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Internationale Instrumente zum Schutz von Staatenlosen | Staatenlosigkeit | bpb.de

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Internationale Instrumente zum Schutz von Staatenlosen

Beeke Wattenberg

/ 7 Minuten zu lesen

Das Recht auf eine Staatsangehörigkeit ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Aber auch andere internationale Übereinkommen sollen Staatenlosen Schutz bieten.

Es gibt verschiedene internationale Instrumente zum Schutz von Staatenlosen, darunter auch die Kampagne "I Belong" des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR). (© picture-alliance, NurPhoto)

Das Recht auf eine Staatsangehörigkeit ist ein Interner Link: Menschenrecht. Es ist in Artikel 15 der Interner Link: Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) und sechs weiteren Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen festgeschrieben. Besonders zwei internationale Übereinkommen bilden die völkerrechtliche Grundlage für den Schutz staatenloser Personen und garantieren ihre Rechte: das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 und das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961.

Das Externer Link: Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 definiert, wer völkerrechtlich als staatenlos gilt und schützt diese Menschen davor, schlechter behandelt zu werden als Mitbürger:innen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Das Übereinkommen stellt das einzige internationale Abkommen dar, das den Status staatenloser Personen regelt und ihnen grundlegende Menschenrechte wie Religionsfreiheit, Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Gerichten sowie zu öffentlicher Bildung garantiert. Es wurde 1954/55 von 23 Staaten unterzeichnet, bis heute sind ihm 95 Staaten beigetreten (Stand: 7.12.2021). In Deutschland, das 1954 zu den Erstunterzeichnerstaaten zählte, ist das Abkommen seit 1976 in Kraft.

Das Externer Link: Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 regelt die staatlichen Pflichten hinsichtlich der Verleihung der Staatsangehörigkeit; ebenso verbietet es den Entzug der Staatsangehörigkeit, wenn die betroffene Person dadurch staatenlos wird. Das Abkommen strebt danach, Gesetzeslücken zu schließen und Staatenlosigkeit aktiv entgegenzuwirken. So sollen beispielsweise Kinder vor Staatenlosigkeit geschützt werden, indem ihnen die Staatsangehörigkeit verliehen wird, wenn sie im jeweiligen Hoheitsgebiet staatenlos geboren werden. Zudem sieht es vor, dass Staaten den Kindern eigener ausgewanderter Staatsangehöriger, die bei der Geburt in einem anderen Land staatenlos werden, die Staatsangehörigkeit der Eltern zuerkennen. Das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit wurde 1961/62 von fünf Staaten unterzeichnet; bis heute sind ihm 77 Staaten beigetreten (Stand: 7.12.2021). Ergänzt werden diese Abkommen durch das 1973 verabschiedete Übereinkommen zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit. Die Umsetzung der beiden letztgenannten Abkommen wird in Deutschland durch das Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit sichergestellt.

Die UN-Kampagne #IBelong

Der hohe Interner Link: Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat das Mandat, staatenlose Menschen zu identifizieren, ihre Rechte zu schützen und die Zahl der staatenlosen Menschen weltweit zu verringern. 2014 hat UNHCR daher die Kampagne #IBelong ins Leben gerufen und sich zum Ziel gesetzt, Staatenlosigkeit bis 2024 zu beenden. Dazu wurde auch der “Global Action Plan to End Statelessness: 2014-2024” veröffentlicht: ein Aktionsplan, der zehn Ziele zur Behebung bestehender Staatenlosigkeit, Verhinderung neuer Fälle von Staatenlosigkeit und der besseren Identifizierung staatenloser Personen festschreibt. Die Kampagne will auch das Bewusstsein für das Phänomen der Staatenlosigkeit schärfen und konnte bislang einige wichtige Fortschritte erzielen: Weltweit haben im Zeitraum 2010-2019 rund 754.500 Staatenlose eine Staatsangehörigkeit erlangt, 341.000 davon seit dem Start der UN-Kampagne. Kirgistan wurde 2019 der erste Staat weltweit, der alle bekannten Fälle von Staatenlosigkeit auf dem Territorium klärte. In Usbekistan wurde 2020 mit einem neuen Gesetz der Hälfte der staatenlosen Bevölkerung und damit ungefähr 50.000 Menschen sofort die Staatsbürgerschaft verliehen. Weitere neun Staaten haben Gesetzesreformen verabschiedet, durch die Staatenlosigkeit bei der Geburt verhindert werden soll. Die Zahl der Staaten, die Verfahren zur Identifizierung von Staatenlosigkeit eingeführt haben, hat sich seit Beginn der Kampagne von zehn auf 21 mehr als verdoppelt. Trotz der erzielten Fortschritte erscheint es fraglich, ob das Ziel der Kampagne, Staatenlosigkeit bis 2024 zu beenden, tatsächlich erreicht werden kann. Erstens sinkt die Zahl der Staatenlosen weltweit zu langsam; zweitens hat sich die Datenlage noch nicht ausreichend verbessert, um überhaupt valide Aussagen über die Entwicklung der weltweiten Zahl staatenloser Menschen treffen zu können. Zudem scheint die Notwendigkeit, eine Staatsangehörigkeit besitzen zu müssen, um grundlegende Rechte geltend machen zu können, weiterhin unhinterfragt. Denn das Problematische an der Staatenlosigkeit ist nicht das Fehlen der Staatsangehörigkeit, sondern vielmehr der Verlust von Rechten und Freiheiten, der damit einhergeht.

Ziele für nachhaltige Entwicklung: Nr. 16

Auch in den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Interner Link: Sustainable Development Goals) sind Mechanismen vorgesehen, die die Situation von Staatenlosen verbessern sollen. Beispielsweise sieht Ziel 16 in Unterpunkt 9 vor, bis 2030 allen Menschen durch die Ausstellung von Geburtsurkunden und Ausweisdokumenten eine rechtlich gesicherte Identität zu ermöglichen. Die Wissenschaftlerin Bronwen Manby kritisiert jedoch, dass die Einführung neuer Bevölkerungsregister ohne Berücksichtigung der strukturelle Bedingungen von Staatenlosigkeit, diese weiter verfestigen oder gar hervorbringen könnte. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen, wie die Einführung neuer Zivilregister – nicht zuletzt durch eine diskriminierende Auslegung – zum Ausschluss mancher Bevölkerungsgruppen und Minderheiten führen kann: So wurde in der Dominikanischen Republik im Jahr 2013 ein neuer Bevölkerungszensus durch das Oberste Verfassungsgericht angeordnet und gleichzeitig entschieden, dass geänderte Bestimmungen der Staatsangehörigkeit auch rückwirkend auf alle Menschen anzuwenden seien, die zwischen 1929 und 2010 in der Dominikanischen Republik geboren wurden und nicht mindestens ein legal im Land lebendes Elternteil haben. Dies bedeutete für viele Dominikaner:innen mit haitianischen Vorfahren den Ausschluss aus dem Zivilregister und damit den praktischen Entzug der Staatsangehörigkeit. Und auch in Mauretanien führte die Änderung der Staatsangehörigkeitsgesetzgebung, bei gleichzeitigem Entzug des jus soli-Rechtes sowie die Einführung neuer nationaler Ausweisdokumente dazu, dass vielen Mauretanier:innen der Zugang zu neuen Ausweisdokumenten verwehrt wurde. Als Reaktion gründete sich die Bewegung ‘Rühre meine Nationalität nicht an’ (Touche pas à ma nationalité), die die diskriminierenden Folgen der biometrischen Erfassung der Bevölkerung als ‘biometric genocide’ bezeichnet. Solche zivilgesellschaftlichen Initiativen und Akteur:innen spielen weltweit eine wichtige Rolle für die Unterstützung staatenloser Menschen und die Wahrung ihrer grundlegenden Rechte. Dabei stehen besonders staatenlose Aktivist:innen vor der Herausforderung, dass sie nicht als rechtmäßige Bürger:innen des jeweiligen Staates anerkannt werden und somit nicht oder eingeschränkt über politische und demokratische Rechte verfügen. Das wiederum führt dazu, dass sie bei politischen Handlungen Gefahren wie Verhaftungen, Folter oder Tod verstärkt ausgesetzt sind.

Weitere Inhalte

Beeke Wattenberg absolviert den Masterstudiengang Internationale Migration und Interkulturelle Beziehungen (IMIB) an der Universität Osnabrück und ist Studentische Hilfskraft am dortigen Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS).