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Multikulturelle Gesellschaft: Chance, Ideologie oder Bedrohung? | APuZ 23-24/1990 | bpb.de

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APuZ 23-24/1990 Multikulturelle Gesellschaft: Chance, Ideologie oder Bedrohung? Einwanderung ohne Einwanderungsentscheidung: Ausländische Familien in der Bundesrepublik Deutschland Zum Umgang mit dem Fremden

Multikulturelle Gesellschaft: Chance, Ideologie oder Bedrohung?

Axel Schulte

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Bei der Kontroverse über die multikulturelle Gesellschaft geht es um die Frage, wie ein Zusammenleben von Einheimischen und Einwanderungsminderheiten gestaltet werden soll. Das Konzept der multikulturellen Gesellschaft ist gerichtet gegen eine soziale Diskriminierung und Isolation der Einwanderungsminderheiten und zielt auf eine plurale und kulturautonome Integration. Die Vorstellung eines multikulturellen Zusammenlebens wird wissenschaftlich und politisch kontrovers beurteilt: Die Befürworter sehen darin eine „Chance“, die Gegner eine „Bedrohung“ und Kritiker sprechen von „Ideologie“. Die verschiedenen Positionen werden vorgestellt und diskutiert. In Konzeptionen der multikulturellen Gesellschaft spielt die Vorstellung eines (sozio-kulturellen) Pluralismus eine zentrale Rolle. Von daher werden die Konzeptionen des Multikulturalismus und Pluralismus in einem systematischen und wechselseitigen Zusammenhang betrachtet und unter ideologiekritischen Gesichtspunkten die in diesen Konzeptionen enthaltenen Annahmen und Probleme (Integration, Konsens, Partizipation) verdeutlicht. Abschließend werden Anforderungen und Elemente einer multikulturellen Gesellschaft in emanzipatorischer Perspektive formuliert.

I. Multikulturelle Gesellschaft: Alternative zur sozialen Diskriminierung und Isolation von Einwanderungsminderheiten?

Auf einem Symposium der Kirchen zum Thema „Verschiedene Kulturen — gleiche Rechte“ wurde im Herbst 1980 die Feststellung getroffen: „Wir leben in der Bundesrepublik in einer multikulturellen Gesellschaft.“ Etwa seit diesem Zeitpunkt ist dieser Begriff in der Bundesrepublik zum Thema und Gegenstand einer breiteren Diskussion im gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Bereich geworden Den strukturellen Hintergrund dieser Diskussion, deren Verlauf auch von jeweils aktuellen und (partei-) politischen Stimmungen und „Konjunkturen“ beeinflußt ist, bilden Veränderungen der Gesellschaftsstruktur, die sich in den vergangenen drei Jahrzehnten in der Bundesrepublik — ähnlich wie in anderen westeuropäischen Ländern — vollzogen haben; sie stehen im Zusammenhang mit quantitativ erheblichen Zuwanderungen insbesondere von Arbeitsmigranten und deren Familienangehörigen, aber auch von politischen Flüchtlingen und — im Falle von „Mutterländern“ ehemaliger Kolonien — von kolonialen Migranten

In den Aufnahmeländern haben diese Wanderungsprozesse zur Herausbildung von „Einwanderungsminderheiten“ geführt Dieser Begriff soll drei Sachverhalte verdeutlichen: Zum einen die Tatsache einer zwar ursprünglich nicht beabsichtigten, aber inzwischen faktisch eingetretenen dauerhaften Niederlassung von „Ausländem“; zweitens den Prozeß einer „kulturellen Diversifizierung“ in den Aufnahmeländern: Diejenigen Bevölkerungsgruppen haben an Zahl zugenommen, „die im Vergleich zu den autochtonen Bevölkerungen und Wanderungsströmen der vergangenen hundert Jahre Träger abweichender, ethnischer, sprachlicher und kultureller Identitäten sind“ Und drittens das spezifische Merkmal der Lebenssituation der Einwanderungsminderheiten in den Aufnahmeländern, nämlich besondere Formen der sozialen Ungleichheit, der Benachteiligung und der Diskriminierung. Auf dem Hintergrund der endgültigen Niederlassung von „Dritte(r) Welt in Europa“ geht es bei der Diskussion über die multikulturelle Gesellschaft im wesentlichen um die Frage, unter welchen Gesichtspunkten ein Zusammenleben zwischen einheimischer Bevölkerung und zugewanderten Minderheiten gestaltet werden soll und welche Rolle in diesem Zusammenhang „strukturelle“ Dimensionen (Ökonomie, Politik, Recht usw.) einerseits und kulturelle Dimensionen andererseits haben (sollen). Diese Frage, auf die grundsätzlich sehr verschiedene Antworten gegeben werden können, ist in der staatlichen Ausländerpolitik in einer spezifischen Weise beantwortet worden Einerseits wurde der Tatbestand der dauerhaften Niederlassung zumindest partiell anerkannt, andererseits wurde gegenüber den Einwanderungsminderheiten das Merkmal des „Ausländers“, d. h. das Fehlen der deutschen Staatsangehörigkeit hervorgehoben, und diese Gruppen damit grundsätzlich — wenn auch mit Differenzierungen im einzelnen — dem Ausländer-Status unterworfen, der für die Betroffenen mit minderen Rechten, für die staatlichen Institutionen aber mit weiterreichenden Eingriffs-und Steuerungsmöglichkeiten verbunden ist, insbesondere in den Bereichen des Aufenthalts, der Beschäftigung und der politischen Betätigung. Im Rahmen dieser Politik ist die offizielle ausländerpolitische Zielsetzung der „Integration“ in widersprüchlicher Weise interpretiert und realisiert worden: Zwar wurden einerseits „Integrationsangebote“ gemacht und entsprechende Maßnahmen durchgeführt, gleichzeitig war dies aber durchgängig mit Tendenzen der Restriktion, Assimilation. Selektion und Segregation verbunden. Legitimiert wurde diese Politik mit dem Grundsatz, daß die Bundesrepublik kein Einwanderungsland sei; bestimmt wurde sie im wesentlichen von den „Belangen“ der Bundesrepublik und hier vor allem von wirtschafts-bzw. arbeitsmarkt-politischen Interessen. Zusätzlich zur staatlichen Ausländerpolitik haben sich bei Teilen der einheimischen Bevölkerung Einstellungen und Verhaltensweisen entwickelt, die in spontaner und/oder organisierter Form den eingewanderten Bevölkerungsgruppen ablehnend bis aggressiv-feindlich gegenüberstehen und auf eine Verdrängung der „Fremden“ gerichtet sind.

Zwischen den Tendenzen der staatlichen Ausländerpolitik und den Phänomenen der Fremdenfeindlichkeit bestehen zwar durchaus Unterschiede, gleichwohl aber auch insofern Gemeinsamkeiten, als sie objektiv darauf gerichtet sind, das Problem des Zusammenlebens von einheimischen und zugewanderten Bevölkerungsgruppen auf dem Wege einer „sozialen Diskriminierung“ der letzteren zu „lösen“ Demgegenüber haben sich auf der Seite der Einwanderungsminderheiten, insbesondere in den ethnischen Kolonien der großen Städte, den soge-nannten Gettos, Tendenzen der Isolation und Absonderung von der deutschen Bevölkerung entwikkelt — einerseits als Reaktion auf die beschriebenen Tendenzen der sozialen Diskriminierung, zum anderen einhergehend mit der Hoffnung, „Lebensräume zur Ausgestaltung eines eigenen ethnischen Lebens“ zu finden und zu entwickeln

Vorstellungen oder Konzepte einer multikulturellen Gesellschaft können als Versuch verstanden werden, die Frage, wie ein Zusammenleben von einheimischer Bevölkerung und Einwanderungsminderheiten gestaltet werden soll, weder auf dem Wege einer sozialen Diskriminierung noch mit Hilfe einer Isolation dieser Minderheiten zu beantworten: Die Einwanderungsminderheiten sollen über zureichende Möglichkeiten verfügen, ihre jeweiligen Kulturen, Identitäten, Beziehungen und Vereinigungen aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln, die Einheimischen und Einwanderer sowie ihre jeweiligen Gruppen sollen in (Austausch-) Beziehungen miteinander stehen und diese Beziehungen sollen dem Grundsatz nach vom Prinzip der Gleichberechtigung bestimmt sein. Die damit verbundene Integrationsvorstellung wird auch als „plurale und kulturautonome Integration“ (Just) oder als „Integration, aber keine Assimilation“ (Esser) bezeichnet

Diese Vorstellung von einem multikulturellen Zusammenleben wird nun im wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Bereich durchaus kontrovers betrachtet. Hierbei lassen sich im wesentlichen drei Positionen unterscheiden: die Befürworter sehen darin in erster Linie eine „Chance“, die Gegner eine „Bedrohung“ und Kritiker sprechen von „Ideologie“. In der folgenden Darstellung wird zunächst auf diese Kontroverse näher eingegangen. Die Argumente und Sichtweisen der jeweiligen Positionen sollen hier vorgestellt und diskutiert werden. Da in Konzepten einer multikulturellen Gesellschaft die Vorstellung eines sozio-kulturellen Pluralismus zumindest implizit eine wesentliche Rolle spielt und andererseits sich der Pluralismusbegriff in einem weiten Sinne auch auf sozio-kulturelle Phänomene beziehen kann, werden in dem folgenden Abschnitt die Konzeptionen des Multikulturalismus und des Pluralismus in einem systematischen und wechselseitigen Zusammenhang betrachtet und die mit ihnen verbundenen Annahmen und Probleme verdeutlicht. In den abschließenden Überlegungen werden Anforderungen und Elemente einer multikulturellen Gesellschaft in emanzipatorischer Perspektive formuliert.

Unsere Überlegungen zielen insbesondere darauf ab. „naive“ und verkürzte Vorstellungen von einer multikulturellen Gesellschaft (ideologie-) kritisch zu verdeutlichen, zur Entwicklung einer sozialwissenschaftlich fundierten und reflektierten Konzeption einer derartigen Gesellschaft beizutragen sowie analytische und normative Orientierungen zu verdeutlichen, die im Hinblick auf eine praktisch-politische Realisierung dieser Konzeption von Bedeutung sind.

II, Die Kontroverse über die multikulturelle Gesellschaft

1. Multikulturelle Gesellschaft als „Chance“

Mit dem Begriff der multikulturellen Gesellschaft ist nach Miksch — einem der maßgeblichsten Vertreter und Befürworter dieser Vorstellung — eine Gesellschaft gemeint, in der „Menschen mit verschiedener Abstammung, Sprache, Herkunft und Religionszugehörigkeit so Zusammenleben, daß sie deswegen weder benachteiligt noch bevorzugt werden. Zwischen den meist eingewanderten Menschen und den Einheimischen wird eine ständige Kommunikation angestrebt. Der Begriff des multi-kulturellen Zusammenlebens geht realistisch davon aus, daß es zwischen diesen verschiedenen kulturellen Traditionen auch Spannungen und Konflikte gibt. Aber diese Konflikte sollen im Dialog gelöst werden und nicht durch die Benachteiligung von Minderheiten. Es ist selbstverständlich, daß sich diese Minderheiten in den meisten Lebensbereichen der Mehrheit anzupassen haben. Das Leben in der Bundesrepublik wird auch künftig überwiegend von der Mehrheitskultur bestimmt bleiben. In dem Miteinander mit Minderheitenkulturen wird jedoch keine Gefahr gesehen, die es abzuwehren gilt, sondern eine Chance zur Förderung des europäischen und weltweiten friedlichen Zusammenlebens und für den gegenseitigen kulturellen Austausch.“

Auf dieses Selbstverständnis und die in ihm enthaltenen Annahmen soll im einzelnen weiter unten — bei der Erörterung des Verhältnisses von Multikulturalismus und Pluralismus — näher eingegangen werden. Vorab soll auf vier Gesichtspunkte hingewiesen werden, die für das Verständnis dieses „Konzepts“ von Relevanz sind:

a) Gegenwärtig kann nur unter Vorbehalt von einem „Konzept“ der multikulturellen Gesellschaft gesprochen werden — zumindest dann, wenn mit „Konzept“ die Vorstellung einer systematisch entwickelten und sozialwissenschaftlich fundierten „Theorie“ verbunden wird. Die meisten der bislang vorliegenden „positiven“ Äußerungen können und müssen als (vorläufige) Annäherungen an eine derartige Theorie und als Beitrag zu deren Entwicklung gewertet werden.

b) Äußerungen von Befürwortern des Konzepts der multikulturellen Gesellschaft haben in der Regel sowohl beschreibend-analytischen wie auch norma-tiven Charakter. So wird mit Multikulturalität zunächst ein sozialer Tatbestand bezeichnet und hierbei häufig auf soziale Phänomene hingewiesen, die Indikatoren der Einwanderungssituation auf nationaler, regionaler und/oder lokaler Ebene darstellen.

Die mit der Einwanderungssituation verbundene ethnisch-kulturelle Vielfalt wird nun allerdings nicht nur als ein existierender sozialer Tatbestand, sondern auch als ein dynamischer Prozeß verstanden.

So wird darauf verwiesen, daß die Multikulturalität der Gegenwart historische Vorläufer habe — insofern kein neues Phänomen sei — und sowohl die großen Zivilisationen der Vergangenheit wie auch die neueren europäischen Nationalstaaten kulturell pluralistisch gewesen seien: „der Multikulturalismus war immer in wechselnden Graden vorhanden“

Zugleich wird angenommen, daß dieser Prozeß auch in der Zukunft stattfinden wird — insbesondere auf dem Hintergrund der Prozesse der europäischen Einigung und der zunehmenden internationalen Verflechtungen und Interdependenzen im ökonomischen, ökologischen, sozialen, politischen und kulturellen Bereich.

Häufig bleiben Aussagen zur multikulturellen Gesellschaft aber nicht bei einer analytisch-beschreibenden Feststellung des Tatbestandes und Hinweisen zum historischen und zukünftigen Charakter dieser Gesellschaftsform stehen. Sie enthalten auch normative Aussagen und Urteile. Der Prozeß des multikulturellen Zusammenlebens wird positiv, als „Chance“, nicht als „Bedrohung“ gewertet und als eine „Zielsetzung“ verstanden, die erst „partiell“

Wirklichkeit und von daher erst eigentlich noch zu realisieren ist.

Von den Erfordernissen einer ideologiekritischen Betrachtungsweise her ist es notwendig, in Aussagen zur multikulturellen Gesellschaft sowohl den beschreibenden bzw. erklärenden wie auch den normativen Gehalt zu beachten. Nur auf diese Weise können nämlich die schon bestehenden Ansätze erfaßt, die noch nicht realisierten Elemente der Zielsetzung näher bestimmt sowie etwaige Hin-demisse wie auch notwendige Prozesse und Bedin* gungen der Realisierung der Zielkonzeption reflektiert werden. c) Der Begriff der multikulturellen Gesellschaft kann sich sowohl auf sozio-kulturelle Phänomene wie auch auf „strukturelle“ Bereiche (Ökonomie, Recht, Politik usw.) beziehen. Zunächst wird mit diesem Begriff die kulturelle Dimension hervorgehoben. So werden Migrationsbewegungen nicht mehr (ausschließlich oder in erster Linie) als „Arbeitsmigration“, sondern (auch bzw. vor allem) als „Kulturmigration“ und die „Einwanderungssituation“ als „interkulturelle Situation“ interpretiert. Der Begriff der Kultur wird dabei in der Regel in einem weiten Sinne, insbesondere als „Lebenswelt“ oder „Orientierungssystem“ verstanden

Mit befürwortenden Aussagen zur multikulturellen Gesellschaft kann aber auch darauf abgezielt werden. die sozio-ökonomischen, gesellschaftspolitischen und/oder rechtlichen Rahmenbedingungen der „interkulturellen Situation“ zu reflektieren. Die im Begriff des multikulturellen Zusammenlebens angelegte besondere Hervorhebung von „Kultur“ ist unter diesen Gesichtspunkten ambivalent: Sie kann dazu dienen, Lebensbereiche zu thematisieren, die über das Dasein als „Gastarbeiter“ hinaus-weisen; sie kann aber auch dazu führen, die Bedingungen und Zwänge dieses Gastarbeiterdaseins aus dem Blick zu verlieren. d) Auch wenn von einer Befürwortung des Konzepts der multikulturellen Gesellschaft ausgegangen wird, kann dies mit unterschiedlichen Vorstellungen, Interessen und Erwartungen verbunden sein. Unter gesellschaftspolitischen Gesichtpunkten ist z. B. auffällig, daß das Spektrum der Befürworter eines multikulturellen Zusammenlebens relativ breit ist; es reicht vom Arbeitnehmer-und „Modemisierungs“ -Flügel der CDU über Liberale und Sozialdemokraten bis hin zu Kirchen, Gewerkschaften und Initiativgruppen sowie grün-alternativen Gruppen. Unter einer gegen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rassismus gerichteten Perspektive kommt es dabei nicht selten zu einer über Partei-und ideologische Grenzen hinausreichenden Zusammenarbeit, die an dem Leitbild einer modernen, offenen Gesellschaft mit kultureller Vielfalt und gegenseitiger Toleranz zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft orientiert ist Obwohl dies unter gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten positiv zu bewerten ist, kann es aber auch Symptom dafür sein, daß mit dieser Befürwortung unterschiedliche Erwartungen und Interessen verbunden sind bzw.sein können, so z. B. arbeitsmarktpolitische Interessen an der Anwesenheit von Einwanderern, Interessen an einer innovativen Stadtentwicklung, Interessen an einer Erweiterung des eigenen kulturellen Horizontes oder Interessen an einer Aufhebung struktureller sozialer Ungleichheiten

2. Multikulturelle Gesellschaft als „Bedrohung“

Aus der Sicht der Gegner, die unter gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten konservativen, nationalen, nationalistischen und rechtsextremistischen Richtungen zugeordnet werden können, ist eine multikulturelle Gesellschaft in erster Linie eine Bedrohung oder Gefahr. So wird im „Heidelberger Manifest“, das 1982 von Professoren an bundesrepublikanischen Universitäten in Umlauf gebracht wurde, der Prozeß der Einwanderung als „Unterwanderung des deutschen Volkes durch Zuzug von vielen Millionen von Ausländern und ihren Familien“ sowie als „Überfremdung unserer Sprache, unserer Kultur und unseres Volkstums“ bezeichnet; dementsprechend wird die „Integration großer Massen nichtdeutscher Ausländer“ als unvereinbar mit einer „Erhaltung des deutschen Volkes und seiner geistigen Identität auf der Grundlage unseres christlich abendländischen Erbes“ angesehen und als Schritt „zu den bekannten ethnischen Katastrophen multikultureller Gesellschaften“ gewertet

Ähnliche Sichtweisen lassen sich in der Begründung eines Gesetzentwurfes finden, der zur Novellierung des Ausländergesetzes im Bundesministerium des Innern erarbeitet und 1988 bekannt wurde. Hier werden Zuwanderung und Daueraufenthalt von Ausländern in der Bundesrepublik gewertet als „Verzicht auf die Homogenität der Gesellschaft, die im wesentlichen durch die Zugehörigkeit zur deutschen Nation bestimmt wird. Die gemeinsame deutsche Geschichte, Tradition, Sprache und Kulturverlören ihre einigende und prägende Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland würde sich zu einem multinationalen und multikulturellen Gemeinwesen entwickeln, das auf die Dauer mit entsprechenden Minderheitenproblemen belastet wäre. Schon im Interesse der Bewahrung des inneren Friedens, vornehmlich aber im nationalen Interesse muß einer solchen Entwicklung bereits im Ansatz begegnet werden . . . Die Bewahrung des eigenen nationalen Charakters ist das legitime Ziel eines jeden Volkes und Staates.“

