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Klerus und Staat in der Islamischen Republik Iran | APuZ 33/1993 | bpb.de

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APuZ 33/1993 Der islamische Fundamentalismus zwischen „halber Moderne“ und politischem Aktionismus Islamischer Fundamentalismus aus soziologischer Sicht Klerus und Staat in der Islamischen Republik Iran

Klerus und Staat in der Islamischen Republik Iran

Houchang E. Chehabi

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das nach der Revolution von 1979 in Iran entstandene politische System läßt sich schwer in die gängigen Regime-Kategorien einordnen, da es totalitäre, autoritäre und demokratische Züge aufweist. Laut Verfassung sind die höchste politische und die höchste religiöse Macht in den Händen eines Geistlichen vereint, deshalb kann man das Regime als eine Theokratie bezeichnen. Die Hierarchie des schulischen Klerus ist aber nicht straff zentralisiert, und da ein beachtlicher Teil des schulischen Klerus an der Ausübung politischer Macht nicht interessiert ist, wird die Legitimität des Regimes somit von innen heraus in Frage gestellt. Solange Ayatollah Chomeini am Leben war, legitimierte seine Stellung als einer der höchsten religiösen Führer des Schiitentums das auf ihn zugeschnittene Regime. Seit seinem Tode 1989 ist sein Nachfolger aber nicht ein hoher Würdenträger der klerikalen Hierarchie, ein Umstand, der den theokratischen Herrschaftsanspruch der iranischen Machthaber unterminiert.

I. Einleitung

Die siebziger und achtziger Jahre gelten zu Recht als eine Periode der Demokratisierung, in der weltweit Diktaturen zusammenbrachen und durch gewählte Regierungen ersetzt wurden. Diese „dritte Welle“ der Demokratisierung begann 1974 in Südeuropa, erreichte bald Lateinamerika und griff Mitte der achtziger Jahre auf Ostasien und wenig später auf das Sowjetimperium über. Meist ging diesen Demokratisierungsprozessen eine Liberalisierung des jeweiligen autoritären Regimes voraus, so daß in den meisten Fällen staatliche Kontinuität gewahrt werden und eine geordnete Machtübergabe an die demokratisch legitimierten Nachfolgeregierungen stattfinden konnte.

Iran bildet in diesem Zusammenhang eine Ausnahme. Zwar war die politische Öffnung, die der Schah 1977 einleitete, in ihren groben Zügen anderen Liberalisierungen nicht unähnlich, doch endete sie nach revolutionären Wirren nicht in einer Demokratie, sondern in einem sonderbaren politischen System, das, angesichts der in der Verfassung verankerten Herrschaft der Geistlichkeit, gern „Theokratie“ genannt wird. Der Begriff „Theokratie“ bezeichnet unterschiedliche politische Systeme, aber die Definition Gustav Menschings, für den darunter „die verfassungsmäßig festgelegte geistliche Herrschaft zur Vertretung der Gottheit zu verstehen“ ist, scheint auf die Islamische Republik zuzutreffen, zumal für Mensching „die echte Theokratie“ vorliegt, „wenn die wirklich weltliche Herrschaft in der Hand eines organisierten Priestertums liegt“

Iran scheint somit im doppelten Sinne einen Sonderweg beschritten zu haben. Einerseits steht seine jüngste politische Entwicklung im krassen Gegensatz zum demokratischen Zeitgeist, andererseits ist sie auch in der Geschichte der islamischen Gesellschaften fast einzigartig. Denn obschon immer gerne betont wird, daß der Islam die scharfe Trennung zwischen Kirche und Staat nicht kenne, wodurch die ideale islamische Staatsordnung eine Theokratie sei hat sich die reale Entwicklung der mehrheitlich von Moslems bewohnten Staaten nicht an diesem Ideal orientiert, so daß fast überall eine faktische Trennung der weltlichen und geistlichen Macht festzustellen ist: Weltlichen Sultanen, Emiren, Schahs und Präsidenten haben immer von diesen Herrschern mehr oder weniger unabhängige Ulema (Rechts-und Gottesgelehrte) gegenübergestanden.

Dieser Dualismus war besonders im prärevolutionären Iran ausgeprägt. Zum einen besaßen iranische Schahs einen ihrem Amt eigenen, auf präislamische politische Kultur zurückgehenden Legitimitätsanspruch, zum anderem genossen die schiitischen Ulema Irans größere Unabhängigkeit vom Staate als ihre Kollegen im sunnitischen Teil der islamischen Welt Angesichts dieses seit Jahrhunderten bestehenden Dualismus ist die Errichtung einer Theokratie eine Innovation, die, wie alle religiösen Innovationen, innerhalb der Geistlichkeit auf Widerstand stoßen mußte. Dieser Widerstand schwächt den Legitimitätsanspruch der Theokraten von innen heraus, besonders seit dem Tode Ayatollah Chomeinis, der sich Dank seiner unbestreitbaren Charismen über die Bedenken anderer religiöser Führer hinwegsetzen konnte, für den sich aber kein ihm vergleichbarer Nachfolger gefunden hat.

Es ist nicht einfach, das politische System des heutigen Iran in eine der gängigen Regime-Kategorien einzuordnen. Die Allgegenwärtigkeit der islamischen Ideologie im öffentlichen Leben und die erbarmungslose Verfolgung mancher politischer Gegner, auch im Ausland, rücken das Regime in die Nähe des Totalitarismus. Der begrenzte Pluralismus und das Fehlen einer straff organisierten Einheitspartei rufen aber Autoritarismus hervor. Am verwirrendsten ist der Umstand, daß regelmäßig Wahlen stattfinden, die wenigstens mancher-orts korrekt ablaufen und Bürgern eine Wahl zwischen verschiedenen Persönlichkeiten bzw. wirtschaftspolitischen Programmen bieten. Im Vergleich zur Diktatur des Schahs gibt es heute einen nicht so stark ausgeprägten Personenkult, die Presse und das Buchwesen unterliegen keiner so strengen Zensur, was sich unter anderem in einer kritischeren Haltung gegenüber den politischen Instanzen der Macht äußert, und das Parlament hat unvergleichlich mehr Eigeninitiative der Exekutive gegenüber, als es unter dem „Licht der Arier“ entwickeln durfte. Die „dritte Welle“ der Demokratisierung scheint auch an Iran nicht spurlos vorbeigegangen zu sein; doch muß man auch bedenken, daß die Verletzung der Menschenrechte in der Islamischen Republik viel alltäglicher und gravierender ist als unter der Monarchie.

Zum Teil lassen sich diese Eigenheiten aus den Widersprüchen der Verfassung ableiten, die sowohl demokratische als auch theokratische Elemente enthält Dieses Argument sollte jedoch nicht überbeansprucht werden, da die jetzigen Machthaber Irans sich genausowenig an das Grundgesetz halten wie seinerzeit der Schah an die Verfassung von 1906. Die Schwierigkeit, einen Gottesstaat adäquat zu charakterisieren, ist nicht neu, ironisierte doch schon Machiavelli im „Fürst“: „Da höhere Weisheit (geistliche Fürstentümer) regiert und erhält, an welche des Menschen Verstand nicht hinreicht, werde ich mich nicht weiter damit beschäftigen, denn sie sind erhöht und gehalten von Gott, und jede Erörterung wäre da anmaßend und unbesonnen.“

Das iranische Regime leitet seinen Herrschaftsanspruch vom Konzept der Welayat-e Faqih ab, das Chomeini Anfang der siebziger Jahre neu formulierte. Gemäß diesem Konzept sind in der Abwesenheit des 12. Imam, der im Jahre 874 aus dem Blickfeld der Menschheit verschwand, aber nicht starb und somit für Schiiten der einzig legitime Nachfolger des Propheten blieb, die Ulema allein ermächtigt, politische Herrschaft auszuüben. Da diese Auslegung der Problematik eines legitimen, aber nicht verfügbaren politisch-religiösen Herrschers jedoch nicht von allen schiitischen Gelehrten geteilt wird, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis das Organisationsprinzip des schiitischen Klerus zur theokratischen Idee steht.

II. Klerikale Hierarchie im Schiismus

Bei den Schiiten kommt den Ulema eine größere Bedeutung zu als bei der sunnitischen Mehrheit der Moslems, doch hat der schiitische Klerus keine Priesterfunktion im engeren Sinne. Im heutigen Schiismus sind Gläubige in zwei Gruppen geteilt: eine winzige Minderheit, die Modschtaheds, deren religiöses Wissen sie dazu befähigt, selbst die Ge­ bote des Islams zu interpretieren, und die große Masse, die hierzu nicht fähig ist. Letztere müssen sich unter den Modschtaheds einen auswählen, dem sie in religiösen Fragen folgen und dem sie auch ihre religiösen Steuern zahlen. Dieser Modschtahed wird dann von seinen Getreuen eine „Instanz der Nachahmung“ genannt und mit „Ayatollah“ (Zeichen Gottes) betitelt. Nur wenige Modschtaheds bringen es allerdings soweit, „Instanzen der Nachahmung“ zu werden. Idealerweise sollte der einfache Gläubige den gelehrtesten, gerechtesten und tugendhaftesten unter den Modschtaheds auswählen. Da aber unter den Gläubigen selten Einigkeit herrscht, wem diese Ehre gebührt, gibt es in der Regel eine Mehrzahl von „Instanzen der Nachahmung“, die somit gemeinsam die Elite der klerikalen Hierarchie bilden. Unter ihnen gibt es eine unausgesprochene Rangordnung, die auf der Zahl der Nachahmer basiert. Da eine größere Zahl von Nachahmern auch größere finanzielle Einkünfte garantiert und da die höchsten Führer der Religion diese Einnahmen für den Betrieb von Seminaren, für Seminaristen-stipendien und für wohltätige Zwecke verwenden, bringt eine höhere Anzahl von Anhängern auch mehr gesellschaftliche Macht und Einfluß mit sich.

