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Die Europäische Union und dieVerfassung derDeutschen | APuZ 28/1993 | bpb.de

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APuZ 28/1993 Die Europäische Union und dieVerfassung derDeutschen Europäische Union: Erfüllung des Grundgesetzes Verwirklichung der Europäischen Währungsunion Europa nach Maastricht -Die Skepsis bleibt

Die Europäische Union und dieVerfassung derDeutschen

Karl Albrecht Schachtschneider

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Zusammenfassung

Die Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion in der Verfassung des Vertrages von Maastricht schafft einen Gemeinschaftsstaat, der ohne neue Verfassung die Freiheit der Deutschen verletzt, weil ihnen weitestgehend die Gesetzgebung aus der Hand genommen wird. Das demokratische Defizit der Gemeinschaftsrecht-setzung kann nur dadurch behoben werden, daß die wesentlichen politischen Entscheidungen der Zustimmung der Legislativen der Völker, insbesondere also auch der deutschen Parlamente, bedürfen. Die exekutivische Gesetzgebung der Gemeinschaft hat eine parteienstaatliche Legitimation. Das Grundgesetz verfaßt aber eine Republik. Ohne freiheitlichen Parlamentarismus schaffen Gesetze kein Recht. Ohne Recht ist die Würde der Menschen verletzt. Die gesetzgeberischen Änderungen des Grundgesetzes im Dezember 1992 wandeln das republikanisch verfaßte Deutschland in einen unterstaatlichen Teil eines Gemeinschaftsstaates, dessen zentralistischer Oberstaat von den parteilichen Führern der Völker beherrscht wird. Noch kann das Bundesverfassungsgericht den Umsturz verhindern.

I. Der bedenkliche Vertrag von Maastricht

Der Vertrag über die Europäische Union, der Vertrag von Maastricht, ist mit den in Art. 20 verankerten fundamentalen Prinzipien des Grundgesetzes, nämlich denen der demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderalen Staatlichkeit der Deutschen, unvereinbar. Er nimmt dem Selbstbestimmungsrecht der Deutschen, einem durch Art. 1 Abs. 2 GG garantierten Menschenrecht, wesentliche Substanz Er verletzt durch die Mißachtung dieser, durch Art. 79 Abs. 3 GG jeder gesetzgeberischen Verfassungsänderung entzogenen Grundsätze jeden Deutschen in seiner politischen Freiheit, die Wesensgehalt der nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG unantastbaren Menschenwürde ist

Der Vertrag ändert das gemeinsame Leben in den Völkern der Gemeinschaft grundlegend. Das Verfahren, in dem der Vertrag von Maastricht gesetzgeberisch durchgesetzt wurde, ist der vorläufige Höhepunkt der Entmündigung des Volkes durch die sogenannte classa politica. Es ist bisher sogar gelungen, die Erörterung des Vertrages in den deutschen Medien weitestgehend zu verhindern. Legitimität, die aus dem öffentlichen Diskurs erwachsen kann, vermochte der Vertrag von Maastricht in Deutschland nicht zu gewinnen. Die überaus hohe Zustimmung, die der Vertrag vor allem im Bundestag, aber auch im Bundesrat gefunden hat, dekuvriert angesichts seiner schicksalhaften Bedeutung die geringe Politikfähigkeit der parteilichen Parlamentarier und Landesregierungen, die es nicht gewagt haben, Bedenken zur Geltung zu bringen, soweit sie sich überhaupt ernsthaft mit dem Vertrag auseinandergesetzt haben. Der Vertrag darf nicht zur Geltung kommen, weil das der Verfassung der Deutschen, der Freiheit, widerspräche. Eine andere Verfassung der Grundsätze des gemeinsamen Lebens in Deutschland, als sie im Grundgesetz steht, kann rechtens nicht der verfassungsändemde Gesetzgeber, mit welcher Mehrheit auch immer, beschließen. Er hat das jedoch durch einen Europaartikel, nämlich Art. 23 GG, und durch die Änderung bzw. Neufassung der Art. 28, 45, 52 und 88 GG im Dezember 1992 versucht, um das Grundgesetz zur Verwirklichung eines vereinten Europas für eine Europäische Union, die insbesondere den Grundprinzipien des Art. 20 GG genügt, zu öffnen. Die Abs. 2 und 7 des Art. 23 GG n. F. regeln die Mitwirkung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Weise, daß die Bundesregierung Stellungnahmen der beiden Häuser bei den Verhandlungen zu „berücksichtigen“, in spezifischen Ländersachen die des Bundesrates „maßgeblich zu berücksichtigen“ hat.

Dieses verfassungsändernde Gesetz zeigt, daß es der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat zweifelhaft erschienen sein muß, ob Art. 24 Abs. 1 GG, der es erlaubt, Hoheitsrechte auf „zwischenstaatliche Einrichtungen“ zu übertragen, und der bislang die deutsche Rechtsgrundlage für die Gemeinschaftsverträge war, ausgereicht hätte, um die Europäische Union in der Form des Vertrages von Maastricht als einen Schritt zum vereinten Europa zu etablieren.

Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum mehren sich die Stimmen zur Verfassungsproblematik einer Geltung des Vertrages von Maastricht in Deutschland. Durchgehend werden Bedenken geäußert Manche halten den Vertrag trotz der Än-derung des Grundgesetzes für verfassungswidrig. Im Folgenden wird nur eine, die grundsätzlichste, Problematik erörtert, die der Vertrag über die Europäische Union in Deutschland aufwirft, nämlich seine Unvereinbarkeit mit einer Verfassung der Freiheit, wie der des Grundgesetzes, die logisch eine demokratische, rechtsstaatliche, soziale Staatlichkeit verfaßt. Diese ist die Staatlichkeit der Deutschen, die im übrigen nach dem Grundgesetz und der deutschen Geschichte gemäß föderal sein soll

II. Die Republik als Form der Freiheit

1. Die politische Freiheit unter dem Grundgesetz Die fundamentalen Grundsätze des Grundgesetzes bilden als Verfassung der Deutschen eine Einheit. Sie verkörpern die Freiheit der Deutschen in einer Weise, welche der republikanischen Tradition Europas, geprägt durch das Ideal der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, enspricht. Dieses Ideal wird von der grundgesetzlichen Verfassung geradezu vorbildlich verwirklicht, weil diese der Konzeption des großen Lehrers der Freiheit Immanuel Kant, dem Schüler J. J. Rousseaus, folgt. Der grundgesetzliche Freiheitsbegriff erschließt sich aus dem kategorischen Imperativ, dem Sittengesetz, welches Art. 2 Abs. l GG, der unantastbaren Würde des Menschen und der Logik der allgemeinen Freiheit gemäß, als die Ethik des Grundgesetzes bestimmt

Grundprinzip der Verfassung der Deutschen ist darum die politische Freiheit aller Bürger, d. h. das Recht, in einem bürgerlichen Gemeinwesen, in einem Staat des Rechts, zu leben, dessen Gesetze dadurch Recht sind, daß sie allgemein sind. Allgemeine Gesetze setzen die Gesetzgeberschaft aller Bürger voraus, welche durch die Vertreter des Volkes in den Organen der Gesetzgebung verwirklicht werden soll. Deren Gesetzgebungsbeschlüsse schaffen aber nur Recht, wenn die Abgeordneten das Volk in dessen Sittlichkeit repräsentieren, d. h. bemüht sind, das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit zu erkennen. Die Verbindlichkeit dieser Erkenntnisse ist der verfaßte Wille des Volkes. Der Rechtsstaat hängt somit von der Moralität der Vertreter des Volkes ab und setzt darum, wie es Art. 38 Abs. 1 GG klarstellt, die Unabhängigkeit der Abgeordneten von besonderen, parteilichen Interessen voraus, damit sie dem jeweils besten Argument in der Sache folgen können. Der Staat des Rechts erfordert aber auch die allgemeine öffentliche Diskussion der Gesetze, den politischen Diskurs des Volkes, weil anders die äußere Freiheit als die Unabhängigkeit von der nötigenden Willkür eines anderen Schaden nehmen würde. Wenn auch die parlamentarische Repräsentation republikanisch der plebiszitären Gesetzgebung aus Grün-den des bestmöglichen Rechtserkenntnisverfahrens überlegen ist, so darf doch die Repräsentation nicht zu irgendeiner Art der Bevormundung entarten. 2. Das Kantische Autonomieprinzip des Grundgesetzes Frei ist nur, wer sich selbst die Gesetze gibt. Das lehrt das Autonomieprinzip Kants. Darum ist die Menschenwürde das oberste Prinzip des Grundgesetzes, darum ist die Freiheit in Art. 2 Abs. 1 GG durch das Sittengesetz definiert und darum geht nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke aus. Die Verfassung der Staatsgewalt zum einen und die Grundrechtsverfassung zum anderen lassen sich unter dem Grundgesetz nicht liberalistisch in die eines herrschenden Staates und in die einer in begrenzter Privatheit (sogenannter Freiheitsraum) geschützten Gesellschaft trennen. Vielmehr verfaßt das Grundgesetz die Freiheit allgemeiner Staatlichkeit und gesetzlich bestimmter Privatheit der Bürger. Das Grundgesetz ist eine Verfassung der Freiheit, nicht eine der Herrschaft. Der Staat freier Bürger ist nach Kant die „Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“, also eine Rechtsgemeinschaft. Ein herrschaftliches Gemeinwesen ist im Sinne einer menschenwürdigen Gemeinschaft kein Staat, weil die Gesetze kein Recht als Verwirklichung der allgemeinen Freiheit schaffen, sondern eine Despotie, die aufklärerisch sein mag, aber nicht aufgeklärt ist. Im Sinne der Freiheit ist nur die Republik, der Rechtsstaat, Staat. Weil das Grundgesetz eine solche Republik verfaßt, macht die Republikwidrigkeit des Vertrages von Maastricht die Verletzung der deutschen, nämlich der republikanischen Staatlichkeit aus. Ein Völkerrechtssubjekt Staat nach der Drei-Elemente-Lehre (Volk, Gebiet, Gewalt) kann als Republik oder anders, also aus republikanischer Sicht als Despotie, verfaßt sein. Deutschland verliert durch den Vertrag von Maastricht nicht seine Völkerrechtssubjektivität und damit nicht seine völkerrechtliche Staatsqualität. Es geht vielmehr darum, ob Deutschland ein freiheitliches Gemeinwesen bleibt, also ein Staat des Rechts, eine Republik. Das hängt von der Freiheitlichkeit der Gesetze ab. Diese und damit die Verfassung der Deutschen ist im Kem verletzt, wenn die Methoden der Gemeinschaft die des aufgeklärten Despotismus bleiben, auf dessen Ende Jacques Delors jüngst in dieser Zeitschrift Hoffnung gemacht hat 3. Res publica res populi Die Gesetzgebungs-, die Verwaltungs-und die Rechtsprechungshoheit müssen in der Hand des deutschen Volkes bleiben. Das ist die Logik des Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG, der eine einheitliche deutsche Staatsgewalt verfaßt Die drei staatlichen Funktionen müssen, wenn nicht durch das Volk selbst, durchgehend durch demokratisch legitimierte Vertretungsorgane des Volkes ausgeübt werden (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) Die res publica muß bestmöglich res populi sein. Die liberalistische Lehre der Trennung des Staates von der Gesellschaft hat auch ihre gemeinschaftsrechtlichen Auswirkungen in der Lehre, die Gemeinschaftsgewalt sei eigenständig, originär oder irgendwie autonom All diese Lehren verkennen die republikanische Einheit des Volkes und der organschaftlichen Volksvertretung, der Staatsgewalt, sei diese national oder international.

Die allgemeinen Gesetze müssen ohne Einschränkung Gesetze aller sein, d. h. Gesetze, die von den Vertretern all derer beschlossen werden, für die die Gesetze Verbindlichkeit erlangen. Die Bürger müssen in der Gesetzgebung bestmöglich repräsentiert werden. Das vermag nur ein echtes Parlament zu leisten, ein Parlament aus Abgeordneten, die uneingeschränkt dem ganzen Volk verpflichtet sind. Ein parteienstaatliches Parlament hat keine freiheitlich-demokratische, also republikanische, sondern allenfalls eine plebiszitär-caesaristische, also akklamativ-führerschaftliche Legitimation. Art. 21 GG rechtfertigt den plebiszitären Parteienstaat nicht. Vielmehr verletzt der Parteienstaat das republikanische Parlamentsprinzip des Art. 38 Abs. 1 GG. Ohne Moralität der Abgeordneten im Sinne der formalen Sittlichkeit des kategorischen Imperativs ist ein Parlamentarismus nicht freiheitlich und damit nicht republikanisch. Die Gesetze, die ein parteienstaatliches Parlament beschließt, leiden unvermeidlich an einem legitimatorischen Defizit. Dieses wird in hohem Maße durch eine Verfassungsrechtsprechung kompensiert, wenn und weildas Verfassungsgericht ausschließlich dem Recht verpflichtet ist.

Wenn die Deutschen die Gesetzgebungshoheit ab-gäben, wäre ihr Wille nicht mehr autonom. Die Deutschen wären nicht mehr frei. Einer gemeinschaftlichen Gesetzgebung mit anderen Völkern steht das grundgesetzliche Autonomieprinzip nicht entgegen, ganz im Gegenteil. Eine Gesetzgebungsgemeinschaft mit den Nachbarn wird dem gemeinsamen Leben mit diesen bestmöglich gerecht. Eine solche Gemeinschaft muß aber von jedem Volk gewollt sein. Über dessen Entscheidung gibt die Verfassung Auskunft. 1. Von zwischenstaatlichen Einrichtungen zum Gemeinschaftsstaat Das Grundgesetz sah und sieht in Art. 24 Abs. 1 GG die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen vor, nicht aber eine umfassende oder auch nur weitgehende Gemeinschaftlichkeit in Europa. Zwischenstaatliche Einrichtungen müssen, wenn sie wie die der Europäischen Gemeinschaften demokratisch defizitär sind, Ausnahmen sein Aus demselben Grund dürfen die übertragenen Hoheitsrechte die Organe der Gemeinschaft lediglich zur Ausführung der in den Gemeinschaftsverträgen verankerten Politiken ermächtigen. Diesen Grenzen genügte die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft -dem Prinzip nach jedenfalls -bis zur Einheitlichen Europäischen Akte von 1987; denn die Gemeinschaftsorgane hatten bis dahin vor allem die tatbestandlich definierten Grundfreiheiten (die Warenverkehrsfreiheit einschließlich der Zollunion, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit) und die hinreichend bestimmte Landwirtschafts-und Wettbewerbspolitik zu verwirklichen.

Das hat sich jedenfalls mit dem Vertrag von Maastricht grundlegend geändert. Dieser'Vertrag begründet nicht nur die Wirtschafts-und Währungs

III. Die freiheitliche Gemeinschaftsrechtsetzung

union, sondern der Sache nach auch eine (allerdings im Vertrag so nicht genannte) Sozialunion. Darüber hinaus überträgt er der Gemeinschaft viele neue Politiken, insbesondere die Industrie-politik, und erweitert alte Kompetenzen. Sogar die mitgliedstaatliche Haushalts-und Schuldenpolitik wird unter die Aufsicht der Gemeinschaft gestellt (Art. 104c Vertrag über die Europäische Gemeinschaft [EGV]). Nicht einmal kulturpolitische Kompetenzen vermochte sich die Gemeinschaft zu versagen (Art. 128 EGV). Seither ist jedenfalls die ehemalige Wirtschaftsgemeinschaft, die nach dem Vertrag von Maastricht denn auch Europäische Gemeinschaft heißen soll, institutionell nicht mehr zwischenstaatliche Einrichtung, sondern ein Gemeinschaftsstaat, der oberstaatlich über die verschiedenen unterstaatlichen Völker herrscht Die Staatlichkeit der Völker als deren politische Freiheit war bisher spezifisch dadurch gewahrt, daß die wesentliche Politik in den primärrechtlichen Gemeinschaftsverträgen verankert war. 2. Konsensuale Gemeinschaftsrechtsetzung Ein Volk verliert einen, wenn nicht den entscheidenden Teil seiner Staatlichkeit und damit seiner Freiheit, wenn es die Gesetzgebungshoheit in einem wesentlichen Umfang aufgibt, selbst wenn es die Verwaltungs-und die Rechtsprechungshoheit größtenteils bewahrt. Das Verfassungsprinzip freiheitlicher Staatlichkeit der Deutschen ist verletzt, wenn die wesentliche Politik durch Rechtsakte der Gemeinschaft festgelegt wird, weil und insoweit die Politik der Gemeinschaft nicht durch die Legislative der Völker und damit auch durch die deutschen Parlamente verantwortet wird. Gemeinschaftliche Rechtsakte als Gesetze aller Völker verwirklichen die allgemeine Freiheit der Unionsbürger, wenn sie denn wirkliche Gesetze des Rechts sind. Gerade der den freiheitlichen Staat bestimmende Grundsatz: res publica res populi führt zu der Lehre, daß die Rechtsgemeinschaft der Völker die eigene Staatlichkeit aller Gemeinschaftsvölker achtet. Das setzt aber voraus, daß die Völker nur an Rechtsakte gebunden werden, denen ihre Vertreter in einem freiheitlichen Verfahren zugestimmt haben.

