Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Konzeptionen deutscher Ostpolitik 1919-1970 Eine Skizze | APuZ 49/1970 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 49/1970 Konzeptionen deutscher Ostpolitik 1919-1970 Eine Skizze — Anhang — Vor dem XXIV. Parteitag der KPdSU Optionen europäischer Politik in den siebziger Jahren

Konzeptionen deutscher Ostpolitik 1919-1970 Eine Skizze

Hans-Adolf Jacobsen

/ 67 Minuten zu lesen

I. 1919— 1933: Deutschland zwischen Ost und West

Borys Lewytzkyj: Vor dem XXIV. Parteitag der KPdSU S. 31 Christoph Bertram: Optionen europäischer Politik in den siebziger Jahren...................................... S. 42

Der Zusammenbruch des Deutschen Kaiser-reichs im Jahre 1918 hat die Zeitgenossen in vieler Hinsicht nachhaltiger in ihrem Denken und Handeln beeinflußt als das Jahr 1945 die nachfolgende Generation. Die Konkursverwalter des einst so stolzen und siegesbewußten, durch die Staatskunst Bismarcks geeinten Reichs hatten die überaus harten, von den meisten Politikern ebenso wie von weiten Teilen der Bevölkerung als diskriminierend empfundenen Bestimmungen des Versailler Vertrages unterzeichnen müssen. Zweifellos waren viele Regelungen dazu angetan, Deutschland territorial und wirtschaftlich einschneidenden Einschränkungen zu unterwerfen und seine nationalen Gefühle tief zu verletzen. Daher wurde der Kampf um die Revision — zugleich aber auch um die Wiederherstellung der verlorenen Großmachtposition — zum eigentlichen Mittelpunkt der deutschen Politik zwischen den Weltkriegen. Das Europa der zwanziger Jahre, immer noch Mittelpunkt der Weltpolitik, nachdem sich die USA wieder in die Isolierung zurückgezogen hatten, war vor allem durch die Neuordnung des Staaten-systems im Osten, das heißt durch den Zerfall der Habsburger Monarchie und die Schaffung kleiner und mittlerer Nationalstaaten („cordon sanitaire“ gegenüber der Sowjetunion) geprägt. Dabei war es nicht gelungen, eine klare politische Grenzziehung nach Nationalitäten zu verwirklichen. Das Minderheitenproblem wurde demzufolge bald zu einer der großen gefährlichen Kontroversen zwischen den ehemaligen Mittelmächten und den neuen Staaten. Hinzu kam, daß die Sieger von 1918 den Deutsch-Österreichern das elementare Selbstbestimmungsrecht verweigerten, nämlich den Anschluß an die deutsche Republik

Im Innern stand die Weimarer Republik, die im Spannungsfeld zwischen Links-und Rechtsradikalismus um ihre staatliche Existenz zu ringen hatte, von Anfang an vor einer Reihe schwer lösbarer Aufgaben, zumal das politische Klima durch die lautstark verkündeten Parolen „Im Felde unbesiegt" — „Novemberverbrecher" — „Erfüllungspolitiker" u. a. vergiftet worden war. Revolutionäre Unruhen, Streiks, Inflation und Reparationen erschütterten die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Struktur Deutschlands. Der neue Staat wurde überdies nur von einer demokratischen Minderheit bejaht, da die meisten Vertreter der zahlreichen konservativen Gruppen, darunter zum Beispiel aus der Beamtenschaft, dem Offizierskorps, den Kirchen, der Schwerindustrie, aus den Hochschulen und der Landwirtschaft, den Vorstellungen des autoritären Obrigkeitsstaates verhaftet blieben. Romantische Gefühlswallungen („Volk ohne Raum“), übersteigerter Nationalismus als Antwort auf die Niederlage, wirtschaftliche Instabilität, eine spezifische Freund-Feind-Philosophie und die offenkundigen Schwächen der neu etablierten demokratischen Institutionen erschwerten die Identifikation großer Teile der Bevölkerung mit der Republik und ihrer Verfassung

Nur vor diesem hier angedeuteten Hintergrund werden die verschiedenen Ostkonzeptionen Deutschlands in den Jahren von 1918 bis 1933 verständlich. Denn im Grunde bezeugen sie fast alle den Versuch, eine Antwort Bei der vorliegenden Abhandlung handelt es sich um einen Auszug aus dem in Kürze erscheinenden Buch „Mißtrauische Nachbarn". Deutsche Ostpolitik 1919— 70. Dokumentation und Analyse, herausgegeben von Hans-Adolf Jacobsen unter Mitwirkung von Wilfried von Bredow. — Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Droste Verlags Düsseldorf. auf das Schicksal des Reiches von 1918 zu finden und den Status quo von 1914 wiederherzustellen, um damit erneut zu einer aktiven Außenpolitik überleiten zu können.

Die KPD Was die Beurteilung des Ostens — insbesondere Rußlands — anbetraf, so haben zwei Faktoren das Bild bis 1933 wesentlich mitbestimmt: der Sieg der bolschewistischen Oktoberrevolution unter Lenin 1917, zu dem auch führende Politiker des Kaiserreiches beigetragen haben und die Gründung bzw.der Aufstieg der Kommunistischen Partei Deutschlands. Zunächst entwickelte sich diese Partei unter der Führung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs noch sehr eigenständig. Das verdeutlichte zum Beispiel die Kritik von Rosa Luxemburg an der „Diktatur des Proletariats" sowjetischer Prägung. Später unter Ernst Thälmann wurde die KPD in der beginnenden Ära Stalins aber immer mehr zu einem verlängerten Arm Moskaus. Sie propagierte den revolutionären Umsturz aller bestehenden Verhältnisse. In dieser prinzipiellen Zielsetzung unterschied sie sich nicht von den Intentionen der Repräsentanten des internationalen Kommunismus. Damit war etwas grundlegend Neues gegeben: Zum ersten Mal kämpfte eine deutsche Partei offen für Ziele, die gesell-schaftsund wirtschaftspolitisch mit denen des östlichen Nachbarn weithin identisch waren. Mit anderen Worten: Seit 1917 und zumal seit 1919 offenbarte sich der gewandelte Charakter der Ostpolitik beziehungsweise der Ostkonzeptionen des Deutschen Reiches. Ein Teil der Innenpolitik war zugleidi weltweite revolutionäre Politik. Seitdem handelte es sich nicht mehr allein um Fragen der Diplomatie, des Kulturaustauschs oder zwischenstaatlicher Wirtschaftsbeziehungen und damit um außenpolitische Machtveränderungen, sondern zugleich auch um Prinzipien der bolschewistischen Strategie und Taktik. Während im 19. Jahrhundert die Auseinandersetzungen zwischen den Staaten noch isoliert von den Marxschen Theorien des als Klassenkampf bezeichneten Ringens um die beste Gesellschaftsordnung im Innern verliefen, änderte sich das zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Weltpolitik und Gesellschaftspolitik waren nunmehr unlösbar miteinander verbunden. Das dokumentierte gerade das Verhalten der KPD. Diese Partei ordnete sich bedenkenlos den Interessen der so-4) wjetischen Staatspolitik unter. Die Sowjetunion wurde bald so etwas wie ein Idol für die deutschen Kommunisten; Moskau wurde zu einem neuen Mekka. Ob es der revolutionäre Elan oder der „sozialistische Aufbau" war, ob es die wachsende Macht der UdSSR, jetzt als „Vaterland aller Werktätigen" in der Welt apostrophiert, oder ob es die ersten außenpolitischen Schritte Moskaus betraf (Feldzug gegen Polen, Rapallo usw.), dies und vieles mehr wurde nicht nur moralisch unterstützt, sondern auch als Fanal für eine engere Zusammenarbeit mit der Sowjetunion gedeutet

Bei anderen Gelegenheiten erklärten sich die Führer der KPD solidarisch mit der sowjetischen Politik, mit den Zielen der Roten Armee und des internationalen Kommunismus. Besonders die Abgeordnete des Reichstages Clara Zetkin legte in ihren Reden wiederholt ein Bekenntnis zur Sowjetunion und zur Arbeiterklasse ab; immer wieder forderte sie den Abschluß eines Sdiutzund Trutzbündnisses mit Moskau, um dadurch den Kurs der deutschen Außenpolitik eindeutig auf den Osten auszurichten. Freilich war diese kommunistische Politik, die am Ende der Republik von fast 17 Prozent (das waren 98 Millionen) der deutschen Wähler unterstützt wurde (1920 betrug der Anteil der Stimmen lediglich 440 000 oder 1, 7 Prozent), von mehreren Rückschlägen begleitet, nicht zuletzt von dem des Jahres 1933 5).

Die Reichswehrführung Aus ganz anderen Gründen zählte die Führung der Reichswehr in der Weimarer Republik zu den Befürwortern einer deutschen Ostorientierung. Dabei mischten sich verschiedene Motive miteinander. Zunächst einmal sah sie in einer engen geheimen Zusammenarbeit mit der Roten Armee, die zu Beginn der zwanziger Jahre eingeleitet wurde, eine Art Aushilfe, den „einzigen Weg in der deutschen Notlage", eine Gemeinsamkeit der „Isolierten und Ausgestoßenen" gegen die Westmächte, die Versailles diktiert und in Rußland interveniert hatten. Zudem verband sich damit die Hoffnung, die militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrages umgehen und mit der technischen Entwicklung auf dem Gebiet der Panzerwaffe, der Luft-und Gaskriegführung* Schritt halten zu können Dahinter verbarg sich außerdem das strategische Ziel: mittels Machtpolitik, die verlorene weltpolitische Stellung des Reiches auf dem Kontinent wieder-zugewinnen, falls notwendig und möglich sogar unter Einsatz von Gewalt. Daß darüber hinaus Offiziere wie Blomberg, der spatere Reichskriegsminister unter Hitler, und andere von der Disziplinierung und Opferbereitschaft der Massen in der Sowjetunion und von der sich ankündigenden neuen technisch-mechanisierten Lebensform, die eine höhere militärische Einsatzbereitschaft und Effektivität im Ernstfall versprachen, beeindruckt erschienen, sei nur am Rande erwähnt.

Generaloberst Ilans v. Seecks, seit 1920 Chef der Heeresleitung, hatte nicht nur aus militärtechnischen und wehrwirtschaftlichen Erwägungen eine solche Politik befürwortet allerdings verbunden mit einer entschiedenen Ablehnung des Bolschewismus , sondern auch aus der prinzipiellen Frontstellung gegenüber Polen. Seine Antwort vom September 1922 auf ein Promemoria des Grafen v. Brockdorff-Rantzau ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Wiederherstellung der deutsch-russischen Grenze sah er als Voraussetzung für die Erstarkung beider Länder an. Ein Militärbündnis mit der Sowjetunion schien seiner Meinung nach das beste Mittel zu sein, die leidige polnische Frage im „nationalen Interesse" Deutschlands zu lösen eventuell sogar das tschechische Problem, um schließlich auch die Revision des ganzen Vertragswerkes im Westen erzwingen zu können. Die Interpretation, Seeckt habe leichtfertig einen Krieg provozieren wollen, dürfte (hm wahren Absichten des Generals jedoch nicht ganz entsprechen. Eine Gleichgewichtspolitik zwischen Ost und West zur Behauptung gegenüber den Westmächten und dem Bolschewismus war sein Ziel, wobei er von der Annahme ausging, daß Deutschland gegen den „kommunistischen Bazillus" gefeit sei

Rapallo und Berliner Vertrag Analysiert man die deutsch-russischen Beziehungen seil Ende des Ersten Weltkriegs, so ist festzuhalten: Das ursprünglich durch den deutschen Diktatfrieden von Brest-Litowsk (1918)

belastete Verhältnis verbesserte sich durch die Existenz des polnischen Staates und durch Ver") sailles Schritt für Schritt. Schon frühzeitig trat der spätere Reichsaußenminister Wallher Rathenau für die Aufnahme wirtschaftlicher Beziehungen zur Sowjetunion ein Den großen Wendepunkt aber stellte 1922 der Vertrag von Rapallo dar. Mochten die vertraglichen Vereinbarungen ohne Geheimklauseln auch keinerlei nennenswerte Überraschungen enthalten und in ihren konkreten Auswirkungen gering bleiben, wesentlicher war die politische: Demonstration der beiden europäischen Mächte. Sicherlich bedeutete das heiß umstrittene und kritisierte Abkommen weder damals noch später eine einseitige Orientierung der deutschen Politik nach Osten, vielmehr handelte es sich um einen ersten selbständigen Schritt Deutschlands, das heißt auch um einen „Akt der Notwehr", nicht den übermächtigen Westmächten ausgeliefert zu sein. Zudem wollti'Berlin ('ine Rückendeckung gegenüber Polen gewinnen. Lautete die Parole doch: mit Moskau gegen Warschau. Das war in der Tat ('ine gewisse Wiederbelebung der bismarck-sehen Tradition, wenn auch unter recht erheb-lichen Modifikationen. Dergleiche Geist sprach auch aus dem Berliner Vertrag vom Jahre 1926.

Wichtig in diesem Zusammenhang waren zudem die wirtschaftlichen Vereinbarungen, über die beide Seiten schon in einem Vorvertrag (1921) entschieden halten. Krupp und andere bedeutende Firmen beteiligten sich am Außen-handel mit der UdSSR. Zahlreiche gemischte deut sch-russische Gesellschaften entstanden (DeRu Metall, DeRu-Luft und I eRu Transport); zudem wurde ('ine Reihe landwirtschaftlicher Konzessionen im Süden Rußlands übernommen. 1928 betrug in der Sowjetunion der Anteil der Gesamteinfuhren aus Deutschland 25 Pro-zent last ausschließlich Investitionsgüter und Maschinen aller Art —; dieser Prozentsatz stieg 1932 aut 47 Prozent an. Damit war der Stand von 1914 erreicht. Demgegenüber nahm die deutsche Ausluhr nach Rußland in den Jah ren von 1928— 1932 von 3, 3 Prozent auf 10, Prozent zu 9).

Der deutsche Botschafter in Moskau, Graf von Brockdorff-Rantzau, neben Ago v. Maltzan, dem langjährigen Leiter der Ostabteilung im Auswärtigen Amt, einer der entschiedensten Vertreter einer Annäherung an Rußland, sah von Anlang an in dieser Politik das notwendige Gegengewicht gegen die Westmächte, um, wie er es einmal etwas überspitzt formu-liert hat, nicht „auf Gnade und Ungnade den Ententemächten ausgeliefert zu sein". Daß es sich hierbei mehr um eine „Zwangsehe", denn um eine „Neigungsehe" handelte, war ihm und Gleichgesinnten klar. Sich vorzustellen, mit den russischen „röten Kameraden" einmal gemeinsam Frankreich „siegreich" zu schlagen, schien ihm absurd. Aus diesem Grund lehnte er auch — im Gegensatz zu Seeckt — eine militärische Interessenpolitik mit Rußland ab. Energisch wandte er sich zudem gegen den Versuch der Bolschewisten, sich in die innenpolitischen Verhältnisse Deutschlands einzumischen. Den Kern seiner politischen Vorstellungen enthüllte der Diplomat in mehreren Denkschriften und Briefen Dabei berührte er immer wieder die „offene Wunde". Sie schwelte weiter: der Verlust der Weltmachtstellung 1918, der verlorene „Platz an der Sonne".

Stresemann Schon ein Jahr vorher hatte Außenminister Gustav Stresemann in seinem berühmten Brief an den ehemaligen Kronprinzen seine langfristigen Ziele angedeutet, die in der Wiedererlangung außenpolitischer Freiheit und einer vollgültigen Großmachtstellung des Reiches gipfelten. Ein Schritt auf diesem Wege bedeutete ihm u. a.der Vertrag von Locarno (1925), das heißt die De-facto-Anerkennung der deutschen Westgrenze, mit der jedoch kein Verzicht auf die umfassende Revision der Ostgrenze verbunden war. Ein anderes Mittel sah Stresemann in einer forcierten Wirtschaftspolitik. So glaubte er zum Beispiel an die Möglichkeit, Polen durch wirtschaftlichen Druck zur Rückgabe des „Korridors" zwingen zu können. Im übrigen hoffte Stresemann durchaus auf die Verwirklichung einer friedlichen Völkerordnung. Rapallo und Berliner Vertrag lagen für ihn ganz auf dieser Linie n). Auch bei den Verhandlungen über die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund 1925/26 setzte Stresemann durch, daß Berlin in seiner ostpolitischen Handlungsfreiheit nicht zu sehr eingeengt wurde. So erreichte er, daß Deutschland nicht gegen seinen Willen zu eventuellen Sanktionsmaßnahmen des Völkerbundes gegen Moskau, auf das das Reich ja angewiesen war, herangezogen werden konnte. Das bedeutete, daß Deutschland in einen möglichen russisch-polnischen Konflikt nicht einzugreifen brauchte, und das lag durchaus auf der Ebene der deutschen Polen-Politik

