Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Der Deutsche Bundestag: Strukturprobleme und Reformperspektiven einer politischen Institution | APuZ 50/1991 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 50/1991 Artikel 1 Brauchen wir eine Politische Klasse? Leistungsgrenzen politischer Institutionen in Deutschland Der Deutsche Bundestag: Strukturprobleme und Reformperspektiven einer politischen Institution Politische Institutionen, Politikwissenschaft und politische Bildung. Überlegungen zu einem „aufgeklärten Institutionalismus“

Der Deutsche Bundestag: Strukturprobleme und Reformperspektiven einer politischen Institution

Wolfgang Ismayr

/ 39 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag behandelt die Strukturen und Interaktionsformen im arbeitsteiligen Fraktionenparlament und geht aufProbleme der Koordination und der kommunikativen Beteiligung der einzelnen Abgeordneten ein. Darüber hinaus werden die unterschiedlichen Wirkungsformen und Einflußchancen von Regierungs-und Oppositionsfraktionen bei der Gesetzgebung untersucht. Dabei bestätigt sich die Vermutung eines „neuen Dualismus“ zwischen Regierungsmehrheit und Opposition(sfraktionen) insoweit, als die öffentlichkeitswirksamen Kontrollinstrumente primär von der oder den Oppositionsfraktionen genutzt werden (bei allerdings deutlichen Kontrollrestriktionen), von den Mehrheitsfraktionen aber vornehmlich zur „Abstützung“ der Regierungsposition. Gestaltungs-und Kontrollchancen innerhalb des Regierungslagers hängen u. a. von der Zugehörigkeit zur Großen Koalitionsrunde und vom Informationsverhalten der -auch auf der parlamentarischen Ebene -einflußreichen Ministerialbürokratie ab. Im Mittelpunkt steht die Frage nach Kriterien und Zielsetzungen einer Parlaments-und Verfassungsreform. Neben verfassungspolitischen Gründen sprechen auch durch die Technikentwicklung bedingte wachsende Anforderungen an Verantwortungsbewußtsein und erhöhte Partizipationserwartungen der Bürger dafür, den Bundestag und damit auch die Politik im Interesse verbesserter Gestaltungsfähigkeit, Transparenz und Rückbindung staatlich-politischer Willensbildung zu stärken. Dabei erweist es sich, daß eine wirkungsvolle Reform nur durch Verfassungsänderungen erreichbar ist. Vorgeschlagen wird u. a., 1. die Informations-und Auskunftsrechte der parlamentarischen Minderheiten gegenüber Regierung und Verwaltung auszubauen, 2. die eigenständige Analysekapazität der Parlamentarier und Ausschüsse zu verbessern, 3. die parlamentarische Arbeit transparenter und diskursfähiger zu gestalten und sie 4. stärker für Impulse und Mitarbeit der Bürger zu öffnen.

I. Einleitung

Seit Bestehen der Bundesrepublik haben sich mit dem Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse und der politischen Kultur auch Stellung und Funktionen des Bundestages im politischen System deutlich verändert Dies gilt für die Organisation und die „internen“ Arbeits-und Interaktionsprozesse des Bundestages und der Fraktionen wie auch für die Kommunikationsbeziehungen der Abgeordneten nach „außen“. Mit den Bestimmungen zur Wahl und Abwahl des Regierungschefs (Art. 63, 67 GG) durch den unmittelbar vom Volk gewählten Bundestag (Art. 38 GG) hat der Parlamentarische Rat die verfassungsmäßigen Grundlagen eines parlamentarisch-demokratischen Regierungssystems geschaffen. Offenbar noch deutlich orientiert an einem konstitutionellen Parlaments-verständnis, das von einem Dualismus von Gesamtparlament und Exekutive ausgeht, hat er aus dieser faktischen Grundentscheidung allerdings nur teilweise die verfassungsrechtlich angemessenen Konsequenzen gezogen (vgl. Kap. IV)

Als verfassungspolitische Konsequenz der Grundentscheidung für ein parlamentarisches Regierungssystem unter parteienstaatlich-pluralistischen Bedingungen gilt vielmehr eine enge Verbindung der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit. Aufgabe der Opposition ist es dann, die Regierung und die mit ihr verbundenen und sie unterstützende(n) Mehrheitsfraktion(en) öffentlich zu kontrollieren, sie zu kritisieren und zur Politik der „regierenden Mehrheit“ Alternativen zu formulieren Entgegen dem in Deutschland traditionellen „klassischen“ Dualismus setzte sich auch in der Parlamentspraxis der Bundesrepublik bis zu einem gewissen Grad dieser „neue Dualismus“ von Regierungsmehrheit und Opposition(sfraktionen) durch und wurde auch von den Parlamentariern als Faktum zunehmend anerkannt, wenngleich es -normativ gesehen -nach wie vor deutliche Unterschiede im Parlamentarismus-Verständnis gibt

Begünstigt wurde diese Entwicklung einmal dadurch, daß Regierungsmitglieder in der Regel dem Bundestag angehören und an fraktionsinternen Sitzungen teilnehmen, vor allem aber dadurch, daß sich -auch mit Hilfe der Fünf-Prozent-Klausel bei Wahlen -ein bipolares System von drei bis vier (bzw. fünf) Bundestagsparteien ausbilden konnte,.deren Führungen sich meist vor der Wahl auf eine bestimmte Koalition und den Kanzler festlegen. Weder analytisch noch normativ angemessen wäre es allerdings, aus zeitweiligen Erfahrungen des britischen Parlamentarismus gewonnene Modellvorstellungen eines „neuen Dualismus“ auf das politische System der Bundesrepublik schematisch zu übertragen. Denn zum einen bedingen die Existenz von Koalitionsregierungen, das föderative System und zunehmend auch die Verlagerung von Kompetenzen zur Europäischen Gemeinschaft vielfältige, das Parteienkonkurrenzsystem zum Teil relativierende Aushandlungsprozesse. Zum anderen bleibt klärungsbedürftig, wie in der Praxis die Machtverteilung und die Konkurrenzbeziehungen innerhalb des Regierungslagers aussehen und wie sich politische Führung und Administration zueinander verhalten.

II. Auswirkungen technologischer und kultureller Wandlungsprozesse

Will man Einsichten über die tatsächliche und wünschbare Funktion des Bundestages gewinnen, sind zudem die jüngsten technologischen und kulturellen Wandlungsprozesse zu berücksichtigen, die die Gesellschaft insgesamt und insbesondere die politischen Institutionen vor neuartige Herausforderungen stellen. Zwei wesentliche Entwicklungsstränge seien hier knapp skizziert:

1. Mit zunehmendem Bewußtsein der weitreichenden ökologischen und soziokulturellen Folgen und Wechselwirkungen technischer Entwicklungen wachsen auch die Anforderungen an die Gestaltungsfähigkeit und das Verantwortungsbewußtsein der politischen Entscheidungsträger. Die Enquete-Kommission Technikfolgenabschätzung des Bundestages war sich darin grundsätzlich einig, daß die Steuerungsfunktion des Marktes „allein“ nicht geeignet ist, „die soziale und ökologische Verträglichkeit der Technik im erforderlichen Umfang zu gewährleisten“ und es Aufgabe der Politik und insbesondere des Parlaments sei, vorausschauend über Gestaltungsalternativen zu diskutieren und die (technologie) politischen Grundentscheidungen zu treffen

Werden zukunftsprägende Richtungsentscheidungen an Parlament und Öffentlichkeit vorbei nach primär betriebswirtschaftlichem Kalkül getroffen und geben sich demokratisch legitimierte Institutionen mit der „Nebenrolle“ zufrieden, für die Akzeptanz der Entscheidungen zu sorgen, Finanzmittel und die benötigte Infrastruktur bereitzustellen und „reaktiv“ für die (unerwünschten) Folgen einzustehen, dann büßt die parlamentarische Demokratie an Glaubwürdigkeit ein. Verantwortliche Politik in der „Risikogesellschaft“ kann sich nicht mit dem „Kurieren“ unerwünschter Nebenfolgen begnügen. Grundlegende technologiepolitische Entscheidungen sind Sache des Parlaments oder auch (bei Einführung direktdemokratischer Verfahren) der Bürger selbst -und sollten erst aufgrund öffentlicher politischer Diskurse und nach kritischer Abwägung alternativer Entwicklungswege getroffen werden. Das Dilemma: Eine vorausschauende und konzeptionelle Politik, orientiert an den „Überlebensinteressen“ der Menschheit, ist dringlicher, angesichts vielfältiger Wirkungszusammenhänge aber auch schwieriger denn je 2. Zudem hat sich mit wachsendem Beteiligungsinteresse der Bürger die politische Aktions-und Resonanzfähigkeit einer nun vielfältiger organisierten „Basis“ qualitativ verändert. Insgesamt zeigt sich, daß die Partizipationsneigungen und -formen breiter und vielgestaltiger geworden sind und sich Engagement in Bürgerinitiativen, alternativen Projekten etc. und die Mitarbeit in Parteien keineswegs ausschließen, sondern ergänzen Demokratische Repräsentation und Legitimation werden verstärkt als Prozeß verstanden. Erwartet wird mehr Transparenz der staatlich-politischen Willensbildung und deren laufende kommunikative Rückbindung an die überwiegend durch intermediäre Organisationen vermittelte und artikulierte Meinungs-und Willensbildung der Bürger. Nach wie vor kommen den Parteien unverzichtbare Funktionen bei der Programmentwicklung, der Rekrutierung politischen Personals, der Aggregation und Artikulation von Meinungen und Interessen sowie der Politikvermittlung zu. Gerade weil dies so ist, hängen demokratische Legitimation und Funktionsfähigkeit des politischen Systems davon ab, daß sie sich sowohl im intermediären wie auch im parlamentarisch-gouvernementalen Bereich weitergehenden Partizipationsansprüchen öffnen und (verstärkt) in Diskurse und Austausch-prozesse mit jenen Gruppierungen eintreten, denen es nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um die Durchsetzung partikularer Interessen, sondern um Interessen „universalistischer“ Art geht Gestärkt werden können auf diesem Wege die Wirkungschancen jener Politiker, für die inhaltliche Problemlösungen Priorität vor strategisch-taktischem Handeln haben.

III. Strukturen parlamentarischer Willensbildung

1. Arbeitsteilung und Koordination Die mit der Ausweitung und Verdichtung der Staatstätigkeit einhergehende Expansion einer zunehmend spezialisierten Ministerialbürokratie, die einflußreich an der Politikformulierung beteiligt ist, prägt die Arbeits-und Wirkungsweise nicht nur der Regierung, sondern auch des Bundestages in hohem Maße. Um dieser Vielfalt und Komplexität der Gesetzgebungs-und Kontrollaufgaben unter den Bedingungen des demokratischen Rechts-und Sozialstaates gerecht zu werden, haben Bundestag und Fraktionen strikt arbeitsteilige Strukturen ausgebildet, wobei die Kompetenzverteilung der Fachausschüsse und der korrespondierenden Arbeitsgruppen der Fraktionen weitgehend der Ressortgliederung der Bundesregierung entspricht. Innerhalb der Ausschüsse und Arbeitsgruppen bzw. -kreise ist die fachliche Spezialisierung weit vorangeschritten. In ihrer Arbeitsgruppe oder im Arbeitskreis übernehmen die Abgeordneten meist für längere Zeit ein oder mehrere Sachgebiete, für die sie dann im entsprechenden Fachausschuß und in der Fraktion zuständig sind. Die meisten Abgeordneten fungieren somit in ihrer Fraktion als „Spezialisten“, wobei die Anerkennung als „Experte“ von persönlicher Kompetenz, kontinuierlichem Engagement und der internen und öffentlichen Aufmerksamkeit für das jeweilige Fachgebiet abhängt. Hinzu kommt eine teilweise Verlagerung der spezialisierten Arbeit in kontinuierlich oder ad hoc eingesetzte Sub-Gremien der Ausschüsse und Arbeitsgruppen bzw. -kreise.

Die Auswirkungen dieser grundsätzlich (wenn auch nicht in all ihren konkreten Ausformungen) unverzichtbaren Arbeitsteilung sind ambivalent. Arbeitsteilige Strukturen dieser Art sind die Voraussetzung dafür, daß jedenfalls die fachlich „zuständigen“ Abgeordneten jene Sachkenntnisse erwerben können, die erforderlich sind, um Regierungsvorlagen, die Begründungen der Ministerialbürokratie und Vorstöße von Interessengruppen kritisch zu prüfen und wirksam zu kontrollieren. Sie dienen der Entlastung des jeweils übergeordneten Gremiums und ermöglichen in günstigen Fällen eine stärkere Konzentration auf politisch wichtige Schwerpunkte. Andererseits hat diese Entwicklung auch negative Folgen: Die enge Kooperation von Fachleuten der Fraktion(en) bzw.der Koalition mit Beamten im direkten Kontakt und in kleinen Gruppen führt nicht selten dazu, daß sich die Ministerialperspektive oder jedenfalls eine fachlich oder interessenspezifisch verengte Sichtweise durchsetzt und zudem die Transparenz des Entscheidungsprozesses leidet. Auf Details und Interessen des eigenen Arbeitsbereichs fixiert, kann leicht der Blick für Alternativen und Zusammenhänge verlorengehen. Eine „Atomisierung“ der Willensbildung wird vor allem dann gefördert, wenn unter permanentem Zeitdruck und mangelnder politischer Aufmerksamkeit für die anstehende Thematik entsprechende Informationsgespräche und Diskussionen über den Kreis der „zuständigen“ Spezialisten hinaus weder in den Fraktionsgremien noch im Ausschuß geführt werden.

Bei ihren Bemühungen, über zahlreiche formelle und informelle Gremien auf Parlaments-, Fraktions-und Koalitionsebene und in Kooperation mit Partei-, Bundesrats-und Ländergremien die vielfältig nebeneinanderherlaufenden Tätigkeiten zu koordinieren, sind die Fraktionen nur teilweise erfolgreich. Zum Teil erhebliche Mängel zeigen sich, wenn es darum geht, längerfristig konzeptionell zu arbeiten und die Einzelaktivitäten entsprechend abzustimmen. Neben Schwierigkeiten der Folgenabschätzung und praktischen Kooperationsproblemen unter Zeitdruck werden solche Bemühungen oft auch durch ein taktisch-strategisches Verhalten konterkariert, das sich vornehmlich am tagespolitischen Bedarf orientiert und primär auf Machterhalt und Stimmenmaximierung abzielt 2. Abgeordnete im Fraktionenparlament Der Ausbau arbeitsteilig organisierter Fraktionen ging einher mit der schrittweisen Erweiterung ihrer Kompetenzen gegenüber den einzelnen Abgeordneten, denen nach der Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT) nur wenige Rechte geblieben sind, die zudem durch die Fraktionsgeschäftsordnungen und in der parlamentarischen Praxis weiter eingeschränkt werden Bedingt ist diese Entwicklung nicht nur durch die wachsende Aufgabenfülle, sondern auch dadurch, daß eine erfolgreiche Bundestagskandidatur an den Parteien vorbei faktisch so gut wie ausgeschlossen ist. Infolgedessen hat sich in der Praxis der Anspruch eines möglichst „geschlossenen“ Auftretens der Fraktionen „nach außen“ weitgehend durchgesetzt.

In der Tat können die Wähler erwarten, daß die Abgeordneten die von ihrer Partei bekundeten (grundlegenden) Zielvorstellungen auch in der parlamentarischen Praxis jedenfalls insoweit mittragen, als sie nicht bereits vor der Wahl öffentlich andere Positionen bezogen haben. Grundlegende Positionswechsel von Abgeordneten bzw.der Fraktion bedürfen jedenfalls intensiver Diskurse mit der Partei-und Wählerbasis. Allerdings zeigt sich in der Praxis, daß die Festlegungen der Parteien in Wahlprogrammen und Erklärungen führender Politiker vor der Wahl meist sehr allgemein gehalten sind und bereits in den Koalitionsverhandlungen modifiziert, ggf. konkretisiert und auch grundlegend verändert werden Das auf dieser Grundlage meist auch noch recht allgemein formulierte Regierungsprogramm wird im Verlauf der Wahlperiode in einer Vielzahl von Sitzungen und Aktivitäten von Regierungs-, Koalitions-und Fraktionsgremien (unter einflußreicher Vor-und Mitarbeit von Ministerialbeamten und auch Fraktionsmitarbeitem) konkretisiert und fortentwikkelt. Bei einer allerdings starken Verflechtung mit Parteifunktionen kommt den Fraktionen (besonders bei der Opposition) gegenüber den Beschlußorganen und dem „Apparat“ der Partei eine oft dominierende Rolle bei der Politikformulierung und -durchsetzung zu. Dies gilt nicht nur für die gesetzgeberische Tätigkeit und die Umsetzung von Programmen. Auch die programmatischen und konzeptionellen Parteitagsanträge des Parteivorstandes werden zu einem beachtlichen Teil in den Ministerien und in den Arbeitskreisen der Fraktionen (vor) formuliert, die mit Mitarbeitern erheblich besser ausgestattet sind als die Parteizentralen. Ob auf diesem Wege die vielfältigen politischen Positionen und Interessen der Bürger(gruppen) angemessen artikuliert und berücksichtigt werden, wurde -jedenfalls phasenweise begründet -immer wieder angezweifelt

Angesichts dieser Entwicklung soll nach den Vorstellungen vieler Abgeordneter vor allem gegenüber Regierung und Fraktion(sführungen) die Schutzfunktion des Art. 38 Abs. 1 GG („Die Abgeordneten ... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“) zur Geltung gebracht werden. Demokratietheoretisch begründet ist dies insoweit, als es dabei nicht in erster Linie um die Einlösung individueller Selbstverwirklichungsansprüche von Abgeordneten geht, sondern um die Stärkung kommunikativer Rückbindung und demokratischer Verantwortlichkeit politischen Handelns Praxis und Anspruch der „Geschlossenheit“ werden auch damit gerechtfertigt, daß die Abgeordneten gleichberechtigt an der fraktionsinternen Willensbildung beteiligt seien Die genauere Untersuchung des Willensbildungsprozesses zeigt jedoch, daß die Mitwirkungschancen in den hierarchisch strukturierten Fraktionen bis hin zur Fraktionsversammlung nach wie vor sehr unterschiedlich sind. Entspricht die grundsätzliche Anerkennung der Fraktionssolidarität durchaus dem Selbstverständnis der meisten Abgeordneten wird doch von vielen Kritik an einem oft zu großen Anpassungsdruck und (mitunter) problematischen Methoden des Fraktionsmanagements zur Sicherung fraktionsinterner Geschlossenheit geübt

Will ein Abgeordneter initiativ werden, muß er sich zunächst um Unterstützung in der eigenen Fraktion bemühen, wobei er sich auf die komplexen Willensbildungsstrukturen und mehrstufigen Arbeits-und Informationswege einzustellen hat. Wer in der Fraktion aufsteigen will, tut gut daran, die eingespielten Rituale von der Arbeit in der „Kleingruppe“ bis hin zur Fraktionsversammlung und zum Plenum zu beachten. Die Mitwirkungsund Einflußmöglichkeiten eines Abgeordneten hängen u. a. von seinem Status innerhalb der Fraktionshierarchie, seinem Rückhalt in Fraktions-, Partei-und Interessengruppierungen und nicht zuletzt davon ab, ob er für ein bestimmtes Thema zuständig und als Experte anerkannt ist. Nur wer auf seinem Arbeitsgebiet und durch solidarisches Handeln in der Arbeitsgruppe (bzw. im Arbeitskreis) oder auch in einer Landesgruppe oder Interessengruppierung der Fraktion Anerkennung erworben hat und bereit ist, deren Vorhaben in der Regel mitzutragen, kann seinerseits mit Unterstützung rechnen. Vor allem neue und (zunächst) „abweichende“ Positionen haben i. d. R. nur dann eine Chance, im Vorstand und in der Fraktionsversammlung Gehör zu finden, wenn sie von einer Abgeordneten-Gruppierung der Fraktion vertreten werden

Entgegen dem Anspruch gleicher Mitwirkungschancen in der Fraktion wird insbesondere in Regierungsfraktionen „Geschlossenheit“ des öfteren durch einen zwischen Regierung(smitgliedern) und Fraktionsführung (und ggf. auch der Parteispitze)

abgestimmten appellativen Druck hergestellt. Zudem werden die regulären Arbeits-und Koordinationsmechanismen nicht selten durch Weichenstellungen der Großen Koalitionsrunde außer Kraft gesetzt. Der oft eindringliche Appell, dort (nicht selten erst kurz zuvor) zustandegekommene Kompromißlösungen nicht mehr in Frage zu stellen, um die eigene Führungsspitze nicht bloßzustellen, findet in den meisten Fällen Gehör. Allerdings wird immer wieder Unmut darüber zum Ausdruck gebracht, daß die Fraktionsführung die Abgeordneten zur Geschlossenheit und zum Verzicht auf abweichende Äußerungen in der Öffentlichkeit mahnt, während sich Spitzenpolitiker der Koalition mit kontroversen Stellungnahmen profilieren. Da interne Voten und Stellungnahmen bekannt würden, solle -so die oft und nachdrücklich geäußerte Erwartung der Fraktions-und Regierungsspitze -nicht nur im Plenum, sondern bereits in der Fraktionssitzung möglichst geschlossen abgestimmt und bei fraktions-oder koalitionsintern nach wie vor umstrittenen Vorlagen in einer entscheidungsreifen Phase auf kontroverse Diskussionen am besten verzichtet werden. Durch diesen Druck zur internen Geschlossenheit auch im Argumentationsverhalten können erhebliche Kommunikations-und Beteiligungsdefizite entstehen, da nur die Fraktionssitzungen allen Abgeordneten die Gelegenheit bieten, sich über ihre Spezialaufgaben hinaus über Richtung und Kontext der Regierungs-und Fraktionspolitik aus erster Hand zu informieren und auf diese im Diskurs einzuwirken 3. Gestaltungs-und Kontrollchancen von Oppositions-und Regierungsfraktionen Bei vielen strukturellen Gemeinsamkeiten der Fraktionen hängen die Informations-und Einflußchancen der Abgeordneten und damit auch ihr „Selbstverständnis“ wesentlich davon ab, ob sie einer Regierungs-oder Oppositionsfraktion angehören. Regierungs-und Oppositionsfraktionen wirken bei der Gesetzgebung, Initiative und Kontrolle unterschiedlich mit. Dabei wird öffentlich-kritische Kontrolle der Regierung(smehrheit) und auch der Ministerialbürokratie vornehmlich durch die Opposition(sfraktionen) ausgeübt, während die über die Entscheidungsmöglichkeit verfügende Parlamentsmehrheit vor allem ‘uf internen und informellen Wegen kontrolliert und dabei mit weitaus größeren Erfolgsaussichten als die Opposition auch auf die Entwicklung von Gesetzentwürfen und Programmen der Regierung/Verwaltung sowie auf deren eigentlich „vollziehende“ Tätigkeit einzuwirken vermag. Diese grundsätzliche und gewiß nicht überraschende Aussage bedarf der problemorientierten Differenzierung. a) Kontrollinitiativen Die formellen Kontrollinstrumente werden ganz überwiegend von den Oppositionsfraktionen genutzt, wobei seit der Präsenz zweier auch untereinander konkurrierender Oppositionsfraktionen (1983) die Anzahl der Kontrollinitiativen erheblich angestiegen ist und diese auch vielfältiger eingesetzt werden. So haben die Oppositionsfraktionen in der 11. Wahlperiode (1987-90) 86 Prozent der Großen Anfragen (SPD 57, GRÜNE 68) und 98 Prozent der Kleinen Anfragen (SPD 192, GRÜNE 1398) eingereicht sowie 78 Prozent der Aktuellen Stunden verlangt (SPD 39, GRÜNE 60); auch von den selbständigen Anträgen und Entschließungsanträgen kommen mehr als 80 Prozent (etwa je zur Hälfte) von den Oppositionsfraktionen Auchdie große Zahl öffentlicher Anhörungen (11. WP: 235) wird überwiegend von der Opposition initiiert, was allerdings nur teilweise durch formellen Antrag geschieht; häufig wirkt das Minderheiten-recht (§ 70 GOBT) als Druckmittel im voraus, und die Fraktionen verständigen sich in den vorbereitenden Gesprächen der Obleute (im Ausschuß), eine Anhörung durchzuführen.

Die Kontrollinitiativen erfüllen meist mehrere Funktionen, allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung: Sie dienen dazu, Regierung und Verwaltung zu veranlassen, Sachinformationen zu unterbreiten, Defizite, Absichten und Prioritäten der Regierungspolitik offenzulegen, Regierungs-und Verwaltungshandeln im Detail wie konzeptionell zu überprüfen und (öffentlich) der Kritik auszusetzen und, nicht zuletzt, alternative Positionen zu präsentieren und zu begründen. Entscheidendes Kriterium ihrer Wirksamkeit ist die öffentliche Resonanz. Dies gilt auch für die zahlreichen Gesetzentwürfe der Opposition, von denen in den beiden letzten Wahlperioden nur einer angenommen wurde. Sie dienen fast ausschließlich als Mittel öffentlich-kritischer Alternativenbildung und werden somit ähnlich eingesetzt wie Sachanträge in Form von selbständigen Anträgen oder Entschließungsanträgen

Von den Koalitionsfraktionen werden Kontrollmittel und Gesetzentwürfe mit dieser Intention kaum genutzt. Überdies werden sie von den Mehrheitsfraktionen fast immer gemeinsam eingesetzt und dienen insofern kaum der Profilierung gegenüber dem Koalitionspartner Können sich die Koalitionspartner auf eine Kontrollinitiative oder die Vorlage eines Gesetzentwurfes nicht einigen, wird eben darauf verzichtet. Unterschiedliche Akzentuierungen kommen allerdings gelegentlich in Plenardebatten und (öffentlichen) Ausschußverhandlungen zum Ausdruck (Untersuchungs-und Petitionsausschuß, Hearings); Aktuelle Stunden verlangen die Koalitionsfraktionen zwar zumeist getrennt, doch spielen Profilierungsversuche durch offene Kritik am Koalitionspartner bisher nur eine geringe Rolle. In der Regel geht es den Koalitionsfraktionen darum, der Regierung(sseite) Gelegenheit zu geben, ihre Politik in günstigem Lichte zu präsentieren und für Konzepte und Maßnahmen zu werben, oppositionellen Initiativen zuvorzukommen und Fehlentwicklungen und Schwächen der Oppositionsparteien und der von ihnen getragenen Landesregierungen zu kritisieren

Als bedenkliche Kontrollrestriktion wird beklagt, daß Vorlagen und Anfragen bis hin zu Zusatzfragen in der Fragestunde und bei der Regierungsbefragung zwischen den Spezialisten bzw. Arbeitsgruppen der Regierungsfraktionen und den „zuständigen“ Ministerialbeamten oft bis ins Detail abgesprochen werden. Wenn -von der jeweiligen Opposition kritisiert -allzu häufig ausweichende oder auch herablassende Antworten auf sachlich berechtigte Fragen gegeben werden, hat dies auch damit zu tun, daß Abgeordnete der Koalition es oft zu sehr an kritischer Distanz gegenüber „ihrem“ Ministerium fehlen lassen und allzu selten gegenüber ihren Kollegen von der Opposition Solidarität in Verfahrens-und Stilfragen üben

Bei den öffentlichen, nach „außen“ gerichteten parlamentarischen Aktivitäten der Koalitionsabgeordneten dominiert „Blockdenken“, wird Geschlossenheit zwischen Regierungsfraktionen und „Exekutive“ wie auch zwischen den Koalitionspartnern in einem Maße demonstriert, das der Dynamik der oft konfliktreichen Prozesse des Aus-handelns und der Interessendurchsetzung nicht entspricht, die ja nicht nur „intern“ in Fraktionsund Koalitions-sowie Parteigremien, sondern -vor allem zwischen Spitzenpolitikern der Koalition -häufig auch über die Massenmedien ausgetragen werden. Auch eine öffentliche Kritik an Handlungen der Ministerialbürokratie durch Abgeordnete der Regierungsfraktionen -so über den Rechnungsprüfungs-und Petitionsausschuß sowie in Untersuchungsausschüssen -ist eher die Ausnahme; stärker betroffen sind allerdings Vollzugs-verwaltungen. Gelegentliche interfraktionelle Vorstöße betreffen in der Regel entweder humanitäre oder formale Angelegenheiten. Häufig auch von Regierungsfraktionen (formal) unterstützt werden hingegen Anforderungen von Regierungsberichten und Prüfaufträge der Ausschüsse b) Interaktionen und Wirkungskonstellationen im „Regierungslager“

Ein enges Zusammenwirken und wechselseitige Beeinflussung von Regierungsfraktionen und Regierung liegen gewiß in der Konsequenz des parla- mentarischen Regierungssystems, das auch von den Abgeordneten als Faktum weitgehend anerkannt wird -bei normativ nach wie vor unterschiedlichen Parlamentarismus-Vorstellungen. Die Vielfalt und Eigenart dieser -vornehmlich internen und oft auch informellen -Wege wechselseitiger Überprüfung, Einwirkung und Mitentscheidung im direkten Kontakt von Funktionsträgern der Fraktionen und der Ministerien sowie auf der Ebene von Fraktions-, Koalitions-und Parteigremien kann hier nur angedeutet werden. Sie reichen von unterschiedlich erfolgreichen Versuchen der Berichterstatter und der Arbeitsgruppen-oder Arbeitskreisvorsitzenden, im direkten Gespräch oder in den zuständigen Fachgremien der Fraktion und der Koalition mit der politischen Führung des Ministeriums oder den zuständigen Ministerialbeamten (Detail-) Änderungen eines Referenten(vor) entwurfs durchzusetzen oder Initiativen zu entwickeln über Einflußnahmen der Landesgruppen und von Interessengruppierungen der Fraktion und Partei bis hin zur laufenden Mitwirkung der Fraktions-und Parteispitze in der Großen Koalitionsrunde -dem (jedenfalls phasenweise) wichtigsten politischen Steuerungsorgan der Koalition. Andererseits wirken nicht nur die Regierungsmitglieder höchst einflußreich in den Fraktions-und Parlamentsgremien mit, sondern auch zahlreiche Ministerialbeamte des Bundes (und auch der Länder).

Faktische Einschränkungen koalitionsinterner Mitgestaltung und Kontrolle ergeben sich aufgrund segmentierter Arbeitsstrukturen und vor allem eines hierarchischen Informations-und Einflußgefälles, das seinen deutlichsten Ausdruck in Abschottungsversuchen und ad hoc getroffenen und gegenüber Fraktion und Kabinett durchgesetzten Kompromissen und Weichenstellungen in der Großen Koalitionsrunde findet. Generell läßt sich sagen, daß die Einflußnahme der Mehrheitsfraktionen auf Vorhaben der Regierung um so erfolgversprechender ist, je früher sie einsetzt. Ist ein Gesetzentwurf erst einmal eingebracht, sind über die von der Regierung selbst (z. B. in der Äußerung zur Stellungnahme des Bundesrates) zugestandenen Anpassungen und ggf. „nachgeschobene“ Voten der „Koalitionsrunde“ hinaus grundlegende Änderungen durch die Mehrheitsfraktionen selten -würde dies doch nach dem Selbstverständnis der Fraktionen bedeuten, die eigene Regierung und darüber hinaus die an den „großen“ Koalitionsgesprächen beteiligten Mitglieder der Fraktionsspitze zu desavouieren. Anpassungsänderungen werden häufig durch Ministerialbeamte in die Wege geleitet, die den Entwurf abgefaßt haben und nun an den Beratungen der zuständigen Ausschüsse und Arbeitskreise und ggf. auch an Berichterstattergesprächen und „kleinen“ Koalitiönsgesprächen (intensiv) beteiligt waren.

Hat die Regierung (Verwaltung) den Entwurf -unter Zeitdruck -nicht gründlich genug beraten, sind neue Fakten zu berücksichtigen oder sind -ggf. unter dem Einfluß von Interessengruppen oder der Medienkritik nach der Einbringung eines Gesetzentwurfs -erneut Konflikte zwischen Fraktionsflügeln und Koalitionspartnern aufgebrochen, können im Regierungslager neue Prozesse des Aushandelns einsetzen. Die -gerade bei wichtigen Reformvorhaben -offenbar zunehmende Praxis, ad hoc in „großen“ Koalitionsrunden oder gar Spitzengesprächen der Parteivorsitzenden an den zuständigen Fraktionsgremien vorbei folgenreiche Änderungen zu vereinbaren und die Koalitionsfraktionen in den beteiligten Ausschüssen faktisch weitgehend festzulegen, hat auch bei Abgeordneten der Regierungsparteien mitunter erheblichen Unmut erzeugt, bislang freilich ohne nachhaltige Auswirkungen c) Mitregierung der Opposition?

Die Oppositionsfraktionen haben nicht nur bei eigenen Initiativen kaum Chancen, von den Regierungsfraktionen unterstützt zu werden. Auch bei der Beratung von Gesetzentwürfen und anderen Vorlagen der Regierung(smehrheit) in den Ausschüssen kann von einer parlamentarischen Mitregierung der Oppositionsfraktionen kaum die Rede sein. Während bei den Oppositionsfraktionen ein differenziertes Abstimmungsverhalten zu beobachten ist, stimmen die Koalitionsfraktionen (insbesondere bei Gesetzgebungs-Vorlagen) selbst bei relativ unbedeutenden Details in den Ausschüssen fast durchweg geschlossen ab, entsprechend ihren fraktions-und koalitionsinternen Absprachen. Der lange Zeit hohe, seit der Präsenz zweier Oppositionsfraktionen aber stark zurückgegangene Anteil einstimmig oder mit breiter Mehrheit beschlossener Gesetze ist daher kaum auf eine entsprechende Berücksichtigung oppositioneller Vorstellungen in den Ausschußberatungen zurückzuführen. Sind Leistungsverbesserungen auch für die eigene Klientel vorgesehen oder wird ein Vorhaben als „Schritt in die richtige Richtung“ gesehen,stimmt die Opposition häufig auch von ihr (partiell) kritisierten Regierungsentwürfen zu.

Die Einflußmöglichkeiten der Bonner Oppositionsparteien verbessern sich allerdings entscheidend, wenn sie auf „ihre“ Mehrheit im Bundesrat setzen und bereits bei der Entwicklung zustimmungsbedürftiger Gesetze Einwände geltend machen und die Grenze ihrer Kompromißbereitschaft signalisieren. Ist der Regierung an der Realisierung eines Vorhabens unbedingt gelegen, wird sie sich schon bei der Entwicklung eines Gesetzes veranlaßt sehen, mögliche Einwände und Optionen der Opposition zu berücksichtigen. Änderungen an Gesetzentwürfen aufgrund „oppositioneller“ Anträge im Ausschuß scheinen hingegen auch unter diesen Voraussetzungen eher bescheiden zu sein. Wenn entsprechende Aushandlungs-und Anpassungsprozesse -wie häufig -intern und wenig transparent und diskursiv ablaufen, wird das kritische Potential des Parteienwettbewerbs geschwächt. Die Zurechenbarkeit von Verantwortlichkeit wird erschwert, eine längerfristig angelegte konzeptionelle Politik auf diesem Wege aber noch keineswegs begünstigt 4. Bürokratisierung parlamentarischer Willensbildung?

Bei eingeschränkten Informations-und Inspektionsrechten der Minderheiten (Fraktionen, Abgeordnete) und einer noch immer nicht befriedigenden eigenständigen Beratungs-und Analysekapazität der Ausschüsse und der einzelnen Abgeordneten verlagert(e) sich die Gestaltungskompetenz zum einen auf die Regierungsmitglieder und die Spitzen der Fraktion, zum anderen auf die Ministerialverwaltung. Wirksam wird der Einfluß der Ministerialverwaltung besonders bei der Entwicklung von Gesetzen und Verordnungen, wobei sie über einen beachtlichen Selektions-und Gestaltungsspielraum vor allem in jenen Bereichen verfügt, die sich erhöhter politischer Aufmerksamkeit bei Politikern und Öffentlichkeit entziehen In der Hand der Ministerialbeamten liegt zudem die Darstellung von Regierungserfolgen und -positionen in den zahlreichen Berichten und Antworten auf Anfragen, durch die künftige „staatsleitende“ Entscheidungen mitbestimmt werden. Schließlich sind sie regelmäßig auch in Bundestagsausschüssen und Enquete-Kommissionen sowie in Arbeitsgruppen und -kreisen der (Mehrheits-) Fraktionen und in Koalitionsgremien durch beratende Mitwirkung und Formulierungshilfe einflußreich und faktisch oft gleichberechtigt beteiligt und wirken bei der Abfassung eines beachtlichen Teils von Redemanuskripten der Koalitionsabgeordneten für Bundestagsdebatten mit.

Bei der Entwurfsarbeit und Folgenabschätzung stehen die beteiligten Ministerialbeamten frühzeitig mit Länderbürokratien und Vertretern organisierter Interessen in Kontakt. Sie können sich außerdem auf die Zuarbeit zahlreicher nachgeordneter Behörden, eine umfangreiche interne und externe wissenschaftliche Beratungskapazität und zügig ausgebaute Datenbanken stützen. Der Ausbau wissenschaftlicher Politikberatung hat auch mit dem erhöhten und wohlbegründeten Interesse an einer fundierte(re) n Folgenabschätzung und Wirkungskontrolle bei der Gesetzgebung und anderen staatlichen Aktivitäten zu tun, die sich in zahlreichen Berichtsanforderungen des Bundestages, aber auch in Anfragen und Entschließungen manifestiert. Mit wachsenden Kontrollansprüchen -so die ambivalente Situation -wurden auch die Expertenposition und der Informationsvorsprung der Ministerialverwaltung gegenüber dem Parlament und der politischen Führung der Ministerien weiter gestärkt. Die oft beklagte Fragmentierung gouvernementaler Politik wurde durch diese Entwicklung jedenfalls nicht abgeschwächt, da auch wissenschaftliche Politikberatung weitgehend an die Ressorts und deren Referate angebunden ist und selektiv genutzt wird

In den Ausschüssen dient die nahezu gleichberechtigte Mitwirkung der fachlich oft überlegenen Ministerialbeamten in erster Linie der argumentativen Unterstützung der Regierungsmehrheit (bei Wahrung ihrer eigenen Position), während die Oppositionsabgeordneten insofern weitgehend auf sich allein gestellt sind. Immerhin wird aufgrund der gegen viele Widerstände schließlich durchgesetzten Neuregelung der Geschäftsordnung (§ 57 Abs. 4) in den meisten Ausschüssen ein Mitarbeiter jeder Fraktion (teilweise auch jeder Gruppe) zugelassen

IV. Kriterien und Zielsetzungen einer Parlaments-und Verfassungsreform

Einige der aufgezeigten Funktions-und Legitimationsprobleme wurden auch in Verbindung mit Reformanregungen in Politik und Wissenschaft immer wieder aufgegriffen, so im Rahmen der „Kleinen Parlamentsreform“ 1969/70, in den Arbeiten der Enquete-Kommission Verfassungsreform, den Aktivitäten der „Überfraktionellen Initiative Parlamentsreform“, der Ad-hoc-Kommission Parlamentsreform und in Vorschlägen des Geschäftsordnungs-Ausschusses. Die Aktivitäten der überfraktionellen Abgeordneten-Initiative in der 10. und 11. Wahlperiode blieben nicht ohne Erfolg, brachten allerdings auch nicht den erhofften „Durchbruch“

Will man Klarheit über die wünschbaren Funktionen des Bundestages im politischen System und die Ziele einer Parlamentsreform gewinnen, sind -wie eingangs skizziert -die veränderten Ansprüche an das Verantwortungsbewußtsein der politisch (und administrativ) Handelnden in der „Risikogesellschaft“ sowie die erhöhten Partizipationsinteressen der Bürger zu bedenken. Beide Entwicklungstendenzen sprechen dafür, die Stellung des Parlaments als oberstes politisches Willensbildungs-und Entscheidungsorgan gegenüber der „Exekutive“ zu stärken, was entgegen manchen kurzschlüssigen Vorstößen allerdings in einer den Funktionsbedingungen des parlamentarischen Systems angemessenen Weise geschehen sollte. Schon heute stehen dem Bundestag nach dem Grundgesetz mit der (freilich durch den Bundesrat eingeschränkten) Entscheidungsbefugnis bei der Gesetzgebung die Gestaltungskompetenz und politische Führung zu, allerdings mit verfassungsrechtlichen Einschränkungen bei der Haushaltsbestimmung und bei außenpolitischen Entscheidungen. Legitimatorisch begründet ist diese rechtliche Stellung des Bundestages nicht nur durch die Direktwahl der Abgeordneten; immerhin waren Bundestagswahlen faktisch zumeist auch Kanzlerwahlen. Hinzu kommt eine im Vergleich zur Regierung größere Vielfalt von Interessen und Positionen und ein höheres Maß an Öffentlichkeit in einem mehrstufigen Verfahren. Mit diesen demokratisch legitimierenden Vorzügen hat das Bundesverfassungsgericht die Verpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers begründet, alle grundlegenden politischen Entscheidungen selbst zu treffen und zu verantworten

Gleichwohl gilt es, die Stellung des Bundestages als oberstes Organ politischer Willensbildung verfassungsrechtlich zu stärken, wie dies entsprechend den Vorschlägen einer Enquete-Kommission der Schleswig-Holsteinische Landtag beschlossen hat, um künftig dem Demokratiegebot widersprechenden, einschränkenden Interpretationen begegnen zu können Denn nach wie vor wird eine dem parlamentarischen System gemäße Erweiterung von Offenlegungspflichten der Regierung und von Kontrollrechten der Abgeordneten und Fraktionen mit restriktiven Verweisen auf einen (auch vom Bundesverfassungsgericht betonten) „geschützten exekutiven Kernbereich“ abgewehrt. Freilich kann es hierbei nicht darum gehen, zu einem Dualismus von Parlament und Regierung im Sinne „klassischer“ Gewaltenteilungsvorstellungen zurückzukehren und die für das parlamentarische System konstitutive enge Verbindung von Regierung und Koalitionsfraktionen in Frage zu stellen; Ziel ist es vielmehr, die parlamentarische Seite in diesem Verbund zu stärken. Es gilt, im Interesse einer intensiveren Rückbindung staatlich-politischer Entscheidungen die genannten Vorzüge des parlamentarischen Verfahrens besser zu nutzen, innerhalb des Regierungslagers die Mitgestaltungsmöglichkeiten jener Abgeordneten zu erweitern, die nicht der Regierung, der Großen Koalitionsrunde und der engeren Fraktionsführung angehören, aber auch die Stellung der demokratisch legitimierten politischen Führung (Regierung/Parlamentsmehrheit) insgesamt gegenüber der Ministerialbürokratie zu stärken. Dementsprechend ist es nach Auffassung der Enquete-Kommission Verfassungs-und Parlamentsreform des Schleswig-Holsteinischen Landtages „Aufgabe der Parlamentsmehrheit, der Regierung einen parlamentarisch gebildeten politischen Willen vorzugeben“ Eine Stärkung des Bundestages und damit auch der Politik gegenüber der Administration, der Wirtschaft und einflußreichen Verbänden im Interesse verbesserter Gestaltungsfähigkeit, Transparenz und Rückbindung staatlich-politischer Willensbildung setzt die Bereitschaft voraus, 1. die Informations-und Inspektionsrechte parlamentari- scher Minderheiten gegenüber Regierung und Verwaltung auszubauen, 2. die eigenständige Analysekapazität von Parlamentariern, Ausschüssen und Fraktionen zu verbessern, 3.den Wirkungsspielraum der Abgeordneten zu erweitern, 4. die parlamentarische (und gouvernementale) Arbeit transparenter und diskursfähiger zu gestalten und sich 5. stärker für die Impulse und Mitarbeit der Bürger zu öffnen, insbesondere jener Kreise der (organisierten) Aktivbürgerschaft, die sich für „Überlebensinteressen“ einsetzen.

Neben weiteren Änderungen der Geschäftsordnung des Bundestages sind auch Änderungen und Ergänzungen des Grundgesetzes und entsprechender Ausführungsgesetze geboten, weil das Verhältnis der Verfassungsorgane zueinander berührt ist. Die mit der deutschen Einheit in Gang gekommene Verfassungsdiskussion sollte genutzt werden, um in konstitutioneller Tradition stehende Bestimmungen durch Neuregelungen zu ersetzen, die auch den aufgezeigten Wandlungsprozessen gerecht werden. Änderungen der Verfassung und des Verfahrensrechts können auch einen Wandel der internen Willensbildung von Fraktionen und Parteien stimulieren. Der Erfolg jeder Reformmaßnahme hängt freilich von der Fähigkeit und Bereitschaft der Abgeordneten ab, neue Informationsund Handlungsspielräume kreativ und couragiert zu nutzen.

V. Ansätze und Perspektiven einer Verfassungs-und Parlamentsreform

1. Oppositionsklausel in die Verfassung?

Eine Parlaments-und Verfassungsreform, die diesen Namen verdient, müßte der besonderen Rolle der Opposition verstärkt Rechnung tragen. Die parlamentarische Opposition als wesentlichen Bestandteil der parlamentarischen Demokratie mit ihren Aufgaben der Kritik, Kontrolle und Alternativenbildung sowie dem „Recht auf politische Chancengleichheit“ (womit nur Verfahrensrechte gemeint sein können) in die Verfassung aufzunehmen, wie dies nun in Schleswig-Holstein der Fall ist, kann als bewußtseinsbildender Akt sinnvoll sein, wobei in der Formulierung allerdings das Mißverständnis einer kategorischen Rollenfixierung zu meiden ist. Mit dem ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit, so die Erwartung, soll die Mehrheit nicht nur daran gehindert werden, Rechte der Opposition zu verkürzen, „es verlangt auch deren Weiterentwicklung“

Entscheidend kommt es allerdings nicht auf eine „Oppositionsklausel“ an, sondern darauf, daß den Abgeordneten und parlamentarischen Minderheitengruppen über die bisher bescheidenen Kompetenzen hinaus in der Verfassung selbst grundlegende Kontroll-und Informationsrechte konkret eingeräumt werden. 2. Informations-, Auskunfts-und Aktenvorlagepflichten der Regierung Ein zentrales Reformanliegen sind erheblich verstärkte Informations-, Auskunfts-und Aktenvorlagepflichten der Regierung gegenüber dem Bundestag und vor allem gegenüber parlamentarischen Minderheiten und einzelnen Abgeordneten. Sie werden auch von den meisten Abgeordneten für (vor) dringlich gehalten Da es um das Verhältnis der Verfassungsorgane zueinander geht, müssen diese Rechte im Grundgesetz selbst klar verankert werden, während die Details in Ausführungsgesetzen geregelt werden können. Bisher sind die parlamentarischen Informations-und Kontrollrechte im Organisationsteil des Grundgesetzes nur unzulänglich abgesichert (mit der Folge eines erheblichen Interpretationsaufwands).

So fehlt im Grundgesetz selbst eine ausdrückliche Normierung des Frage-und Interpellationsrechts der einzelnen Abgeordneten und parlamentarischer Minderheiten, das in der Lehre hilfsweise aus Art. 38 i. V. mit Art. 20 GG und -wenig überzeugend -aus dem Zitierrecht nach Art. 43 GG abgeleitet wird Zwar wird in der Lehre (über den Wortlaut des Art. 43 Abs. 2 hinaus) fast einhellig die Auffassung vertreten, daß herbeigerufene Regierungsmitglieder auch persönlich Rede und Antwort stehen müßten, und auch beim Fragerecht wird vom Bundesverfassungsgericht deutlich(er) die verfassungsrechtliche Pflicht der Bun- desregierung betont, Fragen von Abgeordneten und parlamentarischen Minderheitengruppen zu beantworten und die erforderlichen Informationen zu liefern Doch wird von der Bundesregierung noch immer unter Berufung auf den Verfassungstext die Auffassung vertreten, daß es Sache der Bundesregierung sei, ob und vor allem wie sie Anfragen beantwortet. So wurden immer wieder unter Berufung auf (selbst definierte) Geheimschutzinteressen und einen (oft weit ausgelegten) nicht ausforschbaren Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung Informationen verweigert und Auskünfte nur selektiv, ausweichend, ungenau und auch mit reichlicher Verzögerung gegeben. Dies gilt auch für Auskünfte anwesender und ggf. zitierter Regierungsmitglieder und -beauftragter im Plenum sowie in den Ausschüssen

Dringend geboten ist es daher, in die Verfassung die Bestimmung aufzunehmen, daß die Bundesregierung und ihre Mitglieder und Beauftragten im Bundestag und seinen Ausschüssen Fragen einzelner Abgeordneter und parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten haben. Nur in Verbindung mit einem Recht auf Akteneinsicht für Abgeordnete und parlamentarische Minderheiten sowie eine entsprechende Verpflichtung auf Aktenvorlage gegenüber Plenum und Ausschuß auf Verlangen einer Minderheit wird eine Auskunftspflicht nachhaltig wirksam werden Vor allem ist die präventive Wirkung einer möglichen Nachprüfung nicht zu unterschätzen. Einen beachtlichen Durchbruch in dieser Frage stellt die entsprechende Neuregelung in der Landesverfassung Schleswig-Holsteins dar, derzufolge die Regierung verpflichtet ist, dem Parlament und seinen Ausschüssen auf Verlangen eines Viertels der jeweils vorgesehenen Mitglieder Akten vorzulegen, und zwar „unverzüglich und vollständig“ Eine entsprechende Regelung, verbunden mit der Möglichkeit, Akten auch „vor Ort“ einzusehen, sollte auch im Grundgesetz normiert werden.

Schließlich sollte in die Verfassung die Verpflichtung der Bundesregierung aufgenommen werden, den Bundestag über die Vorbereitung von Gesetzen sowie über politisch bedeutsame Verordnungen, Planungskonzepte, Vorgänge und Vorhaben im Bereich der Europäischen Gemeinschaft und der Außenpolitik frühzeitig und vollständig zu unterrichten. Die Regierung sollte mit einer solchen Verfassungsbestimmung ausdrücklich verpflichtet werden, von sich aus zu informieren, ohne daß es eines Anstoßes von parlamentarischer Seite bedarf

Wie bereits angemerkt, ist bei Gesetzentwürfen und auch bei anderen Regierungsvorhaben eine wirksame Mitgestaltung und Entfaltung von Kontrollaktivitäten durch die Abgeordneten der Mehrheitsfraktionen um so schwieriger, je später sie einsetzt. Haben sich Regierung und Koalitionsspitze öffentlich und gegenüber mächtigen Interessengruppen erst einmal festgelegt und sind Erwartungshaltungen entstanden, stehen die Mehrheitsfraktionen (und in gewisser Weise auch die Opposition) unter erhöhtem Handlungs-und Anpassungsdruck. Die Abgeordneten und (Oppositions-) Fraktionen sollten aber die Möglichkeit haben, durch Stellungnahmen, Anträge und einfache Beschlüsse frühzeitig eine parlamentarische und öffentliche Diskussion in Gang zu setzen und Änderungen zu verlangen. Außerdem müssen die Abgeordneten auch der Opposition inhaltlich darauf vorbereitet sein, wenn sie von Bürgern auf Gesetzentwürfe und andere Vorhaben angesprochen werden.

Daher sollte die Regierung verfassungsrechtlich verpflichtet werden, regelmäßig Bundestag und Fraktionen zu informieren, bevor sie damit (etwa in Pressekonferenzen oder Anhörungen) an die Öffentlichkeit geht, und den Fraktionen und Ausschüssen Referentenentwürfe spätestens dann vorzulegen, wenn eine Weiterleitung an Fachverbände vorgesehen ist Zudem sollten Sachverständigen-gutachten, Anhörungsprotokolle, Kommissionsberichte u. ä. rasch zugänglich gemacht werden, alle anderen bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfes verwendeten Materialien und Daten einschließlich erarbeiteter Alternativkonzepte spätestens zum Zeitpunkt der Einbringung eines Gesetzentwurfes Schließlich sollten auch die verfassungsmäßigen Voraussetzungen für einen unmittelbaren Zugriff der Abgeordneten auf die Datenbanken derBundesregierung gesichert werden, die den Parlamentariern (mit einer Ausnahme) formell noch immer versperrt sind, um den wachsenden Vorsprung der „Exekutive“ bei der Informationsgewinnung und -Verarbeitung wenigstens partiell auszugleichen. Unter Berufung auf die Verfassungslage haben die Bundesregierungen entsprechende parlamentarische Ansprüche bisher erfolgreich abgewehrt. Angeknüpft werden könnte an die beispielgebende Neuregelung der Verfassung Schleswig-Holsteins, wonach die Beantwortung von Fragen, die Erteilung von Auskünften und die Vorlage von Akten letztlich nicht verweigert werden kann, es sei denn, die Regierung erwirkt eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings wurden die möglichen Einschränkungen derart ausgeweitet, daß sie sich bei „gouvernemental" orientierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts restriktiv auswirken könnten. Sollte die Regierung nach der Vorstellung der Enquete-Kommission Verfassungs-und Parlamentsreform eine Auskunft und Aktenvorlage nur dann ablehnen können, „wenn dem Bekanntwerden des Inhalts gesetzliche Vorschriften oder Staatsgeheimnisse entgegenstehen“, kann sie dies, so das Ergebnis schwieriger Diskussions-und Aushandlungsprozesse, auch dann tun, „wenn schutzwürdige Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes entgegenstehen“ oder -so eine weit interpretierbare Einschränkung -„die Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigt werden“ 3. Reform des Untersuchungsverfahrens und der Enquete-Kommissionen Verfassungsrechtlich und durch ein Verfahrensgesetz neu bzw. erstmals geregelt werden sollten die Befugnisse von Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen, und auch beim rechtlich klarer geregelten Petitionsverfahren sind Korrekturen geboten. Auch normativ anzuerkennen ist (bei aller notwendigen Differenzierung), daß Untersuchungsausschüsse vorwiegend von Oppositionsfraktionen verlangt werden und als öffentlichkeitswirksame politische Kampfinstrumente zur Untersuchung von Mißständen fungieren -ohne allerdings den Anspruch auf „objektive“ Sachverhaltsaufklärung aufzugeben.

Bisher sind nach dem Grundgesetz (im Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung) nicht einmal die Befugnisse von Untersuchungsausschüssen bei der Beweiserhebung als Minderheitenrecht ausdrücklich normiert. Die Bestimmung des Art. 44 Abs. 2 GG, wonach die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß Anwendung finden, reichen zur Sicherung der Minderheiten-rechte und der spezifischen Kontrollaufgabe von Untersuchungsausschüssen nicht aus. Noch immer fehlt eine angemessene und verläßliche Rechtsgrundlage, nachdem sich die Fraktionen auch in der 11. Wahlperiode auf kein Untersuchungsausschußgesetz einigen konnten Zwar wird seit 1969 Minderheiten das Recht eingeräumt, Beweis-anträge zu stellen und sich mit Sondervoten im Ausschußbericht an die Öffentlichkeit zu wenden, doch sind die Behinderungsmöglichkeiten der Regierung(smehrheit) im Verfahren beachtlich, so bei der Zeugenvernahme, der Einholung von Auskünften und der Beiziehung von Akten.

Angemessen wäre es, das Einsetzungsquorum auf ein Fünftel der Mitglieder des Bundestages herabzusetzen und in der Verfassung selbst festzulegen, daß auf Verlangen eines Fünftels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses Beweise zu erheben und Bundesregierung und Bundesbehörden verpflichtet sind, Akten vorzulegen, Überprüfungen in öffentlichen Einrichtungen „vor Ort“ zu ermöglichen und ihren Bediensteten die erforderlichen Aussagegenehmigungen zu erteilen. Auch sollte gesichert sein, daß Untersuchungsgegenstände gegen den Willen der Antragsteller nicht eingeschränkt oder substantiell ausgeweitet werden können

Nach wie vor ungesichert und umstritten sind auch Status und Befugnisse von Enquete-Kommissionen, deren Einsetzung und Verfahren bisher allein in der GOBT geregelt ist. In der Verfassung sowie in einem Ausführungsgesetz sollten den Enquete-Kommissionen gegenüber Regierung, Behörden und privaten Einrichtungen ähnliche Ansprüche auf Aktenvorlage, Auskünfte und Erkundungen vor Ort zugestanden werden wie Untersuchungsausschüssen, und zwar (im Unterschied zur Empfehlung der Enquete-Kommission Verfassungsreform 1976) bereits einer Minderheit von einem Fünftel der Kommissionsmitglieder. Bisher liegt die „Verfahrensherrschaft“ bei der Mehrheit. Enquete-Kommissionen und Untersuchungsausschüsse sollten auch das Recht erhalten, über Anwesenheit und Rederecht von Ministerialbeamten mit %-Mehrheit selbst zu entscheiden

Die dem Petitionsausschuß durch das Gesetz nach Art. 45 c GG eingeräumten weitreichenden, aber zum Teil nur spärlich genutzten Auskunfts-und Kontrollbefugnisse sollten bereits auf Verlangen einer Ausschußminderheit von einem Fünftel der Mitglieder genutzt werden können Zudem sollten Minderheiten das Recht erhalten, dem Petitionsbescheid ein Minderheitenvotum hinzuzufügen. 4. Innovativer Ausbau einer eigenständigen Analyse-und Beratungskapazität Eine Stärkung der Informationsbefugnisse allein reicht allerdings nicht aus. Ein weiteres bedeutsames Reformanliegen ist die deutlich verbesserte Ausstattung der Abgeordneten, der Ausschüsse und Fachdienste wie auch der Fraktionen mit Sachmitteln und vor allem mit (wissenschaftlichen) Mitarbeitern Dies ist erforderlich, damit die Abgeordneten die Flut an Unterlagen und Zuschriften bewältigen, Regierungsinformationen rascher und intensiver überprüfen und auswerten können und -vor allem -sich auch unabhängig von gouvernemental und administrativ geprägten Vorlagen und Informationen sachkundig machen können. Eine verbesserte Ausstattung kann dazu beitragen, den Spielraum der einzelnen Abgeordneten derart zu erweitern, daß sie (gelegentlich) auch über ihr engeres Fachgebiet hinaus Impulse vermitteln und Aktivitäten entfalten können.

Was die Fraktionen anbetrifft, wäre über den bisher bescheidenen Oppositionsbonus hinaus auch an erhöhte Mittel für Oppositionsfraktionen und -gruppen zu denken. Besonders auch auf Ausschußebene sind entsprechende Verbesserungen erforderlich, so bei der Vorbereitung und Nacharbeit von öffentlichen Anhörungen, der Auswertung von Regierungsberichten, der Einholung und Aufbereitung von (alternativen) Gutachten -auch mit dem Ziel verbesserter Gesetzesfolgenabschätzung und der Durchführung entsprechend vorbereiteter Vollzugshearings. Zudem sollte die Beratung der Abgeordneten und Ausschüsse durch den Bundesrechnungshof stärkeres Gewicht erhalten. Die Verpflichtung zur gutachtlichen Stellungnahme auf Antrag einer Fraktion oder eines Fünftels der Mitglieder des Haushaltsausschusses sollte (verfassungs) rechtlich festgeschrieben werden, ggf. begrenzt durch eine jährliche Kontingentierung, um eine Überlastung zu vermeiden

Schließlich wäre auch an die Institutionalisierung von Bürgerbeauftragten für bestimmte Aufgaben-gebiete zu denken, so eines Kinder-und Jugendbeauftragten (oder an eine angemessene Weiterentwicklung der Kinderkommission), eines Beauftragten für Rüstungskontrolle und Rüstungsexport, die mit entsprechenden Informations-und Inspektionsbefugnissen ausgestattet sein sollten; auch ihnen müßten parlamentarische Minderheiten Prüfaufträge erteilen können Häufiger genutzt und ausgebaut werden könnten die gesetzlichen Möglichkeiten zur Einsetzung unabhängiger Kommissionen.

Die in den letzten Jahren begonnene informationsund kommunikationstechnische Ausstattung des Bundestages weiterzuführen, ist bei Beachtung der aufgetretenen Nutzungsprobleme und einer entsprechenden Ausstattung mit qualifizierten Mitarbeitern sinnvoll Zur Vermeidung neuer, technikbedingter Abhängigkeiten können auch laufende Diskurse zwischen Abgeordneten, Wissenschaftlern und (sachkundigen) Bürgern beitragen, denen bei der Erarbeitung und Vermittlung konzeptioneller Politikentwürfe und Alternativen über die bisherige Praxis hinaus wachsende Bedeutung zukommen dürfte. Ausbaufähig sind auf Fraktions-und Koalitionsebene Klausurtagungen und Fraktionsanhörungen von Arbeitskreisen und -gruppen mit Sachverständigen, längerfristige Beratungen über Werkverträge mit wissenschaftlichen Einrichtungen u. ä. Auf Parlamentsebene bieten die (noch entwicklungsfähigen) Enquete-Kommissionen die Möglichkeit ergebnisorientierter Lernprozesse, die, wie die Erfahrungen zeigen, am ehesten bei längerer inhaltlicher Zusammenarbeit von Politikern und Wissenschaftlern möglichsind; sie wurden zum Teil auch genutzt Entsprechende Kooperationsformen wurden auch für die Einrichtung einer Institution für Technikfolgenabschätzung und -bewertung vorgeschlagen, blieben aber bei der 1989/90 durchgesetzten „kleinen Lösung“ unberücksichtigt. Daß nach jahrelangem Ringen überhaupt ein -hoffentlich entwicklungsfähiger -institutioneller Einstieg in die Technikfolgenabschätzung zustandekam, muß schon als Erfolg verbucht werden. Vieles wird davon abhängen, inwieweit die Erfahrungen der nächsten Jahre für eine angemessene Weiterentwicklung genutzt werden 5. Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit und Transparenz Obwohl seit langem die Kommunikationsfähigkeit des Bundestages als defizitär beurteilt wurde, waren auch bescheidene Reformvorschläge nicht oder erst nach vielen Jahren durchsetzbar. Gefördert wird die Kommunikations-und Resonanzfähigkeit im Interesse möglichst optimaler demokratischer Legitimation, indem die vielfältigen politischen Positionen und Interessen der Bürger(gruppen) in parlamentarischen Debatten und Vorlagen artikuliert werden und indem auf dieser Grundlage konzeptionelle Alternativen problemorientiert entwickelt und so begründet und öffentlich vermittelt werden, daß kritisches Mitdenken und Mitwirken der Bürger ermöglicht und angeregt werden. Dies setzt die kommunikative Chancengleichheit der Opposition(sfraktionen) voraus, deren Kompetenzen nach der Geschäftsordnung und durch interfraktionelle Vereinbarungen auch verbessert wurden. Allerdings begünstigt das Rede-privileg des Art. 43 Abs. 2 GG die Regierung(sseite) nach wie vor und sollte verfassungsrechtlich jedenfalls soweit eingeschränkt werden, daß es nicht mehr jederzeit genutzt werden kann.

Denn nach wie vor dient diese Regelung Regierungsmitgliedern dazu, bei Fernsehübertragungen zur besten Zeit zu sprechen -zum Nachteil der Opposition, aber auch jener Parlamentarier der Koalition, die nicht zur „Spitze“ gehören. Zudem kann die Regierung oppositionelle Initiativen durch geschickt terminierte Regierungserklärungen „abfangen“ oder in ihrer Wirkung abschwächen. Ohnehin verfügt die Regierung über beachtliche „eigene“ Kapazitäten zur Öffentlichkeitsarbeit und wird zudem durch die „Eigengesetzlichkeiten“ und Praktiken der Medien -insbesondere des Fernsehens -sehr begünstigt. Neben der Einschränkung des Redeprivilegs könnte die parlamentarische Seite der Gouvernementalisierung und Hierarchisierung der Politikvermittlung möglicherweise auch durch Einrichtung eines eigenen Parlamentskanals entgegenwirken, auf dem alle Plenardebatten und ggf. auch andere Sitzungen sowie Erläuterungen und Zusammenfassungen übertragen werden könnten. Denn bei den bisher (teilweise) vom Fernsehen übertragenen Debatten sind die Dominanz von Regierung und Fraktionsspitzen, aber auch Monologisieren und problem-verkürzender Schlagabtausch besonders ausgeprägt

Darüber hinaus kommt es darauf an, die Diskurs-fähigkeit und Transparenz des Bundestages zu erhöhen. An dem in Reformvorstößen immer wieder formulierten Anspruch festzuhalten, daß Debatten insgesamt gesehen vitaler und argumentativer geführt werden sollen, ist auch unter der Voraussetzung geboten, daß Debatten anläßlich eines Gesetzentwurfes in 2. und 3. Beratung mit der Intention geführt werden (können), das Abstimmungsverhalten des politischen Kontrahenten zu beeinflussen. Leichter möglich wäre dies aber bei Aussprachen über Berichte der Bundesregierung, von Enquete-Kommissionen u. ä. und bei häufiger durchzuführenden, zeitoffenen und weniger vor-strukturierten Grundsatzdebatten, wie sie 1989/90 im Ältestenrat vereinbart wurden Auch wurde nach jahrelangen Bemühungen endlich eine diskussionsfreundliche Regelung für Zwischenfragen und Kurzinterventionen in die GOBT aufgenommen (§ 27 Abs. 2). Wie erste Erfahrungen zeigen, können diese Regelungen, entsprechend gehandhabt, merklich zur Vitalisierung der Debatten beitragen. Was es für die Praxis allerdings bedeutet, daß -so ausdrücklich die neugefaßte Bestimmung der SPD-Fraktionsgeschäftsordnung (§ 4) -ein Fraktionsmitglied, das mit einer Kurzintervention in die Debatte eingreifen will, sich vorher mit dem AG-Vorsitzenden und dem jeweils anwesendenGeschäftsführer „zu verständigen“ hat, bleibt abzuwarten. Auf das Plenum beschränkte Reformen reichen allerdings nicht aus, um erhöhten Responsivitätserwartungen gerecht zu werden. Mehr Transparenz bisher nicht-oder allenfalls halb-öffentlicher Prozesse wird daher seit langem gefordert. Die Öffentlichkeit nicht nur über die Entscheidungen zu informieren, sondern die Willensbildungsprozesse selbst zu öffnen und die Bürger laufend Einblick nehmen zu lassen in das als „Werkstatt der Demokratie“ wie als „zentraler Ort des politischen Diskurses“ verstandene Parlament ist eine selbstverständliche Konsequenz gewachsener Repräsentations-und Legitimationsansprüche in der parlamentarischen Demokratie. Seit langem von Politikwissenschaftlern gefordert und vermehrt auch von Abgeordneten befürwortet wird daher die Öffentlichkeit der Ausschüsse, die als „maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung“ (BvE 1/88) bei einer funktional angemessenen Auslegung des Art. 42 GG schon heute in der Regel öffentlich tagen müßten Bei einer Verfassungsreform sollte die reguläre Öffentlichkeit der Ausschüsse ausdrücklich normiert werden mit der Möglichkeit ihres Ausschlusses durch Beschluß mit Zweidrittelmehrheit der Ausschußmitglieder

Erneut aufgegriffen werden sollten auch die Vorschläge zur Neugestaltung der parlamentarischen Beratungen, wie sie zunächst von der Enquete-Kommission Verfassungsreform skizziert, von der Ad-hoc-Kommission Parlamentsreform aufgegriffen und im Reformkonzept von Bundestagspräsident Jenninger (1987/88) unter der mißverständlichen und wohl auch etwas „abschreckend“ wirkenden Bezeichnung „Hauptausschuß“ weiterentwikkelt wurden Bei der grundsätzlich vorgesehenen Beachtung der Diskussions-und Antragsrechte aller Abgeordneten ist dieses -gewiß noch verbesserungsfähige -Konzept, das anstelle einer spezialisierten (Fach-) Debatte in 2. Lesung eine gemeinsame öffentliche Beratung der Mitglieder des federführenden und der mitberatenden Ausschüsse vorsieht, durchaus geeignet, Kommunikationsfähigkeit, Transparenz und Effizienz sowie die Beteiligungschancen der einzelnen Abgeordneten gleichermaßen zu erhöhen, wenn genügend Zeit bleibt für Beratungen in dem in Ausschüssen üblichen freieren Diskussionsstil. Manche fachlichen Darlegungen von Fraktionsspezialisten könnten im Konsens der Fraktionen aus dem Plenum herausverlagert werden und wären -in offener Diskussion geführt -für die interessierte (Fach-) Öffentlichkeit besser nachvollziehbar als spezialisierte Kurzdebatten im Plenum. Zudem könnten mehr Raum und erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit für vertiefte Plenardebatten zu wichtigen Themen geschaffen werden. 6. Neue Formen und Foren des öffentlichen Diskurses Schließlich gilt es, Anregungen zur Weiterentwicklung vorhandener und zur Schaffung neuer Formen und Foren vornehmlich problemorientierter Diskurse aufzugreifen und die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger auszubauen. So wird vorgeschlagen, bei öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse die Zahl der oft zahlreich präsenten Vertreter von Fachverbänden zu reduzieren und statt dessen mehr „unabhängige“ Wissenschaftler und Vertreter von Bürgerinitiativen, Selbsthilfe-gruppen und gemeinwohlorientiert wirkenden Umweltverbänden einzuladen. Die Anhörung sachkundiger Bürger(gruppen) ist auch als eigener Teil des Hearings denkbar Der Petitionsausschuß sollte bei Anliegen von öffentlichem Interesse häufiger Petenten anhören und verpflichtet werden, Abordnungen von Massen-und Sammelpetitionen zu empfangen.

Auch wären je nach Thematik neue Frage-und Diskussionsformen zu erproben, wobei die bei den zahlreichen Anhörungen, Foren und Kongressen der Fraktionen in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen genutzt und weiterentwickelt werden sollten. Auch auf parlamentarischer Ebene kann es nach zum Teil durchaus ermutigenden Erfahrungen aus anderen Wirkungsbereichen sinnvoll sein, von im Zufallsverfahren ausgewählten Bürgergruppen Bürgergutachten erarbeiten zu lassen -etwa parallel zu Expertengutachten Zudem wären die Voraussetzungen zu schaffen, daß Enquete-Kommissionen, der Petitionsausschuß und auchandere Ausschüsse häufiger „vor Ort“ das Gespräch mit sachkundigen Bürger(gruppen) und Betroffenen führen können. In diesen Zusammenhang gehören auch Vorschläge, die erwünschte Institution für Technikfolgenabschätzung so zu organisieren, daß diskursive Lernprozesse nicht nur intern zwischen Parlamentariern und Wissenschaftlern ablaufen, sondern im Dialog mit einer kritischen Öffentlichkeit geführt werden und mit außerparlamentarischen Diskussionsprozessen vernetzt werden; dazu könnten beispielsweise Beiräte aus Abgeordneten und Vertretern relevanter und betroffener Gruppen dienen, wie sie u. a. im Bericht der ersten Enquete-Kommission „Technikfolgenabschätzung und -Bewertung“ (1986) vorgeschlagen wurden Besonders kommt es dabei auf die kommunikative Rückbindung zu jenen Kreisen einer aktiven Öffentlichkeit an, die nicht primär Partikularinteressen vertreten, sondern gemeinwohlorientiert wirken.

Weiterführend wäre die verfassungsrechtliche Verankerung eines Initiativrechts der Bürger, wie es unter verschiedenen Bezeichnungen in manchen Kommunalverfassungen und nun auf Landesebene in Schleswig-Holstein vorgesehen ist. Auf Verlangen einer bestimmten Anzahl von Bürgern (z. B. 100000) sollte der Bundestag verpflichtet sein, sich mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung (z. B. einem Gesetzentwurf) zu befassen und -was höchst bedeutsam ist -Vertreter der Initiativen anzuhören, wenn diese es wünschen. Gegenüber einflußreichen Verbänden würden die Initiativmöglichkeiten von Bürgerinitiativen im Vergleich zu den bisherigen Einwirkungschancen durch Massenpetitionen deutlich gestärkt In der Konsequenz dieses Ansatzes liegt es, daß die Vertreter(innen) der Initative berechtigt sein sollen, ein Volksbegehren zu beantragen, wenn das Parlament einem Gesetzentwurf nicht zustimmt, und bei dessen Annahme ein Volksentscheid durchgeführt werden muß -doch kann hierauf an dieser Stelle nicht begründend eingegangen werden. Der Vorzug dieses dreistufigen Verfahrens ist jedenfalls, daß kurzschlüssige ad-hoc-Entscheidungen ausgeschlossen sind und informierende Meinungs-und Willensbildungsprozesse begünstigt werden

Eine den genannten Kriterien und Zielvorstellungen angemessene Reform ist allerdings nur erreichbar, wenn die einzelnen Reformschritte den dargestellten Funktionszusammenhängen entsprechend aufeinander abgestimmt sind und kumulativ wirksam werden können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dieser Beitrag faßt Forschungsergebnisse aus dem Buch des Verfassers zusammen: Wolfgang Ismayr, Der Deutsche Bundestag. Funktionen, Willensbildung, Reformansätze, Opladen 1991 (i. E.).

  2. Vgl. Heinrich Oberreuter, Zwischen traditionellem und aufgeklärtem Parlamentsverständnis, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37-38/89, S. 30.

  3. Zum internationalen Vergleich: Winfried Steffani (Hrsg.), Regierungsmehrheit und Opposition in den Staaten der EG, Opladen 1991, S. Uff.

  4. Vgl. Dietrich Herzog/Hilke Rebendorf/Camilla Werner/Bernd Weßels, Abgeordnete und Bürger, Opladen 1990, S. 126; zum Parlamentsverständnis der Bürger vgl. Suzanne S. Schüttemeyer, Bundestag und Bürger im Spiegel der Demoskopie, Opladen 1986.

  5. Vgl. BT-Drs. 11/4606, S. 5f. (2. Enquete-Kommission Technikfolgenabschätzung und -Bewertung, Bericht); Carl Bohret, Folgen. Entwurf für eine aktive Politik gegen schleichende Katastrophen, Opladen 1990, insb, S. 187ff.; Ulrich Beck, Gegengifte, Frankfurt/M. 1988, S. 256ff.

  6. Vgl. Iring Fetscher, Aufklärung über Aufklärung, in: Axel Honneth (Hrsg.), Zwischenbetrachtungen. Jürgen Habermas zum 60. Geburtstag, München 1989, S. 689; Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Eine Denkschrift der EKD, Gütersloh 19863, S. 36,

  7. Vgl. Elmar Wiesendahl, Etablierte Parteien im Abseits?, in: Ulrike C. Wasmuth (Hrsg.), Alternativen zur alten Politik?, Darmstadt 1989, S. 101.

  8. Vgl. Joachim Raschke, Soziale Konflikte und Parteiensystem in der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 49/85, S. 28f.

  9. Vgl. W. Ismayr (Anm. 1), bes. Kapitel II (Fraktionen).

  10. Vgl. Nachweise ebd., Kap. I (Abgeordnete). Als einzelne können Abgeordnete Änderungsanträge in zweiter Beratung zu Gesetzesvorlagen einbringen (§§ 82, 78 GOBT), wovon sie aber kaum Gebrauch machen, Einzelfragen für die Fragestunde oder zur schriftlichen Beantwortung stellen (§ 105) sowie Erklärungen abgeben (§§ 29 bis 32 GOBT); vgl. die „Erklärung zum Selbstverständnis der SPD-Fraktion“ (4. 7. 1981), Anhang zur Fraktionsgeschäftsordnung der SPD.

  11. Vgl. Eberhard Sandschneider, Regierungsbildung 1987: Koalitionsverhandlungen und Personalentscheidungen, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl), (1987) 2, S. 203-221.

  12. Vgl. Uwe Thaysen, „Fraktionenstaat“: Oder was sonst?, in: P. Haungs/E. Jesse (Hrsg.), Parteien in der Krise?, Köln 1987, S. 235; W. Ismayr (Anm. 1), Abschn. 1. 1.

  13. Vgl. Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform (= Zur Sache 3/1976), S. 78; Günter Traut-mann, Parteienstaatliche Verfassung und freies Mandat, in: Bernd Guggenberger u. a., Parteienstaat und Abgeordneten-freiheit, München 1976, S. 146; Wolfgang Ismayr, Ansätze und Perspektiven einer Parlamentsreform, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 24-25/85, S. 32-44.

  14. Vgl. Eberhard Schütt-Wetschky, Parlamentsreform: Meilenstein oder Sackgasse?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 48/87, S. 6.

  15. Vgl. Renate Mayntz/Friedhelm Neidhardt, Parlaments-kultur: Handlungsorientierungen von Bundestagsabgeordneten -eine empirisch explorative Studie, in: ZParl, (1989) 3, S. 379; Claus Arndt, Fraktion und Abgeordneter, in: Hans-Peter Schneider/Wolfgang Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Berlin 1989, S. 645; Ulrich Sarcinelli, Parlamentarische Sozialisation in der Bundesrepublik Deutschland, in: ZParl, (1988) 3, S. 400f.

  16. Ausdruck dieser Vorbehalte ist die Unterzeichnung der von der „Überfraktionellen Initiative Parlamentsreform“ initiierten Reformvorschläge (BT-Drs. 11/2206, 11/2208) durch etwa 180 Abgeordnete aus allen Fraktionen. Vgl. Camilla Werner, Wer sind die Rebellen im Parlament? Die Interfraktionelle Initiative Parlamentsreform im 11. Deutschen Bundestag, in: ZParl, (1990) 3, S. 404-418; Hildegard Hamm-Brücher, Der freie Volksvertreter. Eine Legende?, München 1990. Der 1988/89 durchgeführten Umfrage zufolge halten 72 Prozent der Abgeordneten eine Stärkung der Stellung des einzelnen Abgeordneten für „vordringlich“ oder „dringlich“, unabhängig davon, ob sie-der parlamentarischen Mehrheit oder (einer) Minderheit angehören.

  17. Vgl. W. Ismayr (Anm. 1), Kap. II.

  18. Ebd., Abschn. II. 6, 7; ders., (Anm. 13); Olaf Schwencke, Hoffen lernen. Zwölf Jahre Politik als Beruf, Stuttgart 1985, S. 33 ff.; Hans Apel, Der Abstieg, Stuttgart 1990.

  19. Zur Nutzung dieser und weiterer Kontrollinstrumente vgl. W. Ismayr (Anm. 1), Kapitel VI (mit Tabellen).

  20. 10. und 11. WP (1983-90): insgesamt 262 Gesetzentwürfe von den Fraktionen der SPD und der GRÜNEN; Stand der Gesetzgebung des Bundes, Abschlußbände, 10. und 11. Wahlperiode. Zum Gesetzgebungsprozeß W. Ismayr (Anm. 1), Kap. V.

  21. Vgl. Stand der Gesetzgebung (Anm. 20).

  22. Vgl. z. B. BT-Drs. 10/6779, S. 216f.

  23. Vgl. z. B. Plenarprotokoll (PIPr) 10/28, S. 1898; PIPr 10/94, S. 6883 B.

  24. Vgl. W. Ismayr, Berichte der Bundesregierung im Prozeß parlamentarischer Willensbildung, in: ZParl, (1990) 4, S. 556f.

  25. Vgl. z. B. „Parteispendenaffäre“ (BT-Drs. 10/1421); „Flugbenzinaffäre“, PIPr 11/87/23. 6. 1988; Gesundheitsreform, PIPr 11/85/16. 6. 1988, PIPr 11/111/25. 11. 1988.

  26. Vgl. Stand der Gesetzgebung (Anm. 20); Volker Nienhaus, Konsensuale Gesetzgebung im Deutschen Bundestag, in: ZParl, (1985) 2, S. 163-169.

  27. Vgl. u. a. Heidrun Abromeit, Die Funktion des Bundes-rates und der Streit um seine Politisierung, in: ZParl, (1982) 4, S. 462-472.

  28. Vgl. Renate Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, Heidelberg 19853, S. 193 f.

  29. Vgl. u. a. Gerd-Michael Hellstern/Hellmut Wollmann (Hrsg.), Handbuch zur Evaluierungsforschung, Opladen 1984, Teil II, S. 221 ff. Nach einer jüngsten Umfrage halten 84 Prozent der befragten Spitzenpolitiker des Bundestages die Erfolgskontrolle von Programmen für „sehr nützlich“ oder „nützlich“: Hans-Ulrich Derlien/Renate Mayntz u. a., Einstellungen der politisch-administrativen Elite des Bundes 1987, Bamberg 1988, S. 28.

  30. Vgl. § 57 Abs. 4 GOBT;

  31. Vgl. Anm. 16 und Anm. 59, 60; BT-Drs. 10/3600, S. 14; ZParl, (1984) 2, S. 174 (Abgeordneten-Initiative).

  32. BVerfGE 40, 237 (249); Rudolf Mößle, Regierungsfunktion des Parlaments, München 1986, S. 136f.

  33. Vgl. Art. 10, 26 LVSchlH; LT-Drs. 12/180/7. 2. 1989 (Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungs-und Parlamentsreform); Rita Süssmuth, Der Deutsche Bundestag. Bewährung und Herausforderung nach 40 Jahren, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37-38/89, S. 3.

  34. LT-Drs. 12/180, S. 30.

  35. Vgl. Art. 12 LVSchlH; LT-Drs. 12/520, S. 43. Fraglich ist allerdings, ob es in einem Mehrparteienparlament angemessen ist, den Vorsitzenden der stärksten die Regierung nicht tragenden Fraktion als Oppositionsführer (verfassunsgs-) rechtlich festzulegen; denn einmal können die Interessen von Oppositionsparteien sehr unterschiedlich sein, zum anderen kann den Vorstößen einer kleineren Fraktion ein vergleich-weise großes Gewicht im öffentlichen Diskurs zukommen.

  36. Vgl. D. Herzog u. a. (Anm. 4), S. 126f.

  37. Vgl. u. a. Hans-Ulrich Geck, Die Fragestunde im Deutschen Bundestag, Berlin 1986, S. 64ff.; H. Weis, Parlamentarisches Fragerecht und Antwortpflicht der Regierung, in: Deutsches Verwaltungsblatt (DVB 1), (1988) 6, S. 268-273.

  38. Vgl. BVerfGE 70, 324 (355); BVerfGE 57, 1 (5); BVerfGE 67, 100 (129).

  39. Vgl. Heinrich Ritzel/Joseph Bücker, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Vorbem. zu §§ 100-106; H. -U. Geck (Anm. 37), S. 77.

  40. Vgl. z. B. BT-Plenarprotokoll 11/65, S. 4494ff.

  41. Art. 23 LVSchlH; aufgegriffen werden diese Vorschläge jetzt u. a. im Verfassungsentwurf des „Kuratoriums für einen demokratisch verfaßten Bund deutscher Länder“, Berlin-Köln 1991 (Art. 38a Abs. 2; Art. 43b).

  42. Vgl. Art. 22 LVSchlH und „Verfassungsentwurf“ (Anm. 41), Art. 43 a.

  43. Die Selbstverpflichtung der Regierung in § 27 der GGOII (Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien) gewährleistet bisher nicht ausreichend, daß alle interessierten Abgeordneten frühzeitig informiert werden und daß dies noch vor Einschaltung der Fachverbände geschieht.

  44. Vgl. die Vorschläge der Ad-hoc-Kommission Parlamentsreform (BT-Drs. 10/3600, S. 13f.) und der „Überfraktionellen Initiative Parlamentsreform“ (BT-Drs. 11/2206/27. 4. 1988, S. 3).

  45. Art. 23 Abs. 3 LVSchlH. Als Vermittlungsgremium wurde ein parlamentarischer Einigungsausschuß eingerichtet, LT-Drs. 12/180, S. 39. Ähnlich der „Verfassungsentwurf“ (Anm. 41), der allerdings keinen „Einigungsausschuß“ vorsieht.

  46. Der Kompromißentwurf des Geschäftsordnungs-Ausschusses wurde von der SPD-Fraktion mit knapper Mehrheit abgelehnt (BT-Drs. 11/8085/20. 9. 1990), weil ihr die Verfahrens-Minderheitenrechte nicht ausreichend gesichert schienen; vgl. PIPr 11/234/31. 10. 1990, S. 18685ff.

  47. Vgl. W. Ismayr (Anm. 1), Abschn. VI. 13; vgl. Art. 18 LVSchlH.

  48. Vgl. Schlußbericht (Anm. 13) S. 135ff.

  49. Ähnlich die CDU/CSU-Opposition in der 7. Wahlperiode (BT-Drs. 7/3252) und die Fraktion DIE GRÜNEN (BTDrs. 11/983, 984, 985); BT-Drs. 10/3600, S. 14.

  50. Vgl. Deutscher Bundestag/Wissenschaftliche Dienste, Situation und weitere Entwicklung der Wissenschaftlichen Dienste (Stand: 20. 6. 1990); Peter Schindler, Die Verwaltung des Bundestages, in: H. -P. Schneider/W. Zeh (Anm. 15), S. 829-858.

  51. So schon Friedrich Schäfer, Der Bundestag, Opladen 19824, S. 275; PIPr 10/136, S. 1039.

  52. Vgl. z. B. SPD-Gesetzentwurf BT-Drs. 10/3342/14. 5. 1985 („Beauftragter für die Kriegswaffenkontrolle“); vgl. Udo Kempf/Herbert Uppendahl (Hrsg.), Ein deutscher Ombudsman, Opladen 1986, S. 130ff.

  53. Vgl. „Erfahrungsbericht zum Modellversuch PARLA-KOM“, 1988; PIPr 10/85, S. 6217.

  54. Vgl. Reinhard Ueberhorst, Positioneile und diskursive Politik, in: K. -M. Meyer-Abich/R. Ueberhorst (Hrsg.), AUSgebrütet -Argumente zur Brutreaktorpolitik, Basel 1985, S. 391; vgl. auch die Enquete-Kommissionen „Gentechnologie“ (BT-Drs. 10/6775) und „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ (BT-Drs. 11/8030).

  55. Vgl. BT-Drs. 11/5489; BT-Drs. 10/5844; Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages, Wir über uns, Bonn 1991.

  56. Vgl. W. Ismayr, Parlamentarische Kommunikation und Abgeordnetenfreiheit, Frankfurt/M. 1982, S. 28; vgl. auch die Beiträge in: Ulrich Sarcinelli (Hrsg.), Politikvermittlung, Bonn 1987.

  57. Vgl. BT-Drs. 11/5999 (1. 3/4): vom Plenum „zustimmend zur Kenntnis genommen“ (PIPr 11/184/13. 12. 1989).

  58. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, PIPr 11/119, S. 8697ff. und 11/184, S. 14197.

  59. Vgl. Uwe Thaysen, Repräsentation in der Bundesrepublik Deutschland, in: Uwe Thaysen u. a. (Hrsg.), US-Kongreß und Deutscher Bundestag, Opladen 1988, S. 100.

  60. Nicht-öffentlich sollten auch künftig die Behandlung von Eingaben und die Rechnungsprüfung sowie die Beratung über die Ergebnisse der Beweiserhebung im Untersuchungsausschuß sein (vgl. Art. 17, 18 LVSchlH).

  61. Vgl. S. 179f.; BT-Drs. 10/3600; Vorschläge und Überlegungen zur Verbesserung der parlamentarischen Arbeit vom 11. 9. 1987 und 18. 2. 1988 (Präsident Ph. Jenninger).

  62. Vgl. BT-Drs. 10/3600, S. 14; ZParl, (1984) 2, S. 174.

  63. Vgl. Peter Dienel, Die Planungszelle. Der Bürger plant seine Umwelt, Opladen 19912.

  64. Vgl. BT-Drs. 10/5844.

  65. Vgl. Art. 41 LVSchlH; entsprechend Art. 82 a „Verfassungsentwurf“ (Anm. 41).

  66. Vgl. Zur Verfassung des deutschen Staates. Das Grundsatzpapier für den SPD-Vorstand, Mai 1991; vgl. auch Otmar Jung, Direkte Demokratie: Forschungsstand und Aufgaben, in: ZParl, (1990) 3, S. 491-504; Tilman Evers, Volkssouveränität im Verfahren. Zur Verfassungsdiskussion über direkte Demokratie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 23/91, S. 3-15.

Weitere Inhalte

Wolfgang Ismayr, Dr. phil., geb. 1942; Akademischer Oberrat für Politikwissenschaft an der Fakultät für Sozial-und Wirtschaftswissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Veröffentlichungen u. a.: Das politische Theater in Westdeutschland, Königstein/Ts. 19852; Parlamentarische Kommunikation und Abgeordnetenfreiheit, Frankfurt/M. 1982; Der Deutsche Bundestag. Funktionen, Willensbildung, Reformansätze, Opladen 1991 (i. E.).