Das Mehrheitsprinzip der Gemeinschaftsverfassung verletzt somit die nationale Staatlichkeit, es sei denn, daß es lediglich für ausführende Rechtsakte eingesetzt wird. Diese Dogmatik folgt der funktionenrechtlichen Wesentlichkeitslehre Eine Gemeinschaftsverfassung, welche die wesentliche Gemeinschaftsrechtsetzung von der Zustimmung aller Parlamente der verbundenen Völker abhängig macht, enspricht Art. 20 GG in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 GG n. F. Eine solche konsensuale Gemeinschaftsrechtsetzung würde sogar der Präambel des Grundgesetzes gerecht werden, wonach das deutsche Volk „von dem Willen beseelt“ ist, „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“. Art. 24 Abs. 1 GG würde zwar eine so weitgehende Gemeinschaftsrechtsetzung, wie sie der Vertrag von Maastricht ermöglicht, nicht tragen, weil, wie gesagt, die schon begriffliche Ausnahmehaftigkeit zwischenstaatlicher Einrichtungen nicht beachtet wäre, aber Art. 23 Abs. 1 GG als die neue Verfassungsgrundlage Deutschlands für ein „vereintes Europa“ kennt diese Beschränkung nicht mehr, sondern ermöglicht eine Europäische Union, die sich als derartige Rechtsgemeinschaft darstellen kann. Der eigentliche Gesetzgeber einer derart konsensualen Gemeinschaftsrechtsetzung wären die mitgliedstaatlichen Legislativorgane, selbst wenn die Gemeinschaftsorgane Kommission und Rat, eventuell auch das Europäische Parlament, an dem Rechtsetzungsverfahren beteiligt waren. Eine solche Gemeinschaftsrechtsetzung hätte die Legitimation der Völker, sie wäre demokratisch und im Sinne der gewaltenteiligen Funktionenordnung rechtsstaatlich. Sie würde somit auch das demokratische Defizit beheben und dem Vorwurf der rechtsstaatswidrigen Exekutivgesetzgebung begegnen. Durch nichts ist einzusehen, daß das Interesse an effizienter Führung es rechtfertigen kann, den Parlamentarismus der Völker auszuschalten oder auch nur zurückzudrängen Die gute Politik wird sich in den Parlamenten ebenso behaupten wie in den Regierungen, wenn der allseits gute Wille besteht. Wer das bestreitet, redet dem Exekutivstaat und damit dem Führerprinzip das Wort. Ein Europa der Führer aber gibt die Verfassung der Freiheit auf.

Wenn die funktionsvereinheitlichende Parteien-demokratie als Verfassung akzeptiert wird, unterscheidet sich legitimatorisch die Gesetzgebung durch die Regierung nicht wesentlich von der durch das Parlament. Die Gemeinschaftsrechtsetzung durch die im Rat vertretenen Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten hat eine parteienstaatliehe Legitimation, weil die Regierung und das jeweilige Regierungsmitglied im Rat entweder zur gewählten Parteienoligarchie gehört oder doch dieser verpflichtet ist. Eine freiheitlich-demokratische Legitimation für die Gesetzgebung haben die Regierungen jedoch nicht. Daß der Bundestag seiner Entmachtung fast ohne Gegenwehr zugestimmt hat, zeigt, daß die fraktionierten Abgeordneten des Parteienstaates der Sache nach längst entmachtet sind. Die Auseinandersetzung um den Vertrag von Maastricht ist auch eine paradigmatische Auseinandersetzung um die Grundlagen der Verfassung, nämlich darum, ob die Bürger der Gemeinschaft in freiheitlichen Republiken oder in herrschaftlichen Parteienstaaten leben wollen.

Das Europäische Parlament hat nach Art. 189b EGV das Recht, in bestimmten Politikbereichen nach einem Vermittlungsverfahren Rechtsakte, welche die Kommission und der Rat zur Geltung bringen wollen, mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder abzulehnen (negatives Veto). Ihm fehlt aber das Gesetzesinitiativrecht, und es hat auch kein Recht, gegen den Willen des Rates eine Politik durch Gesetze durchzusetzen. Der Rat bleibt der eigentliche Gesetzgeber der Gemeinschaft, der im übrigen von der Initiative der Kommission abhängig ist, zu der er diese allerdings auffordern kann (Art. 152 EWGV/EGV). In der gegenwärtigen Verfassungslage vermag das Europäische Parlament die freiheitlich-demokratische Legitimation der Rechtsakte nicht wesentlich zu stärken. Als föderales Zweikammersystem bleibt die Gemeinschaftslegislative allzu defizitär. Gleichberechtigtes legislatives Zusammenwirken des Europäischen Parlaments als bürgerschaftliches Organ und des Rates als föderales Organ der Völker (ähnlich dem Bundesrat) wäre wegen des föderalen Prinzips einer Gemeinschaft der Republiken freiheitlich, wenn das Parlament nicht die Versammlung der Vertreter der Völker (Art. 137 EWGV/EGV), sondern die Vertretung aller Gemeinschaftsbürger wäre und wenn die Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten im Rat an die Beschlüsse ihrer mitgliedstaatlichen Parlamente gebunden wären. 3. Echter Gemeinschaftsparlamentarismus nicht ohne neue Verfassung Deutschlands Wenn die Bürger der Gemeinschaft sich durch eine Gemeinschaftsverfassung zu einem Volk vereinigen und sich durch ein echtes, von dem gesamten Gemeinschaftsvolk gewähltes Parlament vertreten lassen sollten, wäre die freiheitliche Legitimationslage in der Gemeinschaft wesentlich verändert. Nur fragt es sich, ob ein Gemeinwesen aus derartvielen Menschen noch diskurs-und damit republikfähig ist. Die Zweifel daran führen zu Kants Weltfriedensentwurf des „Föderalismus der freien Staaten“, der (zunächst) in Europa verwirklicht werden sollte. Jede Republik verantwortet ihre Politik eigenständig, aber berücksichtigt bestmöglich die Lebensgemeinschaft mit den nachbarlichen Republiken. Das sollte durch gemeinschaftliche, wenn auch selbstverantwortete Politik der Völker im echten Konsens der Parlamente geschehen. „Assisen“ reichen nicht. Jedenfalls würde ein europäischer Staat nach dem Muster der Nationalstaaten eine nationalstaatsmäßige Verfassung der Europäischen Gemeinschaft erfordern, die in Deutschland einen Verfassungsentscheid voraussetzt, der die deutsche (Bundes) Republik als Nationalstaat aufhebt. Ein solcher Verfassungsentscheid wäre eine neue Verfassung Deutschlands. Die Vertreter des deutschen Volkes in den Legislativorganen haben als bloßer pouvoir constitu^ nicht die Kompetenz, die fundamentale Entscheidung des pouvoir constituant im Grundgesetz für die nationale Staatlichkeit aufzuheben oder auch nur auszuhöhlen, indem sie die Rechtsetzungshoheit auch für die wesentlichen Politiken derart auf Gemeinschaftsorgane übertragen, daß sich der gesetzgeberische Wille der Deutschen nicht uneingeschränkt zu behaupten vermag. Dieser Wille muß um der Feiheit willen durch ein Parlament materialisiert werden.

IV. Die freiheitswidrigen Kompetenzen der Union

Der Vertrag von Maastricht hat Kompetenzen neuer Qualität eingeführt. Während jedenfalls bis zur Einheitlichen Europäischen Akte die politischen Entscheidungen in den Gemeinschaftsverträgen derart bestimmt waren, daß sie durch die Rechtsakte der Rechtsetzungsorgane ausgeführt und vor allem in den Rechtssprüchen des Gerichtshofs interpretiert werden konnten, sind die wesentlichen Entscheidungen des Maastrichter Vertrages von derart geringer Materialität, daß sie nur noch kompetentielle Wirkung entfalten. Spezifisch diese materiale Offenheit macht angesichts der fast grenzenlosen Kompetenzen der Gemeinschaft das freiheitlich-demokratische Defizit unerträglich. 1. Wirtschaftspolitik So soll die Wirtschaftspolitik in den Mitgliedstaaten nach Art. 102 a EGV zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft im Sinne des Art. 2 beitragen, welcher der Sache nach einen gemeinschaftlichen Wohlfahrtsstaat konzipiert, dessen Prinzipien denkbar offen sind. Die Mitgliedstaaten sollen in ihrer Wirtschaftspolitik genauso wie die Gemeinschaft „im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird“ handeln und sich dabei an die Wirtschaftsgrundsätze des Vertrages (Art. 3 a EGV) halten. Die Relativierung des Grundsatzes der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb durch den mit einem wenig normativen Wodurch eingeleiteten Nebensatz scheint vor allem der Industriepolitik der Gemeinschaft, die in Art. 130 Abs. 3 S. 1 EGV als Querschnittsaufgabe formuliert ist, Einwirkungsmöglichkeiten bewahren zu wollen. Jedenfalls ergibt Art. 102a EGV keine hinreichend bestimmten Weisungen für die Wirtschaftspolitik.

Solche sollen vielmehr die Grundzüge der Wirtschaftspolitik nach Art. 103 Abs. 2 EGV geben, welche der Rat mit rechtsatzhafter Verbindlichkeit den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft empfehlen darf. Weil die Grundzüge der Wirtschaftspolitik alle Politiken der Gemeinschaft einbeziehen können und sollen, insbesondere die Industriepolitik nach Art. 130 EGV, ist die Materie der Grundzüge der Wirtschaftspolitik nicht einmal ordnungspolitisch festgelegt; denn der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ist überwiegend relativiert. Wesentlich ist, daß die Wirtschaftspolitik auch der Mitgliedstaaten von der Gemeinschaft im Rahmen weitestgehend offener Grundsätze bestimmt werden darf. Die Gemeinschaft hat das Recht, die Wirtschaft der Mitgliedstaaten (im übrigen auch deren Haushaltslage und deren öffentlichen Schuldenstand) zu beaufsichtigen. Man denkt an die Reichsaufsicht nach Art. 4 der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 und auch an die nach Art. 15 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 Die Gemeinschaft übernimmt die Verantwortung für Gedeih und Verderb der Mitgliedstaaten, weil deren Wohlergehen wegen der Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion allgemeines Gemeinschaftsinteresse ist und sein muß. 2. Europäische Zentralbank (EZB)

Im Rahmen der Währungsunion soll in deren dritter Stufe, spätestens am 1. Januar 1999, eine einheitliche Währung (ECU) für die Mitgliedstaaten, welche die Konvergenzkriterien erfüllen, eingeführt und eine Europäische Zentralbank eingerichtet sein (Art. 109 Abs. 4 EGV). Eine gemeinschaftliche Währung muß nicht, aber kann ein Element der unabhängigen Gemeinschaftsstaatlichkeit sein Die Währungsunion der Gemeinschaft ist wegen ihrer Einheit mit der Wirtschaftsund auch mit der Sozialunion ein solches Element. Die EZB ist ein Organ des Gemeinschaftsstaates. Ihre Besonderheit ist trotz ihrer Einbettung in das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) die Unabhängigkeit vor allem von den Mitgliedstaaten (Art. 107 EGV). Das ESZB und deren Leitorgan, die EZB, haben als Hüterinnen der Gemeinschaftswährung nach Art. 105, 105 a EVG nicht nur (um Aufsichtsrechte erweiterbare) Aufgaben, die für den Wirtschaftsstaat von schicksalhafter Bedeutung sind, sondern auch Befugnisse zur Rechtsetzung (Art. 108a EGV). Diese Befugnisse entbehren der demokratischen Legitimation. Die EZB räumt sogar Sanktionsbefugnisse gegenüber Unternehmen ein, ein Stück Verwaltungshoheit ausgerechnet für ein unabhängiges Gemeinschaftsorgan.

Die Berufung der Mitglieder des Direktoriums durch die Staats-und Regierungschefs genügt für die demokratische Legitimation des EZB-Rates schon deswegen nicht, weil dem Rat auch die Präsidenten der nationalen Zentralbanken angehören (Art. 109a EGV), denen die jeweiligen Mitgliedstaaten das Amt gegeben haben. Eine demokratische Legitimation erwächst wegen ihrer allzu geringen vertraglichen Bestimmtheit auch nicht aus den Entscheidungskriterien der EZB, weil sie nicht nur, wenn auch vorrangig, der Preisstabilität verpflichtet ist, sondern die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft nach den Prinzipien der Wirtschaftsunion zu unterstützen hat (Art. 105 Abs. 1 EGV). Sie hat sich darum gemäß Art. D Abs. 1 Unionsvertrag an den allgemeinen politischen Zielvorstellungen des Europäischen Rates sowie an den vertraglich nicht wesentlich materialisierten Grundzügen der Wirtschaftspolitik des Rates im Sinne des Art. 103 Abs. 2 EGV zu orientieren. Wegen ihrer Unabhängigkeit können die Maßnahmen der EZB nicht mehr als Ausübung deutscher Staatsgewalt qualifiziert werden.

Während die Deutsche Bundesbank trotz ihrer Unabhängigkeit, die nur auf einfachem Gesetz beruht, in die deutsche Staatlichkeit eingebettet ist, so daß die politische Verantwortung für die Währungspolitik auch Sache des Gesetzgebers und vor allem wegen ihrer Wechselkurskompetenz auch der Bundesregierung ist, nimmt die Unabhängigkeit der EZB den einzelnen Mitgliedstaaten rechtlich jede Möglichkeit einzuwirken Art. 88 Satz 2 GG n. F., der die währungspolitische Eigenständigkeit Deutschlands aufzugeben ermöglicht, stößt auf schwerste Verfassungsbedenken 3. Europäischer Gerichtshof (EuGH)

Ein unabhängiges gemeinschaftsstaatliches Organ war bisher nur der Europäische Gerichtshof. Eine demokratische Legitimation kann ein unabhängiges Gericht allein durch die Auswahl der Richter (Art. 167 Abs. 1 EWGV/EGV) nicht erreichen. Ein Gericht ist vielmehr wegen der Verantwortung für das Recht (Art. 164 EWGV/EGV) durch die rechtswissenschaftliche Kompetenz der Richter republikanisch und durch möglichst bestimmte legislative Rechtsätze zusätzlich demokratisch legitimiert. Die unabhängige Jurisdiktionsgewalt des EuGH fügte sich in die zwischenstaatlichen Einrichtungen, deren Rechtlichkeit sie diente. Sie war dadurch von Art. 24 Abs. 1 GG gedeckt. Durch die quantitative und qualitative Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen wächst auch die Jurisdiktionsgewalt des EuGH, so daß seine Organschaft die Gemeinschaftsstaatlichkeit wesentlich verstärkt. Auch ein Gericht ist funktional eine staatliche Aufsichtsinstanz, zumal das Gericht vor allem von der Kommission, insbesondere mittels der Aufsichtsklage (Art. 169 EWGV/EGV), zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts eingesetzt werden darf. Die politische Relevanz eines Gerichts wächst mit der materialen Offenheit der Rechtstexte. Dementsprechend wird die integrative, eben zentralistische Macht des EuGH noch weiter wachsen. 4. Sozialpolitik Die gemeinschaftliche Sozialpolitik hat ihre kompetentielle Grundlage auch in der Zieldefinition des Art. 2 EGV, wonach es zur wohlfahrtsstaatlichen Aufgabe der Gemeinschaft gehört, „ein hohes Beschäftigungsniveau, ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern.“ Eine erfolgreiche Wirtschaft, vornehmstes Ziel der Gemeinschaft, ist die Voraussetzung einer erfolgreichen Sozialpolitik. Wenn die Deutschen die gemeinschaftsweite Verteilung wollen, ist ihre Freiheit gewahrt, weil Transfer-leistungen zwischen den Völkern nicht schon das Prinzip der Eigenstaatlichkeit verletzen.

Die Gemeinschaftsverfassung, die auch sozialpolitische Mehrheitsentscheidungen im Rat zuläßt und die Parlamente der Völker an der Rechtsetzung der Gemeinschaft nicht bestimmend beteiligt, verletzt demgegenüber die deutsche Staatlichkeit gerade auch als Sozialstaatlichkeit, weil andere Völker die Deutschen gegen ihren Willen zu sozialen Leistungen verpflichten können. Den Willen, gemeinschaftsweit zu teilen, haben die Vertreter des deutschen Volkes in dem Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag von Maastricht geäußert. Nur ist dieses Gesetz gerade deswegen mit Art. 20 Abs. 1 GG nicht vereinbar, weil dessen Sozialprinzip als das Prinzip der Brüderlichkeit (bislang noch) auf die Deutschen beschränkt ist und ohne neue Verfassung beschränkt bleibt. Die Verpflichtung einzugehen, daß Gemeinschaftsorgane durch Mehrheitsentscheidungen die Deutschen zum gemeinschaftsweiten prinzipiell gleichheitlichen Teilen bestimmen können, haben die Vertretungsorgane Deutschlands keine grundgesetzliche Ermächtigung. 5. Die Kompetenz-Kompetenz Die kompetentielle Relevanz der gemeinschaftsrechtlichen Zielsetzungen, seit langem Praxis der Gemeinschaftsorgane wird in Art. F Abs;. 3 Ver-tragstext deutlich: „Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Poütiken erforderlich sind.“ Diese Mittel sind auch Befugnisse gegenüber den Mitgliedstaaten, also Kompetenzen. Angesichts der nach Art. B Unionsvertrag und Art. 2-3 a EGV fast grenzenlosen Weite und Offenheit der Ziele der Gemeinschaft ist Art. F Abs. 3 die von vielen geleugnete Kompetenz-Kompetenz der Gemeinschaft ein Ausdruck oberstaatlicher Gemeinschaftsstaatlichkeit. Die Kompetenz-Kompetenz kann die Gemeinschaft nutzen, ohne der Jurisdiktion des Gerichtshofs zu unterliegen (Art. L). Nicht einmal das Subsidiaritätsprinzip, dessen rechtliche Erfolgschance ohnehin meist in Frage gestellt wird soll die Kompetenz-Kompetenz behindern, haben die Regierungschefs in Edinburgh klargestellt

