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Politische Gedenktage in Deutschland. Zum Verhältnis von öffentlicher Erinnerung und politischer Kultur | APuZ 25/1993 | bpb.de

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APuZ 25/1993 Putsch -Volksaufstand -Arbeitererhebung? Zur Arbeitererhebung 1953 in der deutschen Geschichtsschreibung Der 17. Juni im Deutschen Bundestag von 1954 bis 1990 Der 17. Juni 1953 aus der Sicht des Foreign Office Politische Gedenktage in Deutschland. Zum Verhältnis von öffentlicher Erinnerung und politischer Kultur

Politische Gedenktage in Deutschland. Zum Verhältnis von öffentlicher Erinnerung und politischer Kultur

Dietmar Schiller

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Politische Gedenktage gehören zu jenen Symbolen, die zur staatlichen Repräsentation herangezogen werden. Der 17. Juni, der an den Arbeiteraufstand von 1953 in der DDR erinnert und von 1954 bis 1990 als „Tag der deutschen Einheit“ offiziell den nationalen Gedenktag der Bundesrepublik Deutschland darstellte, wird in diesem Beitrag zum Anlaß genommen, sich grundsätzlich mit dem Phänomen „politische Gedenktage“ auseinanderzusetzen. Neben den wichtigsten politischen Funktionen wie Staatsintegration, Identifikation mit dem politischen System, Konsensstiftung, Schaffung von Massenloyalität und Stabilitätssicherung werden politische Gedenktage zur Bündelung von in der Gesellschaft individualisiert und differenziert ausgeprägten Geschichtsvorstellungen und -deutungen herangezogen. Politische Gedenktage strukturieren in gewisser Weise die öffentliche Erinnerung und nehmen in beträchtlichem Maße Einfluß auf das Geschichtsbewußtsein und somit auf die politische Kultur.

I. Einleitung

Politische Gedenktage gehören zu jenen Symbolen, durch die sich ein Staat öffentlich darstellt. Der 17. Juni, der an den Arbeiteraufstand von 1953 in der DDR erinnert und von 1954 bis 1990 als „Tag der deutschen Einheit“ offiziell der nationale Gedenktag der Bundesrepublik Deutschland war, wird in diesem Beitrag zum Anlaß genommen, sich grundsätzlich mit dem Phänomen „politische Gedenktage“ auseinanderzusetzen.

Während die Vorgeschichte, der Verlauf und auch die Folgen historischer Ereignisse aus zeitgeschichtlicher Perspektive meist gründlich erforscht und faktenreich dokumentiert sind, läßt sich hinsichtlich einer politikwissenschaftlichen Analyse, die vornehmlich die politischen Funktionen und gesellschaftlichen Implikationen politischer Gedenktage in den Blick nimmt, nur ein äußerst lükkenhafter Forschungsstand feststellen. Dies, obwohl in den letzten Jahren einige wegweisende Studien zum Themenkomplex „Politische Symbole und Rituale“ vorgelegt wurden.

II. Politische Gedenktage und politische Kultur

Politische Gedenktage thematisieren und verinnerlichen öffentlich kollektiv erlebte Ereignisse, die in spezifischer Weise für den Bestand politischer Systeme von großer Bedeutung waren oder noch sind. Diese relativ weit gefaßte Umschreibung meint den Rückbezug auf Vergangenes schlechthin, sofern unter dieser Rekurrierung Schlüsseler-eignisse oder -erfahrungen verstanden werden, die aus Legitimitätsgründen für die Stabilität und Bestandswahrung herangezogen werden. Unter dem Begriff der Legitimität subsumiert sich die Auffassung von der Rechtmäßigkeit politischer Gemeinwesen, die primär auf einem Ensemble allgemein anerkannter Wertüberzeugungen und Grundnormen beruht. Grundvoraussetzung von Legitimität ist das Vorhandensein bzw. die Erzeugung und Sicherung von Massenloyalität, die -abstrakt gesprochen -„persönliche Bindungen der breiten Bürgerschaft an politische Objekte (bezeichnet)“ Aus diesem Verständnis heraus gehören politische Gedenktage zu jenen staatlichen Ausdrucksmitteln, welche die „die Gemeinschaft tragenden Ideen zur Anschauung bringen“ und gemeinhin als Nationalsymbole bezeichnet werden.

Politische Gedenktage gelten als verdichtete Symbole die mit situativen Kontexten verknüpft sind, Emotionen hervorrufen und als politische Darstellungen verstanden werden können, mit deren Hilfe komplexe Sinnzusammenhänge reduziert, konstruiert und vermittelt werden. Besonderes Merkmal politischer Gedenktage ist der ihnen zugrundeliegende ritualisierte Charakter, der sich zum einen durch die jährliche oder zumindest regelmäßige Wiederkehr und zum anderen durch ein Raster mehr oder weniger klar formalisierter Ablaufformen und Konventionen zu erkennen gibt. Zentrale Elemente dieser Ritualisierung sind hierbei die in staatlichen Gedenkfeiern proklamierten Botschaften, die in Form von Ansprachen und Reden eine breite öffentliche Vermittlung finden sollen. Die wichtigsten politischen Funktionen, die National-feier-und Gedenktage erfüllen sollen, sind: Staats-integration, Identifikation mit dem politischen System, Konsensstiftung, Erschaffung von Massen-loyalität und Stabilitätssicherung. Daher liegt es nahe, politische Gedenktage und das gesamte Ensemble politischer Symbolik in das Feld der politischen Kultur(-forschung) zu verorten. Nach Peter Reichel kann „Politische Kultur ... als eines von mehreren Medien der Vermittlung zwischen Individuum und Herrschaftssystem begriffen werden“ Da in ihr verschiedene Kommunikationsströme fließen, die zwischen politisch-administrativem und soziokulturellem System bestehen, handelt es sich bei politischer Kultur „um den Habitus, mit dem politische Realität interaktiv und kommunikativ konstruiert wird“ Diesem ursächlichen Zusammenhang folgend, versucht das Analysekonzept „Politische Kultur“ vorrangig die subjektiven Dimensionen zu erfassen, die die gesellschaftlichen und kulturellen Grundlagen eines politischen Systems beeinflussen und bestimmen: „also seine Einbettung in einen historisch wandelbaren Kontext von national-, regional-, klassen-bzw. gruppen-und generationsspezifischen Orientierungs-und Verhaltensmustern“ Karl Rohe ergänzt den Begriff der politischen Kultur dahingehend, daß unter ihr „ein mit anderen geteiltes politisches Weltbild zu verstehen ist, das einen sichtbaren Ausdruck gefunden hat“

