von morgen, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 38 (1988) 9, S. 658— 662, hier: S. 658.

  54. K. Töpfer (Anm. 38), S. 301.

  55. Vgl. etwa G. Hartkopf, Ein ziemlich wilder Haufen, in: Die Zeit vom 14. Februar 1986.

  56. G. Hartkopf, Möglichkeiten und Grenzen reglementierender Umweltpolitik, in: Zeitschrift für Umweltpolitik. (1988) 3, S. 209-230, hier: S. 212. Vgl. auch ders. (Anm. 35), Spalte 675.

  57. Vgl. O. Kimminich, Umweltschutz. Prüfstein der Rechtsstaatlichkeit. Linz 1987, S. 153ff. und S. 163ff. Vgl. auch die anregenden Überlegungen zu rechtlichen und rechtspolitischen Grundsatzfragen von M. Kloepfer, Umweltrisiken und Haftungsregeln. Rechtspolitische Aspekte, in: Zeitschrift für Umweltpolitik, (1988) 3, S. 243— 258, sowie die einschlägigen Beiträge in den Jahrbüchern des Umwelt-und Technikrechts (UTR), hrsg. von der ForschungsStelle UTR an der Universität Trier, Düsseldorf 1986 ff.

  58. Vgl. R. -U. Sprenger, Keine beschäftigungspolitische Wende durch die Umweltpolitik, in: ifo-Schnelldienst, 15, 1989. S. 3-15.

  59. Vgl. L. Wicke, Umweltökonomie, München 19892.

  60. Vgl. H. Siebert, Das produzierte Chaos. Ökonomie und Umwelt, Stuttgart-Mainz 1973.

  61. Vgl. das Interview mit H. Siebert in: Der Spiegel. Nr. 33, 14. August 1989, S. 33-40.

  62. Siehe Anm. 36.

  63. Ebenda, S. 1 ff.

  64. Vgl. Umweltbundesamt, Daten zur Umwelt 1988/89, Berlin 1989, dass., Jahresbericht 1988, Berlin 1989.

  65. Vgl. M. Dierkes/H. -J. Fietkau (Anm. 19); Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Anm. 13).

  66. Vgl. auch G. Hartkopf (Anm. 35), Spalten 668— 672.

  67. Vgl. Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (Hrsg.). EG-Binnenmarkt: Eine Herausforderung für den Umweltschutz, Düsseldorf 1989, und T. Hanke/G. Lütge/F. Vorholz, Der Preis der Harmonie. Das Abenteuer Binnenmarkt birgt unkalkulierbare Risiken, in: Die Zeit vom 10. Februar 1989, S. 33— 37.

  68. Vgl. M. Weber, Soziologie — Weltgeschichtliche Analysen — Politik, Stuttgart 19684, S. 185.

  69. Vgl. zum Vorsorgeprinzip E. Rehbinder, Das Vorsorgeprinzip im internationalen Vergleich, unveröffentlichtes Gutachten für das Umweltbundesamt (F& E-Vorhaben 10106022), o. O. 1989,

  70. Vgl. OECD, Environmental Data Compcndium 1989, Paris 1989; M. Jänicke/H. Mönch, Ökologischer und wirtschaftlicher Wandel im Industricländervergleich. Eine explorative Studie über Modemisierungskapazitäten. in: M. G. Schmidt (Hrsg.), Staatstätigkeit. International und historisch vergleichende Analysen. Sonderheft Politische Vierteljahresschrift, (1988), S. 389— 405; G. Enyedi/A. J. Gijswijt/B. Rhode, Environmental Policies in East and West, London 1987; P. Knoepfel/H. Weidner, Luftreinhaltepolitik (stationäre Quellen) im internationalen Vergleich, 6 Bände, Berlin 1985.

  71. Politikwissenschaftliche Untersuchungen zeigen generell. daß parteipolitische Änderungen in der Regierungszusammensetzung in stark dczentralistischen oder in föderalistischen und durch Politikverflechtung gekennzeichneten Ländern die Inhalte staatlicher Steuerung kaum ändern, zumindest sehr viel weniger ändern als in zentralistischen Staaten. Vgl. M. G. Schmidt, Einführung, in: ders. (Anm. 72), S. 1— 35; dort weitere Literaturhinweise. Vgl. auch G. Lehmbruch u. a., Institutioneile Bedingungen ordnungspolitischen Strategiewechsels im internationalen Vergleich, ebenda, S. 251— 283. M. Jänicke/H. Mönch kommen in ihrer international vergleichenden Studie zur Umweltpolitik zum Ergebnis, daß Parteien und ihre unterschiedlichen Programme keinen signifikanten Einfluß auf die Politikergebnisse haben (ebenda, S. 389).

  72. Vgl. P. Knoepfel/L. Lundqvist/R. Prudhomme/P. Wagner, Comparing Environmental Policies. Different Styles, Similar Content, in: M. Dierkes u. a. (Anm. 70), S. 171— 185; M. Jänicke/H. Mönch (Anm. 72); M. Jänicke, Staats-versagen. Die Ohnmacht der Politik in der Industriegesellschäft, München-Zürich 1986.

  73. Der Präsident des Umweltbundesamtes, Freiherr von Lersner, sieht allerdings gute Chancen für eine grundlegende Reform: „Ich bin fest davon überzeugt, daß die Reform des Beamtentums, die nach zwei politischen Umstürzen nicht möglich war, jetzt durch die ökologische Herausforderung erzwungen wird. Was also nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg nicht gelang, das deutsche Berufsbeamtentum an die Erfordernisse der Zeit anzupassen, wird nunmehr wohl stattfinden.“ Vgl. Körber-Stiftung (Hrsg.), Die ökologische Wende — Hat sie noch Chancen?, Protokoll Nr. 85/1988, Hamburg 1988, S. 9-17, hier: S. 13.

  74. Vgl. zur These der „Politikverflechtungsfalle" F. W. Scharpf, Die Politikverflechtungs-Falle: Oder was ist generalisierbar an den Problemen des deutschen Föderalismus und der europäischen Integration?, in: Politische Vierteljahresschrift, (1985) 4, S. 323— 356. Vgl. auch A. Benz, Regierbarkeit im kooperativen Bundesstaat. Eine Bilanz der Föderalismusforschung, in: S. von Bandcmer/G. Wewer (Hrsg ), Regierungssystem und Regierungslehre, Opladen 1989, S. 181-193.

  75. Vgl. K. -H. Hansmeyer, Marktwirtschaftliche Elemente in der Umweltpolitik, in: Zeitschrift für Umweltpolitik, (1988) 3, S. 231-241, besonders S. 239ff.

  76. K. -H. Hansmeyer/H. K. Schneider (Anm. 36), S. 34.

  77. Vgl. H. Weidner, Bausteine einer präventiven Umweltpolitik. Einige Anregungen aus Japan, in: U. E. Simonis (Hrsg.), Präventive Umweltpolitik, Frankfurt-New York 1988, S. 143-166.

Weitere Inhalte

Helmut Weidner, Dipl. -Pol., geb. 1948; Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte in Berlin und Kiel; von 1976— 1977 Assistent am Fachbereich Politische Wissenschaften der Freien Universität Berlin; seit 1978 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Abt. Normbildung und Umwelt). Veröffentlichungen u. a.: Von der Schadstoffbeseitigung zur Risikoverhinderung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/77; (zus. mit P. Knoepfel) Luftreinhaltepolitik im internationalen Vergleich (6 Bände), Berlin 1985; (zus. mit S. Tsuru) Environmental Policy in Japan, Berlin 1989.