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Umweltschutz in den Kommunen | APuZ 50/1996 | bpb.de

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APuZ 50/1996 Warum neue Beteiligungsmodelle auf kommunaler Ebene? Kommunalpolitik zwischen Globalisierung und Demokratisierung Kommunale Sozialpolitik und Grundrisiken der Gesellschaft Krise und Perspektiven der sozialen Stadt Umweltschutz in den Kommunen Kommunale Demokratie in den neuen Bundesländern. Eine Bilanz

Umweltschutz in den Kommunen

Michael Quante

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Unsere Städte sind als Zentren der Wirtschaft, des gesellschaftlichen Lebens und Arbeitens immer mehr auch zu Zentren der Umweltverschmutzung geworden. Damit nehmen sie eine Schlüsselfunktion für den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft ein. Die praktische Umsetzung „nachhaltiger Stadtentwicklung“ ist jedoch mit erheblichen Problemen behaftet. Zwar mehren sich die Einzelfälle eines vorsichtigen Übergangs zum aktiven Umweltschutz, insgesamt jedoch überwiegt ein relativ-kuratives Grundmuster kommunaler Umweltpolitik, das allenfalls durch vereinzelte ökologische Vorzeigeprojekte, Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung ergänzt wird. Präventiver Umweltschutz auf kommunaler Ebene scheitert sowohl an der faktischen Randständigkeit der Umweltverwaltung als auch an der Dominanz ressortegoistischer Sichtweisen. Problemadäquate kommunale Umweltschutzpolitik macht es erforderlich, die Stadt nicht nur zu verwalten, sondern mit einem hohen Maß an Integration und Koordination von Entscheidungen, Fachkompetenz und Partizipation zu „managen“. Da die systematische Dimension ökologischer Probleme gerade auf kommunaler Ebene Effizienz- und Funktionsgrenzen bisher erfolgreicher Politiken. Handlungsmaximen und Leitbilder offenlegt und zudem die ökologischen Ansprüche an Lebens-und Konsumqualität zunehmen, werden alle Akteure mit neuen Anforderungen konfrontiert. Für eine mittel-und langfristig wirksame und problemadäquate kommunale Umweltschutzpolitik wird ausschlaggebend sein, ob und wie es den unterschiedlichen Akteuren und Interessenverbänden auf kommunaler Ebene gelingt, ihre Planungsmaximen und Politikinstrumente auf Umweltverträglichkeit zu überprüfen und untereinander eine neue Bezugs-und Politikfähigkeit zu entwickeln. Ein Anstoß hierzu kann die von der Rio-Konferenz angemahnte kooperative Erarbeitung der „Lokalen Agenda 21“ sein, die die nachhaltige Entwicklung unserer Kommunen zum Inhalt hat.

I. Die andere Globalisierung

Global Denken -lokal Handeln Eine wichtige Erkenntnis der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio war die Tatsache, daß viele der anvisierten Probleme und Lösungen im Bereich Umwelt und Entwicklung in besonderer Weise die Kommunen betreffen. Der Wandel muß vor Ort stattfinden, da die „dringendsten globalen, ökologischen, ökonomischen und sozialen Fragen, die sich uns im nächsten Jahrhundert stellen werden, in den Städten liegen“ 1. Die Städte werden damit zu entscheidenden Zentren für den ökologischen Wandel der Gesellschaft. Gleichzeitig werden die Probleme drängender, da im Jahr 2000 voraussichtlich mehr als die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung in Städten leben und arbeiten wird, bis zum Jahr 2030 werden es sogar zwei Drittel sein

Aus diesem Grund wurde bei der UNCED beschlossen, dem von 170 Staaten unterzeichneten globalen Aktionsprogramm zur Zusammenarbeit im Bereich Umwelt und Entwicklung „Agenda 21“ -als dem politischen Impuls „von oben“ -müsse ein politischer Impuls „von unten“ entgegengesetzt werden. Die Kommunen sind aus diesem Grund im Kapitel 28 der Agenda aufgerufen, eine Konsultation mit der Bevölkerung einzuleiten und vor Ort eine „lokale Agenda 21“ zu erarbeiten. Hiermit soll eine Basis für den notwendigen kulturellen Wandel geschaffen werden, die stabil genug ist, um eine langfristige Orientierung zu etablieren und regionalspezifische Rahmenbedingungen, Besonderheiten und Bedürfnisse in die Langfristplanung zu integrieren.

Die in diesem Konzept verfolgte Politik beruht auf der Erkenntnis, daß eine isolierte Betrachtung ökonomischer, ökologischer und sozialer Perspektiven mit zunehmender Globalisierung einen abnehmenden Nutzen hat Zur gleichen Zeit prägt eine Diskussion um den wirtschaftlichen „Standort Deutschland“ den Alltag, in der die Vernetzung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Entwicklung wenig Beachtung findet.

Vertreter der vor allem von der neoklassischen Ökonomie-Theorie geprägten Sichtweise, die zur Zeit die Politik der westlichen Industrienationen bestimmt, drängen darauf, die „Anpassung“ an die „Entwicklung“ des globalen Marktes vor allem durch Senkung der Sozial-und Umweltstandards zu erreichen. Weiterhin wird empfohlen, auf den freien Markt zu vertrauen.

Diese kurzfristige und betriebswirtschaftlich verengte Perspektive ist mit ihrer einseitigen Wachstums-und Exportorientierung für die wesentlichen Aspekte des Wandels blind. Die von den Wirtschaftsverbänden gewählte Therapie (Billigjobs, Deregulierung und Steuererleichterungen für Unternehmen) wird schon seit Mitte der siebziger Jahre zur Behandlung unterschiedlicher Krisensymptome verschrieben und soll nun auch bei der Globalisierung wirken. Bisher kann dieser Therapie jedoch weniger Erfolg bescheinigt werden als vielmehr eine Verschärfung der strukturellen Mängel

Nahezu alle Studien zur Ökologisierung der Wirtschaft zeigen, daß durch sie mehr Arbeitsplätze entstehen als vernichtet werden Da Umweltschutzauflagen nicht als wesentlicher Grund für Standortverlagerungen ins Ausland anzusehen sind erscheint auch die Forderung nach dem „Moratorium in der Umweltpolitik“ als Teil einer den dringend notwendigen Wandel hinauszögernden Politik. Darüber hinaus muß dem Plädoyer für die Heilungskräfte des freien Marktes entgegengehalten werden, daß die zugrundeliegende Analyse . die kulturellen Aspekte des Wandels und deren längerfristigen Folgen für die politische Stabilität des Gemeinwesens nicht berücksichtigt. Daß eine erfolgreiche Marktwirtschaft auch nicht-wirtschaftliche, kulturell-politische Grundlagen hat, ist ein Wissen, das praktisch folgenlos bleibt“ 2. Die „Vernetzung der Gesellschaft“

Vor dem Hintergrund des Tatbestandes, daß sich die fortgeschrittene Industriegesellschaft in einer Umbruchsituation befindet, die nicht allein auf ökonomische Aspekte zu reduzieren ist muß eine ökologisch-soziale Wirtschaftspolitik eine mehrdimensionale Balance anstreben Dementsprechend hält der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) zwar auch Maßnahmen zur Sicherung des Standortes Deutschland für geboten. Er bezeichnet es aber als sinnvoller, eine konsistente umweltpolitische Strategie zu entwickeln, als Rückschritte in der Umweltpolitik einseitig in den Vordergrund zu stellen und dabei „die Defizite in anderen, in diesem Zusammenhang wesentlich bedeutenderen Politikfeldern aber nicht ausreichend zu berücksichtigen“

Eine große Bedeutung mißt der SRU dem „Prinzip der Gesamtvernetzung“ („Retinität") aller zivilisatorischen Tätigkeiten und Erzeugnisse mit der den Menschen tragenden Natur zu. Dabei verweist der Rat auf die Notwendigkeit der „Rückbindung der Kulturwelt -mitsamt der Dynamik der sie bestimmenden Wirtschaft -in das sie tragende Netzwerk einer sich ebenfalls dynamisch auslegenden Natur“ Aus dieser Perspektive wird das Prinzip der Vernetzung mit den sich daraus ergebenden Wechselwirkungen in seiner besonderen Problematik erkannt und das seit der UNCED unter dem Begriff „Sustainable Development “ oder „nachhaltige Entwicklung“ bekannte Entwicklungskonzept gestützt. Unter dem Leitbegriff der „dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung“ (SRU) wird ein offenes Handlungssystem mit begrenzenden Leitlinien verstanden, das neben dem Prinzip der „Gesamtvernetzung“ eine „Ausrichtung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung an der Tragfähigkeit der natürlichen Umwelt“ („Tragfähigkeitsansatz“) vorsieht. Im Gegensatz zur ökonomistischen Sichtweise steht hier ein umweltethisch motivierter sozialer Wandel im Vordergrund. 3. Globalisierung von oben und Globalisierung von unten Da sich die Situation in unterschiedlichen Erdteilen und Gesellschaften deutlich unterscheidet und sich aus den differierenden sozialen und geographischen Lagen unterschiedliche Interessen ergeben, besteht die Herausforderung in einer Integrationsaufgabe, die sich mit dem Slogan „Global denken und lokal handeln“ umschreiben läßt.

Das vom SRU favorisierte Kooperationsmodell muß sowohl durch internationale Vereinbarungen gestützt als auch durch ein Herunterbrechen der Anforderungen auf die lokalen und regionalen Einheiten getragen werden Denn in der „Standortkonkurrenz“ sind die Städte und Gemeinden die Hauptbetroffenen der Umwelt-und Arbeitsmarktkrise Wenn allerdings (nicht nur) deutsche Kommunen weiterhin die Standortkonkurrenz im Kleinen ausbauen und in der Hoffnung auf Großinvestoren mit Exportorientierung ökologische Standards über Bord werfen, hat „Sustainable Development“ keine Chance.

Mit der oben erwähnten „Agenda 21“ sollte auf der internationalen politischen Ebene die Bedeutung von „Sustainable Development“ herausgestrichen, populär gemacht und vorangetrieben werden. Die Institutionen und Promotoren finden sich bei dem je spezifischen Umsetzungsprozeß des Entwicklungskonzepts erst langsam in ihre Rollen hinein. In der Politikorientierung der Nationalstaaten lassen sich z. B. Auswirkungen der von der UN verabschiedeten „Agenda 21“ kaum finden.

Auch in den Kommunen sind es in der Regel nicht Politik und Verwaltung, die das Thema zuerst aufgegriffen haben, sondern die Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen. Der Soziologe Ulrich Beck bezeichnet daher die „(Neu) Erfindung des Politischen“ als die Chance zur Verminderung entscheidungsabhängiger Risiken und zur Durchsetzung einer „Globalisierung von unten“ die neue Akteure jenseits des politisch-parlamentarischen Systems in Entscheidungen einbezieht und Verantwortung nach „unten“ verlagert. Das kann als Beteiligung der Bürgerschaft bei kommunalen Planungen verstanden werden, aber auch als ein Mitgestalten der Kommunen, wenn es um Welt-entwicklung geht. Als Beispiele für internationale Kooperationen von Kommunen können die Unterzeichnung der Charta von Aalborg das Klima-bündnis und der Internationale Rat für Umwelt-initiativen (ICLEI) angesehen werden.

Wenn die Städte und Gemeinden zu den Promotoren des Wandels werden sollen, muß allerdings der Begriff „Kommune“ mehr umfassen als Ratspolitik und Verwaltung. Ohne aktive Einbeziehung von Verbrauchern, Industrie, Handwerk, Energie-wirtschaft etc. lassen sich z. B. im Klimaschutz keine tragfähigen Lösungen entwickeln.

II. Die kommunale Handlungskonstellation

1. Die Kommune als Akteur im Umweltschutz Umweltschutzpolitik galt zu Beginn der siebziger Jahre als ein Bereich, in dem „den Kommunen nur eine untergeordnete Rolle zugewiesen wurde“ Der Staat wurde als der wesentliche Akteur eingeschätzt, der über ein geeignetes Ordnungsrecht die Basis für einen durchgreifenden Vollzug schaffen sollte. Die Kommunen galten als zu wenig standfest gegenüber wirtschaftlichen Interessen, und geeignete Promotoren einer wirksamen Umweltpolitik waren vor Ort nicht sichtbar Bis Ende der siebziger Jahre zählten die Kommunen daher fast durchgängig Umweltschutz noch nicht zu ihren originären Aufgaben. In den achtziger Jahren wurden aufgrund eines gestiegenen lokalen Protestpotentials und von Wahlerfolgen der „Grünen“ auch auf kommunaler Ebene Umweltämter gegründet. Seit die Kommunen in den neunziger Jahren in eine tiefgreifende Finanzkrise geraten sind, ist vor allem im Bereich des freiwilligen Umweltschutzes ein strikter Einsparkurs wirksam geworden, was zum Teil zu erheblichen Rückschritten bei den Arbeitsmöglichkeilen geführt hat. Es stellt sich nun die Frage, ob und inwieweit die Aktivitäten im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung, die in allen Kommunen mehr oder weniger intensiv betrieben werden, Umweltschutz als integrierte Aufgabe aufgreifen und ein erweitertes Handlungspotential in den Kommunen freisetzen können. 2. Die Bedeutung des ökologischen Wandels vor Ort Die Stadt als Lebensraum und Organisationsform nimmt unter dem Aspekt des ökologischen Strukturwandels eine ambivalente Position ein. In den Ballungsräumen konzentrieren sich sowohl die Probleme wie auch die Lösungsmöglichkeiten. Es treten hier hochverdichtet und in Wechselwirkung Umwelt-, Verkehrs-und Sozialprobleme auf. Andererseits sind die Städte Zentren der politischen und ökonomischen Macht, Kaufkraft, Kultur, Wissenschaft und Innovation. Sie spielen sowohl eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung staatlicher Umweltschutzpolitik als auch bei derNeufestsetzung von Prioritäten ohne grundlegende Veränderungen auf kommunaler Ebene kann es keinen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft geben.

Dabei ist es weniger dem Zufall überlassen als vielmehr abhängig von den örtlichen Problem-lagen und von den Interessen sowie den Einflußmöglichkeiten und Handlungen der Akteure, die auf der lokalen Ebene bei Formulierung und Vollzug der Umweltpolitik mitwirken, zu welcher Seite die Ambivalenz letztlich ausschlägt. Vor allem ist entscheidend, ob die politischen Repräsentanten und die Verwaltungsspitze Umweltschutz als persönliche Aufgabe betrachten und die kommunale Selbstverwaltung zur Entwicklung einer aktiven kommunalen Umweltschutzpolitik nutzen. 3. Zwischen entschiedenem Bemühen und systematischem Handeln Bisher arbeiten erst 200 der insgesamt 17 000 Kommunen in Deutschland an Aktionsplänen für eine nachhaltige Umwelt-und Entwicklungszusammenarbeit Ein Erfahrungsaustausch zum Thema „Lokale Agenda 21“ ist vom Deutschen Städtetag zwiespältig beurteilt worden. Zwar beherrsche einerseits „das Bemühen um umweltfreundliche Gestaltung der Lebensverhältnisse (Stadtökologie) das Handeln der deutschen kommunalen Gebietskörperschaften“, andererseits stecke der Agenda-Prozeß noch in den Anfängen Die Diskrepanz zwischen den (vielleicht etwas euphemistisch beurteilten) Bemühungen auf der einen Seite und einem noch wenig systematischen Handeln im kommunalen Umweltschutz auf der anderen Seite erklärt sich mit Blick auf die Handlungskonstellationen der in den Umweltschutz involvierten Akteure. Als Ergebnis eines auf die Mikropolitik im kommunalen Umweltschutz ausgerichteten Forschungsprojektes am Institut zur Erforschung sozialer Chancen (ISO) läßt sich festhalten, daß das vielfältige Bemühen um umweltfreundliche Gestaltung sich in der Regel als Stückwerk erweist.

Umweltschutzaktivitäten sind in der Regel für die Gestaltungsmehrheiten der Kommune nur von nachrangiger Bedeutung. Es wird vernachlässigt, daß die Organisation des kommunalen Umweltschutzes quer zur Entstehungsproblematik der Schäden liegt. Versäumnisse des kommunalen Entscheidungsbereichs werden dabei häufig auf fehlendes Geld, zu hohe Regelungsdichte im Umweltschutz oder auf eine gegen das kommunale Interesse auszulegende übergeordnete Gesetzgebung geschoben. Doch viele Hemmnisse sind auch innerhalb der Kommunen selbst zu suchen: „Unzureichende interne Koordination (, Kompetenzgerangel") erschwert effektives administratives Management. Das Schielen nach kurzfristigen Erfolgen und der begrenzte kommunalpolitische Wille, Konflikte durchzustehen, geben strukturellen Änderungen in der Prioritätensetzung oft keine Chance.“ Da ein übergreifendes Leitbild der „Sustainable City“ fehlt, werden wichtige Ansätze und fortschrittliche Detaillösungen in ihrer Wirkung durch fehlende Abstimmung eingeschränkt.

Dies gilt sowohl intern als auch im Kontakt der Behörden mit anderen Akteuren. Organisationsaufbau und Kommunikationsstruktur der Kommune wirken sich so auf das „Organisationsziel“ der nachhaltigen Stadtentwicklung kontraproduktiv aus. Eine kommunale Umweltschutzpolitik mit solchen Rahmenbedingungen kann nur selten mit der Dynamik der Schadenserzeugung Schritt halten. Die ursächliche Problematik läßt sich an einem Fallbeispiel demonstrieren.

III. Fallbeispiel Köln

Die wichtigsten umweltpolitischen Themen der kommunalen Umweltschutzpolitik für Köln liegen (wie in den meisten anderen Großstädten) in den Bereichen Verkehr und Verkehrsvermeidung, Energieerzeugung und Energieeinsparung, Abwasser und Indirekteinleitung, Müllvermeidung und Müllverbrennung sowie Altlastensanierung. Darüber hinaus sind die ballungsraumtypischen Probleme der Kumulation verschiedener Problem-lagen zu konstatieren sowie die Expansion in der Fläche.

Auf der politischen Ebene ist ökologisch zukunftsfähige Stadtentwicklung kein anerkanntes Leitbild. Hier stehen der weitere Ausbau der Stadt als Wirtschafts-, Verkehrs-und Medienzentrum konkurrenzlos im Vordergrund. Obwohl diese Politik hohe Folgekosten verursachen wird, hindert die Präferenz für erprobte Konzepte die kommunalpolitischen Entscheidungsträger, beim ökologischen Strukturwandel eine aktiv gestaltende Rolle einzunehmen.

In der Praxis wird die kommunale Umweltschutz-politik im wesentlichen an das Amt für Umweltschutz delegiert, das 1975 als eines der ersten zentralen kommunalen Umweltämter aufgebaut wurde.

Das Amt hat 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (1994), mit steigender Tendenz. Es ist untergliedert in eine Abteilung Verwaltung, eine juristische Stabsstelle, eine Projektgruppe zur Überarbeitung von rechtsunsicheren Bauplänen wegen Bodenbelastungsverdacht, die Abteilung für Umweltplanung und Umweitvorsorge sowie die Kontrollbehörden: Untere Landschaftsbehörde, Untere Wasser-und Abfallwirtschaftsbehörde, Boden-und Gewässerschutz.

Das Umweltamt versteht sich selbst als eine Serviceeinheit für Bürger, Betriebe, andere Ämter und die Politik. Als seine eigentlichen Dienstleistungen neben der ordnungspolitischen Funktion bezeichnet es Planen, Beraten und Aufklären. Aufgrund einschlägiger Erfahrungen wird beabsichtigt, der Kooperation mit der Wirtschaft Vorrang vor Konfrontationen bzw.dem „Knüppel der Ordnungsbehörde“ zu geben. Eine effektive Zusammenarbeit mit Umweltinitiativen dagegen findet nur bei der Umweltbildung statt.

Die zentrale Einrichtung eines Umweltamtes hat sich im wesentlichen bewährt und nach anfänglichen personalpolitischen und organisatorischen Schwierigkeiten zu einer stärkeren Vertretung der Umweltinteressen in Köln geführt. Die erzielten Vorteile der zentralen Organisation von Umweltschutzaufgaben haben aber in der übrigen Verwaltung nur eine geringe Bedeutungssteigerung der Umweltaspekte eingeleitet. Das Amt konnte sich nur in den Begrenzungen der bis heute enggeschnittenen Kompetenzen entwickeln und blieb festgelegt auf seine strukturell untergeordnete Position. Es ist in seiner jetzigen Ausstattung und Kompetenz überfordert, einen Wandel zu präventiven Strategien im Umweltschutz herbeizuführen, da es zu wenig Einfluß auf entscheidende Gremien der Stadtpolitik und -Verwaltung hat. 1. Die Defizite der kommunalen Umweltschutz-politik im Überblick Die kommunale Umweltschutzpolitik findet weitgehend nachsorgend bei akuter Gefahrenabwehr statt. Darüber hinaus werden Öffentlichkeits-unc Bildungsarbeit betrieben sowie ökologische Modellprojekte realisiert. Diese Projekte reizen zwai den Umweltaspekt oft bis zum letzten „ÖkoSchrei“ aus, werden dabei aber isoliert konzipiert Ihre Modellhaftigkeit schränkt sich dadurch deutlich ein, und für die Verbreitung und Integration der ökologischen Perspektive in den Alltag des Verwaltungshandelns ist das nicht nur förderlich.

Die im Verwaltungsalltag typische Dominanz ressortegoistischer Handlungsorientierungen begünstigt Teillösungen, die -zur Vermeidung möglicher Widerstände -nicht an sachlich begründeten Prioritätensetzungen orientiert sind und von pragmatisch deklamatorischen Konzepten gedeckt werden. Modernisierungsstrategien werden im wesentlichen aus kurzfristiger ökonomischer Perspektive realisiert und wirken eher problemverschärfend als umweltpolitisch innovativ. Da Umweltschutz als isoliertes Betätigungsfeld betrachtet wird, bleibt es randständig, ist stark personenabhängig, und Fortschritte werden von (Nicht-) Engagement, „Standing“ und (Un-) Geschicklichkeit einzelner Entscheidungsträger/innen bestimmt. Die fehlende Vernetzung und Abstimmung der kommunalen Aktivitäten begünstigt unbeabsichtigte, aber dennoch nicht weniger unerwünschte systemische Effekte, die implizit die Nachrangigkeit des Umweltschutzes noch ausweiten.

Trotz ihrer starken Involviertheit in umweltpolitische Entscheidungen und Praxis erhalten die kommunalen Betriebe und stadtnahen Gesellschaften keine eindeutigen Vorgaben, Umweltschutz vor-bildhaft in die Unternehmensziele zu integrieren, und entwickeln bislang auch keine nennenswerten, Eigeninitiativen. Auch in der Kölner Politik-Arena hat Umweltschutz einen untergeordneten Stellenwert. Prononcierte Vertreter von Umweltschutzinteressen finden sich nicht in den Parteiführungen der im Rat vertretenen Parteien. Appelle der Umweltverbände und -initiativen bleiben in der Regel unbeachtet, Kooperationsangebote werden von Politik und Verwaltung kaum ernst genommen, was zur Etablierung unbeweglicher „positioneller Strategien“ geführt hat. Als Reaktion auf die nachhaltig gestörte Kommunikation bleibt den Umweltgruppen daher häufig nur der Umweg über skandalorientierte Öffentlichkeitsarbeit. 2. Präventiver Umweltschutz als lokale Aufgabe Für eine effektive Vorsorge reicht die bisherige Ausrichtung der Umweltschutzpolitik in den Kommunen nicht aus, obwohl der nachsorgende Umweltschutz in seiner Reichweite und Problemlösungskompetenz einen abnehmenden Grenznutzen erzeugt, dabei aber zunehmend teurer wird. Inseiner Orientierung, die Auswirkungen der „Folgen“ zu mindern die bereits entstanden sind, ist er „eine verhältnismäßig ineffektive, kostenträchtige, volkswirtschaftlich eher Unproduktive und wenig innovative Strategie, die die Problemursachen nicht ändert, sondern zur Wachstumsbedingung einer Entsorgungstechnokratie werden läßt“

Bei der Vorsorge besteht die Herausforderung in der Koordination bisher unvereinbar sich gegenüberstehender Interessen, die nur gelingen kann, wenn im politischen Raum eine Neuformulierung der Leitziele der Kommune stattfindet. Die Kurskorrektur braucht ein deutliches Signal vom Rat und muß von der Verwaltungsspitze getragen werden.

Mit einer Top-down-Strategie allein läßt sich der Perspektivenwechsel jedoch nicht realisieren, da er im Verhältnis zu der angestrebten Eingriffstiefe und der Anzahl der direkt Betroffenen auf einer zu schmalen Basis steht Ursache dafür ist, daß die Fundamente sozialer Sicherung, wie Wirtschaftswachstum und Arbeit, deren Legitimität lange Zeit nicht in Frage stand, ebenso wie auch die Folgen der (ungleichen) Wohlstandsentwicklung, zunehmend selbst als Ursachen sozialer und ökologischer Risiken erkannt werden. Eine Umorientierung tangiert damit alle Bereiche der Gesellschaft, trifft aber in allen Handlungsfeldern auf die Situation, daß die Handlungsstrukturen sich Innovationen widersetzen

Die Kommune ist zwar selbst in alle Sektoren involviert, andererseits ist sie aber auf Kooperation mit anderen angewiesen. Die Tatsache, daß gerade die „Innovationsverlierer“ häufig noch entscheidende Machtpositionen innehaben, erweist sich dabei als Hemmnis Weiterhin erzeugt der notwendige Strukturwandel neue Verteilungskonflikte und ist mit hohen Unsicherheitsfaktoren bezüglich der Nutzen und Kosten verbunden.

IV. Innovationsbedarf im kommunalen Umweltschutz

1. Leitbild „Sustainable City“

Dem Einstieg in vorsorgende Aufgaben ist demnach eine Stärkung der politischen und organisatorischen Basis des Umweltschutzes voranzustellen. Ausgangspunkt muß ein konsensorientierter öffentlicher Diskurs über ein neues, am Prinzip der Langfristigkeit orientiertes Leitbild der „Sustainable City“ sein. Die mit dem Auftrag zur konkreten Ausgestaltung ausgestattete Verwaltung muß in die Lage versetzt werden, dieses Leitbild auf operationalisierbare Umweltqualitätsziele und Maßnahmenprogramme herunterzubrechen

Während bei der Formulierung von Leitbildern der Mut zu Visionen angebracht ist, muß bei der praktischen Durchsetzung von ökologischen Konzepten die Machbarkeit der Planung im Blick behalten werden. Um das herkömmliche Nullsummenspiel der Machtverteilung, in dem die stärkere Vertretung eines Aspekts nur durch Machtverlust in anderen Ämtern zu bekommen ist, nicht zu einem Hemmnis bei der Integration des präventiven Umweltschutzes in die Organisationsziele der Verwaltung werden zu lassen, ist es zwingend notwendig, die Gesamtverwaltung in das ökologische Leitbild einzubinden. Die strukturelle Ökologisierung ist als ein positives Ziel so zu formulieren, daß daraus für die einzelnen Fachämter nicht zwangsläufig ein Machtverlust entstehen muß, dafür aber Anreize zur Entwicklung von Eigeninteresse an Umweltschutzaufgaben entstehen.

Grundsätzlich ist eine tiefere Verankerung des Umweltschutzes nur in Kooperation mit betroffenen Fachämtern zu erreichen. Allein dadurch besteht die Chance, ressortegoistischen Blockade-strategien vorzubeugen und eine auf die unkoordi-nierte Arbeitsorganisation zurückzuführende Un-effektivität von Maßnahmen zu vermeiden. 2. Die „Ressource Mensch“ muß gefördert werden Bei der ökologischen Stadtentwicklung ist die Qualifikation des Personals als wertvolle Ressource anzusehen, deren Wert durch Schulung und gezielte Neueinstellung zu steigern ist Der Erfolg einer Integration des Umweltschutzes sowohl in die standardisierten als auch in die gestaltungsoffenen Abläufe des Verwaltungshandelns ist abhängig von Nachfrage und Förderung eines auf dieses Ziel ausgrichteten Ausbildungsund Wissensstandes. Da ressortübergreifende Initiativen ein hohes Maß an Koordination verlangen und an den Ressortgrenzen die Kommunikation häufig durch „Kompetenzgerangel“ erheblich gestört bis blockiert wird, ist ein besonderes Augenmerk auf den Erwerb von Moderations-und Kommunikationsfähigkeit zu legen. Insbesondere sind auch Aspekte der Motivation und Durchsetzungsfähigkeit in den Vordergrund zu rücken: Gefragt sind hier keine Ja-Sager, sondern „Standfestigkeit, Eloquenz und Umsetzungsorientierung gehören zu den geforderten Merkmalen des Personals“ 3. Zukunftsfähigkeit der Verwaltung Verwaltungen sind aus ihrem Grundverständnis heraus konservativ. Ihr Charakter ist auf Berechenbarkeit und Routine ausgelegt. Durch die starke Segmentierung der Ressorts wird die Informationsverarbeitungskapazität eingeschränkt bilden sich ressortegoistische Wahrnehmungsmuster und vergrößern sich Kommunikationsfehler an den Schnittstellen. Aus dieser Organisationsform resultieren viele Spezialinteressen, die Innovationen im Sinne eines übergeordneten Gemeinwohls erschweren

Unvorhergesehen auftretende Problemstellungen und nicht erwartete Folgen beanspruchen folglich die Verwaltung regelmäßig über ihre Leistungsfähigkeit hinaus Sie muß auf die komplexer werdende Umwelt reagieren, indem sie sich als lernende Organisation versteht. Das Organisationslernen integriert zwei verschiedene Formen von Lernen: Einerseits müssen die einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit und Fähigkeit haben, sich neues Wissen anzueignen, das für ihren Verantwortungsbereich relevant ist. Andererseits ist das kumulierte Wissen der Institution so aufzuarbeiten, daß es personellen Wechsel überdauert.

Das strukturelle Potential von Institutionen zur Anpassung an die Umwelt verringert sich mit jeder Teilung von Arbeit und Aufgabenverantwortung. Denn entscheidend für Lernprozesse eines Gesamtsystems ist die Größe des Bereichs, für den eine „gemeinsame, interaktive und konsensuale Konstruktion der Wirklichkeit“ existiert. Das von der ressortorientierten Segmentierung geprägte Arbeiten der traditionellen Verwaltung stellt demnach ein Hindernis für Organisationslernen dar. 4. Aufbau einer „zweiten Linie“

Eine Möglichkeit, einen flexibleren Arbeitsablauf zu erreichen, besteht in der Ergänzung der „Alltagsverwaltung“ um eine „zweite Linie“ Hierzu werden „normale Behördenteile (z. B. Referate und Abteilungen) aufgabenorientiert in einer neuen binnenadministrativen Struktur zusammengefaßt, um spezielle Problemlösungen zu erarbeiten. Sobald der Problembereich routinisiert werden kann, wird er wieder an die erste Linie abgegeben oder nicht mehr weiterbearbeitet.“ Zum Wesen der „zweiten Linie“ gehört, daß sie sich aus der bestehenden Verwaltung rekrutiert. Sie ist klaren zeitlichen Limitierungen unterworfen, denn sie ist nicht auf Personalzuwachs, sondern auf Flexibilitätsgewinne ausgerichtet.

V. Erweiterte Kooperation

1. Administratives Innovationsmanagement Um langfristige Perspektiven zu berücksichtigen, die im politischen Alltagsgeschäft verlorengehen, ist es hilfreich, eine Art Zukunftsagentur zu installieren. Diese bestände z. B. aus einer Projekt-gruppe, die an der Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung querschnittsorientierte Denkweisen als Input in die politischen Gremien hineinbringt. Es ist ihre Aufgabe, in Wechselwirkung mit der politischen Entscheidungsebene und den potentiell betroffenen Zielgruppen Lösungen zu suchen.

Um möglichst weitreichende, schnelle und flexible Handlungsressourcen zu aktivieren, bietet sich darüber hinaus die Bildung von „Innovationsbündnissen“ an, die als netzwerkartige Struktur sowohl Sachverstand akquirieren als auch Verbündete außerhalb der Verwaltung einbinden könnten und ein optimales Informationsmanagement ermöglichen würden. 2. Kooperation und Kommunikation in der Kommune Bei dem zunehmenden Bedarf an Planung und Vorausschau darf jedoch der Blick nicht davor verschlossen werden, daß mit der Ausweitung von Planungstätigkeit neue Friktionen entstehen werden, die sich daraus ergeben, daß Organisationen, so auch Verwaltungen, eine schon häufig beschriebene Tendenz zur Verabsolutierung des eigenen Standpunktes haben. Auch die Organisationsstruktur der Verwaltung begünstigt ressortegoistische Wahrnehmungsweisen und Eigeninteressen die sachgemäße Lösungen verlangsamen oder verhindern können Etablierte Positions-und Finanzierungsinteressen von Verwaltungsteilen, die mit den Interessen der Allgemeinheit nicht identisch sind, gehen oft in die Entscheidungsfindung mit ein dominieren sie sogar häufig. Aus der Erfahrung, daß die Kommunalverwaltung und -politik bei dynamisch steigender Komplexität der Gesellschaft und der zu lösenden Aufgaben immer häufiger an die Grenzen ihrer Lösungsfähigkeit stoßen, ist der Schluß zu ziehen, daß ohne eine erweiterte Demokratisierung und Bürgerbeteiligung die Handlungsfähigkeit der Kommune deutlich schwinden wird.

In den Kommunen ist jedoch häufig eine Voreingenommenheit gegen Partizipation zu beobachten Nicht unerheblich ist auch die Tatsache, daß Partizipation nicht voraussetzungslos stattfinden kann. Sie ist auf Gesprächsbereitschaft, -fähigkeit und relative Entscheidungsoffenheit der Prozesse angewiesen. Die in den bisherigen Genehmigungsverfahren als Öffentlichkeitsbeteiligung ausgegebenen Maßnahmen erweisen sich jedoch „in der Praxis zumeist als partizipatorische Verzierung bürokratischer Entscheidungen“ 3. Projektübergreifende Partizipation, Politikdialoge Diese für alle Seiten enttäuschenden Veranstaltungen haben sich eher hemmend auf die Konflikt-regelung ausgewirkt und dabei „positioneile Strategien“ verfestigt, die ohne Mediation und vertrauensbildende Maßnahmen nicht zu durchbrechen sind.

Als notwendig erweist sich der Verzicht auf objektive technokratische Verfahren, denn es wird nicht ein fachlich-technisch bestimmbarer „best way“ gesucht, sondern eine praktikable und akzeptable politische Lösung: für eine große Mehrheit. Hierfür. scheint es wichtig zu sein, neben den betroffenen besonders auch nichtbetroffene Bevölkerungsgruppen in die Planung mit einzubeziehen. Denn durch die Vielfalt der Werte und Sichtweisen, die von den einbezogenen Personen vertretenen werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, gesamtgesellschaftlich rationale Planungsentscheidungen zu erwirken

Weiterhin sind strukturelle Voraussetzungen zu schaffen, um Anstöße aus partizipativen Prozessen in das Handeln von Politik und Verwaltung zu integrieren, denn auch das nicht eingehaltene Versprechen der Beteiligung zerstört die politische Kultur.

Neben projektbezogener Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern (z. B. an der Planung und Realisierung einer autofreien Siedlung oder „Planungszellen“ über kontroverse Entscheidungen) lassen sich projektübergreifende Partizipationsmodelle wie „Runde Tische“ institutionalisieren. Auch „Politikdialoge“ können im Sinne einer „reflexiven Schleife, die in herkömmliche Entscheidungsprozeduren eingebunden beziehungsweise diesen vorgeschaltet wird“ hilfreich sein, um Blockadehaltungen zu überwinden. Widerstreitende Akteure erarbeiten hierbei eine gemeinsame Analyse der Dissensstruktur. In dem Maße, in dem gegenseitige Akzeptanz und Vertrauen erzeugt werden, steigt die Chance für Lösungen, die als „win-win“ -Situationen zu bezeichnen sind.

Die zur Zeit gängige Strategie der Nicht-Kommunikation verstärkt Feindbilder, die einer kooperativeren Verwaltungskultur entgegenstehen. Daher wäre unserer Ansicht nach der Einstieg in neue partizipative Politikmodelle mit vorgelagerten „Politikdialogen“ wichtig. Diese könnten zu übergreifenden Themen, wie bzw. Klimaschutz oder Flächennutzungsplanung, durchgeführt werden. Da sich für die Grenzen des traditionellen und herrschaftsorientierten Verwaltungshandelns immer mehr Beispiele finden, ergeben sich durch flexible, kooperations-und konsensfördernde Instrumente -trotz aller nicht aufzulösenden Differenzen und Interessengegensätze -Chancen für punktuelle Kooperationen und strategische Allianzen, eventuell auch für neue, ungewohnte Ümgangsformen in der Kommunalpolitik.

Einen aktuellen Anknüpfungspunkt bietet die schon oben erwähnte Forderung der UNCED nach einer „Lokalen Agenda 21“. Partizipation wird hier als eine Chance deklariert, einen sozial-verträglichen Weg zu einem umwcltverträglichen Zivilisationssystem einzuschlagen. Im Kapitel 28 der Agenda 21 ist daher das Ziel vorgesehen, daß sich bis 1996 „die Mehrzahl der Kommunalverwaltungen der einzelnen Länder gemeinsam mit ihren Bürgern einem Konsultationsprozeß unterzogen haben und einen Konsens hinsichtlich einer , kommunalen Agenda 21’ für die Gemeinschaft erzielt haben“

VI. Fazit

Der Kurs der dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung stellt nicht nur eine Herausforderung für die Umweltverwaltung dar, sondern muß auch die anderen etablierten und routinisierten Aufgabenbereiche der Kommunen ergreifen. Präventiver Umweltschutz ist vor allem eine Aufgabe der Ämter (Liegenschaftsamt, Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehr etc.). Denn dort werden z. T. umweltrelevantere Entscheidungen getroffen werden als im Umweltamt. Es ergibt sich daraus Handlungsbedarf auf zwei miteinander zu verschränkenden Ebenen:

Erstens muß die Verwaltung quer zu ihrer bisherigen Organisationsstruktur liegende Problemfelder ressortübergreifend bearbeiten. Weiterhin sind Innovationen und Qualifikationsmaßnahmen innerhalb der Verwaltung notwendig, die das „Organisationslernen“ fördern.

Zweitens muß ein institutioneller Rahmen geschaffen werden, um Partizipation zu unterstützen und Möglichkeiten zu erarbeiten, wie Ergebnisse des Partizipationsprozesses in das Handeln von Politik und Verwaltung übertragen werden können. Hierfür sind neue Formen der Kommunikation und Kooperation mit der Bevölkerung zu erproben

Für eine mittel-und langfristig wirksame und problemadäquate kommunale Umweltschutzpolitik wird ausschlaggebend sein, ob und wie es den unterschiedlichen Akteuren und Interessenverbänden auf kommunaler Ebene gelingt, ihre Planungsmaximen und Politikinstrumente auf Umweltverträglichkeit zu überprüfen und untereinander eine neue Bezugs-und Politikfähigkeit zu entwickeln.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zitiert nach Wally N’Dow, dem Generalsekretär der Weltsiedlungskonferenz Habitat II.

  2. Vgl. Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1994, Wiesbaden 1994, S. 62 f.

  3. Vgl. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1996, Stuttgart 1996, S. 50 ff.

  4. Vgl. Rolf Dietrich Schwartz, Die „herrschende Lehre“ oder die Lehre der Herrschenden, in: Frankfurter Rundschau vom 25. September 1996, Dokumentation, S. 12; zur „einseitigen Wachstums-und Exportorientierung“ vgl. Norbert Reuter, Wirtschaftspolitik zwischen Binnen-und Weltmarkt, in: Gewerkschaftliche Monatshelfe, (1996) 6, S. 384-389.

  5. Vgl. Karl-Georg Zinn, Auf dem Weg in die tertiäre Krise? Der ungesicherte Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft, in: Politik und Gesellschaft, (1995) 1, S. 59 ff.; ders., Die Wirtschaftskrise. Wachstum und Stagnation. Zum ökonomischen Grundproblem reifer Volkswirtschaft, Mannheim 1994, S. 86 ff.

  6. Vgl. Rudolf Hickel, Arbeit für die Umwelt -Beschäftigungswirkungen des ökologischen Umbaus am Beispiel eines nachhaltigen Energiepfades, in: Michael Gödde/Karin Robinet, Die Notwendigkeit des Umweltschutzes unter ökonomischen Gesichtspunkten, Schriftenreihe des IOW 85/95, Berlin 1995, S. 44 (IÖW: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH Berlin).

  7. Vgl. Andreas Tröge, Zur Rolle des Umweltschutzes im Standortwettbewerb, in: M. Gödde/K. Robinett (Anm. 6), S. 3 ff.

  8. Manfred Schneider, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, in: FAZ-Magazin vom 19. August 1994, zit. nach A. Tröge (Anm. 7), S. 3.

  9. Hansjürgen Daheim, Kulturelle Aspekte des Wandels der Industriegesellschaft, in: Hansjürgen Daheim/Karl Krahn/Renate Schneider (Hrsg.), Standortfaktor industrielle Beziehungen. München 1994, S. 30 f.

  10. Vgl. Robert Constanza, Ökologisch tragfähiges Wirtschaften. Investieren in natürliches Kapital, in: Robert Goodland/Herman Daly/Salah El Serafy/Bernd von Droste, Nach dem Brundtland-Bericht: Umweltverträgliche wirtschaftliche Entwicklung, Bonn 1992, S. 85-94.

  11. Vgl. Jan Priewe, Ökologische Wachstumskritik, in: Eckhard Stratmann-Mertens/Jan Priewe/Rudolf Hickel (Hrsg.), Wachstum, Abschied von einem Dogma. Kontroverse über eine ökologisch-soziale Wirtschaftspolitik, Frankfurt am Main 1991, S. 141-159.

  12. Rat von Sachverständigen (Anm. 3), S. 16.

  13. Vgl. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1994, Stuttgart 1994, S. 12.

  14. Vgl. Frederic Vester, Unsere Welt -ein vernetztes System, München 19917.

  15. Vgl. Hansjürgen Harborth, Dauerhafte Entwicklung statt globaler Selbstzerstörung. Eine Einführung in das Konzept des „Sustainable Development“, Berlin 1991.

  16. Rat von Sachverständigen (Anm. 3), S. 16.

  17. In der Agenda 21, dem Dokument der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio 1992, das den Weg ins 21. Jahrhundert aufzeigt, wird explizit betont, die Kommunen spielten eine „entscheidende Rolle bei der Informierung und Mobilisierung der Öffentlichkeit und ihrer Sensibilisierung für eine nachhaltige umweltverträgliche Entwicklung“.

  18. Vgl. Rolf G. Heinze/Josef Hilbert/Helmut Voelzkow, Arbeit und Umwelt in der Kommunalpolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 46-47/86, S. 17 ff.

  19. Ulrich Beck, Weltrisikogesellschaft -Unser Schicksal ist die Nötigung, das Politische neu zu erfinden, in: Das Parlament, Nr. 30-31/95 vom 13. /20. Juli 1995, S. 12.

  20. Die Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit (Charta von Aalborg), die am 27. Mai 1994 verabschiedet wurde, verpflichtet zum Aufstellen einer „Lokalen Agenda 21“ und fordert sowohl kommunale Strategien zur Zukunftsbeständigkeit als auch, dahin gehende Initiativen im gegenseitigen Austausch zu vollziehen und „diesen Prozeß mit der Politik der Europäischen Union im Bereich der städtischen Umwelt zu verbinden“ (zit. nach Beate Weber, Ökologische Stadtpolitik, in: Demokratische Gemeinde, Sondernummer: Die Stadt. Ort der Gegensätze, [1996] 3, S. 150).

  21. Gemeint ist das Klimabündnis europäischer Städte mit den indigenen Völkern der Regenwälder/Alianza del Clima e. V. Die beigetretenen Kommunen verpflichten sich u. a., bis zum Jahre 2010 eine Halbierung des CO 2-Ausstoßes herbeizuführen.

  22. Dietrich Fürst, Nachhaltige Entwicklung und kommunalpolitische Gestaltungsspielräume, in: Ernst Hasso Ritter (Hrsg.), Stadtökologie, Sonderheft 6 der Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, (1995), S. 62.

  23. Vgl. ebd., S. 63.

  24. Vgl. Heinrich Mäding, Kommunale Umweltschutzpolitik unter veränderten Bedingungen, in: E. H. Ritter (Anm. 22); Heinrich Pehle, Umweltschutz vor Ort. Die umweltpolitische Verantwortung der Gemeinden, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 6/90, S. 24-34.

  25. Vgl. Raimund Schmid, Lokal wird kaum global gedacht, in: Frankfurter Rundschau vom 17. September 1996, S. 26.

  26. Klaus Fiedler/Jörg Hennerkes, Vier Jahre nach Rio, in: der Städtetag, (1996) 6, S. 389 f.

  27. Zur Definition von Mikropolitik und zum „Umweltschutz im deutschen Betriebsalltag“ in mikropolitischer Perspektive siehe den so überschriebenen Aufsatz von Martin Birke/Michael Schwarz, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 7/96, S. 23-29.

  28. Vgl. Michael Quante/Michael Schwarz, Kommunale Umweltschutzpolitik. Eine gutachterliche Stellungnahme zu Praxis und Innovationsbedarf am Fallbeispiel Köln, Düsseldorf 1996.

  29. H. Mäding (Anm. 24), S. 230.

  30. Über die Kontraproduktivität einer Dominanz des Reparaturdienstverhaltens für das Erreichen globaler Ziele: Dietrich Dörner, Logik des Mißlingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen, Reinbek 1989, S. 87 ff.

  31. Martin Jänicke, Ökologische Modernisierung. Optionen und Restriktionen präventiver Umweltschutzpolitik, in: Udo Ernst Simonis, Präventive Umweltpolitik, Frankfurt am Main 1988, S. 13.

  32. Zur Notwendigkeit von Zielen zur Steuerung komplexer Systeme vgl. D. Dörner (Anm. 30), S. 74 ff.

  33. Vgl. Rudi Kurz, Innovationen für eine zukunftsfähige Entwicklung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 7/96, S. 20 f.

  34. Vgl. D. Fürst (Anm. 22), S. 62.

  35. Vgl. Reinhard Münch, Das Dilemma der Umweltpolitik. Die Rückkehr der Verteilungskonflikte,, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37/94, S. 3-10.

  36. Vgl. Ralf-Rainer Braun/Roswitha Kleinert, Kommunale Umweltqualitätsziele, in: Klaus P. Fiedler (Hrsg.), Kommunale Ümweitmanagement, Köln 1991, S. 64-79.

  37. Unter „struktureller Ökologisierung“ wird verstanden, „sich grundsätzlich umweltfreundlicher, umweltgerechter zu verhalten“ (Volker von Prittwitz). Dies schließt die Notwendigkeit einer „Ökologisierung von Politik“ bzw. eine „ökologische Strukturreform der Politik“ (Martin Jänicke) sowie die Entwicklung einer „strukturbezogenen Umweltpolitik“ ein. Damit ist sowohl die Entwicklung einer Umweltvorsorgepolitik im Sinne eines „systematischen Zusammenwirkens von längerfristig wirkenden Maßnahmen und kurzfristigen Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr“ (Volker von Prittwitz) gemeint, als auch die Entwicklung eines grundsätzlich anderen, darauf abgestimmten Politikstils, der wesentlich durch „Kooperation, Dezentralisierung und Partizipation“ gekennzeichnet ist.

  38. „Neben einer hohen Fachkompetenz werden spezielle Fertigkeiten (EDV, Beherrschung moderner Planungstechniken) und spezifischer Arbeitsstil (Querschnitts-orientierung, Teamarbeit, Kommunikation im Inneren zu anderen Fachämtern sowie nach außen zu Beratungsinstituten, zur Bürgerschaft, zu Umweltinitiativen) verlangt.“ Ernst-Hasso Ritter, Stadtökologie als politische Gestaltungsaufgabe, in: ders. (Anm. 22), S. 295.

  39. H. Mäding (Anm. 24), S. 232.

  40. Vgl. Dietrich Fürst, Kommunale Entscheidungsprozesse. Ein Beitrag zur Selektivität politisch-administrativer Prozesse, Baden-Baden 1975, S. 167.

  41. Vgl. Carl Bohret, Innovationskraft aus institutioneller Verantwortung, in: ders. /Helmut Klages/Heinrich Reinemann/Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Herausforderungen an die Innovationskraft der Verwaltung, Opladen 1987, S. 619-627; Hans Erich Frey, Agonie des Bürokratiemodells, in: Ulrich Steger, Lean Administration. Die Krise der öffentlichen Verwaltung als Chance, Frankfurt am Main -New York 1994, S. 23-48.

  42. Vgl. Carl Bohret, Folgen. Entwurf einer aktiven Politik gegen schleichende Katastrophen, Opladen 1990.

  43. Vgl. Peter M. Senge, Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation, Stuttgart 1996.

  44. Hans Georg Tegethoff/Uwe Wilkesmann, Lean Administration. Lernt die öffentliche Verwaltung bei der Schlankheitskur?, in: Soziale Welt, (1995) 1, S. 27-51.

  45. Carl Bohret, Neuartige Folgen einer „anderen“ Verwaltung, in: Verwaltungs-Archiv, 80 (1989) 1, S. 36 f..

  46. Ders. (Anm. 42), S. 233.

  47. Ebd.

  48. Vgl. H. Mäding (Anm. 24), S. 230.

  49. Vgl. D. Fürst (Anm. 40).

  50. Vgl. Peter C. Dienel, Die Planungszelle. Eine Alternative zur Establishment-Demokratie, Opladen 19923, S. 37.

  51. Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu auch den Beitrag von Wolfgang Gessenharter in diesem Heft, S. 3-13.

  52. Horst Zilleßen/Thomas Barbian, Neue Formen der Konfliktregelung in der Umweltpolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39-40/92, S. 14-23, hier S. 22.

  53. Positionelle Strategien lassen sich charakterisieren als Handlungsorientierungen, die veranlassen, an einmal eingenommenen und eingefahrenen Positionen festzuhalten und diskursive Kommunikationssituationen zu vermeiden oder so zu gestalten, daß zwangsläufig eine Verständigung mit anderen Interessen nicht möglich ist.

  54. Vgl. P. C. Dienel (Anm. 50), S. 174 f.

  55. Ebd.

  56. Susanne Barthe/Karl Werner Brand, Reflexive Verhandlungssysteme. Diskutiert am Beispiel der Energiekonsens-Gespräche, in: Volker von Prittwitz, Verhandeln und Argumentieren. Dialog, Interessen und Macht in der Umweltpolitik, Opladen 1996, S. 78.

  57. Als „win-win“ -Situation bezeichnet man Situationen, die sich dadurch auszeichnen, daß die scheinbar kontrovers liegenden Interessen berücksichtigt werden und durch einen Ebenenwechsel die gegenseitige Ausschließlichkeit aufgehoben wird, Im Konflikt um den Neubau von Atomkraftwerken konnte z. B.den Energieerzeugern plausibel gemacht werden, daß sich mit einem Perspektivenwechsel auf Energiesparen und eine bessere Kapazitätsauslastung sowie durch den Wandel des Organisationsziels auf die Bereitstellung von Energiedienstleistungen in bestimmten fällen eine höhere Rendite erzielen ließ als mit dem Neubau von Kraftwerken.

  58. Agenda 21 (Kapitel 28): „Initiativen der Kommunen zur Unterstützung der Agenda 21.“

  59. Vgl. H. Zilleßen/Th. Barbian (Anm. 52), S. 14-23.

Weitere Inhalte

Michael Quante M. A., geb. 1960; Studium der Politik, Soziologie und Germanistik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen; seit 1993 wiss. Mitarbeiter am ISO Institut zur Erforschung sozialer Chancen in Köln. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Giuseppe Strina) Technikfolgenabschätzung im Studium oder das Problem der Interdisziplinarität, in: Wechselwirkung, 15 (1993) 63; (zus. mit Michael Schwarz) Kommunale Umweltschutzpolitik -Eine gutachterliche Stellungnahme zu Praxis und Innovationsbedarf am Fallbeispiel Köln, Graue Reihe der Hans-Böckler-Stiftung -Nr. 104, Düsseldorf 1996.