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Wirtschaftskriminalität Eine Bedrohung für Staat und Gesellschaft | APuZ 23/1995 | bpb.de

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APuZ 23/1995 Kriminalität und Sicherheitsbedürfnis Zur Bedrohung durch Gewalt und Kriminalität in Deutschland Die Entwicklung der Organisierten Kriminalität in Deutschland Ursachen, Bilanz, Perspektiven Europol: Chance für eine Verbesserung der gemeinsamen Verbrechensbekämpfung in der Europäischen Union Wirtschaftskriminalität Eine Bedrohung für Staat und Gesellschaft

Wirtschaftskriminalität Eine Bedrohung für Staat und Gesellschaft

Rudolf Müller/Heinz-Bernd Wabnitz

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Zusammenfassung

Organisierte Wirtschaftsstraftäter erstreben und erreichen auf Kosten einzelner wie der Gemeinschaft rechtswidrige Vermögensvorteile und gefährden dadurch die staatliche Ordnung. Weder Staatsformen noch Staatsgrenzen sind hierbei ein Hindernis. Die Wirtschaftskriminellen haben ihre Angriffs-und Verschleierungsmethoden der jeweiligen Wirtschaftsordnung so angepaßt, daß ein Erkennen und eine Abwehr nur hochspezialisierten Ermittlern möglich ist. Die Ausbildung der mit der Verfolgung und Aburteilung betrauten Juristen entspricht weder auf den Universitäten noch in der Praxis den gestellten Anforderungen. Aber auch die durch den Gesetzgeber zu schaffenden Abwehrmöglichkeiten hinken seit Jahrzehnten den in immer neuen Variationen tätigen Wirtschaftsstraftätern hinterher. Erst allmählich wurde erkannt, daß die durch die Organisierte Kriminalität erlangten Gewinne wieder in den Wirtschaftskreislauf geschleust und dadurch „gewaschen“ werden sollen. Sowohl mit dem neugeschaffenen § 261 StGB (Geldwäsche) als auch mit dem Ende November 1993 in Kraft getretenen Geldwäschegesetz wird versucht, eine Barriere gegen diese illegale Geldflut zu schaffen. Die Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität sind so vielfältig, daß im Beitrag nur typische Beispiele herausgegriffen werden können. Hierzu gehören u. a. die Steuerhinterziehung, die durch Geldverlagerungen in das Ausland aktuell in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gelangt ist, und die Korruption, die in alle Bereiche der Politik, der Verwaltung und der Wirtschaft eingedrungen ist. Die durch kriminelle Konkurse verursachten Schäden erreichen mehrstellige Milliardenhöhe und können redliche Kaufleute in den Ruin treiben. Eine besondere Aktualität hat die von den Weiße-Kragen Tätern umfassend ausgenutzte Telekommunikation erreicht, die leider noch nicht hinreichend überwacht werden kann. Die Politik ist aufgerufen, die Rechtstreue der Bevölkerung durch eigenes Vorbild, durch Förderung eines getreuen, unbestechlichen und gut ausgebildeten Beamtenapparats sowie durch Schaffung von für die Bürger verständlichen und in der Praxis anwendbaren Gesetzen zu fördern und zu stärken.

Die Massenmedien berichten oft in sensationeller Weise über weltumspannende Wirtschafts-und Steuerkriminalität, wobei zahlreiche Schilderungen so gestaltet sind, daß bei dem Leser und Zuschauer eher Schadenfreude über den betroffenen Staat oder die Opfer und sogar ein Glorienschein um den Täter erzeugt wird. Durch diese negativen „Vorbilder“ erwachsen auch unter der gesetzes-treuen Bevölkerung Zweifel am Recht und seiner Durchsetzbarkeit. Die organisierte Wirtschaftskriminalität nagt zunehmend an den Stützpfeilern unseres Staates. Nicht nur in Italien oder in den GUS-Staaten, sondern weltweit haben mafiaähnliche Organisationen der Rechtsgemeinschaft den Krieg erklärt.

Die Unterschätzung der Bedrohung durch organisierte Wirtschaftsstraftäter und die Anpassung vieler Unternehmer und Einzelpersönlichkeiten sowie die Gleichgültigkeit einzelner Politiker gegenüber diesen Gefahren können langfristig den gesellschaftlichen Zusammenbruch und die Vernichtung einer Demokratie zur Folge haben. Die Weiße-Kragen-Täter sind in alle wichtigen Schaltstellen der Wirtschaft und Verwaltung eingedrungen und verstehen es, ihren Einfluß in weite Bereiche der Politik auszudehnen. Nicht nur unerfahrene Bevölkerungskreise, sondern auch erfahrene Repräsentanten des öffentlichen Lebens scheinen sich jedoch durch den von den Weiße-Kragen-Tätern verbreiteten Nimbus anlocken und verführen zu lassen. Diese Entwicklung ist auch mitursächlich dafür, daß sich in zahlreiche Verwaltungsbereiche eine früher nie für denkbar gehaltene Korruption eingeschlichen hat. Die Steuerhinterziehung in ihrer besonderen Ausprägung der Steuerflucht in das Ausland wird mit Werbesprüchen wie „Ihre Tochter in Paris, Ihr Haus auf den Bermudas, Ihr Geld im sicheren Hafen in Luxemburg“ gesellschaftsfähig und populär gemacht. In ähnlicher Weise entwickelte sich auch die Schattenwirtschaft, der kein Un-werturteil breiter Bevölkerungsschichten entgegengesetzt wird, obwohl ungeheure negative Auswirkungen auf die Einnahmen des Staates und die Entscheidungen der Wirtschaftspolitik zu erkennen sind.