Komplexe politische Symbole wie Gedenktage nehmen in diesem spannungsreichen Wechselbezug bei der Sichtbarmachung politischer Kultur eine zentrale Stellung ein, indem sie zu einer „Verdeutlichung der politischen Basiskonzepte und Basisregeln eines politischen Gemeinwesens“ beitragen. Letztlich geht es also um die Produktion von Deutungsangeboten auf seiten politischer Akteure, die der Darstellung und Vermittlung historisch-politischer „Sinnstiftung“ dienen und neben der bereits erwähnten Konsensstiftung und Loyalitätsbeschaffung vor allem auch eine Simplifizierung des hyperkomplexen Gegenstandes „Politik“ vornehmen.

Darüber hinaus werden politische Gedenktage zur Bündelung von in der Gesellschaft individualisiert und differenziert ausgeprägten Geschichtsvorstellungen und -deutungen herangezogen. „Mehr als bloßes Wissen oder reines Interesse an der Geschichte, umgreift Geschichtsbewußtsein den Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive.“ Geschichtsbewußtsein spiegelt per definitionem die Gesamtheit individueller Erfahrungsweisen wider und ist daher gekennzeichnet durch ein ausgedehntes, zuweilen widersprüchliches Spektrum an Deutungsmustern, Inhalten und Reflexionsgraden Soll Geschichtsbewußtsein die ihm mithin zugesprochene herrschaftsbewahrende Funktion erfüllen, so muß eine Reduktion und Fokussierung dieser innerhalb einer Gesellschaft auseinander-driftenden und teilweise überlappenden „Geschichtsbilder“ erfolgen. Prononciert bedeutet das die Transformation des individuell ausgeprägten in ein kollektives Geschichtsbewußtsein. Dies kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, so auch durch politische Gedenktage. „An Symbolen, Bildern, Geschichtsvorstellungen wird die Gleichheit der Erfahrungen festgemacht; so ruht Geschichtsbewußtsein auf einem im emotionellen Bereich wurzelnden Gemeinschaftsverständnis ... Rationaler vermittelt sich das Legitimationsbedürfnis: durch argumentierenden Nachweis historischer Berechtigungen und Ansprüche, durch Aufbau von Kontinuitätsbehauptung, durch Analogieschlüsse, durch interessierte Sinngebungen historischer Verläufe.“ Aus diesen Überlegungen heraus kann Geschichtsbewußtsein als eine zentrale, die politische Kultur stark determinierende Kategorie und als ein „gedankliches Konstrukt“ aufgefaßt werden, das ganz allgemein zur Konstituierung von Politik beiträgt.

Obwohl politische Gedenktage unter günstigen Rahmenbedingungen sehr wohl ihrer Funktion als gesellschaftliche Integrationsinstrumente gerecht werden können, unterliegen sie engen Grenzen. In demokratischen Gemeinwesen sind sie nämlich -das zeigt beispielsweise die Erfahrung mit dem 17. Juni -oftmals eine Gratwanderung zwischen aktiver und passiver Unterstützung, Ablehnung aus Desinteresse oder sogar Widerspruch. Politische Gedenktage als „staatsintegrierendes“ Mittel repräsentativ-demokratischer Systeme scheinen einen ausgesprochen ambivalenten Charakter in sich zu tragen. Sie verfehlen dann ihre zentrale Intention, wenn der sie charakterisierende Identifikationswert aus „zunehmender zeitlicher und politischer Distanz seine Aussagekraft verliert“ und somit einer irreversiblen Erosion ausgesetzt ist. Da Gesellschaften sich in einem permanenten Wandel befinden, liegt es nahe, daß die jeweiligen Repräsentanten politischer Systeme diesem Phänomen Rechnung tragen und aus dem Repertoire möglicher Gedenktage diejenigen zur öffentlichen Disposition stellen, die einen gesteigerten Identifikationswert, zumindest aber ein starkes Bedürfnisinteresse, sich mit dem dahinterstehenden Ereignis auseinanderzusetzen, vermuten lassen. In diesem Sinne tragen Gedenkund Jahrestage zu einer Vorstrukturierung öffentlicher Erinnerung bei, die die politische Kultur stark determiniert.

Abgesehen von den vorrangig zu politischen Zwecken verwendeten Vergangenheitsbezügen, die mittels politischer Gedenktage öffentlich dargestellt und vermittelt werden, läßt sich noch ein weiterer Bezugsrahmen eruieren, der Geschichte gleichfalls „gesellschaftsfähig“ zu machen scheint: ihre Eingliederung in einen professionalisierten Kulturbetrieb. So findet eine kulturpolitische Verortung von Geschichtlichem neuerdings unter dem Signet „Geschichtskultur“ verstärkte Beachtung. Darunter kann „eine Sammelbezeichnung für höchst unterschiedliche, sich ergänzende oder überlagernde, jedenfalls direkt oder indirekt aufeinander bezogene Formen der Präsentation von Vergangenheit in der Gegenwart“ verstanden werden, sie vereinigt „Elemente von Wissenschaft, Politik und Kunst... in der gemeinsamen Bezugsgröße Geschichte“ Dies bezieht sich sowohl auf die zunehmende Musealisierung von Geschichte als auch auf den beträchtlichen Reigen historischer Jahrestage

