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F. D. P.: 1994 -Die zweite historische Chance | APuZ 15/1994 | bpb.de

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APuZ 15/1994 Erneuerung aus der Mitte Zukunft gestalten, Bewährtes erhalten, Stabilität sichern Wahl 94. Was tun? F. D. P.: 1994 -Die zweite historische Chance Politik der Reformen und Reform der Politik Erneuerung der Gesellschaft

F. D. P.: 1994 -Die zweite historische Chance

Werner Hoyer

/ 16 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die F. D. P. ist in rauhem Fahrwasser, Wahlergebnisse stagnieren oder sind rückläufig. Und dennoch gibt es auf den drei Ebenen der programmatischen Profilierung, der Funktion der F. D. P. in der politischen Parteienlandschaft und der personellen Kompetenz für die Liberalen auch Mitte der neunziger Jahre große Chancen. Dabei ist das Superwahljahr eine Chance, die Kluft zwischen einem wachsenden gesellschaftlichen Potential -das sich selbst als liberal versteht -und der F. D. P., ihrer politischen Praxis und ihrem Image, zu schließen. Es geht erstens darum, zu erreichen, daß die F. D. P. wieder stärker als liberale Partei gesehen wird, die das liberale Lebenswertgefühl der Menschen anspricht. Diese emotionale Ansprache muß die F. D. P. mit einer stärkeren Grundwerteprofilierung ihres Selbstverständnisses erreichen. Zum zweiten hat die F. D. P. gerade im Bereich der von den Wählern ihr nach wie vor zugewiesenen marktwirtschaftlichen Kompetenz unter diesem Blickwinkel die Arbeitsmarktproblematik zu besetzen. Unter den Leitmotiven „mehr Flexibilität, mehr Wettbewerb und weniger Bürokratie“ will die F. D. P. ein Alleinstellungsmerkmal zwischen zwei Volksparteien setzen, die sich in ihrer Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik immer weiter annähern. Funktional muß die F. D. P.deutlich machen, daß aufgrund der Entvölkerung der Volksparteien regierungsund handlungsfähige Mehrheiten nur noch mit einer starken F. D. P. möglich sind. Schließlich muß die kleine F. D. P. auch die Funktion eines Motors der Veränderung gegenüber den schwerfälligen Volksparteien wahmehmen. Das funktionale Wahlargument ist stärker denn je. Allein, es fehlt noch an der Vermittlung dieses Argumentes. Gegen die allgemeine Verdrossenheit setzt die F. D. P. zuallererst auf ihren Spitzenkandidaten Klaus Kinkel, der als Persönlichkeit für Direktheit, Offenheit und Glaubwürdigkeit steht. Diese Kombination von liberaler Programmatik, funktionaler Bedeutung der F. D. P. und persönlicher Integrität sollen die Schwerpunkte für eine erfolgreiche F. D. P.sein.

Mit elf Prozent erreichte die F. D. P. 1990 bei den Bundestagswahlen das drittbeste Ergebnis ihrer Geschichte. Viele sahen das Einheitsjahr als einmalige historische Chance für die F. D. P., weil sie in den zentralen Fragen, dem außen-und wirtschaftspolitischen Kurs unter dem Blickwinkel des Einheitsprozesses dem Wähler programmatische und personelle Kompetenz vermitteln konnte. Viele haben dies als einmalige Chance, quasi als den Glücksfall der Geschichte für die F. D. P. gesehen. Ich bin der Auffassung, daß sich 1994 die zweite historische Chance für die F. D. P. bietet -trotz der ersten negativen Wahlergebnisse in diesem Jahr. Denn gerade die marktwirtschaftliche Kompetenz der F. D. P. ist angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung mehr denn je gefordert. Und zwar nicht nur in einem Aktionsprogramm für den Wahlkampf, sondern in einer strukturellen Erneuerung, die die Krise nutzt, um die Ursachen der Krise zu beseitigen. Gerade liberale Gesellschaftspolitik für mehr Toleranz und Weltoffenheit ist nötig, um der Gewalt gegen Ausländer und dem neuen Nationalismus zu begegnen. Und schließlich ist gerade eine starke F. D. P. nötig, um regierungsund handlungsfähige Mehrheiten zu erreichen. Denn angesichts des Wählerverlustes der Volksparteien kann nur eine starke F. D. P. vor rot-grünen Experimenten und vor einer entscheidungsschwachen Großen Koalition der Wahlverlierer schützen. Daß die F. D. P. in ihrer politischen Funktion und als liberale Partei mehr denn je gebraucht wird, das ist die zweite historische Chance.

Zur Zeit durchleben wir in Deutschland einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Struktur-wandel, der von den Menschen als tiefe Krise empfunden wird. Die Arbeitslosigkeit von mehr als vier Millionen Menschen ist die zentrale Herausforderung an die Politik. Niemand wird ernsthaft versprechen können, daß das Problem der Arbeitslosigkeit endgültig gelöst werden kann. Die F. D. P. will keine falschen Versprechungen abgeben. Wir wollen aber Mut machen gegen eine allgemeine Verdrossenheit und gegen die verbreitete und hochentwickelte Kultur des Klagens. Wir wollen nicht nur an Schwierigkeiten, sondern zuerst an Möglichkeiten denken. Denn die Vertrauenskrise der Politik rührt aus einem nicht unbegründeten Gefühl der Bürger, daß die Politik Probleme nicht entschlossen, nicht strukturell oder gar nicht löst. Statt nun auch noch selbst in Politikverdrossenheit zu baden, wollen wir unsere Ziele benennen und konkrete Wege aus der Krise aufzeigen.

Das programmatische Profil der F. D. P. im Wahljahr

Nach 25 Jahren nahezu ununterbrochener Regierungsverantwortung hat sich viel liberales Profil in den notwendigen Koalitionskompromissen abgeschliffen. Immer mehr hat die Funktion der F. D. P., nämlich die Herstellung der verläßlichen Regierungsmehrheit und die Mäßigung und Moderation der großen Regierungspartei, das liberale Selbstverständnis der F. D. P. überlagert. Die neue, krisenhafte Situation ist aber auch die Chance, die Funktion der F. D. P. für die politische Stabilität in Deutschland mit dem liberalen Credo der Reform und einer Renaissance des Liberalismus in der sozialen Marktwirtschaft stärker zu verbinden. Es kommt offensichtlich in Deutschland einer kleineren, flexibleren Partei die Aufgabe zu, gegen die Beharrungskräfte und die Entscheidungsangst den Willen und den Mut zu Veränderung zu setzen. Es spüren fast alle Bürger, daß es so nicht weitergehen kann. Aber die Parteien sind immer noch viel zu sehr beim „weiter so“ und sind befallen von einer Sklerose im Denken und im Handeln. Wie austauschbar die inzwischen nicht mehr so großen Volksparteien hierbei geworden sind, zeigt der neue Slogan der SPD: „Sicherheit statt Angst“, während die CDU auf die Begriffe „Sicherheit“ und „Zukunft“ setzt.

Die F. D. P. ist der Auffassung, daß es jetzt nicht mehr darum gehen kann, alte Strukturen zu bewahren. Es geht darum, die Chancen der Krise für neue Strukturen zu nutzen. Dabei setzt die F. D. P. Schwerpunkte:

Neue und sichere Arbeitsplätze schaffen Neue und produktive Arbeitsplätze zu schaffen, ist die zentrale Herausforderung. Wir Liberalen geben uns nicht mit der bloßen Verwaltung vonArbeitslosigkeit und der Verteilung von vorhandenen Arbeitsplätzen zufrieden. Arbeitsmarktpolitik darf sich nicht in reiner Sozialpolitik durch die Zahlung von Lohnersatzleistungen erschöpfen. Wir wollen vielmehr die Hindernisse auf dem Weg zur Schaffung neuer, zusätzlicher Arbeitsplätze beseitigen. In Deutschland mangelt es nicht an Arbeit. Es mangelt an bezahlbarer, wettbewerbsfähiger Arbeit. Und es gibt zahlreiche Schranken zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, die wir durch flexiblere Strukturen beseitigen können: -Die F. D. P. will mehr Beweglichkeit im internationalen Standortwettbewerb durch flexiblere Arbeitszeiten, mehr Teilzeitarbeit und betriebsnahe Tarifvereinbarungen, die Rücksicht auf Produktivität, Branchenkonjunktur und die regionale oder betriebliche Lage nehmen. -Außerhalb der klassischen Wettbewerbsbranchen können vor allem im Niedriglohnbereich sehr viele Arbeitsplätze gewonnen werden, wenn die Anreize verstärkt werden, aus Sozialhilfe und Lohnersatzleistungen zu regulärer Erwerbsarbeit zurückzukehren. Darüber hinaus muß die steuerliche Gleichstellung der Beschäftigung in privaten Haushalten mit der betrieblichen Beschäftigung umgesetzt werden. Was oft leichtfertig und ideologisch als „Dienstmädchenprivileg“ abgetan wird, ist ein wichtiges und vor allem großes Arbeitsplatz-potential für Teilzeitarbeit und käme insbesondere der häuslichen Pflege zugute. -Unternehmen müssen von Kosten entlastet werden, damit Konkurrenzfähigkeit im internationalen Standortwettbewerb gesichert bzw. wiederhergestellt werden kann. Dafür ist zuerst die Vielzahl von Regulierungen und staatlicher Bürokratisierung abzubauen. Durch schnellere Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie für die Unternehmen können vor allem im entscheidenden mittelständischen Bereich Leistungspotentiale freigesetzt werden.

-Die F. D. P. will Investitionen statt Subventionen. Die in Zukunft nicht mehr konkurrenzfähigen alten Industrien müssen strukturell aus der Abhängigkeit von Subventionen herausgeführt werden. Damit werden auch wieder Potentiale für die Förderung von Zukunftstechnologie frei. Die wichtigsten Ressourcen des exportorientierten Hochlohnlandes Deutschland sind sein Know-how, seine Produktivität und Innovationsfähigkeit sowie die Qualität seiner Produkte. Deshalb müssen wir in Forschung, Bildung und Technologie investieren. Die F. D. P.setzt sich gegen die technologiefeindlichen Tendenzen in unserem Land ein. Es ist eine gravierende Fehlentwicklung, daß z. B. gerade die

Gentechnologie aufgrund eines technologiefeindlichen Klimas aus Deutschland vertrieben wird. -Die Staatsquote muß wieder auf ein Niveau wie vor der Einheit zurückgeführt werden. Wo die Leistungsanreize der Arbeitnehmer und die Investitionsanreize der Unternehmer durch eine Steuer-und Abgabenlast gebremst werden, kann sich kein dynamischer Aufschwung entwickeln, wie ihn die Bundesrepublik zuletzt in der Phase der marktwirtschaftlichen Erneuerung seit 1982 erlebt hat, als drei Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen wurden.

Weniger Staat, mehr Eigenverantwortung wagen Das weitere Anwachsen der Schulden der öffentlichen Haushalte geht auf Kosten der nächsten Generation und ihrer Zukunftschancen. Durch Privatisierung, durch eine effizientere öffentliche Verwaltung und eine Rückführung der Aufgaben des • Staates auf seine eigentlichen hoheitlichen Funktionen muß der Weg in die Verschuldungsfalle gestoppt werden. Denn sonst müssen immer größere Teile des Steueraufkommens für den Schuldzins aufgebracht werden.

Die F. D. P. will die Aufgaben und die Ausgaben des Staates auf das wirklich Nötige zurückführen. Dazu gehört auch der dringend notwendige Subventionsabbau. Ein schlankerer Staat, der sich auf seine eigentlichen, hoheitlichen Aufgaben konzentriert, ist ein stärkerer Staat.

Der Abbau ausufernder Ansprüche des Staates ist aber mehr als nur eine Notwendigkeit der Sparsamkeit. Vielzuviel Verantwortung ist verstaatlicht worden. Das hat die Illusion der staatlichen Fürsorge für alle Lebenslagen und die Anspruchsmentalität des Bürgers an den Staat geschaffen. Die F. D. P. will, daß Bürger Verantwortung übernehmen und Raum für eigene Initiativen bleibt.

Den Mittelstand stärken Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze mit Perspektive entstehen in besonderem Umfang im produzierenden Mittelstand, aber auch in den Dienstleistungsberufen. Der dynamische Mittelstand, den wir für Erfolge im internationalen Standortwettbewerb besonders brauchen, wird außerdem gestärkt, wenn wir die ständig ansteigende Flut neuer Gesetze und Regulierungen eindämmen und Genehmigungsverfahren stark vereinfachen und beschleunigen. Außerdem muß der Staat allen Unternehmen eine gute Infrastruktur für Forschung, Ausbildung, Information, Kommunikation und Verkehr zur Verfügung stellen. Dazu gehört auchdie Umwelt-Infrastruktur, für die der Staat weiterhin Verantwortung tragen soll, die aber effizienter und schneller von privaten Unternehmen bereitgestellt wird.

Den Sozialstaat umbauen Für die jüngere Generation ist eine grundlegende Reform des Systems von Steuern und steuerfinanzierten Sozialleistungen dringend geboten. Aber nicht nur für sie: Wir dürfen auch die heutige Generation nicht überfordern. Das derzeitige System hoher Steuern einerseits und einer Vielzahl steuer-finanzierter Sozialleistungen andererseits ist freiheitsfeindlich, sozial ungerecht, zu kompliziert und undurchsichtig.

Zur Zeit kann man in Deutschland 90 verschiedene Sozialleistungen bei über 40 Behörden und Ämtern beantragen. In diesem Sozialstaatsdschungel sind es eher die Gewieften und Rechtskundigen, die wissen, wie man einen Anspruch durchsetzt. Die wirklich Bedürftigen erreicht die teure Hilfe oftmals nicht. Vor allem die sozial Schwächsten sind durch die vielen bürokratisierten und komplizierten Regelungen völlig überfordert.

Das Bürgergeldsystem Das Bürgergeld-Konzept der F. D. P. ist ein Beitrag für mehr Arbeitsplätze, für größere Zielgenauigkeit und Transparenz sozialer Hilfe und für weniger Bürokratie. Einkommensbesteuerung und steuerfinanzierte Sozialleistungen sollen schrittweise in einem integrierten System zusammengefaßt werden: Statt des Nebeneinanders von zahlreichen Sozialleistungen soll im Bürgergeldsystem schließlich nur eine Behörde für finanzielle soziale Hilfe zuständig sein.

Für eine auf Dauer tragfähige und verläßliche soziale Sicherung brauchen wir vor allem mehr Arbeitsplätze. Was not tut, sind bessere Chancen für reguläre Erwerbsarbeit, vor allem für Teilzeitarbeit und für weniger qualifizierte Arbeitskräfte. Das Bürgergeld-Konzept eröffnet diese Chancen durch finanzielle Anreize: Je nach Familiensituation und z. B. örtlichen Wohnkosten hat man netto mehr, wenn man reguläre Arbeit aufnimmt. Nur die Hälfte des Lohnes wird beim Bürgergeld auf die Sozialleistung angerechnet. Insgesamt eröffnet das F. D. P. -Konzept vielen Bürgern eine Perspektive durch Arbeitseinkommen und neues Selbstwertgefühl in der Arbeitswelt und in der Familie.

Im F. D. P. -Bürgergeld-Konzept wird aus Haushaltsmitteln finanziert, was schon bisher als Sozial-transfers über Steuern finanziert wurde. Es wird aber Bürokratie eingespart, und die soziale Hilfe wird zielgenauer als im heute unüberschaubaren Dschungel mit hohen Steuersätzen, viel zu vielen Ausnahmen, die die Bemessungsgrundlage für Steuern zu schmal machen, und mit einer Vielzahl von Sozialleistungen, die viel zu oft nicht bei den tatsächlich sozial Schwachen ankommen. Die Umstellung auf das Bürgergeld-Konzept bringt zugleich die dringliche Reform des Familienlastenausgleichs.

Marktwirtschaft ökologisch weiterentwickeln Die F. D. P. ist für mehr Umweltschutz durch mehr marktwirtschaftliche Ökologie. Wir dürfen nachfolgenden Generationen nicht jeglichen Freiheitsspielraum nehmen, indem wir ihnen einen großen Teil unseres Planeten nur noch im Zustand schwerer Beschädigung oder gar Zerstörung hinterlassen. Darum fordert die F. D. P. die ökologische Weiterentwicklung der Marktwirtschaft. Die sich als effizient erwiesenen marktwirtschaftlichen Instrumentarien müssen endlich auch für die dauerhafte Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen eingesetzt werden.

Die F. D. P. hat 1971 das erste umfassende Umweltprogramm vorgelegt. Für die F. D. P. war Umweltschutzpolitik von jeher mit dem Prinzip der Marktwirtschaft verbunden: Definiert man Ökonomie als das sparsame Umgehen mit knappen Ressourcen, so liegt der Gedanke an die Ökologie nahe. Auch die „Rohstoffe“ Luft, Wasser und Boden haben ihren Preis, der bisher nicht ausreichend oder gar nicht in Rechnung gestellt worden ist. Lastet man dem Verursacher aber die Kosten seines Verbrauchs an natürlichen Lebensgrundlagen an, wird ein wirtschaftliches Handeln bewirkt, werden Ressourcen gespart und damit die Umwelt geschont. Vorausschauende Kalkulation bedeutet dann gleichzeitig wirkungsvolle Umwelt-vorsorge.

Die von der F. D. P. geforderte ökologische Weiterentwicklung des Steuersystems wirkt in mehrfacher Hinsicht: Zunächst muß das Steuersystem vereinfacht und umstrukturiert und die Steuern auf Einkommen und Ersparnisse gesenkt werden. Parallel dazu wird durch ökologisch begründete Steuerabgaben eine bessere Umweltvorsorge erzielt. Umweltschutz darf aber nicht zum Vorwand für immer höhere Steuern und Abgaben genommen werden. Wenn aus Umweltgründen Steuern erhöht werden müssen, wollen wir Liberalen die Steuern an anderer Stelle senken. Je weniger Emissionen, Abwässer und Abfälle bei der Herstellung oder beim Verbrauch anfallen, destogrößer ist die zusätzliche Ersparnis bei Unternehmen und Haushalten. Durch die Umverlagerung der Steuereinnahmen können die dringend notwendigen Umweltschutzmaßnahmen finanziert werden. Durch sparsames Haushalten mit Umweltgütern werden vorsorglich Schäden vermieden, deren nachträgliche Reparaturen wesentlich teurer sind.

Für eine kontrollierte Einwanderungspolitik und doppelte Staatsbürgerschaft Einen wichtigen Beitrag für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung unserer Gesellschaft leisten die bei uns lebenden Ausländer. Rechte Parteien wie Republikaner und die DVU versuchen, durch diffamierende und volksverhetzende Parolen Ängste zu schüren und bereiten den Boden für Gewalt und menschenverachtende Diskriminierung. Die Liberalen werden verhindern, daß eine solche Politik salonfähig wird. Für uns Liberale ist es selbstverständlich, daß wir Verantwortung für unsere ausländischen Mitbürger tragen und uns für die Verbesserung ihrer Situation einsetzen. Dazu gehört für die F. D. P. auch die erleichterte Einbürgerung ausländischer Mitbürger und die erleichterte Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist die längst überfällige Konsequenz aus der fast vierzigjährigen Migrationsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das geltende Staatsangehörigkeitsrecht führt dazu, daß in Deutschland immer mehr Menschen leben, die hier geboren und aufgewachsen sind, die in Deutschland zur Schule gehen und bei uns Beiträge zur Sozialversicherung zahlen und trotzdem rechtlich Fremde bleiben. Diese unhaltbare Situation wollen wir beenden. Auch die ideologische Diskussion über Deutschland als „Einwanderungsland“ muß endlich beendet werden. Deutschland ist längst ein Einwanderungsland. Es muß auch in Zukunft tolerant und weltoffen sein. Für eine kontrollierte Einwanderungspolitik ist die rasche Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung dringend erforderlich. Unter den Gesichtspunkten Arbeitsmarkt, berufliche Qualifikation, Wohnraumkapazität und soziale Integration sind auf gesetzlicher Grundlage jährliche Einwanderungsquoten festzulegen. Das heißt: Mit einem solchen Gesetz können wir künftig entscheiden, wie viele Menschen aus anderen Ländern wir bei uns aufnehmen wollen und welche Kriterien sie erfüllen sollen. Strikt davon zu trennen ist die Asylfrage. Hier wird die F. D. P. auch in Zukunft dafür sorgen, daß wirklich politisch Verfolgte in Deutschland Asyl in Anspruch nehmen können. Wegen des Mißbrauchs des Asylrechts darf das Asylrecht nicht abgeschafft werden.

Innere Sicherheit gehört zur Freiheit Die F. D. P. nimmt die Sorgen der Bürger vor wachsender Kriminalität sehr ernst. Recht zu setzen, das Recht durchzusetzen und den Bürger somit vor Verbrechen zu schützen, ist die zentrale Aufgabe des Staates. Die Freiheit bleibt auf der Strecke, wenn die Bürger der Willkür anderer ausgeliefert sind und ständig mit Übergriffen auf ihre Person oder ihr Eigentum rechnen müssen. Als Liberale wägen wir zwischen dem Schutz des Bürgers vor dem Rechtsbrecher und dem Schutz des Bürgers vor staatlichen Eingriffen in seine Grund-und Persönlichkeitsrechte ab. Liberale sind gegen eine Emotionalisierung der Debatte durch den Wahlkampf. Das schafft ein Klima der Angst, in dem das Augenmaß für das Notwendige und das Machbare verlorengeht.

Die Bundestagsfraktion der F. D. P. hat auf der Gesetzesebene eine ganze Reihe von konkreten Vorschlägen erarbeitet, über deren rasche Umsetzung wir mit dem Koalitionspartner verhandelt haben. CDU/CSU und F. D. P. haben als Antwort auf die Zunahme von Straftaten den Entwurf eines „Verbrechensbekämpfungsgesetzes 1994“ im Deutschen Bundestag eingebracht. Dieses Gesetz ist eine umfassende Ergänzung bisheriger Gesetzesänderungen und soll bestehende Defizite bei der Kriminalitätsbekämpfung beseitigen. Das ist eine von mehreren Gesetzesinitiativen zur Verbrechensbekämpfung in dieser Legislaturperiode. Die F. D. P. ist aber gegen einen blinden gesetzgeberischen Aktionismus. Wir sind für konkrete Maßnahmen.

Wenn man die Alltagskriminalität, die die Menschen besonders bewegt, wirklich effektiver bekämpfen will, muß man vor allem eines tun: Man muß mehr Polizisten einstellen, sie besser ausrüsten und besser motivieren. Und wenn sich Verbrecher bei ihren Straftaten modernster technischer Methoden bedienen, muß auch die Polizei technisch so ausgerüstet sein, daß sie den Verbrechern Paroli bieten kann. Das ist derzeit nicht der Fall. Deshalb gibt es für die F. D. P. bei der Verbrechensbekämpfung eine ganz klare Priorität: Wir brauchen mehr und wir brauchen besser ausgerüstete Polizisten. Das kostet Geld. In der Abwägung zwischen Sicherheit und Kosten entscheiden wir uns für die Sicherheit.Für eine verläßliche und partnerschaftliche Außenpolitik Die F. D. P. ist seit langem der Garant für eine verläßliche Außenpolitik. Deswegen genießt Deutschland Vertrauen in der Welt. Das soll so bleiben. Dazu gehört, daß sich Deutschland an Blauhelm-Einsätzen und im Notfall auch an Kampfeinsätzen im System der kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen beteiligen können muß. Eine Renationalisierung der deutschen Außen-und Sicherheitspolitik wäre lebensgefährlich und würde die Lehren aus zwei Kriegskatastrophen in diesem Jahrhundert übersehen. Deutschland muß integrations-und bündnisfähig sein.

Die UNO muß in die Lage versetzt werden, den vielen neuen Herausforderungen an den Weltfrieden entschieden entgegentreten zu können. Auch Deutschland muß dazu seinen Beitrag leisten. Unser Land ist mit der Wiedererlangung der Einheit und seiner Souveränität ein vollwertiges Mitglied der Völkergemeinschaft geworden. Unsere Verantwortung und Rolle in der internationalen Politik ist gewachsen.

Deutschland muß nach seiner Wiedervereinigung ein handlungs-und bündnisfähiger, verläßlicher und verantwortungsbewußter Partner in der Welt-gemeinschaft bleiben. Dafür brauchen wir einen neuen außen-und sicherheitspolitischen Konsens in Deutschland. Wir müssen endlich in der Lage sein, wie andere Staaten der Völkergemeinschaft an internationalen Friedenseinsätzen im Auftrag der Vereinten Nationen teilzunehmen -nicht mehr und nicht weniger. Wir wollen keinen Sonderweg. Und wir sind es unseren Soldaten schuldig, ihren Auftrag klar zu definieren und dafür die rechtlich gesicherte Grundlage zu schaffen.

Deutschland braucht Europa In Europa ist und bleibt die Europäische Union der entscheidende Garant für Frieden und Wohlstand. Das Konzept der europäischen Integration -über die Europäische Gemeinschaft zur Europäischen Union -ist die kreativste und in der Umsetzung erfolgreichste Idee der Nachkriegszeit.

Die F. D. P. wendet sich gegen jede Form von Kleinstaaterei und nationalem Chauvinismus. Wir wissen, daß wir eine Reihe großer politischer Aufgaben nur im gesamteuropäischen Kontext lösen können. Dies gilt für die Sicherung des Friedens und den Erhalt einer lebenswerten Umwelt ebenso wie für die technologische Erneuerung der Wirtschaft, eine Kontrolle der Zuwanderung und den gemeinsamen Kampf gegen das Organisierte Verbrechen. Aber wir wollen nicht irgendein Europa, sondern ein liberales Europa. Die F. D. P. steht für ein marktwirtschaftliches Europa. Der Standort Deutschland und der Standort Europa müssen durch mehr Wettbewerb und mehr offene Märkte, durch weniger Subventionen und weniger bürokratische Regelungen gleichermaßen liberalisiert werden. Nur bei einem funktionierenden europäischen Markt, frei von Überregulierung und Planwirtschaft stärken wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Zwei Drittel der Ausfuhren der . Exportnation Deutschland gehen in die Europäische Union. Deswegen ist die F. D. P. im Interesse Deutschlands konsequent für das gemeinsame Europa.

Zumuten heißt Zutrauen -Wege aus der Politikverdrossenheit

Politikverdrossenheit hatte Konjunktur. Die Medien haben das Thema so hochgezogen, daß sich der Bürger immer mehr gelangweilt abwendet. Es geht dem Bürger nämlich nicht darum, von den Medien bestätigt zu bekommen, was er immer schon vermutet hatte: daß der Politiker faul, unfähig und korrupt sei. Es geht darum, etwas zu ändern.

Politikverdrossenheit wird dort zuerst gemacht, wo Politik gemacht wird -sei es durch individuelles Fehlverhalten oder durch strukturelle Defizite unserer Demokratie. Veränderung tut not -bei Politikern wie auch bei Bürgern. Aus der allgemeinen Verunsicherung, der Zukunftsungewißheit und Orientierungslosigkeit will die F. D. P. nicht durch politische Sinnstiftung oder kollektiv verordnete staatliche Beglückung herausführen. Die F. D. P.setzt auf den handelnden Bürger. Zu viele Bürger sehen nicht die Chancen, die sich aus aktivem Handeln ergeben. Sie erwarten vom Staat nahezu grenzenlose Sicherheiten und übertragen die gesamte Verantwortung auf die Politik. Diese passive Anspruchsmentalität hat die Politik selbst gezüchtet, indem sie sich für allzuständig und den Staat als das Allheilmittel für die Lösung aller Probleme erklärt hat. Die Liberalen wollen aber eine aktive Bürger-gesellschaft und keine Zuschauerdemokratie. Wir Liberalen muten dem Bürger etwas zu, weil wir ihm viel zutrauen.

Das demokratische Gemeinwesen ist kein Dienstleistungsunternehmen, aus dem man für möglichstwenig Geld möglichst viel herausholt. Mehr Raum zu schaffen für Eigeninitiative und Eigenvorsorge, für Kreativität und Leistung ist eine zentrale Voraussetzung für eine Gesellschaft, in der der einzelne Verantwortung für sich und für andere übernehmen kann. Dazu gehören auch mehr Teilnahmemöglichkeiten des Bürgers an unserer Demokratie. Insbesondere in seinem unmittelbaren Lebensumfeld kann der Bürger stärker an Entscheidungen beteiligt werden.

Die F. D. P. ist für eine Verbesserung des Verhältniswahlrechts in den Ländern, Demokratie-und Transparenzangebote bei der Aufstellung von Kandidaten und eine Verbesserung des Wahl-verfahrens bei der Kandidatenaufstellung. Das kommunale Wahlrecht muß in allen Bundesländern die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens vorsehen. Auf diese Weise können die Bürger unmittelbar auf die von den Parteien aufgestellten Listen Einfluß nehmen. Darüber hinaus sind wir für die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte sowie für die Einführung eines Bürger-entscheids auf kommunaler Ebene.

Auch die Parteien müssen sich innerlich reformieren. Parteien sind nötig zum Interessenausgleich in einer pluralistischen Gesellschaft, deswegen müssen sie eng mit der Gesellschaft verbunden und vernetzt sein. Das möchte die F. D. P. für sich mit ihrer auf dem Weg befindlichen Parteistrukturreform erreichen. Dabei ist die innerparteiliche Demokratie der F. D. P. schon viel weiter als bei den anderen Parteien. Es gibt Vollversammlungen für Kandidatenaufstellungen, echte Wahlen der Kandidaten und ein Klima der Diskussion und des Dialogs auf den Parteitagen. Allerdings reicht das noch nicht aus, um die Mitarbeit attraktiver zu machen und die Schwelle zur Mitgliedschaft herabzusenken. Parteien zu modernisieren und gleichzeitig Möglichkeiten zur demokratischen Teilhabe außerhalb der Parteien zu erweitern, ist eine dringliche Aufgabe, die die Kluft zwischen Wählern und Gewählten überbrücken soll. Und gerade für die F. D. P. geht es darum, ein wachsendes gesellschaftliches Potential, das sich als liberal versteht, mit der F. D. P. zu verbinden.

Für ein weltoffenes und leistungsstarkes Deutschland ’ Am 16. Oktober entscheiden die Wählerinnen und Wähler darüber, ob Deutschland als weltoffenes und tolerantes Land eine der führenden Wirtschafts-und Handelsnationen bleibt. Die F. D. P.

ist überzeugt: Wir können den Wirtschaftsstandort Deutschland auf Dauer nur durch mehr Marktwirtschaft sichern. Die Liberalen setzen auf mehr Wettbewerb und wollen den Bürgern wieder neue Spielräume eröffnen.

Teure Beschäftigungsprogramme sind auf Dauer kein Weg aus der Arbeitslosigkeit. Die F. D. P. will keine höhere Staatsverschuldung und keine weiteren Steuer-und Abgabenerhöhungen. Die F. D. P. will Bedingungen dafür schaffen, daß die Leistung und Initiative der einzelnen sich auch lohnt. Die F. D. P. will Verantwortung übernehmen. Durch eine starke F. D. P. wollen wir die Mitte stark machen. Wir wollen keine regierungsunfähige rot-grüne Mehrheit und keine handlungsunfähige Große Koalition. Die F. D. P. steht für Kontinuität und für Veränderung zugleich.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Werner Hoyer, Dr. rer. pol., geb. 1951; Mitglied des Deutschen Bundestages seit 1987; Angestellter der Carl-Duisberg-Gesellschaft, Köln (z. Z. beurlaubt); Lehrbeauftragter an der Universität Köln; Mitglied der F. D. P.seit 1972, 1984-1993 Vorsitzender des Kreisverbandes Köln der F. D. P., seit 1990 Stellvertretender Landesvorsitzender NRW der F. D. P., seit Juni 1993 Generalsekretär der F. D. P., Sicherheitspolitischer Sprecher der F. D. P. -Bundestagsfraktion; Vizepräsident der Deutschen Atlantischen Gesellschaft.