Eine besondere Gefahr der Wirtschaftskriminalität besteht auch darin, daß der einzelne Staatsbürger die Aktionen der organisierten Kriminellen nicht sofort -wie z. B. beim Raub oder Diebstahl -als Bedrohung erlebt, sondern, wenn überhaupt, erst nach mehreren Jahren registriert. „Es ist Aufgabe der verantwortungsbewußten Massenmedien und nicht zuletzt unserer Politiker, die sich aber selber von manchem anrüchigen Ballast befreien müssen, die unserer Rechtsgemeinschaft drohenden Gefahren bewußt zu machen und die Rechtstreue der Unternehmer und der Bevölkerung zu stärken, sie aus ihrer Staatsverdrossenheit herauszuführen und neue moralische Akzente zu setzen.“ Auch Vorbilder sind hier gefragt.

Zur Abwehr dieser Bedrohung sind die Staatsanwaltschaften, die Polizei, die Steuer-und Zollfahndung, die Gerichte, die Justiz-und Finanzverwaltung sowie nicht zuletzt die für die Rechtspolitik zuständigen Parlamente berufen. Dabei stellen sich folgende Fragen: welche Abwehrmechanismen sind bereits vorhanden, wie haben sich diese bewährt, welche Lücken sind noch zu schließen und an wen sind die Forderungen zur verstärkten Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zu richten?

Forderungen an die Strafrechtswissenschaft

Dem Gesetzgeber ist es bislang nicht gelungen, eine Legaldefinition des Begriffes „Wirtschaftskriminalität“ zu finden. Auch die Strafrechtswissenschaft hat zu keiner entscheidenen Klärung beigetragen. Lediglich die Polizei hat für die statistische Erfassung ein Meldeschema eingeführt. Unverkennbar ist, daß durch die Tathandlungen unter Ausnützung der Instrumente des modernen Wirtschaftsverkehrs nicht nur Individualinteressen, sondern auch die staatliche Wirtschaftsordnung in ihrer Gesamtheit bedroht werden. Anfänglich wurde nur versucht, unter prozessualen Gesichtspunkten Abwehrmechanismen durch Einfügung des § 74c Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) im Jahr 1970 zu schaffen. Wirtschaftsstraftaten sollten durch Schwerpunktstaatsanwaltschaften aufgeklärt und durch Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte abgeurteilt werden, wobei der Gesetzgeber hoffnungsvoll davon ausging, eine hinreichende Zahl speziell im Bereich des Wirtschaftslebens ausgebildeter Staatsanwälte und Richter einsetzen zu können. In § 74c GVG wurden in 6 Ziffern Tatbestände aufgeführt, die als Wirtschaftsstraftaten zu beurteilen sind. Hierzu gehören z. B. Straftaten nach dem Patentgesetz, Urheberrechtsgesetz, Außenwirtschaftsgesetz, den Steuergesetzen, dem Computerbetrug, dem Kapitalanlagebetrug, dem Bankrott; außerdem Vergehen des Betrugs, der Untreue, des Wuchers, der Vorteilsgewährung und Bestechung, soweit zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind.

Diese Kenntnisse des Wirtschaftslebens werden jedoch an den deutschen Universitäten in nicht ausreichender Weise vermittelt. Der Wirtschaftsstaatsanwalt, der Steueramtsrichter oder die Richter einer Wirtschaftsstrafkammer müssen aber die wesentlichen Wirtschaftsmechanismen kennen. Hierzu zählen Buchführungs-und Bilanzkenntnisse, das Bank-und Finanzwesen mit den verschiedensten Verflechtungen der Kreditvergabe, des allgemeinen Zahlungsverkehrs, der Wechsel-und Scheckhingabe, des Termin-und Devisenhandels, der Akkreditivbestellung, des Börsenrechts und der buchungstechnischen Abläufe, das Markt-ordnungsrecht, Wettbewerbsrecht und insbesondere das Vertrautsein mit der modernsten elektronischen Technik. Hinzu kommt selbstverständlich das straf-und zivilrechtliche Grundwissen.

Die zwischen der Strafverfolgungspraxis und der Rechtslehre bestehende Kluft muß dringend geschlossen werden. Daher darf die Ausbildung der jungen Juristen an den Universitäten und im Vorbereitungsdienst an dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität nicht vorbeigehen; sie muß die Kriminalitätsentwicklung zeitnah erfassen. Bis nämlich Universitäten eine wissenschaftlich fundierte Auswertung abgeschlossener Strafverfahren vornehmen, liegt die Tatsachenforschung fünf bis zehn Jahre hinter dem strafbaren Ereignis zurück und ist daher unter Berücksichtigung der rasanten Weiterentwicklung der Wirtschaftskriminalität veraltet. Erkennen und Bekämpfen wirtschaftsparasitärer Verhaltensweisen ist nur möglich, wenn Wirtschaftsabläufe und Zusammenhänge in der Praxis zeitnah beobachtet und analysiert werden.

Der Gesetzgeber im Brennpunkt der Rechtspolitik

Die Überwindung der Zwangswirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ließ das Problem der Wirtschaftskriminalität nur in geringem Maße in das Bewußtsein von Politik und Gesetzgebung vordringen. Gleichwohl wurden bereits in den fünfziger Jahren in der Strafverfolgungspraxis Geschehensabläufe erkannt, durch die z. B. Banken und Lieferanten in Millionenhöhe geschädigt wurden, obwohl es sich scheinbar um rechtmäßige Vorgänge im Wirtschaftsleben handelte. In Wahrheit lag eine Wechsel-und Scheckreiterei vor, der ordnungsgemäße Handelsgeschäfte nicht zugrunde lagen. Diese als Betrug zu qualifizierenden Tatbestände waren weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung praxisnah behandelt. Selbst der Bundesgerichtshof verkannte z. B. bei der Privatisierung des VW-Werkes und der kriminellen Erschleichung sozialgebundener VW-Aktien den Tatbestand des Betrugs und revidierte erst durch den Großen Senat aufgrund neuer Anklagen und Urteile diese Fehlentscheidung.

Als Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre die Wirtschaftskriminellen ihre Aktionen über Briefkastenfirmen aus „Oasenländern“ steuerten, waren weder durch den Gesetzgeber noch durch die Justiz-und Finanzverwaltung ausreichende Abwehrmechanismen geschaffen worden. Selbst die einschlägigen Kommentare des Strafgesetzbuches und der Nebengesetze befaßten sich nicht mit diesen Erscheinungsformen wirtschaftsdeliktischen Verhaltens. Erst die hartnäckig wiederholten Berichte und Abhandlungen aus der Strafverfolgungspraxis, die Veröffentlichungen in den Medien und die besorgniserregenden Hinweise aus der Wirtschaft über Subventionserschleichungen in Millionenhöhe, Kapitalanlagebetrügereien, Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen, neuartige Formen der Konkursdelikte, Kreditbetrügereien, Mißbräuche an der Börse u. a. veranlaßten den Gesetzgeber, Reformüberlegungen anzustellen und im Jahre 1976 Lücken des geltenden Rechts durch zahlreiche Einzelregelungen im 1. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (1. WiKG) zu schließen. Als neue Tatbestände wurden z. B.der Subventionsbetrug (§ 264 StGB) und der Kreditbetrug (§ 265b StGB) eingeführt; außerdem wurde das Konkursstrafrecht vereinheitlicht und in das Strafgesetzbuch zurückgeführt. Gleichwohl zeigte sich sofort, daß die Weiße-Kragen-Täter neue Strategien, insbesondere unter Ausnützung des Computers, entwickelt hatten. Auch die neuen Formen des Zahlungsverkehrs, z. B. durch Scheck-und Kreditkarten sowie die Inanspruchnahme von Geldautomaten, ermöglichten den Tätern im Hinblick auf die widersprüchliche Rechtsprechung straflose Manipulationen. Der Gesetzgeber reagierte aber erst 1986 auf diese Varianten durch Erlaß des 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. Schwerpunkt dieser Gesetzesnovelle war die Schaffung von Strafnormen gegen Computerkriminalität, den Mißbrauch von Scheck-und Kreditkarten, den Kapitalanlagebetrug, das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelten.

Weiterhin wurde auch der strafrechtliche Schutz der Betriebs-und Geschäftsgeheimnisse, insbesondere gegen gefährliche Formen der Industriespionage, in § 17 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) ausgeweitet. Im 2. WiKG war aber der Schutz des geistigen Eigentums noch nicht der rasanten Verbrechensentwicklung angepaßt worden. Verstöße gegen das Warenzeichengesetz, Urheberrechtsgesetz, Geschmacksmustergesetz, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Halbleiter-schutzgesetz und Sortenschutzgesetz waren mit völlig unzulänglichen Sanktionen bedacht. Diese Tathandlungen waren noch nicht einmal als Wirtschaftsstraftaten gern. § 74c GVG eingestuft. Erst durch das am 1. 7. 1990 in Kraft getretene „Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie“ wurde eine effektivere Strafverfolgung ermöglicht. Gleichwohl war diese gesetzgeberische Maßnahme bezüglich des Rechtsschutzes für Computerprogramme gemäß der EG-Richtlinie vom 14. 5. 1991 unzureichend. Hierauf erging durch den Bundes-gesetzgeber das 2. Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 9. 6. 1993, in Kraft getreten am 24. 6. 1993. Dadurch wurde die geistige Arbeit des Schöpfers eines Computerprogramms bezüglich ihrer Individualität besser geschützt.

Aber auch das Außenwirtschaftsstrafrecht wurde aufgrund der jeweiligen politischen Verhältnisse -insbesondere seit 1990 -häufig geändert. Dadurch entstand eine unübersichtliche und schwer überschaubare Gesetzeslage. Während früher die Ausfuhr strategischer Güter in den Ostblock unter Beachtung der Cocom-Liste verhindert werden sollte, trat nach Abbau dieser Konfrontation der Gegensatz zu den Schwellenländern (z. B. Libyen, Irak u. a.) ein, die ihre ABC-Rüstung vervollständigen wollten. Hierbei kam es im Rahmen der Strafverfolgung zur sogenannten Dual-Use-Problematik bei jenen Handelsgütern, die sowohl militärisch als auch zivil nutzbar waren. Auch die „Atomisierung“ einer Anlage in so viele Teile, daß sie nicht mehr als Bestandteil einer ausfuhrgenehmigungspflichtigen Ware erkannt werden konnte, war eine Umgehungsvariante der Außenwirtschaftsstraftäter.

Zahlreiche Verstöße sind lange Zeit durch den Gesetzgeber nur als Ordnungswidrigkeiten eingestuft worden, so daß eine Strafverfolgung scheiterte. Erst seit 1990 kam es zu entscheidenden Ergänzungen des Außenwirtschaftsstrafrechts. Hervorzuheben ist hierbei die Befugnis des Zollkriminalamtes, das seit 28. 2. 1992 zur Verhütung von Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz berechtigt ist, das Brief-, Post-und Fernmeldegeheimnis zu durchbrechen und den Fernmeldeverkehr zu überwachen.

Leider wurde auch die Geldwäsche der organisierten Wirtschaftskriminalität lange Zeit nicht beachtet. Sie entwickelte sich daher zu einem Schlüssel-problem für die Verbrechensbekämpfung. Die jeweiligen Straftäter und ihre Hintermänner sind gezwungen, ihre illegal erzielten Einnahmen zu „waschen“, d. h. , unter Verschleierung ihrer wahren Herkunft wieder in den legalen Wirtschaftsund Finanzkreislauf einzuschleusen. Allein im Drogenhandel werden pro Tag in Deutschland fast 50 Millionen DM umgesetzt. International operierende Verbrecherorganisationen erzielten 1994 nach Schätzungen einen Umsatz von über 800 Milliarden US-Dollar -eine Summe, die den Haushalt eines mittleren Staates übersteigt. Gelder aus Drogenhandel, Waffenhandel, Nuklearkriminalität, dem Terrorismus, Kidnapping, Schutzgelderpressungen, Prostitution, Menschenhandel, organisierten Kfz-Diebstählen und anderen schweren Vermögensdelikten müssen geräuschlos und unauffällig in nutzbringende Investitionen umgepolt werden.

Der gesamte Finanz-und Wirtschaftsverkehr wird in allen seinen Formen zum Geldwaschen mißbraucht. Ganze Straßenzüge fallen in europäischen Staaten, insbesondere auch in den neuen Bundesländern Deutschlands, in die Hände von Immobilienaufkäufern. Die Geldanlagen in deutschen Firmen weiten sich aus; bei Aktiengesellschaften können die Strohmänner überhaupt nicht mehr kontrolliert werden. Insolvente Firmen werden aufgekauft und erzielen alsbald wundersame Gewinne. Im Rotlichtmilieu werden bauliche Investitionen und Veränderungen wie in Luxusbadeorten vorgenommen.

Um der Geldwäsche zu begegnen, fügte der Gesetzgeber mit Wirkung vom 22. 9. 1992 den § 261 -Geldwäsche -in das Strafgesetzbuch ein. In unzulänglicher Weise bestimmte er als Vortaten für kriminelle Geldwäsche Verbrechen, Vergehen nach dem Betäubungsmittelgesetz und Vergehen, die von einem Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangen wurden. Erst zum 1. 12. 1994 wurden als weitere Vortaten Vergehen der Unterschlagung, des Betrugs, der Untreue und der Bestechung eingefügt -aber nur, wenn sie banden-mäßig und gewerbsmäßig begangen wurden. Strafbar wegen Geldwäsche macht sich z. B. ein Bankangestellter, der Gelder hereinnimmt, obwohl er weiß oder leichtfertig nicht weiß, daß dieses Geld aus einer dieser Vortaten herrührt. Auch ein Gebrauchtwagenhändler begeht strafbare Geldwäsche, wenn er beim Verkauf eines teuren Luxus-wagens das Geld mit gleichem Wissen wie der vorerwähnte Bankangestellte annimmt.

Das zur Bekämpfung der Geldwäsche zusätzlich erforderliche Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten -Geldwäsche-gesetz -trat erst am 29. 11.

1993 in Kraft.

Zwei Schwerpunkte dieses Gesetzes sind hervorzuheben: Zum einen haben Banken, aber auch Gewerbetreibende, Spielbanken und Versicherungsunternehmen die Pflicht, bei Annahme oder Abgabe von Bargeld, Wertpapieren oder Edelmetallen im Wert von 20000, -DM oder mehr denjenigen zu identifizieren, der ihnen gegenüber auftritt. So muß etwa auch ein Juwelier, der beim Verkauf wertvollen Schmucks Bargeld von mehr als 20000, -DM entgegennimmt, persönliche Daten des Käufers erfassen. Diese Aufzeichnungen müssen sechs Jahre lang aufbewahrt werden. Der zweite Schwerpunkt ist die vorgeschriebene Meldepflicht gern. § 11 des Gesetzes. Hiernach muß jedes Kreditinstitut, aber auch eine Spielbank, der Staatsanwaltschaft unverzüglich Anzeige erstatten, wenn der Verdacht besteht, daß die Finanztransaktion einer strafbaren Geldwäsche gern. § 261 StGB zuzuordnen ist.

Im Gesetz fehlt jedoch eine Definition des Geldwäscheverdachts und ein Katalog verdachtsbegründender Umstände. Durch das Bundeskriminalamt wurde deshalb in Zusammenarbeit mit dem Bankenverband ein Verdachtsraster ausgearbeitet, der eine wertvolle Hilfe bei Ermittlungen sein kann. Der Verdacht der Geldwäsche ist dem jeweils zuständigen Generalstaatsanwalt mitzuteilen. Dieser muß innerhalb von 48 Stunden entscheiden, ob er die Überweisung genehmigt oder eine Beschlagnahme herbeiführt. In den meisten Bundesländern -es ist nur eine Ausnahme bekannt -wurden bislang Anklagen wegen Geldwäsche nicht erhoben. Nur in wenigen Einzelfällen kam es zur Beschlagnahme, obwohl die Verdachts-anzeigen in die Tausende gehen.

Die organisierten Wirtschaftsstraftäter haben längst die gesetzlichen Abwehrmaßnahmen geprüft und in raffinierter Weise unterlaufen. Bundesweit werden beim Geldverkehr die Beträge unterhalb der Meldegrenze von 20000, -DM so gestückelt, daß ein Addieren wegen der unterschiedlichen Einzahler nicht möglich ist. Viel raffinierter aber ist der Weg über Notare, Rechtsanwälte und Steuerberater. Die Angehörigen dieser Berufsgruppen genießen im Wirtschaftsleben ein hohes Ansehen und unterliegen nach dem Gewinnaufspürungsgesetz keiner Meldepflicht. Soweit durch sie bei Kreditinstituten sogenannte Anderkonten eingerichtet werden, haben sie lediglich gern. §§ 2, 8 des Geldwäschegesetzes die Person zu nennen, die die Hinterlegungsanweisung erteilt hat. Der wahre wirtschaftlich Berechtigte ist im Gegensatz zum schweizerischen Recht nicht festzustellen.

Den Akteuren der organisierten Wirtschaftskriminalität fällt es somit leicht, im Bundesgebiet unverdächtige Personen zwischenzuschalten und die Spur damit zu verwischen. Nach den Richtlinien der Bundesnotarkammer vom November 1993 soll der Notar gern. § 3 bei der Annahme des Bargeldes den Einzahler identifizieren. Wird von ihm die Frage nach einem eventuellen Hintermann gestellt, kann sich der Notar mit jeder Antwort begnügen. Weitere Nachforschungen sind nicht anzustellen. Für Rechtsanwälte ist es noch einfacher. Sie errichten ein Sammelanderkonto, d. h. ein Treuhandkonto für die Abwicklung einer unbestimmten Anzahl von Zahlungen ihrer Mandanten. Durch Kreditinstitute finden aber grundsätzlich bei späteren Einzahlungen auf dieses Konto keine Prüfungen des wirtschaftlich Berechtigten statt.

Der Gesetzgeber hat sich bislang der Illusion hingegeben, daß die Geldwäsche im wesentlichen nur über Kreditinstitute erfolgt. Neuanleger können aber leicht schmutziges Geld am Bankschalter vorbei dadurch waschen, daß sie sich als stille Gesellschafter an Wirtschaftsunternehmen beteiligen, die sie in der Folgezeit sogar übernehmen. Bundesweit werden Investitionen in Gewerbebetrieben vorgenommen, deren Aufhellung in der Praxis scheitert. Im Hinblick auf die Unterbringungsmöglichkeiten von derartigen Geldern arbeiten die Wirtschaftsstraftäter außerhalb des Bankensystems mit Bartransaktionen über Kuriere. Beliebt ist auch das Geldwaschen durch verdecktes Bieten per Telefon oder durch Hintermänner bei Auktionen. Um den verschiedenen Geldwäschemöglichkeiten begegnen zu können, muß durch den Gesetzgeber der Vortatenkatalog des § 261 StGB durch Aufnahme weiterer Delikte der organisierten Kriminalität, wie z. B. Schutzgelderpressung, Menschenhandel, Zuhälterei, Hehlerei erweitert werden. Schließlich muß beim Verdacht der Geldwäsche sowohl eine Telefonüberwachung gern. § 100a StPO als auch der Einsatz eines verdeckten Ermittlers gern. § 110a StPO zulässig sein. Zu erleichtern ist auch die Möglichkeit der Beschlagnahme von Geldern, die aus verdächtigen Transaktionen bei Banken stammen. § 111b StPO fordert einen dringenden Tatverdacht, der in der Praxis jedoch nicht innerhalb von 48 Stunden begründet werden kann. Genau wie bei sonstiger Beschlagnahme von Beweismitteln muß daher der einfache Tatverdacht genügen -§ 102 StPO.

Mit der Neuregelung des Markenschutzrechtes ließ sich der Gesetzgeber bis zum Ablauf der letzten Legislaturperiode Zeit, obwohl durch die EG bereits am 21. 12. 1988 die 1. Richtlinie zur Harmonisierung des Markenrechts in den Mitgliedstaaten erlassen worden war. Erst am 1. 1. 1995 trat das dringend gebotene Markengesetz nach mehrjähriger Verspätung in Kraft. Ob dadurch in der Praxis Wettbewerbsverfälschungen und Handelshemmnisse hinreichend beseitigt wurden, läßt sich noch nicht beurteilen. Für die deutsche Rechtspraxis wurde aber die bislang an der Staatsgrenze durch den Zoll vorzunehmende „Grenzbeschlagnahme“ stark eingeschränkt. Sie ist künftig nur noch bei einer widerrechtlichen Kennzeichnung der Waren mit geschützten geographischen Herkunftsangaben möglich. Ausgeschlossen ist diese Maßnahme aber bei widerrechtlicher Kennzeichnung mit Marken sowie sonstigen Aufschriften und Zeichen, die unmittelbar oder mittelbar falsche Angaben über die betriebliche Herkunft, Gattung, Art oder charakteristische Eigenschaften dieser Waren darstellen. Es ist wahrscheinlich, daß nach der zollrechtlichen Abfertigung diese Gesetzesverstöße nicht mehr geahndet werden.

Auch das am 1. 1. 1995 in Kraft getretene Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG) und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (2. Finanzmarktförderungsgesetz) hinkte den EG-Richtlinien jahrelang hinterher. Durch das neu geschaffene Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel in Frankfurt sollen vor allem Insiderdelikte ermittelt, die Publizitätspflicht der Firmen überwacht und bedeutende Beteiligungen im Auge behalten werden. Durch die Umsetzung der EG-Richtlinien von 1989 soll der Insiderhandel mit Wertpapieren und Derivaten, die innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums an staatlich geregelten Märkten (Börsen) gehandelt werden, verboten und präventiv bekämpft werden. Der Bundesgesetzgeber hat nun das Ausnutzen von Insiderkenntnissen unter Strafe gestellt -§ 14 WpHG -und sich dazu durchgerungen, verbotene Handlungen des „Sekundärinsiders“ zu definieren und mit Strafe zu bedrohen, denjenigen also, der indirekt erhaltene Informationen entsprechend verwertet. Schwierig wird es aber sein, den Kreis der Sekundärinsider abzugrenzen. Insbesondere wird erst durch die Rechtsprechung festzulegen sein, was unter „Insider-Informationen“ fällt, die den Kurs eines Wertpapiers „erheblich beeinflussen“. Hier kann die amerikanische Rechtsprechung auch den deutschen Gerichten zum Vorbild werden.

Die Fülle der Gesetzgebung seit den siebziger Jahren kann bei dem unbefangenen Betrachter das trügerische Gefühl des Schutzes und der Sicherheit vor Wirtschaftskriminalität hervorrufen. In Wahrheit hatte aber der Gesetzgeber nicht einmal die Kraft, ein umfassendes Wirtschaftsstrafgesetz in das StGB einzufügen. Die einzelnen Bestimmungen und Strafvorschriften sind in so vielen Gesetzen verstreut, daß selbst ein Fachmann den Über-blick verliert.

Zahlreiche Dienststellen in Bund und Ländern sind damit betraut, in diesem Gesetzeslabyrinth eine Abwehrfront gegen die Wirtschaftskriminalität zu bilden und die Verfolgung aufzunehmen. Neben den bereits erörterten Schwerpunktstaatsanwaltschaften wurden bei der Kriminalpolizei Abteilungen mit besonders im Wirtschaftsrecht ausgebildeten Beamten geschaffen und Sonderdezernate im Bundeskriminalamt und in den Landeskriminalämtern eingerichtet. Darüber hinaus werden im Bereich der Zoll-und Steuerkriminalität sowie des EG-Marktordnungsrechts das Zollkriminalamt, die Zollfahndungsstellen und Beamte der Steuerfahndung tätig.

Alle diese Dienststellen arbeiten mit einer Vielzahl öffentlicher und privater Institutionen zusammen, wobei z. B. das Bundesaufsichtsamt für das Kredit-wesen, das Bundesamt für Wirtschaft, das Bundesausfuhramt, das Bundesamt für Finanzen, das Bundeskartellamt, die Bundesanstalt für Arbeit mit ihren nachgeordneten Dienststellen, die Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung, die Industrie-und Handelskammern, der Deutsche Schutzverband gegen die Wirtschaftskriminalität und sonstige Organe der freiwilligen Selbsthilfe zu nennen sind. Leider ist trotz aller gesetzlichen und organisatorischen Maßnahmen die Wirtschaftskriminalität mit immer neuen Variationen in einem Ausmaß im Vordringen, daß stets neue Abwehrstrategien des Gesetzgebers im Einklang mit der Praxis unerläßlich sind. Vorrangig muß aber der einzelne Bürger zur Rechtstreue gegenüber dem Staat aktiviert werden, wobei die Politiker eine Vorbildfunktion haben.

Besondere Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität

Wenn die Deutsche Bundesbank im März 1995 den durch steuerpflichtige Anleger im Jahr 1994 verursachten Zinsverlust auf 14 Milliarden DM schätzt, dann handelt es sich hier nur um einen Bruchteil jenes Vermögensflusses, der im Inland der Besteuerung entzogen wird. Leider haben bei den steuerschädlichen Transaktionen in das Ausland auch Kreditinstitute mitgewirkt, so daß das Bundesverfassungsgericht 1994 den Verdacht aussprach, daß „die Organisation der Bank und ihrer Luxemburger Tochter systematisch im groß angelegten Stil zu Hilfeleistungen bei der Hinterziehung von Einkommen-und Vermögenssteuer mißbraucht wurde“.

Durch Steuerfahnder wurde festgestellt, daß bestimmte Banken bei der Kontoführung gegen die Wahrheitspflicht verstießen. Überweisungen wurden nämlich über Sammelkonten und nicht auf Konten des jeweiligen Kunden gebucht, wobei die Einzahlungsbelege keine Unterschriften, sondern nur Zahlungen enthielten. Die Rückübertragung der verschobenen Geldbeträge erfolgte mittels anonymer Barschecks der Tochterbank im Ausland, gezogen auf die Mutterbank in der Bundesrepublik. Aber auch die im Ausland zum Zwecke der Steuerhinterziehunggegründeten Briefkastenfirmen und Stiftungen erleben eine Hochblüte, die noch dadurch begünstigt wird, daß Rechtshilfe in Steuersachen durch verschiedene ausländische Staaten nicht geleistet wird. Selbst ein Steuerkrimineller, der in achtstelliger Millionenhöhe durch Zollmanipulationen Steuern verkürzte, kann nach wie vor nach seiner Flucht in ein „Oasenland“ seine lukrativen Geschäfte weiter betreiben

Die Steuerehrlichkeit der Bundesbürger wird auch dadurch untergraben, daß unser Steuersystem übermäßig kompliziert ist. In der Bundesrepublik gibt es mehr als 90 Steuergesetze und mehr als 100 Rechtsverordnungen sowie außerdem mehr als 120 Steuervergünstigungen. Nur geschulte Spezialisten sind noch in der Lage, alle Vorteile der Steuergesetze auszuloten. Es ist daher kein Wunder, daß -zusammen mit den hohen Steuer-und Abgabebelastungen -die Steuerverdrossenheit und der Steuerwiderstand zunehmen. Hinzu kommt die Überzeugung, daß von der Politik wirkliche Abhilfemaßnahmen überhaupt nicht erstrebt werden.

Zwar unterliegen die einzelnen Betriebe der Außenprüfung durch Finanzbeamte; die hierbei erzielten Ergebnisse führen jedoch nur in seltenen Fällen zu einer Strafverfolgung. Durch die Festlegung des Prüfungszeitpunktes kann sich der Steuerpflichtige wochen-, oft monatelang auf diesen Prüfungstermin vorbereiten. Der einer Punktebewertung unterliegende Außenprüfer hat grundsätzlich ein Interesse daran, seine begonnenen Prüfungen zu Ende zu führen. Ein Abschluß seiner Arbeiten ist aber dann gefährdet, wenn er die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gern. § 397 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) dem Steuerpflichtigen bekannt gibt. In der Schlußbesprechung wird häufig eine einverständliche Regelung in rein steuerlichen Fragen durch die Zusage begünstigt, daß das Prüfungsergebnis keinen Anlaß zu strafrechtlichen Ermittlungen biete. Im übrigen verleitet die vom Gesetzgeber in § 371 AO geschaffene Möglichkeit der strafbefreienden Selbst-anzeige in Einzelfällen den Steuerpflichtigen zur kalkulierbaren, riskanten Steuerhinterziehung. Jedenfalls ist der Pseudooptimismus des Gesetzgebers, daß durch die strafbefreiende Selbstanzeige die Steuerehrlichkeit gefördert würde, fehl am Platze.

Nachdrücklich muß der Gesetzgeber den Tendenzen, daß sich das Steuerstrafrecht zur Privilegierung des intelligenten und einflußreichen Täters entwickelt, mit geeigneten Maßnahmen entgegentreten, wobei auch die Bevorzugung durch das Steuergeheimnis einer Überprüfung bedarf.

Besonders bedenklich ist es, daß die im Gesetz zur Entlastung der Justiz für die Staatsanwaltschaften geschaffenen strafprozessualen Erweiterungen auch den Finanzbehörden eingeräumt wurden. Sie können nämlich jetzt gern. §§ 153, 153a StPO bei Vergehen der Steuerhinterziehung auch im Bereich der mittleren Kriminalität ohne Zustimmung des Richters von einer Strafverfolgung absehen. Ihnen steht auch die Befugnis zu, Strafbefehle mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr mit Bewährung zu beantragen. Während die Finanzbehörden fiskalisch denken und der zweiten Gewalt, somit der Verwaltung angehören, hat die Staatsanwaltschaft keine Doppelfunktion. Sie wird der dritten Gewalt, der Rechtsprechung, zugeordnet. Im Hinblick auf die bisherige Praxis der Finanzämter ist eine Aushöhlung des Legalitätsprinzips im Steuer-strafrecht zu befürchten.

Die Korruption und das Schmiergeldunwesen haben sich in alle Bereiche der Politik, der Verwaltungen und der Wirtschaft eingeschlichen. Diesen Korruptionssumpf vermutete man nur in unterentwickelten Staaten. In der Bundesrepublik ist beispielsweise das öffentliche Bauwesen zu einem Selbstbedienungsladen für zahlreiche Unternehmer geworden, wobei bestochene Amtsträger mitwirken. Der durch Korruption jährlich verursachte Schaden wird auf über zehn Milliarden DM geschätzt. Unverständlich bleibt aber für den Normalbürger, daß Schmiergeldzahlungen in der Bundesrepublik dann als Betriebsausgabe steuerlich absetzbar sind, wenn der Geber dokumentiert, wer die Gelder empfangen hat. Eine tatsächliche Offenlegung dieser Bestechung wird jedoch durch das Steuergeheimnis umfassend verhindert. Bei Auslandsgeschäften erkennen die Finanzämter in der Regel ein dem Verhältnis des Warenumsatzes angemessenes Bestechungsgeld ohne weiteren Nachweis als Betriebsausgabe an. Damit werden kriminelle Praktiken vom Staat zu Lasten der Allgemeinheit anerkannt und sogar noch honoriert.

Der Gesetzgeber sollte das Werk „Die hohe Kunst der Korruption“ von Horst-Eberhard Richter als Warnsignal auffassen. In Anlehnung an Machiavelli stellte er nämlich folgende provokative These auf: „Korruption ist ein unentbehrliches Herrschaftsmittel der Führungsschicht... Ohne Verfilzung von Geld, ohne betrügerische Manipulation der Massen ist keine moderne Gesellschaft mehr regierbar.“ Wollte man dieser These folgen, wäre das Ende jeder Demokratie vorprogrammiert. Deshalb müssen alle Verantwortlichen in Bund und Ländern an der Ausräumung des Korruptionssumpfes interessiert sein

Bayerische Landesbehörden haben zu Recht gefordert, daß dem Kartell der Korruption ein „Kartell der Korruptionswächter“ entgegengestellt werden müsse. Auch die Schaffung eines Korruptionsregisters sowie eine klare Regelung für die Anzeigepflicht von Staatsdienern im Falle eines Korruptionsverdachtes ist sachdienlich und zu begrüßen.

Die Insolvenzen sind in den letzten Jahrzehnten gestiegen und überschreiten wohl in diesem Jahr die Zahl von 25 000. Der hierbei verursachte Schaden wird sich der 30-Milliarden-Grenze nähern. Bei über zwei Drittel dieser Verfahren erfolgt eine Ablehnung der Eröffnung mangels Masse. Dies bedeutet, daß keine Vermögenswerte mehr vorhanden sind und alles verwirtschaftet wurde. Opfer sind die „kleinen Leute“, deren Existenz dadurch gefährdet oder vernichtet wird. Von einer Gleichheit der Gläubiger kann längst keine Rede mehr sein. Die sogenannten Großen der Branche, insbesondere die Geldinstitute, haben ein raffiniertes Absicherungssystem entwickelt, bei dem der verlängerte Eigentumsvorbehalt, Verarbeitungsklauseln, Sicherungsübereignungen, Voraus-abtretungen oder die Abtretung von Forderungen (Globalzessionen) eine entscheidende Rolle spielen. Unsere nahezu 120 Jahre alte Konkursordnung ist überholt. Vor Inkrafttreten einer neuen Insolvenz-ordnung ist nicht mit wirtschaftlich sinnvollen Konkurs-oder Vergleichsverfahren zu rechnen. Verfehlt wäre es aber, den anhaltenden Pleite-boom nur als eine Art ökonomischen Ausleseprozeß anzusehen. Nach Erkenntnissen in der Praxis haben nämlich etwa 80 Prozent aller Insolvenzen einen kriminellen Hintergrund. Zumindest können die Strafverfolgungsbehörden den Tatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gern. § 266a StGB, der Verletzung der Buchführungspflicht und -bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung -der unterlassenen oder verspäteten Konkursantragstellung bejahen. Strafverfolgungsfeindlich sind Bestrebungen einzelner Bundesländer, die Insolvenzüberprüfung durch Staatsanwälte einzuschränken.

In unserer Informationsgesellschaft sind aber noch besondere Probleme entstanden. Der Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität ist zwischenzeitlich zu einer Auseinandersetzung mit und gegen den Computer geworden. Nur das Wissen um diese Technologie wird den Staatsanwalt und Kriminalisten in die Lage versetzen, den Abstand zwischen den technisch vorauseilenden Wirtschaftsverbrechern und der Strafverfolgung zu verkürzen. Wirtschaftskriminalität ohne Computerbezug ist mittlerweile so undenkbar wie ein Auto ohne Motor. Täglich werden Geldbeträge in unvorstellbarer Höhe beleglos um den Erdball transferiert. Hiervon werden nicht unerhebliche Summen in die Taschen der Wirtschaftskriminellen abgezweigt. Weltweit können Börsenkurse durch den Einsatz von Computern manipuliert werden.

Unter Computerkrifninalität im engeren Sinne werden jedoch nur jene Tatbestände erfaßt, die durch das 2. WiKG eingefügt wurden. Es handelt sich hier u. a. um Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Datenveränderung (§ 303a StGB), Computersabotage (§ 303b StGB) und weitere urkundenspezifische Delikte. Darüber hinaus wird der Computer von organisierten Wirtschaftsstraftätern oder politisch motivierten Akteuren zunehmend im Rahmen weltweiter Nachrichtenübermittlung eingesetzt. Hier haben insbesondere Mailboxen (elektronische Briefkästen) eine große Bedeutung erlangt. Der Betrieb von Mailboxen ist jedermann mit geringem Aufwand möglich. Unentdeckt können Waffenschieber, Großschmuggler und andere vergleichbare Tätergruppen Nachrichten in alle Länder aussenden oder empfangen. Bislang sind Mailboxen wie Funktelefone überwachungsfrei.

Diesem Informationsvorsprung der Wirtschaftskriminellen hat unser Gesetzgeber bislang nahezu tatenlos zugesehen, so daß im Bereich der Mobil-kommunikationein rechtsfreier Raum entstanden ist. Daher dürfen künftig neue Nachrichtentechnologien nur dann genehmigt werden, wenn im Bedarfsfall eine Überwachung technisch möglich und wirtschaftlich realisierbar ist. Erstaunlich ist, daß der Gesetzgeber bislang nicht einmal ausdrücklich das „Hacking“ bzw.den Versuch dazu unter Strafe gestellt hat.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß unter die Computerkriminalität auch das illegale Nutzbar-machen von Programmen und Daten durch Raubkopien fällt, welches in den kommenden Jahren die Strafverfolgungsbehörden vor große Probleme stellen wird. Schon jetzt wird der durch Raubkopien verursachte Schaden bei den Softwareherstellern weltweit auf mehrere hundert Milliarden DM geschätzt. Die Problematik wird auch durch die jüngsten wirtschaftlichen Spannungen zwischen den USA und China verdeutlicht, bei denen die Raubkopien die auslösenden Faktoren waren.

Abschließend müssen aber nochmals die Sorgen der Praxis hervorgehoben werden: Der zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität eingesetzte Staatsanwalt oder sonstige Beamte müssen durch geeignete Aus-und Fortbildung das Rüstzeug für seine Arbeit erhalten und mit der technischen Entwicklung und Handhabung vertraut gemacht werden.

Der Gesetzgeber sollte die Belehrung des Don Quixote an den vermeintlichen Statthalter Sancho Pansa beherzigen, wonach dieser wenige, aber gute Gesetze machen und dafür sorgen solle, daß sie gehalten werden!

Fussnoten

Fußnoten

  1. Rudolf Müller/Heinz-Bernd Wabnitz, Wirtschaftskriminalität, München 1993, S. 2.

  2. Zur Wirtschafts-und Steuerkriminalität unter Einschaltung von sogenannten Domizilfirmen vgl. R. Müller/H. -B. Wabnitz (Anm. 1), S. 221 ff.

  3. Horst-Eberhard Richter, Die hohe Kunst der Korruption, Hamburg 1990.

  4. Vgl. zu diesem Problem R. Müller/H. -B. Wabnitz (Anm. 1), S. 195ff., S. 346, 347.

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Heinz-Bernd Wabnitz, Dr. jur., geb. 1944; Oberstaatsanwalt; Abteilungsleiter für Wirtschaftsstrafsachen bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in Hof. Veröffentlichungen der beiden letztgenannten Autoren u. a.: Wirtschaftskriminalität. Eine Darstellung der typischen Erscheinungsformen mit praktischen Hinweisen zur Bekämpfung, München 1993; gemeinsame Beiträge in: Betriebs-Spionage, hrsg. von Karlhans Liebl, Ingelheim 1987; Direktorat T, Industriespionage des Ostens, hrsg. von Jay Turk, Heidelberg 1988; zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften.