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Die Politik der USA gegenüber innerstaatlichen und regionalen Konflikten | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Die Politik der USA gegenüber innerstaatlichen und regionalen Konflikten

Julian Müller-Kaler Lutz Schrader

/ 10 Minuten zu lesen

Die Biden-Administration will die US-amerikanische Politik gegenüber gewaltsamen innerstaatlichen und regionalen Konflikten neu ausrichten. Die Beweggründe liegen in der Vergangenheit.

Ein US-Soldat geht im April 2003 an einer demontierten Statue des irakischen Diktators Saddam Hussein vorbei. (© picture-alliance/dpa)

Die sieben Szenarien mit der höchsten Risikostufe

Der Council on Foreign Relations, ein unabhängiger Think Tank für außen- und sicherheitspolitische Fragen, hat in seinem Preventive Priorities Survey für 2023 dreißig Szenarien identifiziert, die für die Vereinigten Staaten von besonderer Relevanz sind. Die sieben Szenarien mit der höchsten Risikostufe beziehen sich auf folgende Krisen und Konflikte:

China-Taiwan: Eine Eskalation des massiven Drucks Chinas auf Taiwan, einschließlich verstärkter militärischer Aktivitäten, führt zu einer schweren Krise zwischen den beiden Ländern, in die die Vereinigten Staaten und andere Länder in der Region verwickelt werden.

  • Russland-Ukraine: Eine Eskalation des bewaffneten Konflikts in der Ukraine durch den Einsatz unkonventioneller Waffen, ein Übergreifen auf Nachbarländer (einschließlich Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen) und/oder die direkte Beteiligung von NATO-Mitgliedern.

  • Destabilisierung Russlands: Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Krieg in der Ukraine und die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage führen zu wachsenden Unruhen in Russland und einem Machtkampf in Moskau.

  • Cyberangriffe auf die USA: Ein hochgradig disruptiver Cyberangriff auf kritische Infrastrukturen in den USA durch einen Staat oder eine nichtstaatliche Organisation.

  • Weiterverbreitung von Kernwaffen: Eine akute Sicherheitskrise in Nordostasien, ausgelöst durch die Entwicklung und Erprobung von Atomwaffen und ballistischen Langstreckenraketen durch Nordkorea.

  • Israel-Iran: Eine militärische Konfrontation zwischen Israel und dem Iran wegen des iranischen Atomprogramms und der anhaltenden Unterstützung militanter Gruppen in den Nachbarländern.

  • Zentralamerika: Zunehmende Gewalt, politische Unruhen und sich verschlechternde wirtschaftliche Bedingungen in Mittelamerika und Mexiko, verschärft durch akute Wetterereignisse, führen zu einem Anstieg der Migration in die Vereinigten Staaten.

Quelle: Stares, Paul B. (2023): Conflicts to watch in 2023. Preventive Priorities Survey Results. Center for Preventive Action, Externer Link: https://www.cfr.org/report/conflicts-watch-2023

Wie andere Großmächte und Staaten auch, versuchen die Vereinigten Staaten seit jeher, ihren weltpolitischen Einfluss, ihre wirtschaftliche Macht und militärische Stärke zu nutzen. Sie wollen ihr Territorium vor negativen Auswirkungen innerstaatlicher und regionaler Krisen und Konflikte abschirmen sowie weltweit günstige Rahmenbedingungen für die Durchsetzung ihrer Interessen schaffen und gewährleisten.

Das mehrgleisige Vorgehen zielt insbesondere darauf ab:

  • über mit den USA verbündete politische und gesellschaftliche Kräfte Einfluss auf die innere Entwicklung von Staaten und Staatenbündnisse zu nehmen,

  • das eigene Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell als Vorbild und Maßstab für andere Staaten zu propagieren,

  • tatsächliche und vermeintliche amerikafeindliche Kräfte zu bekämpfen,

  • eine internationale Ordnung durchzusetzen, in der liberale Werte und Normen als Maßstab für "richtiges" Handeln gelten.

Diese Politik, die manche Forscher als globale "Amerikanisierung" bezeichnen, wurde in den Jahrzehnten seit dem 2. Weltkrieg mit wechselnder politischer Schwerpunktsetzung und unterschiedlicher narrativer und propagandistischer Rahmung umgesetzt.

"Kampf gegen den Kommunismus"

Während des "Kalten Krieges" (1947–1989) beurteilten die USA innerstaatliche und regionale Konflikte hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt, welche Konfliktakteure US-amerikanische Interessen und Ziele unterstützten. Ob es sich um demokratische Regierungen oder diktatorische Regime handelte, spielte dabei keine Rolle, denn die Förderung von Liberalismus, Demokratie und Menschenrechten war oft nur von sekundärer Bedeutung. Dagegen wurden die Anhänger anti-amerikanischer und vor allen Dingen linker Positionen fast durchweg als "Kommunisten" und "Agenten der Sowjetunion" diskreditiert und mit allen Mitteln, einschließlich verdeckter Geheimdienstoperationen und direkter militärischer Interventionen, bekämpft.

Anfang der 1950er Jahre griffen die USA in Rahmen ihrer Politik der globalen "Eindämmung" des Kommunismus in den Koreakrieg (1950–1953) ein, um Südkorea gegen die von der VR China unterstützte Invasion Nordkoreas beizustehen. Zwar konnten amerikanische Streitkräfte die Angreifer zunächst abwehren, doch der Krieg geriet bald in eine Pattsituation, bei der sich beide Seiten nördlich und südlich des 38. Breitengrads verschanzten. Die Kampfhandlungen forderten das Leben von mehr als 36.000 amerikanischen Soldaten und von Millionen koreanischen Zivilisten. Das 1953 unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen teilt die Halbinsel bis heute am 36. Breitengrad. Ohne echtes Friedensabkommen befinden sich Nord- und Südkorea, völkerrechtlich gesehen, noch immer im Krieg.

Ein weiterer wichtiger Schauplatz des "Kampfes gegen den Kommunismus" war Mittelamerika, wo die USA mehrfach zugunsten von Diktaturen intervenierten. Ein Beispiel war das Eingreifen der CIA in El Salvador in den 1970er und 1980er Jahren, um die rechte Militärjunta im blutigen Bürgerkrieg gegen linksgerichtete Rebellengruppen zu unterstützen. Während Washington an das diktatorische Regime Militärhilfe leistete, finanzierte und trainierte der amerikanische Geheimdienst rechte Todesschwadronen, die für zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren. Die Auseinandersetzungen in Interner Link: El Salvador dauerten rund zwölf Jahre und kosteten ca. 75.000 Menschen das Leben.

Ein ähnliches Bild ergab sich in Interner Link: Nicaragua, wo Rebellengruppen – sogenannte Contras – von Washington unterstützt wurden, um die sozialistische Regierung zu stürzen. Auch hier waren von den USA finanzierte und unterstützte rechte Milizen für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und der Bürgerkrieg führte zum Tod von rund 30.000 Menschen.

"Neue Weltordnung" und "humanitäre Interventionen"

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 wollte der frisch gewählte amerikanische Präsident George Bush eine "Neue Weltordnung" durchsetzen, die auf den Prinzipien von Demokratie und Menschenrechten, einer (neo-)liberalen Wirtschaftsordnung sowie internationaler Zusammenarbeit unter US-amerikanischer Führung basieren sollte. Eine der wichtigsten Neuerungen war dabei die starke Gewichtung der internationalen Zusammenarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen. Nachdem die UNO unter Reagan kaum noch eine Rolle gespielt hatte, erfuhr sie nun in den Reden des Präsidenten eine beachtliche Aufwertung.

Die USA spielten in den 1990er Jahren eine insgesamt konstruktive Rolle bei der Beendigung und Überwindung des Ost-West-Konflikts und der daraus resultierenden innerstaatlichen Konflikte. Beispiele für erfolgreiche Verhandlungsprozesse sind die Friedensverträge in Mittelamerika in den 1990er Jahren, das Oslo-Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern (1993), das Dayton-Abkommen über die Beendigung des Jugoslawienkrieges (1995) sowie das Karfreitagsabkommen in Nordirland (1998). Diplomatische Initiativen für die Lösung innerstaatlicher Konflikte wurden dabei häufig von Sanktionen flankiert, wie das Beispiel Südafrika zeigt. Hier verhängte Washington wirtschaftliche Sanktionen und unterstützte die Anti-Apartheid-Bewegung finanziell, was 1990 letztendlich zur Freilassung von Nelson Mandela beitrug und 1992 demokratische Wahlen ermöglichte.

Bei besonders schweren Menschenrechtsverletzungen, die international als Bedrohungen des Weltfriedens qualifiziert wurden, befürwortete die US-Regierung auch "humanitäre Interventionen". Klassische Beispiele dafür sind die vom UN-Sicherheitsrat mandatierten Missionen im Irak (1991), in Somalia (1992) und Haiti (1994). Die Amerikaner intervenierten gemeinsam mit der NATO auch in den Bosnienkrieg (1992-1995) und in den Kosovo-Krieg (1999), um ethnische Säuberungen und Völkermord serbischer Sicherheitskräfte gegen bosnische Muslime und Kosovo-Albaner zu verhindern.

"Regime Change" und "Krieg gegen den Terror"

Die Durchsetzung einer liberalen internationalen Ordnung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und die unangefochtene Hegemonialstellung der USA führten unter Präsident George W. Bush, der von Januar 2001 bis 2009 regierte, zu der fatalen Fehleinschätzung, in ausgewählten Konfliktstaaten liberale Regime nach amerikanischem Vorbild durchsetzen zu können. Nach den Vorstellungen der neokonservativen "Weltrevolutionäre" innerhalb der Bush-Administration sollte gegebenenfalls auch militärisch durchgesetzter Regimewechsel sowohl im Innern von Staaten als auch in den Beziehungen zwischen ihnen dauerhaft Frieden stiften (vgl. z.B. Thiele 2004; Hamm 2004).

Folgenschwerster Anwendungsfall der Strategie war der "Krieg gegen den Terror", den die Bush-Administration nach den Terrorangriffen auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001 gegen das islamistische Terrornetzwerk al-Qaida und ihre Unterstützerstaaten erklärte. Erstes Ziel war Afghanistan, um die Taliban zu stürzen und al-Qaida aus dem Land zu drängen. Nach Auslauf des Ultimatums und der Weigerung der Taliban die Al-Qaida-Führung auszuliefern, begann am 7. Oktober 2001 die Operation "Enduring Freedom". Die Invasion war dabei durch die Resolutionen 1368 und 1373 des UN-Sicherheitsrates autorisiert, die den USA das Recht auf Selbstverteidigung zugestanden.

Ein Jahr später, am 20. März 2003, begannen die USA ohne UN-Mandat und lediglich unterstützt von einer "Koalition der Willigen" (ohne Belgien, Deutschland, Frankreich und Russland) den 3. Golfkrieg – unter dem Vorwand, Bagdad würde Massenvernichtungswaffen besitzen und Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Qaida unterhalten. Atomare, biologische oder chemische Waffen wurden nie gefunden, und Historiker sind sich inzwischen einig, dass der Irakkrieg eine auf Lügen gegründete Inszenierung war (vgl. z.B. Hein 2023). Dass bei den verschiedensten Einsätzen in der arabischen Welt mit einer erstaunlichen Ignoranz bezüglich der historischen und kulturellen Bedingungen vor Ort vorgegangen wurde, verdeutlichen auch die völkerrechtlich fragwürdigen Einsätze in Libyen (2011) und Syrien (ab 2011), wo man die Dynamik der innerstaatlichen Konflikte weder verstand noch managen konnte.

Die Politik der USA, Diktatoren gegebenenfalls auch durch eine militärische Intervention zu entmachten und Demokratien nach westlichem Vorbild zu schaffen, endeten im Irak und anderenorts in blutigen Bürgerkriegen, zerfallenden Staatsstrukturen und unermesslichem Leid für die Zivilbevölkerung. Die damit einhergehenden Völkerrechtsverletzungen haben der liberalen internationalen Ordnung großen Schaden zugefügt. Ein regelbasiertes System, das für alle Staaten gelten sollte, in dem sich jedoch die Vereinigten Staaten eine Sonderrolle zusprachen, ist kein Konstrukt, mit dem sich aufsteigende Mächte arrangieren wollten. Insbesondere Russland und China sahen in der Politik des Regimewechsels den Versuch, ihren regionalen und globalen Einfluss zurückzudrängen.

Zwischen Schadensbegrenzung und "America first"

Angesichts der ausufernden interventionistischen Politik der Bush-Jahre stellten weite Teile der amerikanischen Wählerschaft das militärische Engagement ihres Landes grundsätzlich in Frage. Zu groß waren die finanziellen und menschlichen Verluste in fernen Ländern, zu klein die vorzeigbaren Gewinne zu Hause. Auch deshalb bemühte sich die neue Regierung unter dem Demokraten Barack Obama, die im Januar 2009 ihr Amt antrat, international um Schadensbegrenzung. Trotz erheblicher innenpolitischer Kritik versuchte Präsident Obama, mit Besuchen im arabischen Raum und in Asien einen Neustart in den Beziehungen zu erreichen (vgl. z.B. Mattes 2009).

Er war bereit, für amerikanische Fehler in der Vergangenheit Verantwortung zu übernehmen. Er zog 2011 die US-Truppen aus dem Irak ab und versuchte, durch Diplomatie Koalitionen zur Lösung von Konflikten zu schmieden („leading from behind“). So ermöglichten diplomatische Initiativen und Sanktionsregime, die von der internationalen Staatengemeinschaft mitgetragen wurden, das Nuklearabkommen mit dem Iran, eine Annäherung an Kuba und ein mit der EU abgestimmtes Vorgehen gegenüber Russland nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim (2014). Zugleich unterstützte die Obama-Regierung den "Arabischen Frühling“ nur halbherzig und scheiterte mit ihren Bemühungen, den Afghanistan-Krieg zu beenden und das Gefangenenlager in Guantanamo zu schließen (Saifullah 2017). Der Einsatz von Drohnen in Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien, Libyen, Jemen und Somalia hat diese Länder dem Frieden keinen Schritt nähergebracht (vgl. z.B. Pfeiffer 2012).

Ähnlich wie zum Anfang des Jahrtausends war es mit der Amtszeit von Donald Trump (2017-2021) wieder eine republikanisch-rechtskonservative Regierung, die die Neuansätze und Initiativen ihrer Vorgänger zunichtemachte. Statt auf eine kohärente Strategie setzte der selbsternannte "Deal-Maker" Trump wahlweise auf persönliche Arrangements oder direkte Konfrontation mit den politischen Führern regionaler Schlüsselstaaten, um Konflikte in seinem Sinne "zu lösen". Sein Hauptziel war es, bei der heimischen Wählerschaft zu punkten und die USA aus militärischen Auseinandersetzungen herauszuhalten.

Mit der Aufkündigung des Nuklear Deals mit dem Iran, dem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und der Beendigung der amerikanischen Teilnahme am Trans Pacific Partnership Agreement (TPPA) zielte die Trump-Regierung auf die Untergrabung der regelbasierten Ordnung und die Rückkehr des Rechts des Stärkeren in die internationale Politik. Unter dem Strich führte die nationalistische Politik des America First zu einer Destabilisierung des internationalen Systems und Stärkung populistischer und autoritärer Regime (vgl. Bierling 2021). Viele innerstaatliche und regionale Konflikte sind dadurch weiter eskaliert.

Neustart unter der Biden-Präsidentschaft?

Nach seinem Wahlsieg im November 2020 versprach der aktuelle Präsident, Joe Biden, eine Neuausrichtung der US-Außenpolitik u.a. mit den Schwerpunkten: engere Abstimmung mit den Verbündeten, Stärkung einer regelbasierten internationalen Ordnung sowie Formierung einer Allianz der Demokratien gegen die global erstarkenden Autokratien. Ein Beispiel für die Neuausrichtung der US-Politik gegenüber innerstaatlichen Konflikten ist die "Strategie für Konfliktprävention und Stabilitätsförderung". Bemerkenswert daran ist, dass das zugrundeliegende Gesetz noch in den letzten Monaten der Trump-Regierung mit der Mehrheit von Republikanern und Demokraten nach Konsultationen mit über 200 zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Think Tanks und Agenturen verabschiedet wurde (Nwajiaku-Dahou et al. 2021).

Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass angesichts der globalen Zunahme gewaltsamer Konflikte unzureichende und fehlgeleitete Investitionen in die Fähigkeiten der USA, "Konflikte zu lösen, zu steigenden Bedrohungen für US-Interessen zu Hause und im Ausland führen werden". Die auf zehn Jahre angelegte Strategie stellt somit einen Bruch mit früheren Versuchen dar, "einen Regimewechsel von außen durchzusetzen" und beschreibt in vielen Punkten eine neue Herangehensweise:

  • Anerkennung, "dass der Wandel lokal vorangetrieben werden und von innen kommen muss".

  • Förderung der Konfliktprävention, Konfliktlösung und des Friedensaufbaus gemäß dem Prinzip "do no harm".

  • Bearbeitung struktureller Ursachen und Risiken, die ursächlich für Gewalt und Konflikte sind.

  • Unterstützung inklusiver politischer Prozesse, auch unter Beteiligung von Jugendlichen, Frauen und Mitgliedern von Glaubensgemeinschaften und Randgruppen.

  • Fokussierung auf demokratische Regierungsführung und Menschenrechte, Klimawandel und Umweltsicherheit, Geschlechtergleichheit und soziale Gerechtigkeit sowie Reform und Stabilisierung des Sicherheitssektors.

Die Strategie konzentriert sich insbesondere auf neun regionale Schlüsselstaaten: Haiti, Libyen, Mosambik, Papua-Neuguinea und die westafrikanischen Küstenstaaten Benin, Elfenbeinküste, Ghana, Guinea, und Togo. Für die Umsetzung wird ein ganzheitlicher Ansatz entwickelt, der auf ein abgestimmtes Handeln aller Ministerien und Agenturen zielt. Der Kongress hat ein Budget von bis zu 200 Mio. US-Dollar pro Jahr genehmigt.

Auf absehbare Zeit werden die – gemessen an der finanziellen Ausstattung – begrenzten Bemühungen sowohl vom Ukraine-Krieg als auch von der systemischen Rivalität mit der VR China überschattet. Der Ukrainekrieg und seine globalen Folgen zeigen, dass eine weitere Polarisierung der Welt in Demokratien und Autokratien eher zu einer Eskalation innerstaatlicher Konflikte führt, als diese konstruktiv zu befrieden. Es ist zu befürchten, dass die Welt – ähnlich wie zu Zeiten des Kalten Krieges – erneut zum Spielfeld von Großmachtrivalitäten wird und innerstaatliche Konflikte zunehmend wieder als Stellvertreter-Kriege zwischen den USA, Russland und China ausgetragen werden. Welches Eskalationsrisiko diese Entwicklung birgt, lässt sich bereits heute an der Taiwan-Frage ablesen.

Weitere Inhalte

ist Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin sowie stellvertretender Leiter des Programms für strategische Vorausschau beim Stimson Center in Washington D.C.

Dr. Lutz Schrader (Jg. 1953) ist freiberuflicher Dozent, Berater und Trainer mit dem Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung sowie Konfliktberatung. Arbeits- und Forschungsthemen sind die Konflikte im westlichen Balkan, Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteure in bewaffneten Konflikten und Post-Konfliktgesellschaften, Verfahren der Konflikttransformation sowie Friedens- und Konflikttheorien.