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Die Folgen der Iranischen Revolution von 1979 für die Wirtschaft | APuZ 19/1999 | bpb.de

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APuZ 19/1999 Islamischer Internationalismus oder realpolitischer Pragmatismus? Zwei Jahrzehnte Außenpolitik der Islamischen Republik Iran Der Islam und die Iranische Revolution von 1979 Zur Entstehung und Veralltäglichung einer charismatischen Herrschaft im nachrevolutionären Iran Die Folgen der Iranischen Revolution von 1979 für die Wirtschaft

Die Folgen der Iranischen Revolution von 1979 für die Wirtschaft

Javad Kooroshy

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Revolution von 1979 war besonders für die iranische Wirtschaft folgenreich. Sie behinderte nicht nur den weiteren Aufbau eines modernen Industriesektors, sondern fügte diesem schweren Schaden zu. Mit der Verstaatlichung der wichtigsten Industriebetriebe und den damit einhergehenden Verwaltungspflichten, die der Staat sich selbst aufbürdete, entstanden neue staatliche Institutionen. Diese Institutionen -zusammen mit den neuen religiösen und karitativen Einrichtungen -bildeten die Grundlagen für den heutigen mächtigen Staatssektor. Die Folgen dieser Umstrukturierung der Wirtschaft waren ein starker Rückgang der Investitionen und der Produktion, eine Über-alterung der Industrieanlagen sowie hohe Inflations-und Arbeitslosigkeitsraten. Des weiteren gab es eine Zunahme der Korruption, des Mißbrauchs öffentlicher Mittel und Rent-Seeking-Aktivitäten. Erst am Ende der ersten Dekade nach der Revolution konnte sich die politische Führung Irans für eine Reformierung der Wirtschaft entscheiden. Die Umsetzung der beschlossenen Reformen stieß jedoch nach ihrem Beginn auf den Widerstand derjenigen Kräfte, die von der bestehenden Wirtschaftsordnung profitierten. Die Einleitung der Reformen konnte keine bedeutenden Strukturveränderungen herbeiführen, wirkte aber dennoch positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und förderte zeitweise die Investitionen. Mit der Wahl Khatamis zum Staatspräsidenten im Mai 1997 begann eine neue politische und wirtschaftliche Phase in der Geschichte der Islamischen Republik. Seit seiner Amtsübernahme hat sich gleichwohl die Lage der iranischen Wirtschaft spürbar verschlechtert. Insbesondere der starke Rückgang der Deviseneinnahmen infolge des Rückgangs des Erdölpreises hat die Regierung vor schwer lösbare Aufgaben gestellt. Da jedoch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Irans überwiegend politischer Natur sind, könnte die Durchsetzung des politischen Kurses von Khatami und seine Politik der Öffnung gegenüber dem Westen zur Überwindung auch der wirtschaftlichen Probleme des Landes beitragen.

I. Einleitung

Seit dem Sturz des Schah-Regime 1979 und der Ausrufung der Islamischen Republik Iran hat das Land tiefgreifende Umbrüche erfahren. Sie betreffen nicht nur den politischen, sondern auch den sozialen, ökonomischen und kulturellen Bereich. Dieser noch andauernde Umbruchprozeß hat sich besonders auf die Wirtschaftsstruktur des Landes und deren Entwicklung ausgewirkt. Die wirtschaftliche und die politische Entwicklung im Iran kann seit der islamischen Revolution in fünf Etappen eingeteilt werden:

-die Ära der provisorischen Regierung (Februar bis November 1979), -die Zeit zwischen dem Rücktritt Bazargans im November 1979 und der Wahl Musawis als Premierminister zum Ende des Jahres 1981, -die Amtszeit Musawis als Ministerpräsident und Khameneis als Staatspräsident (19811989), -die Amtszeit Hashemi Rafsanjanis als Staats-präsident (1989-1997) und schließlich die Zeit nach der Wahl Khatamis zum Staats-präsidenten seit Mai 1997.

Im folgenden wird der Versuch unternommen, die Folgen der Revolution von 1979 für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Iran zu analysieren und die Hauptstadien dieser Entwicklung zu skizzieren.

II. Die Wirtschaftsentwicklung in der Dekade vor der Revolution

Die Regierung der Islamischen Republik übernahm die Geschicke des Iran in einer Zeit, in der sich die iranische Wirtschaft -verglichen mit vielen Entwicklungs-und OPEC-Ländern -in einer guten Verfassung befand. Die letzten zehn Jahre vor der Revolution waren durch ein kontinuierliches Wachstum gekennzeichnet Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betrug durchschnittlich 14, 3 Prozent Noch im Revolutionsjahr lag das BIP bei 3. 266, 9 Mrd. Rial (umgerechnet ca. 46, 6 Mrd. US-Dollar) Das Pro-Kopf-Einkommen betrug im Revolutionsjahr 142 000 Rial (umgerechnet ca. 2. 300 US-Dollar) und die iranische Währung galt als eine stabile und konvertierbar Somit besaß die iranische Wirtschaft während des politischen Machtwechsels im Februar 1979 ein stabiles Fundament, das es der neuen Regierung ermöglichte, relativ leicht die politische, soziale und ökonomische Umgestaltung des Landes vorzunehmen.

III. Die Wirtschaftsentwicklung in der ersten Dekade nach der Revolution

Die erste Dekade nach der iranischen Revolution umfaßt drei Phasen: die Ära der provisorischen Regierung (Februar bis November 1979), die Zeit zwischen dem Rücktritt Bazargans im November 1979 und der Wahl Musawis als Premierminister zum Ende des Jahres 1981 und die Amtszeit Musawis als Ministerpräsident und Khameneis als Staatspräsident (1981-1989).