Diese und ähnliche Sichtweisen beruhen im wesentlichen aufder Annahme, daß „Volk“, „Kultur“ und „Identität“ homogene Gebilde sind, zwischen dem „eigenen“ Volk und seiner Kultur einerseits und „fremden“ Völkern und Kulturen andererseits unverträgliche Gegensätze bestehen, so daß eine Unterdrückung oder Ausschaltung des „Heterogenen“ erforderlich ist, wenn der soziale Frieden und die „eigene“ Identität bewahrt werden sollen, ferner die Kulturen ungleichwertig sind, wobei die „eigene“ Kultur als die höherwertige, die „fremde“ Kultur als die minderwertige gilt. Je nachdem, wie diese Annahmen jeweils im einzelnen begründet werden, können sie — aus kritischer Sicht — nationalistischen, ethnozentristischen, rechtextremistischen und/oder (kultur-) rassistischen Denkweisen zugeordnet und in dem Sinne als „ideologisch“ gekennzeichnet werden, daß sie unwahre, unvollständige oder halbwahre Aussagen über die Wirklichkeit enthalten und von ihrer Funktion her herrschaftstabilisierend und -legitimierend wirken

Zunächst stehen diese Auffassungen im Widerspruch zu den gesellschaftlich-politischen Prozessen, die einleitend als Herausbildung von Einwanderungsminderheiten und ethnisch-kultureller Diversifizierung beschrieben wurden. Viele Gesichtspunkte sprechen dafür, daß diese Prozesse unumkehrbar sind und auch in Zukunft ablaufen oder sich sogar noch verstärken werden. Auf dem Hintergrund von sozialen Veränderungen „in Richtung auf eine ethnisch heterogene Zusammensetzung“ können diese Sichtweisen als Versuch gewertet werden, einen sozialen Wandel mit Berufung auf traditionelle Werte und Argumentationsmuster zu verhindern

Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sind diese Sichtweisen problematisch, da sie nicht ausreichend berücksichtigen bzw. gänzlich übersehen, daß solche grundlegenden Verfassungsprinzipien wie Menschenwürde, Freiheit zur Entfaltung der Persönlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz nicht nur deutschen Staatsangehörigen zustehen, sondern allen in der Bundesrepublik ansässigen „Menschen“ (auch ausländischer Herkunft); als Ausprägungen staatlicher Gewalt sind Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an diese Grundrechte „als unmittelbar geltendes Recht“ gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG) und somit auch dem in Art. 3 Abs. 3 GG enthaltenes Verbot unterworfen, jemanden „wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen“ zu benachteiligen oder zu bevorzugen.

Nun können sich die aufgezeigten Positionen allerdings aufErgebnisse von Meinungsbefragungen berufen, in denen bei nicht geringen Teilen der deutschen Bevölkerung distanzierte, ablehnende oder sogar aggressive Einstellungen und Haltungen gegenüber den „Ausländem“ insgesamt oder bestimmten Gruppen, insbesondere Türken oder Flüchtlingen aus der Dritten Welt, festgestellt wurden Die in diesen Einstellungen zum Ausdruck kommenden Ängste müssen ernst genommen, gleichwohl aber auch auf ihre Ursachen befragt werden. Unter Bezugnahme auf Ergebnisse der Antisemitismus-und Rassismusforschung sind wir der Auffassung, daß die Ursachen dieser Ängste und Agressionen nicht bei (vermuteten oder tatsächlich vorhandenen) Eigenschaften und Merkmalen der Menschen(-gruppen) zu suchen sind, gegen die sich diese Einstellungen richten; sie müssen vielmehr gesucht werden zum einen in gesellschaftlichen Prozessen und Strukturen, die sich real oder vermeintlich auf bestimmte Bevölkerungsgruppen verunsichernd oder negativ auswirken, und zum anderen in den Aktivitäten und Einflußnahmen gesellschaftspolitischer Gruppen, Institutionen und Medien, die diese Ängste aufgreifen, verstärken und so (mit-) produzieren

Unter diesem Gesichtspunkt haben die genannten Denkmuster für die einheimischen Bevölkerungsgruppen wichtige Funktionen. Sie lenken von den eigentlichen Ursachen gesellschaftlicher Probleme ab oder personalisieren sie in dem Sinne, daß sie eine Gruppe vermeintlich Verantwortlicher identifizieren und fixieren. Während so einerseits ein „heterogenes“ Element, ein innerer oder äußerer Feind ausgemacht wird, werden andererseits Prozesse der (ideologischen) Vergemeinschaftung und Homogenisierung gefördert; In diesem Zusammenhang begünstigen diese Positionen gegenüber den hier lebenden oder rechtmäßig zuziehenden „Ausländem“ Tendenzen der Entrechtlichung und Verdrängung, wobei in dieser Hinsicht „Kultur“ als „Aufhänger“ und Legitimationsmuster eine besondere Rolle spielt Diese Mechanismen der Vorenthaltung oder Verminderung von Rechten bzw. Rechtsansprüchen können eher pauschaler oder eher selektiver Art sein.

Die pauschale Variante wird z. B. in dem Programm der rechtsextremistischen „Republikaner“ von 1987 in der folgenden Weise formuliert: „Die Bundesrepublik Deutschland als eines der am dichtesten besiedelten Länder Europas ist kein Einwanderungsland. Es muß das Land der Deutschen bleiben. Ausländer sind Gäste. Dieses schließt, wie in der Schweiz, unbefristete Arbeitsverträge und Konzessionsvergaben, Daueraufenthalt, Familienzusammenführung und Sozialleistungsansprüche aus. Wahlrecht und Parteimitgliedschaft für Ausländer sind abzulehnen. Ausländer, welche gegen die Gesetze verstoßen, werden nach zeitlich befristetem Rechtsverfahren ohne Verzug ausgewiesen.“

Die selektive Variante wird eher von konservativ oder national orientierten Positionen formuliert. Hier werden einerseits „Integrationsangebote“ an Ausländer gemacht, diese in der Regel aber von bestimmten Voraussetzungen, insbesondere von „Anpassungsleistungen“ auf der Seite der Zuwanderer abhängig gemacht. So fordert z. B.der Staats-und Verfassungsrechtler Quaritsch als „Bedingung der Integration“ — und damit einer rechtlichen Besser-oder Gleichstellung — von den Zuwanderem die „Assimilation der national wesentlichen Eigenschaften“; zu diesen sind nach seiner Auffassung bestimmte „kuturelle Standards“ und „Industrietugenden“ zu zählen, wie z. B. Ehrgeiz und Energie, Ordnungssinn und Organisationstalent, Gemeinnützigkeit und Gerechtigkeitsempfmden, aber auch „die deutsche Einstellung zur Arbeit“ sowie „die grundsätzlich positive Einstellung zum Staat“.

Mit dieser „Integrationsforderung“ wird zum einen — zumindest implizit — die Höherwertigkeit der als „deutsch“ bezeichneten sozio-kulturellen Orientierungsmuster unterstellt, woraus sich die Forderung nach kultureller Assimilation ableitet. Zum anderen wird damit die Möglichkeit der Selektion unter den Ausländern geschaffen: Während diejenigen Ausländer, die diese Assimilationsleistungen erbringen, als integrierbar, d. h. einbürgerbar betrachtet werden, werden „Minderheiten mit stark abweichenden Lebensidealen“ als nicht „problemlos integrierbar“ und als Gefahr sowohl für die wirtschaftliche Entwicklung wie auch für den sozialen Frieden angesehen Aus dieser Sichtweise lassen sich gesellschaftspolitische Maßnahmen rechtfertigen, die darauf gerichtet sind, die „integrationsunfähigen“ bzw. „-unwilligen“ und letztlich das „Ausländerproblem“ ausmachenden Zuwanderer im Status der rechtlichen Benachteiligung zu belassen bzw. sie aus der bundesrepublikanischen Gesellschaft überhaupt zu verdrängen.

Das Verhältnis der Positionen, die eine multikulturelle Gesellschaft in erster Linie als „Gefahr“ und „Bedrohung“ interpretieren, zu herrschenden wirtschaftlichen Interessen, ist widersprüchlich und hängt insbesondere von der wirtschaftlichen Entwicklung und dem damit verbundenen Arbeitskräftebedarf ab: Auf der einen Seite stehen sie in Übereinstimmung mit Äußerungen der Arbeitgeberverbände, in denen — ausgehend von der Annahme eines zurückgehenden Bedarfs der deutschen Wirtschaft an ausländischen Arbeitskräften — Forderungen nach einer restriktiveren Handhabung der Zulassung von Ausländern zum inländischen Arbeitsmarkt und/oder nach einer verstärkten Politik der Förderung der Rückkehr insbesondere von arbeitslosen Ausländern erhoben werden. Auf der anderen Seite befinden sie sich im Widerspruch erstens zu der Tatsache, daß trotz der besonderen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gegenwärtig (noch) ca. 1, 5 Millionen Ausländer in der Bundesrepublik beschäftigt sind und in bestimmten Unternehmen, Wirtschaftszweigen und Regionen einen erheblichen Anteil an der Gesamtheit der Beschäftigten ausmachen, und zweitens im Gegensatz zu der Einschätzung, wonach „die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer für die deutsche Wirtschaft nicht nur früher und heute von großem Nutzen war und ist, sondern auch in der Zukunft unverzichtbar bleibt“

Insgesamt geht es bei der Abwehr von multikultureller Gesellschaft als einer „Gefahr“ nicht nur oder gar ausschließlich um eine kulturelle Frage, also um die Abwehr und Ausgrenzung „fremder“ Kulturen, sondern auch — wenn nicht sogar vor allem — um sozio-ökonomische und gesellschaftspolitische Interessen und deren Legitimation. Von zentraler Bedeutung ist in dieser Hinsicht das Interesse an der Aufrechterhaltung einer möglichst weitreichenden staatlichen Dispositionsbefugnis über die „Ausländer“ und der damit verbundenen Möglichkeit, diesen gegenüber das, was als „Belange der Bundesrepublik Deutschland“ definiert wird, durchzusetzen.

3. Multikulturelle Gesellschaft als „Ideologie“

Der Verdacht bzw.der Vorwurf, daß das Konzept der multikulturellen Gesellschaft eine Ideologie sei bzw. ideologische Elemente enthalte, wird am deutlichsten von Positionen her formuliert, die gesellschaftspolitisch eher dem „linken“ Spektrum zuzuordnen sind und ausländerpolitisch für die Anerkennung der Einwanderungssituation und für die Gleichstellung der Immigranten mit den Deutschen eintreten. Im folgenden sollen wesentliche der in diese Richtung zielenden Einwände zunächst einzeln dargestellt und dann zusammenfassend beurteilt werden

Das Konzept der multikulturcllen Gesellschaft sei — so lautet ein erster Kritikpunkt — mit einer Romantisierung und Idyllisierung realer gesellschaftlicher Verhältnisse verbunden. So würden strukturelle Zwänge und Ungleichheiten, die der internationalen Arbeitsmigration zugrunde lägen, entweder übersehen oder unterbewertet — und damit auch die negativen Folgen, die die unfreiwilligen Wanderungen für die Herkunftsregionen haben: Was aus der Perspektive der Empfängerländer als multikultureller „Reichtum“ erscheine, würde für die Herkunftsländer kulturelle Verarmung bedeuten Darüber hinaus würden mit der Orientierung auf die „Kulturfrage“ auch die Vielzahl der objektiven, ökonomischen, rechtlichen und politischen Bedingungen und Zwänge, denen die Immigranten alltäglich in den Aufnahmeländern ausgesetzt seien, aus dem Blick geraten. „Ausländer“ sei aber „kein kultureller Begriff, sondern ein national-politischer und in der Bundesrepublik ein arbeitsmarktpolitischer“

Die unzureichende Berücksichtigung struktureller gesellschaftlicher Verhältnisse wirke darüber hinaus entpolitisierend; sie gehe insbesondere mit der gefährlichen Tendenz einher, „gesellschaftliche Problemlagen kulturpolitisch kleinzuarbeiten“. So käme das Konzept der Multikulturellen Gesellschaft einem „Abschied vom Ziel gesellschaftlicher Integration auf der Grundlage universalistischer Normen“ gleich Zudem wäre das Konzept mit der Gefahr verbunden, in einer „falschen“, nämlich rechten politischen Richtung zu wirken. Mit der Betonung von kulturellen Besonderheiten und deren Erhaltung bewegten sich die Befürworter nämlich „auf dem Terrain des rechten Gegners“

Während sich die bisher genannten Tendenzen eher „hinter dem Rücken“ der Befürworter der multi-kulturellen Vielfalt ergeben, könne dieses Konzept — so ein weiterer Einwand — auch bewußt als Herrschaftsinstrument zum Zwecke des Krisenmanagements, der sozialen Kontrolle und der Befriedung von Bevölkerungsgruppen dienen. So sei der Multikulturalismus in den siebziger Jahren in Australien deswegen von offiziellen Stellen entwikkelt worden, weil sich zu diesem Zeitpunkt die bis dahin vorherrschende Strategie der Assimilation der verschiedenen Einwanderergruppen an die angelsächsisch geprägte Hegemonialkultur als nicht effektiv erwiesen habe. Die im offiziellen australischen Multikulturalismus enthaltene Betonung des Rechts auf eigene Kultur und des kulturellen Pluralismus diene auf diesem Hintergrund insbesondere dazu, — kulturelle Besonderheiten einzelner ethnischer Gruppen hervorzuheben und sie gegen die Gemeinsamkeit von Klasseninteressen der abhängig Beschäftigten auszuspielen; — die Konflikte zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Interessen auf Wertkonflikte zu reduzieren; — Forderungen nach einem „strukturellen Pluralismus“ und damit nach einer institutionellen Verankerung der Interessen der Einwanderer in allen gesellschaftlichen Bereichen zu vermeiden bzw. auf „harmlose“ Bereiche zu beschränken, und so insgesamt — die Hegemonie kapitalistisch-bürgerlicher gesellschaftlicher und politischer Gruppen zu sichern

Während die bisher genannten Einwände vor allem auf eine im Konzept der Multikulturalität enthaltene mangelnde Berücksichtigung von strukturellen Voraussetzungen und Folgen zielen, werden in den folgenden Einwänden eher bestimmte defizitäre Sichtweisen von „Kultur“ im allgemeinen und von „Migrantenkultur(en)“ im besonderen thematisiert. So sei das Konzept mit einer statischen und homogenen Vorstellung von Kultur(en) verbunden. In ihm würde die Kultur der Deutschen entweder der Kultur der Ausländer insgesamt oder den Kulturen einzelner Nationalitäten gegenübergestellt. Diese Vorstellung stehe im Widerspruch zu realen Differenzierungs-und Mischungsprozessen zwischen und innerhalb verschiedener Kulturen und weise zudem eine Nähe zu national-staatlichem Denken und der darin enthaltenen Annahme einer Homogenität von Volk, Kultur und Staat auf Zudem würde die Tatsache, daß ein Aufeinander-treffen von unterschiedlichen Kulturen — insbesondere von Kulturen, die Mehrheits-und Minderheitsgruppen zugeordnet sind — notwendigerweise mit Konflikten verbunden ist, entweder übersehen oder diese Konflikte würden nur als Auseinandersetzungen wahrgenommen, die „durch Begegnung und Gespräche von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise“ aus der Welt geschafft werden könnten

Diese Vorstellung von multikultureller Gesellschaft als einem „langersehnten Garten Eden“ sei insbesondere bei kirchlichen Kreisen wie auch bei Teilen der Linken zu finden, die aus lauter Angst, kultur-rassistischen oder eurozentristischen Argumentationsweisen zu erliegen, sich jeglicher kritischer Bewertungen an Elementen fremder Kulturen — z. B. im Hinblick auf andere Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis — enthielten, einen Kulturrelativismus verabsolutierten und sich dem „Kuscheltraum“ einer multikulturellen Gesellschaft hingäben Charakteristisch für verbreitete Vorstellungen von multikultureller Gesellschaft seien zudem verkürzte Sichtweisen von Kultur im allgemeinen und von Migrantenkulturen im besonderen. Als Inbegriff der letzteren würden „Folklore und ausländische Spezialitäten“ gelten; damit würden die ausländischen Arbeiter „auf ein Kulturniveau von Folklore, Köfte, Zaziki und Pluderhosen“ degradiert und auf ein „Exotendasein in der Bundesrepublik Deutschland“ festgeschrieben

Schließlich begünstige die Vorstellung der Multikulturalität eine Instrumentalisierung und Funktionalisierung der Immigranten und ihrer Kulturen. Dies erfolge von zwei Positionen her: Aus der Sicht insbesondere von städtischen Mittel-und Ober-schichten seien die im Inland anwesenden Ausländer ein Mittel zur (eigenen) kulturellen Bereicherung. Die Immigranten und ihre Kulturen sollten aus dieser Perspektive dazu beitragen, Defizite, die in unserer Gesellschaft bestehen, zu kompensieren. So sollten sie „unsere graue Welt bunter machen“, „unserer Spätkultur auf die Sprünge helfen“ und zur Erweiterung der Konsum-und Genußmöglichkeiten beitragen. Diese instrumentalisierende Sichtweise komme auch in den in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffen wie Vorteil, Gewinn. Tausch und Bereicherung zum Ausdruck

Aus der Sicht des links-altemativen Spektrums würden die Migranten und ihre Kulturen in erster Linie als Mittel zum „Kampf gegen hegemoniale Kulturen aufnationaler und internationaler Ebene“ funktionalisert. Erwartet werde von ihnen, daß sie der herrschenden Kultur Einhalt geböten und „alternative Perspektiven“ aufzeigten Zu dieser Sichtweise wird kritisch angemerkt, daß damit zum einen übersehen würde, daß bei uns lebende Ausländer in ihrem Alltag vielfältige Überlebensprobleme bewältigen müßten und die herrschende Kultur ihre Grundlage in der bestehenden Gesellschaft hätte; zudem würde die Struktur dieser Argumentation der der Gegner der multikulturellen Gesellschaft ähneln, „beispielsweise in der oft stillschweigenden Erwartung, die Ausländer seien etwas Besonderes. Omni-oder zumindest Multikompetenz wird ihnen unterstellt, sei es in positiver oder in negativer Bewertung.“

Die genannten Einwände gegen das Konzept der multikulturellen Gesellschaft sind im wesentlichen berechtigt; sie verdeutlichen ideologische Gesichtspunkte, die in Vorstellungen von deren Befürwortern enthalten sind bzw.sein können. Allerdings ist zu fragen, ob es sich bei den kritisierten Defiziten um notwendige und unvermeidbare Bestandteile oder um potentielle und somit vermeidbare Verkürzungen der „Idee“ handelt. Je nachdem, wie die Antwort auf diese Frage ausfällt, ergeben sich unterschiedliche Einstellungen gegenüber dem Konzept insgesamt.

Wenn die kritisierten Sichtweisen als integraler Bestandteil des Multikulturalismus angesehen werden, so muß dies notwendigerweise zu einer grundsätzlichen Abkehr und zu einer Preisgabe dieser Idee insgesamt führen. Eine derartige Konsequenz ist aber nicht zwingend und auch sachlich nicht begründet. Zum einen berücksichtigen die Kritiker nicht in einem ausreichendem Maße den vorläufigen Stand der Diskussion. Zudem tendieren sie dazu, entweder Äußerungen von einzelnen Autoren als das Konzept der Multikulturalität auszugeben, oder aber in ganz unbestimmter Weise und ohne konkrete Bezugnahmen auf bestimmte Positionen von einem Konzept zu sprechen.

Zum anderen lassen sich die einzelnen, als „ideologisch“ bezeichneten Sichtweisen im wesentlichen als Ausdruck von zwei Mängeln verstehen; sie enthalten erstens eine „Überschätzung der Bedeutsamkeit kultureller Faktoren und die Unterschätzung situationeller, materieller und politischer Faktoren bei der Auseinandersetzung zwischen gesellschaftlichen Gruppen“ und zweitens verkürzte Sichtweisen von „Kultur“ im allgemeinen und von Migrantenkulturen im besonderen. Beide Komponenten stellen zwar ideologische Elemente im Multikulturalismus dar. sind aber nicht zwingend mit ihm verbunden. So lassen sich unter den vorhandenen Konzepten zur multikulturellen Gesellschaft, interkulturellen Erziehung und kulturellen Auto-nomie bzw. Identität durchaus auch solche finden, die die Dimensionen der „Struktur“ einerseits und der „Kultur“ andererseits in wirklichkeitsangemessenerer Weise aufeinander beziehen und/oder einen umfassenden, dynamischen und differenzierten Kulturbegriff enthalten

III. Multikulturalismus und Pluralismus

Dort, wo auf „multikulturelle Gesellschaft“ in positiver Weise Bezug genommen wird, ist die Vorstellung eines sozio-kulturellen Pluralismus von erheblicher Bedeutung. Obwohl es sich hierbei um einen Kernpunkt der Vorstellungen von Multikulturalität handelt, ist ihm in der (bundesrepublikanischen) Diskussion über die multikulturelle Gesellschaft bislang erst wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, Auf der anderen Seite sind einige der im Multikulturalismus enthaltenen Gesichtspunkte kaum in der politologisch orientierten Pluralismustheorie thematisiert worden, obgleich sich die im Pluralismus enthaltene Wertschätzung von Vielfalt grundsätzlich auf eine Fülle verschiedener Phänomene'und Ebenen beziehen kann. Diesen bisher vernachlässigten Gesichtspunkten soll in den folgenden Überlegungen intensiver nachgegangen werden. Dabei wird insbesondere gefragt, welche Überein-stimmungen und Differenzen zwischen den beiden Konzepten bestehen und welche ideologischen Elemente in ihnen enthalten sind bzw.sein können. Damit soll zugleich ein Beitrag zur Systematisierung und Weiterentwicklung bislang vorhandener Konzepte einer multikulturellen bzw. pluralistischen Gesellschaft geleistet werden

1. Zum Selbstverständnis von Multikulturalismus und Pluralismus

Sowohl in der Pluralismustheorie wie auch in Konzeptionen der multikulturellen Gesellschaft wird — explizit oder implizit — „idealtypisch“ verfahren. Nach Max Weber beinhaltet dieses Verfahren, daß bestimmte, in der gesellschaftlichen Realität mehr oder weniger vorhandene Einzelerscheinungen hervorgehoben und zu einem in sich einheitlichen Cedankengebüde zusammengefaßt werden. Aufgabe der sozialwissenschaftlichen Arbeit sei es. „in jedem einzelnen Fall festzustellen, wie nahe oder wie fern die Wirklichkeit jenem Idealbild steht“

Das Merkmal der gesellschaftlichen Realität, das in Konzeptionen sowohl der pluralistischen wie der multikulturellen Gesellschaft hervorgehoben wird, ist die „Vielfalt“. Allerdings bestehen Unterschiede in der Hinsicht, daß jeweils unterschiedliche „Typen“ von Vielfalt betont werden. In der Pluralismustheorie ist dies die Vielfalt gesellschaftlicher und politischer Interessen und deren Organisierung im Rahmen und mit Hilfe des politischen Meinungs-und Willensbildungsprozesses in „westlichen Demokratien“. Diese Perspektive ist nicht zufällig, sondern steht im Zusammenhang mit gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die sich insbesondere seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in diesen Demokratien vollzogen haben. Hierzu zählen insbesondere — die Prozesse der politischen Demokratisierung und der damit verbundene Übergang von der liberal-repräsentativen zur „Massen“ -Demokratie;

— die „Organisierung“ von gesellschaftlichen und politischen Meinungen und Interessen im Rahmen der „kollektiven Demokratie“;

— die Entwicklung vom liberalen „Nachtwächter" -Staat zum modernen Sozial-und Interventionsstaat sowie

— Prozesse der Konzentration im ökonomischen Bereich und die damit einhergehende Ablösung der Herrschaft von Einzelunternehmern durch die von Kapitalgesellschaften und Managern.

Im Multikulturalismus wird demgegenüber die kulturelle Vielfalt hervorgehoben, die in den Einwanderungsländern „klassischen“ oder „neuen“ Typs Ausdruck des Zusammenlebens von einheimischen und zugewanderten Bevölkerungsgruppen ist. Allerdings handelt es sich hierbei — im Unterschied zu den vom Pluralismus thematisierten Prozessen — nicht um Vorgänge, die sich innerhalb der einzelnen westlichen Länder entwickelt haben, sondern um Phänomene, die von vornherein im Zusammenhang mit internationalen Interdependenzen, Schichtungen und Abhängigkeiten standen und stehen und die von den entwickelten Ländern insbesondere im Rahmen der organisierten Anwerbung von „Gastarbeitern“ von außen importiert wurden.

Durch die Hervorhebung und positive Bewertung von Differenzierungen innerhalb der Gesellschaft stehen Pluralismus und Multikulturalismus im Gegensatz zu Theorien, Konzeptionen und Ideen, die „Gesellschaft“ als ein homogenes, uniformes oder monolithes Gebilde sehen. Aus der Sicht des Plura-lismus gehören hierzu die klassische, von Rousseau entwickelte Demokratietheorie, die von der Annahme einer „Homogenität“ von Volk, Gemein-wille und Gemeinwohl geprägt sei, verschiedene Gemeinschaftsideologien und die „totalitären Demokratien“ nationalsozialistischer oder kommunistischer Prägung

Das Konzept des Multikulturalismus beruht dagegen auf dem Grundsatz „kulturelle Vielfalt statt nationaler Einfalt“ und ist damit gegen nationalistische Vorstellungen und Politiken gerichtet, aber auch gegen die damit in der Regel einhergehenden Phänomene der Fremdenfeindlichkeit, des Ethnozentrismus und des Rassismus. Die Vorstellung einer „monolithen Gesellschaft“ wird als „Mythos“ angesehen Kritik wird auch geübt an „monokulturellen Vorstellungen“, die sowohl bei Einheimischen wie bei Einwanderern vermutet werden und in denen Unterschiede innerhalb von Kulturen auf regionaler oder nationaler Ebene übersehen werden. Schließlich ist das Konzept der multikulturellen Gesellschaft gerichtet gegen Tendenzen der kulturellen „Formierung“, die sich auf nationaler und internationaler Ebene aus der sich durchsetzenden „Industriezivilisation“ ergeben und einhergehen einerseits mit der Hegemonie einer Konsumkultur und andererseits mit der Abschaffung einer Vielzahl von Traditionen und Sonderkulturen regionaler, professioneller, klassenspezifischer und ethnischer Art

Im Hinblick auf die Konstituierung und Entfaltung der bestehenden bzw. angestrebten Vielfalt werden in der Pluralismustheorie und — weniger explizit — im Multikulturalismus bestimmte Prinzipien bzw. Elemente hervorgehoben, denen in dieser Hinsicht eine zentrale Bedeutung beigemessen wird. Zu diesen sind insbesondere die folgenden zu zählen:

Heterogenität und Autonomie: Es wird davon ausgegangen und positiv beurteilt, daß in der Gesellschaft eine Vielzahl unterschiedlicher Gruppen bzw. Kulturen (ko-) existieren und sich diese unabhängig voneinander und unabhängig von direkten staatlichen Eingriffen entfalten.

Gleichberechtigung, Toleranz und wechselseitiges Verständnis: Die verschiedenen Gruppen und Kulturen sollen nicht in einem Verhältnis der Über-und Unterordnung zueinander stehen, sondern grundsätzlich gleichwertig sein. Damit verbunden sind die Prinzipien der Toleranz und des wechselseitigen Verständnisses gegenüber allen divergierenden Gruppen(-interessen) und kulturellen Überzeugungen.

Begegnung und Interaktion: Die verschiedenen Gruppen und Kulturen sollen nicht in einem gleichgültigen Verhältnis nebeneinander existieren, sondern sich wechselseitig und in einer bewußten Form begegnen und miteinander austauschen.

Konflikt und Konsens: Mit dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher gesellschaftlicher und politischer Interessen und ethnischer Kulturen sind notwendig Konflikte verbunden. Diese sollen friedlich, unter Beachtung bestimmter Verfahrensregeln und unter Beachtung grundlegender, insbesondere in der Verfassung verankerter Werte ausgetragen werden.

Kompromisse und Gemeinwohl: Im Rahmen und mit Hilfe der autonomen Prozesse der Auseinandersetzung sollen die einzelnen Interessengruppen und Kulturen untereinander Kompromisse eingehen und auf diese Weise zur Entstehung des „Gemeinwohls“ (Fraenkel) bzw. neuer „Synthesen“ (Maffioletti) beitragen.

Bei der Beurteilung dieser Prinzipien ist nun unter ideologiekritischen Gesichtspunkten vor allem zu berücksichtigen, daß es sich sowohl um „Ist-Aussagen“ wie auch um „Sollens-Forderungen“ handeln und somit nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie in der gesellschaftlichen Realität unmittelbare Geltung haben. Die Notwendigkeit einer derartigen Differenzierung soll im folgenden an den Problemen der Integration, des Konsens und der Partizipation verdeutlicht werden.

2. Zentrale Probleme: Integration, Konsens, Partizipation

Pluralismus und Multikulturalismus werden in ähnlicher Weise mit dem Problem konfrontiert, wie verhindert werden kann, daß die „legitime Vielfalt“ von ungleichartigen Gruppen und Werten aufgrund der ihr eigenen Dialektik und Dynamik zur staatlichen und kulturellen „Desintegration“ (Fraenkel) führt. Von einem führenden Vertreter des australischen Multikulturalismus wird dieses Problem in der folgenden Weise formuliert: „Wie können die verinnerlichten Werte verschiedener Gruppen innerhalb eines pluralistischen Milieus in Einklang gebracht werden: Wie kann ein Konglomerat von ungleichartigen Gruppen politisch stabil bleiben und sich kulturell entwickeln?“ Die Lösung dieses Integrationsproblems soll vor allem mit Hilfe eines Konsenses gelingen, der sich — im Unterschied zum „kontroversen Sektor“ — nur auf Fragen von grundsätzlicher Bedeutung beziehen und von allen Gruppen akzeptiert werden soll. Im Multikulturalismus wird die „Existenz einer gewissen kulturellen Basis verinnerlichter Werte“ für notwendig erachtet, die überethnischen Charakter haben sollen und somit von allen Gruppen geteilt werden können

Während nun die Notwendigkeit eines derartigen Basiskonsenses dem Grundsatz nach unbestritten ist, da seine Anerkennung die Voraussetzung dafür ist, daß gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen mit friedlichen Mitteln ausgetragen werden, ist die Konkretisierung dieses allgemeinen Postulats in der gesellschaftlichen Wirklichkeit mit erheblichen Kontroversen, Schwierigkeiten und Problemen verbunden. Diese resultieren zum einen daraus, daß die Bestimmung dessen, was als nicht-kontroverser Sektor gelten soll, in einer nicht-homogenen Gesellschaft selbst Gegenstand unterschiedlicher gesellschaftspolitischer und sozio-kultureller Vorstellungen, Interessen und Einflußnahmen ist. Zudem sind die Fragen der Konsensbildung und des Verhältnisses von kontroversem und nicht-kontroversem Sektor eng mit Fragen der politischen Herrschaft verbunden. Als „Universalgruppe“ kommt dem Staat gegenüber den gesellschaftlichen „Partikulargruppen“ eine herausgehobene Stellung zu: Ihm obliegt es, das Staatsvolk zu repräsentieren, die Einhaltung der Verfahrensregeln und des Basiskonsenses durchzusetzen und dazu beizutragen, daß aus der Auseinandersetzung der verschiedenen gesellschaftlichen Interessen und Gruppen ein Gesamtwille im Sinne des Gemeinwohls entsteht. Unter diesen Gesichtspunkten impliziert jeder Konsens und jede Konsensvorstellung „offen und versteckt getroffene Entscheidungen, deren gesellschaftliche Konsequenzen überdacht und angegeben sein wollen“

Beispielhaft verdeutlichen läßt sich dieser Gesichtspunkt zunächst an der Konsens-Vorstellung, die Smolicz im Hinblick auf die multikulturelle Gesellschaft Australiens entwickelt hat. Als Bestandteile der „überethnischen Werte“ werden hier genannt: die parlamentarische Demokratie, die Freiheit des Individuums, der ökonomische Pluralismus (Wertschätzung einer freien Unternehmerwirtschaft, zusammen mit der Anerkennung und Akzeptierung von Staatseingriffen in bestimmten Bereichen) sowie die englische Sprache Unschwer ist in dieser Vorstellung die Orientierung an bzw. Zentriertheit auf westeuropäische, insbesondere angelsächsische politische und kulturelle Traditionen zu erkennen, ebenso wie die damit verbundene Vernachlässigung — wenn nicht sogar Ausgrenzung — von anderen Wertvorstellungen, wie sie z. B. bei Gruppen vorhanden sind, die aus südeuropäischen Ländern oder aus Asien nach Australien eingewandert sind oder dort als Ureinwohner über jahrhundertealte kulturelle Traditionen verfügen.

Ein weiteres Beispiel für die Probleme, die mit der Herstellung eines Basiskonsenses in der Wirklichkeit einer pluralistischen bzw. multikulturellen Gesellschaft verbunden sind, ist die Existenz von ganz unterschiedlichen Vorstellungen über die inhaltlichen Elemente und Funktionen eines derartigen Konsenses und über die Abgrenzung von kontroversem und nicht-kontroversem Sektor. In dieser Hinsicht lassen sich — vereinfachend — zwei konträre Positionen unterscheiden

Aus nationaler und konservativer Sicht wird weitgehend geleugnet, daß unter den Bedingungen einer heterogenen Gesellschaft das, was als Basis-Konsens gelten soll, in der Regel selbst umstritten ist bzw.sein kann. Diese Positionen tendieren dazu, den Konsens inhaltlich zu fixieren, ihn als Ausdruck bzw. Verkörperung einer „homogenen“ und „objektiven“, den geschichtlichen Prozessen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen enthobenen Wertordnung hinzustellcn, den Konsens aber zugleich mit den überkommenen Macht-und Herrschaftsverhältnissen gleichzusetzen und als Instrument zur Ausgrenzung von Gruppen, Konzeptionen und Werten zu funktionalisieren. die als „nicht-konsensfähig“ bzw. „nicht-integrationsfähig“ angesehen werden.

Demgegenüber wird der Konsens von eher progressiv orientierten Positionen als ein Phänomen aufgefaßt, das in einem historischen und gesellschaftlichen Zusammenhang steht, als verbindlicher Rahmen für gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen fungiert und offen ist für die Einflußnahmen unterschiedlicher Gruppen, somit in der Regel widersprüchliche Elemente enthält und insgesamt einen labilen und dynamischen Charakter aufweist.

Diese unterschiedlichen Konsensvorstellungen sind von entscheidender Relevanz für die jeweils konträren Antworten, die von den beiden Positionen auf die Frage gegeben werden, welchen rechtlichen und politischen Status die zugewanderten und dauerhaft ansässigen Personen in unserer Gesellschaft haben (sollen).

Wird von einer Vorstellung ausgegangen, in der der Konsens in erster Linie durch nationale „Homogenität“ und „Identität“ bestimmt und als solcher fixiert ist, so können die Zuwanderer nicht „durch bloße Dauer ihres Aufenthaltes“ zu Einwanderern (im klassischen Sinne) werden Dies ist erst dann der Fall, wenn sie die „Assimilation der national wesentlichen Eigenschaften“ (Quaritsch) vollziehen. die ihrerseits die Einbürgerung (unter Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit) zum Ziel hat. Bis dahin werden sie als „Dauergäste“ (Stöcker) toleriert, damit dem benachteiligenden Ausländerstatus unterworfen und (zumindest potentiell) als Widerspruch zu dem bzw. Gefahr für das, was aus nationaler und konservativer Sicht als Konsens definiert wird, gesehen.

In der anderen Position, die den Konsens als ein historisch-dynamisches Phänomen und als offenen Rahmen interpretiert, werden demgegenüber die Veränderungen hervorgehoben, die sich in der Gesellschaftstruktur der Bundesrepublik durch die Zuwanderung und Niederlassung von Arbeitsmigranten und Flüchtlingen vollzogen haben und die als unumkehrbar angesehen werden. Gemäß diesen in der Realität eingetretenen gesellschaftlichen und kulturellen Differenzierungen soll sich auch die bisher vorherrschende Konsensvorstellung gegenüber „Ausländern“ ändern, und zwar in der Weise, daß die Zugewanderten nicht nur als „anwesend“, sondern auch als zu dieser Gesellschaft „zugehörig“ und somit als deren integraler Bestandteil anerkannt werden Hieraus resultiert das Plädoyer für eine „grundsätzliche Entscheidung, die unerklärten Einwanderer endgültig anzunehmen und aufzunehmen“

Schließlich erfordert ein Basiskonsens für alle Gruppen und Kulturen die Möglichkeit einer gleichberechtigten Einflußnahme sowohl innerhalb des kontroversen Sektors wie auch im Hinblick auf eine inhaltliche Ausgestaltung des nicht-kontroversen Sektors, also der „regulativen Ideen“ (Fraenkel). Diesem Erfordernis stehen aber in der gesellschaftlichen Wirklichkeit der „westlichen Demokratien“ vielfältige Hindernisse entgegen. Zum einen handelt es sich dabei um Phänomene, die als „Strukturdefekte der westlichen Demokratien“ (Fraenkel) gekennzeichnet werden können. Zu diesen werden insbesondere Phänomene wie die folgenden gezählt: Übermacht der Kapitalinteressen und fehlende Chancengleichheit der politischen Gruppen, Disparitäten in der Durchsetzung von „schwach“ und „stark“ organisierten Partialinteressen, Defizite an innerparteilicher und innerverhandlicher Demokratie, Monopolisierungs-und Konzentrationsprozesse in vielen gesellschaftlichen Bereichen und der Widerstand von etablierten Interessen gegen neue Gruppen und gegen strukturelle Reformen.

Für die Einwanderer kommen zu diesen allgemeinen Hindernissen einer gleichberechtigten Partizipation noch spezielle Benachteiligungen hinzu, solange sie als „Ausländer“ behandelt werden und damit einem benachteiligendem Rechtsstatus unterliegen. Damit verbunden ist ihre Stellung „im politischen Abseits“, die Einschränkungen der politischen Betätigung und insbesondere den Ausschluß vom Wahlrecht impliziert und die noch verstärkt wird durch Tendenzen der Ausländerfeindlichkeit und des (Kultur-) Rassismus.

Die Konzepte des Pluralismus und des Multikulturalismus nehmen so einen ideologischen Gehalt an, sofern sie die in der gesellschaftlichen Wirklichkeit bestehenden Ungleichheiten und Ausgrenzungen übersehen und in „naiver“ Weise den offenen Charakter des Pluralismus wie auch das Prinzip der gleichberechtigten Partizipation als real existierend unterstellen. Dieser Gefahr kann begegnet werden, sofern beide Konzepte nicht nur als Beschreibung von Realität aufgefaßt, sondern auch als normative Konzepte begriffen werden, die als Maßstab zur kritischen Prüfung der Wirklichkeit fungieren. Legt man diesen Maßstab an, so kann im Hinblick auf den in der Bundesrepublik bestehenden gesellschaftspolitischen und kulturellen Pluralismus nur von einem „begrenzten“ bzw. „unentwickelten“ Pluralismus gesprochen werden. Auf Anforderungen, die an eine „entwickelte“ pluralistische bzw. multikulturelle Gesellschaft zu stellen sind, soll in den abschließenden Überlegungen kurz eingegangen werden.

IV. Multikulturelle Gesellschaft: Anforderungen und Elemente in emanzipatorischer Perspektive

Ein Konzept einer multikulturellen Gesellschaft, das diese einerseits als „Chance“ begreift, andererseits aber nicht „naiven“ oder „ideologischen“ Charakter haben soll, muß besonderen Anforderungen genügen. Derartige Anforderungen lassen sich am ehesten von der Perspektive der „Emanzipation“ her formulieren, bei der es in einem allgemeinen Sinne um die Aufhebung von sozialen Abhängigkeitsverhältnissen, Benachteiligungen und sozialen Ungleichheiten „alter“ und „neuer“ Art geht. Hierbei lassen sich eine „kritische“ und eine „konstruktive“ Dimension unterscheiden: Unter kritischen Gesichtspunkten geht es darum, bestehende soziale Ungleichheiten im Detail und im gesellschaftlichen Zusammenhang aufzuzeigen und zu erklären. Unter konstruktiven Gesichtspunkten geht es um die Entfaltung einer Zielperspektive, die einerseits sozialwissenschaftlich fundiert ist. zugleich aber praktische Erfahrungen und programmatische Forderungen gesellschaftspolitischer Gruppen berücksichtigt. Dabei sollten weder Patentrezepte der Emanzipation angeboten noch bei Maßnahmen stehen geblieben werden, die nur partiellen Charakter haben und/oder auf einzelne Problemfelder beschränkt sind.

Wird das Zusammenleben von Einheimischen und Einwanderern unter einer so verstandenen Emanzipationsperspektive thematisiert, so erfordert es zunächst und vor allem gesellschaftliche Veränderungen, die als „Emanzipation der Einwanderungsminderheiten“ bezeichnet werden können. Hierzu gehören die folgenden Elemente: — die Anerkennung der Einwanderungssituation und somit der „Zugehörigkeit“ der Einwanderungsminderheiten zu unserer Gesellschaft;

— die „rechtliche Emanzipation“ der Einwanderer, d. h. die Aufhebung der vor allem im Ausländer-recht verankerten besonderen staatlichen Dispositionsbefugnis über die Betroffenen und deren rechtliche und politische Gleichstellung

— die Schaffung und Sicherung von Möglichkeiten zur wirksamen gesellschaftspolitischen Partizipation, Selbstorganisation und Interessenvertretung der Einwanderer;

— der Abbau von „ethnischen Stratifikationen" in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, bei den Arbeitsplätzen, im Bildungs-und Gesundheitssystem sowie im sozialen und Wohnbereich; — die Sicherung und Förderung der „kulturellen Autonomie“ und einer „kulturautonomen Integration“ der Einwanderer;

— die Anerkennung und Förderung von bestehenden Ansätzen und Entwicklungen einer multikulturellen Gesellschaft und der damit verbundenen interkulturellen Orientierung auf gesamtgesellschaft-licher, regionaler und lokaler Ebene sowie in den verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen, und — die Einleitung und Durchführung von wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung, Ausländerfeindlichkeit und (Kultur-) Rassismus. Diese emanzipatorische Vorstellung eines multikulturellen Zusammenlebens ist der Gefahr der Verkürzung ausgesetzt, sofern sie auf die Gruppe bzw.den Bereich der „Ausländer“ beschränkt bleibt; dies würde heißen, eine strukturelle Gleichstellung der Einwanderungsminderheiten in einer ansonsten unveränderten gesellschaftlichen Realität anzustreben. Von daher zielt die emanzipatorische Perspektive auch auf gesellschaftliche Veränderungen, die außerhalb des „Ausländerbereichs“ im engeren Sinne liegen. Stichwortartig können hierzu die folgenden Elemente gezählt werden:

— die Verminderung von Lebensrisiken, insbesondere in den Bereichen von Frieden und Umwelt;

— der Abbau von sozialen Ungleichheiten, insbesondere im Hinblick auf Formen alter und neuer Armut, von Massen-und Dauerarbeitslosigkeit, von geschlechtsspezifischen Benachteiligungen und von Ungleichheiten auf internationaler Ebene, sowie

— die Erweiterung von individuellen, gesellschaftlichen und politischen Selbst-und Mitgestaltungsmöglichkeiten.

Die konzeptionelle Entfaltung und praktische Verwirklichung dieser hier nur angedeuteten Perspektive wird ohne Zweifel mit einer Vielzahl von Fragen. Problemen und Konflikten einhergehen und weiterreichender sozialwissenschaftlicher Analysen und gesellschaftspolitischer Entscheidungen bedürfen. Die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes eines „unerklärten Einwanderungslandes“ (Thränhardt) und eines auf sozialer Diskriminierung beruhenden multikulturellen Zusammenlebens geht aber ihrerseits mit vielfältigen Problemen und Konflikten einher und kann langfristig nur Scheinlösungen für ein dauerhaftes und humanes Zusammenleben von Einheimischen und Einwanderungsminderheiten bieten

Fussnoten

Fußnoten

  1. epd-Dokumentation Nr. 48/80 („Wir leben in der Bundesrepublik in einer multikulturellen Gesellschaft“).

  2. Zur Diskussion Anfang der achtziger Jahre vgl. u. a. Heiner Geißler (Hrsg.), Ausländer in Deutschland — Für eine gemeinsame Zukunft, 2 Bde., München 1983; Jürgen Miksch (Hrsg.), Multikulturelles Zusammenleben. Theologische Erfahrungen. Frankfurt 1983; Hartmut Esser. Multikulturelle Gesellschaft als Alternative zu Isolation und Assimilation, in: ders. (Hrsg.), Die fremden Mitbürger. Düsseldorf 1983. S. 25 — 38; Volker Nitzschke (Hrsg.), Multikulturelle Gesellschaft — multikulturelle Erziehung?, Stuttgart 1982. Zur neueren Diskussion vgl. u. a.: Evangelische Akademie Iserlohn (Hrsg.), „Multikulturelle Gesellschaft“ — Wunsch. Realität oder Reizwort?, Iserlohn 1989 (Tagungsprotokoll 11/89); Jürgen Miksch. Kulturelle Vielfalt statt nationaler Einfalt. Eine Strategie gegen Nationalismus und Rassismus, Frankfurt 1989; Klaus F. Geiger. Gesellschaft ohne Ausländerfeinde oder multikulturelle Gesellschaft, in: Otger Autrata u. a. (Hrsg.), Theorien über Rassismus. Hamburg 1989 (Argument—Sonderband AS 164); Gewerkschaftliche Monatshefte, (1989) 7 („Ausländer. Aussiedler, Asylanten — Auf dem Weg in die multikulturelle Gesellschaft?“); Materialien zur Politischen Bildung. (1989) 2 („Multikulturelle Gesellschaft“); Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, (1989) 6 („Thema: Europa — supranational und multikulturell"); Interkulturell. Forum für interkulturelles Lernen in Schule und Sozialpädagogik, (1989) 4 und (1990) 1 („Leben in der multikulturellen Gesellschaft“) (in Planung). Vgl. auch Dieter Oberndörfer, Der Nationalstaat — ein Hindernis für das dauerhafte Zusammenleben mit ethnischen Minderheiten?. in: Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik. (1989) 1, S. 3-13, sowie die folgenden Literaturverweise.

  3. Vgl. zur Gesamtproblematik die umfassende, von Lutz-Rainer Reuter und Martin Dodenhoeft erstellte und von Lutz Raphael herausgegebene Literaturanalyse: Arbeitsmigration und gesellschaftliche Entwicklung, Stuttgart 1989 (Neue Politische Literatur, Beiheft 5).

  4. Vgl. dazu insgesamt Friedrich Heckmann, Volk, Nation, ethnische Gruppe und ethnische Minderheiten. Zu einigen Grundkategorien von Ethnizität, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie. (1988) 3, S. 16— 31.

  5. Antonio Perotti. Europas Zukunft: multikulturell oder interkulturell?, in: Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, (1989) 6, S. 536-546.

  6. Vgl. Jochen Blaschke/Kurt Greussing (Hrsg.), „Dritte Welt“ in Europa. Probleme der Arbeitsimmigration, Frankfurt 1980.

  7. Grundlegend hierzu: Knuth Dohse, Ausländische Arbeiter und bürgerlicher Staat. Genese und Funktion von staatlicher Ausländerpolitik und Ausländerrecht. Vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik Deutschland. Königstein/Ts. 1981. Vgl. auch Axel Schulte. Rückkehr der Arbeitsemigranten — ein normaler Prozeß?, in: ders. u. a. (Hrsg.). Ausländer in der Bundesrepublik. Integration. Marginalisierung. Identität. Frankfurt 1985, S. 85— 145.

  8. Vgl. Friedrich Heckmann. Anwesend, aber nicht zugehörig: Aspekte sozialer Diskriminierung der ausländischen Bevölkerung in der Bundesrepublik, in: Klaus J. Bade (Hrsg.). Auswanderer — Wanderarbeiter — Gastarbeiter. Bd. 2. Ostfildern 1984. S. 644— 656.

  9. H. Esser (Anm. 2), S. 29.

  10. Vgl. Wolf-Dieter Just, Einleitung, in: ders. /Annette Groth (Hrsg.), Wanderarbeiter in der EG. Bd. 1: Vergleichende Analysen und Zusammenfassung. Mainz—München 1985. S. 22ff.; H. Esser (Anm. 2). S. 29ff.; J. Miksch (Anm. 2). S. 33 ff.

  11. J. Miksch (Anm. 2), S. 33.

  12. R. Elliot Kendall. Großbritannien als multikulturelle Gesellschaft, in: epd-Dokumentation (Anm. 1), S. 21.

  13. Vgl. Helmut Essinger, Art. „Pädagogische Ausbildung“, in: Georg Auernheimer (Hrsg.). Handwörterbuch Ausländerarbeit. Weinheim—Basel 1984, S. 244— 247; vgl. auch A. Schulte. Multikulturelle Gesellschaft: Sozio-kulturelle, pädagogische und gesellschaftspolitische Aspekte. Ein Über-blick über Begriffe. Konzeptionen und Kontroversen, in: Evangelische Akademie Iserlohn (Anm. 2). S. 28f. (auch in: Interkulturelles Forum für interkulturelles Lernen in Schule und Sozialpädagogik, [1989J 4).

  14. Vgl. z. B.den Aufruf: „Frauen gegen Rechtsradikalismus. Vernunft statt Rattenfängerei“, in: Frankfurter Rundschau vom 2. März 1990; vgl. auch den ähnlich gerichteten Aufruf der IG Metall gegen Ausländerfeindlichkeit:, Ja zum Miteinander! Für Offenheit und kulturelle Vielfalt bei uns und in Europa“, in: Frankfurter Rundschau vom 22. April 1989.

  15. Vgl. Wirtschaftswoche Nr. 7 vom 10. Februar 1989, S. 14ff. („Einwanderer gesucht“); epd-Dokumentation (Anm. 1), S. 49; Hilmar Hoffmann. Im Laboratorium fürs Überleben. Die Utopie von der multikulturellen Gesellschaft. in: Süddeutsche Zeitung vom 3. /4. Juni 1989; Manfred Rommel, Ziel: Die europäische Stadt. Die Ausländer-problematik in unseren Großstädten, in: Die neue Ordnung. (1988) 4. S. 263— 268; Gunter Hofmann. Großes Wort, kleiner Geist. Die multikulturelle Gesellschaft und ihre Feinde, in: Die Zeit, Nr. 37 vom 8. September 1989; Ingrid Haller, Anmerkungen zum Konzept „Multikulturelle Gesellschaft", in: Sozial Extra, September 1989, S. 30— 36; Marcella Heine, Mehr als ein linker Kuscheltraum, in: Stadtrevue (Köln). 6/89, S. 38— 42; Rudi Leiprecht. Gegen die Konstruktion falscher „Gemeinsamkeiten“, in: Informationsdienst zur Ausländcrarbcit. 4/89. S. 67— 75.

  16. Heidelberger Manifest (Unterzeichner-Fassung), in: Frankfurter Rundschau vom 4. März 1982.

  17. Entwurf für ein Gesetz zur Neuregelung des Ausländer-rechts (Stand: 1. 2. 1988), Begründung zu Artikel 2 (Ausländeraufenthaltsgesetz), S. 23.

  18. Vgl. zur Kritik dieser Denkweisen u. a. J. Miksch (Anm. 2); Lutz Hoffmann/Herbert Even. Soziologie der Ausländerfeindlichkeit. Zwischen nationaler Identität und multikultureller Gesellschaft, Weinheim-Basel 1984; Annita Kalpaka/Nora Räthzel (Hrsg.), Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein, Berlin 1986; F. Heckmann (Anm. 8).

  19. Wir beziehen uns hier auf einen allgemeinen und „funktionalen“ Ideologiebegriff. Vgl. dazu Lothar Döhn/Franz Neumann. Art. „Ideologie“, in: Hanno Drechsler/Wolfgang Hilligen/Franz Neumann. Gesellschaft und Staat. Lexikon der Politik, Baden-Baden 1989, S. 323-326.

  20. Vgl. L. Hoffmann/H. Even (Anm. 18), S. 182.

  21. Vgl. z. B. Der Spiegel, 16/1989. S. 151-163 („Arbeitslose Ausländer abschieben?“).

  22. Vgl. die in Anm. 18 angegebene Literatur.

  23. Vgl. Hartmut Esser. Ist das Ausländerproblem in der Bundesrepublik Deutschland ein „Türkenproblem“?, in: Rolf Italiaander (Hrsg.). „Fremde raus?“ Fremdenangst und Ausländerfeindlichkeit, Frankfurt 1983, S. 178f.

  24. Das Programm der „Republikaner“ von 1987 ist abgedruckt in: Hajo Funke. „Republikaner“. Rassismus. Juden-feindschaft. nationaler Größenwahn. Zu den Potentialen der Rechtsextremen am Beispiel der „Republikaner“. Berlin 1989. S. 128 ff.

  25. Vgl. Helmut Quaritsch. Einwanderungsland Bundesrepublik Deutschland? Aktuelle Reformfragen des Ausländer-rechts. München 1981. S. 73ff. Eine Position, die die „tiefe kulturelle Kluft zwischen den Moslems und den Einheimischen“ betont, letztlich aber für „eine konsequente Repatriierung von arbeitslosen Ausländem“ (Hervorhebung von mir. A. S.) eintritt, findet sich bei Jürgen Schilling. Multikulturelle Gesellschaft oder Repatriierung? Ausländerpolitik im Widerstreit von christlicher Toleranz und Staatsräson, in: H. Geißler (Anm. 2), Bd. 2, S. 123 ff.

  26. Bericht zur Ausländerbeschäftigung. September 1986. Hrsg, von der Beauftragten der Bundesregierung für die Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen. Bonn 1986. S. 50. Zur staatlichen Ausländerpolitik auf dem Arbeitsmarkt vgl. insgesamt Axel Schulte. Diskriminierung ausländischer Arbeiter auf dem Arbeitsmarkt. Restriktive Steuerung der Ausländerbeschäftigung und Diskriminierungspolitik in der ökonomischen Krise, in: Ausländerkinder. Forum für interkulturelles Lernen in Schule und Sozialpädagogik. (1987) 21, S. 46— 70 (I) und (1987) 32, S. 38-56 (II).

  27. Die Darstellung bezieht sich auf die kritischen Einwände der folgenden Autoren und Autorinnen: M. Heine (Anm. 15); L. Hoffmann. Nationalstaat oder ethnisch neutraler Staat? Thesen, sowie ders. Zur Problematik des Begriffs der .. multikulturellen Gesellschaft“, beides in: Evangelische Akademie Iserlohn (Anm. 2), S. 1— 8; Bendix Klinge-berg, Was heißt multikulturelle Gesellschaft?, in: Widerspruche. (1983) 9, S. 107-113; Klaus Naumann. Multikultureller Abschied von der Integration?, in: Erziehung und Wissenschaft, (1990) 1, S. 24— 25; Bodo Schulze, Das multikulturelle Nichts, in: links, (1989) 11, S. 8-10; Jean-Pierre Thvenaz, Christliches Verständnis einer multikulturellen Gesellschaft, in: J. Miksch (Anm. 2), S. 59-71. Den kritischen Einwänden liegt als Maßstab — zumindest implizit — der oben (Anm. 19) erwähnte „funktionale“ Ideologiebegriff zugrunde.

  28. Vgl. J. -P. Thvenaz (Anm. 27), S. 62.

  29. B. Klingeberg (Anm. 27). S. 112.

  30. K. Naumann (Anm. 27).

  31. B. Schulze (Anm. 27), S. 9.

  32. Vgl. K. F. Geiger (Anm. 2), S. 149ff.

  33. Vgl. L. Hoffmann (Anm. 27).

  34. B. Schulze (Anm. 27). S. 8.

  35. M. Heine (Anm. 15).

  36. B. Klingeberg (Anm. 27).

  37. Vgl. K. Naumann (Anm. 27) und J. -P. Thävenaz (Anm. 27).

  38. B. Klingeberg (Anm. 27). S. 109.

  39. K. Naumann (Anm. 27). S. 25.

  40. H. Esser (Anm. 23). S. 178f.

  41. Vgl.den Überblick über die verschiedenen Konzeptionen bei A. Schulte (Anm. 13).

  42. Die folgende Darstellung bezieht sich im Hinblick auf den Multikulturalismus vor allem auf: J. Miksch (Anm. 2);

  43. Max Weber. Methodologische Schriften. Frankfurt 1968. S. 42 f.

  44. Die Abgrenzung insbesondere der Pluralismustheorie gegenüber Theorien einer „antagonistischen“ bzw. „Klassen-“ Gesellschaft wird in dem hier behandelten Zusammenhang vernachlässigt.

  45. V" gl. Gerd Stüwe. Der Mythos einer monolithen Gesellschaft zerbricht, in: Materialien zur Politischen Bildung, (1989) 2, S. 26ff.

  46. Vgl. u. a. Kurt Gerhard Fischer, Die Gesänge sind verstummt, in: V. Nitzschke (Anm. 2), S. 83— 91.

  47. J. J. Smolicz (Anm. 42), S. 44 f.

  48. Ebd., S. 45 f.

  49. Wolf-Dieter Narr. Pluralistische Gesellschaft. Hannover 1969, S. 31.

  50. Vgl. J. J. Smolicz (Anm. 42), S. 45 f.

  51. Vgl. dazu ausführlich: Axel Schulte. Der Konsens in der politischen Bildung — demokratischer Rahmen oder Mittel der Ausgrenzung von Gesellschaftskritik und Alternativen? Zur Diskussion über Konsens und Pluralismus in der neueren politischen Bildung, Hannover 1980.

  52. So die Formulierung bei Hans A. Stöcker, Nationales Selbstbestimmungsrecht und Ausländerwahlrecht. Über Versuche, die Bundesrepublik in einen Vielvölkerstaat umzuwandeln, in: Der Staat, (1989) 1, S. 71, Anm. 2.

  53. Vgl. F. Heckmann (Anm. 8).

  54. Dietrich Thränhardt, Die Bundesrepublik Deutschland — ein unerklärtes Einwanderungsland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 24/88, S. 13 (Hervorhebungen von mir, A. S.).

  55. Diesem Kriterium wird der von der Bundesregierung am Anfang dieses Jahres vorgelegte „Entwurf für ein Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts“ (Bundesrat — Drucksache 11/90) nicht gerecht. Vgl. dazu auch die gesammelten Referate und Stellungnahmen in: epd-Dokumentation 7/90 und 9/90 („Für ein humanes Ausländerrecht“) und die Debatte des Deutschen Bundestages am 9. 2. 1990 (in Auszügen wiedergegeben in: DAS PARLAMENT. Nr. 9-10 vom 23. 2. Z 2. März 1990. S. 11-15). Gegen die Stimmen der Bundesländer mit SPD-gcführten Regierungen hat der Bundesrat am 11. Mai 1990 diesem Gesetz jetzt zugestimmt.

  56. Nach Fertigstellung des Manuskripts sind drei Untersuchungen erschienen, die für die Diskussion über eine multi-kulturelle Gesellschaft relevant sind und auf die hier abschließend zumindest hingewiesen werden soll: Heiner Geißler. Zugluft. Politik in stürmischer Zeit. München 1990. insbes. S. 177— 218; Lutz Hoffmann. Die unvollendete Republik. Zwischen Einwanderungsland und deutschem Nationalstaat. Köln 1990; Roland Tichy. Ausländer rein! Warum es kein „Ausländerproblem“ gibt. München 1990.

Weitere Inhalte

Axel Schulte, Dr. phil. habil., geb. 1943; Studium der Politischen Wissenschaft, Geschichte und Philosophie an der Freien Universität Berlin; Privatdozent und Vertretung von Professorenaufgaben am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hannover. Veröffentlichungen u. a.: Demokratisierung. Interpretation des Begriffs in der politischen Bildung und geschichtliche Spezifizierung, Frankfurt — New York 1979; Der Konsens in der politischen Bildung — demokratischer Rahmen oder Mittel der Ausgrenzung von Gesellschaftskritik und Alternativen? Zur Diskussion über Konsens und Pluralismus in der neueren politischen Bildung, Hannover 1980; (Hrsg. zus. mit C. Trabandt und A. Zein) Ausländer in der Bundesrepublik. Integration, Marginalisierung, Identität, Frankfurt 1985; Produktive Rückkehr? Rückwanderung, Beschäftigungsproblematik und Kooperativen in einer abhängig entwickelten Region. Das Beispiel Süditalien, Berlin 1986.