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Stellungnahme der westdeutschen Ministerpräsidenten zu den Frankfurter Dokumenten (Koblenzer Beschlüsse vom 7. Juli 1948) | APuZ 32-33/1998 | bpb.de

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APuZ 32-33/1998 Die Alliierten und Deutschland 1945-1948 Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee Politische Kontroversen im Parlamentarischen Rat Die Verfassungsgebung in der SBZ 1946-1949. „Errichten wir die Diktatur des Proletariats, dann werden alle Dinge klar und einfach“ Dokumentation. Die Frankfurter Dokumente vom 1. Juli 1948 Stellungnahme der westdeutschen Ministerpräsidenten zu den Frankfurter Dokumenten (Koblenzer Beschlüsse vom 7. Juli 1948)

Stellungnahme der westdeutschen Ministerpräsidenten zu den Frankfurter Dokumenten (Koblenzer Beschlüsse vom 7. Juli 1948)

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Zu Dokument I (Verfassunggebende Versammlung).

1. Die Ministerpräsidenten werden die ihnen am 1. Juli 1948 durch die Militärgouverneure der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone übertragenen Vollmachten wahrnehmen. 2. Die Einberufung einer deutschen Nationalversammlung und die Ausarbeitung einer deutschen Verfassung sollen zurückgestellt werden, bis die Voraussetzungen für eine gesamtdeutsche Regelung gegeben sind und die deutsche Souveränität in ausreichendem Maße wiederhergestellt ist. 3. Die Ministerpräsidenten werden den Landtagen der drei Zonen empfehlen, eine Vertretung (parlamentarischer Art) zu wählen, die die Aufgabe hat a) ein Grundgesetz für die einheitliche Verwaltung des Besatzungsgebiets auszuarbeiten, b) ein Wahlgesetz für eine auf allgemeinen und direkten Wahlen beruhende Volksvertretung zu erlassen. Die Beteiligung der Länderregierungen an den Beratungen des Parlamentarischen Rates ist zu sichern. [. .. ] 4. Die Wahlen zur Volksvertretung sollen noch im Laufe des Jahres 1948 abgehalten werden. 5. Das Grundgesetz muß außer der aus allgemeinen Wahlen hervorgehenden Volksvertretung eine bei der Gesetzgebung mitwirkende Vertretung der Länder vorsehen. 6. Hat die aus den Landtagen gewählte Vertretung (Ziffer 3) ihre Aufgabe erfüllt, so werden die Ministerpräsidenten nach Anhörung der Landtage das Grundgesetz mit ihrer Stellungnahme den Militärgouverneuren zuleiten, die gebeten werden, die Ministerpräsidenten zur Verkündigung dieses Gesetzes zu ermächtigen. 7. Die Volksvertretung soll alle Funktionen erfüllen, die einem demokratisch gewählten Parlament zukommen. 8. Das für das Besatzungsgebiet der Westmächte vorgesehene gemeinsame Exekutivorgan wird nach Maßgabe des Grundgesetzes bestellt.

Zu Dokument II (Ländergrenzen).

Die Ministerpräsidenten stimmen mit den Militärgouverneuren überein, daß eine Überprüfung der Grenzen der deutschen Länder zweckmäßig ist. Sie sind jedoch der Ansicht, daß diese Frage einer sorgfältigen Untersuchung bedarf, die innerhalb kurzer Frist nicht durchzuführen ist. Unter diesen Umständen können die Ministerpräsidenten von sich aus im Augenblick keinen Vorschlag für eine Gesamtlösung unterbreiten. Sie sind aber der Ansicht, daß die Grenzen der Länder im Südwesten dringend einer Änderung bedürfen. Die Lösung dieser Frage soll dem Parlamentarischen Rat überlassen bleiben, der über die Notwendigkeit dieser Änderung und ihre Ausführung den Ministerpräsidenten Vorschläge unterbreitet. Das Recht der beteiligten Länder, selbständig eine Regelung zu treffen, bleibt unberührt.

Zu Dokument III (Besatzungsstatut).

1. Zur Verwirklichung der wirtschaftlichen und administrativen Einheit aller der Besatzungshoheit Großbritanniens, Frankreichs und der USA unterstehenden deutschen Gebietsteile werden diese zu einem einheitlichen Gebiet zusammengeschlossen, mit dessen Organisation die Besatzungsmächte dessen Bevölkerung beauftragen.2. Die deutschen Gesetzgebungs-, Verwaltungs-und Rechtsprechungsbefugnisse sind nur durch die sich aus dem Text des Besatzungsstatuts selbst ergebenden Befugnisse der Besatzungsmächte beschränkt. Die Vermutung spricht für die Zuständigkeit der deutschen Organe. 3. Die Besatzungsmächte behalten sich Maßnahmen nur insoweit vor, als diese zur Sicherung der Verwirklichung der Besatzungszwecke notwendig sind. 4. Diese Maßnahmen können bestehen in: a) eigener unmittelbarer Verwaltung durch Besatzungsorgane, b) Kontrolle, c) Überwachung, d) Beobachtung, Beratung und Unterstützung. 5. Die Besatzungszwecke sind: a) Gewährleistung der Sicherheit der Besatzungstruppen, b) Gewährleistung des Bestandes einer demokratischen Ordnung in Deutschland, c) d) Entmilitarisierung Deutschlands, Gewährleistung der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen Deutschlands. 6. Unmittelbare Verwaltung wird durch die Besatzungsmächte ausgeübt zur vorläufigen Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten, jedoch sind deutsche Vertretungen zur Wahrung der wirtschaftlichen und Handelsinteressen im Ausland zugelassen, deren Leiter die einem Konsul entsprechende Rechtsstellung haben sollen. 7. Die Maßnahmen der Besatzungsmächte beschränken sich grundsätzlich auf allgemeine Überwachung der Tätigkeit der deutschen Organe. Dem deutschen Außenhandel gegenüber kann das Recht der Kontrolle ausgeübt werden, jedoch nur insoweit, als zu befürchten ist, daß die Verpflichtungen, die die Besatzungsmächte in bezug auf Deutschland eingegangen sind, nicht beachtet oder die für Deutschland verfügbar gemachten Mittel nicht zweckmäßig verwendet werden. Die Kontrolle soll sich nicht darauf erstrecken, ob die deutschen Maßnahmen technisch richtig und zweckmäßig sind. Die Kontrolle wird sich weiterhin beziehen können auf die Sicherstellung der noch fälligen deutschen Reparationsverpflichtungen, die Einhaltung der den Stand der deutschen Industrie festlegenden Bestimmungen, die Durchführung der Dekartellisierung, der Abrüstung und Entmilitarisierung sowie auf solche wissenschaftliche Forschungsunternehmen, die der deutschen Kriegswirtschaft gedient haben. i Die Befugnisse einer Internationalen Ruhrbehörde sind nicht Gegenstand dieses Statuts. 8. Anweisungen im Rahmen obiger Bestimmungen werden durch die obersten Stellen der Besatzungsmacht an die oberste deutsche Gebietsbehörde erteilt. 9. Einem ordnungsmäßig erlassenen deutschen Gesetz gegenüber soll von dem Recht des Einspruchs nur Gebrauch gemacht werden, wenn es geeignet ist, die Verwirklichung der Besatzungszwecke zu gefährden. Wenn nicht binnen 21 Tagen nach Erlaß des Gesetzes von den Militärgouverneuren gemeinsam Einspruch eingelegt wird, tritt das Gesetz in Kraft. 10. Auf dem Gebiet der Demokratisierung des politischen und sozialen Lebens sowie der Erziehung werden sich die Besatzungsmächte auf Beobachtung, Beratung und Unterstützung beschränken.11. Die Unabhängigkeit und territoriale und sachliche Universalität der deutschen Rechtspflege wird anerkannt. 12. Die Gerichtsbarkeit der Besatzungsmächte wird beschränkt auf a) die nichtdeutschen Mitglieder der Besatzungstruppen, die Besatzungsverwaltung sowie deren Familienangehörige; b) Verbrechen oder Vergehen gegen die Sicherheit oder das Eigentum der Besatzungsmächte oder die Person ihrer Angehörigen. 13. Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Deutschen und Angehörigen der Besatzungsmächte werden gemischte Gerichte gebildet. Der deutschen Bevölkerung werden die allgemeinen Menschenrechte sowie die bürgerlichen Rechte und Freiheiten auch den Organen der Besatzungsmächte gegenüber gewährleistet. 14. Natural-und Dienstleistungen können nur in dem Umfange gefordert werden, der notwendig ist, um die Bedürfnisse der Besatzungstruppen und der Besatzungsverwaltung zu befriedigen. Sie müssen im Verhältnis zu den Hilfsquellen des Landes stehen. 15. Art und Umfang der aufzubringenden Natural-und Dienstleistungen sowie die Form ihrer Vergütung werden durch die Militärgouverneure gemeinsam bestimmt. Es ist für Anforderung und Aufbringung ein besonderes Verfahren zu schaffen, bei dem deutsche Stellen zu beteiligen sind. 16. Die Besatzungskosten sind für ein Jahr voraus festzusetzen. Hierauf sind sämtliche deutschen Leistungen nach Ziff. III 1 bis 2 in Anrechnung zu bringen. Die Kosten müssen in einer festen Summe festgesetzt werden und dürfen einen bestimmten Prozentsatz der fortdauernden Ausgaben des ordentlichen Haushalts nicht überschreiten. Die Festsetzung wird im Benehmen mit den zuständigen deutschen Stellen erfolgen. 17. Für die Durchführung der Sicherstellung der Reparationsleistung und des Vor-griffs auf die noch festzusetzenden deutschen Reparationsverpflichtungen sowie für die Durchführung der Restitutionen wird ein besonderes Verfahren geschaffen werden, das eine gemeinsame Beteiligung deutscher Organe vorsehen wird. 18. Für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung und Anwendung des Besatzungsstatuts werden Schieds-und Vergleichsstellen geschaffen werden. 19. Falls die Militärgouverneure die Wiederaufnahme der Ausübung ihrer Machtbefugnisse für notwendig erachten, werden sie dies nur als Notmaßnahme und in gemeinsamer Entschließung tun sowie nur für den Fall, daß ein Notstand die Sicherheit bedroht oder es erforderlich scheint, um die Beachtung der Verfassungen und des Besatzungsstatuts zu erzwingen.

Quelle: Dokumente der Deutschen Politik und Geschichte von 1848 bis zur Gegenwart, Bd. VI: Deutschland nach dem Zusammenbruch 1945, bearbeitet von Klaus Hohlfeld, Berlin -München 1952, S. 320 ff.

Fussnoten

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