Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Die Herausforderungen des Staates in der Informationsgesellschaft | APuZ 40/1998 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 40/1998 Massenkommunikation und individuelle Selbstbestimmung. Zur Entregelung staatlich-technischer Informationsprozesse Internet -neue Chancen für die politische Kommunikation? Die Herausforderungen des Staates in der Informationsgesellschaft Europa und die Informationsgesellschaft: wirtschaftspolitische Herausforderungen und regionalpolitische Chancen

Die Herausforderungen des Staates in der Informationsgesellschaft

Christoph H. Werth

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Enquete-Kommission „Zukunft der Medien“ des Deutschen Bundestages hat ihren Schlußbericht „Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ vorgelegt, auf den im Beitrag eingegangen wird. Seit 1987 besteht in Deutschland das duale Rundfunksystem. Die Verbreitung des Internet und das Zusammenwachsen von Fernsehen, Telefon und Computer lösen einen weiteren Entwicklungsschub aus. ARD und ZDF werden weiterhin den Auftrag haben, die Integration der Gesellschaft zu fördern. Sie sollten an den neuen technischen Möglichkeiten teilhaben können. Durch das Internet bieten sich Chancen für mehr Transparenz des politischen Systems sowie für mehr Bürgerbeteiligung. Eine Erweiterung plebiszitärer Elemente könnte die Verantwortung bzw. die Mitarbeit der Bürger am Gemeinwesen fördern. Durch neue Informationstechniken kann die öffentliche Verwaltung bürgerfreundlicher gestaltet werden. Die Sicherung der staatlichen Souveränität wird im Zeitalter grenzüberschreitender Informationstechnik allerdings vor neue Herausforderungen gestellt. Gleichwohl ist die Idee vom machtlosen Staat im immer mächtigeren Mediensektor nur ein Mythos. Bildung muß zu einem Schwerpunkt in Politik und Gesellschaft werden. Das Jugendschutzrecht bedarf der Überprüfung. Erforderlich ist also eine neue Zivilisationspolitik, welche Macht und Einfluß der Medien -aber auch ihre gestalterischen Möglichkeiten -ernster nimmt als bisher. Medienpolitik muß heute als integrierte Kommunikationspolitik verstanden werden; sie wird damit zu einer politischen Querschnittsaufgabe.

I. Der medienpolitische Kontext

Mit dem Ende der 13. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages hat die Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ ihre Arbeit abgeschlossen und den Schlußbericht „Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ vorgelegt Primär an die Adresse des Bundes gerichtet , gibt sie darin politische Empfehlungen zu allen relevanten Sektoren ab, die von den Veränderungen im Medienbereich berührt werden Neben ihrem Schlußbericht veröffentlichte die Medien-Enquete-Kommission bereits fünf Zwischenberichte zu Themen, bei denen dringender staatlicher Handlungsbedarf besteht Auf der Grundlage der von ihr eingeholten Gutachten und Stellungnahmen wurden ferner vier Dokumentationsbände erstellt

Die Enquete-Kommission war am 5. Dezember 1995 vom Deutschen Bundestag eingesetzt worden Ihr wurde die Aufgabe übertragen, die sich aus dem Einsatz der neuen Informations-und Kommunikationstechnologien ergebenden politischen Konsequenzen darzustellen und parlamentarische Initiativen vorzuschlagen, die notwendig sind, um die Chancen der sogenannten „Informationsgesellschaft" umfassend zu nutzen und die Risiken beherrschbar zu machen. Die Enquete-Kommission hatte dabei vorrangig die Themenfelder der aktuellen und künftigen Entwicklung -wie Globalisierung, Konzentration, Digitalisierung und Kommerzialisierung der elektronischen Medien -in dem Mittelpunkt ihrer Untersuchung gestellt. Der Kommission gehörten 24 Mitglieder an, 12 Abgeordnete und 12 Sachverständige, wobei die Koalition aus CDU/CSU und FDP eine leichte Mehrheit hatte. Es fanden 46 Sitzungen statt, davon neun öffentliche Anhörungen und zahlreiche interne Workshops und Round-table-Gespräche; dabei hörte die Kommission über 120 Experten. Zudem wurden Aufträge für 18 größere Gutachten vergeben.

Seit der Einführung des Kabel-und Satellitenrundfunks Anfang der achtziger Jahre und der darauf folgenden Etablierung der privaten Fernsehsender hat sich das Mediensystem in Deutschland grundlegend gewandelt. Aus dem ehemaligen Monopol von ARD und ZDF wurde eine Medienordnung mit zahlreichen Akteuren. Ziel der Politik war dabei die Schaffung von publizistischer Vielfalt durch externen Wettbewerb. Mit dem Rundfunk-staatsvertrag der Länder vom 3. 4. 1987 wurde die duale Rundfunkordming gesetzlich begründet. Damit wurde das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk geregelt Der neue Entwicklungsschub wird durch das Zusammenwachsen von Fernsehen, Telefon und Computer ausgelöst. Die wachsende Verbreitung des Internet verändert Qualität und Struktur des Medienangebots Die ehemalige Trennungslinie zwischen Individual-und Massenkommunikation wird zunehmend unscharf und ist immer schwerer zu bestimmen. Die Medienwirtschaft wird in den kommenden Jahren einer der entscheidenden Motoren für wirtschaftliches Wachstum sein. Angesichts der Bedeutung des Themas war es wichtig, daß der Deutsche Bundestag die Enquete- Kommission „Zukunft der Medien“ eingesetzt hat, wodurch er der Öffentlichkeit dokumentierte, daß er sich wichtigen Fragen der Zeit stellt und sich intensiv mit ihnen auseinandersetzt. Welche Institution wäre besser dafür geeignet, um sich im öffentlichen Diskurs mit der Zukunft der Medien zu beschäftigen und Zukunftsvisionen zu entwikkeln, denn das Parlament als der zentrale Ort der Demokratie? Die Marktkräfte lassen es dagegen kaum zu ordnungspolitischer Gestaltung kommen. Insofern hat sich die Möglichkeit bewährt wonach der Deutsche Bundestag zur Aufarbeitung umfassender gesellschaftspolitischer Problembereiche Enquete-Kommissionen einsetzen kann. Das Parlament wird durch die Enquete-Kommission als „think tank“ gestärkt, reicht ihre Arbeit doch über das hektische Tagesgeschäft hinaus und ist eher sachbezogen und parteienübergreifend. Gleichzeitig findet ein offener politischer Diskurs statt, der sich auch in Minderheiten-und Sondervoten artikuliert Insofern ist die parlamentarische Institution der Enquete-Kommission zu einem der „wichtigsten Instrumentarien der Interaktion von Parlament und Gesellschaft avanciert“ Im Falle der Medien-Enquete-Kommission zeigt sich das auch an der starken öffentlichen Nachfrage nach ihren Berichten und Publikationen.

II. Deregulierung und Konvergenz

Parallel zur Etablierung des privaten Fernsehens verlief die Privatisierung und Deregulierung des Telekommunikationsmarktes. Stufen dieses Prozesses waren die Postreform I (1989/90) und die zum 1. 1. 1995 in Kraft getretene Postreform II, die eine Änderung des Grundgesetzes erforderte und mit Zustimmung der SPD vollzogen wurde. Die ehemals staatliche Hoheitsaufgabe der Post zerfiel nun in die drei Aktiengesellschaften Post-dienst, Postbank und Telekom. Die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation wurde ebenso neu gegründet wie die Regulierungsbehörde. Das 1996 beschlossene Telekommunikationsgesetz (TKG) bestimmt, wie die Regulierung erfolgen soll. Ende 1997 wurde schließlich das Bundespostministerium aufgelöst. Nunmehr fühlt sich die Telekom durch die Regulierungsbehörde eingeschränkt. Dem steht der Vorwurf von konkurrierenden Anbietern entgegen, diese sei zu Telekom-freundlich. Zudem gibt es ein Konkurrenzverhältnis zwischen der Regulierungsbehörde und dem Bundeskartellamt. Die Regulierungsbehörde dämmt die marktdominante Position der Telekom etwas ein -eines ehemaligen Monopolisten, der seine Vorrangposition behaupten möchte. Bislang ist das Bonner Unternehmen auch noch Doppel-eigentümer der Telekommunikationsnetze und der TV-Kabelnetze. Von der EU-Kommission wurde sie jetzt angewiesen, ihr TV-Kabelnetz zu regionalisieren und ihre Beteiligung hieran auf 49, 9 Prozent zu reduzieren.

Das Zusammenwachsen von Fernsehen, Computer und Telefon Wird als „Konvergenz“ bezeichnet. Parallel dazu verläuft die Entwicklung einer zunehmenden Diversifikation der Medienangebote und ihrer möglichen Nutzung. Die Konvergenz wird allerdings oft nur einseitig technisch und ökonomisch begriffen. Auch das Grünbuch der EU vom Dezember 1997 ist von diesem Verständnis geprägt. Daneben müssen aber auch gesellschaftliche, kulturelle und politische Gesichtspunkte einbezogen werden, sind sie doch für die Entwicklung der Informationsgesellschaft von großer Bedeutung. In der Tradition der europäischen Kultur darf das Verständnis von Medien nicht ökonomisch verengt werden. Die Medien bleiben Ausweis und Motor kultureller und zivilisatorischer Entwicklung

Problematisch an der gegenwärtigen Ausgestaltung der „dualen Rundfunkordnung“ ist, daß die Ländergesetzgeber keine systematische Entwicklung der beiden Säulen dieses Systems und ihrer Beziehung zueinander vorgenommen haben. Auch unter den veränderten Bedingungen wird es die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleiben, unabhängig von wirtschaftlichen Interessen und Marktgesetzen inhaltliche Ausgewogenheit, Sachlichkeit und Vielfalt der Meinungen zu gewährleisten. ARD und ZDF haben den Auftrag, die Integration der Gesellschaft zu fördern. Sie sollten -entsprechend der vom Bundesverfassungsgericht formulierten Entwicklungsgarantie -auch an den neuen Möglichkeiten wie Spartenkanäle, Onlinedienste und Digitalisierung des Rundfunks teilhaben können Dabei darf es allerdings keine Doppelfinanzierung geben, nachdem der Bürger bereits Rundfunkgebühren bezahlt hat.

III. „Elektronische Demokratie“ als Chance

Das Internet bietet -im Gegensatz zum nur in einer Richtung sendenden Fernsehen -Chancen für mehr Transparenz des politischen Systems, für mehr Bürgerbeteiligung und neue Formen der Öffentlichkeit. Die Wurzeln der heutigen Demokratie liegen in Athen, in der Versammlung freier Bürger, wo die zentralen Themen der athenischen Republik besprochen und entschieden wurden. „Der eigentliche Mittelpunkt einer Polis war die Agora, der Platz“, sie war nach Jacob Burckhardt „das eigentliche Lebensorgan der Stadt“ Mit den neuzeitlichen Nationalstaaten entstand die Notwendigkeit, politische Prozesse unter den Bedingungen von Flächenstaaten zu organisieren. Das politische System korrespondiert mit den Kommunikationsstrukturen, welche diese Fläche erschließen. Mit der Repräsentation entstand ein Verfahren, wie die Angelegenheiten der Region im Zentralparlament durch auf Zeit gewählte Vertreter artikuliert und entschieden werden. Der Nachteil der Repräsentation ist die räumliche und soziale Entfernung des Politikers vom Wähler und Staatsbürger.

Die ständige Präsenz von Print-und audiovisuellen Medien im politischen Geschehen und das Wachstum einer kontinuierlichen Berichterstattung aus der Mitte der Politik löst die widersprüchliche Entwicklung aus, daß die Bürger -soweit sie sich für Politik interessieren -einerseits immer besser informiert sind, andererseits aber in ihrem Bedürfnis nach politischer Teilhabe frustriert werden, denn allgemeine Wahlen finden in der Regel nur alle vier Jahre statt. Diese faktische Ohnmacht ist die Basis für die sogenannte „Politikverdrossenheit“ und jenes von der Verfassung nicht vorgesehene Zwischenreich der Dauerpolitisierung durch die Mediengesellschaft, in der die Medien und Umfragen, Stimmungen und versierte Kommunikatoren die Politik gestalten. Auf diese Weise haben sich informelle plebiszitäre Elemente im Raum des Politischen etabliert, die in der Verfassung keine Entsprechung finden. „Das Volk spielt irgendwie mit, aber nicht nach den Regeln des politischen Systems“ wodurch seiner Beteiligung eine klar identifizierbare Verantwortlichkeit fehlt.

Bei wirklichen Plebisziten dagegen würden die Bürger zu klaren Entscheidungen ermächtigt und auch genötigt. Ihre Voten würden eindeutig zurechenbar, und mindestens im öffentlichen politischen Bewußtsein müßten sie hierfür Verantwortung übernehmen -dem ohnmächtig raunenden Geschimpfe über „die Politiker“ wäre der Boden entzogen. Während die audiovisuellen Medien eine diffuse, eher oberflächliche Dauerpolitisierung bewirken, zielt die Demokratie-eigentlich auf verantwortliche politische Teilhabe und bürgerliches Engagement. Hier eröffnet der Terminus der „elektronischen Demokratie“ eine hoffnungsstiftende Vision.

Sicherlich ist er eher ein plakativer Begriff ohne analytische Qualität Da der technische Zugang noch nicht allgemein verbreitet ist und auch manipulative Eingriffe nicht auszuschließen sind, werden plebiszitäre Modelle via Internet zwar auf absehbare Zeit kaum möglich sein. Aber eine realistische Chance besteht darin, das Handeln der Politik insgesamt transparenter zu machen und die Bürger stärker am politischen Geschehen zu beteiligen. Studien haben gezeigt, daß die Bürger dann zu verstärktem öffentlichem Engagement bereit sind, wenn sie die Erfahrung machen, daß es bei der Gemeindeverwaltung ernsthaft beachtet und daß darauf reagiert wird. Politische Dokumente wie Ratsprotokolle, Bebauungspläne und Gesetzesvorlagen können ins Netz gestellt werden Wenn die Bürger selber überprüfen können, wie der Inhalt von Originaldokumenten lautet oder welche Auffassung etwa eine Kommunalverwaltung zu bestimmten politischen Streitfragen vertritt, dann wird so auch die Berichterstattung in den Medien durch diese unmittelbare Überprüfbarkeit zu größerer Sorgfalt und Sachlichkeit veranlaßt Die neuen Informations-und Kommunikationstechniken bieten staatlichen Stellen und Gemeinden die Möglichkeit, den internen Informationsfluß zu verbessern, Vorgänge effizienter zu bearbeiten, Kosten zu senken und die Bürger kundenfreundlicher zu bedienen. Schon nutzen zahlreiche Verwaltungen auf allen Ebenen und in fast allen Bereichen die Informations-und Kommunikationstechniken zur rationelleren Erledigung ihrer Aufgaben. Das kommt den Bürgern und Steuerzahlern nicht nur mittelbar durch Kostensenkung zugute, es führt auch zu einer besseren Bedienung der Partner der öffentlichen Verwaltung. Moderne Kommunikationstechniken machen Verwaltungsorganisationen möglich, bei denen der Bürger an einer einzigen Anlaufstelle, etwa im Bürgerbüro einer Gemeinde, alle üblichen Angelegenheiten erledigen kann, was Gänge zu den unterschiedlichen Ämtern erspart. Dabei bleiben die bisherigen Ämter, die nicht direkt mit dem Bürgerverkehr zu tun haben, in ihren Zuständigkeiten wie Verantwortlichkeiten bestehen. Um dem Ideal vom „schlanken Staat“ näherzukommen, ist neben dem Einsatz von Informations-und Kommunikationstechnik in der öffentlichen Verwaltung freilich auch eine Überarbeitung der Arbeitsabläufe nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten erforderlich.

Der Studentenstreik an den deutschen Hochschulen im Herbst 1997 hat gezeigt, wie effektiv sich politische Netzkommunikation auswirken kann. Wenngleich von der Öffentlichkeit wenig bemerkt, wurde hier doch die mögliche Rolle des Netz-mediums im politischen Kommunikationsprozeß offenkundig. Es hatte sich eine digitale Protest-infrastruktur gebildet, bei der die Netze als Identifikations-, Organisations-und Koordinierungsinstrument einer politischen Bewegung fungierten und so zu einer außerordentlichen Interaktionsdichte beitrugen Hieran wurde deutlich, daß das Internet eine von anderen Medien nicht zu erreichende Rolle bei öffentlichem politischem Handeln spielen kann. Wie wichtig das Internet als ebenso effektives wie subversives Nachrichtenmedium für Oppositionskräfte werden kann, zeigen auch Beispiele aus China, dem vom Bürgerkrieg verwüsteten ehemaligen Jugoslawien und aus Afrika

IV. Die Zukunft staatlicher Souveränität

Die globale Informationsgesellschaft und die Grenzenlosigkeit der neuen Kommunikationstechniken stellt die staatliche Souveränität, die auch in anderen Bereichen mehr und mehr an ihre Grenzen stößt, vor neue Herausforderungen. Das reicht bis zur Annahme einer langen Periode fragmentarischer politischer Macht. Staatliche Souveränität bezeichnet die Priorität des Staates nach innen und Unabhängigkeit nach außen: Keine Macht darf und kann sich dem Letztentscheidungsrecht des Staates und seiner Fähigkeit, seine Entscheidungen durchzusetzen, mit Erfolg entgegenstellen oder entziehen. Das staatliche Gewaltmonopol ist ein zentraler Aspekt staatlicher Souveränität. Ideengeschichtlich ist dieses Konzept von Souveränität in den staatstheoretischen Arbeiten von Thomas Hobbes und anderen grundgelegt, und es hat sich historisch im Zuge der Überwindung der religiösen Bürgerkriege herausgebildet Nach wie vor ist es die Bedingung der Möglichkeit einer staatlichen Friedensordnung nach innen.

Die innere Souveränität findet ihren Bezug im Staatsvolk und Staatsgebiet. Im Zuge der informationstechnisch vorangetriebenen Globalisierung löst sich dieser Bezug allmählich auf. Die Bürger agieren zunehmend global, die Relevanz des Staatsgebietes nimmt ab. Information und Kommunikation kennen keine Staatsgrenzen mehr. Sie können staatliche Regelungsmacht umgehen. Der Staat kann Land, Arbeit und Kapital besteuern, aber nicht Wissen und Information. Immer mehr Individuen und Unternehmen entziehen sich dem staatlichen Gewaltmonopol. Die Bürger agieren unmittelbar und unabhängig von staatlicher Vermittlung auf der Weltbühne. Konnte der Staat bislang mit seinem Volk rechnen, weil es als Ganzes nicht davonlaufen konnte, können sich die global agierenden Bürger heute den Staat aussuchen, in dem sie leben und sich engagieren wollen.

Das hat verschiedene Ursachen, aber es wäre ohne die neuen Kommunikationstechniken kaum möglich. Treffend hat man von der „anwesenden Abwesenheit“ des Staates gesprochen Helmut Willke diagnostiziert eine „Entzauberung desStaates“ und meint, es sei absehbar, „daß die Krise des Staates sich zu einer Malaise der westlichen Demokratien’ ausweitet mit düsteren Perspektiven für die Zukunft der Demokratie in Europa“. Der Staat sei „zwischen die Mühlsteine von Globalisierung einerseits und Selbstorganisation andererseits“ geraten ’. Die Kontrolle über Informationen, Geldflüsse, Arbeitsmarkt und Wirtschaft entgleite dem Staat zunehmend. Das Bezugsfeld politischen Handelns -der Staat -drohe insgesamt fragwürdig zu werden.

In der Konsequenz bedeutet das, daß der Staat im Zeitalter der globalen Weltbürgergesellschaft um die Bürger werben muß. damit sie Wohnsitz, Investitionen, Erträge und Erfahrungen weiterhin in ihm einbringen. Dem Staat wächst eine neue Aufgabe zu: Er muß eine personale Standortpolitik betreiben; die Sicherung von Lebensqualität wird zur Staatsagenda, weil sich die Bürger andernfalls politischen Zumutungen entziehen können.

Angesichts dieser neuen Herausforderungen verlieren auch überkommene ideologische Handlungsmuster an Orientierungswert. In dieser Tendenz zur Versachlichung der Politik liegen Chancen und Risiken zugleich. Chancen, weil sachliche Diskussionen ohne Tabus und ideologische Verengungen geführt werden müssen. Risiken, weil es für die Lösung der neuen Probleme keine Erfahrungen gibt und die Politik auf Versuch und Irrtum verwiesen wird. Da sich die Politik nicht mehr an ideologischen Grundmustern orientieren kann, geht ihr auch ein zentraler Identifikationsfaktor verloren Pragmatismus allein kann politische Integration, die immer der Kraft des Glaubens an eine Idee bedarf, kaum leisten.

Ein weiterer Faktor ist bedeutsam: Die Potentiale der Informationstechnik für die Beobachtung, Aufzeichnung und die Auswertungsmöglichkeiten menschlichen Verhaltens führen zu einer weitaus größeren Transparenz. Soweit sie in der Hand von Staaten verbleiben, sind die neuen Möglichkeiten informationstechnischer Kontrolle und Überwachung politisch prinzipiell beherrschbar. Die neuen Möglichkeiten finden sich aber zunehmend auch in der Hand von Kräften, die aus dem Staats-verband gelöst sind -von Kräften, die keiner demokratischen Ordnung verpflichtet und keiner staatlichen oder internationalen Verwaltungsagentur verantwortlich sind. Es können gleichsam viele kleine „big brothers“ neu entstehen. Die Konse-quenz wäre, daß der Staat seinen Informationsvorsprung -und damit einen wichtigen Teil des staatlichen Gewaltmonopols -verliert. Andere Kräfte neben dem Staat könnten über noch viel genauere Informationen verfügen als er selbst.

Es stellt sich ein weiteres Problem: Zwischen innerer und äußerer Sicherheit wird man keinen Gegensatz mehr sehen. Die Infrastruktur von Hochtechnologieländern, von der alle Funktionsbereiche im Informationszeitalter in wachsendem Umfang abhängen, ist zunehmend gefährdet. Das wird sichtbar beim teilweise spielerischen Eindringen von „Hackern“ in hochabgesicherte Systeme von Unternehmen und Einrichtungen der Landesverteidigung. Diese mögliche computergestützte Störung oder Zerstörung ziviler oder militärischer Kommunikationssysteme wird auch als „Cyberwar“ bezeichnet. Deutschland ist auf diese Gefahren -im Gegensatz zu den USA -praktisch nicht vorbereitet „Die sogenannten Barbaren“, meint Jean-Marie Guehenno, „stellen ebensowenig eine politische Einheit dar“ wie eine staatliche Großorganisation. Die Barbaren sind in ihr, und sie bringt ihre „eigenen Barbaren hervor“

Trotz allem: Der Nationalstaat ist keineswegs ein Auslaufmodell. Der Mythos vom machtlosen Staat ist nur ein Mythos. Weder existiert bislang eine Weltregierung, noch eine Weltgesellschaft Trotz Globalisierung und der Einbuße von Wirkungsmöglichkeiten bleiben die Aufgaben und Funktionen des Staates auf den verbleibenden Gebieten unerläßlich. So ist eine Marktökonomie -wie in Osteuropa zu sehen ist -nicht selbsttragend und selbststeuerungsfähig; sie bedarf vielmehr umfassender institutioneller Absicherung, will sie nicht zum Schaden aller in einen archaischen Räuberkapitalismus umschlagen. Äußere Sicherheiten und innere Rechtssicherheit kann nur der Staat bereitstellen. Nur der Staat kann Gesetze erlassen und für alle wirksam durchsetzen.

Der Bürger ist auf die staatliche Bereitstellung einer optimalen Infrastruktur angewiesen, wozu unter anderem Rechts-und innere Sicherheit, Eigentumsrechte, die Gewährleistung effizienter Verkehrs-und Kommunikationsnetze, ein funktionierendes Bildungssystem, die Freiheitlichkeit des Gemeinwesens und seine Verfassungsstaatlichkeit gehören. Auch bei einem globalen Aktionsfeld braucht der Bürger die verläßliche Basis dieser Standortfaktoren Der Staat muß die weltbürgerliche Kompetenz seiner Bürger -Informationsund Sprachkompetenz, Flexibilität und Mobilität -fördern, denn nur so kann er seinen personalen Bestand wahren und zusammen mit der Gesellschaft in den globalen Wettbewerb treten.

Wenn darüber hinaus heute vom Staat gefordert wird, als Moderator kooperative Arrangements herzustellen, ist das eigentlich nichts Neues. Schon Carl Schmitt hatte in seiner „Politischen Theologie“ den Extremfall des Bürgerkriegs vor Augen, und Rüdiger Altmann versuchte 1965, dieses Gespenst mit seinem Entwurf der „Formierten Gesellschaft“ zu bannen Einerseits werden Staat und Bürger zwar voneinander unabhängiger, andererseits sind sie aber weiterhin auf enges Kooperieren angewiesen.

V. Bildung als zentrale Zukunftsaufgabe

Die neuen Medien mit ihren vielfältigen Möglichkeiten der realen Abbildung wie virtuellen Darstellung, der Gestaltung und Übertragung von Inhalten beeinflussen zunehmend auch den Bildungsbereich. Der Strukturwandel zur soge-nannten „Informationsgesellschaft“ macht grundlegende Reformen im Bildungs-und Ausbildungssystem notwendig. Es darf nicht zu einem Engpaß für den Strukturwandel werden. Deshalb müssen allgemeinbildende Schulen, Berufsschulen, Fachhochschulen und Universitäten auf die nachhaltig veränderten Anforderungen der Qualifikationsprofile der Erwerbstätigen zügig und umfassend reagieren.

Unabhängig von ihrer Herkunft müssen die Bürger Zugang zu den neuen Diensten erhalten, neue Formen der Ausgrenzung müssen vermieden werden. Bildung sollte ein Schwerpunkt in Politik und Gesellschaft sein -eine Forderung nicht nur der Enquete-Kommission, der in der bildungspolitischen Wirklichkeit bislang wenig entspricht. Derzeit bewegen sich 15 Prozent der deutschen Bevölkerung an der Grenze zum Analphabetentum

Kinder verbringen täglich im Durchschnitt drei Stunden vor dem Fernseher und nur zehn Minuten mit Lesen. Dies ist ein Alarmzeichen für die Bildungsentwicklung und damit für eine angestrebte Informations-und Wissensgesellschaft.

Um mit der Flut von Informationen sinnvoll umgehen zu können, ist vor allem klassische Bildung nötig, die Inhalte und Wissen vermittelt, nicht nur fachliche Qualifikation. Ein Zauberwort in der Bildungsdebatte heißt „Medienkompetenz“. Oft wirkt es wie eine Abwehrformel von Politikern und Medienunternehmen, die notwendige staatlich-gesellschaftliche Entscheidungen auf den Bürger, also auf Familien, Jugendliche und Kinder abwälzen. Gerade junge Menschen sind oft überfordert, aus der Fülle von Informationen und Unterhaltungsangeboten sinnvoll auszuwählen. Die Medien verleiten zum passiven Konsum. Sie können Realerfahrungen ebensowenig ersetzen wie das Erlernen von individueller Kommunikationsfähigkeit und von sozialem Verhalten. Gleichwohl prägen sie die jeweiligen Weltbilder massiv. Weil das einmal erworbene Wissen immer schneller veraltet, ist die Bereitschaft und das eigene Engagement zu lebenslangem Lernen gefordert. Berufliche Weiterbildung wird für immer mehr Menschen zur existentiellen Notwendigkeit. Deshalb bedarf es hier großer öffentlicher Anstrengungen. Dazu gehört, daß Hoch-und Fachhochschulen entsprechend ihrer Bedeutung in der Wissens-und Informationsgesellschaft angemessen ausgestattet werden müssen. Die öffentliche Debatte krankt zur Zeit daran, daß zu viel über technische Standards und elektronische Transport-wege, über wirtschaftliche Erfordernisse und strategische Allianzen, zu wenig dagegen über Inhalte, kulturelle Maßstäbe und Bildungsziele geredet wird.

VI. Unzureichender Jugendschutz

Die jüngsten Fälle von Kinderpornographie und ihrer Verbreitung per Internet haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt, und es wird ein wirksamerer Jugendschutz gefordert. Das sollte neben dem Internet auch für das Fernsehen insgesamt gelten. Schließlich wird hier die Droge Gewalt massen-wirksam -auch für Kinder -unvermindert weiter verbreitet. Zwar gibt es in Deutschland inzwischen Jugendschutzbeauftragte bei Fernsehsendern und Unternehmen. Seit dem Aufkommen der Diskussion um schädigende Inhalte im Internet haben sich Provider zu Selbstkontrollgremien zusammengeschlossen. Die Jugendschutzbeauftragten nehmen die Aufgaben entsprechend dem neuen Informations-und Kommunikationsdienstegesetz (luKDG) wahr Mit der „Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia“ (FSM) wurde eine entsprechende Einrichtung der Wirtschaft ins Leben gerufen. Daneben gibt es mit „Jugendschutz. net“ eine gemeinsame Einrichtung der Länder zur Unterstützung der zuständigen Landesbehörden „Jugendschutz. net“ überprüft Angebote in den Mediendiensten nach jugendschutzrelevanten Inhalten und wirkt durch Empfehlungen darauf hin, daß Provider diese verändern oder aus dem Angebot herausnehmen. Hierzu sind sie nach § 5 Abs. 2 Teledienstegesetz verpflichtet.

Aber dies alles wirkt unzureichend, scheint manchmal auch nur Alibicharakter zu haben. Massive Gewaltdarstellungen im Fernsehen gibt es ebenso weiterhin wie auch die Ausstrahlung von Filmen, die von der Bundesprüfstelle als jugendgefährdend indiziert wurden. „Jugendschutz. net“ hat keine hoheitlichen Befugnisse und ist auf Medien-dienste beschränkt. Für Teledienste ist dagegen die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zuständig. Hier gibt es offensichtlich Überschneidungen in den Zuständigkeiten. Zweckmäßig wäre daher eine allgemein bekannte bundesweite Melde-und Erfassungsstelle für im Internet aufgefundene Kinderpornographie und für Verletzungen des Jugendschutzes im Fernsehen. Das deutsche Jugendschutzrecht ist insgesamt zu unübersichtlich geregelt, es sollte auf seine Wirksamkeit hin überprüft werden. Das Problem ist letztlich ein gesellschaftliches: Die Tabuisierung der Gewalt hat insgesamt abgenommen. Die zeitgemäße Forderung muß deshalb die nach einer neuen Zivilisationspolitik sein.

VII. Buchpreisbindung als Voraussetzung für kulturelle Vielfalt

Zeitungen werden sich auch im Online-Zeitalter behaupten können. Aber neben der horizontalen Ebene der Tagesaktualität werden sie auch die vertikale Ebene der vertiefenden Differenzierung erschließen. Der Journalismus geht zu Ende, dessen Produkte lediglich rezeptiv konsumiert werden können. Von jedem Bericht aus kann der Leser in Zukunft durch Links weiterkommen: vom Vordergrund der Tagesaktualität in den vertiefenden Hintergrund. Die Zeitung wird so zum täglichen Ausgangspunkt der elektronischen Selbstvergewisserung des Lesers, sie wird intelligenter und durch ihre Interaktivität gleichzeitig spielerischer Gleichwohl bleibt der Beruf des Journalisten unverzichtbar, um das kommunikative Chaos zu strukturieren und eine originelle, authentische Berichterstattung zu leisten.

Auch der Buchmarkt wird sich langfristig teilweise ändern und unsere Buchkultur erweitern. Das elektronische Publizieren findet nicht nur bei Online-Redaktionen statt, sondern auch beim elektronischen Buch Es wird dem heutigen, auf Papier gedruckten, ähneln. In einem Kasten von annähernd gleicher Größe und gleichem Gewicht wie bei einer gebundenen Ausgabe von heute wird sich ein Display befinden, auf dem Texte, Bilder und Filme zu sehen sind. Mit Hilfe eines solchen Geräts wird man Zugang zu jedem Dokument im Netz haben können. Als Folge dieser Entwicklung werden sich die Bedeutungen von Begriffen wie „Autor“, „Verleger“ und „Dokument“ wandeln.

Während dies aber noch eher im Reich der Zukunft liegt, hat sich die Enquete-Kommission aktuell mit der umstrittenen Frage der Buchpreisbindung befaßt. Wie wichtig der Buchmarkt für Deutschland -das Land Johannes Gutenbergs -ist, zeigt sich nicht nur an der kulturellen Bedeutung und Ausstrahlung der Buchmessen in Frankfurt a. M. und Leipzig, sondern auch am Anstieg der Buchproduktion um 8, 9 Prozent im letzten Jahr. Die Zahl der Buchhandlungen nahm 1997 um 2, 6 Prozent zu, die Zahl der Beschäftigten im Buchhandelsgewerbe stieg um 2 Prozent auf knapp 140 000

Im Falle einer Aufhebung der Buchpreisbindung durch die EU-Kommission wird der Börsenverein des Deutschen Buchhandels beim Europäischen Gerichtshof klagen. Der EU-Position liegt die irrtümliche Annahme zugrunde, man könne jeden Lebensbereich -also auch die Kultur und den Vertrieb von geistigen Erzeugnissen, wie es Bücher ja sind -kommerzialisieren und nach ausschließlich ökonomischen Kriterien erfassen, was allerdings keine adäquate Betrachtung ist. Denn nach Ansicht der Medien-Enquete-Kommission sind die Pläne der EU, die zwischen Deutschland und Österreich bestehende grenzüberschreitende Buchpreisbindung zu beseitigen, nichts anderes als „kulturfeindlich“ Auch in der teilweisen Beseitigung der Buchpreisbindung für kulturell weniger anspruchsvolle Bücher sieht die Enquete-Kommission keine akzeptable Lösung, würde es doch „einer Zensur gleichkommen“, wenn die Bücher nach ihrer Kulturwürdigung klassifiziert werden Das widerspräche ebenso unserem Kulturverständnis wie unserer demokratischen Tradition. Würden Bücher dem vollen Preiswettbewerb unterliegen, könnte es sich kein Verlag mehr leisten, anspruchsvolle Titel mit geringeren Auflagen von Bestsellern mitfinanzieren zu lassen (soge-nannte Mischkalkulation). Die unausweichliche Konsequenz wäre ein völlig kommerzialisierter Buchmarkt, mit negativen Folgen für die Vielfalt des Bücherangebotes, der Buchhandlungen sowie für die existentielle Grundlage vieler Autoren. Die Enquete-Kommission plädiert deshalb mit Nachdruck dafür, die Buchpreisbindung auch in Europa rechtlich abzusichern.

VIII. Medienfolgenabschätzung

Medienpolitik muß heute als integrierte Kommunikationspolitik verstanden und gestaltet werden. Da die Medien alle Bereiche unserer Gesellschaft durchdringen, wird Medienpolitik zur Querschnittsaufgabe. Das Thema Medienkonzentration wird uns weiter beschäftigen. Zwar gilt in Deutschland das Kartellrecht als sichernde Auffangbarriere weiter. Gleichzeitig wurde aber im Rundfunkstaatsvertrag die einschlägige Regelung zur Sicherung der Meinungsvielfalt vom bisherigen starren Quotenmodell, das auf die Kapitalbeteiligung an einem Sender abstellte, auf das beweglichere Zuschauermarktanteilsmodell ümgestellt.

Danach darf jedes Medienunternehmen maximal einen Zuschauermarktanteil von 30 Prozent erreichen. Dies ist bislang noch nicht geschehen, weshalb auch noch keine praktische Erfahrung darüber vorliegt, was im Konfliktfall geschieht, wenn ein Medienunternehmen die 30 Prozent erreicht oder überschritten hat. Kann dann noch wirksam gegen diese Medienmacht vorgegangen werden? Oder kommt es lediglich zu einer Mauschelei der Beteiligten über die Einrichtung von Programmbeiräten und sogenannten Fensterprogrammen, wie es nach dem Rundfunkstaatsvertrag möglich ist? Schon zeichnen sich neue Allianzen am europäischen Horizont ab, nachdem eine engere Kooperation zwischen den deutschen Medienhäusern Bertelsmann, Kirch und Telekom gescheitert ist. Über einen europäischen Medienverbund -eine in Luxemburg ansässige Holding unter dem Arbeitstitel „Traviata“ -könnten sich Berlusconi, Murdoch und ein saudischer Prinz an Kirchs weitverzweigtem Medienreich beteiligen. Das Konsortium Bertelsmann/CLT/Ufa wäre dann von seiner bisher in Europa führenden Position im Bereich des privaten Fernsehens verdrängt.

Die Medien prägen die politische Kultur Deutschlands maßgeblich mit. Die Medienentwicklung ist deshalb -auch angesichts der Gefahren durch forcierte Konzentrationsprozesse -für die Bewahrung und Entwicklung der Demokratie zu wichtig, als daß man sie einem ungezügelten, deregulierten Markt überlassen könnte, auf dem vor allem ökonomische Interessen verfolgt werden. Ähnlich wie bei der Technikfolgenabschätzung sollte es eine politische Begleitung in Form einer institutionalisierten Medienfolgenabschätzung geben. Das könnte zunächst als Neueinsetzung einer Medien-Enquete-Kommission des Bundestages erfolgen, wie es die bisherige Enquete-Kommission empfohlen hat Später könnte an ihre Stelle ein ständiger Medienrat auf der Bund-Länder-Ebene treten, wie er schon wiederholt gefordert, aber bislang noch nicht eingerichtet wurde.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Deutscher Bundestag, Schlußbericht der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft -Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“, Drucksache 13/11004, 22. 6. 1998.

  2. Vgl. Schlußbericht, ebd., S. 111.

  3. Konkret sind es die Bereiche Technik, Wirtschaft, Arbeit, Bildung, Bürger und Staat, Gesellschaft, Umwelt und Verkehr, Schutz des Urheberrechts, Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung, Jugendschutz, Verbraucher-schutz und Strafrecht.

  4. Es sind dies 1. „Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt, Wettbewerb -Rundfunkbegriff und Regulierungsbedarf bei den neuen Medien“; 2. „Neue Medien und Urheberrecht“; 3. „Jugendschutz im Multimediazeitalter“; 4. „Sicherheit und Schutz im Netz“ und schließlich 5. „Verbraucherschutz in der Informationsgesellschaft“.

  5. Dies sind 1. „Zur Ökonomie der Informationsgesellschaft -Perspektiven, Prognosen, Visionen“; 2. „Medienkompetenz im Informationszeitalter“; 3. „Arbeitswelt in Bewegung -Trends, Herausforderungen, Perspektiven“ und 4. „Bürger und Staat“ (in Vorbereitung).

  6. Vgl. Einsetzungsbeschluß, Drucksache 13/3219.

  7. In Deutschland vollzog sich dieser Prozeß wesentlich geordneter als etwa in Italien; vgl. Heike Wülfing, Das deutsche und italienische Fernsehsystem, Bonn 1998.

  8. Als Reaktion darauf begann die Clinton-Administration 1994 ihr Superhighway-Projekt.

  9. Wie sie seit der „kleinen Parlamentsreform“ 1969 besteht.

  10. Vgl. Schlußbericht (Anm. 1), S. 114-162.

  11. Heiko Braß, Enquete-Kommissionen im Spannungsfeld von Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit, in: Thomas Petermann (Hrsg.), Das wohlberatene Parlament, Berlin 1990, S. 65-95, hier S. 94.

  12. Vgl. Stellungnahme der christlichen Kirchen zum EU-Grünbuch vom 22. 4. 1998, Abschnitt 4, Bonn 1998.

  13. Der von CDU/CSU und FDP verabschiedete Schlußbericht der Enquete-Kommission ist hier freilich restriktiver ausgefallen als das Votum von Bündnis 90/Die Grünen, vgl. Schlußbericht (Anm. 1), S. 12, 116.

  14. Jacob Burckhardt, Die Polis, in: ders., Bilder des Ewigen, Zürich 1997, S. 7-51, hier S. 32.

  15. In Großbritannien wurde hierfür der Begriff „spin-doctor“ geprägt. Vgl. Klaus Kocks, Welche Fäden spinnt denn diese neue Spezies?, in: Frankfurter Rundschau vom 15. 7. 1998, S. 18; Jürgen Falter, Alle Macht dem Spin Doctor, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. 4. 1998, S. 11 f.

  16. Jan Roß, Die neuen Staatsfeinde, Berlin 1998, S. 145.

  17. Zumal es eher um Digitalisierung als um Elektronik geht. Vgl. Minderheitenvotum von Bündnis 90/Die Grünen im Schlußbericht (Anm. 1), S. 138. Es gab zwar auch schon früher einige Verheißungen wie „Computerdemokratie“ oder „Kabeldemokratie“, die sich aber nicht erfüllten.

  18. Z. B.der Bertelsmann-Stiftung in den USA; vgl. Statement von Marga Pröhl bei der Öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission am 22. 9. 1997.

  19. Vgl. Christoph H. Werth, Per Internet ins Parlament, in: Evangelische Kommentare, (1997) 9, S. 534-536.

  20. Vgl. Statement von Jörg Blumenthal, Stadtverwaltung Mannheim, bei der Öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission am 22. 9. 1997.

  21. Vgl. Christoph Bieber/Eike Hebecker, Uni-Streik: Im Netz ist Bewegung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (1998) 2, S. 157-161.

  22. Vgl. Christoph H. Werth, Internet für Afrika, in: Afrika-Post, (1997) 1-2, S. 36 f.

  23. Vgl. Friedrich Meinecke, Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte, München-Wien 1976, S. 249 ff., 259 ff.

  24. Alex Demirovic, zit. nach Bernd Röttger, Politökonomische Kritik oder politizistische Skandierung?, in: Total global? Supplement der Zeitschrift Sozialismus, (1997) 10, S. 13-23. hierS. 18.

  25. Helmut Willke, Supervision des Staates, Frankfurt a. M. 1997, S. 347 f.

  26. Vgl. Statement Otto Depenheuer beim Expertengespräch der Enquete-Kommission am 2. 2. 1998.

  27. Vgl.den Beitrag von Bernhard Rabert, in: Das Parlament vom 25. 9. 1998.

  28. Jean-Marie Guehenno, Das Ende der Demokratie, München-Zürich 1994, S. 166.

  29. Allenfalls gibt es die Ausbildung multilateraler Welt-systeme im Sinne exterritorialer Funktionssysteme mit globaler Reichweite, etwa bei den Geld-und Finanzmärkten.

  30. Insofern sollte die Staatsangehörigkeit zum Anknüpfungspunkt für eine Steuerpflicht gemacht werden.

  31. Vgl. Rüdiger Altmann, Abschied vom Staat. Politische Essays, Frankfurt a. M. -New York 1998, S. 61-70.

  32. Nach Mitteilung der „Stiftung lesen“, vgl. Die Welt vom 1. 8. 1998.

  33. Informations-und Kommunikationsdienstegesetz, in Kraft seit 1. 8. 1997; vgl. Stefan Engel-Flechsig, luKDG -Rechtliches und technisches Neuland, in: Kommunikation & Recht, 1. Jg., April 1998, S. I.

  34. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Mediendienstestaatsvertrag.

  35. Vgl. Jürgen Dörmann/Ulrich Pätzold, Journalismus, neue Technik, Multimedia und Medienentwicklungen, in: Journalist, (1998) 7, S. 59-70, hier S. 61.

  36. Vgl. Bill Gates, Der Weg nach vorn. Die Zukunft der Informationsgesellschaft, Hamburg 1995, S. 167 f.

  37. Vgl. Stuttgarter Zeitung vom 29. 7. 1998.

  38. Schlußbericht (Anm. 1), S. 102.

  39. Ebd.

  40. Vgl. ebd., S. 113.

Weitere Inhalte

Christoph H. Werth, Dr. phil., M. A., geb. 1959; Studium der Politischen Wissenschaft, Rechtswissenschaft, Soziologie und Germanistik; von Mai 1996 bis März 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien“ des Deutschen Bundestages; seit April 1998 im Referat „Medienpolitik, Medienrecht“ des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie tätig; Berater der Fachhochschule Bonn/Rhein-Sieg; Lehrbeauftragter für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Konrad Adenauer -Strategie und Weitsicht, Frankfurt a. M. 1991; Sozialismus und Nation. Die deutsche Ideologiediskussion zwischen 1918 und 1945, Wiesbaden 1996; zahlreiche Artikel und Aufsätze zur Medienpolitik, politischen Theorie und Zeitgeschichte.