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Die Kontrolle und Beseitigung von radioaktiven Abfällen | APuZ 38/1955 | bpb.de

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APuZ 38/1955 Die Kernenergie in der zukünftigen Energiebildung der Welt Das Atomenergie-Programm der Britischen Regierung Die Kontrolle und Beseitigung von radioaktiven Abfällen

Die Kontrolle und Beseitigung von radioaktiven Abfällen

Abel Wolman Arthur E. Gorman

In dem Maße, in dem sich die Atomenergie-Industrie immer mehr in die Nähe von Bevölkerungszentren ausdehnt, werden sehr viel wirtschaftlichere Methoden zur Beseitigung von radioaktiven Abfällen erforderlich werden. Die „Atomenergie-Kommission“ (Oberste amerikanische Atombehörde: AEC) trifft für diese Eventualität durch Forschungs-und Ent-wicklungsarbeiten Vorbereitungen. Das Ausmaß und die Intensität dieser Vorbereitungen übertreffen bei weitem das, was irgendein anderer amerikanischer Großindustriezweig im Frühstadium seiner Entwicklung zur Lösung der Probleme der Abfallbeseitigung aufgewendet hat.

In weniger als einem Jahrzehnt haben die Investitionen einschließlich der in Arbeit befindlichen Konstruktionen in der neuen Atomenergie-Industrie beinahe die 6-Milliarden-Dollargrenze erreicht und somit jede andere Großindustrie in Amerika in dieser Hinsicht überflügelt. Trotz dieses ungeheueren Aufstieges auf dem Gebiete der Anlagen und der damit verbundenen Produktion, sind bis jetzt die Gefahren bei der Beseitigung von radioaktiven Abfällen auf ein Minimum beschränkt worden. Damit soll nicht gesagt sein, daß Gefahren nicht existieren, oder daß sich Probleme nicht ergeben haben. Die Probleme werden jedoch bewältigt, obwohl die Kosten reltiv hoch sind. Verbesserungen der Methoden und Einrichtungen für die Kontrolle von radioaktiven Abfällen stellen zusammen mit der Frage der Kostensenkung die Industrie in ihrer Entwicklung mit vor ihre wichtigsten Aufgaben.

Vor Eintritt in die Erörterung der Probleme sollte man sich vor Augen führen, daß durch die Nutzbarmachung von spaltbarem Material, durch die kontrollierte Produktion von Wärmeenergie oder durch eine plötzliche Atom-Explosion äußerst radioaktive Produkte entstehen. Diese Produkte, die man so zutreffenderweise „radioaktive Asche“ nennt, stellen echte Gefahren dar, ob sie nun herrühren aus der Produktion von spaltbarem Material, wie etwa Uran oder Plutonium im Reaktor selber, oder von der späteren chemischen Verarbeitung von verbrauchten Brennstoffen zur Wiedergewinnung von wertvollem Material. In der Wirtschaft fallen solche Abfälle an in großen Variationen hinsichtlich der Quantität, dem Grad der Radioaktivität und der Möglichkeiten der Vergiftung, sowie schließlich der physikalischen Form.

Merkmale der radioaktiven Abfälle

Abbildung 15

Grade der Radioaktivität Im allgemeinen sind hochgradig radioaktive Abfälle in der Atomenergie-Industrie solche, die einen umfassenden Schutz erfordern, damit die mit diesen Abfällen umgehenden Personen nicht schädlichen Strahlen ausgesetzt sind. Solche Abfälle können bis zu 10 hoch zwei Curie pro Liter enthalten. Glücklicherweise fallen sie hochaktiv in viel geringerem Umfange an, als solche mittlerer oder niederer Aktivität. Es ist schwierig, den Prozentsatz der gesamten, hochaktiven Abfallproduktion abzuschätzen, weil er abhängig ist von der jeweilig verschiedenen Art der Abfälle. Der Prozentsatz kann bei 0, 5, aber auch bei bis zu 50% liegen, je nach dem, welches Material in der jeweiligen Anlage verarbeitet wird.

Abfälle von einem mittleren radioaktiven Grad erfordern ebenfalls einen Schutz und müssen äußerst vorsichtig gehandhabt werden. Abfälle niedriger Aktivität sind solche, die um einen Faktor zwischen 100 und 1 000 die erlaubten. Grenzen übersteigen, in denen menschliche Wesen ihnen ausgesetzt werden dürfen. Ihre Radioaktivität würde etwa 10 hoch minus 4 bis 10 hoch minus 3 Mikrocurie pro Milliliter betragen.

Verschiedene Abfallarten Radioaktive Abfälle können von flüssiger, gasartiger und fester Beschaffenheit sein, oder aber einem Gemisch angehören. Sie können verbrennbar oder nicht verbrennbar sein. Die Art und die Intensität von radioaktiven Abfällen lassen sich nicht durch menschliche Sinne wahrnehmen. Diese heimtückischen Eigenschaften machen die radioaktiven Abfälle besonders gefährlich, weil sie in die Luft, den Erdboden und die offenen Gewässer und Flüsse gelangen können, ohne entdeckt zu werden. Mit geeigneten Instrumenten und den Methoden der radiometrischen Analyse lassen sich jedoch die Bestandteile und die charakteristischen Eigenschaften der radioaktiven Abfälle auf das Genaueste bestimmen.

Vom Gesichtspunkt der Abfallbeseitigung sind die langen Halbwertzelten und die für das menschliche Gewebe schädlichen und als solche bekannten Eigenschaften bestimmter Isotope wichtig. Unabhängig davon, was mit einem Radioisotop geschieht, oder wie man ihn verwertet, wird dieser Isotop ständig Strahlungen von sich geben, die seiner natürlichen Zerfallsrate entsprechen. Solange seine Radioaktivität die ToleranzGrenzen überschreitet, ist eine potentielle Gefahr für den Menschen gegeben.

Diese einzigartigen Eigenschaften der radioaktiven Abfälle erfordern mehr als das durchschnittliche Maß an Verantwortung von denjenigen, deren Aufgabe es ist, sich mit Fragen der Beseitigung solcher Abfälle zu befassen, wie auch von den offiziellen Stellen, die für den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Rohstoffe verantwortlich sind.

Herkunft und Behandlung von radioaktiven Abfällen

Abbildung 16

Radioaktive Abfallprodukte sind sehr unterschiedlichen Ursprunges und müssen daher sorgfältig erforscht werden, bevor man sie bearbeitet und beseitigt. Diese Feststellung trifft besonders in dem Maße zu, in dem sich die Nutzbarmachung von Kernenergie auf dem Wege des industriellen Wettbewerbs ausweitet, und dadurch die tatsächlichen Linkosten bei der Behandlung und Beseitigung von Abfällen zu einem wesentlichen Punkt der Überlegungen werden. Die augenblickliche Handhabung der Dinge ist zwar ausreichend, aber kostspielig und notwendigerweise konservativ. Besonderer Nachdruck wird auf die Probleme gelegt, die sich bei der Beseitigung solcher Abfälle für die unmittelbare Umgebung ergeben. Die Privatindustrie muß ja schließlich bei der Nutzbarmachung von Atomenergie ihre Fabrikanlagen in einer einigermaßen vernünftigen Nähe zu der Bevölkerung errichten, der diese Anlagen dienen sollen. Ganz anders verhielt es sich mit einigen der ersten großen Anlagen, die durch die Atomenergie-Kommission betrieben wurden. Diese wurden absichtlich völlig abgelegen von großen Bevölkerungszentren und anderen Industrie-zweigen errichtet.

Rohmaterialien In jedem Industriezweig kommt es im Verlaufe der Verarbeitung des Rohmaterials bis zum Fertigprodukt zu einigen Abfällen. In der Atomenergie-Industrie steigt der Grad der Radioaktivität der Abfälle pro-gressiv in dem Maße, in dem die industrielle Verarbeitung zum Brennelement fortschreitet.

Erze:

Im Augenblick sind die radioaktiven Erze des Urans die wichtigsten Rohmaterialien. Ein radioaktives Zerfallsprodukt dieser Erze, nämlich Radon, kann zu ernsten Schädigungen führen, wenn es in der entsprechenden Konzentration eingeatmet wird. Ist eine gute Lüftungsanlage vorhanden, läßt sich der Gehalt an Radon durch Methoden, wie sie auch in Bergbauvorhaben angewandt werden, auf ein Minimum beschränken.

Die weitere Verarbeitung der radioaktiven Erze bis zur endgültigen Bereitung von angereichertem Brennstoffmaterial führt zu beträchtlichen Abfallmengen an langlebigen Alphastrahlern. Die Verarbeitungsprozesse sind chemischer und metallurgischer Natur und erfordern maschinellen Aufwand. Chemischer Schlamm, der Uran-Gehalt aufweist und Radon von sich gibt, wird gewöhnlich in Beton-Lagerbehältern verwahrt. Die spezifische Radioaktivität ist hier niedrig und stellt im allgemein-keine ernsthafte Gefahr für die Umgebung dar. Wegen der sehr langen Zeitdauer, in der solcher Schlamm radioaktiv bleibt, wird er auch weiterhin ein echtes Lagerungsproblem darstellen. Der Staub und die Splitter, die beide in der metallurgischen und maschinellen Verarbeitung anfallen, können meistens erfaßt werden. Es läßt sich hier durch gutes Säubern der Räume und durch ausreichende Entlüftungseinrichtungen verhindern, daß Gefahren für die Gesundheit entstehen.

Dämpfe und Staub:

Dämpfe und Staub werden durch mechanische Lüftungsvorrichtungen so nah wie möglich am Entstehungsort entfernt. Es sind verschiedene Luftreinigungseinrichtungen in Gebrauch, so etwa Trenner, verschiedene Arten von Filtern, Bürsten und elektrostatische Geräte. Die Erfahrung hat gelehrt, daß Größe, Masse und andere Merkmale der Abfälle in diesen Brennstoffzubereitungs-Vorgängen sehr stark variieren und sich oft von ähnlichen Abfällen anderer Industriezweige unterscheiden. Vorschriften für Luftreinigungs-Geräte mussen daher sehr viel strenger sein, als in den meisten anderen Industriezweigen.

Kühlmittel aus Kern-Reaktoren Wenn der Brennstoff in den Reaktoren durch Neutronen bestrahlt wird, werden ungeheure Mengen von Wärme produziert. Reaktoren können durch-Luft, Wasser, flüssige Chemikalien oder andere Medien mit geeigneten Flüssigkeits-und Wärmeaustauscheigenschaften gekühlt werden. Da man diese Medien im Innern des Reaktors den Neutronen aussetzt, werden sie bestrahlt. Welche Radioisotope sich auf diese Weise herausbilden, hängt von der Zusammensetzung der Kühlmittel ab. Das Problem der Beseitigung der radioaktiven Medien stellt sich anders dar, je nach dem Volumen, dem Grad der Radioaktivität und der Eignung der örtlichen Verhältnisse für eine Ableitung der Kühlung ohne Gefahren für die Umgebung.

Luft:

In einem luftgekühltem Reaktor — wie dem im National-Laboratorium in Brookhaven — fließt der Kühlfluß durch den Reaktor mit einer Geschwindigkeit von 8 500 Kubikmeter in der Minute. In dieser Anlage wird die Luft vorgefiltert, um dadurch Staub zu entfernen, der sonst im Durchlauf durch den Reaktor radioaktiv werden würde. Bei dem Neutronenbeschuß des kühlenden Luftstromes entstehen radioaktives Argon, Xenon und Krypton. Die bestrahlte Luft wird durch einen rund 100 m hohen Turm der Atmosphäre zugeführt. Die Verdünnung ist im Normalfalle derart, daß der Grad der Radioaktivität noch lange nicht die für die Einatmung von Luft durch Menschen erlaubten Grenzen erreicht. Während der Reaktor in Betrieb ist, wird die Aktivität der Luft in der Nähe überwacht. Sollten die erlaubten Grenzen der Radioaktivität bei irgendeinem dieser Isotopen überschritten werden, so würde man das EnergieNiveau des Reaktors reduzieren oder die Anlage vollkommen stillegen. Die bei solchen Kontrollen erzielten Resultate sind bisher positiv verlaufen.

Durchlaufendes Kühlwasser:

Die Reaktoren in Hanford werden durch einen einfachen Durchfluß von Wasser aus dem Columbiafluß gekühlt. Das Flußwasser wird auf dem Wege der chemischen Koagulation, Absetzung und Filtrierung in ganz ähnlicher Weise gereinigt, wie das bei der Behandlung von Wasser für die Anlagen der öffentlichen Wasserversorgung der Fall ist. Die Wasser-anlagen in den Hanford-Werken gehören zu den größten in den USA. Das Volumen des an einem Tage benötigten Kühlwassers ist gleich dem gesamten Wasserverbrauch einiger amerikanischer Großstädte. In den ersten wenigen Stunden nach dem Verlassen des Reaktors ist die radioaktive Zerfallserscheinung im Kühlwasser hoch.

Das Wasser wird vor der Rückleitung in den Fluß in Auffangbehältern verschieden lange festgehalten. Die restliche Aktivität im ausfließenden Wasser wird durch mehrere Auslässe dem Fluß zugeführt, um eine gleichmäßigere Verteilung zu erreichen. Die Radioaktivität wird durch suspendierte Materie und Plankton im Wasser, sowie durch Pflanzen und Schlammbildungen im Flußbett aufgefangen. Da das verbrauchte Kühlwasser klar ist, lassen sich vom ästhetischen Standpunkt aus keine Einwande erheben, wie man dies bei Abfällen vieler anderer Industriezweige tun kann. Die nächsten Quellen für die öffentliche Wasserversorgung aus dem Fluß befinden sich in Pasco und Kennewick im Staate Washington, ungefähr 65 Kilometer stromabwärts von dem nächsten Reaktor entfernt. Die Radioaktivität in dem Flußwasser an diesen Stellen hält sich durchaus im Rahmen der für den menschlichen Genuß erlaubten Grenzen. Auch das Flußwasser wird ständig auf Radioaktivität kontrolliert. Umlaufendes Kühlwasser:

Andere Reaktoren-Typen, wie etwa der Reaktor für Materialprüfungen in den Nationalen Reaktor-Prüfungsanlagen in Idaho benutzen abgeschlossene, das heißt also Umlauf-Kühlsysteme. Auch diese Systeme stellen Probleme der Abfallbeseitigung. In einer abgeschlossenen Wasser-Kühlungsanlage wird das Kühlmittel für gewöhnlich gefiltert und entmineralisiert, damit wenig oder überhaupt keine Substanzen im Wasser vorhanden sind, die bestrahlt werden könnten. Da jedoch dieses Wasser Röhren, Pumpen und Wärme-Austausch-Einrichtungen derverschiedensten Art passieren muß, wird es schließlich doch durch Korrosion, Abgeriebenes oder seine eigenen auflösenden Eigenschaften etwas verseucht werden. Um in solchen Systemen jede größere Zunahme an Radioaktivität zu verhindern, wird ein kleiner Prozentsatz des gesamten Durchflusses ständig abgezweigt, gefiltert, durch Entmineralisierungs-Apparate geleitet und schließlich in den Hauptstrom zurückgeführt. In anderen Fällen wird das abgelassene Wasser als Abfall behandelt. Das Abfallwasser, oder die verbrauchten Filter-und andere Entmineralisierungs-Einrichtungen werden schließlich radioaktiv und dann für gewöhnlich durch Vergraben in der Erde beseitigt.

Andere Probleme der Reaktoren-Abfälle Wenn ein Reaktor abmontiert wird, oder wenn Teile des Reaktors, die bestrahlt worden sind, entfernt werden, ergibt sich als von besonderer Bedeutung ein Problem erster Ordnung. Ganz außergewöhnliche Sorgfalt wird auf den Schutz der Arbeiter verwandt. Es wird strengstens kontrolliert, wie lange und in welchem Ausmaß die Arbeiter der Radioaktivität ausgesetzt sind. Material mit sehr großer Radioaktivität wird in einem eigens dafür vorgesehenen, abgeschlossenen Gebiet aufbewahrt, oder so tief in die Erde vergraben, daß eine ausreichende Sicherheit vor Ausstrahlungen an die Oberfläche gewährleistet ist. Es wird eine genaue Liste über vergrabenes, radioaktives Material geführt.

Im Falle eines ernsten Unglücks in einem Reaktor, das zu einem Freiwerden von überschüssiger Wärme aus den Kettenreaktionen und damit zum Verdampfen von Brennstoffmaterial führen könnte, würde sich eine radioaktive Wolke bilden, die im Stande wäre, ein großes Gebiet zu verseuchen. Es würde von der Menge und der Art des freigelassenen radioaktiven Materials, sowie von den jeweiligen metereologischen Verhält" nissen abhängen, in welchem Umfange Menschen der Radioaktivität ausgesetzt werden. Die potentialen Möglichkeiten solcher Unglücke werden sorgfältig geprüft. Ein „Beratender Ausschuß für Fragen der Sicherung bei Atommeilern“ überprüft alle Vorschläge, die für neue Reaktoren gemacht werden, um auf diese Weise zu gewährleisten, daß alle Faktoren hinreichend beachtet und vernünftige Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden.

Besondere, zusätzliche Sicherheitsmethoden und Einrichtungen sind in Gebrauch, damit ernste Unglücke verhindert werden. Ein Beispiel für vorbeugende Maßnahmen dieser Art ist die Stahlkugel von ca. 70 m Durchmesser, die den Versuchsreaktor für U-Boote in Westmilton im Staate New York völlig umschließt. Das Ausmaß der Abfallproduktion niederer Aktivität in der Zeit vom Juni 1952 bis Juni 195 3 zeigt die Tabelle Nr. 1.

Chemische Verarbeitung Die hochaktiven Abfälle rühren im wesentlichen, wenn auch nicht völlig, von der chemischen Verarbeitung der Brennstoffe aus Kernreaktoren für Zwecke der Wiedergewinnung von nicht verbrannten Anteilen her. Aus den bestrahlten Brennstoffen fallen viele Spaltprodukte an mit Halbwertzeiten, die zwischen Sekunden und Millionen von Jahren liegen. Solche Produkte haben feststehende, radioaktive Zerfalls-raten, die niemals varriieren. Für gewöhnlich werden die radioaktivierten Brennstoffe nach ihrer Entfernung aus dem Reaktor unter Wasser aufbewahrt, damit der Zerfall der Spaltprodukte mit geringeren Halbwertzeiten ermöglicht wird. Eine Aufbewahrung von 90 bis zu 120 Tagen ist wünschenswert, unter Umständen ist jedoch die Verarbeitung dieser Produkte innerhalb kürzerer Zeiträume notwendig. Je kürzer die Dauer der Aufbewahrung ist, um so schwieriger werden die Probleme der Behandlung und Beseitigung dieser Produkte.