Ein zweites Merkmal dieser Hierarchie ist es, daß kein Modschtahed einem anderen folgen darf, sondern verpflichtet ist, selbst zu urteilen. Das bedeutet, daß es im Schiismus kein Gegenstück für einen Dogmen verkündenden Papst gibt: Die Lehren einer „Instanz der Nachahmung“ sind nur für seine Anhänger maßgebend (obwohl natürlich unter den Modschtaheds über die meisten Fragen Einigkeit herrscht), und zudem kann ein Gläubiger, der mit seiner Instanz unzufrieden ist, zu einer anderen überwechseln. Macht verbindet sich also bei den höchsten Würdenträgern mit einer gewissen Verantwortung, was der Hierarchie im Vergleich etwa mit dem Katholizismus demokratischere Züge verleiht. Meinungsverschiedenheiten aller Art und persönliche Rivalitäten sind somit fester Bestandteil des schiitischen Klerus, ein Umstand, der bei westlichen Analysen der Machtkämpfe innerhalb des iranischen Regimes oft außer acht gelassen wird. Es gibt zwar eine gewisse Hierarchie, sie ist aber nicht straff zentralisiert. Die Ulema selbst umschreiben ihr Organisationsprinzip gern mit der Formel: „Die Ordnung der Geistlichkeit besteht in ihrer Unordnung.“

Die irakische Stadt Nadschaf und die iranische Stadt Qom sind die wichtigsten religiösen Ausbildungsstätten der Schiiten; in diese beiden Städte kommen schiitische Seminaristen aus Libanon, Irak, Iran, Bahrain und den anderen Emiraten am Persischen Golf sowie Afghanistan, Pakistan und Nordindien, um bei den hier residierenden „Instanzen der Nachahmung“ und anderen Gelehrten zu studieren. Besonders im kosmopolitischen Nadschaf, das sowohl von arabischer als auch von persischer Kultur geprägt ist, entwickeln sie einen Nationalitäten übergreifenden Korps-geist, der, wie bereits erwähnt, spätere Rivalitäten nicht ausschließt. Das Vorhandensein zweier Zentren, noch dazu in Staaten, zwischen denen oft politische Spannungen geherrscht haben, hat zur Unabhängigkeit des schiitischen Klerus beigetragen: Bei Verfolgung haben die Ulema eines Landes oft im religiösen Zentrum des anderen Landes Zuflucht gefunden und sich so der Kontrolle der weltlichen Mächte entzogen. So zum Beispiel Chomeini, der sich von 1965 bis 1978 in Nadschaf aufhielt, für den die Stadt aber kein Exil war, da er mit iranischen Ulema und Gläubigen in ständigem Kontakt war. Diese wichtigen Merkmale des schiitischen Klerus muß man beachten, wenn man sich über die politische Entwicklung Irans und die Möglichkeiten iranischer Einflußnahme auf militante Schiiten außerhalb Irans ein klares Bild machen will.

III. Klerus und Politik

Die Einstellung des schiitischen Klerus zur Politik ist im 20. Jahrhundert nicht einheitlich gewesen. An der konstitutionellen Revolution in Iran von 1905 bis 1909 nahmen viele Ulema teil, und der in Nadschaf wirkende Ayatollah Naini verfaßte eine Schrift, in der er sich sowohl gegen monarchischen als auch gegen klerikalen Despotismus aussprach Die meisten politisch aktiven Geistlichen zogen sich aber bald aus der Politik zurück, als ihnen klar wurde, daß ein Verfassungsstaat die Einflußsphäre der Religion und ihrer Hüter einschränken würde. Im benachbarten Irak nahm der Klerus 1920 maßgeblichen Anteil am nationalen Aufstand gegen die neuen britischen Kolonialherren, der aber blutig niedergeschlagen wurde, und viele Geistliche flohen nach Iran. In den dreißiger Jahren hielten sich schiitische Führer aus der Politik heraus, besonders da in Iran Resa Schah Pahlevi eine ausgesprochen antiklerikale Politik verfolgte. Zur gleichen Zeit gelang es aber, Qom als ein rein religiöses Zentrum aufzubauen.

Niemand verkörperte diese unpolitische Haltung des Klerus besser als Ayatollah Borudscherdi, der von 1947 bis zu seinem Tode 1961 als einzige „Instanz der Nachahmung“ eine seit dem nicht mehr erreichte Machtfülle genoß. Für Borudscherdi war es unter der Würde eines Geistlichen, direkt am politischen Leben teilzunehmen. Dort, wo er es für unerläßlich hielt, beeinflußte er auf diskretem Weg iranische Staatsgeschäfte. Im Jahre 1949 fand in Qom ein Kongreß statt, auf dem Geistlichen ausdrücklich verboten wurde, politisch aktiv zu sein. Angesichts der unzureichend straffen Organisation des Klerus gelang es aber nicht, diese Politik durchzusetzen, so daß einzelne Ulema sich weiter an der Politik beteiligten. Auch unter vielen Laien wurde Borudscherdis politische Abstinenz kritisiert, da sie sich im Kampf gegen die immer automatischer werdende Macht des Schahs Unterstützung erhofften. Dabei ging es diesen Laien aber nicht um die Errichtung einer Theokratie, da sie sich mehrheitlich am Erbe Ayatollah Nainis orientierten.

Die große Wende kam 1961. Borudscherdi starb, sein Erbe als Instanz der Nachahmung teilten sich aber ein halbes Dutzend Modschtaheds, unter denen sich die Gläubigen nicht auf einen Nachfolger einigen konnten. Als der Schah 1963 die Führer der demokratischen Opposition verhaften ließ, jeglichem politischen Pluralismus ein Ende setzte und seine „weiße Revolution“ ausrief, war Ayatollah Chomeini derjenige unter Borudscherdis Nachfolgern, der dem Schah am tapfersten entgegen-trat, wobei allerdings zu bemerken ist, daß sich seine Opposition nicht nur gegen das verfassungswidrige Verhalten des Schahs, sondern auch gegen einige seiner fortschrittlichen Reformen richtete. Chomeinis Gefangennahme im Juni 1963 führte zu einem Volksaufstand, bei dem Sicherheitskräfte über tausend Demonstranten töteten. Chomeini wurde nach Nadschaf verbannt, von wo er weiter gegen den Schah agierte, während die in Iran verbliebenen Instanzen, angeführt von Ayatollah Schariatmadari, sich angesichts der staatlichen Übermacht auf das Bewahren der klerikalen Institutionen konzentrierten.

Chomeini hat aus seiner Verachtung für seine apolitischen Kollegen nie einen Hehl gemacht. In seinem 1970 verfaßten Werk „Der islamische Staat“ griff er seine Kollegen scharf an, warf ihnen vor, sich nur mit den Geboten für Beten und Fasten zu befassen und gesellschaftliche Probleme außer acht zu lassen und forderte, daß ihnen der Turban entfernt werden solle

In den Jahren vor der Revolution wuchs die Popularität Chomeinis unter den Gläubigen, doch nicht deshalb, weil viele Schiiten in ihm den gelehrtesten, gerechtesten und tugendhaftesten sahen; vielmehr basierte Chomeinis Beliebtheit auf seiner politischen Haltung gegenüber dem immer unbe-* S. Hehler werdenden Schah. Unter dem Klerus wurden besonders viele jüngere Geistliche, die auch eine moderne Ausbildung genossen hatten, seine Anhänger, wie zum Beispiel Ali-Akbar Haschemi Rafsandschani und Ali Chamenehi, das heute in Iran regierende Duumvirat. Diese jüngeren Iraner, ob Laien oder Ulema, teilten Chomeinis Haltung, soziopolitischen Themen den Vorrang vor religiösen Belangen im engeren Sinne zu geben; viele politisch aktive Gläubige, für die der traditionelle Klerus konservative Weltfremdheit par excellence verkörperte, fühlten sich zu ihm hingezogen und sahen in ihm einen Erneuerer. Nach der Ausrufung der Islamischen Republik Anfang 1979 nutzten sie ihre Dominanz in der im Sommer jenes Jahres gewählten „Expertenversammlung“, um dem Land eine Verfassung zu geben, die auf Chomeini zugeschnitten war.

IV. Grenzen theokratischer Legitimation

Obwohl die in Iran theoretisch schon seit 1906 existierende Gewaltenteilung beibehalten wurde, schuf man auch für Chomeini das Amt eines obersten religiösen „Führers“. Dieser Führer hatte eine Instanz der Nachahmung zu sein und hatte oberste Verfügungsgewalt im Staat; er ernannte die höchsten Richter, war Oberbefehlshaber der Armee und konnte den gewählten Präsidenten absetzen. Da Chomeini aber nicht die einzige Instanz der Nachahmung war, stellte sich sofort die Frage, in welchem Verhältnis seine Anordnungen zu denen seiner Kollegen standen, denn, wie bereits erwähnt, muß traditionell der Gläubige nur seine eigene „In%tanz“ nachahmen, und diese wiederum darf keinem anderen Modschtahed folgen. Die Zentralisierung der religiösen Macht stand somit im Widerspruch zur althergebrachten Struktur des Klerus. Offiziell versuchte man, das Dilemma zu lösen, in dem man den „Instanzen der Nachahmung“ eine Kompetenz für die persönliche, religiöse Sphäre ihrer Anhänger zusprach, in Sachen Staatsgeschäften aber das Machtmonopol des Führers aufrechterhielt, wobei zu bedenken ist, daß solch eine Arbeitsteilung de facto einer Trennung von Religion und PoUtik gleichkommt, einer Trennung, die das Regime ja ursprünglich beseitigen wollte.

Nur wenige Geistliche widersetzten sich öffentlich dieser Innovation. Ayatollah Schariatmadari ließ von Anfang an wissen, daß er Chomeinis Konzept der Welayat-e Faqih nicht teilte. Der liberale Geistliche Resa Sandschani erklärte Anfang 1981: „Das in Iran geschaffene Monopol der rechtlichen und theologischen Entscheidungsmacht steht im Gegensatz zum Islam. Die Titel »Führerund , oberster Führer sind nicht islamisch. Es kann keinen Vergleich geben zwischen der katholischen Kirche, mit ihrer Hierarchie und ihrer Struktur, und der Führung der Schiiten.“ Bezug nehmend auf die immer härteren Maßnahmen der Regierung schrieb der konservative Ayatollah Hassan Qomi: „Der wahre Klerus will keine politische Macht... und heißt die Kleriker, die uns regieren, nicht gut. Die wahre Aufgabe der Geistlichen ist, das Volk zu beraten und es aufzuklären. Der wahre Islam ist die Religion des Vergebens und der Barmherzigkeit.“

