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Die Kernenergie in der zukünftigen Energiebildung der Welt | APuZ 38/1955 | bpb.de

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APuZ 38/1955 Die Kernenergie in der zukünftigen Energiebildung der Welt Das Atomenergie-Programm der Britischen Regierung Die Kontrolle und Beseitigung von radioaktiven Abfällen

Die Kernenergie in der zukünftigen Energiebildung der Welt

Zusammengestellt von der Abteilung für Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen

Einleitung

INHALT DIESER BEILAGE

1. Die für die internationale Konferenz zur Verwendung von Atomenergie für friedliche Zwecke aufgestellte Tagesordnung sah auch die Abfassung einer Übersiehe vor über die dem Sekretariat von den verschiedenen Ländern gelieferten Informationen betr. ihrer Energiequellen und ihres Bedarfs auf dem Gebiet der Energie-und Wärmewirtschaft in den nächsten 50 Jahren. Diese Übersicht hatte den Zweck, die Notwendigkeit einer neuen Energiequelle, und zwar der Atomenergie, aufzuzeigen und eine Gliederung der Länder nach dem Grade ihres Energiebedarfs vorzunehmen. Es wurde schließlich auch angeregt, die relative Bedeutung der Kernenergie für die nichtindustrialisierten Länder, für die Länder, die sich in einer Phase des Übergangs von der Agrar-zur Industriewirtschaft befinden, und schließlich für die schon industrialisierten Länder hervorzuheben. Zweiundzwanzig Länder 2) haben Material für die Untersuchung geliefert, aber da ihnen kein Fragebogen vorgelegt worden war, sind die im Sekretariat eingegangenen Informationen fragmentarisch und ungleichartig. Einige Länder haben in erster Linie einen Überschlag ihres eigenen zukünftigen Bedarfs für einen bei den einzelnen Ländern verschiedenen Zeitraum gemacht. Andere wieder, die sich auf solche Schätzungen nicht einlassen wollten, haben sich auf eine Übersicht über ihre herkömmlichen Energiequellen beschränkt. Mit Ausnahme des Gebietes der Wärmewirtschaft haben die meisten vor allem das Gebiet der Energiewirtschaft und hier im besonderen das der Elektroenergie eingehend behandelt. Um einen Gesamtüberblick über die Probleme zu geben, haben wir diese Informationen unter Zuhilfenahme anderer Informationsquellen ergänzt 3. Die Einteilung der Länder nach ihrem Industrialisierungsgrad als Grundlage für die Feststellung der wirtschaftlichen Bedeutung der Kernenergie hat sich als willkürlich erwiesen. Das Land, das 1954 pro Einwohner die meiste Elektroenergie verbraucht hat (6 450 kWh), verfügt über herkömmliche Energiequellen, deren Ausbau ihm noch auf lange Zeit vorteilhafter zu sein scheint, als die Errichtung von Kernspaltungsanlagen. Gewisse Gebiete eines anderen Landes, dessen durchschnittlicher Jahresverbrauch nur 20 kWh beträgt, verfügen schon jetzt nicht mehr über die notwendigen herkömmlichen Energiequellen. Übrigens kann die Atomenergie, ganz abgesehen vom Industrialisierungsgrad eines Landes, für alle Länder die Grundlage eines neuen Aufschwungs bilden, wenn sie zu einem angemessenen Preis geliefert wird. Aus diesem Grunde haben wir deshalb eine andere Gliederung wie die ursprünglich vorgesehene gewählt, wie gleich zu ersehen ist. 4. Die relative Notwendigkeit, während der vor uns liegenden 50 Jahre zu einer Integration der Atomenergie in das Energiesystem der Welt zu kommen, geht vor allem aus einer quantitativen und qualitativen Bilanz der Schätzungen des Bedarfs und der Ergiebigkeit der Energiequellen hervor, die diesen Bedarf decken können.

Abbildung 5

Die Integration hängt im übrigen von dem Wettbewerb zwischen den entsprechenden Gestehungskosten der Produktionsmittel ab.

Abbildung 6

Wir werden diese beiden Punkte der Reihe nach in den beiden Teilen dieser Untersuchung einer Prüfung unterziehen. Wir betonen, daß derartige, einen Zeitraum von 50 Jahren umfassende Voranschläge zwangsläufig nur auf unsicheren Hypothesen beruhen müssen. Wir sind daher bestrebt gewesen, mehr die Tendenzen aufzuzeigen als ein genaues Bild der zukünftigen Situation zu geben.

Abbildung 7

Vor allem in Anbetracht der unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Länder würden derartige Schätzungen eingehendere Untersuchungen auf nationaler oder in vielen Fällen sogar auf regionaler Ebene erfordern. Wegen der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit waren solche Untersuchungen leider nicht möglich. Es handelt sich hier nur um einen ersten Aufriß, der von Zeit zu Zeit überarbeitet werden sollte, und sei es auch nur zu dem Zwecke, über die Entwicklung anderer, nicht herkömmlicher Energiequellen, wie der Sonnenenergie, zu berichten, die in Kürze den Energiehaushalt einiger Länder, unabhängig von der Kernenergie, verändern können.

Bilanz der Energiequellen und des Energiebedarfs

Abbildung 2

Erster Teil:

1. Die Bilanzposten

Abbildung 3

A. Der Bedarf

Abbildung 8

6. In einem von den Vereinten Nationen herausgegebenen Bericht ist der Energiebedarf für 1952 festgestellt worden. Tabell In einem von den Vereinten Nationen 4) herausgegebenen Bericht ist der Energiebedarf für 1952 festgestellt worden. Tabelle 1 bringt daraus die wichtigsten Zahlen. Es geht aus ihr die ungleiche Verteilung des Bedarfs in den einzelnen Ländern hervor.

