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Verfassungsverständnis und Verfassungsdiskussionen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 15-16/1997 | bpb.de

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APuZ 15-16/1997 Verfassungsverständnis und Verfassungsdiskussionen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Wer bewacht die Wächter? Zur Diskussion um die Rolle des Bundesverfassungsgerichts Soziale Staatsziele und Verfassungsverständnis Ein Rückblick auf die Verfassungsdebatte der deutschen Einheit Die Wirksamkeit europäischen und nationalen Rechts

Verfassungsverständnis und Verfassungsdiskussionen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland

Stephan Detjen

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das Grundgesetz ist eine dynamische Verfassung, die in ihrer bald 50jährigen Geschichte einer Vielzahl von förmlichen Änderungen sowie einem steten Wandel wesentlicher Verfassungsstrukturen unterlag. In einzelnen, teilweise krisenhaften Momenten in der Frühphase der Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik wurde deutlich, daß das Grundgesetz labile Elemente besaß, die erst im Laufe der Geschichte eine unverrückbare Kontur annahmen. Intensive Debatten über die Todesstrafe oder Überlegungen Adenauers zu einer präsidialen Demokratie zeigten mögliche, aber nicht realisierte Optionen einer Verfassungsentwicklung auf. Mit dem Wegfall der alliierten Vorbehalts-rechte wurde das Grundgesetz zielstrebig vom Provisorium zum Definitivum ausgebaut. In der Debatte über die Notstandsverfassung wurde dabei auch deutlich, daß das Grundgesetz zu einem konsensfähigen Boden für ein breit angelegtes Verfassungsbewußtsein herangereift war. Es manifestierte sich schließlich in einer moderaten, auf Konsens bedachten Weiterentwicklung des Grundgesetzes. Die massivsten Strukturverschiebungen im Verfassungsgefüge fanden in der föderalen Ordnung statt. In zahlreichen Eingriffen in die Finanzverfassung sowie die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern kam die beherrschende unitarische Tendenz der gesamten Verfassungsentwicklung zum Ausdruck. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung war das Provisorium Grundgesetz längst zu einem Definitivum geworden. Die Herausforderung für seine weitere Entwicklung ist heute der europäische Integrationsprozeß, in dem sich eine übernationale Verfassungsordnung über die des Grundgesetzes wölbt.

I. Grundgesetz und Geschichtsverständnis

In der Geschichte war es Verfassungsurkunden selten vergönnt, einen hervorgehobenen Platz im kollektiven Bewußtsein der Völker einzunehmen. Die britische Magna Charta von 1215, die nordamerikanische Verfassung von 1787 oder die französische Erklärung der Menchenrechte von 1791 gehören zu den wenigen Texten, die zu einem Bestandteil der Gründungsmythen wurden, in denen sich moderne Nationen der Wurzeln ihrer Entstehung und des Zwecks ihrer staatlichen Ordnung vergewissern. Dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist ein vergleichbarer Ruhm nie zuteil geworden. Das Verhältnis der Deutschen zu ihrer ersten demokratischen Verfassung, deren zeitlicher Bestand inzwischen ausreicht, um Generationen zu verbinden und politische Umwälzungen zu überbrücken, ist bis heute -trotz der akademischen Aufforderung zum „Verfassungspatriotismus“ -nüchtern geblieben. Das Datum ihrer Unterzeichnung verstreicht alljährlich, ohne daß in Verfassungsfeiern die Erinnerung an die Werteordnung des Grundgesetzes wachgehalten und in festliche Formen gegossen würde. Am Ort seiner Enstehung und Unterzeichnung, dem naturkundlichen Museum König in Bonn, werden heute ebenso wie vor dem 24. Mai 1949 Saurierskelette und ausgestopfte Tiere zur Schau gestellt. Wenige hundert Meter weiter, im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, symbolisieren die schlichten Tische und Stühle, an denen der Konvent von Herrenchiemsee die Grundlinien der künftigen Verfassung skizzierte, die unprätentiöse Atmosphäre, in der man nach dem Krieg über Verfassungsfragen sprach.

In den beiden wichtigsten Abschnitten der Verfassungsgeschichte der Nachkriegszeit -während der Entstehung der Bundesrepublik und während der Wiederherstellung der deutschen Einheit -stand die Verfassung, die beidem den Rahmen gab, im Schatten aktueller Ereignisse. Für die Mehrheit der Bevölkerung war die Währungsreform von 1948 die historische Zäsur der Nachkriegszeit, die eigentliche „Stunde Null“, von der an sich das alltägliche Leben spürbar änderte. Das politische Interesse der Menschen war bis 1949 vor allem von der Berlin-Blockade und der sich zuspitzenden Spannung zwischen Ost und West absorbiert. Vor diesem Hintergrund entstand das Grundgesetz abseits des öffentlichen Interesses. Auch 40 Jahre später vollzog sich die politische und verfassungsgeschichtliche Zäsur, mit der die Nachkriegsepoche und die Teilung Deutschlands ihr Ende fanden, ohne daß das Grundgesetz dabei in den Mittelpunkt des Blickfelds der Menschen rückte. Die Herstellung der deutschen Einheit wurde zwar ganz wesentlich mit den Mitteln der Verfassung und des aus ihr abgeleiteten Rechts vorangetrieben. Wieder aber waren es (im Osten) zuerst die Freude an der neuen Währung und sodann (im Westen) die Sorge um die fortbestehende Kluft zwischen Ost und West, die die Deutschen intensiver beschäftigten als die Verständigung über Grundsätze und Ziele ihres Gemeinwesens im Text der Verfassung.

Angesichts des mäßigen Interesses des Volkes am Grundgesetz in den Schicksalsstunden seiner (Verfassungs-) Geschichte ist es nicht verwunderlich, daß auch der Blick der Zeitgeschichtsforschung eher oberflächlich über die Verfassung und ihre Entwicklung hinweggleitet. Hans-Peter Schwarz bemerkte in seiner Darstellung der Adenauer-Zeit, neben anderen Ordnungsfaktoren sei der „institutioneile Rahmen des Grundgesetzes für den Bestand der erneuerten Demokratie wohl weniger bedeutsam gewesen“ Den meisten Werken zur Geschichte der Bundesrepublik scheint diese Einschätzung als Prämisse zugrunde zu liegen. Verfassungsgeschichte spielt darin in der Regel kaum eine Rolle. Die Geschichte des Grundgesetzes selbst bleibt -fast ein halbes Jahrhundert nach seinem Inkrafttreten -immer noch ungeschrieben.

Das Grundgesetz aber ist alles andere als ein abstrakter, aus der Bewegung der Geschichte entrückter Normenkomplex, innerhalb dessen sich die eigentliche Bewegung von Politik und Gesellschaft ereignete. In knapp 48 Jahren wurde es durch 43 Änderungsgesetze umgestaltet insgesamt wurden dadurch 191 einzelne TextÄnderungen. Ergänzungen oder Streichungen vorgenommen. Ganze Abschnitte des Grundgesetzes wurden verändert, andere komplett neu eingefügt. Der Umfang des Textes schwoll von ursprünglich 143 auf heute 185 Artikel an Diese förmlichen Änderungen des Verfassungstextes spiegeln nur einen Teil der Verfassungsentwicklung in einem umfassenderen Sinne wider. Ihre vollständige Darstellung als die eines sich wandelnden .. Gesamtzustandes der politischen Einheit und Ordnung“ müßte zudem eine Fülle von gesellschaftlichen Verschiebungen und politischen Wirkungskräften in den Blick nehmen.

Im folgenden soll die Darstellung weniger ausgewählter Verfassungsentwicklungen und -diskussionen exemplarisch zeigen, daß die Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik das Interesse durchaus zu belohnen vermag, das ihr in den bevorstehenden Jubiläumsjahren zuteil werden dürfte.

II. Zäsuren in der Verfassungsgeschichte

Die Entwicklung des Grundgesetzes nach 1949 läßt sich nicht alleine als Abfolge chronologischer Ereignisse erfassen. Der Wandel, dem die Verfassung unterlag, bewirkte vielmehr auch strukturelle Verschiebungen, die zeitlich definierte Entwicklungsabschnitte überlagern. Eine Verfassungsgeschichte. die beides sinnvoll darstellen und ordnen will, muß deshalb sowohl chronologische Zäsuren markieren als auch darüber hinausgreifende, segmentäre Zustandsveränderungen in den Blick nehmen. Historisch betrachtet liegt es nahe, in den Jahren 1949 und 1990 die Anfangs-und Endpunkte einer verfassungsgeschichtlichen Epoche zu fixieren, in der aus dem provisorischen Ordnungsstatut für ein halbiertes und unter besatzungsrechtlicher Kuratel stehendes Staatsgebilde die Vollverfassung einer souveränen und geeinten Nation wurde. Das Grundgesetz war schließlich explizit darauf angelegt. diese Spanne verfassungsrechtlich zu umrahmen -wie weit auch immer der Lauf der Geschichte sie zeitlich ausdehnen würde. Die Verfassung entstand als ein Gesetz mit Verfallsdatum, das in seinen letzten beiden Artikeln Anfang und Ende seiner intendierten Geltungsdauer selbst definierte. Doch der in Art. 146 a. F. (alte Fassung) als Verfassungsziel bestimmte Tag der freien Selbstbestimmung des ganzen deutschen Volkes kam. und das Grundgesetz blieb. Der Wandlungsvorgang, in dem aus dem Provisorium ein Definitivum wurde, war 1990 längst abgeschlossen. Er fand in einer verfassungsgeschichtlichen Entwicklung statt, die sich zunächst in eine Abfolge von drei Entwicklungsstufen gliedern läßt: eine Phase sich in Einzelfällen krisenhaft zuspitzender Suche nach dem rechten Umgang mit der neuen Verfassung, die nahtlos überging in den zielstrebigen Ausbau des Grundgesetzes zu einer Vollverfassung im staatsrechtlichen Sinn, sowie schließlich eine Phase der moderaten und konsensorientierten Fortbildung einer nunmehr festgefügten Verfassungsordnung.

III. Die Verfassung im Gärungszustand

Bereits im Augenblick seiner Unterzeichnung stand das Grundgesetz gleichsam auf Rädern, die alleine durch sein Inkrafttreten in Bewegung gesetzt wurden. Wandel und Veränderung der Verfassung begannen, ohne daß es dazu förmlicher Beschlüsse des verfassungsändemden Gesetzgebers bedurfte. In zahlreichen Übergangsvorschriften und Gesetzgebungsaufträgen nämlich enthielt das Grundgesetz Normen, deren Wirksamkeit schlicht durch den Ablauf von Fristen oder den Erlaß einfacher Ausführungsgesetze endete. Zu seinen ursprünglichen Vorschriften gehörten alleine 34 Gesetzgebungsaufträge, die zum größten Teil noch im Laufe der fünfziger Jahre ausgeführt wurden Die entsprechenden Verfassungsartikel wurden damit obsolet, allerdings nur in den wenigsten Fällen aufgehoben oder durch andere Vorschriften ersetzt. Bis heute zieht sich daher vor allem durch den XI. Abschnitt des Grundgesetzes (.. Übergangs-und Schlußbestimmungen") eine Spur des zeitgeschichtlichen Wandels aus juristisch verblichenen Gesetzesworten. Schon früh aber wurde erkennbar, daß sich der inhaltliche wie zeitliche Fahrplan, den das Grundgesetz für den Übergang von Diktatur und Besatzungsherrschaft in den Rechtsstaat sowie für den Aufbau seiner Institutionen vorgab. nur zum Teil eingehalten werden konnte. Bereits in den ersten Jahren seiner Geltung mußten etliche Weichenstellungen korrigiert und an neue Verhältnisse angepaßt werden. Die Spitze der Gerichtsbarkeit etwa wurde nach der Schaffung des Bundesverfassungsgerichts anders gegliedert als in Art. 92 ff. a. F.des Grundgesetzes zunächst vorgesehen. Das danach geplante Oberste Bundesgericht trat nie zusammen; dafür wurden durch Verfassungsänderungen neue Institutionen wie der gemeinsame Senat der Obersten Bundesgerichte sowie -nach der Gründung der Bundeswehr -die Wehrstrafgerichte und das Bundespatentgericht im Grundgesetz verankert. Erst im Zuge der Notstandsgesetze wurde schließlich 1969 auch die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Verfassungsbeschwerden in das Grundgesetz selbst aufgenommen.

Die Intensität, mit der der verfassungsändernde Gesetzgeber in den Abschnitt des Grundgesetzes über die Rechtsprechung eingriff ist freilich nur ein schwacher Reflex des tatsächlichen Bedeutungszuwachses, den die Justiz schon in der ersten Hälfte der „alten“ Bundesrepublik erlebte. Die hohe richterliche Kontrolldichte setzt den Rechtsstaat bis heute immer wieder dem Vorwurf aus, zu einem Richter-bzw. Rechtswegestaat mutiert zu sein. Die Macht der Dritten Gewalt aber ist der Preis für die Konsequenz, mit der das im Grundgesetz abgegebene Versprechen der Bindung aller staatlichen Gewalt an Recht und Gesetz eingelöst wurde.

Ein breiteres Interesse der Bevölkerung an ihrer Rechtsordnung wurde indes weder durch die Ausgestaltung des Staatsaufbaus noch durch die alltäglichen Herausforderungen der Aufbaujahre geweckt. Es entzündete sich vielmehr an Randerscheinungen. die jedoch durchaus grundlegende Fragen des Verfassungsverständnisses aufwarfen. Über Jahre hinweg war das vor allem die Debatte über die Wiedereinführung der Todesstrafe. Die meisten Grundentscheidungen über die Gestaltung des neuen Staates hatten die Menschen mit mattem Interesse über sich ergehen lassen, hier aber wollten auch der Mann und die Frau auf der Straße mitreden Gerade die Entscheidung des Parlamentarischen Rates zur Abschaffung der Todesstrafe -so lautete die Kritik -hätte einer plebiszitären Bestätigung bedurft Vor allem kleine Parteien wie die

Bayernpartei beriefen sich auf solche Stimmen, um auch im Parlament die Legitimation des Grundgesetzes schlechthin in Frage zu stellen. In den ersten drei Wahlperioden des Bundestages wurden insgesamt sieben Anträge zur Verfassungsänderung eingebracht, die allesamt auf eine Wiedereinführung der Todesstrafe abzielten. Vor allem die ersten Aussprachen darüber wurden geradezu als Grundsatzdebatten über die Verfassung geführt Der Versuch aber, das populäre Thema Todesstrafe dabei als Hebel zu benutzen, um die großen Parteien in einem Verfassungsstreit auseinanderzudividieren, scheiterte: Selbst die zahlreichen Todesstrafenbefürworter innerhalb der CSU, die als Partei bis dahin stets eine kritisch-kühle Distanz zum Grundgesetz demonstriert hatte, stellten sich nun explizit hinter die neue Verfassung. Erst als das Grundgesetz selbst aus der Schlußlinie der Kritik geriet, trat die ganze Gespaltenheit der Unionsparteien über die Frage der Todesstrafe voll zutage

Die hartnäckigen Versuche zur Wiedereinführung der Todesstrafe sind nur ein besonders markantes Beispiel für zahlreiche und meist punktuelle Bemühungen im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik, das Grundgesetz für letztlich partikulare Interessen zu vereinnahmen Die „Gründungskrise“ der Bundesrepublik fand so auch in einem erhöhten Druck auf das Grundgesetz ihren Niederschlag. Er wird allerdings erst dann sichtbar, wenn man die Betrachtung der Verfassungsentwicklung nicht auf die reine Abfolge tatsächlicher Änderungen beschränkt, sondern auch abgebrochene und nicht verwirklichte Entwicklungsstränge in den Blick faßt.

Zu dieser Verfassungsgeschichte ex negative gehören auch die Ereignisse um die sogenannte „Präsidentschaftskrise“ von 1958/59. Das kurze Liebäugeln Adenauers mit einem Wechsel vom Palais Schaumburg in die Villa Hammerschmidt entpuppt sich bei näherer Betrachtung als verfassungspolitisches Experiment an der Grenze vom Verfassungswandel zum Verfassungsbruch. Er kokettierte dabei offen mit der Idee, die von ihm selbst geprägte Machtaufteilung zwischen Kanzler und Bundespräsident auf den Kopf zu stellen und die Kanzlerdemokratie in eine Präsidialrepublik nach französischem Vorbild zu verwandeln. Adenauer hatte erkannt, daß das Grundgesetz in seinen damals noch unbeleuchteten Nischen Spielräume bot, in denen sich sein Vorhaben ohne einen einzigen Eingriff in den Verfassungstext wagen ließ. In einer nach eigenen Worten „extensiven Interpretation“ des V. Abschnitts des Grundgesetzes („Der Bundespräsident“) zeichnete er das Bild eines starken und politischen Bundespräsidenten, dessen Stellung das Grundgesetz weitgehend „in der Schwebe“ gelassen habe. Von der Möglichkeit, politische Reden zu halten, über die Ernennung von Beamten und Ministern bis hin zur Verleihung von Orden erkannte der Kanzler eine Fülle „indirekter Möglichkeiten“ der Machtausübung im höchsten Staatsamt. Es waren keineswegs Zweifel an der Realisierbarkeit dieser Pläne, die Adenauer schon bald zur Kehrtwende veranlaßten. Allein die Hoffnung, dadurch eine Kanzlerschaft Ludwig Erhardts zu verhindern, blieb auf Dauer vergebens.

Präsidentschaftkrise und Todesstrafendebatte illustrieren gleichermaßen, daß das Grundgesetz auch in heute unanfechtbar erscheinenden Kernbereichen längere Zeit empfindliche Weichstellen aufwies. Als dynamische und vitale Verfassung ist es nicht nur für förmliche Änderungen offen. Das Grundgesetz war bewußt auf eine Wandelbarkeit durch Einflüsse angelegt, die nicht alleine in den vom Recht selbst definierten Verfahren auf sie einwirken. Es bedarf dabei keiner hypothetischen Gedankenspiele, um zu erkennen, daß das Grundgesetz damit vielfältige Entwicklungsperspektiven offenhielt, von denen die Verfassungswirklichkeit nur einen kleinen Ausschnitt realisierte.

IV. Der Ausbau des Grundgesetzes zur Vollverfassung

Das Grundgesetz war als provisorische Verfassung für einen Rumpfstaat verabschiedet worden. Der Provisoriumscharakter aber kam -abgesehen vom Titel des Werkes -weniger in seinen tatsächlichen Regelungen zum Ausdruck als vielmehr in den Lücken, die es lange aufwies. Die staatliche Qualität der Bundesrepublik war zunächst noch von den zahlreichen Vorbehaltsrechten der Alliierten eingeschränkt. Entsprechend erwies sich die Verfassung in dem Moment als ergänzungsbedürftig, in dem sich die besatzungsrechtlichen Fesseln lösten und die Bundesrepublik mit dem Inkrafttreten des Deutschlandvertrages 1955 zu einem souveränen Staat wurde. Hasso Hoffmann bezeichnete die Fortbildung des Grundgesetzes, die damit in Gang gesetzt wurde, als „nachgeholte Verfassungsgesetzgebung“ So konnte der Gesetzgeber nun Gesetzgebungszuständigkeiten für die zivile Nutzung der Atomenergie und die Luftverkehrsverwaltung an sich ziehen. Vor allem aber durch die Einfügung der Wehrverfassung zwischen 1954 und 1956 und schließlich die Notstandsnovelle von 1968 erhielt das Grundgesetz die Elemente, die es endgültig vom Provisorium zum Definitivum wachsen ließen.

Mit den beiden Wehrnovellen wurde nicht nur ein kompletter Abschnitt neu in das Grundgesetz eingefügt, es wurde erstmals auch der Grundrechtsteil durch Ergänzungen -insbesondere zum Schutz der Rechte von Wehrpflichtigen -verändert. Der „historisch einzigartige Vorgang“ der „Einfügung der gesamten Wehrverfassung in eine seit Jahren in Geltung stehende Verfassung“ war jedoch nur der erste Schritt zur Komplettierung des Grundgesetzes. Obwohl die Relevanz der damit eingefügten Normen -von der Einführung des Amtes des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bis zu den Vorschriften über die Ableistung des Ersatzdienstes -kaum zu unterschätzen ist, blieb die Wiederbewaffnung in erster Linie stets der politisch entscheidende Schritt zur Westintegration. Primär verfassungsrechtliche Dimensionen traten dahinter weitgehend zurück.

Ganz anders war das bei der Einfügung der Notstandsartikel. Bis heute blieben sie ohne jede Anwendung in der Verfassungspraxis. Dafür entzündete sich an ihrer Entstehung eine einzigartige Verfassungsdebatte, die zum Ausdruck eines tiefgreifenden politischen Generationenkonflikts wurde. Die Überlegungen zur Einfügung von Notstandsregeln in das Grundgesetz setzten bereits Anfang der fünfziger Jahre ein. Die Sonderbefugnisse für den Notstandsfall gehörten zunächst zu den alliierten Vorbehaltsrechten. Im Deutschland-vertrag von 1954 aber wurde festgeschrieben, daß ihre Geltung mit dem Inkrafttreten einer deutschen Gesetzesregelung auslaufen sollten Es bestand daher zunächst ein parteiübergreifender Konsens darüber, daß eine Verfassung ohne Notstandsvorsorge einer „blecherne(n) Rüstung“ oder einem „Einsiedlerkrebs“ gleiche, „der seine Weichteile in den leeren Schneckenschalen des Besatzungsrechts birgt“

Erst im weiteren Verlauf der über zehnjährigen Gesetzesberatungen löste das Thema in der breiten Bevölkerung die kontroverse Diskussion über Grundwerte der Verfassung aus, die in den unmittelbaren Nachkriegsjahren ausgeblieben war. Im Zuge der nachholenden Verfassungsgesetzgebung holte die Nachkriegsgesellschaft auch die öffentliche Verhandlung über den Gesellschaftsvertrag des Grundgesetzes nach, zu der in den unmittelbaren Nachkriegsjahren die Muße gefehlt hatte. Mit Blick auf die oft fundamentale Kritik an Staat und Gesellschaft, die in den Jahren der Notstandsdebatte ihren Ausdruck fand, fürchteten zeitnähere Beobachter, hier sei der „Fundamentalkonsens über die Verfassungsprinzipien aufgekündigt“ worden

Aus ernüchternder Distanz aber wird deutlich, daß das Gegenteil der Fall war. In den heftigen Auseinandersetzungen um die Notstandsgesetze ist das Grundgesetz wie niemals zuvor in den Mittelpunkt des Interesses und des Bewußtseins der Westdeutschen gerückt. Dabei hat es sich einerseits als politische Plattform erwiesen, auf der auch weit divergierende Positionen einen gemeinsamen Boden fanden. Andererseits wurde deutlich, daß das Grundgesetz diesem Verhandlungsraum auch Grenzen zu setzen vermag, so daß er nicht ins Beliebige ausufert. Nur um eine relevante Verfassung lohnt es sich, die Auseinandersetzungen auszutragen, die in den sechziger Jahren um die Notstandsgesetze geführt wurden. Selbst wo die Debatte explizit als „Klassenkampf um die Interpretation des Rechts“ geführt wurde, richtete er sich nicht gegen die Verfassung schlechthin. Mit bemerkenswertem Eifer beanspruchten viel­ mehr alle Teilnehmer der Auseinandersetzung für sich, die Werteordnung des Grundgesetzes zu verteidigen. Insoweit war Bonn 1968 tatsächlich nicht Weimar. Die Zäsur, die mit dem Ausbau des Grundgesetzes zur Vollverfassung erreicht war, ist daher nicht nur ein staatsrechtlicher Einschnitt. Im gemeinsamen Ringen um die Verfassung findet sich darüber hinaus auch die Grundlage für jene innere Bindung der Westdeutschen an das Grundgesetz, die es erst ermöglichte, in den Verfassungsdebatten von 1990 von einer nachhaltig gewachsenen, demokratischen Legitimation des Grundgesetzes zu sprechen.

V. Konsensorientierte Verfassungsentwicklung

In seiner ersten Regierungserkärung als Kanzler der sozialliberalen Koalition gab Willy Brandt dem Zusammenfallen von politischer und verfassungsgeschichtlicher Zäsur am Ende der sechziger Jahre einen förmlichen Ausdruck: Am 28. Oktober 1969 kündigte er die Einberufung einer Enquete-Kommission an, die Vorschläge für eine umfassende Überarbeitung des Grundgesetzes ausarbeiten sollte Brandts Vorschlag entsprang nicht nur den sozialreformerischen Visionen einer Regierung, die ihr Amt unter dem Motto „Mehr Demokratie wagen“ angetreten hatte. Zwanzig Jahre nach seiner Verabschiedung bestand eine breite Übereinstimmung dahingehend, daß sowohl Inhalte der Verfassung als auch der Umgang mit ihr einer kritischen Revision unterzogen werden sollten Zu keinem Zeitpunkt aber gingen die Überlegungen in Richtung einer Aufgabe wesentlicher Wert-und Strukturprinzipien des Grundgesetzes (die auch dem expliziten Auftrag der Enquete-Kommission zur „Wahrung von Grundprinzipien“ widersprochen hätte). Tatsächlich betraf der Großteil der in mehr als sechsjähriger Beratungszeit ausgearbeiteten Vorschläge eher gesetzgebungs-und verwaltungstechnische Detailfragen denn grundlegende Prinzipien der Verfassungsordnung Und schließlich zeigte sich, daß selbst diese Vorstöße ins Leere gingen: Kaum einer der Punkte aus dem in zwei Teilen vorgelegten Empfehlungskatalog wurde in Grundgesetz-änderungen umgesetzt. Als Fazit blieb damit die Feststellung der Kommission, daß sich das Grundgesetz in seinen wesentlichen Elementen bewährt habe. Die Enquete-Kommission war als Motor für die Verfassungsdynamik ins Leben gerufen worden; sie endete in einer Manifestation der Verfassungsstabilität.

Mindestens ebenso beachtenswert wie die inhaltlichen Aussagen der Enquete-Kommission sind deshalb auch Art und Weise, in der der Gesetzgeber inzwischen über grundlegende Fragen der Verfassungsänderung verhandelte. Befördert durch die Herausbildung eines stabilen Drei-Parteien-Systems, hatte das Parlament differenziertere Methoden einer frühen und informellen Konsensbildung entwickelt. Sie führten nicht zuletzt dazu, daß immer weniger förmliche Anträge zur Verfassungsänderung in den Bundestag eingebracht wurden, sich andererseits aber das Verhältnis von erfolgreichen und gescheiterten Änderungsbemühungen stetig zugunsten der verabschiedeten Vorlagen verschob Gleichzeitig ging man dazu über, Änderungsvorhaben in ganz verschiedenen Regelungsbereichen der Verfassung zu bündeln und in Gesetzgebungspaketen zu verabschieden, um dadurch den Änderungsdruck auf die Verfassung zu regulieren. 1949 hatte der Parlamentarische Rat bewußt darauf verzichtet, für die verfassungsändernde Gesetzgebung -abgesehen vom erhöhten Mehrheitserfordernis -besondere Verfahrensweisen vorzuschreiben. Das Parlament aber fand dennoch und alleine zu Formen des Umgangs mit dem Grundgesetz, in denen es der erhöhten Dignität einer gereiften Verfassung besonderen Respekt zollte.

VI. Gewichtsverlagerungen im föderalen Gefüge

In keinem anderen Bereich hat das Grundgesetz sein Gesicht im Laufe der Geschichte so erheblich verändert wie im Verhältnis von Bund und Ländern. Die massiven Änderungen und Strukturverschiebungen im föderalen Gefüge lassen sich kaum in chronologische Phasen gliedern. Selbst die in Art. 118 GG für die damals drei Südwest-Staaten vorgeschriebene und in Art. 29 GG auch für andere Teile der Republik ermöglichte Neu-gliederung von Bundesländern wurde zu einem

Prozeß, der sich -mit wiederholten Volksabstimmungen und Verfassungsgerichtsverfahren -bis in die siebziger Jahre hinzog Die territorialen Veränderungen aber bleiben im Vergleich zu den Umwälzungen im Bereich der Finanzverfassung und der gesetzgeberischen Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern geradezu marginal. Als Ergebnis entschiedenen Drucks der westlichen Alliierten hatte die Finanzverfassung des Grundgesetzes zunächst ein System strikter Trennung von Bund und Ländern etabliert Schon bald aber erwies sich dies in der Praxis als kaum durchhaltbar und wurde bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des Grundgesetzes durchbrochen Nachdem die alliierten Vorbehalte an Wirkung verloren hatten, wurde das Trennsystem mit der ersten Finanzverfassungsreform zugunsten eines teilweisen Steuerverbundes aufgeweicht Gleichzeitig wurde der „horizontale“ Finanzausgleich zwischen leistungsstarken und -schwachen Ländern eingeführt, in dessen Umschichtungssystem bald darauf auch der Bund einbezogen wurde

Der Preis für den Geldregen, der damit aus Bonn auf Länder und Kommunen niederging, war ein weitgehender Verlust ihrer einstigen finanziellen Autonomie. Er wurde schließlich durch die Finanzreform noch verstärkt, mit der die Große Koalition 1969 den endgültigen Abschied von den föderalen Intentionen des Grundgesetzes besiegelte Sie schuf die verfassungsrechtlichen Grundlagen für eine zentralisierte Konjunktursteuerung durch den Bund im Stabilitätsgesetz und führte einen enumerativ gegliederten Katalog neuartiger Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern ein. Roman Herzog erkannte früh, daß man sich durch die vielfältigen Formen gemischter Finanzierungsmodelle das „Trojanische Pferd des modernen Bundesstaates“ gezimmert hatte. Der Einflußnahme des Bundes auf die Angelegenheiten der Länder und Kommunen waren damit Türen und Tore weit geöffnet.

Die Entwicklung der Bundesrepublik zu einem Staat mit immer mehr unitarischen Tendenzen wurde durch die Verlagerung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf den Bund zusätzlich ver­ stärkt Die Länder ließen sich diese Kompetenzen für erweiterte Mitspracherechte bei der Verabschiedung von Gesetzen im Bundesrat abkaufen. Entsprechend schwoll der Katalog zustimmungspflichtiger Gesetzgebungsmaterien stetig an und schuf die offenbar unwiderstehliche Verlockung, den Bundesrat bei geeigneten Mehrheitsverhältnissen zu einem Blockadeapparat der Bundestagsopposition umzufunktionieren. Die ursprüngliche Ausbalancierung der staatlichen Gewalt entlang einer strikten Trennlinie zwischen Bund und Ländern wird dadurch freilich unterlaufen. Die föderale Vielfalt wurde immer mehr von einer binären Polarisierung zwischen Bundestags-mehrheit und Opposition überlagert, der sich die Länder -zu A-oder B-Typen reduziert -in der Regel willig einfügten.

Auch die westdeutsche Bevölkerung hat diese Entwicklungen widerspruchslos hingenommen. Es ist eines der bemerkenswerten Phänomene in der Geschichte der Bundesrepublik, daß traditionelle landsmannschaftliche Verbindungen und Gegensätze im demokratischen Bundesstaat zu einer eher folkloristischen Größe schrumpften. Dafür waren die materiell spürbaren Wohltaten des Sozialstaates und des schnellen wirtschaftlichen Aufschwungs zweifellos in viel höherem Maße ursächlich als die Besinnung auf gemeinsame Werte unter dem einenden Dach des Grundgesetzes. In dieser Verfassungswirklichkeit erlangte ein Nebensatz in Art. 72 GG eine tatsächliche Bedeutung, dessen subkutane Ausstrahlung das Verfassungsganze prägt: der Appell an den Gesetzgeber zur Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse.

Obwohl ihm stets attestiert wurde, juristisch unbestimmt und ohne Aussagekraft für konkrete Handlungsanweisungen zu sein charakterisiert er eine Verkümmerung des föderalen Verfassungsverständnisses, die dazu führte, daß selbst unterschiedliche Ladenöffnungszeiten in verschiedenen Bundesländern als inakzeptabel gelten. Immerhin ist sich auch der verfassungsändernde Gesetzgeber nach der Wiedervereinigung der Problematik des Begriffs der einheitlichen Lebensverhältnisse bewußt geworden. In der 1994 verabschiedeten Neufassung des Art. 72 GG wurde er durch die unverfänglichere Formulierung „gleichwertige Lebensverhältnisse“ ersetzt

VII. Ausblick: Einigungsprozesse in Deutschland und Europa

Als die Bundesrepublik 1989 von der Chance zur Herstellung der deutschen Einheit überrascht wurde, befand sie sich zugleich an der Schwelle zur entscheidenden Phase der europäischen Integration. Seitdem fanden beide Einigungsprozesse ihren Niederschlag in Verfassungstext und -Wirklichkeit. Daß es sich dabei im Kern um die vierzig Jahre zuvor für den westdeutschen „Rumpfstaat“ geschaffene Verfassung handelt, hat seinen Grund weniger in Entscheidungen der Wendezeit als vielmehr in den geschilderten Entwicklungen der Verfassung selbst und ihrer historisch gewachsenen Akzeptanz in der west-und wohl auch in der ostdeutschen Bevölkerung. Die Stimmen, die nach 1990 einen neuen Akt der Verfassungsgebung oder eine Totalrevision des Grundgesetzes forderten, blieben in der Minderheit und verstummten rasch. Auch der Nachhall, den sie in der Diskussion über die Einfügung von plebiszitären Elementen und neuartigen Teilhaberechten -etwa auf Arbeit, Wohnung oder gar Mitmenschlichkeit -in das Grundgesetz fanden, blieb nahezu ohne Wirkung. Lediglich bei der Verfassungsgebung in den neuen Bundesländern wurden vereinzelt neue soziale Staatszielbestimmungen sowie plebiszitäre Elemente in Landesverfassungen aufgenommen.

In mancherlei Hinsicht erinnert die kurze Verfassungsdiskussion der Nachwendezeit und ihre Rezeption in der Bevölkerung an die Entwicklungen in den Anfangsjahren der Bundesrepublik: Die Menschen wandten sich schnell den ökonomischen und sozialen Problemen des Alltags zu. Als die vom Einigungsvertrag geforderte gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat 1993 ihre Vorschläge für die Aufnahme weniger neuer Staatszielbestimmungen, Grundrechtsergänzungen und einiger (bereits vor 1989 diskutierter) staatsorganisatorischer Vorschriften in das Grundgesetz vorlegte, war das öffentliche Interesse an Verfassungsfragen so matt wie bei der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949. Es entzündete sich dafür wieder an Fragen, die im Vergleich zu den Herausforderungen des doppelten Intergrationsprozesses auf nationaler und europäischer Ebene geradezu banal erscheinen. Während sich von Brüssel, Luxemburg und Straßburg aus eine vollkommen neue, europäische Verfassungsordnung über die des Grundgesetzes wölbt, erregten sich in Deutschland die Gemüter über kasuistische -zudem teilweise mißverstandene -Details einzelner Verfassungsgerichtsurteile aus Karlsruhe. Wesentliche Impulse für die weitere Fortentwicklung des Grundgesetzes sind weniger vom Zusammenwachsen der Deutschen in den alten und neuen Bundesländern zu erwarten. Dafür nimmt die Dynamik der europäischen Verfassungsentwicklung rasant zu. Das Grundgesetz war seit seiner Entstehung auf die Integration der Bundesrepublik in überstaatliche Strukturen hin angelegt. Vor allem mit der Änderung der Art. 23 („Europäische Union“) und 24 („Zwischenstaatliche Einrichtungen“) GG 1992 aber auch mit dem Asylkompromiß von 1993 hat sich die Bundesrepublik noch weiter für die Verschmelzung mit dem europäischen Staatenbuhd und seiner Verfassung geöffnet. In seinem Maastricht-Urteil hat sich das Bundesverfassungsgericht 1993 mit unmißverständlicher Entschiedenheit auf seine Rolle als Hüterin der Verfassung berufen. Noch aber scheint es, als seien es alleine die Karlsruher Richter, die die Tragweite der europäischen Verfassungsentwicklung erkennen. Es sieht aus, als wiederholte sich auch an der Schwelle zu seiner europäischen Epoche ein bekanntes Muster in der Geschichte des Grundgesetz: Wieder droht die Verfassung als Ganzes von der Debatte über eine bevorstehende Reform der Währung überdeckt zu werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer 1957-1963, Bd. 2: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1983, S. 351.

  2. Zum Vergleich: Die Verfassung der USA wurde in ihrer mehr als 200jährigen Geschichte nur durch 26 . Amendments ergänzt bzw fortgeschrieben.

  3. Die Numerierung der . Artikel läuft allerdings nach wie vor nur bis 146. da neu eingefugte . Artikel durch die Hinzu-stellung von Buchstaben zu den Ziffern gekennzeichnet wurden.

  4. Carl Schmitt. Verfassungslehre. Berlin 192S. S. 4.

  5. Eine Übersicht findet sich bei Peter Schindler. Datenhandhuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949-1982. Bonn 1988. S. 665 ff.

  6. Bis 1969 wurde das Grundgesetz im IX. Abschnitt über die Rechtsprechung durch sechs Gesetze mit zwölf Einzeländerungen novelliert.

  7. Zur öffentlichen Stimmungslage vgl. u. a. Meinungsumfragen von Zeitungen, in denen sich stets eine klare Mehrheit für die Todesstrafe aussprach, z. B. Süddeutsche Zeitung vom 9. 3. 1950; Münchner Merkur vom 11. 3. 1950.

  8. Vgl. Hans von Doemming/Klaus Berto/Rudolf Füsslein/Werner Matz (Hrsg.), Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes. Jahrbuch für Öffentliches Recht, B 1 n. E, Tübingen 1951, S. 739 ff.

  9. Vgl. etwa die 52. Debatte der 1. Wahlperiode vom 27. 3. 1950, Sten. Ber., S. 1892 f.

  10. Unter den Befürwortern waren Politiker wie Richard Jaeger (der sich deshalb als späterer Justizminister den Spitznamen „Köpf-ab-Jaeger“ einhandelte), Franz-Josef Strauß, Anton Storch, Linus Kather und Robert Pferdmenges. Vgl. BT 1. WR 236. Sitzg. vom 30. 10. 1952, Sten. Ber., S. 10905.

  11. Vgl. z. B. Anträge der Bayernpartei zur Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für die Biersteuer auf die Länder (BT Drs. 1/929 vom 11. 5. 1950), der Deutschen Partei zur Einfügung eines Mittelstandsschutzes in das Grundgesetz (BT Drs. 1/3206 vom 3. 4. 1952, 11/1728 vom 30. 9. 1955) oder der FDP zur Verankerung eines Sozialisierungsverbots (BT Drs. 11/3525 vom 21. 5. 1957 und BT Drs. III/1336 vom 4. 11. 1959).

  12. Vgl. Hans Günter Hockerts, Integration der Gesellschaft; Gründungskrise und Sozialpolitik in der frühen Bundesrepublik, in: Zeitschrift für Sozialpolitik, 32 (1986), S. 25.

  13. Hintergrund war das bevorstehende Ende der zweiten und damit letztmöglichen Amtszeit von Theodor Heuss als Bundespräsident. Vgl. H. -P. Schwarz (Anm. 1), S. 180; Eberhard Pikart. Theodor Heuss und Konrad Adenauer. Die Rolle des Bundespräsidenten in der Kanzlerdemokratie, Zürich 1976, S. 131.

  14. Hasso Hofmann, Die Entwicklung des Grundgesetzes nach 1949, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts. Bd. I, Heidelberg 1987, S. 298.

  15. 10. GG ÄndG vom 23. 12. 1959, BGBl. 1/813.

  16. 11. GG ÄndG vom 6. 2. 1961, BGBl. 1/65.

  17. 4. GG ÄndG vom 26. 3. 1954, BGBl. 1/45, und 7. GG ÄndG vom 19. 3. 1956, BGBl. 1/111.

  18. 17. GG. ÄndG vom 24. 6. 1968, BGBl. 1/709.

  19. Wolfgang Martens, Grundgesetz und Wehrverfassung, München 1961, S. 19.

  20. Vgl. Art. 5 Abs. II, BGBl. 11/1955, S. 305.

  21. Werner Weber, Weimarer Verfassung und Grundgesetz (1949), abgedr. in: ders., Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, Berlin 19703, S. 27.

  22. Werner Groß, Betrachtungen zur Entwicklung des öffentlichen Rechts, in: Deutsches Verwaltungsblatt, (1954), S. 769.

  23. Heinrich Oberreuter, Notstand und Demokratie, München 1978, S. 229.

  24. Wolfgang Abendroth, in: Peter Römer (Hrsg ), Der Kampf um das Grundgesetz, Frankfurt a. M. 1977, S. 191.

  25. Vgl. BT 6. WP, 5. Sitzg. vom 28. 10. 1969, Sten. Ber., S. 20.

  26. Vgl. Hans Dichgans, Vom Grundgesetz zur Verfassung. Überlegungen zur Gesamtrevision, Düsseldorf 1970.

  27. Vgl. Beratungen und Empfehlungen zur Verfassungsreform, Teil 1: Parlament und Regierug, Teil 2: Bund und Länder, BT Drs. VI/3829 und 7/5924.

  28. Vgl. Stefan Schaub, Der verfassungsändernde Gesetzgeber, Berlin 1984, S. 11.

  29. Vgl. BVerfGE 1, 14; 5, 34.

  30. Vgl. H. Hofmann (Anm. 14), S. 272.

  31. Vgl. H. v. Doemming/K. Berto/R. Füsslein/W. Matz (Anm. 8), S. 763 ff.

  32. Vgl. Andreas Roßnagel, Die Änderungen des Grundgesetzes, Fiankfurt a. M. 1981, S. 248.

  33. Vgl. 6. GG ÄndG vom 23. 12. 1955, BGBl. 1/817.

  34. Vgl. 15. GG ÄndG vom 8. 6. 1967, BGBl 1/581.

  35. Vgl. 20., 21., 22. GG ÄndG vom 12. 5. 1969, BGBl. 1/357, 359, 363.

  36. Roman Herzog. Wandel des Föderalismus in Deutschland, in: Dietmar Merten/Rudolf Morsey (Hrsg.), 30 Jahre Grundgesetz, Berlin 1979, S. 42.

  37. Sie reichte von den oben erwähnten neuen Zuständigkeiten für Fragen der Kernenergie und Luftverkehrs-verwaltung bis hin zur Fürsorge für die Gräber von Opfern der Gewaltherrschaft (10. GG ÄndG vom 16. 6. 1965, BGBl. 1/813).

  38. Vgl. BVerfGE 13, 230.

  39. Vgl. 42. GG ÄndG vom 27. 10. 1994, BGBl. 1/3146; vgl. auch den Bericht der gemeinsamen Verfassungskommission, BT Drs. 12/6000.

  40. Vgl. GG ÄndG vom 21. 12. 1992, BGBl. 1/2086.

  41. Vgl. GG ÄndG vom 28. 6. 1993, BGBl. 1/1002.

  42. Vgl. BVerfGE 89, 155.

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Stephan Detjen, M. A., Rechtsanwalt, geh. 1965; Studium der neueren und alten Geschichte sowie der Rechtswissenschaft an den Universitäten München, Aix-en-Provence und an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer; nach dem Rechtsreferendariat Redakteur beim Bayerischen Rundfunk; seit 1997 Korrespondent des DeutschenlandRadio in der Gemeinschaftsredaktion Recht und Rechtspolitik von Süddeutschem Rundfunk und DeutschlandRadio in Karlsruhe. Hörfunksendun^en und Veröffentlichungen zu juristischen und rechtspolitischen Themen.