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Der zusätzliche Treibhauseffekt und das Klima | APuZ 16/1992 | bpb.de

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APuZ 16/1992 Der zusätzliche Treibhauseffekt und das Klima Die internationale Zusammenarbeit zum Schutz des Weltklimas - Kooperation oder Konfrontation: Chancen einer globalen Klimapolitik - Ökologischer Strukturwandel als Antwort auf den Treibhauseffekt

Der zusätzliche Treibhauseffekt und das Klima

Hartmut Graßl

/ 15 Minuten zu lesen

Aktualisierte und überarbeitete Fassung des öffentlichen Vortrags bei der Hauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft am 20. Juni 1990 in Lübeck.

I. Die Empfindlichkeit des Klimasystems

Tabelle 1: Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase

Der Planet Erde ist im Vergleich zu den Nachbarn Venus und Mars durch mindestens drei Besonderheiten gekennzeichnet: Mehr als zwei Drittel seiner Oberfläche sind mit Wasser, sogar drei Viertel mit Wasser oder Eis bedeckt; die Hauptbestandteile der Atmosphäre sind für Absorption von Sonnenstrahlung und Emission von Wärmestrahlung kaum von Bedeutung; die Zusammensetzung der Atmosphäre wird von den Lebewesen wesentlich bestimmt. Daraus folgt: -Wasserdampf und nicht Kohlendioxid wie auf Venus und Mars ist das Haupttreibhausgas, er trägt über zwei Drittel des natürlichen Treibhauseffektes der Atmosphäre von ungefähr 30°C und garantiert somit Leben in der uns bekannten Form; -starke Klimaänderungen sind das Resultat nur kleiner Störungen der Zusammensetzung der Atmosphäre; -die Lebewesen sind Verstärker beziehungsweise Dämpfer von Klimaänderungen oder sogar Anlaß dafür.

Behindern Gase und Aerosolteilchen in der Atmosphäre eines Planeten die Abstrahlung von Wärme stärker als das Vordringen der Sonnenstrahlung zur Oberfläche, so erwärmt sich die Oberfläche so lange, bis die Abstrahlung der Einstrahlung wieder entspricht. Die so durch Zunahme eines Gases erzwungene Erwärmung wird in grober Analogie zum Treibhaus eines Gärtners Treibhauseffekt der Atmosphäre genannt.

Ohne Zweifel bestimmten die weiteren Treibhaus-gase Kohlendioxid (CO 2), Ozon (O 3), Distickstoffoxid (N 2O) und Methan (CH 4) -hier entsprechend ihrer Bedeutung gereiht -mit zusammen etwa 0, 3 Promille Volumenanteil an der Atmosphäre in einer Warmzeit und nur etwa 0, 2 Promille während der beiden letzten starken Vereisungen das globale Klima wesentlich; die Änderung des Treibhauseffektes bei irgendeiner Konzentrationsänderung eines dieser Gase wird durch die starke Temperaturabhängigkeit der maximal möglichen Wasserdampfmenge in Luft (ca. 10% pro Grad) vergrößert. Addiert man Wasser in Form des Wasser-dampfes, des Wolkenwassers und des Wolkeneises zu den Spurengasen, so sind noch immer weniger als drei Promille der Masse der Erdatmosphäre die wesentlichen klimawirksamen Substanzen.

Die gegenwärtige Empfindlichkeit des Klimasystems, abgeschätzt als mittlere globale Temperaturänderung in Oberflächennähe bei-einer in CO 2-Äquivalente umgerechneten Spurengasänderung, lautet nach Klimamodellrechnungen: + 2, 5 Grad Celsius bei Verdoppelung des äquivalenten CO 2Gehaltes vom vorindustriellen Wert von 280 millionstel Volumenanteilen auf 560. Diese Modell-rechnungen mit Einschluß einer Variation der Bewölkung stehen für die wolkenlosen Teile in Übereinstimmung mit Satellitenbeobachtungen. Demnach erhöht sich die Oberflächentemperatur um etwa 0, 5 Grad, wenn die Strahlungsbilanz um 1 Watt pro Quadratmeter zunimmt. Die Modelle behandeln also die Verstärkung durch den Wasserdampf und durch zurückweichendes Meereis korrekt. Würden die Wolken durch Kompensation geringerer Abstrahlung von Wärme und erhöhter Rückstreuung von Sonnenstrahlung dabei keine Treibhauseffektänderung bewirken, sollte eine CO 2-Verdoppelung im globalen Mittel die Temperatur um 2, 2 Grad anheben. Die angegebene Empfindlichkeit von 2, 5 Grad drückt also eine geringe Verstärkung des zusätzlichen Treibhauseffektes durch die Bewölkung aus. Die große Unsicherheit bei dem Verständnis der Rolle der Wolken macht aber noch immer die Angabe eines großen Schwankungsbereiches von 1, 5 bis 4, 5 Grad notwendig. Veränderungen des Klimas bestimmten Ursachen zuzuordnen, ist schwierig. So müßten etwa die Wechselwirkungen des in etwa 1000 Jahren sich einmal umwälzenden Ozeans mit der rasch reagierenden Atmosphäre, den kurzen Phytoplanktonblüten und den sehr trägen großen Inlandeisgebieten verstanden werden. Ändert der Mensch jedoch den Anteil irgendeines der genannten Treibhaus-gase, oder fügt er neue hinzu, so ist er „Klimamacher“.

II. Der Spurengasanstieg und die Ursachen

Daß der Mensch die Zusammensetzung der Atmosphäre stört, ist ebenso zweifelsfrei belegt wie die Bedeutung der Treibhausgase für das Klima. CO 2 ist weltweit seit dem Jahre 1750 von 280 auf jetzt 355, CH 4 von 0, 65 auf 1, 75 und N 2O von 0, 28 auf 0, 31 millionstel Volumenanteile angestiegen. Alle Anstiege sind überwiegend vom Menschen verursacht. Gegenwärtig nehmen die Anteile der langlebigen Spurengase jedes Jahr um 0, 7-1 % (CH 4), etwa 0, 5% (CO 2) bzw. 0, 3% (N 2O) zu (vgl. Tabelle 1). Seit 160000 Jahren waren die CH 4-und CO 2-Anteile nie auch nur annähernd so hoch wie heute. Das für den natürlichen Treibhauseffekt drittwichtigste Gas, das Ozon (O 3) nimmt ebenfalls zu, jedoch nur in der unteren Atmosphäre bis etwa 12 km Höhe, wo es besonders treibhauswirksam ist, sowie über Industrie-und Brandrodungsgebieten und deren Nachbarschaft. In der Stratosphäre nimmt es schneller als in Modellrechnungen erwartet ab, so daß in höheren Breiten eine Teil-kompensation des zusätzlichen Treibhauseffektes durch Ozonabbau auftritt.

Von besonderer Bedeutung für die Dauer einer Störung ist auch die Verweilzeit eines Moleküls in der Atmosphäre. Sie steigt von typischerweise einigen Tagen bis Monaten für Wasserdampf (H 2O) und troposphärisches Ozon (O 3) auf etwa fünf bis sieben Jahre für das CO 2 in der Atmosphäre und ungefähr zehn Jahre für Methan (CH 4), erreicht jedoch mindestens 100 Jahre für das vom Menschen zusätzlich eingebrachte CO 2, bis es vom tiefen Ozean aufgenommen worden ist, oder gar 150 Jahre für Distickstoffoxid (N 2O), bis es in der hohen Atmosphäre von kurzwelligem Sonnenlicht gespalten wird.

Wegen der stark unterschiedlichen Absorption von Wärmestrahlung pro Einheit der Konzentration sind auch manche besonders gering konzentrierten Spurengase nicht ohne Bedeutung für das Klima. Bekanntestes Beispiel dafür sind die ausschließlich vom Menschen hergestellten und zu fast 100% in die Atmosphäre entweichenden Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW). Trotz eines Volumenanteils von insgesamt nur etwa einem Milliardstel und bei Zuwachsraten von noch immer etwa 4% pro Jahr bei annähernd stagnierender, in einzelnen Ländern rückläufiger Produktion tragen sie zur Zeit schon mit fast einem Viertel zum Zusatztreibhauseffekt bei; sie sind damit bereits bedeutender als Methan. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt: Die 0, 1 Millionen Tonnen FCKW vor wenigen Jahren waren ähnlich klimawirksam wie die etwa 720 Millionen Tonnen CO 2, von ihrer Rolle beim Abbau stratosphärischen Ozons und damit der Zunahme ultravioletter Strahlung am Erdboden ganz abgesehen. Da die FCKW überraschend stark Ozon abbauen, ist der zusätzliche Treibhauseffekt dann breitenabhängig, wenn der Ozonabbau breitenabhängig auftritt, was eindeutig der Fall ist.

Die wesentlichen Gründe für die Zunahme der natürlichen Treibhausgase sind bekannt. Hauptgrund für die Emission von CO 2 ist gegenwärtig die Verbrennung von Erdöl, Kohle und Erdgas sowie von Holz, sofern es nicht mehr nachwächst. Eine weitere wichtige CO 2-Quelle ist die Rodung. Brandrodung ist eine zusätzliche Quelle für CH 4 und N 2O sowie für Ozon (O 3) als eines der Produkte photochemischen Smogs. Sehr wichtige Methanquellen sind Rinderzucht, Reisanbau, Kohlebergwerke, Erdgasverluste und Mülldeponien. Die Quellen des N 2O sind am wenigsten verstanden; eine weitere Ursache neben der Verbrennung von Kohle und Erdöl ist die Stickstoffdüngung. Die Emissionsrate des CO 2 hat 20 Mrd. Tonnen pro Jahr (bzw. 5, 3 Mrd. Tonnen Kohlenstoff) für die fossile Quelle überschritten und stieg in den achtziger Jahren mit etwa 2, 3 Prozent pro Jahr an, wobei noch immer etwa drei Viertel von den Industrienationen stammen. Die Zerstörung tropischer Wälder fügt jedes Jahr etwa 5 Mrd. Tonnen hinzu.

III. Was bewirkt der Anstieg verschiedener Spurengase?

Die Eigenschaft der Treibhausgase, Sonnenstrahlung fast ungehindert zur Oberfläche der Erde vordringen zu lassen und die direkte Abstrahlung von Wärme von der Oberfläche in den Weltraum zu behindern, erzwingt bei Spurengaszunahme eine Erhöhung der Temperatur an der Erdoberfläche, denn im mehrjährigen Mittel muß ebensoviel Strahlungsenergie in den Weltraum abstrahlen wie von der Sonne hereinkommt. Die Strahlungsbilanzänderung bei vorgegebener Konzentrationsänderung eines Spurengases in einer Atmosphäre mit sonst fixierten Parametern ist relativ sicher zu berechnen, so daß bei wohldurchmischten Gasen, also langlebigen wie CH 4, N 2O, FCKW, die Beiträge der Änderung jedes einzelnen in eine äquivalente CO 2-Störung relativ sicher umgerechnet werden können.

Die bei Erhöhung des Spurengasgehaltes im Mittel an der Oberfläche eintretende Temperaturänderung ist dagegen sehr schwierig zu bestimmen, weil schon für dieses Mittel alle Rückkopplungen im Klimasystem beachtet werden müssen: das Abschmelzen von Meereis und Gletschern, ein erhöhter Wasserdampfgehalt, mehr oder weniger Wolken in veränderter Höhe an anderen Orten und bei verändertem Flüssigwassergehalt, dadurch verschobene Niederschlagsgürtel, dadurch veränderte Strömungen in den Ozeanen. Mit anderen Worten: Mindestens der globale Wasserkreislauf in einem gekoppelten Modell des Ozeans und der Atmosphäre muß für eine erste verläßliche Abschätzung der mittleren Temperaturänderung korrekt beschrieben sein. Daß Beobachtungen allein die Antwort nicht liefern können, liegt an der geringen Kenntnis über einige weitere Klimagrößen wie z. B. die Trübung der Stratosphäre durch Vulkane oder die Langfristaspekte der Wechselwirkung Ozean-Atmosphäre ohne jede äußere Störung.

Die Frage „Wann wird es wo um wieviel Grad wärmer?“ kann noch immer nicht beantwortet werden, aber die einfacheren nach der mittleren Erwärmung und der Verzögerung einer Erwärmung durch die hohe Wärmekapazität des Ozeans schon. Modelle der allgemeinen Zirkulation der Atmosphäre sowie erste gekoppelte Ozean-Atmosphäre-Modelle lassen folgende Aussagen zu:

-Die volle Reaktion auf eine Verdoppelung des äquivalenten CO 2-Gehaltes führt zu einer mittleren globalen Erwärmung um 2, 5 °C, wobei jedoch vor allem wegen der schwierigen Einschätzung der Bewölkung noch immer ein Unsicherheitsbereich von 1, 5 bis 4, 5 °C existiert.

Diese Aussage stützt sich nur auf Modelle der Atmosphäre und der ozeanischen Deckschicht sowie der Böden, nicht aber auf solche mit strömendem Ozean. Gekoppelte Modelle des strömenden Ozeans und der strömenden Atmosphäre sind noch nicht bis zur vollen Anpassung an verdoppeltes CO 2 gerechnet worden.

-Der Niederschlag nimmt im Mittel um drei Prozent pro Grad Temperaturerhöhung zu, wobei jedoch die schon jetzt trockenen Gebiete eher noch trockener werden. Das ist physikalisch plausibel, weil in der Übergangsphase zu höheren Temperaturen tropische und subtropische Regionen sich keineswegs, wie es im Atmo-Sphärenmodell bei voller Anpassung der Fall war, langsamer erwärmen, denn die kräftigere vertikale Mischung des Ozeans in hohen Breiten führt sehr viel Wärmeenergie in den Ozean ab. Sie bremst so die Erwärmung an der Oberfläche und läßt eine Abschwächung der allgemeinen Zirkulation nicht zu.

-Die hohe Wärmekapazität des Ozeans und seine gebietsweise kräftige vertikale Durchmischung vor allem im Winter führen zu einer Verzögerung des in Atmosphärenmodellen ohne Kopplung berechneten Temperaturanstieges um Jahrzehnte. So wird bei einem einprozentigen Zuwachs des äquivalenten CO-Gehaltes pro Jahr (was der Realität sehr nahe kommt) jeweils nur etwa die Hälfte des nach dem zugehörigen Atmosphärenmodell maximal möglichen Temperaturanstiegs erreicht. Das entspricht einer Verzögerung von etwa 30 Jahren bei weiter exponentiell mit einem Prozent pro Jahr steigender Störung. Leider gibt es wegen fehlender Computerkapazität noch keine gekoppelten Modelläufe über mehr als 100 Jahre hinaus, so daß die Frage nach einer eventuellen Dämpfung oder Verstärkung der mittleren globalen Erwärmung noch nicht beantwortet werden kann. Da der Ozean selbst allerdings Wärme nur umverteilt, sollte ein solcher Effekt nur dann bedeutend sein können, wenn die Bewölkung durch veränderte Ozeanströmung und -temperatur stark variierte. -Das Innere der Kontinente wird stärker erwärmt, weil die dämpfende Wirkung nahe gelegener tief mischender Ozeangebiete fehlt.

-Die Bodenfeuchte im Inneren der Kontinente nimmt in mittleren Breiten auch bei Rechnung mit gekoppelten Modellen im Sommer ab, sofern diese Abnahme im zugehörigen Zirkulationsmodell der Atmosphäre bereits enthalten war. Die Bodenfeuchte ist wegen der Bedeutung für den Ertrag beim Getreideanbau eine häufig besonders herausgestellte Klimamodellgröße.

Da sie jedoch eine korrekte Berechnung von Temperatur, Niederschlag und Verdunstung sowie des Abflusses und des Wassertransports im Boden voraussetzt, ist die Spannweite der berechneten Veränderungen noch recht groß. Sie reicht von leichter Zu-oder Abnahme bis zu genereller kräftiger Abnahme.

Die wirklich aussagekräftigen Modelläufe sollten zeitabhängig auf die Spurengasanstiege reagieren. Solche liegen seit wenigen Jahren vor. Für vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) vorgegebenen Szenarien lautet die zentrale Folgerung: Die verzögerte Erwärmung der unteren Atmosphäre wegen der hohen Wasserkapazität des Ozeans verschiebt die Entdeckung der Wirkung einer möglichen Abwehrmaßnahme auf die Zeit nach dem Tode des Entscheidenden; Szenario A des IPCC führte zu einer Erwärmung von etwa 3°C im globalen Mittel, also zu gleicher Größenordnung wie der Hub von 4 bis 5°C zwischen der Eiszeit vor 18000 Jahren und jetziger Warmzeit. Eine weitere mögliche Folge erhöhter Temperatur an der Meeresoberfläche muß noch erwähnt werden. Bei Vergrößerung der Fläche mit Wassertemperaturen über 27°C und neuen Höchstwerten in vielen Regionen wird die von Wirbelstürmen betroffene Region ausgeweitet, die mittlere Intensität sollte zunehmen und die typischen Zugbahnen könnten sich verlagern.

Die Fixierung der Diskussion auf den Spurengasanstieg sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß andere Folgen der Industriegesellschaft wie z. B. die erhöhte Lufttrübung ebenfalls zumindest regionale Wirkung haben können. So ist nach Messungen der Zunahme der Lufttrübung in Hamburg, die auf die Gas-Teilchen-Umwandlung auf dem Weg von fernliegenden Ballungsgebieten zum Meßort zurückgeführt werden konnte, und nach Satellitenbeobachtungen besonders heller Wolken in der Abgasfahne von Schiffen ein Einfluß dieser Trübungszunahme auf die Rückstreufähigkeit der niedrigen Wolken für Sonnenstrahlung als sehr wahrscheinlich zu bezeichnen. Dieser dem Treibhauseffekt entgegengesetzte Wolkenalbedoeffekt (das Rückstrahlungsvermögen) kann, weil ebenfalls an die Spurengasemission bei Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas gekoppelt, in Teilen dämpfend wirken. So könnte die Erwärmung der nördlichen Erdhälfte mit den Hauptquellen für Spurengase, aus denen Aerosolpartikel werden, in der Erwärmung nachhinken.

IV. Sieht man das anthropogene Signal schon?

Wenn der Temperaturanstieg bei Verdoppelung des äquivalenten CO 2-Gehaltes nach Aussagen der Klimamodelle 2, 5 °C im globalen Mittel beträgt und gemessen am vorindustriellen Wert schon Halbzeit bis zur Verdoppelung ist, dann sollte eigentlich eine mittlere globale Erwärmung an der Oberfläche um mehr als ein Grad längst zu beobachten sein. Die beobachtete Zunahme von nur etwa 0, 5 °C in den vergangenen 100 Jahren ist trotzdem im Einklang mit den Modellrechnungen, weil bei einer Verzögerung durch den Ozean von nur etwa drei Jahrzehnten sowie bei einer 2, 5 prozentigen Steigerung der Emissionsraten pro Jahr nur die Hälfte der Wirkung der Störung beobachtet werden kann. Ein Beweis ist dies jedoch nicht. Der Anstieg könnte noch immer auch von internen Wechselwirkungen im Klimasystem verursacht sein. Vulkanismus und Variabilität der Abstrah-B lung der Sonne sowie sicherlich die Schwankungen der Bahn der Erde um die Sonne sind als wesentliche Ursachen jedoch auszuschließen. Aus teilweise bis zu elf Jahre umfassenden Messungen mit drei Satellitenradiometern ist klar geworden, daß die Sonne innerhalb des vergangenen elfjährigen Sonnenfleckenzyklus um etwa ein Promille ihre Strahldichte geändert hat, wobei eine hohe Flekkenrelativzahl höhere Abstrahlung bedeutet. Bei im Mittel 1367 Watt pro Quadratmeter (Wm’ 2) Einstrahlung am oberen Rand der Atmosphäre und Beachtung des schrägen Einfalls sowie der Rückstreuung von etwa 30 Prozent durch den Planeten folgt daraus eine Strahlungsbilanzänderung von 0, 24 Wm’ 2. Im Vergleich zur bereits angehäuften Spurengasstörung, die schon über 2 liegt, ist das fast unbedeutend. Im Vergleich zur Abwärme durch alle Aktivitäten des Menschen, die zu etwa 0, 02 Wm'2 im globalen Mittel führen, ist es allerdings der dominante Effekt.

Weitere Hinweise für die Wirkung eines verstärkten Treibhauseffektes sind das Abschmelzen der Gebirgsgletscher und ein Meeresspiegelanstieg um etwa 15 cm in den letzten 100 Jahren, eine Umverteilung der Niederschläge für die nördliche Erdhälfte und eine starke Zunahme des Wasserdampfgehaltes und der Temperatur in den inneren Tropen in Höhen um 5 km seit wenigen Jahrzehnten. Die Beweisführung anhand der Zunahme von Extremereignissen wie besonders starken Stürmen und lang anhaltenden Dürren sowie aufeinander-folgenden warmen Wintern ist zur Zeit noch nicht möglich.

V. Wie wirken Klimaänderungen?

Da Temperatur und Niederschlag die Vegetationszonen auf der Erde festlegen, ist eine Verschiebung der Klimazonen von großer Bedeutung für die Ernährung der Menschheit. Angesichts einer bereits jetzt zugespitzten Lage ist eine Gefährdung der Ernährung insgesamt nicht auszuschließen. Ein Beispiel für die Abhängigkeit der Vegetation von Temperatur und Niederschlag sind die sehr kalten Klimate Sibiriens, wo geschlossener Wald noch bei einem Jahresniederschlag von 250 mm wächst, während in unserer Klimazone etwa 400 bis 500 mm dafür nötig sind und in den inneren Tropen erst bei Niederschlägen über 1800 mm immergrüner Feuchtwald auftritt. Die vorhergesagten Temperaturänderungen werden bei ungebremster Emission von Spurengasen durch den Menschen (die äquivalente CO 2-Verdoppelung würde etwa im Jahre 2025 eintreten) nicht nur Klima-zonen und damit Anbauzonen um hunderte von Kilometern verlagern, sondern auch so schnell ablaufen, daß naturnahe Ökosysteme, wie z. B. die nördlichen Wälder, nicht mit der Verlagerung Schritt halten können.

Aber auch die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern wird die notwendigen Veränderungen bei Sorten, Saatgut und Düngung häufig nicht schnell genug vollziehen können. Folge einer Verlagerung der Vegetationszonen wird auch ein beschleunigtes Artensterben sein. Die Wasserwirtschaft (und der Wintersport) wird stark betroffen sein, wo doch z. B. die Schneefallgrenze bei einer um ein Grad höheren Temperatur um mindestens 100 m, typischerweise um 150 m und im Extremfall im Inneren von Gebirgstälern um etwa 500 m ansteigen kann. Daß auch bei einem moderaten Meeresspiegelanstieg von einem halben Meter (Bandbreite 25-100 cm), der bei fehlenden Maßnahmen bis zum Jahre 2030 angelegt ist, aber erst später eintritt, Millionen von Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren, muß nach so vielen überzogenen Meldungen über den Anstieg des Meeresspiegels immer wieder erwähnt werden; vor allem, wenn man in einem Lande lebt, in dem verstärkter Küstenschutz nur eine Frage von wenigen umverteilten Promille des Bruttosozialproduktes ist.

Leider ist die Forschung auf dem Gebiet der Wirkung von Klimaänderungen so spät begonnen worden und zudem so schwierig, daß nur sehr ungenaue Angaben z. B. zur Anfälligkeit nicht angepaßter Wälder gegenüber neuen Krankheitserregern oder der Änderung des Abflusses existieren. Ein kleines Beispiel kann jedoch die Bedeutung solcher Untersuchungen unterstreichen: Steigt die mittlere Temperatur um ein bis zwei Grad und sinkt die Jahresniederschlagsmenge um 10 Prozent, so vermindert sich in einem semi-ariden Klima der Abfluß um 40 bis 70 Prozent.

VI. Was ist zu tun?

Wegen der sicheren Verzögerung einer Reaktion des Klimasystems auf Störungen der Zusammensetzung der Atmosphäre durch die trägen Komponenten des Klimasystems wie Ozean, Meereseis und Gletscher hilft Abwarten nicht; die noch immer vorhandenen Unsicherheiten, speziell über die regionale Ausprägung einer Klimaänderung, können bei der Komplexität der Wechselwirkungen nicht rasch beseitigt werden. Die Gründe für die Störung sind zum größten Teil bekannt und sollten zum Handeln im Sinne einer Vorsorge bei möglichst großer Effektivität der Maßnahmen anleiten. 1. FCKW Notwendig ist ein Verbot der Produktion, d. h. die Einhaltung des im Juni 1990 verschärften Montrealer Protokolls, der Detaillierung des Wiener Abkommens zum Schutz des Ozonschicht. Das ursprünglich nur zur Bremsung des Ozonabbaus in der Stratosphäre gedachte Protokoll (es trat am 1. Januar 1989 in Kraft) ist das erste internationale, fast weltweit getragene, mengenbegrenzende Umweltabkommen zur Eindämmung des zusätzlichen Treibhauseffektes geworden. Die neuen Befunde besonders dramatischer Ozonabnahme im Frühjahr werden wohl zu einem noch rascheren Ausstieg führen. 2.co.

Der weltweite Ausstoß an CO 2 muß durch einen Anfang der „reichen“ Hauptverursacher und den Abschluß eines CO 2-Protokolles im Rahmen einer globalen Klimakonvention zum Schutz der Erdatmosphäre vermindert werden. Die wichtigsten Teilschritte sind dabei: -Effizienzsteigerung bei der Nutzung fossiler Brennstoffe, z. B. durch ausgeweitete Wärme-Kraft-Kopplung, Verbrauchsregeln für Automobile, schärfere Wärmedämmstandards, Stärkung des Gütertransportes auf Schienen.

-Förderung erneuerbarer Energiequellen vor allem durch schrittweise Einführung des Echt-preises für fossile Energie, d. h. Einschluß der hohen, bisher von der Allgemeinheit getragenen Kosten zur Beseitigung und Linderung von Schäden in die Marktpreise. -Aufklärung der Nutzer von Energiedienstleistungen.

Alle Maßnahmen zur Reduktion der CO-Emission lindern gleichzeitig viele lokale wie regionale Umweltprobleme, z. B. die Überdüngung der Randmeere, den photochemischen Smog, die Versauerung von Seen und Böden, Waldschäden, Korrosion von Gebäuden sowie die Zerstörung von Kulturdenkmälern. 3. CH, Zu fordern wäre die Verminderung des CH 4-AusStoßes durch die Nutzung aus Absauganlagen und Wettern der Kohlenbergwerke sowie aus Mülldeponien, Verminderung der Lecks in Erdgasverteilersystemen, verbesserte Methoden des Abfakkelns, noch besser der Nutzung bisher ungenutzt abgegebenen Erdgases, die Einführung verbesserter landwirtschaftlicher Praktiken beim Reisanbau und die Reduzierung des Fleischverbrauchs in den reichen Ländern.

Bei allen Bemühungen zur Reduktion des Methanausstoßes ist als weiterer Anlaß zu Aktionen zu berücksichtigen, daß CH 4 mehrfach während und nach Oxidation zu H 2O und CO 2 indirekt wirkt: erstens als zusätzliches CO 2-Molekül, zweitens als besonders treibhauswirksamer stratosphärischer Wasserdampf und drittens als indirekt beim Abbau troposphärische Ozonbildung stimulierendes Molekül. 4. N 2O Vorschläge zu Maßnahmen für die Reduzierung der Emissionsraten können wegen der geringen Kenntnis über die Stärke der Quellen gegenwärtig nur sehr schwer gemacht werden. Bei CO 2-und CH 4-Minderung werden N 2O-Quellen allerdings direkt oder indirekt verkleinert.

Ein Hauptziel der Politik und jedes einzelnen sollte es sein, weniger Rohstoff pro Kopf zu verbrauchen, und dies möglichst nahe zu natürlichen Kreisläufen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. World (WMO) /United Vgl. Meteorological Organization Nations Environment Programme (UNEP), Ozone Assessment ’ 91, Genf 1992 (i. E.).

Weitere Inhalte

Hartmut Graßl, Diplomphysiker, Dr. rer. nat., geb. 1940; Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg; Berater der Europäischen Weltraumorganisation (ESA); Mitglied der Strahlungskommission der International Association for Meteorology and Atmospheric Physics (IAMAP); Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Veröffentlichungen u. a.: (mit Reiner Klingholz) Wir Klimamacher. Auswege aus dem globalen Treibhaus, Frankfurt/M. 1990; zahlreiche Publikationen in Sammelwerken und Zeitschriften über Fernerkundung der Erde aus dem Weltraum, globalen Aerosoltransport und die Änderung des Strahlungshaushaltes der Erde durch Spurengase.