V. Fazit

Wer die oberstaatliche Gemeinschaftsstaatlichkeit der Union abstreitet, möchte der Kritik des demokratischen Defizits der Union ausweichen. Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht sind die Gemeinschaften nicht mehr eine gemeinschaftliche Verwirklichung der Freiheit, sondern Einrichtungen des parteienstaatlichen Despotismus. Das verletzt die Deutschen, die in Freiheit leben wollen. Gegen das verfassungsfeindliche Unternehmen des Vertrages von Maastricht haben alle Deutschen nach Art. 20 Abs. 4 GG das Recht und die Pflicht zum Widerstand. Daraus folgt ein Recht jedes Deutschen auf Schutz der politischen Freiheit durch das Bundesverfassungsgericht und die Pflicht, Abgeordnete zu wählen, welche den Deutschen die Freiheit zurückgeben.

An diesem Aufsatz haben Frau Assessorin Angelika Emmerich-Fritsche und Herr Referendar Thomas C. W. Beyer mitgearbeitet.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. H. A. Stöcker, Unvereinbarkeit der Währungsunion mit der Selbstbestimmungsgarantie aus Art. 1 Abs. 2 GG, in: Der Staat, 31 (1992), S. 495ff., insb. S. 513f.

  2. Durch den Maastrichter Vertrag werden aber auch weitere politische Grundrechte, nämlich das der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, das der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, das Grundrecht der Parteienfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 GG und das Grundrecht des Wählens aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG verletzt.

  3. Vgl. A. Bleckmann, Der Vertrag über die Europäische Union, in: Deutsches Verwaltungsblatt (DVB 1.), 107 (1992), S. 335, 342f.; D. Grimm, Der Mangel an europäischer Demokratie, in: Der Spiegel, Nr. 43, 1992, S. 57ff.; P. Häberle, Verfassungsrechtliche Fragen im Prozeß der europäischen Einigung, in: Europäische Grundrechte-Zeitschrift (EuGRZ), 19 (1992), S. 429 ff.; M. Herdegen, Die Belastbarkeit des Verfassungsgefüges auf dem Weg zur Europäischen Union, in: EuGRZ, 107 (1992), S. 589ff.; D. Murswick, in: Der Staat, 32 (1993), S. lölff.; W. Philipp, Ein dreistufiger Bundesstaat? in: «Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP), 25 (1992), S. 433ff.; G. Ress, Die Europäische Union und die neue juristische Qualität der Beziehungen zu den Europäischen Gemeinschaften, in: Juristische Schulung (JuS), (1992), S. 985ff.; K. A. Schachtschneider, Die Staatlichkeit der Europäischen Gemeinschaft, Atzelsberger Gespräche 1992; ders., in: Süddeutsche Zeitung vom 25. November 1992, S. 15; ders., in: EG-Magazin, (1993) 1-2, S. 40ff.; H. A. Stöcker, Unvereinbarkeit der Währungsunion mit der Selbstbestimmungsgarantie aus Art. 1 Abs. 2 GG, in: Der Staat, 31 (1992), S. 495ff.; R. Scholz, Grundgesetz und Europäische Einigung, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 45 (1992), S. 2593ff.; M. Seidel, Zur Verfassung der Europäischen Gemeinschaft nach Maastricht, in: Europarecht (EuR), 27 (1992), S. 125ff.; P. J. Tettinger, Weg frei für die Europäische Währungsunion?, Maastricht und die grundgesetzlichen Hürden, in: Recht der internationalen Wirtschaft (RIW), (1992) 12, Beilage 3; W. v. Simson/J. Schwarze, Europäische Integration und Grundgesetz, Maastricht und die Folgen für das deutsche Verfassungsrecht, Berlin 1992; F. W. Scharpf, Europäisches Demokratiedefizit und deutscher in: Staatswissenschaften und Staatspraxis, (1992), S. 293ff.; P. M. Huber, Die Rolle des Demokratieprinzips im europäischen Integrationsprozeß, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis, (1992), S. 349ff.; L. Graf v. Stauffenberg/Chr. Langenfeld, Maastricht -ein Fortschritt für Europa?, in: ZRP, 25 (1992), S. 252 ff.; P. Wilhelm, Europa im Grundgesetz: Der neue Artikel 23, in: Bayerische Verwaltungsblätter (BayVBl.), (1992), S. 705ff.; C. D. Classen, Maastricht und die Verfassung: Kritische Bemerkungen zum neuen „Europa-Artikel“ 23 GG, in: ZRP, 26 (1993), S. 57ff.; R. Doehring, Staat und Verfassung in einem zusammenwachsenden Europa, in: ZRP, 26 (1993), S. 98ff.; R. Mögele, Neuere Entwicklungen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, in: BayVBl. (1993), S. 129f.; Th. Oppermann/C. D. Classen, Die EG vor der Europäischen Union, in: NJW, 46 (1993), S. 5, llf.; H. H. Rupp, Muß das Volk über den Vertrag von Maastricht entscheiden?, in: NJW, 46 (1993), S. 38ff.; A. Weber, Zur künftigen Verfassung in der Europäischen Gemeinschaft, in: Juristenzeitung (JZ), 48 (1993), S. 325ff.; L. Watzal, Der Irrweg von Maastricht, in: R. Zitelmann/K. Weißmann/M. Großheim (Hrsg.), Westbindung. Chancen und Risiken für Deutschland, Frankfurt/M. -Berlin 1993, S. 474f.; vgl. auch die Stellungnahmen im Rahmen der öffentlichen Anhörung „Grundgesetz und Europa“ vor der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat am 22. Mai 1992, Stenographischer Bericht.

  4. Vgl. H. A. Stöcker, D. Murswiek, K. A. Schachtschneider, H. H. Rupp, im Ergebnis auch W. Philipp, S. 437f.; deutlich kritisch auch D. Grimm, M. Herdegen (Anm. 3).

  5. Die vielen weiteren Rechtsfragen, die der Vertrag von Maastricht aufwirft, müssen auf den wenigen Seiten unerörtert bleiben; darauf geht die Verfassungsbeschwerde ein, die ich namens Rechtsanwalt Manfred Brunner gegen das Zustimmungsgesetz vom 2. /18. /30. 12. 1992 zum Vertrag über die Europäische Union am 18. 12. 1992 eingelegt und durch einen Schriftsatz vom 29. 3. 1993 ergänzt habe.

  6. Dazu und zum Folgenden K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, 1993; im Sinne des Textes Werner Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: Handbuch des Verfassungsrechts (HdBVerfR), (1983), S. 173ff.

  7. Vgl. J. Isensee Staat und Verfassung, in: Handbuch des Staatsrechts (HStR), Bd. I, 1987, § 13, Rdn. 30ff.

  8. Vgl. J. Delors, Entwicklungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 1/93, S. 1.

  9. Vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 83, 37 (51 f.); 83, 60 (71).

  10. Die BVerfGE 83, 60 (72) fordern ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau, das aus vielerlei Elementen bestehen kann; enger noch BVerfGE 49, 89 (125).

  11. Vgl. BVerfGE 22, 293 (295f.); 37, 271 (277f.); Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGHE) 64, 1270; H. P. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972, S. 182ff.; P. Badura, Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstrukturen in den internationalen Gemeinschaften, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtlehrer (WDStRL), 23 (1966), S. 54ff.; 57, 59; Ch. Thomuschat, in: GG, Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung, 1981, Rdn. 8 zu Art. 24.

  12. Dementsprechend wird gemeinschaftsrechtlich das Prinzip der begrenzten Ermächtigungen praktiziert; vgl. H. -P. Kraußer; Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, Berlin 1991. B 28

  13. Institutionell ist der Staat im weiteren Sinne die verfaßte Gemeinschaft der Bürger, das Volk also, der Staat im engeren Sinne die Gesamtheit der Organe des Staates, die den Staat im weiteren Sinne vertreten, also die Gesamtheit der Ämter, die Staatsgewalt.

  14. Vgl. BVerfGE 49, 89 (126ff.); 84, 212 (226).

  15. Die exekutivische Rechtsetzung der Gemeinschaft rechtfertigt mit dem Integrationsziel H. P. Ipsen, Zur Exekutiv-Rechtsetzung in der Europäischen Gemeinschaft, Festschrift für P. Lerche, 1993, S. 425 ff.

  16. Vgl. die dem Unionsvertrag beigefügte „Erklärung zur Konferenz der Parlamente“.

  17. Dazu H. Triepel, Die Reichsaufsicht, 1917, insb. S. 411 ff., zur „selbständigen Reichsaufsicht“; ders., Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern, Festschrift für W. Kahl, Aalen 1923, insb. S. 71 ff.; G. Anschütz, Kommentar zur Verfassung des Deutschen Reiches, Aalen 193314, Anm. Iff. zu Art. 15.

  18. Vgl. M. Seidel, Probleme der Verfassung der Europäischen Gemeinschaft als Wirtschafts-und Währungsunion, Festschrift B. Börner, 1992, S. 417ff., insb. 424f.

  19. Das ESZB (Art. 4 a und Art. 105 ff. EGV) ist als solches trotz seiner Institutionalität für den Gemeinschaftsstaat nicht durch Art. 88 S. 2 GG n. F. gedeckt, wohl ein Redaktionsversehen, jedenfalls ein Verfassungsverstoß; vgl. M. Seidel (Anm. 18), S. 427.

  20. Vgl. M. Seidel (Anm. 18), S. 426f., kritisiert diese „Letztverantwortlichkeit für die Wirtschafts-und Währungspolitik des Europäischen Rates“.

  21. Abgesehen von der Mitwirkung des Präsidenten der Deutschen Bundesbank als einem von 18 Mitgliedern des EZB-Rates und abgesehen von dem gemeinschaftlichen Einfluß auf die Grundzüge der Wirtschaftspolitik nach Art. 103 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 105 Abs. 1 EGV.

  22. Vgl. P. J. Tettinger, Weg frei für die Europäische Währungsunion? Maastricht und die grundgesetzlichen Hürden, in: RIW, (1992) 12, Beilage 3, S. Iff., insb. S. 9ff.

  23. Vgl. EuGHE 73, 244f.; 62, 882, 76, 473; M. Zuleeg, in: H. v. d. Groeben/J. Thiesing/C. D. Ehlermann, EWGV-Komm., 19914, Präambel, Rdn. 2; Art. 2, Rdn. 3; Art. 3, Rdn. 3.

  24. Vgl. G. Ress, Die Europäische Union und die neue juristische Qualität der Beziehungen zu den Europäischen Gemeinschaften, in: JuS, (1992), S. 987.

  25. Vgl. D. Stewing, Das Subsidiaritätsprinzip als Kompetenzverteilungsregel im Europäischen Recht, in: DVB 1 (1992), S. 1518; D. Grimm, Subsidiarität ist nur ein Wort, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Juli 1992, S. 38.

  26. Vgl. Bulletin der Bundesregierung, Nr. 140, S. 1281.

Weitere Inhalte

Karl Albrecht Schachtschneider, Dr. iur., geb. 1940; Ordinarius für Öffentliches Recht der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Veröffentlichungen u. a.: Das Sozialprinzip, Bielefeld 1974; Staatsunternehmen und Privatrecht, Berlin-New York 1986; Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“ im Atom-und Immissionsschutzrecht, in: W. Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, 1988; Das Hamburger Oppositionsprinzip, in: Der Staat, 28 (1989); Res publica res populi. Die Freiheits-, Rechts-und Staatslehre nach dem Grundgesetz, Berlin 1993 (i. E.).