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Getarnte Sowjetpropaganda | APuZ 41/1954 | bpb.de

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APuZ 41/1954 Das Deutschlandbild der Franzosen Getarnte Sowjetpropaganda Das Vermächtnis des 20. Juli 1944

Getarnte Sowjetpropaganda

Roland Klaus

gen der ehemaligen Kriegsteilnehmer und einiger Jungen gingen in der allgemeinen Trägheit unter. Und als Brüning nach Paris kam, um einige letzte Rettungschancen zu versuchen, begegnete er dem stereotypen und verständnislosen Lächeln des Auvergnaten Laval — des gleichen Laval, der später den Sieg Deutschlands wünschte. Seien wir gerecht: sowohl unter Brüning wie unter Hitler war Laval ein Anhänger der deutsch-französischen Verständigung. Aber einem Brüning wagte er nichts zu opfern, während er es unter Hitler für politisch klüger hielt, dem Druck der Gewalt nachzugeben.

Seltsamerweise hat die pazifistische Propaganda eine verzögernde Wirkung. Und nach Hitlers Machtübernahme hindert die Verbindung der hartnäckigen Pazifisten mit den „Nationalen“ Frankreich daran, die wenigen mutigen und kühnen Entscheidungen zu treffen, die der Welt wahrscheinlich den Krieg erspart hätten.

Auch gegenüber dem Deutschland Dr. Adenauers bewahrt ein großer Teil der Franzosen das Mißtrauen, das sie gegenüber dem Deutschland Hitlers, der SS, der SA, des Rassismus und des Weltimperialismus empfinden mußten. Es steht — wieder einmal — zu fürchten, daß sie sich erst bekehren werden, wenn Deutschland sich mit Verachtung von Europa abwendet, sich nach Amerika oder Rußland orientiert oder — noch einfacher — mit beiden Riesen kokettiert, um sich schließlich mit einem Lächeln für den Meistbietenden aus der Affäre zu ziehen.

Europa wird seine Einheit nur finden, wenn Frankreich und Deutschland über die Kluft hinwegkommen, die sie trennt. Das setzt für Frankreich die Überwindung seiner alten Vorstellungen und eine genaue Kenntnis des tatsächlichen und historischen Deutschland voraus. Und diese Kenntnis setzt ihrerseits eine Vervielfältigung der persönlichen Kontakte zwischen Franzosen und Deutschen voraus. Und das muß schnell geschehen.

Wie oft schon kamen Kriegskameraden zu mir und brachten Zeitungen mit: „Hier, sieh dir das an! Endlich einmal wieder ein Blatt, das den Mut zur Wahrheit hat, das es wagt, uns Frontsoldaten des letzten Krieges anzusprechen, das sich bestrebt zeigt, unsere Vergangenheit zu verstehen, das auf unsere Nöte eingeht und das nicht dem Kommando Bonns blind gehorcht“.

Dann legten mir die Kameraden jeweils ein Blatt vor, ein hektographiertes, ein gedrucktes, eine Tageszeitung, eine Wochenausgabe und eine monatlich erscheinende Zeitschrift, Druckwerke, die in Deutschland erschienen und solche, die im Auslande gedruckt wurden.

Ich mußte nie lange blättern und lesen und wußte schon, womit ich es zu tun hatte. Es war in verschiedenen Gestaltungen und Fassungen immer wieder das gleiche. Wenn ich dann meinen begeisterten Freunden sagte: Sowjetpropaganda in nationalem Gewand, dann glaubten sie mir es nicht, dann hielten sie mich vom „amerikanischen Verfolgungswahn ergriffen" und verhöhnten mich. Ich mußte mir Mühe geben, ihnen zu beweisen, daß ich kein Schwarz-oder Rotseher sei, sondern daß ich etwas tiefer blicke als sie. Einige glaubten mir, die andern blieben bei ihren Zweifeln, die dritten hielten mich womöglich für einen von Amerika bezahlten Agenten, so tief hatte bei ihnen schon die Arbeit dieser Blätter gewirkt.

Sie rufen die Erinnerung . . .

Diese Druckerzeugnisse, die im Westen erscheinen, geben sich nach außen hin in Deutschland national. Die Druckanordnung erinnert an frühere nationale Blätter, an den Stahlhelm, vielleicht auch ganz entfernt an den Völkischen Beobachter. Sie bringt die Beiträge, so wie sie einst in jenen untergegangenen Zeiten gebracht worden sind. Denn sie alle sind in Westdeutschland für die „verlorene Generation“ geschrieben, für die Leutnants und Obergefreiten und vor allem für die Hitlerjugendführer, deren Erlebniswelt verschüttet und verfemt erscheint.

Diese Blätter besprechen lange und ausführlich die kleinste Tagung nationaler Schriftsteller, über die der gesamte Rundfunk und die große Presse schweigen, sie besprechen die Bücher jener Schriftsteller und ergehen sich dabei in Ausfällen gegen jene, die man gegenwärtig bei Funk und Presse besonders schätzt, sie rufen die Erinnerung an Binding, Hauptmann, Grimm, Kolbenheyer, E. Strauß, Miegel, Seidel, Tügel, Goltz, Scholz und an viele andere wach, denen die Presse in Westdeutschland keine Zeile mehr widmet und die doch unvergessen sind. Und darauf bauen die Zeitungen und Zeitschriften. Sie betonen, wie man diese Menschen vergessen und totschweigen wolle und wie sie die einzigen Zeitungen seien, die es wagten, an die Werke jener Männer zu erinnern.

Die Freunde und Frontkameraden, die zu mir kommen, weisen immer wieder darauf hin: „Diese Männer und Frauen haben wir geliebt, ihre Werke haben wir vor dem Krieg und im Krieg gelesen, man kann doch von uns nicht verlangen, daß wir so tun, als hätten wir vor 1945 nicht gelebt".

Der Inhalt variiert nie Gut, sage ich, das mag alles richtig sein. Aber ihr müßt doch erkennen, daß dies alles bloß Tarnfarbe ist. Es ist der Köder, mit dem man euch lockt. Und da ich bei euch den Versuch nicht aufgeben will, euch zu zeigen, was dahinter steckt, so wollen wir uns einmal zwei oder drei solche Zeitungen hernehmen und wollen ihren Aufbau ansehen. Er ist bei allen fast der gleiche. Er ist sehr geschickt gemacht, er ist förmlich wissenschaftlich berechnet und wirkungssicher. Also merkt auf:

Ob Zeitschrift oder Wochenzeitung, ob hektographiertes Blättchen, ob westdeutsches oder überseeisches Erzeugnis, die Reihenfolge ist fast immer ähnlich, und wenn die Reihenfolge variiert, der Inhalt selbst variiert nie. Wenn ihr meint, es komme doch auch auf die Höhe der Auflage an und diese Blätter hätten nur kleine Auflagen, so irrt ihr.