Diese hoch aktiven Abfälle enthalten die gesamte Reihe der Abfallprodukte, die sich bilden, wenn die Uranatome gespalten werden. Die Lesungen der Abfallprodukte enthalten außer den Spaltprodukten verschiedene Salze und Säuren. Der Trennungsgang hängt von der Art ab, in der das Uran — entweder fest oder flüssig — in dem Reaktor nutzbar gemacht wird. Dies entscheidet auch über die physikalischen, chemischen und radiochemischen Eigenschaften der gewonnenen Abfall-Lösung. Die charakteristischen Merkmale der typischen Abfälle, die von dem verarbeiteten Reaktorbrennstoff zu erwarten sind, veranschaulicht die Tab. 2.

Die technischen Methoden im Anfangsstadium:

Im Anfangsstadium der Atomindustrie wurde in der chemischen Verarbeitung das Schwergewicht auf die Trennung des Atombomben-Materials von den nicht verbrannten Brennstoffen und den Spaltprodukten gelegt. Diese Nebenprodukte wurden in großen unterirdischen Stahl-und Beton-tanks gelagert. Damals wurde kein Versuch unternommen, die nicht verbrannten Brennstoffe wieder zu gewinnen oder die Stahlprodukte zu verwerten. Verarbeitungsprozesse mit dem Ziel, Brennstoffe wieder zu gewinnen und sie erneut zu verwerten sofern sie nicht verbraucht wurden, sind heute an der Tagesordnung. Die Spaltprodukte werden auch heute noch in unterirdischen Tanks gelagert. Eine geeignete Verwertung ihrer Zerfallsenergie in Mischungen oder einzeln ausgewählten Spaltprodukten wird angestrebt. Selbst wenn solche Möglichkeiten der Verwertung entdeckt worden sind, wird dadurch zwar die Wirtschaftlichkeit der Abfall-behandlung verbessert, jedoch die Notwendigkeit der ständigen Kontrolle der langlebigen Materialien nicht vermindert.

Wichtige Isotope:

Bei der Beseitigung der Atom-Abfälle aus chemischen Verarbeitungsprozessen sind folgende Isotope wegen ihrer Halbwertzeit oder wegen ihres radioaktiven Vergiftungsgrades von besonderer Bedeutung:

Neuere Methoden:

Auf dem Gebiet der Verarbeitung und der Anlagen für chemische Auflösungen, Extraktionen und Wiedergewinnungen sind ständige VerB gen, diese hochaktiven Abfälle am Entstehungsort zu entfernen — wo das Volumen noch klein ist —, anstatt sie sich mit einem großen Volumen vermischen und ihn verseuchen zu lassen. Denn dann ist die Entgiftung sehr kostspielig. Früher wurden Stickstoff-Oxyd-Dämpfe und Joddämpfe, die bei der Brennstoffauflösung eintreten, durch hohe Türme in die Atmosphäre abgeleitet. Heute werden diese Abfallgase über ein Bürsten-System geleitet und unter Verwendung einer chemischen Reaktion mit Silbernitrat entfernt. Äußerst radioaktive Partikel, die von 50 Mü bis zu Bruchteilen eines Mü groß sind, werden heute durch tief eingebettete Sand-und Glaswollefilter mit hohem Wirkungsgrad entfernt. Glaswolle-Filter (mit einem Beseitigungswirkungsgrad von 99, 95% pro 0, 3 Mü Partikel) werden auf Grund der durch die amerikanische Atomenergiekommission finanzierten Forschungs-und Entwicklungsarbeit kommerziell hergestellt. Zur Zeit können diese Filter gasartige Abflüsse bis zu 300° Celsius verarbeiten. Ähnliche Filter sind für eine befriedigende Leistig bei 800° Celsius in der Entwicklung begriffen.

Manchmal werden vor der Ableitung von flüssigen Abfällen in Tanks mehrfache Ausfüllungsprozesse angewandt, damit die Radioaktivität in einem möglichst kleinen Volumen konzentriert wird. Die zurückstehenden Lösungen mit geringer Radioaktivität werden für gewöhnlich dem Boden durch Siebe und Brunnen zugeführt. Konzentrate werden vergraben und in unterirdischen Tanks aufbewahrt. Ein Nachteil der Ausfüllmethode liegt in dem Volumen des Schlammes, der behandelt werden muß. Verdampfung ist auch sehr häufig angewandt worden, um das Volumen von flüssigen Abfällen, sei es von hoher oder mittlerer Radioaktivität, zu reduzieren. Bei Abfällen beider Sorten handelt es sich um einen kostspieligen Prozeß, da die Kosten 20 bis 250 Cents pro Liter betragen können. Verdampfung kann zur Erzielung eines Entgiftungsfaktors von 10 hoch 5 und noch mehr angewandt werden. Hochaktive Abfälle können im Volumen auch durch Jonen-Austausch-Methoden reduziert werden. Diese Methoden bringen jedoch ziemliche Kosten mit sich, und es bleibt das Problem, die übrigbleibenden äußerst radioaktiven Harze zu beseitigen. In allen diesen Fällen muß man die verschiedenen Faktoren gegeneinander abwägen und zwar den gesamten Wert der Entgiftung, das Volumen der sich ergebenden Abfälle aus Nebenprodukten und die Kosten des Verarbeitungsprozesses im Verhältnis zu anderen Möglichkeiten der Abfallbeseitigung.

Lagerung in unterirdischen Tanks:

Die Lagerung äußerst radioaktiver Abfälle in großen unterirdischen Stahltanks und Stahlbetontanks stellt in der augenblicklichen Praxis ein ernsthaftes Problem dar. Zunächst ist es eine teure Angelegenheit, da es sich um Kapitalunkosten in Höhe von 1, 30 bis 7, 50 $pro Liter Fassungsvermögen handelt. Die durc Gamma-Strahlungen entstehende Wärme ist außerordentlich groß. Um die Tanks vor der Zerstörung durch Korrosion zu schützen, muß überschüssige Wärme durch eine Kühlanlage abgeleitet werden. Um undichte Stellen bei solchen Tanks festzustellen, wird eine Drainage-Anlage rund um die Tanks herum installiert, die zu einer genauestens kontrollierten Grube führt. Die genaue Lebensdauer dieser Tanks ist unbekannt. Sie ist zweifellos viel kürzer, als die Länge der Zeit, in der einige der langlebigen radioaktiven Materialien weiterhin gefährlich bleiben. Es ist keine leichte Aufgabe, die Reste des aktiven Materials vollständig zu beseitigen, nachdem es eine längere Zeit in einem Tank gelagert worden ist. Eine der Methoden, die angewandt wird, ist die, mit einem Dampfstrahl auszuspritzen.

Obwohl die Unkosten der Lagerung in Tanks hoch sind, hat diese Methode im augenblicklichen Stadium der noch begrenzten Kenntnis den einen Vorteil, daß diese Abfälle unter Kontrolle sind.

Einflüsse auf die Umgebung:

Äußerst wichtig sind die Umgebungsfaktoren, wie etwa die Fähigkeit des Bodens, in der Nähe von Lagertanks, bei eintretender Undichte radioaktive Abfälle zu absorbieren, und ferner die Geschwindigkeit, mit der sich solche Abfälle durch die Bodenschichten bewegen und vor allem unterirdische Quellen der allgemeinen Wasserversorgung entziehen können. Diese Faktoren werden zur Zeit im Auftrag der amerikanischen Atomenergie-Kommission, und in Zusammenarbeit mit dem US Amt für Geologie erforscht. Es wird die Möglichkeit geprüft, hochgradige Radioaktivität in Abfällen durch natürlichen oder vorbereiteten Boden, oder aber auch durch chemische Verbindungen aufzusaugen, damit die Abfälle dann durch Vergrabung oder unterirdische Lagerung sicher beseitigt werden können, ohne daß nach menschlichem Ermessen die Möglichkeit eines Eindringens in die Umgebung gegeben ist. Die Beseitigung der gefährlicheren langlebigen Radioisotope wie etwa Sr 90, Cs 137 oder Ce 144 vor der Weiterleitung der Abfälle in Tanks, oder in den Erdboden, würde die Gefahr für die Umgebung vermindern, vorausgesetzt, daß diese radioaktiven Isotope für die endgültige Beseitigung ausreichend lokalisiert oder zurückgehalten werden können.

Endgültige Beseitigung:

In dem Nationallaboratorium von Brookhaven suchen Hatsch und seine Mitarbeiter noch nach Mitteln und Wegen für die endgültige Beseitigung von radioaktiven Abfällen. Sie haben eine Methode entwickelt, die hochaktiven Spaltprodukte in eigens vorbereiteten Lehmkügelchen zu absorbieren. Diese Kügelchen werden dann einer hohen Temperatur von 800 bis 1000° C in einem Brennofen unterworfen, um so harte keramische Perlchen zu bilden, aus denen das radioaktive Material nicht ausgelaugt werden kann. Dieser Prozeß befindet sich im Versuchs-Stadium und kann durchaus wirtschaftliche Möglichkeiten in sich bergen. Auf diese Weise behandelte Abfälle könnten vergraben oder in geeigneten, isolierten Plätzen gelagert werden, wobei sichergstellt wäre, daß ein Eindringen in die Umgebung nur in ganz unbedeutendem Ausmaße erfolgen würde. Aus diesem Prozeß ergeben sich auch einige Möglichkeiten für die Gewinnung von radioaktiven Präparaten aus solchen Abfällen. Eine Übersicht der Unkosten für einige der hier erörterten Methoden zeigt die Tab. 3 auf.

Beseitigung in den Ozean:

Es ist vorgeschlagen worden, daß hochaktive Abfälle durch Versenkung in Meerestiefen, weit entfernt von irgendwelchen Küsten, unschädlich gemacht werden. Auf diese Weise beseitigt man heute einige der verschiedensten Abfälle anderer Wirtschaftszweige. Die Unkosten, die durch Schutz-Vorrichtungen und bei dem Transport entstehen würden, sprechen sehr gegen die Anwendung dieser Methode auf die hochaktiven Abfälle vieler zur Zeit in Betrieb befindlicher, oder noch in Betrieb zu nehmender Anlagen, — und zwar nur aus Gründen der weiten Entfernung. Andere Faktoren die eine solche Beseitigung der Abfälle von zweifelhaftem Wert erscheinen lassen, sind die hohe Radioaktivität und die große Wärmeerzeugung bei diesen Abfällen, die Unmöglichkeit, sie dann später wieder zu verwenden und schließlich die Unsicherheit in bezug auf die Auswirkung der Abfälle auf andere Verwertungsmöglichkeiten des Ozeanwassers im Dienste der Menschheit. Das gesamte Problem ist zur Zeit Gegenstand sorgfältiger Forschungen in der John-Hopkins-Universität in Zusammenarbeit mit befähigten amerikanischen Ozeanographen. Die augenblickliche Praxis, Material aus der Atomindustrie für eine Beseitigung in dieser Form nicht freizugeben, wird solange von der Atomenergie-Kommission beibehalten werden, bis die Ozeanographen mit größerer Sicherheit voraussagen können, daß die in den Ozean versenkten, hochgradig radioaktiven Abfälle für alle Zukunft keinerlei Gefahr bieten werden. Die Unsicherheit in bezug auf die absolut gefahrlose Beseitigung im Ozean rührt von der Tatsache her, daß das physikalische, chemische und biochemische Verhalten der Meere noch nicht in einer befriedigenden Weise vorausgesagt werden kann. Zirkulationsgeschwindigkeit, Diffusionsgeschwindigkeit und Umwälzge-schwindigkeit der Meere sind noch nicht mit Sicherheit bestimmt worden. Es fehlt sogar noch an den nötigen Instrumenten, um das tun zu können.

Radioaktive Abfälle der Atomindustrie werden zur Zeit, sofern es sich um niedrige und mittlere Radioaktivität handelt, in dafür besonders ausgewählten Versenkungsbereichen im Atlantik und Pazifik beseitigt. Die Abfälle werden mit Beton vermischt und in Stahltrommeln abgeschlossen. Kürzliche Studien des Mitarbeiterstabes der John-Hopkins-Universität haben ermittelt, daß die Kosten der Beseitigung von Abfällen mit mittlerer oder geringer Radioaktivität im Ozean einschließlich Transport, Verpackung und Versenkung variieren, und zwar von 0, 30 $pro Pfund Müll für Anlagen in angemessener Schiffahrtsentfernung vom New Yorker Hafen bis zu 8, 80 und 1, 00 $pro Pfund Abfall für Anlagen in der Nähe von San Francisco. An der Ostküste werden jährlich 20 bis 30 Tonnen Abfälle im Ozean unschädlich gemacht, an der Westküste 4 bis 5 Tonnen. Der Unterschied in der Menge spiegelt sich in den Kosten wider. Der John-Hopkins-Bericht weist auf die Notwendigkeit hin, die Behälter besonders zu bewehren, um den Stoß im Augenblick des Aufprallens der Behälter auf den harten Ozeanboden und dem hydrostatischen Druck in einer Tiefe von 1000 bis 2000 Meter unter dem Meeresspiegel zu begegnen.

Verschiedene Abfälle In den meisten Industrien können wichtige Abfälle der Anlage auf befriedigende Weise beseitigt werden. Die normalen Abfall-Restprodukte wie Schnitzel, Staub, Splitter, Papier, Wischer, Kleidung, veraltetes Material und Geräteteile, sowie Baumaterial von Erneuerungs-oder Abbrucharbeiten auf der Anlage, können über den üblichen Handel verkauft, örtlich vergraben oder zusammen mit normalem Abfallmaterial der Gemeinden abgeladen werden. In der Atomenergieindustrie werden solche Abfälle gewöhnlich in besonderen Behältern auf den Anlagen abgesondert. Sie werden dann auf die Art und den Grad der Radioaktivität hier überprüft. Material, das mit einer Radioaktivität kurzer Halbwertzeit verseucht worden ist, kann bis zum Zerfall aufbewahrt und dann normal beseitigt werden. Das Problem wird jedoch kompliziert und ist auch noch nicht gelöst worden, wenn es sich um Radioisotope mit einer langen Halbwertzeit handelt.

Verbrennungsöfen:

. Brennbares, radioaktives Material, wie zum Beispiel Papier, Wischer, Tierleichen etc. sowie Holz-oder Pappteile können durch Verbrennung beseitigt werden. Es wurden Verbrennungsöfen — und zwar jedesmal verschiedene — erbaut, um in den Forschungs-und Entwicklungsgebieten der AEC — im Wissenschaftlichen Laboratorium Los Alamos (LASL), im Nationallaboratorium Argonne (ANL) und im Atom-Energie-Laboratorium Knoles (KAPL) — eingesetzt zu werden. Jeder Ofen wurde mit Geräten für eine nahezu vollständige Beseitigung der Verbrennungsprodukte ausgestattet. Dies führte dazu, daß sowohl radioaktive Lösungen wie dieVerbrennungsasche selber beseitigt werden mußte. Die LASL-Anlage hat zu beträchtlichen Schwierigkeiten Anlaß gegeben und wird zurzeit umgebaut. Der ANL-Verbrennungsofen hat eine befriedigende Leistung bei relativ hohen Linkosten von 95 Dollar pro Kubikmeter einschließlich Amortisations-und Gemeinkosten erreicht.

Die KAPL-Aniage war eine Versuchsstation und benutzte Sauerstoff für die vollständige Verbrennung. Die Kosten dieser Anlage waren mit ungefähr 180 Dollar pro Kubikmeter ebenfalls hoch. Die AEC kam zu der Erkenntnis, daß befriedigende und wirtschaftlich arbeitende Verbrennungsöfen unbedingt notwendig sind, und zwar sowohl in den von ihr betriebenen Anlagen wie auch bei den Forschungsinstituten, die sich mit Problemen der Atomindustrie befassen und Radioisotope verwenden. Aus diesem Grunde schloß die Kommission mit dem Bureau of Mins, Laboratoriumsabteilung für Verbrennungsforschung, einen Vertrag zur Entwicklung einer geeigneten Anlage ab. Der Stab dieses Laboratoriums ist nach vielen Monaten der Untersuchung von Verbrennungsparametern dabei, Entwürfe und Modelle für zwei Verbrenner fertigzustellen, die Kapazitäten von 25 bzw. 200 Pfund pro Stunde aufweisen.

Jeder Ofen arbeitet mit einem besonderen Luftversorgungssystem in der Verbrennungskammer. Auf diese Weise wird ein solch hoher Verbrennungsgrad (des festen Materials) erreicht, daß zur Behandlung von Verbrennungsgasen nur noch ein Sedimentationsfilter für die größeren Partikel notwendig ist. Anschließend werden die Gase dann noch der Behandlung durch einen Spezialfilter aus Glas mit hoher Temperatur und hohem Wirkungsgrad unterworfen.

Die Beseitigung in Ballen:

In der KAPL-Anlage werden heute Abfälle, die früher verbrannt wurden, mit Hilfe eines elektrischen Gerätes zu Ballen verarbeitet. Die Ballen werden in beliebiger Größe gelagert und dann per Bahn in ein Lagerungsgebiet verfrachtet, das von der AEC betrieben wird und sich in einem Teil der alten Ontario-See-Werke in der Nähe von Youngstown im Staate New York befindet. Hier werden die Ballen zusammen mit bestimmten radioaktiven Schlämmen und dem verschiedensten, veralterten Gerät und Material gelagert, das wegen der Radioaktivität nicht wiedergewonnen oder als Altmaterial verwertet werden kann.

Vergraben:

Das Vergraben von radioaktiven Abfällen, besonders von solchen fester Konsistenz, wird in den größeren AEC-Anlagen, wie etwa in den Hanfordwerken, dem Nationallaboratorium in Oakridge, der Nationalen Reaktorprüfungsanlage und dem Wissenschaftlichen Laboratorium von Los Alamos weitgehend angewandt. Die Auswahl der Vergrabungsstellen wird mit LInterstützung eines qualifizierten Geologen vorgenommen, damit folgende Faktoren genügend berücksichtigt werden:

1. Die Eigenschaft des Bodens, Radioaktivität festzuhalten;

2. die Geschwindigkeit, mit der sich Abfälle aus den Vergrabungsgebieten auf ihre LImgebung ausbreiten können;

3. die Höhe und die Abflußgeschwindigkeit des Grundwassers aus dem Vergrabungsgebiet;

4. die Auswirkungen des Durchsickerns in bezug auf die Verseuchung des Grundwassers;

5. die Entfernung bis zu den Verbrauchern von Grundwasser weiter flußabwärts.

Eine Vergrabung bietet den doppelten Vorteil niedriger Kosten und wirksamen Schutzes. Wenn die Bewegung des Wassers durch den Erdboden gering, und die Entfernung zu den Verbrauchern des Grundwassers groß ist, kann sich die Radioaktivität verringern, bevor eine Quelle der Wasserversorgung in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei langlebigen Abfällen muß jedoch den möglichen Auswirkungen aller Vergrabungsmethoden auf die Rohstoffe des betreffenden Gebietes äußerste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es ist nicht wahrscheinlich, daß es bei einer Bewegung durch die Bodenschichten zu einer sehr großen Ausbreitung von freigewordenen Verseuchungselementen von der punktförmigen Quelle weg in seitlicher Richtung kommen wird. Es laufen zur Zeit Forschungen über die selektive Absorption der Radioaktivität in Bodenschichten und über ihren Lauf durch die Schichten unter den verschiedensten Bedingungen.

Tiefe Brunnen:

Man hat auch der Möglichkeit Aufmerksamkeit geschenkt, radioaktive Abfallösungen zu beseitigen, indem man sie in aufgegebene Ölund Gasbohrlöcher mittels tiefer Brunnen ableitet. Die wirtschaftlichen Aspekte dieses Problemes sind abhängig von den Kosten des Schutzes für die Arbeiter und den Frachtkosten bis hin zu dem ausgewählten Brunnenplatz. Diese Methode der Beseitigung wird zur Zeit erforscht, da sie offensichtliche Vorteile aufweist. Außerdem wird die Möglichkeit in Erwägung gezogen, aufgegebene Bergwerke und Höhlen als Lagerplätze für hochaktive Abfälle zu benutzen.

Die Anwendung einer solchen Methode zur Beseitigung von hochaktiven Abfällen wird eine sehr genaue Überprüfung durch geologische Fachleute in Zusammenarbeit mit Spezialisten aus der Atomenergieindustrie erfordern. Diese Zusammenarbeit ist kürzlich von der AEC durch Bildung einer Arbeitsgemeinschaft der John Hopkins Universität und des Nationalen Forschungsrates eingeleitet worden. Der Forschungsrat hat einen „Ausschuß der geologischen Wissenschaften , ins Leben gerufen, dem hervorragende Persönlichkeiten angehören, und der diese Studien energisch vorantreiben soll. Obwohl es in den LISA eine Reihe von Gebieten gibt, unter denen geologische Formationen lagern,, die möglicherweise für die Beseitigung von hochgradig radioaktiven Abfällen geeignet sind, stimmen erfahrene Geologen darin überein, daß man von solchen Formationen für die oben erörterten Zwecke solange keinen Gebrauch machen sollte, bis sie weiter erforscht und wissenschaftlich überprüft worden sind. Bei solchen Forschungen und Studien erfordern u. a. die verzwickten Probleme der Wärmeabgabe und des allgemeinen thermischen Verhaltens eine besondere, ins einzelne gehende Analyse.

Verseuchte Wäsche: In Laboratorien und Produktionsgebieten, die radioaktives Material verwerten, ist der Gebrauch von Schutzkleidung, wie z. B. Gummi und Lederhandschuhen, Stoffmänteln, Mützen und Überzügen für Schuhe weit verbreitet. Früher wurden im allgemeinen die Abfälle durch die Bearbeitung dieser Materialien in Wäschereien verdampft. Für gewöhnlich war die Radioaktivität nicht hoch genug, um diese kostspielige Behandlung zu rechtfertigen. Solche Abfälle können wie in der Nationalen Reaktorversuchsstation mit dem normalen Abwasser vermischt werden. Hier wurde eine einfache Sedimentation-und Dieset-Filteranlage entworfen, die nebenbei noch für mehrmaligen Umlauf der Aus-strömungen eingerichtet ist. Die Wäscherei-Abfälle werden mit dem örtlichen Abwasser gemischt und einer intensiven Bearbeitung unterworfen. Ungefähr 90 % der Radioaktivität findet sich in dem ausgetrockneten Dränageschlamm, und nur ein kleiner Rest im Ausfluß, der in den Erdboden abgeleitet wird. In Los Alamos sind die Wäschereiabfälle mit Plutoniumgehalt durch eine Ausfüllmethode entgiftet worden.

Radioisotope Die AEC stellt Radioisotope her und verkauft sie an Hunderte von Verbrauchern in Amerika und in der ganzen Welt. Die Radioisotope werden für Forschungszwecke in Medizin, Biologie, Chemie und anderen akademischen und industriellen Anwendungsarten verwertet. Die am meisten gebrauchten Isotope sind: P 32, I 131, C 14, Na 24 und Au 158. Die Isotope-Abteilung in Oakridge übt eine Kontrolle über die Verbraucher dieser Isotope aus und verlangt von den Käufern die Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßregeln bei der Beseitigung von radioaktiven Abfällen. Die Aktivitäten, die im allgemeinen verwendet werden, sind derart, daß die Abfallbeseitigung keine ernsthaften Schwierigkeiten bietet. Zur Zeit verfährt man in den meisten Instituten so, daß die radioaktiven Abfälle in einen oder in mehrere Tanks abgeleitet werden. Diese Tanks werden in regelmäßigen Abständen überprüft. Wenn die Radioaktivität einen Vorgeschriebenen, niedrigen Grad erreicht hat oder darunter ist, wird der Inhalt der Tanks abgelassen, und zwar im allgemeinen in ein öffentliches Dränagesystem. Wo die Durchflußgeschwindigkeit in dem Dränagesystem ausreichend ist, um die gewünschte Verdünnung der radioaktiven Abfälle auf das vom Standpunkt der Sicherheit zulässige Maß zu gewährleisten, werden die Abfälle ohne vorherige Lagerung sofort abgelassen. Forschungsergebnisse in den Universitäten von New York, John Hopkins, California und Illinois haben erwiesen, daß die Weiterleitung von Radioisotope an öffentliche und andere Dränagesysteme zu keinen schädlichen Auswirkungen auf den Verarbeitungsprozeß der Abwässer in den bei den Gemeinden in Gebrauch befindlichen Kläranlagen führt. Arbeiter sollten bei solchen Einrichtungen nicht arbeiten, geschweige denn sie betreten, solange nicht die Aktivität festgestellt ist, und auch dann nur unter der Beratung und Aufsicht eines „Gesundheitsphysikers“.

Probleme der Zukunft

Abbildung 17

Die meisten Beobachter sind der Ansicht, daß in den nächsten 25 Jahren bedeutsame Entwicklungen in der Atomenergie-Produktion vor sich gehen werden. Ob man nun die optimistischen oder die konservativen Ansichten hinsichtlich der gemachten Prophezeiungen und genährten Hoffnungen teilt, eine Schlußfolgerung ist sicher: Die Beseitigung von Abfällen aus Kernreaktoren und Brennstoffverarbeitungsanlagen wird einen der mit beherrschendsten Faktoren darstellen, wenn es darum geht festzulegen, in welchem Ausmaß Reaktoren zur Energiegewinnung im Wettbewerb mit anderen Brennstoffquellen eingesetzt werden sollen. Ob wir nun die Kalkulationen und Annahmen hinsichtlich der anfallenden Abfallproduktion von Rodger, Hatch, David, Hafstadt oder Terrill u. a. akzeptieren — um nur Beispiele zu nennen — auf jeden Fall werden die sich ergebenden, gesamten Spaltprodukte den Nutzern und der Ordnungsbehörde der Atomenergie enorm zu schaffen machen. Zweifellos werden bei der Beseitigung dieser Materialien an den Erfindungsgeist und die Vorstellungsgabe der Wissenschaftler und Industriellen die größten Anforderungen gestellt. Auch die Fragen der Wirtschaftlichkeit bei der Verpackung, dem Transport, der Lagerung, Behandlung und schließlichen Freigabe dieser Materialien geben nach wie vor zu großer Sorge Anlaß. Man wird diese Abfälle der Natur nur mit äußerster Vorsicht wieder zurückgeben *).

Beim Stand der gegenwärtigen Verarbeitungstechnik werden die Spaltprodukte aufgelöst oder in Flüssigkeit suspendiert. Je nach dem, welcher Reaktortyp gebraucht wird, und welche chemischen Trennungsprozesse angewandt werden, ergeben sich Volumina von 2 Liter pro Gramm Uran 23 5 bis zu 20 Liter pro Gramm Uran 235 für nicht neutralisierte Abfälle. Demnach sind etwa 68— 680 Millionen Liter Müll pro Jahr, oder ca. 200 000— 2 000 000 Liter pro Tag zu erwarten. Einhundert Tage nach ihrer Entfernung aus dem Reaktor würde die Radioaktavität dieser Spaltprodukte ungefähr 800 Curie pro Gramm betragen. Die Halbwertzeiten der ernsthaft ins Gewicht fallenden radioaktiven Spaltprodukte würden variieren und zwar von Minuten oder weniger für Isotope wie Pr 146 Ce 146, bis zu 33 Jahren für Cs 137 und 20 Jahren für Sr 90. Wenn man annimmt, das keine Verdunstung oder Verdünnung erfolgt, würde es etwa 600 Jahre dauern, bis die beiden letztgenannten Isotope zu Konzentrationen zerfallen sind, die für Trinkwasser erlaubt sind.

Würden ständig neue Abfälle einer schon zum Teil zerfallenen Anhäufung zugeführt, so würde sich ein Gleichgewicht an hoher Radioaktivität einstellen. Emerson u. a. haben einen solchen Gleichgewichtswert für einen 450 Megawatt (elektrische Leistung) Reaktor kalkuliert, der mit 1000 Megawatt Gesamtleistung arbeitet. Sie haben angenommen, daß ein homogener Reaktor gebraucht und daß der zirkulierende Brennstoff täglich verarbeitet wird. Die gesamte Gleichgewichtsaktivität der Abfälle, die sich am Ende von 10 Jahren angesammelt haben würde, ist von ihnen mit 625 000 000 Curie berechnet worden.

Schlußfolgerungen

Abbildung 18

Die Probleme, die sich bei der Abfallbeseitigung für die Atomenergie-Industrie stellen, sind sehr vielseitig. Die Kontrolle der Abfälle ist zur Zeit zwar ausreichend, aber kostspielig. Der weitere Ausbau der Atom-industrie besonders auf dem Gebiete der Brennstofferzeugung wird weniger kostspielige Methoden erforderlich machen, wenn die Atomenergie in einen günstigen Wettbewerb mit anderen Brennstoffen eintreten soll. In Erwartung dieser Entwicklung hat die AEC Forschungs-und Entwicklungsabkommen mit Universitäten, Privatindustrien, den Nationalen Laboratorien und anderen Bundesbehörden abgeschlossen, die verschiedene Methoden der Abfallbeseitigung wissenschaftlich erforschen sollen. Vor allem ist es auch ihre Aufgabe festzustellen, in wieweit der Ozean, der Erdboden, die offenen Gewässer, Flüsse und die Luft für Abschirmung, Verdünnung und Verteilung von radioaktiven Abfällen benutzt werden können. Im Interesse des größtmöglichen Schutzes der Bevölkerung werden zur Zeit hochaktive Abfälle in Anlagen oder in der Nähe von Anlagen gelagert, die unter strenger Aufsicht und Kontrolle stehen. Eine Müllabfuhr — in ihrer orthodoxen Bedeutung des Wortes, wie sie bei den herkömmlichen Industrieabfällen üblich ist, — gibt es noch nicht.

*) Hier sind einige Berechnungen ausgelassen worden. Die Berechnungen ergeben, daß für das Jahr 2000 allein 41 Tonnen an hochaktiven Spaltprodukten zu erwarten sind.

Fussnoten

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