Angesichts der Skepsis vieler schiitischen Geistlichen gegenüber der Theokratie stellt sich die Frage, warum man so wenig von ihnen hört. Eine Reihe von Faktoren erklären die Zurückhaltung des nichtpolitischen Klerus. Erstens, staatliche Unterdrückung und somit Abschreckung: Ayatollah Schariatmadari wurde 1982 im Fernsehen öffentlich gedemütigt, Ayatollah Qomi stand lange unter Hausarrest, und einige Ulema sind hingerichtet worden. Zweitens, die Versuchung der Macht: Da der schiitische Klerus in Iran eine neue privilegierte Schicht geworden ist, eine Art Nomenklatura, ist es begreiflich, daß viele Ulema sich vom Regime kooptieren ließen. Drittens, und dieser Faktor wird von den Geistlichen selbst gern angeführt, steht einer öffentlichen Opposition gegen das herrschende Regime die Tradition der politischen Enthaltsamkeit entgegen. Man mischte sich unter dem Schah nicht in Politik ein und tut es heute auch nicht, denn irgendwann würden die Gläubigen selbst erkennen, wer die wahren Hüter der Religion seien und denen, die die Religion als Mittel zur eigenen Machtentfaltung mißbrauchen, die Gefolgschaft aufkündigen.

Angesichts dieser zentrifugalen Tendenzen in den eigenen Reihen versuchte das revolutionäre Regime, Ordnung in die schiitische Hierarchie zu bringen. Kurz nach dem Triumph der Revolution im Jahre 1979 gründeten fünf jüngere Anhänger Chomeinis eine politische Partei, die Partei der Islamischen Republik (PIR). Den Grund zur Parteigründung nannte einer der fünf, der heutige Staatspräsident Rafsandschani, in einer Ansprache in Qom: „Heutzutage ist es unakzeptabel, daß eine Bevölkerungsschicht (d. h.der Klerus), die die Verantwortung trägt, 35 Millionen Iraner zu führen und fast eine Milliarde Moslems aufzurütteln, unter dem Motto , Die Ordnung ist in der Unordnungins Feld zieht. Wenn unser Klerus die heuti­ gen Probleme unter diesem Motto angehen will, wird er sicher besiegt werden.“ Der PIR gelang es in der Tat, alle Mitkonkurrenten auszuschalten und ein Machtmonopol innerhalb der staatlichen Institutionen aufzubauen. In dem Maße, wie sie zur Einheitspartei geworden war, regte sich wieder der alte klerikale Habitus in den Reihen der Parteiführer, und es kam zu Flügelkämpfen, die die Staatsführung 1987 veranlaßten, die Partei aufzulösen.

Bei diesen Flügelkämpfen ging es oft um wirtschaftspolitische Fragen. Konservative beriefen sich auf das im Islam legitimierte Eigentumsrecht, während ihre Sozialrevolutionären Widersacher den Anspruch des Islam betonten, gesellschaftliche Gerechtigkeit zu schaffen. Letztere hatten im Parlament die Übermacht; aber vom Parlament verabschiedete Gesetze wurden vom „Wächter-rat“, dem es verfassungsgemäß obliegt, Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit dem Islam zu überprüfen, zurückgewiesen, da in diesem Gremium Konservative in der Mehrheit waren. So kam es, daß in einer so wichtigen Frage wie zum Beispiel der Agrarfrage keine kohärente Politik ausgearbeitet werden konnte Um diese Lähmung der politischen Institutionen zu überwinden und der Regierung Handlungsfreiheit zu geben, proklamierte Chomeini 1988 das Konzept der „Absoluten Welayat-e Faqih“. Demnach stünden die im Interesse des islamischen Staates getroffenen Anordnungen des politisch-religiösen Führers über den Geboten der Religion, sogar über solch fundamentalen Geboten wie Beten, Fasten und die Pilgerfahrt nach Mekka. Sachzwänge bewegten Chomeini, Staatsräson über die Religion zu stellen, eine Politik, die er gerade beim Schah kritisiert hatte und die er durch Einführung einer Theokratie beseitigen wollte.

Spätestens mit dieser neuerlichen Innovation machte sich Chomeini in den Augen vieler frommer Iraner zum Häretiker. Chomeinis Anmaßung, aus politischen und gesellschaftlichen Gründen religiöse Prinzipien zu umgehen oder neu zu formulieren, überschritt für viele Gläubige den legitimen Handlungsspielraum eines Modschtaheds. Viele hohe Geistliche sahen sich durch Chomeinis verzweifelten Schritt in der Meinung bestätigt, die Reinheit der Religion könne nur durch politische Abstinenz gewährleistet werden.

Einen zweiten Versuch, der schiitischen Geistlichkeit eine straffere Ordnung zu geben, stellt die in der Verfassung verankerte gewählte Expertenversammlung dar, deren Mitglieder hohe Geistliche sind. Ihr obliegt es, den religiösen Führer des Landes zu wählen. Wenn alle Geistlichen an den Wahlen teilnehmen würden, hätte aus ihnen durchaus eine Art demokratisches „Kardinalskonklave“ werden können. Dies ist nicht der Fall, denn die meisten hohen Ulema wollen mit den Institutionen der Islamischen Republik nichts zu tun haben. Als Chomeinis designierter Nachfolger, Ayatollah Montazeri, Anfang 1989 wegen seiner scharfen Kritik am Vorgehen des Regimes abgesetzt wurde, tat sich dem Regime ein neues Dilemma auf. Gemäß der Verfassung mußte der Führer eine „Instanz der Nachahmung“ sein, doch keiner der Inhaber dieses Ranges war am Amt des Führers interessiert, da niemand Chomeinis Konzept der Welayat-e Faqih teilte. So wurde die Verfassung kurzerhand geändert und die Bedingung, daß der Führer eine „Instanz der Nachahmung“ sein mußte, gestrichen. Dies ermöglichte es der Expertenversammlung, den damaligen Präsidenten, Ali Chamenehi, dessen geistliche Qualifikationen sehr gering sind, zum Führer zu küren

Zu Chomeinis Lebzeiten legitimierte sein unbestreitbarer Rang als „Instanz der Nachahmung“ die Verschmelzung politischer und religiöser Macht in einer Person, also die Theokratie. Seither ist das Regime mit der Schwierigkeit konfrontiert, im Namen eines Klerus zu handeln, dessen höchste Würdenträger die religiösen Qualifikationen der regierenden Mullahs nicht anerkennen. Angesichts dieses intraklerikalen Zwistes stellt sich natürlich die Frage, inwiefern die Islamische Republik überhaupt noch eine De-facto-Theokratie ist und nicht ein Staat, in dem die Machthaber Geistliche sind: Zypern unter Erzbischof Makarios war auch keine Theokratie. Hieraus ergibt sich eine Legitimationskrise, die einen Schatten auf die Zukunft der Welayat-e Faqih wirft. Die Stimmen innerhalb des politischen Klerus mehren sich, die eine grundlegende und auf Demokratisierung hinauslaufende Reinterpretation des Konzepts propagieren, nach der in der Abwesenheit des 12. Imams seine Befugnisse auf das Volk als Ganzes übergehen Die Ambivalenz der theokratischen Herrschaft in Iran beeinflußt natürlich auch das Verhältnis Irans zu nicht-iranischen Schiiten, da diese einerseits im iranischen Regime einen Verbündeten sehen, andererseits aber nicht unter die staatliche Kontrolle Irans kommen.

V. Die Islamische Republik und Schiiten außerhalb Irans

Neben Iran sind der Irak, Bahrain und Aserbaidschan mehrheitlich schiitisch. Schiiten bilden aber auch die größte Bevölkerungsgruppe im Libanon. In der Minderheit sind sie in Saudi Arabien, Afghanistan, Pakistan und Indien. Nur in Iran befindet sich die politische Macht in schiitischen Händen, ist der Schiismus Staatsreligion. Zwischen Iranern und schiitischen Gemeinden in anderen Ländern hat es über die Jahrhunderte rege Verbindungen gegeben. Als die Safaviden im 16. Jahrhundert den Schiismus in Iran zur Staatsreligion machten, wurde die klerikale Infrastruktur im bis dahin mehrheitlich sunnitischen Iran von Einwanderern aus dem Süden Libanons aufgebaut; Kontakte mit diesem Gebiet rissen nie ab Mit Schiiten in Irak verbindet Iraner der Umstand, daß sich die Schreinstädte Nadschaf und Kerbala dort befinden. Iranische Pilger, Seminaristen, Geistliche und Kaufleute haben somit immer Kontakte zu arabischen Schiiten aufrechterhalten.

Oft waren Schiiten außerhalb Irans Opfer von Diskriminierung Im streng sunnitischen Saudi Arabien durften sie lange Zeit ihre Rituale nicht frei ausüben, und in Afghanistan wurden sie noch vor einem Jahrhundert als Sklaven verkauft. Der schiitische Süden Libanons wurde von allen Herrschern des Landes vernachlässigt und litt nach dem Entstehen Israels unter den Kämpfen, die sich Palästinenser und Israelis auf libanesischem Boden lieferten. In Irak verbesserte sich die Lage der schiitischen Mehrheit allmählich unter der Monarchie, doch verschlechterte sich die Lage wieder seit der Revolution von 1958, besonders durch die Machtergreifung der Baath-Partei 1968, da die arabischen Nationalisten den Schiiten wegen ihrer iranischen Kontakte mißtrauen: für viele arabische Sunnis ist der Schiismus eine „iranische“ Religion.

Die mißliche Lage der Schiiten außerhalb Irans erklärt, warum sie für den iranischen Staat seit jeher eine gewisse Sympathie gezeigt haben. Iran war ein Land, in dem Schiiten sich frei entfalten konnten und das ihnen Geborgenheit bot. Man kann diese Beziehung in etwa vergleichen mit den positiven Gefühlen, die die meisten Juden dem Staat Israel entgegenbringen. Sogar der in religiösen An-gelegenheiten nicht sehr einfühlsame letzte Schah setzte sich mit Geldsubventionen für libanesische und irakische Schiiten ein, um sie für den Ausbau seiner regionalen Machtposition auszunutzen.

Diese intergesellschaftlichen Beziehungen darf man nicht außer acht lassen, will man die Beziehungen des heutigen iranischen Regimes zu Schiiten in anderen Ländern begreifen. Die Machtergreifung Chomeinis stieß 1979 vielerorts auf instinktive Sympathie, die nicht unbedingt von einem ideologischen Einverständnis mit seinem ideologischen Islamismus herrührte. Das revolutionäre Fieber Irans griff auf andere Länder über. In Irak, Saudi Arabien und Bahrain kam es zu Demonstrationen, die niedergeschlagen wurden. In Saudi Arabien und Bahrain konnten die Schiiten durch Konzessionen mehr oder weniger beschwichtigt werden, doch im Irak brodelte es weiter, was Saddam Hussein dazu bewog, mit größter Härte vorzugehen: 1980 ließ er Ayatollah Baqir alSadr, den Führer des politisch aktiven schiitischen Klerus im Irak, hinrichten und mit ihm mehrere Mitglieder seiner Familie. Dem irakischen Regime gelang es, den oppositionellen Klerus zu eliminieren Doch wie in Iran, war auch ein Großteil der schiitischen Geistlichkeit im Irak unpolitisch, besonders da die Instanz mit den meisten Anhängern überhaupt, Ayatollah al-Khoi, in Nadschaf residierte. Dies verweist noch einmal auf die Problematik der schiitischen Hierarchie.

Innerhalb Irans konnte der theokratische Staat die andersdenkenden Ulema unter Kontrolle halten. Außerhalb des Landes konnte er zwar gleichgesinnte Gruppierungen fördern, aber keine absolute Kontrolle über die Hierarchie ausüben. Die Lage kann am Beispiel Libanons verdeutlicht werden. Dort hatte sich in den sechziger Jahren unter der Leitung des charismatischen Musa al-Sadr eine schiitische Bewegung gebildet, die später unter dem Namen Amal bekannt wurde. Amal vertrat die wirtschaftlichen und soziopolitischen Interessen der Schiiten, war aber reformistisch gesinnt und wirkte innerhalb der libanesischen Institutionen. Die iranische Revolution radikalisierte aber viele libanesische Schiiten, so daß es 1982 zu einer Spaltung kam: Unter direkter Einflußnahme iranischer Außenpolitik wurde die Hizbullah gegründet, die, anders als die national gesinnte Amal, eng mit dem iranischen Regime zusammenarbeitet und von diesem finanziell unterstützt wird Das bedeutet aber nicht, daß das iranische Regime totale Kontrolle über die Schiiten Libanons ausübt. So ist zum Beispiel die detaillierteste theologisch fundierte schiitische Widerlegung von Chomeinis Konzept der Welayat-e Faqih in Beirut erschienen. Der Autor, Muhammad Jawad Mughniyya, war ein libanesischer Geistlicher, der dem iranischen Ayatollah Schariatmadari nahestand, welcher in Qom nicht die Freiheit genoß, Chomeini systematisch Paroli bieten zu können. In seinem Buch bestritt Mughniyya, daß die Ulema die rechtmäßigen Statthalter des abwesenden 12. Imams seien, da sie einfache Menschen und somit, im Gegensatz zum Imam, nicht unfehlbar seien. Als weltliche Herrscher würden sie also Fehler machen, was der Religion schade Aber auch den Anhängern Chomeinis unter den libanesischen Schiiten ermöglichte die Struktur des Klerus, eine gewisse Autonomie gegenüber der iranischen Außenpolitik zu wahren. So blieb der der Hizbullah nahestehende Scheich Fadlallah bis zum Tode Ayatollah al-Khois 1992 dessen Repräsentant in Libanon Obwohl Fadlallahs politischer Aktivismus viel mehr mit Chomeinis Haltung übereinstimmte als mit al-Khois, erlaubte ihm die Verbindung mit Nadschaf, gegenüber iranischer Politik eine gewisse Handlungsfreiheit zu wahren.

Die westliche Verkennung der internen Struktur des schiitischen Klerus wurde 1991 den Schiiten Iraks zum Verhängnis. Als die Schiiten sich nach der Niederlage Saddam Husseins gegen diesen erhoben und zeitweilig große Gebiete im Süden des Landes unter ihre Kontrolle brachten, entschied man im Pentagon, Saddam Hussein zu gestatten, diesen Volksaufstand niederzuwerfen. Ayatollah al-Khoi hatte während des achtjährigen irakisch-iranischen Krieges seine unpolitische Haltung gewahrt und in dem Bruderkrieg weder die eine noch die andere Seite unterstützt. Als Nadschaf aber im März 1991 befreit wurde, kam der greise Ayatollah nicht umhin, seine Zurückhaltung aufzugeben: Er ernannte ein Komitee aus fünf Modschtaheds, die in Nadschaf das Gemeinwohl schützen sollten. Durch seinen Sohn Madschid al-Khoi nahm er Verbindung mit den näherrückenden amerikanischen Truppen auf, in der Hoffnung, den Schiiten-Aufstand und den Vormarsch der Koalitionstruppen gegen Saddam Hussein zu koordinieren.

Aber während die Kurden im Norden Iraks bald unter den Schutz der UNO gestellt wurden, ließ man den irakischen Truppen freie Hand, die arabischen Bewohner des Südens niederzumetzeln. Bei der Rückeroberung des irakischen Südens wurden Tausende, auch Geistliche, umgebracht oder inhaftiert, die Schätze der Schreinstädte Kerbala und Nadschaf geplündert, Bibliotheken und Seminare zerstört sowie Tausende von alten Manuskripten verbrannt. Ayatollah al-Khoi wurde zu einem demütigenden gemeinsamen Fernsehauftritt mit Saddam Hussein genötigt und stand dann bis zu seinem Tode im August 1992 unter Hausarrest

VI. Schlußbetrachtung

Seit dem Zusammenbruch des letzten Imperiums gibt es im internationalen System keine ideologisch fundierte Alternative mehr zur Demokratie außer der islamischen Theokratie. Somit ist die Islamische Republik Iran ein Modellfall für Islamisten in der ganzen Welt, wobei natürlich auch bemerkt werden muß, daß das iranische Staatswesen von schiitischem Gedankengut geprägt ist und deshalb nicht a priori für sunnitische Islamisten relevant ist. Trotzdem ist es wichtig festzustellen, daß das theokratische Modell an inneren Widersprüchen leidet, da es im Islam keinen zentralistisch organisierten Klerus gibt.

Der Versuch, den Graben zwischen Religion und Politik zu überwinden, ist in Iran gescheitert. Vielmehr hat sich die Religion politisiert, und Politik ist mit religiösen Symbolen behaftet. Die weltliche und geistliche Führung der Schiiten liegt spätestens seit dem Tode Ayatollah Chomeinis nicht in einer Hand, und der Gegensatz zwischen staatlicher und religiöser Autorität besteht weiter.

Die interne Struktur des schiitischen Klerus war einer der Faktoren, die der Schaffung eines totalitären Staates in Iran entgegengewirkt haben. Genauso wie der politische Klerus in Iran nicht das Gegenstück zu einer leninistischen Einheitspartei werden konnte, kann es auch kein internationales Pendant zur Komintern geben, da viele nicht-iranische Schiiten sich weigern, den Führungsanspruch von Chomeinis Nachfolgern anzuerkennen. Ob die jahrhundertealte „Ordnung der Unordnung“ des Klerus Iran zu einem Nachzügler der „dritten Welle“ macht oder einfach für mehr Unordnung sorgt, kann heute noch nicht entschieden werden. Tatsache ist, daß es auf Irans Sonderweg mehr Hindernisse gibt, als die Theokraten angenommen hatten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Samuel Huntington, The Third Wave: Democratization in the Late Twentieth Century, Norman 1991.

  2. Gustav Mensching, Toleranz und Wahrheit in der Religion, Heidelberg 1955, S. 111.

  3. Vgl. Adel Theodor Khoury, Religion und Politik im Islam, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 22/90, S. 3f.

  4. Auf die Gründe dieses Dualismus kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden. Vgl. Said Amir Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, Chicago 1984.

  5. Vgl. Asghar Shirazi, Die Widersprüche in der Verfassung

  6. Vgl. Abdu l Hadi Haiti, Shi’ism and Constitutionalism in Iran, Leiden 1977.

  7. Vgl. Ayatollah Chomeini, (Nader Hassan und Ilse Itscherenska, Übersetzer), Der Islamische Staat, Berlin 1983, S. 166-170.

  8. Vgl. Houchang Nahavandi, Iran. Anatomie d’une revolution, Paris 1983, S. 123.

  9. Le Monde vom 11. April 1981, S. 4.

  10. Akbar Haschemi Rafsandschani, Enqelab va be’sat-e dschadid, Qom o. J., S. 64.

  11. Vgl. Ali Schirazi, Agrarian Policy in Postrevolutionary Iran. Complications and Consequences of an Islamistic Oriented Development Policy, Berlin 1992.

  12. Vgl. Asghar Schirazi, Die neuere Entwicklung der Verfassung in der Islamischen Republik Iran, in: Verfassung und Recht in Übersee, 24 (1991) 2.

  13. Vgl. Ahmad Kazemi Moussavi, A New Interpretation of the Theory of Vilayat-i Faqih, in: Middle Eastem Studies, 28 (1992).

  14. Vgl. Albert Hourani, From Jabal ’Amil to Persia, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies, (1986).

  15. Siehe die einzelnen Artikel in: Juan Cole/Nikki Keddie (Hrsg.), Shi'ism and Social Protest, New Haven 1986.

  16. Vgl. Pierre Martin, Les chi'ites d’Irak: Une majoritd domin 6e ä la recherche de son destin, in: Peuples mäditerranöens, (1987) 40.

  17. Vgl. Augustus Richard Norton, Amal and the Shi’a: Struggle for the Soul of Lebanon, Austin 1987; As’ad AbuKhalil, Ideology and Practice of Hizballah in Lebanon, in: Middle Eastem Studies, 27 (1991).

  18. Vgl. Karl-Heinz Göbel, Moderne Schiitische Politik und Staatslehre, Opladen 1984, S. 65-139.

  19. Vgl. Chibli Mallat, Shi’i Thought front the South of Lebanon, Oxford 1988, S. 37-42.

  20. Vgl. Barbara Stapleton, The Shias of Iraq, London 1992; Chibli Mallats Nachruf auf Ayatollah al-Khoi, in: The Independent vom 10. August 1992.

Weitere Inhalte

Houchang Esfandiar Chehabi, Ph. D., geb. 1954 in Teheran; Studium der Geographie und Geschichte an der Universität Caen (1972-1975), der Internationalen Beziehungen am Institut für Politische Studien in Paris (1975-1977) und der Politikwissenschaft an der Yale Universität (1977-1986); Associate Professor of Government and of Social Studies an der Harvard Universität; 1991/92 Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung. Veröffentlichungen u. a.: Iranian Politics and Religious Modernism, London 1990; zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften.