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Entwicklung als Wettbewerb der Kulturen | APuZ 29/1995 | bpb.de

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APuZ 29/1995 Entwicklung als Wettbewerb der Kulturen Was wird aus der deutschen Entwicklungspolitik? Humanitäre Hilfe, Migration oder Selbsthilfe? Europas Entwicklungspolitiken. Anspruch, Zielkonflikte, Interessen

Entwicklung als Wettbewerb der Kulturen

Dieter Weiss

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Jährliche Pro-Kopf-Einkommen von 110 US-Dollar für Tansania bis 15750 US-Dollar für Singapur, Analphabetenraten zwischen sieben Prozent für Thailand und 70 Prozent für Pakistan verdeutlichen die unterschiedlichen Entwicklungserfolge. Eklatant ist der Entwicklungsabstand zwischen der Arabischen Welt und Ostasien. Unterschiedliche Wertefelder stecken individuelle und kollektive Handlungsspielräume ab. So unterscheidet sich konfuzianische Leistungsethik von javanischen Harmonie-Konzepten, die Versuche einer Weltveränderung als Störung des Kosmos begreifen. Erfolgreiche Entwicklung fand dort statt, wo ihr die ökonomisch-politischen Eliten tatsächlich -und nicht nur rhetorisch -höchste Priorität einräumten und zur Bindung ihres Handelns an Regeln bereit waren. Respektierung von Eigentums-und Nutzungsrechten, vertrauenswürdige Rechtssysteme, Förderung von Bildung und Forschung sowie Schaffung von Anreizen für technisch-wirtschaftliche Innovationen gehörten zu den Schlüsselfaktoren. Freiheit des Denkens ist elementare Voraussetzung für selbstkritische Analysen und problemadäquate Lösungen. Gefordert sind Entwicklungsorientierung der Führung, Sparen und Investieren, intelligente Organisation und Administration, soziale Kohäsion, Disziplin und Teamgeist, Lernfähigkeit und Innovationskraft -all dies in einem immer dynamischeren internationalen Umfeld.

I. Warum die unterschiedlichen Entwicklungserfolge?

200 souveräne Staaten streben nach Entwicklung. Sie wird gemessen an den jährlich von der Weltbank veröffentlichten Indikatoren Lebenserwartung, Geburten pro Frau, Sterberaten, Kalorienverbrauch, Primareinschulungsquote, Sekundarschulbesuch, Analphabetenrate, Anteil berufstätiger Frauen, Bruttoinlandsprodukt und Pro-Kopf-Einkommen, Anteilen von Landwirtschaft, Exporten und Investitionen am Bruttoinlandsprodukt sowie über die Umwelt-Indikatoren des Energie-und Wasserverbrauchs, des Waldbestands und seines Rückgangs.

Unterschiedliche Entwicklungserfolge schlagen sich in einer dramatischen Ausdifferenzierung der Länder des Südens nieder, etwa zwischen Singapur mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 15750 US-Dollar und Tansania mit einem solchen von 110 US-Dollar. Die Primareinschulungsquoten betragen 100 Prozent für Singapur, 25 Prozent für Niger und 19 Prozent für Mali. Das Pro-Kopf-Einkommen Singapurs liegt achtmal über dem Polens (1960 US-Dollar), zweimal über dem Portugals (7450 US-Dollar), 30 Prozent über dem Irlands (12100 US-Dollar), elf Prozent über dem Spaniens (14020 US-Dollar), und nur zwölf Prozent hinter dem Großbritanniens (17760 US-Dollar) Beispielhaft ist auch der Vergleich zwischen Korea und Ägypten: 1958 mit Pro-Kopf-Einkommen von 104 bzw. 116 US-Dollar beide mit annähernd gleicher Bevölkerungszahl (44 bzw. 55 Mio.), beide Frontstaaten mit kalten und heißen militärischen Phasen, beide industriell führend in ihrer jeweiligen Ländergruppe. Heute ist Korea mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 6790 US-Dollar ein Industrieland, das knapp hinter Griechenland und Portugal rangiert, während Ägypten weiterhin bei 630 US-Dollar mit den notorischen Schwachstellen eines typischen Entwicklungslandes ringt

Seinem 1930 in Kairo erschienenen Buch gab der libanesische Literat und Politiker Shakib Ärsalan den provozierenden Titel: „Weshalb sind die Muslime zurückgeblieben, und weshalb sind die anderen fortgeschritten?“ Die anderen: das war der Westen. Heute lautet die bedrängendere Frage: Bleibt die arabisch-islamische Welt zurück auch gegenüber dem Fernen Osten? Also gegenüber Ländern, die in den fünfziger Jahren nach dem Ende der Kolonialherrschaft -hier der japanischen -mit ähnlichen Anfangsbedingungen in den Entwicklungswettlauf gestartet waren und die in den nächsten ein bis zwei Dekaden nicht einholbar sein werden? Dies gilt auch für die arabischen Erdölstaaten, Rentier-Ökonomien mit einer eher „gekauften“ als technisch-wissenschaftlich erarbeiteten Industrialisierung So liegt das Pro-Kopf-Einkommen Saudi-Arabiens mit 7940 US-Dollar nur bei der Hälfte des singapurischen, und seine Analphabetenrate beträgt immer noch 38 Prozent.

II. Die Steuerungsfunktion von Wertefeldern

Was sich in internationalen Querschnittsvergleichen niederschlägt, ist offenbar Ausdruck menschlichen Handelns, also individueller Motivationen und sozialer Prägungen. Kultur bedeutet ein -keineswegs statisches -System von Wertefeldern, welche Handlungsspielräume abstecken und Handlungsrichtlinien vorgeben, die als sinnvoll erlebt werden. „Kultur leistet also Steuerungsarbeit im Prozeß der Evolution eines Systems.“ Die Steuerung erfolgt partiell über die Internalisierung der Wertvorstellungen, beispielsweise einer konfuzianischen Leistungsethik, die der calvinistischen erstaunlich nahesteht, oder durch eine javanische Harmonie-Ethik, die den Menschen auffordert,sich in den Kosmos als ein geordnetes Ganzes einzufügen

Alfred Müller-Armack, zeitweilig Staatssekretär unter Ludwig Erhard, hat schon in den dreißiger Jahren das ökonomische Leistungsgefälle zwischen unterschiedlichen religiösen Gruppen auf dem Balkan und in Frankreich untersucht und den Begriff des „Wirtschaftsstils“ geprägt, verstanden als Ausdruck von wirtschaftlichen Verhaltensweisen, die sich phänomenologisch deutlich von anderen abheben und gestaltmäßig erkennbar sind Andere frühe Versuche verdanken wir Maxime Rodinson zum islamischen Raum, Edward Shils und William Kapp für Indien sowie Franz von Magnis-Suseno für Indonesien

Die Beobachtung erfolgreicher Länderbeispiele zeigt: Entwicklung setzt dort ein, wo ihr ökonomisch-politische Eliten tatsächlich -und nicht nur rhetorisch -höchste Priorität einräumen. Wichtig ist, daß sie zur Bindung ihres Handelns an Regeln bereit sind und daß diese Regelungen allgemeine gesellschaftliche Anerkennung finden Es geht also um die Etablierung von Verfahrensroutinen und Ordnungselementen, die entwicklungsfreundlich sind. Dazu gehören aus ökonomischer Sicht Eigentums-, Verfügungs-und Nutzungsrechte, Institutionen wie Handelsrecht oder Schiedsgerichtsbarkeit. Sie schaffen Vertrauen und Verläßlichkeit und ermöglichen Aus-differenzierung und Arbeitsteilung. Dazu kommt entscheidend die generelle Anhebung des Qualifikationsniveaus über Bildung und Forschung sowie die Schaffung von Anreizen für technisch-wirtschaftliche Innovationen.

Die internalisierten Werte einer Gesellschaft verändern sich im Prozeß der Entwicklung, und zwar gerade dann, wenn dieser erfolgreich verläuft. So kann die Ordnungsmacht des Staates durch erstarkende Interessengruppen unterhöhlt werden. Knappheiten und Preisrelationen ändern sich. Neue Bedürfnisse entstehen und mit ihnen ein Bedarf nach neuen Handlungsrechten und Ordnungselementen.

In der europäischen wie in der jüngeren ostasiatischen Wirtschaftsgeschichte ist eine Kombination von hoher Leistungsbereitschaft einerseits und ausgeprägter Selbstbeschränkungsmoral andererseits zu beobachten. Sautter hat typische Elemente dieser Dynamik am Fall Taiwan aufgezeigt Politisch-militärischer Druck von außen führte zu innerer Geschlossenheit. Es gab eine relativ hohe Selbstdisziplin der Herrschenden. Die soziale Distanz zwischen der alten politischen Festlands-Elite und den einheimischen taiwanesischen Unternehmern verzögerte die Entstehung von Interessengruppen, die den sozialen Entwicklungskonsensus in seinen frühen Phasen hätten gefährden können. In diesem Klima entstanden entwicklungsfördernde Eigentums-, Verfügungs-und Nutzungsrechte, die erfolgreichste Agrarreform der Welt eine wirkungsvolle Investitionsgesetzgebung in Verknüpfung mit einer schrittweisen Importliberalisierung, die allgemeine Schulpflicht, wettbewerbsorientierte Arbeitsmärkte und effiziente Kapitalmärkte mit positiven Realzinsen

Das vorherrschende taiwanesische Wertefeld billigte geschäftliche Transaktionen, betonte das konfuzianische Gebot lebenslangen Lernens, prämierte familienbezogene Erwerbstätigkeit, Sparen und Investieren. Ethisch-religiöse Vorstellungen schufen ein Klima von Treu und Glauben als elementare nichtökonomische Grundlage wirtschaftlichen Handelns

III. Kreativität und Problemlösungskompetenz

Je weiter der ökonomische Entwicklungsprozeß voranschreitet, desto unverzichtbarer wird Freiheit des Denkens als elementare Voraussetzung für Kreativität. Auch dazu bietet der Umbau der politischen Systeme in Ostasien während des letzten Jahrzehnts anschauliches Material. Entwicklung heißt, Problemsituationen nüchtern zu analysieren, notwendige Politiken zu konzipieren, Projekte und Programme zu entwerfen und deren Durchführung zu organisieren. Alle genannten Elemente bilden eine Kette, in der kein Glied fehlen darf. In vielen Ländern am hinteren Ende des internationalen Entwicklungszuges, insbesondere in Schwarzafrika, fehlt fast jedes Glied dieser Kette.

Zur konkreten Umsetzung einer ernsthaften Bereitschaft zur Entwicklung gehören Sparen und Investieren, Wachstums-und Effizienzorientierung, intelligente Organisation und Administration, soziale Kohäsion, Disziplin unß Teamgeist, Lernfähigkeit Innovationskraft und Kreativität. All dies in einem internationalen Umfeld, das von wachsender Dynamik charakterisiert wird, die, flexibel angenommen, als Chance begriffen und produktiv genutzt werden kann. Dieses Erfolgs-muster -zunächst von Japan entwickelt -kehrt bei allen ostasiatischen „Tigern“ wieder und wird inzwischen von einem Kranz südostasiatischer Länder wie Thailand, Malaysia, den Philippinen, Indonesien und partiell auch von Vietnam erfolgversprechend imitiert. Umstritten ist die Frage der Menschenrechte, wobei in einer Reihe von Ländern -nicht zuletzt unter dem Aspekt der Machterhaltungsmaxime der derzeitig herrschenden Eliten -dem Recht auf soziale Entwicklung Vorrang vor dem individualistischen westlichen Menschen-rechtsbegriff zugewiesen und die Tradition starker gemeinschaftsorientierter politischer Ordnungsprinzipien zur Abstützung ökonomisch erfolgreicher autoritärer Regime („industrieller Neokonfuzianismus“) in Anspruch genommen wird.

Generell geht es nicht primär um die Verfügbarkeit von Kapital, wie es westliche ökonomische Wachstumstheorie postuliert und wie es auch in den OPEC-Ländern deutlich wurde. Entwicklung ist weder käuflich (durch Petrodollars) noch schenkbar (durch Entwicklungshilfe), sondern erfordert kreative Teilnahme am internationalen technisch-wissenschaftlichen Innovationsprozeß. Kapital allein beseitigt keine Innovations-und Kreativitätsblockaden.

IV. Wahrnehmung der Welt und Annahme des Wandels

Kulturen unterscheiden sich in ihrer Offenheit oder Geschlossenheit gegenüber den Herausforderungen raschen Wandels. Es macht einen Unterschied, ob die Welt als ein für allemal geschaffen, vielleicht gar als unveränderlich oder als in stetem Wandel befindlich erlebt wird. Läßt sie sich -wie in den monotheistischen Religionen -in sich ausschließende Gegensatzpaare aufspalten, oder erscheint sie als ein dynamisches Spiel sich gegenseitig bedingender Polaritäten?

Buddhistische Weitsicht neigt zur zweiten Anschauung. Das Konzept der Wandlung verweist auf sensitives Erkennen, flexible Anpassung, Lernbereitschaft, somit Innovationsorientierung Es rät ab vom Festhalten am Tradierten, am ein für allemal als richtig Befundenen, am vielleicht als unverrückbar Verkündeten wie in Spielarten des Islamischen Fundamentalismus. Es ließ auch Entwicklungspläne nicht zu starren Ritualen werden, sondern zu flexiblen Orientierungshilfen, von denen man sich früh löste, als deutlich wurde, daß sie angesichts der zunehmenden Binnen-und Außendynamik zu rasch obsolet wurden Auch hielt man sich in Ostasien nicht mit Dependencia-Thesen auf, sondern gewann aus einer nüchternen Analyse der weltwirtschaftlichen Veränderungen einen konzeptionellen Vorsprung von zwei Jahrzehnten gegenüber Lateinamerika, wo man erst in den letzten Jahren zur Kenntnis nimmt, wie in Ost-asien erfolgreiche Entwicklungspolitik betrieben wurde. Gewissenhaftigkeit, geistige Disziplin und intellektuelle Redlichkeit sind weitere wichtige Komponenten des buddhistischen Kanons. Altes, also auch absterbende Wirtschaftszweige, wird früher losgelassen und weniger zum Gegenstand kostspieliger Erhaltungssubventionen gegen die Kräfte steten Wandels.

Der Taoismus stärkt den Prozeßgedanken, die sensible Nutzung von sich verändernden Kräfte-feldern, das Gehen mit dem Strom. Ordnung entsteht im Spiel polarer Kräfte. So gewinnt der Mensch langes Leben durch Ökonomie der Kräfte, durch Vermeidung von blindem Aktivismus, durch Gelassenheit, durch eine Balance von Tun und Nichttun -übrigens auch in früheren europäischen Konzepten einer Vita activa und einer Vita contemplativa angelegt, aber zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten.

Der Konfuzianismus steuert Konzepte sozialer Disziplin, Respekt vor Autorität, Achtung vor dem Lernen und der Gelehrsamkeit bei. Akzeptanz von Hierarchie und Seniorität gehören ebenso zu den Tugenden wie Loyalität, Genügsamkeit, Anpassung an gegebene Ordnung, Fleiß und Leistungsorientierung. Auf diesem Boden wuchsen nüchterne, ergebnisorientierte Organisationen einschließlich staatlicher Entwicklungsverwaltungen Die Steuerungsfunktion kultureller Prägungen und Wertefelder wird in unseren komplexen Gesellschaften zunehmend bedeutsam in dem Maße, in dem bisherige direkte Steuerungsinstrumente versagen. Versuche einer linearen Ziel-Mittel-Optimierung greifen nicht mehr angesichts der zunehmenden Umweltdynamik. Detaillierte Verhaltensregeln für den fest umrissenen Einzelfall werden unter solchen Bedingungen schnell obso­ let. Schon das britische Empire wurde durch den Wertekonsens der Cricket-Felder von Eton zusammengehalten, denn der Schiffsverkehr von Burma nach Whitehall brauchte in einer Richtung viele Wochen. Entsprechend hat die moderne Betriebswirtschaftslehre die corporate culture wiederentdeckt, die schon den unternehmerischen Erfolgen von Werner Siemens und Friedrich Krupp zugrunde lag -beide noch ungeadelt und selbst am Schraubstock stehend.

Entscheidungssteuerung über Wertefelder heißt Vermittlung einer gewissen Verhaltenssicherheit in einem zunehmend von radikalen Unsicherheiten geprägten Umfeld. Der moderne kategorische Imperativ heißt dann: „Entscheide so, wie andere, auch höhere Entscheidungsträger mutmaßlich entscheiden würden angesichts ihrer Einbindung in einen ungefähren Weite-Rahmen, ohne daß jene anderen vorab wissen, wie sie selbst in Deiner Situation entscheiden würden.“ So funktionieren nicht nur gutgeführte Unternehmen, sondern auch leistungsorientierte Entwicklungsverwaltungen.

V. Die Arabische Welt auf der Suche nach Orientierung

In der Mehrzahl der arabischen Länder funktionieren staatliche, aber auch privatwirtschaftliche Organisationen, gemessen an internationalen ökonomischen und sozialen Querschnittsindikatoren, weniger gut. Sie bleiben hinter den Schwellenländern anderer Entwicklungsregionen zurück. Ist dieser Entwicklungsrückstand kulturbedingt? Was sagen dazu arabische Kritiker selbst, von Fatima Mernissi, die eine neue Rolle für die arabische Frau fordert, bis Mohamed Arkoun, der eine arabische Aufklärung propagiert? Drei Beispiele sollen die Problematik verdeutlichen. Alle haben Bezug zu den eingangs herausgestellten Erfolgs-faktoren: Lernfähigkeit, Innovationskraft, nüchterner Realitätssinn bei der Politikenformulierung und ihrer konkreten Umsetzung in organisatorische Strukturen, soziale Kohäsion, geistige und institutioneile Flexibilität, Kreativität. 1. Eine Diskussion an der Universität Khartoum Es ging um das Verhältnis von Technologie und Islam, von Wissenschaft und Wertfragen. Die Diskussionsteilnehmer verwiesen auf die Zunahme existentieller Verunsicherungen und den Versuch einer Antwort über eine Rückbesinnung auf die eigenen kulturellen und religiösen Ursprünge. Dazu der in der Sufi-Tradition stehende und zugleich naturwissenschaftlich ausgewiesene große alte Mann der Fakultät: Der Islam könne betrachtet werden als ein Konzept der Weisheit und des Wissens in der Verknüpfung von Wertvorstellungen, Wissenschaft und Technologie.

Die Gegenposition eines Muslim-Bruders in der Fakultät: Es gebe nur eine Wahrheit, nämlich die geoffenbarte Wahrheit des Islam. Die Integration von Islam und moderner Wissenschaft sei unmöglich, akzeptabel seien nur wissenschaftliche Teilbereiche. Manche Techniken seien mit islamischen Wertvorstellungen nicht vereinbar, die Kriterien dafür allerdings noch nicht geklärt. Ebenso unannehmbar sei ein Konzept einer multikulturellen Weltgesellschaft. Aus islamischer Sicht könne es wegen des allumfassenden Wahrheitsanspruches keine Bejahung einer multikulturellen Koexistenz geben, allenfalls deren durch die aktuellen internationalen Machtverhältnisse erzwungene Duldung.

Die zweite Position bedeutet offenbar wachsende Selbstisolierung und weitere frustrierende »Mißerfolgserlebnisse Die Abschottung von Teilen der arabischen Welt in den sechziger Jahren -damals unter der Flagge des Arabischen Sozialismus -war ja instrumental für ihr Zurückbleiben im internationalen Entwicklungswettlauf. Die teilweise gewollte politisch-ideologische Abschottung führte über die tendenziell ungewollte, faktisch aber eingetretene technisch-wissenschaftliche Isolierung in die ökonomische Stagnation, insbesondere im Vergleich zu den zwischenzeitlich teilindustrialisierten Ländern in anderen Teilen der Welt. Ausdruck solcher Defizite war die Präsenz hochleistungsfähiger ostasiatischer, nicht aber arabischer Unternehmen beim Aufbau von Großanlagen in den Golfstaaten während des Erdölbooms. 2. Eindrücke an der Universität Damaskus Die Universitätsbibliotheken boten das Bild einer langen politischen Selbstisolierung. Aktuelle internationale Fachliteratur fehlte weitgehend. Der Hochschulunterricht wurde zu großen Teilen aus frühen Mitschriften aus Moskau oder Warschau bestritten -eingebettet in die Rhetorik der Staatspartei. Die studentischen Diskussionsbeiträge bestanden in einer photographischen Wiederholung des Gastvortrags ohne eigenen Kommentar, geschweige denn Kritik. Dies veranlaßte den Verfasser zu der eindeutigen Feststellung, daß technolo-gische Entwicklung Ergebnis von Wissenschaft sei und nur zugänglich über die Teilnahme am internationalen wissenschaftlichen Prozeß. Dies setze seinerseits freie Kommunikation und freies Denken voraus und sei wiederum nicht etwa durch das Auswendiglernen eines vom Erziehungsministerium verordneten Lehrbuches ersetzbar. Die Studenten empfanden dies als sensationell.

Bejahung von Kritik, Verneinung von Autoritäten kann individuell Angst auslösen und kollektiv schnell eine politische Dimension annehmen, wenn sie etwa von einer hauptstädtischen Universität ausgeht. Aber Innovationen erfordern ja gerade die Zurückweisung des Tradierten, des hierarchisch Gesetzten, den Widerstand des im Ausland frisch Promovierten gegen den etablierten Dekan, die Zulässigkeit eines kritischen Arguments um seiner selbst willen ohne sorgfältige Beachtung des unterschiedlichen sozialen Ranges der Gesprächspartner.

Everett Hagen hat vor 30 Jahren den autoritären und den innovativen Typus analysiert und letzteren charakterisiert durch Offenheit für neue Erfahrungen, durch eine Weitsicht, die die wirkenden Kräfte als erklärbar versteht, durch konstruktive Vorstellungskraft, durch Vertrauen in die eigene Urteilskraft und eine Haltung, die Probleme bewußt angeht, ferner durch Verantwortungsgefühl und Erfolgsmotivation, Intelligenz und Energie sowie einen offenen und neugierigen Geist, der die Welt als einen Ort von Herausforderungen wahrnimmt, denen er sich stellt Dagegen nimmt der autoritäre, nicht-kreative Persönlichkeitstypus die Welt als willkürlich wahr, also einer Analyse in den Kategorien von Ursache und Wirkung nicht zugänglich. Er sieht sich willkürlichen Kräften aus­ gesetzt, die stärker als die seinen sind, und die verlangen, daß er sich ihnen unterwirft. Dies erzeugt Angst, die eigene Initiative und Urteilskraft zu nutzen, und die Neigung, die damit möglicherweise verbundenen Frustrationen und Schmerzen zu vermeiden. Man fällt auf traditionelle Verhaltensnormen zurück und findet es sicherer, sich an das Urteil älterer, höhergestellter Persofien zu halten

Wo solche frühen psychologischen Prägungen durch Auslandserziehung durchbrochen wurden, half staatliche Kulturpolitik von Fall zu Fall nach. So hatte sich die gerade in Frankreich ausgebildete indonesische Ärztin ein Jahr lang in die Praxis eines alten Kollegen in Java zu setzen und auch bei dessen krassen Fehldiagnosen zu schweigen -ein von der Regierung verordneter Rückanpassungsprozeß. Vielfach genügt sozialer Druck: Der in Deutschland promovierte jordanische Nachwuchsökonom an der heimischen Universität sieht sich außerstande, eine Fachdiskussion mit älteren Kollegen zu führen, ohne seine und ihre hierarchische Stellung in bezug auf Besoldungsstufe, Familie und politischen Hintergrund mitzubedenken.

Blockierte Kreativität läßt sich auch nicht durch die Finanzierung moderner Laboreinrichtungen kompensieren. Freilich noch hemmender sind dürftige wissenschaftliche Ausstattungen. Abdus Salam, pakistanischer Nobelpreisträger für Physik 1979, sprach für viele: „I had a stark choice: to stay in physics or in Pakistan.“ 3. Zur Corporate Culture in ägyptischen Unternehmen Nach der Nasserschen Revolution war in den verstaatlichten ägyptischen Unternehmen vorrangig politische Loyalität, nicht Managementkompetenz gefragt. Also rekrutierte man Spitzenmanager aus dem höheren Offizierscorps. Dies wirkt in dem noch immer dominierenden staatlichen Industrie-sektor bis heute nach. Loyalität ist der beherrschende Wert quer durch das ganze Unternehmen, mit fatalen Folgen auch für die organisationsinternen Informationsflüsse. Informationen werden tendenziell nicht weitergegeben, sondern anderen vorenthalten, um gegenüber Untergebenen die eigene Machtposition zu stärken. Informationen sind vorrangig der Spitze zugänglich zu machen, denn dies manifestiert Loyalität, schafft dort Vertrauen und erhöht die Chancen einer Gunst, etwa einer Beförderung. Informationen sind also nicht primär etwas, was essentiell der Entwicklung genereller, d. h. nichtpersonaler Organisationsziele dient.

Zentralisierte Kontrolle und autoritäre Führung sind die Regel. Der Mächtige darf Gehorsam erwarten. Innovationen sind tendenziell der Ebene der Unternehmensführung Vorbehalten. Dezentralisierung wird als Machtverlust betrachtet, Untergebene werden in Abhängigkeit gehalten. Strikte soziale Rollenmuster betonen Verfahrensroutinen, nicht Ergebnisorientierung. Seniorität hat Vorrang vor Qualifikation. Produktivitätsgesichtspunkte sind ein Novum im Zuge der Strukturanpassungsbemühungen, denn Mengenausstoß galt als Erfolgsmaß. Rollenbewahrung hat immer noch Vorrang vor Organisationsdynamik. Zwischenzeitlich finanzieren ausländische Geber umfassende Management-Trainingsprogramme wobei teilweise hochrangige ägyptische Manager aus öffentlichen Unternehmen bis zu neun Monaten delegiert werden, dort also offenbar abkömmlich sind.

Topm& nager geben zwar Lippenbekenntnisse zugunsten eines eigenverantwortlichen, innovationsund risikofreudigen Mittelmanagements ab, äußern aber zugleich die Überzeugung, daß ihre Untergebenen nicht in der Lage seien, Verantwortung zu übernehmen, und geben ihnen deshalb auch nicht die erforderlichen Handlungsspielräume. Spiegel-bildlich bestätigen mittlere Manager, daß ihre Vorgesetzten nicht delegieren. Beide Seiten sind gefangen in einem sich selbstverstärkenden Syndrom von geringem Vertrauen und geringer Leistung. Ausdruck des Vorrangs der Verteidigung organisationsinterner sozialer Rollen ist die weithin noch immer mangelhafte Marktorientierung der Staatsbetriebe -nunmehr zwei Dekaden nach Proklamation der Sadatschen Öffnungspolitik von 1974. So ging auch der Golf-Boom der siebziger Jahre weithin unbemerkt am öffentlichen Unternehmens-sektor Ägyptens vorüber.

Die neuen dynamischen Privatunternehmer insbesondere in den Satellitenstädten um Kairo gewinnen rasch Marktanteile zu Lasten der Staatsbetriebe, sind sich aber auch noch nicht darüber im klaren, daß sie im Zuge der proklamierten Liberalisierungspolitik erhebliche Konkurrenz von ihren Mitwettbewerbern in anderen Entwicklungsländern bekommen werden. Der anhaltende Schutz des ägyptischen Binnenmarktes hat es bislang erlaubt, einschlägige Lernprozesse zu vertagen

VI. Institutioneile Rahmenbedingungen und individuelle Rationalität

Kultur wurde hier betrachtet als handlungsleitende Wertefelder, die auf Organisationen einwirken, unter deren Rahmenbedingungen Menschen agieren. Diese Sichtweise bewahrt vor dem Trugschluß, daß die betroffenen Individuen per se „irrational“ handeln. Das Gegenteil ist der Fall. Willkür der Herrschenden, Mängel des Rechtssystems und der Rechtsprechung, Defizite an öffentlicher Verantwortlichkeit, Verweigerung von Menschenrechten sind Teil des Handlungsrahmens, auf den Individuen rational reagieren. Der verfügbare Handlungsrahmen bestimmt, was der einzelne als „Nutzen“ verfolgt und realisieren kann. Hohe Ausgaben für Zeremonien wie Heiraten können rationale Nutzenmaximierung darstellen, wenn Investitionen in den sozialen Status zur Einkommenserzielung eher beitragen als der Erwerb technischen Wissens. Wo staatliche Konfiszierung droht, beeinflußt dies Nutzenkonzepte. Auch die übliche Lebenserwartung hat darauf Einfluß. Menschen handeln meist rational, aber diese Rationalität wird konditioniert durch ökonomische Bedingungen, institutioneile Beschränkungen, soziale Regelungen, verfügbare und zugängliche Optionen in unvollkommenen Märkten Ökonomen aus Entwicklungsländern, die z. B. in internationalen Geberinstitutionen arbeiten, agieren in einer anderen Organisationskultur entsprechend anders -in Bürohochhäusern der Dritte-Welt-Metropolen manchmal schon von Stockwerk zu Stockwerk. Das gleiche gilt offensichtlich für Hochschullehrer aus Entwicklungsländern an westlichen Universitäten oder Angestellte in multinationalen Unternehmen.

Dessenungeachtet wirkt die kulturelle Prägung beharrlich im Binnenbereich fort, und zwar vielfach als Kreativitäts-und Innovationsblockade. In Ost-asien ist dies zentrales Thema geänderter Bildungspolitiken. Dort läuft eine intensive Diskussion zur Umstrukturierung der Lernstile ab. Im Umgang mit anspruchsvolleren industriellen Produkten und Prozessen geht es nicht mehr um Einhaltung strikter Fabrikdisziplin und um soziale Unterordnung. Gefragt sind vielmehr innovative Fähigkeiten. Die Gesellschaften sehen sich einem technologischen Innovationsdruck ausgesetzt, welcher die überkommene Betonung von Konformismus, von Auswendiglernen und präzisem Befolgen sozialer Regeln nicht mehr prämiert. Vielmehr geht es nun um individuelles Infragestellen des Althergebrachten, um Widerlegung des generell für richtig Gehaltenen.

So erläutert ein Hochschullehrer an der Universität Seoul: „Einer der drastischen Wandlungsprozesse, die wir vorantreiben, ist die Betonung individueller Spitzenleistungen anstelle von Gruppensolidarität. Wir müssen Kreativität entwickeln, von den traditionellen Methoden des Wiederholens von Texten abgehen und die Schüler zu eigenständigem Denken und Diskutieren führen.“ Der taiwanesische Erziehungsminister meint, daß im Klassenzimmer zuviel auswendig gelernt werde. Der singapurische Minister für Handel und Industrie fordert Ermutigung von Kreativität und Flexibilität durch breit angelegte Bildung: „Wenn wir eine Nische in der Weltwirtschaft für uns schaffen wollen, brauchen wir eine denkende Bevölkerung.“ Andererseits betonen die Regierungen vieler ost-und südostasiatischer Länder die Rolle von Konsens und Stabilität gegenüber westlichem Individualismus und politischem Pluralismus auf dem Wege zu weiterem wirtschaftlichen Erfolg.

Konfrontiert man diese Ansätze mit der Innen-ansicht vieler arabischer Universitäten, so erschüttert die Klage der dortigen Kollegen, daß eine Vorgesetzte Instanz das Lehrbuch vorschreibt, welches vorgetragen, auswendig gelernt und abgefragt werden muß. Gelegentlich befinden sich zwei Drittel der Studenten des Jahrgangs gar nicht in der Universität, deren Hörsäle sie ohnehin nicht fassen würden, sondern in ihren Heimatorten -in der Gewißheit, das richtige Buch auswendig zu lernen. Dies wird mancherorts als sozialpolitisch erforderliche „Chancengleichheit“ ausgegeben. Über tech­ nologische Partizipation und Entwicklungserfolg im internationalen Wettbewerb braucht man in solchen Fällen nicht weiter zu reden. Noch desolater stellen sich die Perspektiven für Länder wie Pakistan dar, in denen die ländlichen Analphabetenraten nach drei Jahrzehnten nationaler Entwicklungsplanung immer noch über 70 Prozent (mit weit höheren Anteilen bei der weiblichen Bevölkerung) liegen, was eine breitenwirksame Teilnahme an Innovationen über internationale Schriftkultur ausschließt.

VII. Kreative Intelligenz und Evolution

Nicht Kapital oder mittelmäßig qualifizierte Arbeitskräfte, sondern kreative Intelligenz wird in den nächsten Jahrzehnten zur entscheidenden Ressource Dies um so mehr, als das Konzept einer nachholenden Industrialisierung, wie sie die Diskussionen der fünfziger Jahre forderten, obsolet wird, weil ökologisch immer weniger durchhaltbar. Dr. Faustus -in der Deutung von Binswanger der Technokrat ohne Einsicht in seine Grenzen - stößt an die Grenzen der Natur.

Der westliche Entscheidungsweg ist nicht mehr zu imitieren, sondern zu transzendieren. Bevor die VR China theoretisch das derzeitige Pro-Kopf-Einkommen Taiwans oder Singapurs erreichen würde, hätten planetarische Erwärmungseffekte und Klimakatastrophen die heutige Staatenwelt und ihre fragilen supranationalen Konfliktvermeidungsmechanismen wahrscheinlich aus ihren Angeln gehoben. So werden angesichts des Wasser-mangels -in Jordanien rechnen Spezialisten mit der Erschöpfung der fossilen Wasserreserven in drei Jahrzehnten -Teile des Nahen und Mittle-ren Ostens Anfang des nächsten Jahrhunderts in herkömmlichen Formen nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sein. Die Probleme Somalias oder Ruandas sind zu erheblichen Teilen Folgen ökologischer Überlastung in Verknüpfung mit dem Bevölkerungswachstum.

Der Anpassungsbedarf ist nicht auf Dritte-Welt-Länder unter dem Druck anhaltender Desertifikationsprozesse beschränkt. Auch in Industrieländern geraten Szenarios mit deutlichen Realeinkommenssenkungen ins Blickfeld. Etablierte Lebensformen stehen zur Disposition. Sofern es neue Lösungen geben wird, werden sie mutmaßlich primär aus der Grundlagenforschung kommen.

Wir gehen auf eine Welt zu, die schon bis Ende der neunziger Jahre erheblichen weiteren Verwerfungen ausgesetzt sein dürfte. Kreative Intelligenz wird gefragt sein, also die Fähigkeit, sich an das Neue heranzutasten, Unbestimmtheit auszuhalten, Fluktuationen und Selbstorganisation zuzulassen, Fließgleichgewichte zu beachten, Entropie zu minimieren und Potential aufzubauen letzteres verstanden als die Fähigkeit, auf unvorhersehbare Problemlagen aus einer Position relativer Stärke antworten zu können. Was die Zukunft inhaltlich ausmachen wird, wissen wir nicht. Antworten bestehen immer in der Verknüpfung von Anpassung und Ausgreifen. Das Ausgreifen in neue Lebensräume geht heute vielerorts Hand in Hand mit einer geistigen Rückbesinnung (religio) auf die kulturellen Quellen, auf den „Rückhalt im Eigenen“ Sie findet ihren Ausdruck auch in religiösen Erneuerungsbewegungen Zugleich verändern sich an der Front der Forschung grundlegende Sichtweisen der Wirklichkeit. Wir können davon ausgehen, daß die Evolution weitergehen wird, begleitet von menschlicher Kreativität, die daran teilhat und deren Ausdruck sie ist Entwicklung wird immer weniger inhaltlich bestimmbar. Entwicklung ist das, was geschieht, wenn Kreativität sich entfalten kann.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. World Bank Atlas, Washington D. C. 1994, jeweils für das Jahr 1992.

  2. Vgl. United Nations, Yearbook of National Accounts Statistics 1961, New York 1962, S. 314, 316.

  3. Vgl. World Bank Atlas (Anm. 1).

  4. Vgl. Michael Hofmann, Saudi-Arabien -Gekaufte Industrialisierung, DIE, Berlin 1988.

  5. Inse Cornelssen, Der Fall Japan. Kultur als Triebkraft wirtschaftlicher Entwicklung, Frankfurt/M. u. a. 1991, S. 47; vgl. auch Dieter Weiss, Die Entwicklungsländer vor der Dritten Industriellen Revolution, in: Peter J. Opitz (Hrsg.), Grundprobleme der Entwicklungsländer, München 1991. S. 212f.

  6. Vgl. Franz von Magnis-Suseno, Neue Schwingen für Garuda. Indonesien zwischen Tradition und Moderne, München 1989, S. ölf.

  7. Vgl. Alfred Müller-Armack, Religion und Wirtschaft, Stuttgart 1981 (Nachdruck seines Buches „Genealogie der Wirtschaftsstile. Die geistesgeschichtlichen Ursprünge der Staats-und Wirtschaftsformen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts“, 1. bis 3. Aufl., Stuttgart 1940-1944), ebd., S. 57: „Stil ist so die in den verschiedensten Lebensgebieten einer Zeit sichtbare Einheit des Ausdrucks und der Haltung.“

  8. Vgl. Maxime Roditison, Islam et capitalisme, Paris 1966.

  9. Vgl. Edward Shils, The Intellectual Between Tradition and Modernity: The Indian Situation, The Hague 1961, S. 59f.

  10. Vgl. K. William Kapp, Hindu Culture, Economic Development and Economic Flanning in India, London 1963; Vikas Mishra, Hinduism and Economic Growth, Oxford 1962, S. 69f.

  11. Vgl. Franz von Magnis-Suseno, Javanische Weisheit und Ethik. Studien zu einer östlichen Moral, München-Wien 1981.

  12. Vgl. Hermann Sautter, Ordnung, Moral und wirtschaftliche Entwicklung. Das Beispiel Taiwan, München-Köln 1990, S. 7f.

  13. Vgl. ebd., S. 8; Hans-Helmut Taake, Politische Planungs-und administrative Entscheidungsprozesse bei der Aufstellung und Durchführung von Entwicklungsplänen, DIE, Berlin 1973, S. 15L

  14. Vgl. Christian Heimpel, Agrarreform und wirtschaftliche Entwicklung in Taiwan, Berlin 1968; Manfred Steinhoff, Prestige und Gewinn: Die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten in Taiwan, 1880-1972, Saarbrücken 1978, S. 116L

  15. Vgl. H. Sautter (Anm. 12), S. 9.

  16. Vgl. Georg Eiwert, Märkte, Käuflichkeit und Moralökonomie, in: B. Lutz (Hrsg.), Soziologie und gesellschaftliche Entwicklung, Frankfurt/M. 1985, S. 513: Märkte funktionieren nur dann, wenn große Teile des Regelsystems marktwirtschaftlichen Eingriffen entzogen sind: „In dem Maße, in dem jedoch vertrauensstiftende Institutionen -Recht ebenso wie Freundschaft oder religiös-moralische Kontrolle -selbst unbeständig werden, auf dem Markt dem je Meistbietenden zu Diensten sind, in dem Maße kann das Marktversprechen nicht mehr garantiert werden.“ Vgl. auch H. Sautter (Anm. 12), S. 101: „Arbeitsteilung wird gefördert durch die Vorstellung, daß Kaufen und Verkaufen auf einem Markt keineswegs auf religiöse Vorbehalte stößt. Geschäftliche Transaktionen sind vielmehr ein Vorgang, an dem auch die Götter beteiligt sind und der dadurch eine hohe moralische Legitimierung erfährt. Denn die Götter sind es, die durch einen mystischen Kontrakt mit den auf ihre Wiedergeburt wartenden Seelen Menschen zum Leben verhelfen. Die Gottheit investiert sozusagen in menschliches Leben. Zeit seines Lebens steht der Mensch deshalb in einem Vertragsverhältnis. Er muß den Göttern seine kontraktgemäßen Schuldendienste leisten... Je ehrlicher und aufrichtiger jeder seine Lebensschuld begleicht, um so eher zahlt es sich für ihn aus. Diese Merkmale eines himmlisch-irdischen Geschäftsverkehrs werden auf zwischenmenschliche Transaktionen übertragen. Schulden müssen beglichen werden, Verträge sind zu erfüllen.“ Vgl. dazu auch die Generalklausel des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch, die letztlich ethisch-religiös begründet ist.

  17. Vgl. H. Sautter (Anm. 12), S. 103-104: Konfuzius fordert zu lebenslangem Lernen auf. „Wo das Lernen nicht geübt wird, entartet die Barmherzigkeit zur Torheit, die Tüchtigkeit zur Ziellosigkeit, die Geradlinigkeit zu Intoleranz, der Mut zur Aufsässigkeit.“ Intellektuelle Kraft ist der richtige Weg zum sozialen Aufstieg. Diese Tradition setzt sich im heutigen Bildungssystem Taiwans fort, wo vom Kindergarten bis zur Universität strenge Leistungskriterien gelten und Elitenbildung durch Leistungswettbewerb betont wird.

  18. Vgl. William Montgomery Watt, The Self-Image of Islam. Myth and Reality, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Supplement VIII. XXIV. Deutscher Orientalistentag, Ausgewählte Vorträge, Stuttgart 1990, S. 18.

  19. Vgl. für Japan: I. Cornelssen (Anm. 5), S. 65f.

  20. Vgl. Dieter Weiss, Anmerkungen zur Entwicklungsstrategie der Republik Singapur, in: Internationales Asienforum, 5 (1974) 3.

  21. Vgl.den Versuch einer systematischen Zuordnung bei I. Cornelssen (Anm. 5), S. 160-167.

  22. Vgl. W. M. Watt (Anm. 18), S. 23: „The chief danger is that the Islamic community will cut itself off completely front the intellectual und cultural life of the rest of humanity.“

  23. Vgl. Everett E. Hagen, On the Theory of Social Change, Homewood/Ill. 1962, S. 88f., 97f.; F. v. Magnis-Suseno (Anm. 6) zur javanischen Weitsicht: „Die Bereitschaft, die Standespflichten zu erfüllen, darf daher nicht als Aufforderung zur Weltveränderung mißverstanden werden, etwa im Sinne eines . Einsatzes für eine bessere Welt'." „Welt und Gesellschaft werden sich gerade dann in einem guten Zustand befinden, wenn jeder tut, was ihm vorgeschneoen ist. Der Mensch sollte nicht hochmütig aufgrund von ambitiösen Plänen und hochfliegenden Idealen auf eigene Paust die gegebenen Strukturen verändern wollen ... Weltveränderung als solche kann überhaupt nicht sinnvolles Ziel des Tuns des Menschen sein. Einerseits würde der Versuch, die bestehenden kosmischen und gesellschaftlichen Strukturen zu verändern, ja gerade die bestehende Harmonie stören und daher das Ziel der Herstellung von Harmonie und Frieden unerreichbar machen. Andererseits liegt es ... überhaupt nicht in der Macht des Menschen, etwas an der Welt zu verändern“ (ebd., S. 76). Vgl. zu entsprechenden frühkindlichen Konditionierungen in Indien auch Detlef Kantowsky, Dorf-entwicklung und Dorfdemokratie in Indien, Bielefeld 1970, S. 126f.

  24. Vgl. E. E. Hagen (Anm. 23), S. 98.

  25. Vgl. Abdus Salam/B. M Udgaonkar, Science and Technology Capability Building in the Third World Countries -Some Issues, in: IFDA Dossier, 29 (1982), S. 4f.

  26. Die dabei meist verwendeten amerikanischen Unternehmensplanspiele sind weitgehend unangepaßt an ägyptische Verhaltensmuster. Was sie an Änderungen von Managementstilen bewirken mögen, ist zweifelhaft. Es hieße Oktroyierung fremder Werte und Verhaltensnormen. Um eben solche geht es, doch ist dies nicht über Management-Seminare leistbar. Vgl. Coopers & Lybrand, Assessment of Management Training Needs in the Ärab Republic of Egypt, Cairo 1980, S. lf.

  27. Vgl. Henk Knaupe/Ulrich G. Wurzel, Potential Building. Private Ansätze zur Reform des ägyptischen Bildungswesens, Leipzig 1994, S. 49f.

  28. Der einschneidendste Wandel der Managementstile ist in den multinationalen Unternehmen zu beobachten, die ägyptische Unternehmen übernommen haben. Die übernommenen früheren Betriebsleiter erleben, daß Seniorität nichts mehr wert ist, täglicher Leistungsdruck ausgeübt wird, monatlich ergebnisorientiert zu berichten ist. Hier stürzen Weltbilder ein, viele sehen sich in einer existentiellen Krise.

  29. Vgl. Georg Eiwert/Werner Gocht/Hans-Joachim Kornadt/Frithjof Kuhnen, Soziokulturelle Bedingungen in der Entwicklungszusammenarbeit, Bonn (hekt.) 1992. Dazu schon M. Rodinson (Anm. 8), S. 125.

  30. Zu den Folgen einer politisch verordneten Kreativitätsblockade im „real existierenden Sozialismus“ Lydia Lange, Kollektiv, wo bist du hin?, in: Die Zeit vom 5. November 1993: „Drei Phänomene waren der SED-Bürokratie ein Greuel: Individualität, Spontaneität und Öffentlichkeit ... Die Bekämpfung von Individualität, die natürlich nicht immer gelang, führte zu Gleichmacherei, zur Nivellierung interpersoneller Unterschiede. Beherrschend in der gesamten DDR-Gesellschaft war der Gleichheitsgedanke ... Im Leistungsbereich wurde der Durchschnitt zur Gewohnheit. Diese Gewohnheit mußte auf die Dauer ein Absinken des Durchschnitts zur Folge haben.“

  31. Vgl. Hans Christoph Binswanger, Geld und Magie. Deutung und Kritik der modernen Wirtschaft anhand von Goethes Faust, Stuttgart 1985, S. 62.

  32. Vgl. Manuel Schiffler, Nachhaltige Wassemutzung in Jordanien, DIE, Berlin 1993, S. 76f.

  33. Vgl. Dieter Weiss, Theoretische Grundlagen wirtschaftspolitischer Planung in Entwicklungsländern im Wandel weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen, in: Vierteljahresberichte. Probleme der internationalen Zusammenarbeit, 113(1988), S. 272-276.

  34. Walther Braune, Der arabische Orient zwischen Vergangenheit und Zukunft. Eine geschichtstheologische Analyse seiner Stellung in der Weltsituation, Bern-München 1960, S. 73.

  35. Vgl. Detlef Kantowsky, Sarvodaya -The Other Development, New Delhi 1980.

  36. Vgl. Dieter Weiss, Culture, Perception of Reality, and the Newly Emerging Planning Paradigm, in: Social Indicators Research, 16 (1985), S. 206-210; ders., Changing Paradigms of Development in an Evolutionary Perspective, in: Social Indicators Research, 26 (1992), S. 376-384.

Weitere Inhalte

Dieter Weiss, Dipl. -Ing., Dr. rer. pol., geb. 1935; Studium des Wirtschaftsingenieurwesens in Berlin; seit 1980 o. Professor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Wirtschaft und Kultur u. a. auch des Nahen Ostens.