Die übergangenen Fünfzehn unserer Zeit Der amerikanische General S. L. A. Marshall hat ein Buch: MEN AGAINST FIRE — Männer im Feuer — geschrieben, in dem er nachweist, daß im Durchschnitt nur 15 von hundert Mann während des Gefechtes ihre Waffen benützen. Diese Fünfzehn sind weder besonders gute Unter-Offiziere, noch fallen sie irgendwie ihren Kompanieführern angenehm auf. Aber sie allein sind es, die ein Vorrücken entscheiden, die eine Stellung halten, die die Korsettstäbe für alle Stellungen sind. Für diese Fünfzehn, die übergangenen Fünfzehn unserer Zeit, sind diese Zeitungen der Sowjetpropaganda in Deutschland geschrieben. Diese sollen herangeholt und gewonnen werden. Und wenn die gewonnen werden, die das Zeug in sich haben, im rechten Augenblick zu handeln, dann hat man mehr gewonnen als man durch große Auflagen und durch alle nur mögliche Propaganda erreichen kann. Diese Fünfzehn des letzten Krieges, und da von ihnen viele gefallen sind, werden es vielleicht bloß sieben Mann sein von hundert, werden immer wieder angesprochen, an sie wenden sich alle diese Zeitungen und Zeitschriften.

Angriff auf die Politik Bonns Zuerst also muß einmal die Regierung Adenauer angegriffen werden, weil sie alles falsch, alles schlecht, alles dumm macht. Der Angriff erfolgt womöglich in der Terminologie der echten Parlamentarischen Opposition, damit die Sprache nicht sonderlich auffällt und damit sie vor allem nicht rückfällig wird in den gewissen nationalsozialistischen Schimpfstil, der ja ein ganz bestimmtes Gepräge hatte. Ganz allmählich geht es dann über zu Formulierungen wie: Der Regierung Adenauer muß gesagt werden, daß sie gleich den westdeutschen Landesfürsten ihre Landeskinder den Amerikanern verhandle, daß sie eine strammstehende Empfängerin von amerikanischen Befehlen sei und dabei das vergesse, was das einzige Anliegen jedes guten Deutschen zu sein habe: die deutsche Einheit. Diese Regierung Adenauer wird so hingestellt, als wenn sie nur eine einzige Absicht verfolge: Deutschland zum Kriegsschauplatz und die westdeutsche Armee zum Kanonenfutter zu machen.

Vielleicht wissen die Schreiber der Artikel nicht einmal, welche Absicht ihre Lenker im Hintergründe verfolgen, vielleicht führt wirklich vielen Erbitterung über die eigene Zurücksetzung die Feder, über die Ausschaltung aus dem politischen Leben, über die Schwierigkeiten im Weiterkommen. Diese Politik Bonns kann nur zu einem neuen Krieg führen, da Ruß-land eine Wiederbewaffnung Deutschland nicht dulden darf, weil Ruß-land der Wächter des Humanismus und des Friedens gegen den alles verschlingenden Kapitalismus ist. Rußland sitzt in Weimar, Rußland wird auch die großen Traditionen Weimars wieder lebendig machen.

Gegen die Katholiken Der zweite obligate Artikel ist der Artikel gegen die Katholiken. Das ist der Artikel, der am meisten ernst zu nehmen ist, denn er treibt seine Mine gegen einen der schwächsten Punkte der westdeutschen Position vor. Die Mehrzahl der Ostflüchtlinge sind Protestanten. Durch den Untergang und durch das Verschwinden Preußens hat der Protestantismus einen unersetzlichen Verlust an Boden erlitten. Diese Ostflüchtlinge sind an vielen Orten zwischen die katholische alteingesessene Bevölkerung hineingeschoben. Der Deutsche, von seiner Lust zu Streit und Zwiespalt getrieben, sucht irgend einen Vorwand, um streiten, um sein Recht behaupten zu können. Der Vorwand muß jetzt die Religion sein. Wie gefährlich dies sein kann, zeigen die Erinnerungen an den Kulturkampf zur Zeit Bismarcks und an den Widerstand der Konfessionen zur Zeit Hitlers. Die Russen müßten nicht die großartigen Taktiker sein, die sie sind, wollten sie nicht diese große Chance nützen. Sie greifen die katholische Kirche an, sie verdächtigen den Papst der Kriegshetze und werfen den katholischen Geistlichen vor, Waffen gesegnet und gegen den Kommunismus gehetzt zu haben. Wer die Artikel über den Fuldaer Katholikentag gelesen hat, der wird immer wieder folgenden Vorwurf gefunden haben: Westdeutschland schreibt Ostdeutschland vorläufig ab, damit der auf sich selbst gestellte Protestantismus der Ostzone so geschwächt wird, daß in zwanzig oder dreißig Jahren dann die katholische Kirche hoffen könne, bei einem Zurückweichen der Russen und einem Freiwerden der ostdeutschen Länder diese Gebiete zu rekatholikisieren.

Die Tongebung dieser Artikel braucht sich nicht allzusehr von denen des Dritten Reiches oder von denen der Mathilde Ludendorff zu unterscheiden. Es werden bekannte Platten aufgelegt und man kann die altbekannten Sündenböcke wieder vorgeführt bekommen.

Grundsatz: Was nützt Dir in diesem Augenblick An die Judenfrage wird nicht gerührt. Sie ist gegenwärtig in Deutschland noch zu sehr heißes Eisen. Aber damit ist durchaus nicht gesagt, daß sie für die Sowjets nicht die letzte Waffe sein könnte, die gegen Deutschland angewendet werden soll.

Denn dadurch unterscheidet sich ja die russische Politik grundsätzlich von der deutschen: daß die russische Politik sich an gar keinen andern Grundsatz gebunden fühlt als an jenen: was nützt dir in diesem Augenblick. Sie hat sich keinen Augenblick gescheut, mit Hitler zu gehen und jene deutschen kommunistischen Führer auszuliefern, die ihr gerade nicht sonderlich bequem waren, sie kann sich dies auch gestatten, da in ihren Reihen sich niemand finden wird, der solchen Manövern widerspricht. Sie hat einen großen Teil ihrer eigenen Spanienkämpfer liquidiert, weil diese im Westen zu trotzkistisch geworden waren. Sie waren in Spanien besiegt worden und außerdem der strengen Manneszucht entwachsen. Sie waren wertlos geworden — fort mit ihnen'

Nach dem Angriff auf die Katholiken kommt eine Biographie großer Preußen oder eine Schilderung von Preußens Größe, die nur dadurch möglich gewesen sei, daß Preußen im großen Rußland einen zuverläßlichen und treuen Freund gehabt habe. Preußens Kriege, Preußens Siege werden gerühmt, Preußens große Vergangenheit wird beschworen, die in Bonn nichts gelten soll, weil Bonn katholisch ist und sich über Preußens Sturz freut. An die Liebe des nachmaligen deutschen Kaisers Wilhelm I. zu der Prinzessin Radziwil wird erinnert, von Königsberg wird geschrieben, von Kant, von preußischer Zucht und preußischer Disziplin. Aber davon, daß Königsberg seinen Namen verloren hat, daß dieses Ostpreußen versteppt und verwildert, davon kein Wort.

Bis hierher ist nicht leicht gewesen, meinen ungläubigen Freunden zu beweisen, daß die Sowjets hinter dieser Zeitung stecken: denn gegen Adenauer wird man auch als westdeutscher Sozialdemokrat, gegen den Katholizismus kann man auch als Protestant und noch viel mehr als ehemaliger Nationalsozialist sein.

Auf Deutschland abgestimmte Taktik Aber wie ist es mit der rühmenden Schilderung der Leipziger Messe? Wie ist es mit den großen Hoffnungen, die sich an einen Handel mit dem Osten knüpfen können?

Meine unbelehrbaren Freunde wehren ab: Tun die Engländer nicht das gleiche? Fahren englische Abgeordnete nicht nach China? Begeben sich Franzosen nicht nach Moskau? Lind wir allein sollen das nicht tun?

Und hier: diese umfangreiche Schilderung der deutschen Streiks? Als was werden sie gewertet? Als westdeutscher Lohnkampf? Nein! AIs Protest der deutschen Arbeiter gegen die verbrecherischen Absichten Adenauers, Deutschland mit gebundenen Händen an die Amerikaner auszuliefern.

Hier stutzen meine Ungläubigen doch zum erstenmale! Denn bei diesen Artikeln wurde nicht das so ängstlich gehütete Maß gehaltert, da ließ sich der Schreiber gehen, da sprach er von Erdbeben und Donnerschlägen, von Anzeichen des Verfalles und von einer Vorahnung des Unterganges, der dieses westdeutsche Land bedrohe.

Von Ostdeutschland wird fast nicht gesprochen. Nicht werden die Dichter wie Brecht und Becher'erwähnt, weil die Leute der Zeitung genau wissen, wie wenig Freude daran ihre Leser hätten. Die Leistungen der Ostberliner Bühne und die Ausstellungen ostdeutscher Kunst finden kaum eine Erwähnung, aber die westdeutschen Ausstellungen und Aufführungen werden angegriffen, weil die übergangenen Fünfzehn oder Sieben zu ihnen ja doch kein Verhältnis haben.

Jetzt wird die Zeitung immer deutlicher: Die Zukunftsaussichten der Sowjetländcr werden geschildert, die großen Kanalbauten, die Technisierung der Wirtschaft, die Modernisierung des Verkehrs, die Zukunftsfreude der ganzen Sowjetbevölkerung, in die auch die andern unterworfenen Länder mit etwas gedämpfteren satellitischen Jauchzen einzustimmen haben. An die Staaten dieser Völker, an die der Polen, der Tschechen und der Rumänen wird wenig gerührt. Man will die deutschen Leser nicht auf den Gedanken bringen, daß auch er dort eingereiht und gleichgeschaltet werden soll. Man spricht über allgemeine Aussichten und nicht über besondere Begebenheiten. Man lobt die deutsche Vergangenheit und zeigt die jämmerliche Gegenwart auf. Ein Vergleich mit Österreich Wie sehr diese Taktik ganz allein auf Deutschland abgestimmt ist, zeigt ein Vergleich mit dem Vorgehen der Russen in Österreich. Es gibt in Österreich keine von den Russen subventionierte Zeitung, die sich mit dem Ruhm österreichischer Vergangenheit befassen würde. Wozu auch? Österreich ist halbbesetztes Land, dort können sich die Russen in alle Angelegenheiten mischen, dort müssen sie bei guter Laune gehalten werden. Die österreichische Geschichte bietet für Rußland auch nicht die geringsten Anknüpfungspunkte. Österreich hat — mit Ausnahme der Zeiten der Heiligen Allianz, zu Rußland immer ein gespanntes Verhältnis gehabt, denn Rußland gebärdete sich als Schutzmacht der Slawen, Ruß-land war ein orthodoxes Land, das im Katholizismus, den die österreichische Regierung vertrat, seinen Erbfeind sah. Schwarzenberg, der 1812 den Südflügel der napoleonischen Armee deckte, war nicht wie Yorck zu den Russen übergegangen.

Wenn die Russen in Österreich also das gleiche erzielen wollen wie in Deutschland, dann lassen sie nicht die österreichische Vergangenheit rühmen, sondern sie tadeln die österreichische Gegenwart; sie werfen der österreichischen Regierung vor, die Soldatentreffen, die Generalsreisen nicht zu verbieten, die eine Vorbereitung des „Anschlusses“ seien, und dieser wiederum sei die schwerste Gefährdung des Friedens, dessentwegen die Russen eben nicht die österreichische Position aufgeben.

In Österreich müssen sie nicht mit Prinz Eugen und Metternich locken, denn beide waren nicht wie Yorck und Stein in Petersburg. Das kleine Bundesheer wurde auch nicht zwischen 1918 und 1938 in Rußland ausgerüstet, die winzige österreichische Luftflotte wurde nicht in Rußland ausgebildet, im österreichischen Generalstab gab es nie ein Kalkül, das sich auf Rußland stützte. Das einzige Mal, daß sich Rußland und Österreich zusammenfanden, war das Niederwerfen der ungarischen Revolution im Jahre 1849 durch die über die Karpaten einrückenden Russen, und dies ist keine Episode, an die die Russen die Österreicher oder die Ungarn erinnern wollen.

Im Westen befassen sich die gesteuerten Zeitungen mit den Flüchtlingen aus der Ostzone. Sie greifen diese Flüchtlinge keineswegs an, sie heucheln Mitleid mit ihnen, es tue ihnen in der Seele weh, wie schnöd Bonn diese armen Menschen behandle. In Österreich, wo die Russen und ihre Zeitungen nicht Umwege zu machen brauchen, erzwingen sie vom Innenminister, daß die österreichische Gendarmerie diese Flüchtlinge wieder an die Grenze bringt und sie dort der ungarischen, tschechischen oder russischen Polizei übergibt. Was den Menschen dann blüht, braucht nicht gesagt zu werden. In Österreich fördert die gesteuerte Presse auch keine allgemeinen Streiks, weil die Arbeiter der Usia-Betriebe, der russischen Betriebe keine Streiks dulden können, nicht einmal Sympathiestreiks, weil alle Diktaturen dergleichen Erschütterungen nicht vertragen. Der Schrecken darf an keiner Stelle ein Popanz werden, sonst hebt sich solch ein Staatengebilde selbst auf.

In Italien greift die gesteuerte Presse vor allem die Kirche und dann den Faschismus an, für den sie doch in Westdeutschland so viel Verständnis zu haben vorgibt. Denn keine Nummer, die sich nicht darum bemüht, die Vergangenheit zu deuten und darauf hinzuweisen, daß doch nicht alles schlecht war.

Getrennt marschieren, ein Merkmal russischer Politik Welche Augen würde die Welt machen, wenn sie einmal Einblick in den russischen Reptilienfond bekäme! Aber sie würde lange studieren müssen, um sich in den verschlungenen Fäden auszukennen. Wahrscheinlich werden diese Zeitungen so geführt wie viele russische Angriffe: daß die linke Division nicht weiß, welche Aufgabe die rechte hat, und daß jede Division glaubt, sie allein sei die einzige Trägerin der Entscheidung.

Dieses getrennte Marschieren ist keine Erfindung der Sowjets, es ist ein altes Merkmal jeglicher russischer Politik. Sie unterdrückten die Polen und befreiten die Bulgaren, sie knebelten die Ukrainer und richteten das Kreuz der Freiheit und der Erlösung in Serbien und in Griechenland auf. Sie waren für eine Befreiung der Tschechen aus deutschem Joch und unterdrückten die Letten, die Litauer und die Esten. Niemand, außer jenen, die nicht mehr reden durften, warf ihnen vor, daß alles Lüges sei, weil sie niemand vorher noch bei einer Wahrheit ertappt hatte. Und weil das alles vollkommen naiv, mit dem allerbesten Gewissen der Welt geschah, so gewöhnte man sich daran. Es war auch nicht so leicht, dieses Staatswesen zu durchschauen. Es konnte dem Westen ein westliches Gesicht und dem Osten ein östliches zeigen, denn es war ja gemischt aus Westen und Osten.

Sie sprechen bei den Deutschen in Westdeutschland die preußischen Tugenden, die preußische Vergangenheit, die Ritterlichkeit an, sie erinnern an alle Unbilden, die den Deutschen von Engländern, Franzosen und Amerikanern widerfahren sind. Sie schreiben über die Gefangenen in Werl und schweigen über jene in Spandau. Sie sind so geschickt im Mischen der Karten, daß man nicht umhin kann, sie immer wieder zu bewundern.

Das Übel geschah im Dunkeln Aber da triumphieren meine Freunde: Alles, was du sagst, ist törichte Verdächtigung. Schau hier an, wie jene Dichter und Schriftsteller, die wir lieben, die wir zu den Unsern zählen, gerühmt werden! Lies die Namen und sag, ob du einen in der westdeutschen Presse finden wirst! Das allein könnte uns genügen! Aber hier! Was steht hier!

Ihr deutet, erwiderte ich, auf eine obligate Stelle. Sie wird sich in irgendeiner Form in jeder Zeitschrift, in jeder Wochenzeitung finden: das sind die russischen Greuel im Osten. Sie werden nicht geleugnet. Sie werden immer wieder hervorgehoben. Aber bitte, sieh doch an, wie diese Greuel beschrieben sind? Das Sengen und Brennen, das Schänden und Morden in Schlesien, in Ostpreußen, in Pommern, im Warthegau und an der Elbe! Schau es dir doch genauer an, dann wirst du wirklich etwas von unserer heutigen Betrachtung gelernt haben: Nicht die Schänder werden beschrieben, sondern die Geschändeten, nicht die Mörder, sondern die Erschlagenen, nicht die Räuber, sondern die Beraubten, nicht die Panzer, sondern die von den Raupenketten zermahlenen Kinder und Frauen. Nicht die Diebe werden beschrieben, sondern die ausgeplünderten Häuser, nicht die Brandstifter, sondern die Brände, nicht die Peiniger, sondern die Schreie der Gefolterten.

Warum glaubt ihr denn, daß man mit großer Übereinstimmung so die Leiden der Menschen im vergangenen Kriege schildert? Um dem, der an sie erinnert werden sollte, das Herz schwer zu machen. Die Menschen, die über sie hereingebrochen sind, haben kein Gesicht, sie sind eine Naturgewalt, eine wilde Woge, ein Gewitter, eine kosmische Urgewalt, der Widerstand zu leisten sinnlos ist. Ihr, die ihr da im Westen aufrüsten wollt, überlegt es euch, ihr habt es nicht mit Menschen, ihr habt es mit Mächten zu tun.

Wenn ihr nun glaubt, daß ich übertreibe, dann lest, vielleicht steht es in der gleichen Nummer, das Luftbombardement auf Dresden. Kein Wort davon, daß es die Russen angefordert haben! Aber viele Worte über die Grausamkeit und über den Vandalismus der Engländer!

Kein Wort über die hunderttausend Kinder der geschändeten Frauen, aber in jeder Nummer ein Artikel über die schwarzen Kinder der deutschen Fräuleins! Über die Belastung, die dadurch dem deutschen Staat entsteht, über das Verbrechen der Amerikaner, diese Schwarzen nach Europa zu bringen, aber kein Wort über die Chinesen in Schlesien und über die Verschiebung der Völker innerhalb der Sowjetunion.

Lange Abhandlungen werden geschrieben über die von den Amerikanern beschlagnahmten und verschleppten Akten der Staatsämter und der Heeresleitung, über die weggeführten Dokumente, mit keinem Wort wird die geraubte Sixtinische Madonna erwähnt, wird von den Kunst-stätten Berlins und denen aller andern Städte des deutschen Ostens gesprochen. Die schlechte Unterbringung der Ostflüchtlinge, also der von den Russen, von den Tschechen, den Polen, den Ungarn, den Jugoslawen und den Rumänen aus ihrer Heimat Verjagten, wird immer wieder hervorgehoben, ihr Los wird beklagt, sie werden aufgefordert, sich endlich ihr Recht zu nehmen, aber von ihren Vertreibern wird kein Wort gesprochen. Schuldig sind jene, die sie ausgenommen haben. Dort kann man die Baracken sehen, dort kann man über die verwahrlosten armen Kinder klagen, aber von jenen, die das alles veranlaßt haben, wird nichts gesagt. Das Übel geschah im Dunkeln, in jener Zone, über der das Schweigen hängt, in jenen Bereichen, in denen sich das Schicksal gleich einem Wetter zusammenballt. Du kannst dich noch heute mit dem Drohenden gut stellen, wenn du für seine Gedankenwelt eintrittst. Dann wirst du teilhaben am Glück, dann wird der furchtbare Schatten weichen.

Dann noch ein paar Artikel über die Größe der russischen Luftflotte, über die Anzahl der russischen U-Boote — und dazwischen, damit auch eine kleine Schwäche dieses furchtbaren Kolosses sichtbar wird, kleine Wehrersatzsorgen der Russen, deren schwache Rekrutenjahrgänge, an denen die Deutschen schuld sind — an solche Verfehlungen wird immer erinnert, sie dienen dazu, harte Maßnahmen der Russen zu erklären — und dann wieder etwas über die russische Wasserstoffbombe, über die Zahl der von den Satelliten aufgestellten Divisionen und deren Ausrüstung — doch darüber nicht zu viel, damit die Deutschen nicht am Ende auf den Gedanken kommen könnten, auch ihnen sei solch eine Zukunft zugedacht. Lange Abhandlungen über das Los jener Länder, die der kommende Kriegsschauplatz sein werden, immer wieder der Hinweis auf das Schicksal Koreas und Hinterindiens.

Die Drohung des Ostens Um das Drohende des Ostens — also nicht nur Rußlands allein, sondern auch des mit Rußland verbündeten Chinas und der andern östlichen Völker, die noch zu diesem Bündnis stoßen werden, den Deutschen sinnvoll und klar vor Augen zu führen, ist ihnen kein Mittel zu dumm und zu schlecht. Die Erinnerung an das Bild des Malers Knackfuß — ein schlechter Maler hat im Auftrage des taktlosen Kaiser Wilhelms II. ein dummes Bild gemalt, unter dem stand: Völker Europas wahrt eure heiligsten Güter — wird beschworen, wenn sie auch falsch beschworen wird: „Es zeigt den Aufmarsch der europäischen Völker, dargestellt durch bewaffnete Frauengestalten gegen eine im Hintergrund drohende Figur, welche dschingis-khan-artig die grausige Fremdheit Asiens verkörpern sollte“. Was nicht stimmt, denn die Taktlosigkeit Kaiser Wilhelms war weiter gegangen, sie hatte im Hintergrund die Gestalt Buddhas den um das Kreuz gescharten hochbusigen europäischen Staaten gegenübergestellt. „Eine an heutigen Verhältnissen gemessene, besonders akute Veranlassung für diese Warnung und Mahnung lag damals nicht vor“ (Für den deutschen Kaiser war der Boxeraufstand und der russisch-japanische Krieg der Grund, dieses schreckliche Bild malen zu lassen. Der deutsche Kaiser wollte seinen Vetter, den Zaren, warnen, er wäre am liebsten an seine Seite getreten, um die Asiaten zu bekämpfen. Er war es doch auch, der das Hunnen-Wort dem feindlichen Ausland als Stichwort gegeben hatte.). „Wenn“, fährt der zitierte Aufsatz fort, „ihr eine visionäre Vorschau einer späteren Entwicklung zugrunde lag, dann haben diese Warnungen und diese Mahnungen jedenfalls, wie die kurz danach folgenden Jahre zeigten, bei den mächtigsten europäischen Völkern die gegenteilige Wirkung gehabt". •

Wo will der Mann eigentlich hinaus? Worauf spielt er an? Der Aufsatz ist nach dem Fall von Dien-Bien-Phu geschrieben. Aber wir müssen zu dem Kernsatz vorstoßen, der den Zweck dieser Arbeit enthüllt und der, wie alle diese Kernsätze einer russischen Propaganda, eine kaum verhüllte Drohung enthält. Hier ist er: „Aber was wir hier heute als Ergebnis dieser Wirkung mit dem einstweiligen Schlußakt Dien-Bien-Phu erleben, gibt den Worten des letzten deutschen Kaisers eine andere, von ihm nicht geahnte und infolge nunmehr akut gewordener Bedrohung dringendere Bedeutung. Das Spiel, welches die bisher auftretenden Repräsentanten der farbigenVölker, um Rußland geschart, mit den hilflosen Führungen der westeuropäisch-usamer i k anischen auf den Konferenzen treiben, begleitet vom Erwachen Ägyptens und von der immer stärker sich bemerkbar machenden Einschaltung Indiens, müßte eigentlich jedem einsichtigen Angehörigen der weißen Völker die Umkehrung der Rollen der beiden Menschheitsgruppen klar machen. Es ist im Laufe kürzester Zeit auf Grund tatkräftigster Förderung der Europäer selbst der Zustand eingetreten, den man, um im Bilde Wilhelms II. zu bleiben, einen Angriff Asiens nennen könnte“.

Und nun kommt der dialektische Sprung von der Warnung Wilhelms II. vor der asiatischen Gefahr zu dem Verhalten, das heute gegeben ist: nicht mehr Abwehr mit den Waffen, sondern Verstehen des Ostens und Verständigung. Da aber (dies wird stillschweigend vorausgesetzt, und deshalb ist ja dieser Artikel geschrieben), dieser drohende Osten, vor dem der Kaiser in so taktloser Weise gewarnt hatte, übermächtig sein wird, wird man auf ihn eingehen müssen. Aber es wird nicht mehr der alte Osten sein, denn eines der vier Frauenzimmer vom’ Bilde Kaiser Wilhelms ist übergelaufen und hat sich auf die Seite des Ostens gestellt. Und im Osten droht auch nicht der meditierende, in sich versunkene Buddha, sondern das Plakat des jeweiligen mit Rußland befreundeten Staatspräsidenten. Und die andern Führer der um Rußland gescharten farbigen Völker drohen mit dem großen Rußland. Es fällt auf, das das erwachende Ägypten und das sich auf sich selbst besinnende Indien erwähnt werden, nicht aber Persien. Über Persien wurde zum Zeitpunkt der Abfassung des Artikels deshalb geschwiegen, weil dort gerade ein von den Sowjets unterstützter Militärputsch vorbereitet wurde. Der hätte natürlich spontan aus dem persischen Volk entspringen müssen. Davon konnte man in Rußland natürlich nichts, ahnen, und was man in Rußland nicht ahnen kann, das können auch die in russischen Diensten stehenden Deutschen nicht schreiben. „Völker Europas wahrt eure heiligsten Güter!“ heißt also nach dieser Auslegung — sie wird nie ganz gegeben, sie bleibt bei einem gewissen Punkte stehen und fordert auf, selbst weiterzudenken, in den gelegten Schienen zum Endziel weiterzurollen: Völker Europas besinnt euch darauf, daß euer Europa eine kleine asiatische Halbinsel ist, auf der sich die Amerikaner festgesetzt haben, wie dies immer die erobernden Seevölker mit ihrer Gegenküste halten: Die Engländer in der Normandie, die Schweden in Finnland, die Griechen in Kleinasien, die Phönizier in Spanien und Sizilien und die Amerikaner in Formosa, auf den Philippinen und an den westeuropäischen Küsten.

Der Fall John Es gibt kein Ereignis, daß nicht in diesem Sinne kommentiert wird. Meine Freunde, die mir nicht glauben wollen, verweisen auf die ablehnende Stellungnahme dieser Art Presse zum Falle John. Wären es wirklich Russenblätter, wenden sie gegen mich ein, so müßten sie doch Johns Schritt begrüßen.

Ich antworte: Das täten sie auch am liebsten. Aber so geschickt sind diese Burschen schon, daß sie nicht etwas schreiben, was ihre Leserschaft oder was jenen Kreis, nach dem sie zielen, um den sie sich bemühen, ärgern könnte. Sie haben genau die Wirkung von Johns Schritt auf die Deutschen gesehen, deshalb gehen sie in dieser Frage vorsichtig vor. Sie können nicht offen zu John stehen, weil sie, ihren Lesern zuliebe, immer gegen die Männer des 20. Juli aufgetreten sind. Aber sie wollen auch nicht direkt John angreifen, denn John soll ja beispielgebend sein, John soll ja die Reihe der Überläufer eröffnen, mit denen der Verlust wettgemacht werden soll, den ihre Reihen bis vor kurzem erlitten hatten. John soll nicht zum Helden gemacht werden, das kann man den Lesern nicht antun. Aber man kann wohl um Verständnis für John werben, wenn man fragt: Was heißt denn eigentlich überlaufen? Ist nicht Ostdeutschland auch Deutschland? Kann nicht dieser John wirklich aus Besorgnis um die Verewigung dieses Zerreißens übergelaufen sein?

Wie wird das dargetan? „Solange sich dieser unglückselige Limes quer durch ein zerrissenes Deutschland zieht, solange ist allen labilen Naturen dieses Volkes die Möglichkeit gegeben, je nach Bedarf die Fronten zu wechseln und zu verraten". Und dann wird gefragt, wieviele solcher unzuverlässigen Leute noch in Bonn sein mögen und dann heißt es auftrumpfend: „Die Bonner Kulisse, hinter der sich angeblich so viel geschützte Weisheit verbergen sollte, ist nämlich verblasst und entzwei".

Ja und dann erscheint ein Artikel über den österreichischen Oberst Redl, der im Jahre 1913 dem russischen Geheimdienst den ganzen Aufmarschplan verraten hatte, und da wird dann darauf hingewiesen, daß Redl ein Homosexueller war und daß es den Russen deshalb gelang, ihn zu ihrem gefügigen Werkzeug zu machen. Wer gut lesen kann, kann die Untertöne vernehmen: Der russische Geheimdienst hat immer gut gearbeitet. Im ersten Weltkrieg war es weder den deutschen noch den österreichischen Spionen gelungen, irgend welche nennenswerten Geheimnisse zu erfahren. Aber die Russen beobachteten gut und lange, sie 'schauen sich alle Leute genau an und kennen deren Schwächen. Sie beherrschen den in allen Ringkämpfen verbotenen und doch immer wieder so wirkungsvollen schändlichen Griff nach der männlichen Blöße und zwingen den von ihnen Ausersehenen zum absoluten Gehorsam. Daran sollten die Artikel über den Oberst Redl erinnern. Diejenigen, die es angeht, werden es verstehen und die es nicht verstehen, werden darüber nachdenken, wie gut die russische Abwehr schon seit jeher gearbeitet hat. Wußte doch 1912 der russische Militärattache in Belgrad, daß sich unter den für das Attentat auf den österreichischen Thronfolger vorgesehenen serbisch-bosnischen Attentätern Leute aus dem Kreise Trotzkis befanden, eine Tatsache, die der zaristische Militärattache durchaus nicht billigen konnte, denn damals hoffte man den großen Brand, den man legen wollte, lenken und abgrenzen zu können.

Zum deutschen Metallarbeiterstreik Zu dem deutschen Metallarbeiterstreik, den die ostzonale Regierung nicht nur begrüßte, sondern auch unterstützte, wo sie nur konnte, wird geschrieben: „Der Streik: Das Marnewunder 1954“.

P Welches Marnewunder? Welcher Vormarsch wurde da gehemmt? Wer war an dem Streik hauptsächlich interessiert? Wer hatte ihn gerade zu dem kritischen Zeitpunkt der Konferenzen entfacht? Welche Antwort gibt es auf diese Fragen: „England ist interessiert, daß die vorrükkende und erstarkende deutsche Wirtschaft einen Schlag bekommt. Nichts wird über die ostzonalen Sympathiekundgebungen geschrieben, die Weisheit wird in einen Satz zusammengefaßt: „Die nahezu einhellig bekundete Sympathie der englischen Zeitungen für den jüngsten deutschen Metallarbeiterstreik sollte doch sehr zu denken geben“.

Es gibt kein Ereignis, daß in diesen Blättern nicht seine überraschende Auslegung fände. Und da sich das Monat für Monat und Seite für Seite wiederholt, so faßt diese Art des Denkens Wurzel. Sie ist von einer Folgerichtigkeit, die sonst nur Besessene und Wahnsinnige besitzen: alles ordnet sich ihren fixen Ideen und manischen Vorstellungen unter.

Meisterstück sowjetischer Propaganda Das Meisterstück aber leisten diese Blätter auf ihren Soldatenseiten, die sie alle haben, wenn es nicht überhaupt rein soldatische Blätter sind. Sie rühmen und verherrlichen die Tapferkeit der deutschen Soldaten, sie bringen Erinnerungen von Kampfhandlungen gegen die westlichen Gegner, sie feiern die Jahrestage des Einmarsches in Paris und der Besetzung Norwegens, sie besprechen die Erinnerungswerke aller schreibenden Generäle und widmen allen Memoiren breite Besprechungen, sie schildern den Westen und dessen Soldaten genau und lassen den Osten im Dämmerlicht einer furchtbaren, unüberschaubaren Drohung. Sie fügen dann aber immer hinzu, daß die kommenden Kriege furchtbar sein werden, viel schrecklicher, als sich irgend jemand das denken könne. Der deutsche Soldat habe sich Lorbeeren genug erworben, er könne sagen: Ohne mich! Er müsse sich nicht in kommende neue Kriege drängen. Laßt die Hände von den Waffen, die euch die Amerikaner reichen. Bedenkt, was das für Soldaten sind! Habt ihr nicht gelesen, was bei den letzten Manövern mit den Atomgeschützen geschehen ist? „Am 18. ds. Mts., während einer US-Felddienstübung im Raume Schongau-Obb., hatte sie — bei Rottenbuch an der Ammer war es — plötzlich einen schönen Hang gefunden, an dem sie wie ein eigensinniger Maulesel nicht mehr weiterzubringen war. Sie legte sich auf die Seite und kippte hinunter“. Lind in einem andern Aufsatz, ein paar Zeilen weiter oben heißt es: „Hier liegt eine drohende Gefahr für unsere Heimat, wenn die mit großen Worten angekündigten und von der Bundesregierung freudig begrüßten amerikanischen „Atomkanonen“ „Matadore“ usw. auf deutschem Boden verbleiben. Frankreich, Italien, Belgien, Holland, Luxemburg haben die Stationierung dieser Waffen auf ihren Territorien entschieden abgelehnt."

Das, was man bezweckt, wird nie auf einmal gesagt, man flößt solche Nachrichten und die Gedanken, die sie auslösen sollen, dem Patienten nach und nach ein.

Wir warnen euch! Wir sprechen als Soldaten zu Soldaten! Geht dem . Westen nicht auf den Leim! Besinnt euch darauf, wo eure wahren Freunde stehen! Denkt daran, daß die Zukunft dem Osten gehört! Wollt ihr euch wieder auf die falsche Seite stellen? Zwingt die Russen nicht, gegen euch vorzugehen! Ihr werdet von ihren Panzern zerwalzt wie die Flüchtlinge in Ostpreußen. Ihr seht ja, was diese Amerikaner für Soldaten sind! Lassen die Atomkanone in den Abgrund rollen! Und ihr wißt, daß es sich in dem kommenden Krieg um Bruchteile von Minuten handelt! Wer nicht zur rechten Zeit zum Schuß kommt, wird ztgedeckt! Euch, den alten Soldaten, muß man solche Dinge doch nicht lange und breit auseinanderklabastern. Na also! Sind die Russen nicht ein altes Soldatenvolk wie die Preußen? Haben sich deshalb nicht in der Vergangenheit Russen und Preußen immer so gut verstanden? Hat nicht Stalin den deutschen Militärattache vor allen Diplomaten umarmt?

So und hier nun sind wir bei dem Meisterstück sowjetischer Propaganda angelangt. Sie rühmen in den von ihnen ausgehaltenen Zeitungen und Zeitschriften den deutschen Soldaten, sie rufen dessen Tradition wach, sie versuchen, den Westen vor diesen Soldaten schlecht zu machen und sie warnen zugleich den Westen vor diesem Soldaten. Sie zeigen dem Westen, welch ein Geist da wieder im deutschen Volk ersteht, sie erinnern, und das tun sie auf sehr geschickte Weise, den Westen daran, daß die Reichswehr einst in Rußland ihre Panzer und ihre Flugzeuge entwickeln konnte, daß es Rußland war, das der Weimarer Republik bei ihrer Ausrüstung geholfen habe. Sie warnen den Westen davor, daß sic dies wiederholen könne, daß die mit amerikanischen Waffen ausgerüstete westdeutsche Armee zu den Russen überlaufen könne. Die paar Leute, die alles überblicken, locken die deutschen Toren, die nichts gelernt haben, aus der Vergessenheit hervor und ermuntern sie, bei Soldaten-tagungen zu schmettern und auf den Tisch zu hauen. Aber sie lassen im gleichen Augenblick diese Soldatentagungen von kommunistischen Störtrupps sprengen, wenn sich auf ihnen SS-Leute aus Holland, Belgien und Dänemark einfinden sollten. Erinnerungen sind gestattet, aber sie müssen gegen den Westen gerichtet sein. Vor dem Osten hat man sich zu fürchten, vor dem Osten hat man Scheu zu empfinden und hat sich deshalb vor ihm zu beugen. Aufrüsten darf Deutschland im Westen nicht, wenn es auch im Osten eine Division nach der anderen aufstellt und wenn die jungen Männer, noch der Schule nicht entwachsen, sich dem Wehrsport hingeben müssen. Aber Westdeutschland hat sich um Ostdeutschland nicht zu kümmern. Und wenn Ostdeutschland aufrüstet, so geschieht es um des Friedens willen, der vom Westen ganz allein bedroht wird. Deutschland hat neutral zu bleiben und seine Industrie gehört, wenn der Konflikt Westen-Osten ausbrechen sollte, dem, der Deutschland näher ist, also den Russen. Und wenn Rußland diese Industrie besitzt und diese Arbeiter, dann kann kein Land und keine Verbindung von Völkern auf der Erde mehr den Russen widerstehen. Grund genug, alles daran zu setzen, um eine Bewaffnung Westdeutschlands unter allen Umständen zu verhindern.

Nur ein Ziel!

Zur gleichen Zeit, in der sie in den deutschen Zeitungen den deutschen Soldaten der Vergangenheit, in der sie Scharnhorst, Stein, Gneisenau, Blücher, Moltke, Schliessen und Hindenburg rühmen, greifen sie in englischen und französischen Zeitungen den wiedererstehenden kultur-feindlichen, humanitätszerstörenden deutschen Militarismus an, rufen sie diesen Völkern immer wieder zu, an den Welteroberungsdrang der Deutschen zu denken, an die Gefahr, die dieses Volk für Europa bedeute, an die Bedrohung durch den Faschismus zu denken, der durch den vereinten Kampf von Ost und West gewonnen worden sei.

Und wenn mich dann meine doch langsam aufmerkenden Freunde fragen, welches Ziel die Russen eigentlich verfolgen, dann sage ich ihnen: Nur ihr Ziel! Alles, was zu ihm führt, alles was Hindernisse beiseite räumt, ist gestattet, alles, was den Weg zu dem Ziel versperren könnte, wird unter den verschiedensten Devisen angegriffen. Recht ist das, was den Vormarsch fördert, Verbrechen das, was ihn hemmt. Andere Grundsätze gibt es nicht und hat es nie gegeben. Das könnten viele bestätigen, die auf die Russen gewartet haben, weil die Russen versprochen hatten zu kommen, am besten vielleicht von allen der General T. Bor-Komorowski oder die Generale Seydlitz und Paulus. General Bor blieb allein in Warschau, weil die Russen nicht wünschten, daß nationale Polen die Freiheit erringen könnten, eine Aufgabe, die ganz allein den kommunistischen Polen zugedacht war. Paulus und Seydlitz werden aufs Eis gelegt und hie und da aus dem Keller geholt und vorgezeigt, mehr nicht. Sie werden auch später nicht schreiben, wenn sie. eine Möglichkeit hätten nach dem Westen zu gehen, denn brüchige Menschen werden dort drüben ganz zermürbt.

Dies alles nun wird so geschrieben und so dargestellt, als ob es aus besorgten deutschen Herzen käme. Und zwischen diesen Worten dr Sorge steht ein Ausspruch von Arndt: „Ein einiges Volk zu sein ist die Religion unserer Zeit."

Vorbereitungen für den Tag X Man sage nicht, daß diese Zeitungen und Zeitschriften keine Verbreitung haben und daß daher das, was sie schreiben, belanglos und unwirksam sei. Diese Zeitungen und Zeitschriften werden den Menschen, auf die es ankommt, kostenlos ins Haus geschickt. Die Sowjets müssen eine Versehrtenliste und ein Gekränktenverzeichnis haben, die ihnen bei der Verteilung ihrer Presseerzeugnisse sagen, an wen sie die Blätter schicken sollen. Diejenigen, die gefunden und erreicht werden sollen, werden erreicht und gefunden. Sie müssen nur die famosen Säuberungs-und Verbotslisten aus den ersten Nachkriegsjahren zur Hand nehmen.

Das alles sind Vorbereitungen für den Tag X, von dem so viele sprechen und den sich alle ganz verschieden vorstellen. Vielleicht haben die Russen ein klares Bild von diesem Tag und von dem, was sie bis zu diesem Tag erreicht haben wollen.

Denn sie arbeiten ja nicht nur nach dieser Methode in Deutschland, sie arbeiten nach geänderten und sorgfältig angepaßten Methoden in Aegypten, in Persien, in Indien, sie schüren überall den Kampf und sie verlassen sich weniger auf Flugbasen als auf freiwillige Mitarbeiter, die sich an diesem großen Spiel beteiligen wollen. Sie schüren den Nationalismus im ganzen Osten, sie ändern von Volk zu Volk die Methoden und sind fast nie zu greifen. Am geschicktesten und am verschlagensten aber gehen sie doch in Westdeutschland vor, denn augenblicklich scheint das Wettrennen um die Bundesrepublik die vordringlichste Aufgabe.

Es hilft nur eines: sich nicht zu fürchten Ein Mann allein kann weder dieser Presse noch diesen Methoden entgegentreten. Täte er es, so fiele man ihm sofort in den Rücken. Nicht, weil er gegen die Sowjets geschrieben hat, sondern weil er ein Faschist, ein Nazi, ein Reaktionär, ein Kriegshetzer, ein Friedensstörer, ein Juden-feind, ein Hitleranhänger, ein Mussolinifreund, ein Quisling, ein Reaktionär, ein Lump, ein Schuft, ein Verbrecher ist, dem man die Pension entziehen, den man aushungern, den man verfolgen und mundtot machen müsse — von Rußland, vom Kommunismus wird dabei kein Wort gesprochen, es wird von der Gefährdung des Friedens gesprochen.

Vor den Russen und ihren Drohungen hilft nur eines: sich nicht zu fürchten, ihre Angriffe jeweils aufzudecken, ihre Mittel bloßzulegen und den Menschen zu sagen, was die Russen beabsichtigen, welches Ziel sie ansteuern. Der beste Beweis ist dafür das tapfere finnische Volk, das durch Jahrhunderte diesen Kampf um seine Selbstbehauptung mit eiserner Zähigkeit und mit einer vorbildlichen Sauberkeit führt. Sie sind den Kampf gewöhnt, sie nehmen ihn auf sich, es wird unter ihnen nur wenig Verräter geben, weil sie wissen, das Verrat tötlich ist.

Es würde nicht schaden, wenn Bonn monatlich einmal eine Liste jener Blätter und ihrer Mitarbeiter veröffentlichte und wenn sich Bonn auch um jene Menschen ein wenig kümmern würde, die das Ziel der russischen Propaganda sind. Wenn man schon nichts anderes für diese Leute tun will, so sollte Bonn auch solche Verbotslisten nach dem Jahre 1945 hernehmen und sollte nach den Registrierungslisten die Adressen der wichtigsten und der maßgebenden „Ehemaligen“ zusammenstellen und diesen eine handfeste, wohlüberlegte Berichtigung schicken.

Viele Mitarbeiter dieser Zeitungen würden staunend entdecken, in welchen Diensten sie arbeiten. Sie würden sehen, für wen und für was ihre Namen mißbraucht werden. Denn wie es einst 1933 die Armee der Arbeitslosen war, die die Schlacht um die Herrschaft im Staate entschieden hatte, so-werden es in den kommenden Auseinandersetzungen jene sein, welche die russische Propaganda zu erreichen versteht und die von der anderen Seite nur dann genannt werden, wenn man behauptet, daß von ihnen her dem Staate die Gefahr drohe.

In einer Zeit, in der ganze Völker abfallen, in denen berühmte Namen wie Sartre umstecken und finden, daß die „schmutzigen Hände“ nicht mehr gespielt werden sollten, weil sich das Weltbild so sehr verändert habe, in solchen Zeiten möge man sich um jene kümmern, gegen die sich der Hauptangriff der sowjetischen Propagande richtet.

Das zu sagen ist vielleicht nicht sehr klug, das zu lesen ist vielleicht nicht sehr angenehm. Aber wir wissen alle nicht, wie spät es ist. Wer zwei verlorene Kriege mitgemacht hat, hat es zweimal erlebt, wie sehr man sich in der Geschichtszeit täuschen kann. Deshalb sind alle diese Fragen unaufschiebbare Fragen.

Tugend und Laster der Deutschen Die Deutschen waren durch Jahrhunderte zerklüftet, ihre Fürsten waren vom Ausland abhängig, ihre Heere marschierten unter fremden Fahnen, ihre Soldaten fielen auf fremden Schlachtfeldern, ihr Blut wurde für fremde Völker vergossen. Die Deutschen haben ein unterentwickeltes Gefühl für nationale Ehre, und weil sie es haben, deshalb übertrieben sie so in der Hitlerzeit, deshalb wirkte ihr Gehaben damals so schreierisch, überbetont, so im Grunde unsicher und übertrieben. Die Deutschen sind unter sich so zerstritten wie kein anderes Volk in Europa und sie haben es sogar verstanden, nach dem Schwinden der Bundesstaaten im Dritten Reich ihr unentbehrliches Gezänke in die Gliederungen der Partei zu überführen. SS gegen SA, Luftwaffe gegen das Heer, Arbeitsdienst gegen Wehrmacht, Amt gegen Amt, Dienststelle gegen Dienststelle. Sie intrigierten heftiger als je gegen einander, sie vergaßen über den Anliegen ihrer Dienststellen das Ganze, sie waren Kleinstaatler in jeder Hinsicht, sie zeigten, was sie geerbt und was sie nie vergessen hatten.

Das weiß das Ausland, damit rechnete Frankreich nach dem ersten Krieg, damit rechnet Rußland nach dem zweiten. Die Deutschen sind aber auch ein staatsbesessenes Volk, ihnen gilt es gleich, wo sie den Staat bauen und verwalten können — im eigenen Land oder im fremden. Läßt man sie im fremden Land an den Staat heran, so geben sie, um ihm dienen zu können, ohne jegliches Bedenken die Nationalität auf und fügen sich dem anderen Volk ein, gleichviel, ob das in Rußland, Polen, Böhmen oder Ungarn war.

Das mag der Deutschen Tugend wie der Deutschen Laster sein, ändern wird sich dieses Volk nicht. Sie müssen ordnen, sie müssen einteilen, sie müssen aufstellen, ausrichten, melden und antreiben. Sie sind ja gegen sich selbst auch nicht anders. Und wenn sie nicht an den Staat heran können, dann spielen sie in ihren Vereinen Staat. Daß die Deutschen so geworden sind, läßt sich aus ihrer Geschichte erklären. Sie waren eingeklemmt zwischen Westen und Osten, sie konnten nicht mit breiter Brust an das Meer heran, sie durften sich im Osten nicht sichet fühlen.

Das ist es, was den westlichen Völkern an Deutschland verhaßt ist und das ist es, was die Russen an Deutschland bewundern.

Und dehalb bemühen sich die Russen, ohne es offen zu zeigen, um das deutsche Volk mehr als um die anderen Völkern. Das sollte der Westen wissen und auf diese Bemühungen sollte er, wie immer sie getarnt werden, seine ganze Aufmerksamkeit richten.

Fussnoten

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