Abbildung 9

B. Die herkömmlichen Energiequellen 7. Tabelle II enthält für alle Länder der Welt die derzeitigen Schätzungen ihrer Vorräte an Kohle, Braunkohle, Erdöl, Erdgas und an Wasser-kraft. Sie sind in kWh 5) ausgedrückt worden, um einen späteren Vergleich mit dem Bedarf zu erleichtern. (Hm den Unterschied zwischen den erschöpfbaren Mineralvorräten und den Vorräten an Wasserkraft zu berücksichtigen, sind die letzteren mit 1000 multipliziert worden, bevor sie in die Gesamtsumme einbezogen worden sind 6).

2. Allgemeine Betrachtungen

Abbildung 4

8. „Gewißheit gibt es nur über Gegenwärtiges, sie nimmt ab, je mehr „Gewißheit gibt es nur über Gegenwärtiges, sie nimmt ab, je mehr man sich bemüht, ihre Auswirkungen in der Zukunft zu verfolgen 7) -“ Diese Feststellung trifft hier um so mehr zu, als es sich um eine Energiebilanz handelt, deren sehr verschiedenartige Komponente Berechnungen für die Gegenwart und Voraussagen für den so langen von der Konferenz gewünschten Zeitraum von 50 Jahren schwierig machen.

Abbildung 10

Darum ist es zweckmäßig, zuerst die Faktoren, von denen die Bilanz abhängt, zu analysieren, bevor man versucht eine Bilanz aufzustellen.

Abbildung 11

A. Bedarfsschätzung Berichte, die der Konferenz unterbreitet worden sind 8), haben sich mit Schätzungen des Energiebedarfs auf globaler Ebene beschäftigt. Die Schätzungen stellen eine jährliche durchschnittliche Wachstumsrate fest, die zwischen 2 und 3, 5 °/o zu schwanken scheint. Wir werden auf diese Frage nicht zurückkommen. So paradox es scheinen mag, eine solche auf Weltebene vorgenommene Schätzung ist ein verhältnismäßig geringes Wagnis, denn sie basiert auf dem Gesetz der großen Zahlen.

Abbildung 12

Will man jedoch eine Bilanz für jedes Land aufstellen, so muß die Schätzung natürlich auf nationaler und oft sogar auf den noch kleineren regionalen Ebenen, aus denen sich das Land zusammensetzt, aufgebaut werden. Ein einheitlicher Durchschnittswert kann daher mangels einer gründlicheren Analyse nur eine Hypothese sein. Die Methoden, die bei einer solchen Schätzung verwendet werden, können in zwei Kategorien zerfallen: — Die erste beruht auf der Annahme eines Durchschnittswertes, zu dem man auf verschiedene Weise gelangen kann.

Abbildung 13

Einige benutzen mehr oder weniger verwickelte mathematische Formeln. Andere ziehen Schlüsse aus den Relationen zwischen dem Verbrauch einerseits und der Demographie und der wirtschaftlichen Aktivität des betreffenden Landes andererseits. In den meisten Fällen geben sie nur die Extrapolation des in den vergangenen Jahren festgestellten Bedarfs wieder.

Abbildung 14

— Die zweite besteht in einer Addition der Ergebnisse, die man durch eine eingehende Prüfung der verschiedenen Anteile erhält, aus denen sich der Verbrauch zusammensetzt. (Es muß hier auch die hauptsächlich in den Vereinigten Staaten angewendete, sogenannte „inputoutput" -Methode erwähnt werden.)

Wenn auch die Annahme einer Durchschnittsrate die am weitesten verbreitete Methode zu sein scheint, so benutzt doch jedes Land in der Praxis mehrere Methoden nebeneinander, wobei dann das eine Ergebnis zur Verbesserung des anderen beiträgt.

Die vorzugsweise Verwendung einer bestimmten Methode hängt von folgenden Faktoren ab:: — von'dem Grad der Wirtschaftsplanung;

— von dem Zeitraum, auf den sich die Voraussage erstreckt; — von dem Grad der Industrialisation;

— und schließlich von der Struktur der Energiequellen.

Aber obgleich diese Methoden schon seit langem Gegenstand eingehender Untersuchungen sind, hauptsächlich auf dem Gebiete der Elektroenergie, bleiben die erzielten Ergebnisse weiterhin unsicher, und ein gewisses Risiko, das keine Formel voraussehen kann, muß in Kauf genommen werden. Übrigens verringert die Beschleunigung der industriellen Entwicklung auf Grund des technischen Fortschrittes im allgemeinen die Zeitspanne, für die gültige Schätzungen gemacht werden können. Schätzungen über den Rahmen einer gewissen Zeitspanne hinaus, die wohl immer kleiner werden wird, gehören „in das Gebiet, wo Wissenschaft und Kunst sich begegnen“ 9).

Der einzige Schluß, den die Anwendung dieser Methoden zu ziehen erlaubt, ist vielleicht der, daß nirgendwo Zeichen einer Sättigung im Energieverbrauch zu bemerken sind. Dieser Punkt ist in den meisten uns erteilten Antworten von neuem hervorgehoben worden. Die unterschiedliche Schätzung der Wachstumsrate des Energie-verbrauchs rührt hauptsächlich von den drei folgenden Faktoren her:

a) Demographie. Die jährliche Wachstumsrate der Weltbevölkerung in den nächsten 50 Jahren wird von den Verfassern auf 0, 6 °/o 10) bis 1, 5 % 11) geschätzt. Die von den verschiedenen Ländern angestellten Schätzungen weichen nicht unerheblich voneinander ab. b) Wirtschaftliche Aktivität. Zahlen erübrigen sich, um an die unterschiedliche wirtschaftliche Aktivität der verschiedenen Länder zu erinnern. Da außerdem die Entwicklung dieser Aktivität vorausgesagt werden soll, muß besonders bei kurzfristigen Schätzungen auch die Wirtschaftskonjunktur berücksichtigt werden c) E r t r a g. Nur ein geringer Teil der Bruttoenergieproduktion wird schließlich verwendet. Der Durchschnittsertrag aus der Umbildung dieser Bruttoenergie in verwendbare Energie hat sich in der Welt zwischen 1900 und 1950 von 11 auf 22 °/o gehoben. Die Entwicklung ist in den einzelnen Ländern verschieden verlaufen. Der Durchschnittsertrag hat sich in der gleichen Zeit in den Vereinigten Staaten von 11 auf 30%, in der Schweiz von 40 auf 58 % gehoben, während er 1950 in Japan nur bei 13 % und in Indien bei 6 % lag

Aber dieser Ertrag ist schließlich begrenzt und der Verbrauch an Bruttoenergie, der in den letzten Jahren langsam zugenommen hat, läuft also besonders in den industrialisierten Ländern Gefahr, von nun an mehr der Verbrauchsentwicklung an „Netto“ -Energie zu folgen, was Belgien besonders betont. Belgiens gegenwärtiger Ertrag beläuft sich auf 34 % und es glaubt, er könne sich nur auf 37% im Jahre 1980 und auf 38 oder 39% im Jahre 2000 steigern. Dies ist übrigens einer der Gründe dafür, warum sich die ungleichmäßige Lokalisierung des Verbrauchs an Brutto-energie, über die im ersten Kapitel gesprochen worden ist, vermutlich kaum in den vor uns liegenden 50 Jahren bessern wird. 12. Es ist in diesem Zusammenhang interessant festzustellen, wie sich der Verbrauch in der Vergangenheit auf den einzelnen Kontinenten prozentual entwickelt hat. (Vgl. Tabelle IV.) 13. Die unterschiedliche Schätzung des Energiebedarfs wird durch die Wachstumsraten betont, die in den dem Sekretariat eingereichten Antworten enthalten und auf Tabelle V zu finden sind.

B. Schätzung der Energiequellen 14. Schätzungen der Energiequellen sowie deren vermutliche zukünftige Verwendung sind ebenfalls sehr unsicher.

a) Erschöpfbare Energiequellen (i) Feste Brennstoffe Wie Tabelle II zeigt, machen die festen Brennstoffe fast die Gesamtheit der mineralischen Energiequellen aus. Wenn man ihre Vorratshöhe mit dem derzeitigen Verbrauch vergleicht, scheint es, daß sie groß genug sind, um diesen noch sehr viele Jahre zu befriedigen, was zum Beispiel aus einer für die ganze Welt angefertigten Bilanz hervorgehen würde. 16. Aber die jährliche Kohlenförderung ist schließlich begrenzt. Der Fortschritt in den Förderungsmethoden wird in den meisten Fällen durch die immer tiefer liegenden Flöze und eine rückläufige Tendenz der Anzahl der dem Bergbau zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte ausgewogen. In England z. B., wo 1924 die durchschnittliche Tiefe der Flöze bei 3 30 Meter lag, liegt sie jetzt bei 400 Meter. Seit 1947 sind Genehmigungen für den Grubenabbau bis zu einer Tiefe von 550 bis 900 Meter erteilt worden. Der Zunahme der Tiefe entspricht eine Zunahme der Temperatur, was oft zu Lüftungsschwierigkeiten führt. Übrigens ist die von der Nachfrage verlangte Vielfalt an Kohlequalitäten ziemlich groß, was einige Länder trotz ihrer bedeutenden Vorräte veranlaßte, besondere Kohlequalitäten zu importieren oder sie durch eine andere Energiequelle zu ersetzen.

Diese Tatsachen gehen aus den Antworten einiger Länder hervor. So betont Großbritannien, daß „die jährliche Zunahme von 1, 2 % des Kohle-preises (in exponentieller Form) — was einer Verdoppelung alle 60 Jahre entspricht — in Beziehung zum allgemeinen Großhandelspreisniveau bemerkenswert konstant geblieben ist“.

Die vermutlichen Grenzen der Jahresförderung gehen aus Tabelle VII hervor. (ii) Erdöl 17. Über die Weltvorräte an Erdöl herrscht beträchtliche Unsicherheit. Die Schätzungen der vermutlichen Vorräte belaufen sich ungefähr auf das Fünffache der erwiesenen Vorräte.

Da das Erdöl in den meisten Fällen an Orten verbraucht wird, die von den Förderungszentren weit entfernt sind, hängt die jährliche Produktion tatsächlich nur von der Kapazität der Transportmittel ab.

(iii) Erdgas 18. Dasselbe trifft für Erdgas zu. Kürzliche Ergebnisse von Erdbohrungen in einigen Ländern, wie Italien und Frankreich zum Beispiel, haben dies weitgehend bestätigt.

b) Unerschöpfliche Energiequellen 19. Eine genaue Berechnung der Wasserkraftquellen ist schwierig. Nur die theoretischen obersten Grenzen können mit einer gewissen Genauigkeit bestimmt werden. Eine solche Bestimmung ist Gegenstand neuerer, nach einheitlicher Methode angestellter Untersuchungen gewesen, wodurch man zu miteinander vergleichbaren Zahlen gekommen ist 15). Jedoch ist die Abschätzung der Wasserkraftquellen, die sich technisch und vor allem wirtschaftlich als ausbeutbar erweisen, besonders schwierig. Man hat sich oft bemüht, eine Beziehung zwischen den verschiedenen Potentialen zu ermitteln. Nach der oben angeführten Untersuchung stellen das technische und wirtschaftliche Potential ungefähr 30 beziehungsweise 20 °/o des theoretischen Potentials dar. Solche Beziehungen geben aber nur eine Größenordnung. Die Bestimmung des wirtschaftlichen Potentials hängt in einzelnen Ländern von der Zahl der angefertigten Vorentwürfe, vom technischen Fortschritt, von dem Grad der schon erstellten Ausrüstung, vom Verbrauchsbedarf und schließlich vom Vorhandensein anderer gemeinschaftlicher Energiequellen ab. Eine solche Übersicht sollte jedoch in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Es genügt das Beispiel Schwedens anzuführen, wo nationale Berechnungen 1923 auf ein Potential von 32 Milliarden kWh gekommen sind. Die Zahl erhöhte sich 193 8 auf 40 Milliarden kWh und wird gegenwärtig auf 80 Milliarden kWh geschätzt.

Dem jährlichen Ausbau dieses Wasserkraftpotentials sind ebenfalls Grenzen gesetzt, hauptsächlich durch die Höhe der erforderlichen Kapitalien und die lange Arbeitsdauer, die zur Errichtung jedes hydroelektrischen Werkes notwendig ist.

C. Mangelhafter Ausgleich zwischen Vorkommen der Energiequellen und Lokalisierung des Bedarfs 20. Energiequellen und Energiebedarf sind nicht nur ungleichmäßig auf der Erdoberfläche verteilt, es besteht außerdem ein nur geringer lokaler Ausgleich zwischen ihnen. Afrika zum Beispiel besitzt 30 % der Hydro-Elektroenergiequellen der Welt, aber sein Verbrauch an Hydro-Elektroenergie hat 1952 nur 0, 4 °/o des Weltverbrauchs betragen. Asien besitzt ungefähr 50 °/o der Erdölvorräte, sein eigener Verbrauch erreichte 1952 aber nur 4, 5 °/o des Weltverbrauchs.

A priori hat es den Anschein, als ob der Transport von Energie und ein gewisser Ersatz der einen Energiereform durch eine andere diese Unterschiede mildern und zu einem besseren Gleichgewicht verhelfen könnten. Doch ist die Bedeutung dieser beiden Faktoren verhältnismäßig gering. a) Energietransport 21. Der Prozentsatz der transportierten Energie ist im Vergleich zur Gesamterzeugung nicht hoch.

Nur 10% der Kohlenerzeugung werden nach außerhalb des Ursprungs-landes transportiert. Berücksichtigt man nur die interkontinentalen Transporte, dann machen die gesamten Nettoeinfuhren 1952 nur 2, 3 % der Weltproduktion aus. Der Transport von Rohöl ist ralativ größer, denn die 1952 ausgeführte Menge betrug 30% der Gesamterzeugung, aber das Rohöl macht nur 28 % der gesamten kommerziellen Energiemengen aus. Das gleiche gilt für Gas. Die Elektoenergie überschreitet nicht nur die kontinentalen Grenzen nicht, sondern auch innerhalb der Kontinente sind die Transporte sehr gering. Der Prozentsatz der in Europa nach außerhalb der Ursprungsländer ausgeführten Energie schwankte zwischen 1937 und 1953 zwischen 1, 3 und 1, 5 %. Eine eingehendere Analyse der Lage würde ergeben, daß letzten Endes in nur sehr wenigen Ländern von einiger Bedeutung das Gleichgewicht zwischen Energieein-und -ausfuhr einen wichtigen Teil ihrer Produktion bildet. 22. Die Gründe für diese Situation lassen sich in drei Kategorien einteilen. 23. (i) Transportbedingungen.

— Der Transport gewisser Energieformen auf größere Entfernung stößt vor allen Dingen auf. technische Schwierigkeiten und manchmal sogar Unmöglichkeiten. Die derzeitige Beschaffenheit der Unterwasserkabel zum Beispiel erlaubt es nicht, Elektroenergie weiter als ungefähr 100 km unter See zu transportieren. Die Beschaffenheit des Überlandleitungsnetzes für sehr hohe Spannung (400 kV) begrenzt die Entfernung auf 1000 oder 1200 km.

Diese Begrenzung führt übrigens zu einem gewissen Transportwettbewerb der verschiedenen Energieformen. Wenn das Meer ein Hindernis bildet, kann die Elektroenergie indirekt in Form von Fertigfabrikaten (wie zum Beispiel Aluminium) transportiert werden, zu deren Herstellung eine große Menge Elektroenergie erforderlich ist. Der Überlandtransport auf große Entfernung kommt nur für Hydro-Elektroenergie in Frage. Der Preis für den Kohletransport macht dem Preis für den Transport thermischer Energie Konkurrenz, vor allem je besser man die Heizkraft der Kohle auszunutzen versteht. Solche Schwierigkeiten gibt es für Erdöl und Erdgas nicht, die mittels Rohrleitungen (pipe-lines) oder auf dem Wasserwege leicht über sehr große Entfernungen transportiert werden können.

— Der Energietransport erfordert vor allem sehr teure Einrichtungen.

Für Elektroenergie machen in Anbetracht der Kosten für die Errichtung der Leitungen und der Energieverluste (Verluste in den Leitungen, in Transformatoren und Verluste auf Grund der notwendigen Kompensation für die Stabilität und die Regulierung des Netzes), die Transport-kosten von 150 000 kW auf 400 km zum Beispiel genau die Hälfte der Kosten für die Errichtung eines Wärmeenergiewerkes der gleicher Stärke aus.

Für die Kohle macht der Transport im Durchschnitt 12 % des Verkaufspreises an den Verbraucher aus.

Die Linkosten für Überseetransporte machen ungefähr 25 % des aus Rohöl vom Mittleren Orient gewonnenen raffinerierten Erdöls (berechnet ab Raffinerie) aus.

Die Transportkosten für Erdgas in Rohrleitungen (pipelines) sind ungefähr zweimal so hoch wie die für Erdöl, wenn beide nach Kalorien berechnet werden, doch ist der Preis für den Transport flüssigen Gases sehr viel geringer.

Da die Transportmittel erhebliche Investitionen erfordern, ist es außerdem notwendig, daß genügend große Energiemengen transportiert werden, um eine vernünftige Amortisierung des angelegten Kapitals zu gestatten. Die relativ begrenzte Zahl der Gebiete, die solches Potential besitzen, ist einer der Gründe für die Begrenzung des Transportes. 24. (ii) Verwendung der Energie.

/Während die Erzeugung von Kohle, Erdgas und Erdöl bemerkenswert beständig ist, läßt sich das von ihrem Verbrauch nicht in demselben Maße sagen, da er teilweise von den Jahreszeiten abhängt. Nun ist die Lagerung dieser Produkte, wodurch übrigens zusätzliche Unkosten entstehen, in den meisten Fällen schwierig.

Die Elektroenergie kann nur in Form von Kohle auf den Lagerungsplätzen der Wärmeenergiewerke oder in Form gestauten Wassers in den Reservoirs gelagert werden. Hingegen sind nicht nur die saisonbedingten Verbrauchsschwankungen, sondern auch die Schwankungen innerhalb ein und desselben Tages sehr groß (195 3 betrug die Staukapazität der Wasserreservoirs in Europa ungefähr 10 % der hydro-elektrischen Erzeugung. 25. Die politischen Grenzen.

Der Energieaustausch führt zwischen den ein-und ausführenden Ländern zu einer gewissen Abhängigkeit. Die ersteren neigen zu einer größtmöglichen Ausbeutung ihrer eigenen Energiequellen, bevor sie sich ans Ausland wenden. Der Energiebedarf kann sich bis zu einem gewissen Ausmaß den Energiequellen ziemlich leicht anpassen, allerdings lassen sich Störungen in der Ausnutzung nicht vermeiden.

Die derzeitige Tendenz geht jedoch dahin, die Verwaltungs-und Zollschranken abzubauen, die sich als Hindernis für einen Austausch erweisen könnten, und dabei aber auch der Entwicklung des örtlichen Bedarfs Rechnung zu tragen. 26. Es erhebt sich die Frage, ob sich die Lage auf diesem Gebiet in den nächsten 50 Jahren erheblich entwickeln wird.

Auf dem Gebiet der Elektroenergie liegt es mit Ausnahme der Unterwasserkabel, deren technische Vervollkommnung nur langsame Fortschritte macht, nicht etwa an einer zu geringen Leistungsfähigkeit der Transportmittel, denn nichts würde die Erstellung von Leitungen mit noch höherer Spannung hindern, sondern im Gegenteil an der zu transportierenden Energiemenge. Der Ausbau der Wasserkraftquellen nimmt ständig zu in Anbetracht vor allem des Tempos, in dem sich der Bedarf entwickelt.

Unter den neuen in Betracht kommenden Energiequellen gibt es nur wenige, die für große Transporte geeignet sind. Die Energie der Gezeiten läßt sich nur an wenigen Stellen ausbeuten, wo die Gezeiten genügend stark sind (Die Verwirklichung der französischen Pläne würde nur die Hälfte des derzeitigen Landesverbrauchs decken.). Die wirtschaftliche Ausnutzung der Windenergie kann nur durch Windmühlen von relativ schwacher Kapazität erfolgen, deren Erzeugung daher nur örtliche Bedeutung hat. Selbst die Ausbeutung der Wärme-energie der Meere oder die Entwicklung der Technik des künstlichen Regens ist örtlich bedingt. Nur die Sonnenenergie könnte die Energie-struktur der tropischen Länder verändern.

Hingegen wird der Transport von Erdöl und Erdgas in den kommenden Jahren zunehmen. Die augenscheinlichen Grenzen der bekannten Energiequellen dürfen nicht täuschen, und außerdem Wächst der Bedarf beträchtlich. Der Weltverbrauch an Erdöl macht gegenwärtig 29 % des Weltenergieverbrauchs aus. Er hat sich während der letzten 20 Jahre verdoppelt, und einige Länder wie Belgien zum Beispiel geben an, daß ihr Erdölverbrauch sich bis 1980 um ungefähr 6 °/o im Jahr steigern wird. 27. Es ist klar, daß das Aufkommen von Kernenergie das Bild erheblich verändern wird, da die Transportkosten für den Brennstoff in diesem Fall unerheblich sind und die Anlagen leicht bei den Verbrauchs-zentren errichtet werden können. b) Ersatz einer Energieform durch eine andere 28. Tabelle VIII zeigt den in den verschiedenen Teilen der Welt verbrauchten Anteil an kommerzieller Energie.

Tabelle VIII Mit fortschreitender Industrialisierung der Länder werden die nicht-kommerziellen Energiequellen durch kommerzielle Energiequellen ersetzt. Das geht ganz klar aus Tabelle IX hervor. 29. Tabelle X zeigt die Entwicklung der im Laufe der letzten Jahre in der Welt verbrauchten verschiedenen Energieformen.

Tabelle XI gibt die jährlichen Wachstumsraten des Verbrauchs je Energiequelle von 1949 bis 19 53 in °/o an.

Der Kohlenverbrauch hat also stationäre Neigungen und seine Bedeutung in der Weltbilanz verringert sich fortgesetzt. Während er 1860 98 °/o der Weltbilanz bildete, stellt er nunmehr nur noch 51 °/o dar. Gleichzeitig hat sich der Verbrauch an Erdölprodukten und an Erdgas beträchtlich erhöht.

Der Verbrauch an Elektroenergie steigt besonders schnell, vor allem wenn man ihn mit dem gesamten Energieverbrauch vergleicht, aber der Anteil der Hydro-Elektroenergie weist eine fallende Tendenz zu Gunsten der Wärmeenergie auf, wenigstens in den am stärksten industrialisierten Gebieten. 30. Man kann auch auf diesem Gebiet nur Tendenzen aufzeigen, da das Problem des Ersatzes der einen Energieform durch eine andere ein genaueres Studium für sich erfordert, das den Gebieten Rechnung trägt, die den jeweiligen Energien vorbehalten sind und auf denen nur ein beschränkter Ersatz möglich ist.

31. Wir glauben, in genügendem Masse die Schwierigkeiten bei der Aufstellung einer Energiebilanz für die Zukunft aufgezeigt zu haben, wollen aber nichtsdestoweniger versuchen, einige Tendenzen der vermutlichen Verwendung herkömmlicher Energiequellen aufzuzeigen. Das ist um so wichtiger, als die Kernenergie hauptsächlich zur Erzeugung von Elektroenergie verwendet wird.

Die Erzeugung von Hydro-Elektroenergie bildet ungefähr ein Drittel der Welterzeugung an Elektroenergie. Die Wasserkraftenergiequellen sind zu keiner anderen Energieerzeugung geeignet. Zur Schätzung ihrer Grenzen ist eine Berechnung auf der Grundlage der beiden folgenden Hypothesen angestellt worden:

— Der Elektroenergieverbrauch wird sich weiterhin alle 10 Jahre verdoppeln. -

Das Verhältnis zwischen Wärmeenergie und Hydro-Elektroenergie wird sich nicht ändern; das heißt mit anderen Worten, daß sich die Erzeugung von Hydroelektroenergie alle zehn Jahre verdoppeln wird.

Die Erschöpfung der fossilen Brennstoffe ist berechnet worden, wobei eine Verbrauchserhöhung um 3 °/o vorausgesetzt worden ist (die durchschnittliche Zunahme des Weltverbrauchs ist dem von den Vereinigten Nationen vorgelegten Bericht entnommen. Die Berechnungen stützen sich auf die Verbrauchszahlen des Jahres 1952, die ebenfalls in diesem Bericht enthalten sind). Die Ergebnisse stehen in der Tabelle XIII.

Trotz der im vorangegangenen Kapitel begründeten Ungenauigkeit, vermittelt diese Tabelle einen Eindruck von der vermutlichen Erschöpfung der herkömmlichen Energiequellen. Sie erlaubt es, die Länder ganz grob in drei Kategorien einzuteilen: In diejenigen, deren gesamte herkömmliche Energiequellen in kürzester Frist ausgebäut oder erschöpft sein werden, und im Gegensatz dazu in diejenigen, die selbst nach dem Jahr 2000 noch über genügende Energiequellen verfügen werden; und schließlich in diejenigen, deren Energiequellen im Laufe der fraglichen Zeitspanne nicht mehr ausreichen werden, um den steigenden Bedarf zu befriedigen.

Auf diese Einteilung wird im zweiten Teil näher eingegangen.

Preiseinflüsse

3. Versuch einer Bilanz

Zweiter Teil:

1. Aktuelle Preistendenzen der Gestehungspreise für Elektroenergie

32. Die Länder nutzen zuerst die Wasserfälle aus, was am leichtesten ist und daher am wenigsten kostet. Der Gestehungspreis für Hydro-Elektroenergie zeigt also im Zuge fortschreitender Ausnutzung des Wasserkraftpotentials steigende Tendenzen. Die Frage ist tatsächlich sehr vielschichtig, und es dürfte schwer fallen, selbst für ein einzelnes Land die entsprechenden Preiskurven im Verhältnis zum technischen Ausrüstungsgrad zu ziehen. Eine zusätzliche Schwierigkeit rührt davon, daß die Qualität der erzeugten Energie verschieden ist, je nachdem ob es sich um Fluß-oder Reservoirkraftwerke handelt. Allgemein jedoch kann festgestellt werden, daß die Preiserhöhung auf lange Sicht gering ist, da sie durch den technischen Fortschritt aufgefangen wird. Der technische Fortschritt zeigt sich neuerdings besonders in der Anlage von Stollen und in der Konstruktion neuer Turbinen zur Ausnützung niedriger Wasserfälle. Übrigens kann die verstärkte Technisierung ein Gegengewicht gegen den fallenden Ertrag der Wasserkraftquelle bilden. Aber von einem bestimmten Ausnutzungsgrad an, der dicht an der Grenze des für wirtschaftlich angesehenen Potentials liegt, steigen die Preise rasch. 33. Die Verminderung des Kohlenverbrauchs pro kWh, die in einem Wärmekraftwerk erzeugt wird, ist ein bekanntes Phänomen. Dieser Verbrauch ist in den Vereinigten Staaten von 3, 1 kg Kohle 1920 auf 0, 5 kg 1953 gesunken. Es handelt sich hier nur um einen Durchschnittswert, aber wenn man diese Verbrauchsentwicklung als spezifisch für gewisse Kraftwerke betrachtet, ist festzustellen, daß sie bei den modernsten in Europa von 7000 kcal pro kWh 1920 auf 2760 kcal pro kWh 1955 gesunken ist. Der Durchschnittswert des Kohlenverbrauchs der belgischen Kraftwerke, der für 195 5 auf 3800 kcal, geschätzt worden ist, soll sich nach den belgischen Voranschlägen bis auf 2400 kcal. 1975 und auf 2300 im Jahre 2000 senken. Diese Verminderung rührt von der Verwendung immer höherer Temperaturen und steigenden Druckes und von der Erhöhung des thermodynamischen Wirkungsgrades her, dessen Grenze man schon sehr nahe ist. Sie wird ebenfalls vom Bau immer größerer Werke gefördert (Die Detroit Edison Company und Consolidated Edison Company planen für 1957 Werke von 300 000 kWh.). Daraus ergibt sich also, daß die Zahl der verbrauchten Kalorien nicht proportional der Wärmeenergieproduktion wächst (In Frankreich zum Beispiel würde die Vervierfachung der Wärmeenergieerzeugung nur eine Verdreifachung der notwendigen Kalorien bedeuten.).

Hingegen haben die Kohlenpreise die Tendenz zu steigen, und da außerdem der Prozentsatz der Kohlen geringerer Qualität begrenzt ist, sind die Wärmekraftwerke genötigt, mehr und mehr Kohlen besserer Qualität zu benutzen. Die Überständigkeit alter Werke und die Kosten für ihren Ersatz durch moderne Anlagen verursachen ebenfalls Ausgaben, die nicht immer durch einen höheren Wirkungsgrad der Anlagen ausgewogen werden.

34. Noch allgemeiner, wenn es sich z. B. um Wasser-und Wärmekraftanlagen handelt, kann der Gestellungspreis auch durch geeigneten Ausbau der Leitungsnetze und durch eine die Betriebskosten senkende Produktionskonzentration herabgedrückt werden. Doch auch dieser Ent-Wicklung sind Grenzen gesetzt. Der technische Fortschritt kann also nicht alle Faktoren, die zu einer Erhöhung des Elektroenergiepreises führen, aufwiegen. Vor allem die industrialisierten Länder sind von der Preiserhöhung betroffen. 3 5. Berichte über den Gestehungspreis der mittels Kernspaltungsanlagen erzeugten kWh sind einer anderen Sitzung vorgelegt worden.

Wir werden hierzu keine Zahlen nennen, sondern nur erwähnen, daß dieser Preis ständig sinkt und noch keinen festen Punkt erreicht hat.

Abgesehen davon, daß einige Länder zur Deckung des Defizits ihres Energiehaushaltes Energie einführen müssen, entscheidet als zweiter Faktor über die Integration der Kernenergie der Schnittpunkt der Kurven der Gestehungspreise der mittels herkömmlicher Energiequellen und Kernspaltungsanlagen erzeugten kWh.

2. Voranschläge für die Energiebilanz

36. Es hat sich herausgestellt, daß die Energiebilanz einiger Länder in sehr kurzer Zeit mit Verlust abschließen wird (zwischen 10 oder 15 Jahren höchstens). Das ist besonders der Fall in Dänemark, Israel, im Nordosten Thailands, in Ägypten, dessen klassische Energiequellen äußerst gering sind, in Finnland, Italien und in der Schweiz, das bedeutende Energiequellen hat, die aber zum großen Teil schon ausgenutzt sind. Diese Länder werden sich sehr schnell der Notwendigkeit gegenübersehen, zusätzliche Energien einführen zu müssen. In diesem Falle ist der Konkurrenzpreis für Kernenergie nicht mehr obligatorisch der für Energie aus herkömmlichen im Lande beheimateten Energiequellen, sondern der Preis, der durch die Einfuhr einer anderen Energieform, Kohle oder Erdöl, gebildet wird. 37. Im Gegensatz dazu scheint die Energiebilanz einiger Länder noch auf viele Jahre hinaus außerordentlich günstig zu sein. Norwegen, Jugoslawien und Australien (mit Ausnahme des südöstlichen Teils des Landes) gehören zu dieser Kategorie. Das Problem der Integration der Kernenergie ist für sie also nicht vordringlich, und sie dürfen hoffen, die Senkung des Gestehungspreises dieser Energie abwarten zu können, ehe sie sich mit ihrer Erzeugung befassen. Dieser Preis muß sehr niedrig sein, wenn er mit dem Preis der im Lande erzeugten Energie konkurrieren will. (Der Gestehungspreis für die kWh aus Wasserkraftenergie liegt heute in Norwegen z. B. ungefähr bei 2 mills: 1 mill = 1/1000 $). Diese Länder brauchen die Kernenergie nur zusätzlich zu verwenden, z. B. in weniger begünstigten Gebieten, um keine Transportverbindungen bauen zu müssen, oder als Entlastung für das Leitungsnetz in den Stunden des Spitzen-verbrauchs. 38. Zwischen diesen beiden extremen Möglichkeiten gibt es eine sehr große Anzahl Länder, in denen die Kernenergie nach und nach in den nächsten 50 Jahren in das derzeitige Energiesystem eingebaut werden muß, und für die der Gestehungspreis von besonderer Bedeutung ist.

Wenn der Gestehungspreis für eine mittels Kernspaltungsanlage gelieferte kWh etwas über dem Durchschnittspreis für Elektroenergie aus herkömmlichen Energiequellen zu liegen kommt, dann wird die Kernenergie nur dazu dienen, diese zu vervollständigen und langsam zu ersetzen.

Liegt er etwas unter dem Durchschnittspreis, wird er mit den herkömmlichen Energiequellen in Konkurrenz treten, die jedoch durch einige Faktoren gedämpft wird:

— Die Umwandlung der Rohstoffindustrien wird zuerst zu wirtschaftlichen und sozialen Erschütterungen führen, auf die die Länder Rücksicht nehmen müssen.

— In den meisten Fällen werden die vorhandenen Einrichtungen weiter verwendet werden, um eine rationelle Amortisierung zu gewährleisten.

— Die Neuorientierung der Kohlenindustrie auf synthetische Erzeugnisse als Folge einer solchen Konkurrenz könnte nicht sofort vollzogen werden.

Wenn hingegen der Preis für Kernenergie stark unter dem Durchschnittspreis liegt, könnte der Wettbewerb stärker werden, und es könnte gleichzeitig bei Öffnung neuer Absatzmärkte zu einem erhöhten Bedarf kommen. 39. Die von den einzelnen Ländern angegebenen Konkurrenzpreise schwanken außerordentlich. Burma z. B„ wo der Verkaufspreis für Elektroenergie für den Hausgebrauch ungefähr 105 mills pro kWh und für die Industrie ungefähr 52 mills beträgt, würde sofort ein Werk von 250 000 kWh planen, wenn es Energie für 8 mills pro kWh erzeugen könnte. In Japan kommt der kombinierte Preis für Hydro-Elektro-und Wärmeenergie zur Zeit auf ungefähr 15 mills, und es wird geplant, ihn auf 18 bis 20 mills zu erhöhen. Jedoch ist der Grundpreis pro kWh in den meisten Ländern 6 mills, z. B. in Indien und Kanada. Auf dieser Grundlage erwägt Kanada von 1960 an eine Erzeugung von 100 000 kW, um hauptsächlich gewisse Gebiete wie den Süden von Ontario, die Küstengebiete und den Süden von Manitoba zu versorgen, deren Energiequellen von geringer Bedeutung sind.

Die unterschiedlichen Preise in einigen, dem Sekretariat zugegangenen Antworten spiegeln nur die zwischen den verschiedenen klassischen Energiequellen herrschende qualitative Verschiedenartigkeit wieder, die noch zu der mengenmäßigen hinzukommt, von der im ersten Teil die Rede ist. Aber die meisten industrialisierten Länder haben ungefähr den gleichen Gestehungspreis für die von einem Wärmeenergiewerk erzeugte kWh, der sich gegenwärtig ungefähr zwischen 6 und 7 mills bewegt. Das scheint denn auch beim gegenwärtigen Stand der Technik der Preis zu sein, den man einer Integration der Kernenergie zu Grunde legen könnte.

40. Besondere Erwähnung verdienen die kleinen Reaktoren, deren Verwendung vor allem in den wenig entwickelten Länder bestimmt schnelle Fortschritte machen kann. Der Preis für die Energie aus diesen Reaktoren könnte übrigens dem für Energie aus großen Werken überlegen sein, denn längere Transportleitungen würden sich erübrigen, und sie würden anpassungsfähiger sein. Kanada z. B. gibt an, daß solche Reaktoren von 2 000 bis 3 000 kW Stärke schon errichtet werden könnten, selbst wenn sich der Preis pro kWh auf ungefähr 20 mills stellen würde.

Schlußfolgerungen

41. Die klassischen Energiequellen und der Energiebedarf sind auf der Erde ungleichmäßig verteilt. Diese ungleichmäßige Verteilung wird nur in geringem Maße durch den Transport von Energie und Ersatz der einen Energieform durch eine andere ausgeglichen. Nur eingehende Untersuchungen auf nationaler Ebene können den Verwendungsgrad dieser Energiequellen im Verhältnis zum Verbrauch feststellen. Der Wert solcher Voranschläge verringert sich mit der Länge der Zeit, auf die sie sich erstrecken. Da solche Analysen fehlen, ist auf der Grundlage einiger einfacher Hypothesen eine quantitative Bilanz aufgestellt worden, die aber wegen des unterschiedlichen Industrialisierungsgrades verschiedener Länder auf sichtlich schwachen Füßen steht. Eine solche Bilanz stellt den ersten Schritt zur Feststellung dar, ob ein Gebiet zu Recht eine neue Energiequelle beanspruchen muß.

42. Die Kurve der Gestehungspreise für Elektroenergie aus herkömmlichen Energiequellen steigt. Diejenige für Kernenergie zeigt hingegen fallende Tendenzen, aber die Preise haben noch keinen festen Punkt erreicht. Der Schnittpunkt dieser beiden Kurven bildet für jedes Land den zweiten Faktor zur Bestimmung des Zeitpunktes, an dem es sich einer neuen Energiequelle zuwenden muß.

43. Es scheint, als ob die Kernenergie nur in sehr wenigen Ländern keine Rolle in den nächsten 50 Jahren spielen wird. Auf Grund des steigenden Bedarfs und der steigenden Gestehungspreise werden die herkömmlichen Energiequellen nicht mehr ausreichen und eine wadisende Anzahl von Ländern zwingen, sich diese neue Energieform zu Nutze zu machen. In einigen Ländern wird sich diese Notwendigkeit schon in kürzester Zeit bemerkbar machen. Bei der großen Mehrheit der Länder wird auf der Grundlage der heutigen Preise ein fortschreitender Integrationsprozeß erfolgen. Es ist also sicher, daß selbst ohne Berücksichtigung der auf diesem Gebiete zu erwartenden Fortschritte die Kernenergie schnell einen wichtigen Platz im Energiegleichgewicht der Welt einnehmen wird.

Fussnoten

Fußnoten

  1. In vorliegender Studie sind folgende Zeichen verwendet worden:

  2. Am 24. Juli 1955 haben folgende Länder beim Konferenzsekretariat eingereicht: — den vollständigen Text ihrer Antworten: Burma, England, Jugoslawien, Kanada, Vereinigte Staaten.

  3. In den folgenden Tabellen wird ein Unterschied gemacht zwischen den Informationen, die die verschiedenen Länder auf Anfrage gegeben haben, und denen, die aus anderen Quellen stammen.

  4. Energiebedarf der Welt, 1975— 2000 (A/CONF. S/P/902 (Vereinte Nationen) 28. Juni 1955).

  5. jeKubikmeter Erdöl 12, 0 je Kilogramm 6) Die Berechnung ist aufgestellt worden, um eine Schätzung der Energiequellen ie Pinwohner zu ermöglichen und ihre ungleichmäßige Dichte zu betonen. In diesem Bericht ist daraus keine Schlußfolgerung gezogen worden.

  6. Namentlich: A/CONF. 8/P/902—A/CONF. 8/P/757.

  7. P. Ailleret, Voraussagen für die Zukunft.

  8. A/CONF. 8/P/757.

  9. A/CONF. 8/P/902.

  10. Die von der Schweiz für die übrigens relativ kurze Zeitspanne von fünf Jahren angestellten Schätzungen fassen drei Fälle ins Auge: Krisenperiode, normale Wirtschaftslage und Hochkonjunktur. Für diese drei Fälle werden in den Schätzungen Zahlen im Verhältnis von 1 zu 1, 3 und 1, 6 genannt.

  11. Die hohe Ertragsrate der Schweiz rührt von der sehr ausgedehnten Verwendung der elektrischen Energie auf allen Sektoren, besonders im Transportwesen her (Gesamtübersicht des gegenwärtigen Energieverbrauchs in der Schweiz und Schätzungen des zukünftigen Bedarfs. Energieausschuß des Schweizer Nationalausschusses der Weltkonferenz 1954).

  12. P. Putnam, Energie in der Zukunft, 1953.

  13. Bericht E/ECE/EP 131: „Das hydro-elektrische Potential Europas, seine theoretischen, technischen und wirtschaftlichen Grenzen“, Genf, Mai 1953.

  14. Feste und flüssige Brennstoffe, Erdgas und Wasserkraftenergie.

  15. Brennholz, Holz zur Gasgewinnung, Abfälle aus Sägewerken und von Zuckerrohr und andere pflanzliche Brennstoffe.

  16. Es handelt sich hier nur um Länder, die dem Sekretariat Unterlagen eingereicht haben.

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