Die Ära der provisorischen Regierung begann unmittelbar nach der Revolution und dauerte zirka neun Monate. Sie zeichnete sich einerseits durch revolutionäre Euphorie und Unordnung und andererseits durch den Verfall der alten Ordnung und das dadurch entstandene politische Chaos sowie ein gesetzliches Vakuum aus. In diese Zeit fällt der Machtkampf zwischen der konservativen Geistlichkeit und den säkularen bzw. modernistisch orientierten religiösen Kräften. Der Revolutionsrat dominierte in dieser Periode die Politik und bestimmte durch viele radikale Beschlüsse die politische Richtung. Diese Beschlüsse bildeten die Grundlage für die zukünftige politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes; sie werden auch noch in ferner Zukunft im Bereich der Wirtschaft bestimmend sein. Besonders wichtig für die spätere wirtschaftliche Entwicklung des Landes und für die derzeitige Lage der Wirtschaft waren die Beschlüsse zur Verstaatlichung der Schlüsselindustrien, der Banken und Versicherungen.

Die zweite Phase, die Ende 1979 begann, war gekennzeichnet durch eine Reihe von wichtigen politischen Ereignissen: Am 4. November 1979 wurde die US-Botschaft in Teheran besetzt. Zwei Tage später wurden durch die Eingliederung des Revolutionsrats in die provisorische revolutionäre Regierung unter Bazargan die gemäßigten Kräfte um diesen ausgeschaltet und durch militante ersetzt. Die Geiselnahme der Botschaftsangehörigen wurde im Machtkampf zwischen der Geistlichkeit und den säkularen und moderaten religiösen Kräften instrumentalisiert. Das Einfrieren der iranischen Guthaben in den USA am 14. November 1979 und das später verhängte Wirtschaftsembargo gegen das Land seitens der USA und ihrer Verbündeten stellten die iranische Regierung vor schwere Probleme. Diese wurden noch durch den Ausbruch des Krieges mit dem Irak (September 1980) verschärft, in dessen knapp achtjährigem Verlauf die Grundlagen der iranischen Wirtschaft völlig zerrüttet wurden. Innenpolitisch erlebte der Iran eine schwierige Zeit, in deren Verlauf der erste Staatspräsident Banisadr gewählt wurde und sich das Parlament konstituierte. Die Absetzung Banisadrs am 21. Juni 1981 und seine spätere Flucht ins Ausland führten zum Bruch zwischen den religiös-moderaten Intellektuellen und Politikern einerseits und den konservativen und militanten Islamisten andererseits.

Die dritte Phase begann mit der Wahl Khameneis zum Staatspräsidenten im September 1981, nachdem der zweite Staatspräsident Rajayi und sein Premierminister Bahonar nach einer nur knapp zweimonatigen Amtszeit am 30. August 1981 einem Anschlag zum Opfer fielen. Zwischenzeitlich war Ayatollah Mahdawi-Kani vom „Provisorischen Rat des Staatspräsidenten“ zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Er wurde von Mir Hossain Musawi am 27. Oktober 1981 abgelöst. Mit ihm begann die Konsolidierung der politischen Lage. Die erste Dekade nach der Revolution war gekennzeichnet durch die Anstrengung der Islamisten, die „islamische“ Wirtschaftsordnung zu realisieren. Unter anderem wurde die Vorbereitung und die Verabschiedung einiger Gesetze, wie z. B. das Außenhandelsgesetz, das Gesetz über die Regulierung der Wirtschaftsaktivitäten des privaten Sektors, das Gesetz über das zinslose Kredit-wesen usw., in Angriff genommen

Die Kriegführung dominierte in dieser Phase die Politik des Landes. Mit dem Kriegsende und der Verfassungsänderung im Jahr 1988 ging die Ära Musawis zu Ende. Geprägt von den kontroversen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Fraktionen, war die Entwicklung der iranischen Wirtschaft in der ersten Dekade durch große Schwankungen gekennzeichnet: -Die negative Wachstumsrate des BIP, die schon im Revolutionsjahr (1979) bei 16, 7 Prozent lag setzte sich in den ersten zwei Jahren nach der Revolution fort, so daß das BIP sich um 4 Prozent bzw. 16, 5 Prozent verringerte In den Jahren 1981/82 bis 1984/85 stieg das BIP jeweils um 2, 2, 15, 2, 12, 4 und 0, 1 Prozent an In den darauffolgenden Jahren war ein starker Rückgang zu verzeichnen. Insgesamt verringerte sich die Summe des BIP (in konstanten Preisen von 1974) in der ersten Dekade nach der Revolution um 20 Prozent Den Einschätzungen der iranischen Handelskammer zufolge sank das BIP in diesem Zeitraum sogar um 24 Prozent Nach den Angaben der Zentralbank lag das BIP im Jahr 1988/89 13 Prozent unter dem Niveau des Jahres 1977/78 obwohl in diesem Zeitraum die Bevölkerungszahl um 53 Prozent zugenommen hatte. Infolge dieser Entwicklung fiel das BIP pro Kopf auf das Niveau des Jahres 1969 und lag im Jahr 1988/89 bei nur noch 58 900 Rial im Vergleich zu 114 000 Rial im Jahr 1977/78. -In der Zeit nach der Revolution ging das Produktionsvolumen der Industrie erheblich zurück. Die Kapazitätsauslastung der Industriebetriebe sank bis auf 40 Prozent Besonders in den staatseigenen Unternehmen waren Produktionseinbrüche keine Seltenheit. Die meisten dieser Betriebe arbeiten seit ihrer Verstaatlichung bzw. Konfiszierung mit Verlust. Die Überalterung der Industrieanlagen ist u. a. einer der wesentlichen Gründe für diese Entwicklung. Nach den Angaben der „Organisation für nationale Industrie Irans“ sind bis zum März 1989 über 49 Prozent der Maschinen und 26 Prozent der Anlagen in den ihr unterstehenden Industriebetrieben amortisiert gewesen. Die Produktivitätsrate dieser Betriebe ist auf 43, 3 Prozent gesunken Während die Summe der Investitionen in der Dekade vor der Revolution im Durchschnitt jährlich um 18, 33 Prozent zunahm und ein Jahr vor der Revolution 33 Prozent zunahm und ein Jahr vor der Revolution 1 074, 7 Mrd. Rial betrug, fiel sie in der ersten Dekade nach d Prozent der Anlagen in den ihr unterstehenden Industriebetrieben amortisiert gewesen. Die Produktivitätsrate dieser Betriebe ist auf 43, 3 Prozent gesunken 16. Während die Summe der Investitionen in der Dekade vor der Revolution im Durchschnitt jährlich um 18, 33 Prozent zunahm und ein Jahr vor der Revolution 1 074, 7 Mrd. Rial betrug, fiel sie in der ersten Dekade nach der Revolution auf 465, 39 Mrd. Rial zurück 17. -Die Investititonsquote im Jahr 1988/89 lag bei 15 Prozent im Vergleich zu 4 im Jahr 1977/78 18. Die Pro-Kopf-Investition betrug im selben Jahr 8 650 Rial und entsprach damit dem Niveau im Jahr 1968/69 19. Die Summe der Nettokapitalbildung im Jahr 1988/89 betrug nur noch 3, 8 Prozent des BIP im Vergleich zu 5 Prozent im Jahr 1977/78 20. Das Pro-Kopf-Einkommen, das im Jahr vor der Revolution bei 142 000 Rial (ca. 2 300 US-Dollar) lag 21, fiel auf 700 US-Dollar 22. -Den Angaben des Ersten Fünfjahresplanes zufolge waren im Jahr vor der Aufstellung des Plans 1988/89 14, 1 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos 23 im Vergleich zu 7, 1 Prozent im Jahr 1976/77 24. Die Pro-Kopf-Produktivität der Erwerbsfähigen ist dem Plan zufolge zwischen 1976 und 1986 auf 33 Prozent zurückgegangen 25. -Trotz verstärkter Förderung der Landwirtschaft erreichte die Produktion im Agrarsektor nicht den gewünschten Selbstversorgungsgrad und stieg durchschnittlich im Jahr um zirka fünf Prozent an 26. Nach Angaben des Landwirtschaftsministers Kalantari lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Agrarsektors in der ersten Dekade nach der Revolution noch niedriger, und zwar unter dem Niveau der Wachstumsrate der Bevölkerung, also unter 3, 9 Prozent 27. -Die Entwicklung des iranischen Außenhandels war ebenso wie die aller anderen Wirtschaftsbereiche von starken Schwankungen gekennzeichnet. Das Exportvolumen der Nicht-Ölprodukte, das im Jahr 1977/78 bei 625 Mio. US-Dollar lag, stieg im ersten Jahr nach der Revolution auf 811 Mio. US-Dollar an 28. 1987/88 erreichte der Export die Höhe von 1 169 Mio. US-Dollar Betrachtet man den Wertverlust des US-Dollar, so ist eine Stagnation des Exports festzustellen. Dies hängt auch zum Teil davon ab, daß sich die Struktur des Exports von Nicht-Ölprodukten in der ersten Dekade nach der Revolution unbedeutend änderte. -Die sozialen Folgen dieser Wirtschaftspolitik sind unübersehbar: Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung, zunehmende Verarmung breiterer Schichten und Bereicherung einer kleinen Oberschicht, so daß seit Bestehen der Islamischen Republik die Vermögenskonzentration bei der zahlenmäßig kleinen Oberschicht der Bevölkerung zugenommen hat. Die Untersuchungen der Einkommen und Ausgaben der privaten Haushalte zeigen, daß im Jahr 1986/87 die durchschnittliche Summe der Ausgaben der städtischen Haushalte bei 1, 3 Mio. Rial lag. Die Summe der Ausgaben von zirka 19 Prozent der städtischen Haushalte lag jedoch zwischen weniger als 120 001 und 480 000 Rial, während 40 Prozent der Haushalte zwischen 480 001 und 1, 2 Mio. Rial ausgeben konnten. Das bedeutet, daß zirka 60 Prozent der städtischen Haushalte ein Einkommen unter dem durchschnittlichen Niveau gehabt haben. Die reichste Haushaltsgruppe verfügte über eine Kaufkraft, die 20 mal höher lag als bei der zweitärmsten. Nur drei Prozent der Haushalte verfügten über 97 Prozent der Bargeldeinlagen des Landes, und 3 000 von 10 Mio. Haushalten besitzen den größten Teil dieser Einlagen

Die politische Führung der Islamischen Republik versucht, die katastrophale wirtschaftliche Entwicklung in der ersten Dekade nach der Revolution als Folge des achtjährigen Krieges mit dem Irak zu rechtfertigen. Dies entspricht jedoch, angesichts ihrer Verantwortung für die Fortsetzung des Krieges, nicht ganz der Realität. Es ist zwar unbestritten, daß der Irak dem Iran den Krieg aufzwang; dessen Fortsetzung nach der Befreiung der Hafenstadt Khorramshahr im Jahr 1982 ist aber der politischen Führung Irans anzulasten, die trotz der Bereitschaft des Irak zum Friedensschluß und zur Leistung von Reparationen alle Friedensbemühungen der Arabischen Liga, der Blockfreien Staaten und der Islamischen Konferenz zur Beendigung des Krieges ablehnte und den Krieg ohne Rücksicht auf Verluste an Menschen, an Wirtschaftsressourcen und an infrastruktureilen Einrichtungen fortsetzte.

In den ersten zwei Kriegsjahren waren die Kriegsschäden noch nicht so immens wie am Kriegsende. Die meisten wirtschaftlichen und industriellen Einrichtungen des Landes und besonders der Erdöl-Industrieanlagen wurden nach 1982, also nach der Befreiung der Hafenstadt Khorramshahr, zerstört. Folglich wären diese Zerstörungen und Verwüstungen vermeidbar gewesen, wenn die politische Führung Irans nicht durch Fehleinschätzung eigener Kräfte aufgrund ihrer Ambitionen hinsichtlich des Revolutionsexports den Krieg fortgesetzt hätte.

Die immensen Kriegskosten und die durch den Krieg verursachten Verwüstungen wichtiger Industrieanlagen -insbesondere der Ölindustrie -einerseits und Mißmanagement, Veruntreuung und Korruption andererseits belasteten die iranische Wirtschaft so sehr, daß sie in den Jahren 1987 und 1988 kurz vor dem Zusammenbruch stand. In einem gemeinsamen Schreiben teilten im Jahr 1988 der Ministerpräsident, der Staatspräsident, der Parlamentspräsident und der Generaldirektor der Zentralbank Ayatollah Khomeini die alarmierende Situation der Wirtschaft mit und baten ihn um Abhilfe. Die Angst vor einem totalen Zusammenbruch des wirtschaftlichen Kreislaufes war einer der wichtigsten Gründe für die Annahme der

UNO-Resolution zur Beendigung des Krieges mit dem Irak und für die Aufgabe der jahrelangen Verweigerung einer UNO-Vermittlung durch die iranische Regierung.

IV. Die Wirtschaftsentwicklung des Iran zwischen 1989 und 1997

Unter den dargestellten Umständen war die politische Führung gezwungen, eine grundlegende Umorientierung der Wirtschaftspolitik vorzunehmen. Die Durchführung der Reformen wurde erforderlich, „weil die bis dahin herrschenden Einschränkungen die Fortsetzung der Wirtschaftspolitik nicht mehr zuließen“, stellte die Plan-und Budgetorganisation fest. Ein weiterer Beweggrund war der durch den Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaften in der Sowjetunion und in den osteuropäischen Ländern ausgelöste Schock, der die politische Führung von einer Fortsetzung der vom Staat dominierten Wirtschaftspolitik abschreckte und sie zu einer Umorientierung der Wirtschaftspolitik zwang.

Knapp ein Jahr nach dem Beginn dieser „Aufbauphase“ starb Ayatollah Khomeini im Juni 1989, und Ayatollah Khamenei wurde zu seinem Nachfolger ernannt. Kurze Zeit später (August 1989)

wurde Hashemi Rafsanjani zum ersten Staatspräsidenten nach der Verfassungsänderung gewählt.

Hashemi Rafsanjani stellte die Durchführung von Wirtschaftsreformen und den Wiederaufbau der vom Krieg verwüsteten Regionen und Industrieanlagen in den Mittelpunkt seiner Politik. Mit Hilfe der konservativen Kräfte gelang es ihm, die sozial-radikalen Islamisten aus dem Parlament und aus den öffentlichen Ämtern zu vertreiben und somit die Voraussetzungen für die Durchführung seiner Wirtschaftsreformen zu schaffen. Durch dieses Bündnis hatte Hashemi Rafsandjani gehofft, mit Hilfe der Konservativen zuerst den gemeinsamen Gegner auszuschalten, um zu einem späteren Zeitpunkt mit „freiem Rücken“ den Koalitionspartner (die Konservativen) aus der Verantwortung zu drängen. Seine Rechnung ging jedoch nicht auf. Denn das Bündnis mit den konservativen Islamisten hielt nicht lange und es trat das Gegenteil ein: Den Konservativen gelang es, Hashemi Rafsanjani mit derselben Strategie unter Druck zu setzen. Sein Versuch, eine Öffnungspolitik durchzusetzen, scheiterte am Widerstand der Konservativen und des Religionsführers. Die Reformierung der Wirt- Schaftspolitik gelang ihm nur teilweise, und sein Wunsch, durch eine Verfassungsänderung für eine dritte Amtszeit als Staatspräsident gewählt zu werden, wurde vom Religionsführer und von rechts-konservativen Islamisten indirekt abgelehnt.

Die von Hashemi Rafsanjani eingeleiteten Wirtschaftsreformen traten im Rahmen des Ersten Fünfjahresplans (1990-1994) im Januar 1990 in Kraft, nachdem sie vom Parlament beschlossen und vom „Wächterrat der Verfassung“ bestätigt worden waren. Schon die Ankündigung der Reformen im Jahr 1989 belebte die Wirtschaftsaktivitäten, so daß der seit Jahren anhaltende negative Entwicklungstrend in der iranischen Wirtschaft gebremst werden konnte. Im ersten Reformjahr erfuhr die Wirtschaft ein kräftiges Wachstum von 12, 1 Prozent (in Preisen von 1982). Diese Wachstumsrate war allerdings zum Teil der Erhöhung des Erdölpreises auf dem Weltmarkt zu verdanken. Denn durch die „Kuwait-Krise“ und durch die Unterbrechung der Erdölförderung Iraks stieg der Erdölpreis stark an. Aber auch die Erhöhung des Auslastungsgrades der bis dahin brachliegenden Kapazitäten im Industriesektor trug zu diesem Wachstum bei. Diese Entwicklung hielt auch im Jahr 1991 an und führte zu einem Anstieg des BIP um 10, 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Verbilligung des Erdölpreises auf dem Weltmarkt und die Rückzahlungstermine der Auslandskredite führten bereits im Sommer 1992 zur Verlangsamung des Wachstumstempos, so daß im Jahr 1992/93 nur noch eine Wachstumsrate von 5, 5 Prozent erreicht wurde. Ein Jahr später führte der Rückgang der Deviseneinnahmen des Landes zu einer drastischen Importbeschränkung. Dies betraf Produktionsgüter und Rohstoffe für den Industriesektor und bremste das in den ersten Jahren erreichte hohe Wachstum. Trotzdem verzeichnete das Land auch im vierten Jahr nach der Einführung von Wirtschaftsreformen eine Wachstumsrate des BIP von 4, 8 Prozent. Im fünften Jahr fiel die Wachstumsrate wegen einer hohen Schuldendienstquote bei rückläufigen Erdöleinnahmen auf 1, 6 Prozent. Insgesamt verzeichnete der Iran im Laufe der ersten fünf Jahren nach dem Reformbeginn eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von zirka sieben Prozent In den Jahren 1995/96 und 1996/97 verzeichnete das BIP einen Anstieg von jeweils 4, 5 und 5, 2 Prozent in konstanten Preisen von 1982

Die wichtigsten Reformelemente wie die Einführung der einheitlichen Wechselkurse, der Abbau von Subventionen, die Lockerung der Staatskontrolle über den Außenhandel sowie die Aufgabe partieller Preiskontrollen wurden kurze Zeit nach ihrer Einführung wieder rückgängig gemacht. Die Reprivatisierung der verstaatlichten Unternehmen und Gesellschaften zählte zu den wichtigsten Zielen der Reformen. Zweck der Maßnahmen war es, einerseits die Effizienz dieser Betriebe zu erhöhen und den Einsatz der Ressourcen zu optimieren sowie andererseits die Stellung des privaten Sektors zu stärken. Das Ergebnis der Reprivatisierungspolitik war jedoch nicht befriedigend. Der Versuch der Regierung, im Rahmen der Reformen die Vergabe von Subventionen präziser und transparenter zu gestalten, scheiterte am Widerstand des Parlaments sowie der staatlichen Betriebe und parastaatlichen Institutionen wie Stiftungen u. a. als Nutznießer der Subventionen. Eine kurzfristige Freigabe der Wechselkurse im März 1994 führte zum Ansturm auf die ausländischen Währungen. Nachdem binnen kurzer Zeit die iranische Währung gegenüber den ausländischen Währungen fast 50 Prozent an Wert verloren hatte, sah sich die Regierung gezwungen, die Freigabe der Wechselkurse rückgängig zu machen.

Ökonomisch betrachtet, haben die Reformen einen kurzlebigen Wachstumsschub ausgelöst. Kurzlebig deshalb, weil das ökonomische Wachstum während des Ersten Fünfjahresplans nicht das Ergebnis der Mobilisierung der nationalen Ersparnisse und der strukturellen Umgestaltung der Wirtschaft war, sondern ehe-r durch die starke Zunahme der Deviseneinnahmen zustande kam. Die Bedeutung dieser Reformen lag aber nicht vorrangig in den in sie gesetzten ökonomischen Zielen, sondern vielmehr in der politischen Mission, die in diesen Reformen steckte. Diese Reformen, die als „Siyasatha-ye ta’dil-e iqtisadi“ (Stabilitätspolitiken der Wirtschaft oder besser gesagt Strukturanpassungsprogramm) bekannt wurden, stellten einen Wendepunkt in der Wirtschaftspolitik der politischen Führung Irans dar. Dementsprechend war die Durchsetzung der Reformen mit den Veränderungen der Kräfteverhältnisse innerhalb der politischen Führung des Landes verbunden. Die rechtskonservative Fraktion um den Parlamentspräsidenten Nateq-Nuri, die die Einführung der Reformen mitgeplant und ihnen zugestimmt hatte, kündigte kurze Zeit nach deren Einleitung de facto ihre Zustimmung auf und nahm sie zum Anlaß, die aufgetretenen wirtschaftlichen Probleme der Regierung des früheren Staatspräsidenten Hashemi Rafsanjani persönlich anzulasten. Auch Religionsführer Khamenei, der im Jahr sei-43 ner Ernennung zum Religionsführer (1989) die Einführung der Reformen befürwortet hatte, übte nun daran Kritik: „Mit Parolen kommen die Entrechteten nicht weiter, sondern mit der Steigerung der nationalen Produktion, der Beschaffung von Arbeitsplätzen, der Ankurbelung der Wirtschaft und der Bekämpfung der Inflation.“ Er erweckte damit den Eindruck, als ob er die Reformen von Anfang an abgelehnt hätte.

Das Ausbleiben der angekündigten Maßnahmen, einerseits die soziale Härte der Reformen abzufedern und andererseits die mit der Einführung der Reformen stark zunehmende Korruption und Untreue zurückzudrängen, machte die Reformen angreifbar und begünstigte die Rechtfertigung ihrer Blockade. Hierfür spielte aber auch die allgemeine gesellschaftliche Inakzeptanz gegenüber den als „Machwerk der Weltbank“ bezeichneten Reformen eine wichtige Rolle. Es formierte sich eine stille Koalition gegen die Reformen zwischen der rechtskonservativen und sozialradikalen Geistlichkeit einerseits und den meisten oppositionellen Gruppen andererseits. Der zunächst sich hinter den Kulissen abspielende ideologische Streit drang im Januar 1993 an die Öffentlichkeit, als Religionsführer Khamenei sagte: „Einige verwechseln den Wiederaufbau mit Materialismus. Wiederaufbau ist ein Problem und Materialismus und Vergnügungssucht ein anderes.“

Im Laufe der sich über mehrere Wochen erstrekkenden Diskussionen wurde der Konflikt zwischen zwei Entwicklungsvorstellungen wie folgt theoretisiert: „Entweder ist die Religion der Hauptparameter der Entwicklung, oder es steht die Welt in ihrem Mittelpunkt. Wenn die Entwicklung materiell definiert wird, dann ist ihr Hauptparameter die Welt. Das bedeutet, daß die materiellen Wünsche des Menschen im Vordergrund stehen. Das ist unserer Meinung nach der , Amerikanische Islam’." Diese Auseinandersetzungen führten schließlich im Herbst 1995 zu einer grundlegenden Umorientierung der Wirtschaftspolitik, die als „Stabilitätspolitik“ bezeichnet wurde. Im Rahmen dieser Politik wurde der Zweite Fünfjahresplan ausgearbeitet und die wichtigsten Elemente der Wirtschaftsreformen faktisch außer Kraft gesetzt. Die Preis-und Außenhandelskontrolle sowie die Kontrolle über die Güterverteilung wurden wieder eingeführt.

Die Stellungnahme des Religionsführers zu der Wirtschafts-und Entwicklungspolitik verdeutlichte noch einmal, daß in der Tat ein großer Teil der politischen Führung Irans den schweren und mühsamen Weg der Ausarbeitung einer Entwicklungsstrategie scheut und versucht, sich hinter allgemeinen, moralisch klingenden religiösen Floskeln zu verstecken. Wertet ein Teil der Führung die Modernisierung und Industrialisierung Irans als Gefahr für die religiösen und traditionellen Werte, sehen bazarnahe einflußreiche Geistliche in solch einer Entwicklung die Schwächung der Stellung des Händlertums. Denn tatsächlich macht sich langsam eine Entwicklungsvorstellung bemerkbar, die den komparativen Vorteil Irans in seinem Aufbau als Handelszentrum der Region sieht. So stellte der Wortführer des rechtskonservativen Flügels, der Abgeordnete Bahonar, fest:

„Wir wissen nicht, ob das besser ist, statt Schuster, Ölverkäufer oder Bauer die Händler der Region zu sein? Unser Land verfügt im Handelssektor über gute und potentielle Voraussetzungen, um ein internationaler Händler zu werden. Ich habe keine große Hoffnung, daß die Industrie oder die Landwirtschaft unsere Ausgaben decken können, während wir im internationalen Handel und Transit gute Voraussetzungen haben und eine Brücken-funktion zwischen vielen Ländern übernehmen können.“ Trotz aller Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten bedeutete die Einführung der Reformen zumindest einen ersten Schritt zur Schwächung ideologischer Bestimmungsfaktoren und zur Stärkung des Einflusses der „Technokraten“ und „Pragmatiker“ sowie eine begrenzte Entideologisierung des Wirtschafts-und Politikbereiches., In diesem Kontext können die Wirtschaftsreformen im weitesten Sinne als der Übergang von der populistisch-idealistischen Politik zu einer pragmatischen Orientierung bezeichnet werden, während nun nach den Reformjahren ein Übergang vom Pragmatismus zum Pluralismus in Ansätzen erkennbar ist.

V. Die Wahl Khatamis zum Staa präsidenten

Mit der Wahl Khatamis zum Staatspräsidenten im Mai 1997 entstanden neue politische Bedingungen. Die Wirtschaftspolitik des Landes hat bis jetzt jedoch keine großen Veränderungen erfahren. Khatami hat in seinem ersten „Wirtschaftsprogramm“ zwar auf die wirtschaftlichen Problemeund Engpässe hingewiesen, ein konkretes Programm für deren Überwindung hat er aber bis heute nicht vorgelegt. Im Rahmen des Haushalts-entwurfes für das kommende persische Kalenderjahr (21. März 1999-20. März 2000), der zum größten Teil die Zustimmung des Parlamentes fand, sind einige Maßnahmen, wie z. B. die Reprivatisierung der staatseigenen Betriebe und Aufhebung der Steuerfreiheit für die staatlichen Unternehmen und Stiftungen, angekündigt. Trotz der Bewilligung des Budgetgesetzes haben die politischen Gegner Khatamis im Parlament die sofort umsetzbaren Maßnahmen seiner Regierung verhindert. So lehnte das Parlament z. B. die Erhöhung des Benzinpreises in der von der Regierung gewünschten Höhe zwecks Haushaltssanierung auf Anweisung des „Führers“ ab Die Konservativen werfen der Regierung Khatamis einerseits vor, sie vernachlässige die Wirtschaft, weil sie sich zu viel auf die politischen Reformen konzentriere. Andererseits blockieren sie die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung.

Khatami hat aber sowohl im Kabinett als auch innerhalb seiner Anhänger nicht den erforderlichen Rückhalt für eine strukturelle Reformierung der Wirtschaft. Seine Regierungsmannschaft besteht aus den Vertretern verschiedener Fraktionen. Es wird berichtet, daß z. B. zwischen dem Wirtschafts-und Finanzminister, dem Gouverneur der Zentralbank und dem Leiter der Plan-und Budgetorganisation keine Einigkeit über die Wirtschaftspolitik herrscht. Während der Minister sich für die Fortsetzung der staatlichen Intervention in die Wirtschaft einsetzt, befürwortet der Gouverneur der Zentralbank die Reduzierung der Staatskontrolle. Der Leiter der Planungsbehörde nimmt eine Zwischenposition ein. Diese Uneinigkeit über die wirtschaftspolitische Strategie des Landes resultiert aus den bestehenden Machtverhältnissen und der politischen Struktur der Anhängerschaft Khatamis. Seine Regierung wird politisch überwiegend von den Kräften unterstützt, die bisher für eine vom Staat kontrollierte Wirtschaftsordnung plädierten. Diese Kräfte haben zwar in den letzten zwei Jahren aus politischer Opportunität ihre bisherigen wirtschaftspolitischen Vorstellungen revidiert, jedoch noch nicht die Dringlichkeit der notwendigen Wirtschaftsreformen erkannt. Die politischen Gegner Khatamis, die bisher die Staatsintervention in die Wirtschaft entschieden ablehnten, nützen nun die Uneinigkeit des Regierungslagers aus und befürworten die Beibehaltung von Subventionen und die Kontrolle über Wechselkurse und Außenhandel. Trotz dieser Schwierigkeiten und angesichts der Tatsache, daß die Krise der iranischen Wirtschaft ihre Wurzeln in dem politischen System hat, werden die Anstrengungen Khatamis den Weg für politische Reformen in der Wirtschaft bahnen. Sein Eintreten für Bürger-rechte und seine moderate Politik der Öffnung und Dialogbereitschaft, die mit seiner Reise in Italien ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, sind der sicherste Garant für eine Reformierung von Politik und Wirtschaft.

VI. Fazit

Es ist vielleicht nicht übertrieben, zu behaupten, daß die iranische Wirtschaft am schwersten von den Folgen der Revolution von 1979 betroffen wurde. Makroökonomisch hat der Iran in den letzten zwanzig Jahren stagniert. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des BIP hat nur 1, 2 Prozent betragen, während die Bevölkerungszahl sich in dieser Zeit fast verdoppelte. Das Pro-Kopf-Einkommen und das Investitionsvolumen sind stark zurückgegangen. Zirka 30 Prozent Arbeitslosigkeit und ein mehr als hundertfacher Wertverlust der iranischen Währung kennzeichnen die iranische Wirtschaft zwanzig Jahre nach der Revolution. Infolge der nach der Revolution eingeschlagenen Wirtschaftspolitik wurde vor allem dem Industriesektor schwerer Schaden zugefügt. Durch die Verstaatlichungen und die Konfiszierung des Vermögens der Schah-Familie und zahlreicher Funktionäre des früheren Regimes entstanden unübersichtliche ökonomische Macht-zentren, die in Form von staatseigenen Unternehmen, Stiftungen, religiösen und karitativen Organisationen unabhängig voneinander und vom Staate den Wirtschaftskreislauf des Landes in erheblichem Umfange beeinflussen. Im Laufe der letzten zwanzig Jahre entstand ein „Staatssektor“, der zwar von den öffentlichen Mitteln profitiert, sich aber weitgehend der staatlichen Kontrolle entzogen hat. Obgleich dieser Sektor über 60 Prozent des öffentlichen Haushaltes verfügt, weisen die meisten staatseigenen Unternehmen Verluste auf.

Der Prozeß gegen den Teheraner Oberbürgermeister im Sommer 1998 verdeutlichte, wie verschwenderisch und „großzügig“ die Funktionsträger in der Islamischen Republik mit den öffentlichen Mitteln umgehen. Nach Angaben Karbaschis existiert in jedem Ministerium und sonstigen staatlichen Institutionen ein auf privatrechtlicherBasis eingerichtetes Konto, das den leitenden Beamten der jeweiligen Institution zugänglich ist. „Zur Zeit ist der ökonomische Kreislauf des Landes das Monopol derjenigen Personen oder Institutionen, die durch die ihnen zur Verfügung stehende Macht und sonstige Hebel jederzeit den Gütermarkt und die Preise beeinflussen können. ... In jedem Ministerium, in den staatlichen Organisationen und in den revolutionären Institutionen gibt es eine Handelsorganisation, die ohne Aufsicht und Kontrolle Import und Export betreibt und Wareneinkauf und -verkauf tätigt.. so der Generalsekretär der Gesellschaft der islamischen Vereinigungen, der Innungen und des Bazars von Teheran

Das Monopol über die ökonomisch relevanten Informationen ist ein weiteres Mittel für persönliche Bereicherung der Macht-und Funktionsträger.

Das Geheimdienstministerium gewinnt z. B. die Ausschreibungen der staatlichen Institutionen, indem es durch das Abhören von Telefongesprächen von Angeboten erfährt und diese unterbieten kann Wenn man sich vergegenwärtigt, daß die staatseigenen Betriebe und ökonomischen Institutionen über mehr als 80 Prozent der im Inland produzierten Konsumgüter verfügen, bei manchen Gütern wie Zucker, Pflanzenfett, Zement und Stahl die gesamte Produktion kontrollieren und zirka 59 Prozent der gesamten Subventionen erhalten wird man sich vorstellen können, wie 'groß das Ausmaß ihres Einflusses auf die ökonomische Entwicklung des Landes ist. Sie verfügen über eigene Vertriebsnetze und Einkaufszentren im In-und Ausland und beteiligen sich an spekulativen Devisengeschäften auf dem Schwarzmarkt.

Es sieht in der Tat so aus, daß die verschiedenen Strömungen und Fraktionen der Geistlichkeit, Bazarhändler, Stiftungen, staatseigene Betriebe, hohe Regierungsstellen und sonstige systemkonforme Gruppen und Organisationen die ökonomischen Ressourcen des Landes unter sich aufgeteilt haben. Die Erdöleinnahmen als wichtigste Devisenquelle werden zunächst in Form von Ausgaben, Subventionen u. ä. aufgeteilt. Dann werden Teile dieser Devisen im Handelsbereich (Export/

Import) „investiert“. Ein anderer wird für die Spekulationen auf dem gewinnträchtigen Devisenmarkt verwendet. Die importierten und im Inland produzierten Güter werden wiederum durch eigene Vertriebsnetze auf dem Markt abgesetzt. Durch diesen Kreislauf bestimmen die oben genannten Stellen und Gruppen über den Güter-preis und die Angebotsmenge. Es handelt sich also um ein von Macht-und Würdenträgern weit gespanntes Netz, das über das ganze Land verbreitet ist. Solch ein Wirtschaftssystem kann folglich weder langfristige Entwicklungsprogramme haben noch die Interessen des ganzen Landes als Maßstab seines Handelns nehmen. Darüber hinaus führt es zur Korrumpierung des gesamten sozialen Systems.

Die Islamische Republik hat seit der Revolution bis heute insgesamt knapp 400 Mrd. US-Dollar Deviseneinnahmen aus dem Export des Erdöls und sonstiger Waren zur Verfügung gehabt. Der Löwenanteil dieser Einnahmen ist in den Staats-sektor geflossen und überwiegend einer seit der Revolution entstandenen Schicht -bestehend aus Technokraten und Bürokraten, Geistlichkeit, hohen Regierungsbeamten und Militärs -zugute gekommen. Eine der schwersten Folgen dieser Aufteilung der Staatseinnahmen unter den Funktionsträgern der Islamischen Republik ist die Verhinderung der für die Investitionen notwendigen Kapitalkonzentration in den produktiven Bereichen. Der starke Rückgang des Erdölpreises auf dem Weltmarkt und die drastische Abnahme der Deviseneinnahmen Irans seit Sommer 1998 haben die Krise der iranischen Wirtschaft noch verschärft, so daß die Regierung zeitweise kurz vor dem Bankrott stand Nur durch eine Aufschiebung der Rückzahlung von Auslandsschulden und den Zugriff auf nationale Reserven konnte vorläufig ein Zusammenbruch verhindert werden Die Fraktionen der politischen Führung haben zwar in den letzten Jahren viel ideologischen Ballast abgeworfen; so wird kaum mehr von einer „islamischen“ Wirtschaft gesprochen. Für die Rettung der Wirtschaft müssen aber früher oder später strukturelle Wirtschaftsreformen durchgeführt und der Staatssektor entmachtet werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. A. Rashidi, Die Zunahme der Erdöleinnahmen und die ökonomischen Veränderungen in den sechziger Jahren, in: Ettelacat siyasi-iqtisadi (ESI), (Juli 1992) 59/60, S. 98 ff.

  2. Vgl. Jahresbericht der Iranischen Zentralbank (JdIZ), (1977/78). S. 26.

  3. Vgl. A. Rashidi, Die Veränderungen des Geldwertes und des Wechselkurses im Iran von der Ölrevolution der OPEC bis zur Islamischen Revolution, in: ESI, (November/Dezember 1992) 63/64, S. 75.

  4. Vgl. JdIZ (Anm. 2), S. 16.

  5. Der Wechselkurs des Rial betrug gegenüber dem US-Dollar und der DM jeweils 70 bzw. 38 Rial.

  6. Vgl. J. Kooroshy, Islamische Wirtschaftsordnung. Anspruch und Wirklichkeit, Hamburg 1990.

  7. Vgl. A. Rashidi, Die Veränderungen des Geldwertes und des Wechselkurses im Iran von der Ölrevolution der OPEC bis zur Islamischen Revolution, in: ESI, (November/Dezember 1992) 63/64, S. 76.

  8. Vgl. JdIZ, (1980/81), S. 26.

  9. Vgl. JdIZ, (1981-1984), jeweils S. 23, 25 und 31.

  10. Vgl. Ettela’at Siyasi wa Eqtesasi, Wirtschaftsbeilage der Tageszeitung Ettela’at (ESE), vom Juni 1990, S. 39.

  11. Vgl. Wochenzeitschrift der Industrie-und Handelskammer (ZdlHK) vom Juli 1989, S. 3 ff.

  12. Vgl. Rawand (Zeitschrift der iranischen Zentralbank), 1 (Winter 1990) 3, S. 9.

  13. Vgl. ebd.

  14. Vgl. H. SAzimi, Madarha-ye toseceh nayaftegi dar iqtisad-e iran (Die Kreisläufe der Unterentwicklung der iranischen Wirtschaft), Teheran 1992, S 15.

  15. Vgl. H. Amirahmadi, Revolution and Economic Transition. The Iranian Experience, New York 1990, S. 85.

  16. Vgl. Rawand, 1 (Herbst 1990) 2, S. 10.

  17. Vgl. ESE vom Juni 1990, S. 39.

  18. Vgl. Zentralbank der Islamischen Republik Iran, Hisabhay-e milli (Nationale Berechnungen) 1964-1987 und 1988-1990, Teheran Juni 1991 und Mai 1992, S. 160 ff und 18.

  19. Vgl. Ettela’at vom 4. 9. 1989.

  20. Vgl. JdIZ, (1987/88), S. 192

  21. Vgl. ebd., S. 214

  22. Vgl. S. Leylaz, Die sozialen Indikatoren im Iran, in: Iran farda, (April/Mai 1993) 6, S. 26 ff.

  23. Vgl. J; Kooroshy, Ist das islamisch-fundamentalistische Entwicklungsmodell im Iran gescheitert?, in: Bildungs-und Aktionszentrum Dritte Welt (BAZ) (Hrsg.), Islam im Umbruch. Grenzen einer Religion, Berlin 1993, S. 34.

  24. Vgl. Salam vom 24. 10. 1998.

  25. Vgl. JdlZB. (1996/97), S. 123.

  26. Ettela’at vom 25. 9. 1989.

  27. Zit. in: Asrema, Nr. 63 vom 2. 1. 1997.

  28. Vgl. Salam vom 14. 12. 1998.

  29. Resalat vom 25. 10. 1994.

  30. Vgl. Arzeshha, Nr. 40 vom 13. 10. 1997, S. 6.

  31. Vgl. ebd.

  32. Vgl. Resalat vom 28. 9. 1991.

  33. Vgl. Wall Street Journal vom 12. 11. 1998.

  34. Vgl. Le Monde vom 2. 2. 1999.

Weitere Inhalte

Javad Kooroshy, Diplomvolkswirt, Dr. rer. pol., geb. 1944 in Shiraz; Studium der Volkswirtschaft-lehre, Soziologie und Politologie an der Freien Universität Berlin; zur Zeit freier Wissenschaftler. Veröffentlichungen u, a.: Wirtschaftsordnung der Islamischen Republik. Anspruch und Wirklichkeit, Hamburg 1990; zahlreiche Beiträge zur iranischen Politik und Wirtschaft in Fachzeitschriften.