III. Politische Gedenktage im historischen Wandel: Kaiserreich, Weimarer Republik und Nationalsozialismus

Das am 18. Januar 1871 proklamierte Deutsche Kaiserreich hatte zwei Gedenktage nationalen bzw. nationalistischen Charakters: den Sedantag und die Geburtstage der Kaiser. Der Geburtstag Wilhelms I. fiel auf den 22. März und wurde bis zu seinem Tod im Jahre 1888 gefeiert. An dessen Stelle folgte der Geburtstag Wilhelms II., der auf den 27. Januar fiel. Der Sedantag erinnerte ip Form nationaler Feierlichkeiten an den Tag der Gefangennahme des französischen Kaisers Napoleon III. bei Sedan am 2. September 1870 und symbolisierte alljährlich nicht nur den Sieg über Frankreich, sondern auch die damit verbundene Reichsgründung. Vor allem unter der Regierung Wilhelms II. verlor der Sedantag nach und nach den Charakter eines Volksfestes, zumal sämtliche Initiativen zu den Feierlichkeiten von offizieller Seite ausgingen. „Die sogenannten Nationalfeiertage des Kaiserreichs erwiesen sich mit zunehmender Dauer ... als inszenierte Veranstaltungen des Staates, die ganz bewußt auf völlige Integrationswirkung verzichteten. Als Nationalfeiertage, die der Selbstdarstellung des Staates nach innen und außen dienten, waren der Sedantag und die Kai" sergeburtstage immer wieder Tage der politischen Konfrontation.“ Trotzdem wurden durch diese Feiertage nationalistische Kräfte unterschiedlicher Couleur geschürt und zusammengeführt: bürgerliche Nationalbewegung und national-liberale Elemente. Dieser Reichs-und Kaiserkult, der 1913 in einem ganzen Tableau historischer Gedenkfeiern seinen Ausdruck fand und im Kern „das gemeinsame, öffentlich zelebrierte Bekenntnis zu nationalen und machtstaatlichen Wertmustem“ widerspiegelte, „enthielt emotionale Bindekraft und stiftete Konsensus“ Somit trug der monarchisch überhöhte Reichskult zu einer politischen Mentalität bei, die dem Ersten Weltkrieg ein knappes Jahr später eine weit verbreitete Zustimmung entgegenbrachte. Die Weimarer Republik stand von Anfang an auf weitaus unstabilerem Fundament als das Kaiser-reich. In Anbetracht einer in politische Teilkulturen zersplitterten Republik schienen daher die Möglichkeiten sehr begrenzt zu sein, sich auf übergreifende Identifikationssymbole wie nationale Gedenktage zu einigen, die einer zunehmenden „Fragmentierung der Gesellschaft“ entgegenwirken konnten. Nach langwierigen Auseinandersetzungen und Verhandlungen kam man überein, den Tag des Inkrafttretens der Weimarer Verfassung, den 11. August, als Nationalfeiertag festzusetzen. Erst 1921 fand die erste Verfassungsfeier in bewußt zurückhaltender Form statt. Bis 1929/30 wuchs der Umfang jedoch an, um diesem nationalen Gedenktag „ein mehr volkstümliches Gesicht“ zu verleihen. Trotzdem blieb der 11. August die ganze Zeit über umstritten. Als weiterer politisch motivierter Feiertag etablierte sich seit Mitte der zwanziger Jahre der Volkstrauertag, der republikweit am 2. Fasten-Sonntag (Reminiscere) begangen wurde und die Erinnerung an die Folgen des Ersten Weltkrieges wach-halten sollte

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich das Erscheinungsbild der National-feier-und Gedenktage total. Obwohl bewußt an Fest-und Feiertraditionen angeknüpft wurde, erfolgte eine gezielte Ausrichtung auf die nationalsozialistische Weltanschauung. Der l. Mai seit 1933 als „Feiertag der Nationalen Arbeit“ geschickt für die innere Formierung und spätere Konsolidierung der NS-Herrschaft instrumentalisiert, machte hierbei den Anfang. „Zusehends als gegenkirchliches Programm entwickelt“ stellte das NS-Feierjahr eine mächtige und viele Lebensbereiche involvierende Institution dar, mit der das NS-Regime „Volksgemeinschaft“ und Personenkult zur Darstellung bringen konnte und somit zu einer wirkungsvollen Selbstinszenierung gelangte. Neben dem 1. Mai galten als Nationalfeiertage der „Heldengedenktag“ und der „Emte-danktag“, der Anfang Oktober den Feierkalender schmückte. Die Bezeichnung Heldengedenktag deutete den Volkstrauertag an sich schon ideologisch um; er erfuhr im Frühjahr 1939, ein halbes Jahr vor dem deutschen Überfall auf Polen, eine weitere Modifizierung. Am 16. März wurde er nun „Jahrestag der allgemeinen Wehrpflicht“ und am 9. November „Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung“ genannt. Zudem existierten eine ganze Reihe von Gedenk-und Ehrentagen, die neben den erhaltenen kirchlichen Feiertagen das NS-Feierjahr ausstaffierten

IV. Die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR bis 1989

Nach dem Zusammenbruch des NS-Systems bildete sich in beiden deutschen Staaten eine diametrale „Gedenkkultur“ aus, die auch in Gestalt politischer Gedenktage ihren Ausdruck fand. Abgesehen vom l. Mai, der als internationaler Kampftag der Arbeiterbewegung seine eigentliche Bedeutung zurückerlangte, entstand in der Bundesrepublik Deutschland ein Spektrum von Gedenktagen, das grob in drei Kategorien eingeteilt werden kann: Gedenktage, die die deutsche Teilung widerspiegeln (17. Juni/13. August, Tag des Mauerbaus), Tage der eigenen (teil) -staatlichen Identität (z. B. 23. Z 24. Mai, Verkündung bzw. Inkrafttreten des Grundgesetzes) und Tage, die an die beiden Weltkriege und die NS-Herrschaft (v. a. Volkstrauertag/20. Juli, Attentat auf Hitler) erinnern sollten.

Der 17. Juni erinnert an den Arbeiteraufstand 1953 in der DDR dem binnen weniger Stunden politische Forderungen wie Öffnung der Zonengrenzen, Befreiung politischer Gefangener und freie Wahlen folgten, der aber kurze Zeit später durch sowjetisches Militär brutal zerschlagen wurde. Er war als „Tag der deutschen Einheit“ seit 1954 der offizielle Staatsfeiertag der Bundesrepublik. Unter der Initiative Herbert Wehners forcierte die SPD binnen weniger Tage entscheidend die Diskussion um den 17. Juni als „Nationalfeiertag“, denn sie erblickte in dem von Arbeitern geführten Aufstand auch ein gut Teil ihres eigenen politischen Selbstverständnisses. Nach relativ kurzer Beratungszeit zwischen Regierungsparteien und SPD-Opposition stimmte der Bundestag am 3. Juli 1953 dem Vorhaben zu, den 17. Juni als nationalen Gedenktag gesetzlich festzulegen. Lediglich die KPD verweigerte die Zustimmung

Neben den regelmäßigen Gedenkfeiern, die auf Initiative der Bundesregierung bis 1967 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages stattfanden initiierte das überparteiliche „Kuratorium Unteilbares Deutschland“ Feierlichkeiten und Kundgebungen in größeren Städten, um die Bedeutung dieses Ereignisses auch in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen Auch die Massenmedien haben durch regelmäßige Berichterstattung versucht, dem 17. Juni ein entsprechendes Forum zu geben, wobei die „runden“ Jahrestage wie 1963, 1973, 1983 und 1988 gegenüber den „normalen“ eine weitaus größere Beachtung fanden. Seit Beginn der siebziger Jahre kam allerdings verstärkt die Forderung auf, den 17. Juni infolge seines relativ geringen Identifikationswerts als bezahlten Feiertag abzuschaffen und durch einen anderen Tag („Verfassungstag“) zu ersetzen. Dies fand jedoch nie eine politische Mehrheit. Seit den achtziger Jahren würdigte der Bundestag den 17. Juni mit einer eigenen Feierstunde, wobei die Festredner im Wechsel von den im Bundestag vertretenen Fraktionen (außer den Grünen) vorgeschlagen wurden.

Trotz derartiger Bemühungen, den 17. Juni in einer breiten Öffentlichkeit als identitätsstiftenden Gedenktag zu verankern, wurde er „zunehmend zu einer öffentlichen Kalamität“ und verlor mit zeitlichem Abstand seine politische Aussagekraft. Die ganze Zeit über trug der 17. Juni als nationaler Feiertag die „Charakterzüge eines Provisoriums“ denn viele empfanden das Gedenken an einen Aufstand, in dem andere mit hohem Einsatz ihre Freiheit und ihr Leben riskiert und verloren hatten, als ungeeignet. Hinsichtlich einer allmählich sich verändernden Beziehung zur DDR und zu den anderen Staaten des Ostblocks wirkte der 17. Juni als unzeitgemäßes Relikt des Kalten Krieges, das einer weiteren Entspannung entgegenstand

Zum 17. Juni gesellte sich mit dem 13. August zudem ein weiteres Datum, das die Zweiteilung Deutschlands noch weitaus stärker verdeutlichte. An diesem Tag im Jahre 1961 begann der Mauerbau in Berlin, dem eine menschenverachtende Grenze durch ganz Deutschland folgte und der die Zwei-staatlichkeit manifest werden ließ. Als Gedenktag erreichte der 13. August jedoch nie den Stellenwert des 17. Juni. Kränze wurden niedergelegt und Wiedervereinigungspostulate abgegeben, und 1986, zum 25. Jahrestag, fand im Berliner Reichstag eine große Gedenkstunde statt. Der 13. August krankte im Prinzip jedoch an derselben Ambivalenz wie der 17. Juni. Er gedachte eines Tages, der eine Niederlage bedeutete, mit dessen schmerzlicher Realität man sich aber arrangierte und im Innersten bereits abgefunden hatte.

Neben diesen negativen zeitgeschichtlichen Daten, die sich kaum zur Vermittlung sinnstiftender Bezüge in der Bundesrepublik Deutschland geeignet haben, wurde ab und an auch die eigene (teil) -staatliche Identität ins öffentliche Bewußtsein gerückt. Eine exponierte Stellung nahm hierbei die Verkündung bzw. das Inkrafttreten des Grundgesetzes (23. /24. Mai 1949) ein. Staatliche Feierstunden wurden 1959, 1974 und 1989 veranstaltet In den Jahren 1979, 1984 und 1989 wurde am 23. Mai die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung vollzogen, mit der sich die Bundesrepublik, quasi aus ihrer demokratischen Praxis heraus, selbst feiern konnte. Gleichwohl avancierte das vierzigjährige Bestehen der zweiten deutschen Republik zu einem Medienereignis

Die offizielle Erinnerung an die beiden Weltkriege und die nationalsozialistische Herrschaft reduzierte sich bis weit in die siebziger Jahre auf nahezu zwei Gedenktage: Volkstrauertag und 20. Juli. Der Volkstrauertag wurde auf den 2. Sonntag vor dem 1. Advent festgesetzt und knüpfte damit bewußt an die Tradition der Weimarer Republik an. Alljährlich wurde in einer vom „Volksbund Kriegsgräberfürsorge“ im Plenarsaal des Bundestages veranstalteten Feierstunde an die Opfer beider Weltkriege, die Millionen ermordeter Juden und anderer rassisch Verfolgter durch den Nationalsozialismus und auch an die Opfer in der DDR erinnert Am 20. Juli 1944 mißglückte ein von Claus Graf Schenk von Stauffenberg auf Hitler verübtes Bombenattentat, das aus militärischen Widerstands-kreisen heraus vorbereitet und durchgeführt wurde. Seit 1951 wurden jedes Jahr in Berlin an verschiedenen Orten (meistens im Bendlerblock in der Stauffenbergstraße und in der Gedenkstätte Plötzensee) -später auch in Bonn -Gedenkfeiern durchgeführt. Obwohl dieses Datum stellvertretend für den gesamten deutschen Widerstand gegen die NS-Herrschaft stehen soll wurde in den offiziellen Ansprachen tendenziell eher das Ereignis selbst und weniger das Bemühen anderer Widerstandsgruppen hervorgehoben, was mitunter zu öffentlicher Kritik herausforderte Eine eher marginale öffentliche Erwähnung fand die Erinnerung an den Holocaust, die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten oder den Zusammenbruch des NS-Systems.

Dies änderte sich allerdings in den achtziger Jahren entscheidend, denn fünf Jahrestage, die Schlüsselereignisse der NS-Herrschaft symbolisieren, wurden von den Massenmedien und von Repräsentanten des politischen Systems zum Anlaß genommen, die Geschichte der Jahre 1933-1945 in einer breiten Öffentlichkeit zu thematisieren. Dies waren der 30. Januar (50. Jahrestag der Errichtung der NS-Herrschaft; 1983), der 20. Juli (40. Jahrestag des Attentats auf Hitler; 1984), der 8. Mai (40. Jahrestag des Endes des NS und des Zweiten Weltkrieges in Europa; 1985), der 9. /10. November (50. Jahrestag der sogenannten „Reichskristallnacht“; 1988) und der 1. September (50. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen; 1989). Zentrales Kennzeichen dieser Gedenktage war auch ihre Darstellung im (öffentlich-rechtlichen) Fernsehen. Jedem Schlüsselereignis wurde eine direkt übertragene Gedenkstunde gewidmet, die in ein umfangreiches Programmangebot eingebettet war. In einer teilweise intensiv und kontrovers geführten Diskussion um die Ausdeutung der NS-Herrschaft spiegelten diese Gedenktage vor allem die Erkenntnis wider, daß die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus auch heute noch sehr stark die politische Kultur der Bundesrepublik beeinflußt Dies zeigte die öffentliche Resonanz auf die offiziellen Gedenkreden: Während die Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 8. Mai in höchsten Tönen gelobt wurde, mün-dete die Ansprache des Bundestagspräsidenten Phillipp Jenninger zum 9. /10. November in einen Eklat, der zu seinem raschen Rücktritt führte. Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, er hätte gewisse Eigenheiten einer Gedenkrede mißachtet

Ein prägnantes Kennzeichen der realsozialistischen Herrschaft der DDR war ihr ausgeprägtes Spektrum an politischen Fest-und Feiertagen, die die Bürger „in ein dichtes Netz von Ritualen, Traditionen und Bräuchen“ einbanden und „als Ersatz für jegliche Art staatsbürgerlicher Partizipation“ instrumentalisiert wurden. Aus diesem Verständnis heraus müssen sie vornehmlich als ein „Mittel zur Entpluralisierung“ der DDR-Gesellschaft verstanden werden. Wie beim NS-Feierjahr läßt sich auch hier ein Jahreszyklus an Gedenk-, Feier-und Ehrentagen erkennen, der mit dem Topos: „Ritualisierung des Jahres“ adäquat umschrieben werden kann. Die uns hier interessierenden staatlichen Feier-und Gedenktage stellten einen Fundus dar, der sich aus traditionellen Feiertagen der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung und neu erschaffenen Gedenktagen ergänzte und ein Erscheinungsbild hatte, das sich durch Umzüge, Kundgebungen, Ehrungen, Kranzniederlegungen und Militärparaden auszeichnete. Wie dem 1. Mai, der als „Internationaler Kampf-und Feiertag der Werktätigen“ den Höhepunkt der ersten Jahreshälfte bildete, kam dem 7. Oktober als Gründungstag der DDR in der zweiten Jahreshälfte eine übergeordnete Rolle im DDR-Festkalender zu. Dazu gesellten sich unter anderem der am 15. Januar liegende Gedenktag, der an die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts erinnerte, die „Woche der Waffenbrüderschaft“ vom 23. Februar bis l. März, der „Internationale Frauentag“ am 8. März, der 21. April als Gründungstag der SED, der 8. Mai als Jahrestag der „Befreiung vom Faschismus“, der „Internationale Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“ am zweiten Sonntag im September und der 7. November, der „Tag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“.

Während sich das Repertoire staatlicher Fest-und Feiertage seit den fünfziger Jahren kaum verän­ derte, vollzog sich seit den siebziger Jahren in bezug auf die Gestaltung der Rituale -insbesondere am 1. Mai und 7. Oktober -eine „Annäherung an Volkstraditionen“ Dieser Wandel hing in großem Maße mit dem immensen Anstieg von Feiern im gesellschaftlich-privaten Bereich zusammen, zu denen die zahlreichen Ehrentage der Berufsgruppen, Volks-und Heimatfeste und auch die Feiern zum Lebenszyklus -so etwa die Jugendweihe -gehörten

V. Politische Gedenktage und „Aufarbeitung“ der Vergangenheit

Als am 9. November 1989 die DDR ihre Grenze zur Bundesrepublik Deutschland öffnete, wurde damit ein Prozeß eingeleitet, der bereits ein knappes Jahr später zur politischen Vereinigung beider deutscher Staaten führte. Hinter dem 9. November verbirgt sich aber nicht nur die Überwindung der Spaltung Deutschlands und das Ende des Kalten Krieges, sondern er verweist auch auf drei Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte, die eine weitgehend negative Bedeutung in sich tragen: den 9. November 1918 (Abdankung des Kaisers), den 9. November 1923 („Hitler-Putsch“) und den 9. November 1938 („Reichskristallnacht“). Obwohl der 9. November in den ersten Monaten nach der Grenzöffnung als möglicher Nationalfeiertag eines vereinten Deutschlands in die Debatte geworfen wurde, zeichnete sich infolge der negativen Konnotationen erwartungsgemäß ab, daß dieser als Staatsfeiertag nicht in Frage kommen würde.

Im Hinblick auf die noch für das Jahr 1990 erwartete staatliche Vereinigung wurde der 17. Juni erstmalig von führenden Repräsentanten der Bundesrepublik und der DDR in einer gemeinsamen Gedenkstunde im Ostberliner Schauspielhaus gefeiert. Die „deutsche Einheit“ greifbar nahe, erfüllte die 37. Wiederkehr des nationalen Gedenktages seine ihm originäre Botschaft. Damit hatte der 17. Juni seine Schuldigkeit getan und wurde vom 3. Oktober abgelöst, dem Tag, an dem die staatliche Einheit vollzogen wurde. Im Einigungsvertragsgesetz heißt es kurz und knapp: „Der 3. Oktober ist als Tag der Deutschen Einheit gesetzlicher Feiertag.“ Die Gestaltung dieses Tages obliegt in jährlichem Wechsel dem Bundesland, das den Vorsitz im Bundesrat innehat. 1991 war dies Hamburg, 1992 Mecklenburg-Vorpommern. Der 3. Oktober 1993 wird vom Saarland durchgeführt.

Trotz aller Bemühungen bot der deutsche Einheitstag ein ambivalentes Erscheinungsbild: Während in einem offiziellen Staatsakt, der vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen wurde, von seiten hochrangiger Repräsentanten konsens-und identitätsstiftende Reden gehalten wurden, ließ der Staatsfeiertag in der breiten Öffentlichkeit eine bislang nur verhaltene Feier-und Feststimmung aufkommen Diese weitgehende Gleichgültigkeit gegenüber dem 3. Oktober hängt vorwiegend mit den erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Problemen vor allem in den neuen Bundesländern zusammen. Die Euphorie von 1990 über die staatliche Einheit ist einer teilweise bitteren Realität gewichen.

Während von den DDR-Gedenktagen kein einziger Tag in den „offiziellen“ Symbolbestand des vereinigten Deutschland integriert wurde, blieben sämtliche staatstragenden Gedenktage der alten Bundesrepublik erhalten, allen voran der 17. Juni, aber auch der 13. August, der 20. Juli und der Volkstrauertag. Sie werden bis auf absehbare Zeit die politische Kultur Deutschlands bestimmen. Zwar wurde an einzelne die NS-Herrschaft und den Zweiten Weltkrieg betreffende Ereignisse in Gedenkveranstaltungen und -reden erinnert, aber der große Aufwand, der in den achtziger Jahren zu verzeichnen war, wurde nicht betrieben. Zu nennen sind z. B.der 22. Juni 1991 (Überfall NS-Deutschlands auf die Sowjetunion vor 50 Jahren) und der 15. Februar 1993, der in einer Gedenkveranstaltung in München an die vor 50 Jahren vollzogene Hinrichtung der Geschwister Scholl erinnerte, die der Widerstandsgruppe der „Weißen Rose“ angehörten.

Der 30. Januar 1993, der den Machtantritt der Nationalsozialisten vor 60 Jahren in Erinnerung rief, wurde von offizieller Seite nicht begangen. Hingegen kam es an diesem Tag auf Initiative verschiedener politischer Gruppen in Berlin und andernorts zu „Lichterspuren und -ketten“, mit denen der „Machtergreifung“ der Nazis gedacht und ein Zeichen gegen den erstarkten Rechtsextremismus in Deutschland gesetzt werden sollte.

Seit dem Zusammenbruch der DDR kristallisierte sich in Deutschland rasch der Begriff der doppel-ten „Vergangenheitsbewältigung“ heraus; er meint im Kern die juristische, politisch-moralische und wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-und der DDR-Vergangenheit. Während der Nationalsozialismus schon weit dem erfahrungsgesättigten Bewußtsein der Bevölkerungsmehrheit entrückt ist und für viele wahrlich Geschichte geworden ist, hat die Aufarbeitung der zweiten deutschen Diktatur gerade erst begonnen. Die wesentliche Frage, die sich in bezug auf unser Thema stellt, lautet: Welche Rolle können politische Gedenktage im Rahmen dieser auf mehreren Ebenen betriebenen „Vergangenheitsbewältigung“ einnehmen?

Allgemein betrachtet, tragen politische Gedenktage nicht nur zur staatlichen Repräsentation und sinnhaften Verhaltensorientierung bei, sondern können durchaus zu einer Aufarbeitung der Vergangenheit herangezogen werden. Politische Gedenktage geben in Gestalt öffentlich institutionalisierter Erinnerung Orientierungshilfe in der relativen Unübersichtlichkeit der Zeitgeschichte und können somit zur kritischen Reflexion von Vergangenheit, die auch die strukturelle und prozeßhafte Dimension miteinbezieht, auffordern. Der Grat ist allerdings sehr schmal -Chancen, Grenzen und Gefahren liegen dicht beieinander. Wolfgang Benz und Barbara Distel haben hinsichtlich des öffentlichen Umgangs mit der NS-Zeit in beiden deutschen Staaten darauf aufmerksam gemacht, daß eine „Ritualisierung und Institutionalisierung ... das kollektive Schweigen der Mehrheit (ermöglichte), dem schließlich das Bedürfnis eines Teils der Nachgeborenen folgte, nicht mehr behelligt zu werden durch Erinnerungen an den Nationalsozialismus“

Gerade an der zur Zeit stattfindenden Diskussion um die „Neue Wache“ in Berlin, die als nationale Gedenkstätte am diesjährigen Volkstrauertag eingeweiht werden soll, läßt sich die Schwierigkeit des doppelten Gedenkens ablesen. Abgesehen von der künstlerischen Ausgestaltung der „Neuen Wache“, die einigen Widerspruch gegenüber der Planung der Bundesregierung zutage förderte, trägt vor allem der bislang in Erwägung gezogene Text: „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ die Gefahr in sich, daß die Herrschaftssysteme des NS und der DDR -zumindest tendenziell -gleichgesetzt werden sollen. Das darf jedoch nicht Sinn einer nationalen Gedenkstätte sein.

Was bleibt von der Erinnerung an das „Dritte Reich“ übrig, wenn eine Fokussierung auf den 20. Juli vorgenommen wird? Und was von der DDR-Geschichte, wenn das Gedenken sich im wesentlichen auf den 17. Juni beschränkt? Noch sind wir ein gutes Stück davon entfernt, aber nicht wenige haben immer wieder darauf hingewiesen, daß wir in einer „erinnerungsfeindlichen Zeit“ leben. Das institutionalisierte Gedenken steht einer aktiven Erinnerungsarbeit im Alltag gegenüber. Beides ist wichtig und sollte sich ergänzen. Statt über noch mehr offizielle Gedenk-und Feierstunden sollte kontrovers über Geschichtsverläufe und historische Ereignisse diskutiert werden, denn nur das impliziert, daß aus der Geschichte -vornehmlich dieses Jahrhunderts -Konsequenzen für die Gegenwart und Zukunft gezogen werden können. Für die politische Kultur eines erst allmählich zusammenwachsenden Deutschlands ist es immens wichtig, daß der kritische und differenzierte Umgang mit der „doppelten“ Vergangenheit in den Vordergrund gerückt wird. Politische Gedenktage wie der 9. November, der 8. Mai und auch der 17. Juni können als Ressource öffentlicher Erinnerung gerade im politischen Alltag dazu beitragen und Signale gegen eine „Kultur des Schweigens“ sein.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Volker Ackermann, Nationale Totenfeiern in Deutschland von Wilhelm I. bis Franz Josef Strauss. Eine Studie zur politischen Semiotik, Stuttgart 1990; Dieter Düding/Peter Friedemann/Paul Münch (Hrsg.), öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg, Reinbek 1988; Detlev Lehnert/Klaus Megerle (Hrsg.), Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur Politischen Kultur in der Weimarer Republik, Opladen 1989; Rüdiger Voigt (Hrsg.), Politik der Symbole. Symbole der Politik, Opladen 1989.

  2. Max Kaase, Massenloyalität, in: Manfred G. Schmidt (Hrsg.), Westliche Industriegesellschaften. Wirtschaft -Gesellschaft -Politik, (Pipers Wörterbuch zur Politik, Bd. 2; hrsg. von Dieter Noblen), München 1983, S. 224.

  3. Hans Hattenhauer, Nationalsymbole, in: Werner Weidenfeld/Karl-Rudolf Körte (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Einheit, Frankfurt/M. -New York 1992, S. 500.

  4. Zum gesamten Instrumentarium politischer Symbole gehören vor allem die Nationalflagge, -hymne, aber auch Staatsbegräbnisse, Wappen, Ehrungen, Mahnmale, Gedenkstätten etc.

  5. Peter Reichel, Politische Kultur, in: Everhard Holtmann (Hrsg.), Politik-Lexikon, München 1991, S. 474; vgl. auch Lowell Dittmer, Political culture and political symbolism. Toward a theoretical synthesis, in: World politics, 29 (1977), S. 552-583.

  6. Andreas Dörner/Karl Rohe, Politische Sprache und Politische Kultur. Diachron-kulturvergleichende Sprachanalysen am Beispiel von Großbritannien und Deutschland, in: Manfred Opp de Hipt/Erich Latniak (Hrsg.), Sprache statt Politik? Politikwissenschaftliche Semantik-und Rhetorikforschung, Opladen 1991, S. 40.

  7. P. Reichel (Anm. 5).

  8. Karl Rohe, Politische Kultur und ihre Analyse. Probleme und Perspektiven der politischen Kulturforschung, in: Historische Zeitschrift, 251 (1990), S. 337.

  9. Ders., Politische Kultur und der kulturelle Aspekt von politischer Wirklichkeit. Konzeptionelle und typologische Überlegungen zu Gegenstand und Fragestellung Politischer Kultur-Forschung, in: Dirk Berg-Schlosser/Jakob Schissler (Hrsg.), Politische Kultur in Deutschland. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Opladen 1987, S. 42.

  10. Karl-Ernst Jeismann, Geschichtsbewußtsein, in: Klaus Bergmann/Annette Kuhn/Jörn Rüsen/Gerhard Schneider (Hrsg.), Handbuch der Geschichtsdidaktik, Düsseldorf 1985 , S. 40.

  11. Vgl. K. -E. Jeismann, ebd.; vgl. auch Hans-Jürgen Pan-del, Dimensionen des Geschichtsbewußtseins. Ein Versuch, seine Struktur für Empirie und Pragmatik diskutierbar zu machen, in: Geschichtsdidaktik, 2 (1987), S. 130-142.

  12. K. -E. Jeismann (Anm. 10).

  13. Werner Weidenfeld, Geschichte und Politik, in: ders. (Hrsg.), Geschichtsbewußtsein der Deutschen. Materialien zur Spurensuche einer Nation, Köln 1987, S. 13.

  14. Detlev Lehnert/Klaus Megerle, Politische Identität und nationale Gedenktage, in: dies. (Anm. 1), S. 12.

  15. Wolfgang Hardtwig, Geschichtskultur und Wissenschaft, München 1990, S. 8f.

  16. Jörn Rüsen, Für eine Didaktik historischer Museen. Gegen eine Verengung im Meinungsstreit um die Geschichtskultur, in: Geschichtsdidaktik, 3 (1987), S. 269.

  17. Neben vielen historischen Ausstellungen sei vor allem an die beiden Museumsneugründungen in den achtziger Jahren erinnert: das Deutsche Historische Museum in Berlin und das Haus der Geschichte der Bundesrepublik in Bonn.

  18. Vgl. Wolfgang Hardtwig, Die Sehnsucht nach Größe. Über das intensive Bedürfnis, historische Jahrestage zu feiern, in: ders. (Anm. 15).

  19. Fritz Schellack, Sedan-und Kaisergeburtstagsfeste, in: D. Düding/P. Friedemann/P. Münch (Anm. 1), S. 294.

  20. Wolfram Siemann, Krieg und Frieden in historischen Gedenkfeiern des Jahres 1913, in: D. Düding/P. Friedemann/P. Münch (Anm. 1), S. 316.

  21. D. Lehnert/K. Megerle (Anm. 1), S. 22.

  22. Fritz Schellack, Nationalfeiertage in Deutschland von 1871 bis 1945. Frankfurt/M. -Bern-New York-Paris 1990, S. 356.

  23. Vgl. Hans Hattenhauer, Deutsche Nationalsymbole. Zeichen und Bedeutung, München 1984, S. 122; vgl. auch F. Schellack (Anm. 22), S. 231-247 u. 266-276.

  24. In der Weimarer Republik wurde der l. Mai, der seit 1890 den internationalen Kampftag der Arbeiterbewegung darstellte, lediglich 1919 landesweit als Feiertag begangen; vgl. H. Hattenhauer, ebd., S. 112f.

  25. H. Hattenhauer (Anm. 3), S. 505.

  26. Vgl. zum begrifflichen Verständnis und zur theoretischen Einordnung Gerhard Göhler, Soziale Institutionen -politische Institutionen. Das Problem der Institutionentheorie in der neueren deutschen Politikwissenschaft, in: Wolfgang Luthardt/Arno Waschkuhn (Hrsg.), Politik und Repräsentation. Beiträge zur Theorie und zum Wandel politischer und sozialer Institutionen, Marburg 1988, S. 13-28.

  27. Vgl. Peter Reichel, Der schöne Schein des Dritten Reiches. Faszination und Gewalt des Faschismus, München-Wien 1991.

  28. Dazu gehörten: „Tag der Machtergreifung“ (30. Januar), „Tag der Verkündung des Parteiprogrammes“ (24. Februar), „Verpflichtung der Jugend“ (Letzter Sonntag im März), „Geburtstag des Führers“ (20. April), „Muttertag“ (ein Sonntag im Mai), „Sommersonnenwende“ (21. Juni), „Reichsparteitag“ (erste Septemberhälfte), „Wintersonnenwende“ (21. Dezember und Weihnachten), vgl. H. Hatten-hauer (Anm. 23), S. 128f.

  29. Vgl. zum Ereignis Arnulf Baring, Der 17. Juni 1953, Stuttgart 19832; Ilse Spittmann/Karl Wilhelm Fricke (Hrsg.), 17. Juni 1953. Arbeiteraufstand in der DDR, Köln 1982.

  30. Vgl. Ilse Spittmann, Tag der deutschen Einheit, in: W. Weidenfeld/K. -R. Körte (Hrsg.) (Anm. 3), S. 660.

  31. Vgl. Theodor Graf von Finckenstein, Sind unsere Staatsfeiem auf Moll gestimmt? Versuch einer Bilanz der Bonner Staatspraxis 1949-1979, in: Das Parlament vom 19. Januar 1980, S. 16.

  32. Vgl. Alois Friedei, Deutsche Staatssymbole. Herkunft und Bedeutung der politischen Symbolik in Deutschland, Frankfurt/M. -Bonn 1968, S. 88.

  33. Lutz Niethammer, Wir wollen nicht mehr Sklaven sein, Kollegen, reiht euch ein!, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. November 1990, S. 36.

  34. D. Lehnert/K. Megerle (Anm. 1), S. 22.

  35. Vgl. I. Spittmann (Anm. 30), S. 666.

  36. Vgl. T. G. v. Finckenstein (Anm. 31).

  37. Vgl. Wolfgang Becker/Siegfried Quandt, Das Fernsehen als Vermittler von Geschichtsbewußtsein. 1989 als Jubiläumsjahr, Bonn 1991.

  38. Vgl. H. Hattenhauer (Anm. 23), S. 134f.; A. Friedei (Anm. 32), S. 90.

  39. Vgl. A. Friedei (Anm. 32), S. 86.

  40. Vgl. Informationszentrum Berlin/Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Hrsg.), Der 20. Juli 1944. Reden zu einem Tag der deutschen Geschichte, 2 Bde., Berlin 1984/86.

  41. Vgl. Dietmar Schirmer, Strukturen und Mechanismen einer deformierten Wahrnehmung. Der 8. Mai und das Projekt „Vergangenheitsbewältigung“, in: Helmut König (Hrsg), Politische Psychologie heute, Opladen 1988, S. 190-208.

  42. Vgl. Dietmar Schiller, Noch einmal: Politische Gedenktage zum Nationalsozialismus im Fernsehen, in: medium, (1993) 3 (i. E.).

  43. Detlev Kraa, Sozialistische Rituale und kulturelle Über-lagerung in der DDR, in: R. Voigt (Anm. 1), S. 198.

  44. Ralf Rytlewski/Detlev Kraa, Politische Rituale in der UdSSR und der DDR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3/87, S. 47.

  45. Ralf Rytlewski/Birgit Sauer, Die Ritualisierung des Jahres. Zur Phänomenologie der Feste und Feiern in der DDR, in: W. Luthardt/A. Waschkuhn (Anm. 26), S. 265-285.

  46. Vgl. ebd., S. 271-273.

  47. Ebd., S. 282.

  48. Vgl. ebd., S. 282."

  49. Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands -Einigungsvertragsgesetz -und der Vereinbarung vom 18. September 1990; Bundesgesetzblatt, 1990, Teil II: S. 890.

  50. Dies war der Grundtenor der Berichterstattung in der Presse in den Jahren 1991 und 1992.

  51. Vgl. zur Begriffsklärung z. B. Christoph Klessmann, Das Problem der doppelten „Vergangenheitsbewältigung“, in: Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, (1991) 12, , S. 1099-1105; Peter Dudek, „Vergangenheitsbewältigung“. Zur Problematik eines umstrittenen Begriffs, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 1-2/92, S. 44-53; Herbert Obenaus, Stasi kommt -Nazi geht?, in: Die Zeit vom 31. Juli 1992, S. 40; Jürgen Habermas, Bemerkungen zu einer verworrenen Diskussion. Was bedeutet „Aufarbeitung der Vergangenheit“ heute?, in: Die Zeit vom 3. April 1992, S. 82-84.

  52. Wolfgang Benz/Barbara Distel, Editorial, in: dies. (Hrsg.), Erinnern oder Verweigern -Das schwierige Thema Nationalsozialismus, (Dachauer Hefte, Nr. 6), Dachau 1990, S. lf.

  53. Gemeint ist hier vor allem die Diskussion um die Käthe-Kollwitz-Plastik „Pieta“, die, mehrfach vergrößert, den Innenraum der „Neuen Wache“ ausfüllen soll; vgl. z. B. Lutz Hoyer, Streit um die Neue Wache, in: Berliner Zeitung vom 26. März 1993, S. 29.

  54. Vgl. Walter Jens, Ort der Handlung ist Deutschland. Reden in erinnerungsfeindlicher Zeit, München 1981, Vorwort.

Weitere Inhalte

Dietmar Schiller, Dipl. -Pol., geb. 1965; Studium der Politik-und Medienwissenschaft in Berlin; Doktorand am Fachbereich Politische Wissenschaft der FU Berlin zum Thema „Politikpräsentation und Staatsdarstellung im Fernsehen“. Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Sammelbänden zu Themen der Zeitgeschichte, Medienentwicklung und Rechtsextremismus.