Uber ihre Forderungen haben im übrigen die deutschen Diplomaten das Ausland niemals im unklaren gelassen. Im Dezember 1925 äußerte zum Beispiel H. v. Dirksen, der spätere deutsche Botschafter in Moskau und Tokio, gegenüber dem englischen Botschafter Lord D'Abernon: Das Reich strebe die Rückgabe Danzigs und des Korridors einschließlich der Netzegaue an, die Abrundung im Gebiet der früheren Provinz Posen, die Rückgabe kleinerer Gebietsteile in Mittelschlesien und vor allem Oberschlesiens. „Nur eine uneingeschränkte Rückgabe dieser Gebiete könne einen endgültigen Ausgleich zwischen Deutschland und Polen schaffen."

Indessen unterschieden sich die Auffassungen der Diplomaten von denen der Militärs dadurch, daß die Vertreter des Auswärtigen Amts die Anwendung von Gewalt zur Verwirklichung einer solchen Politik entschieden ablehnten, und zwar nicht nur aus taktischen, sondern auch aus prinzipiellen Erwägungen. Deutschland hatte 1928 den Kriegsächtungspakt (Briand-Kellogg) unterschrieben, der aber bald nurmehr auf dem Papier Bedeutung behielt

Es versteht sich von selbst, daß manche Ost-konzeption in der Weimarer Republik Theorie blieb. Unterschiedliche Meinungen und Wünsche gab es genug. Aber die realpolitischen Möglichkeiten waren doch durch die innen-und außenpolitische Lage des Reiches, das erst Mitte der zwanziger Jahre wieder als vollwertiges Mitglied in die Völkergemeinschaft ausgenommen wurde, äußerst beschränkt. Das ließen Denkschriften und Briefe prominenter, in der Verantwortung stehender Persönlichkeiten aus Politik, Reichswehr, Wirtschaft und Kultur stets von neuem erkennen. Vor allem fehlte die machtpolitische Basis, was von zahlreichen führenden Köpfen teils mit Bedauern, teils mit einer gewissen Resignation zur Kenntnis genommen wurde. Im Grunde war der Katalog der deutschen Forderungen gegenüber dem Osten überschaubar, ebenso die entsprechenden Prioritäten. Grenz-und Volkstumsfragen Die Grenzfrage und der damit verbundene Verlust wichtiger wirtschaftlicher Versorgungsgebiete und die Assimilierungspolitik der östlichen Nachbarn, das heißt der Nachfolgestaaten Osterreich-Ungarns beziehungsweise Polens, die unverkennbar auf eine Ent-deutschung abzielte, riefen Empörung und eine verstärkte Trotzhaltung vieler Bevölkerungsteile hervor. Organisationen und Verbände wurden in großer Zahl gegründet, staatlich gefördert und von fast allen Parteien unterstützt, die sich unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker um die Pflege und Erhaltung des Deutschtums jenseits der Grenzen, darunter vor allem in Polen, in der Tschechoslowakei, in Rumänien, Jugoslawien und Ungarn kümmerten, nachdem der vertraglich vereinbarte Minderheitenschutz durch den Völkerbund nicht hinreichend gesichert wurde

Beide Fragen zählten zu den weiteren „offenen Wunden" deutscher Politik im Osten. Sicherlich waren die meisten Deutschen von dem Gedanken an eine „Wiedergutmachung" oder gar an eine „Revanche" beherrscht. Daß unter diesen Voraussetzungen das Klima in Weimar für eine Verständigung mit den Völkern des Ostens erschwert wurde, war in gewisser Weise verständlich, zumal die Politik der polnischen und tschechischen Regierungen im eigenen nationalen Interesse der zugesagten Kulturautonomie in ihrem Lande für die Deutschen, aber auch für andere Minderheiten, nur einen geringen Spielraum ließen. Verfehlte Schulpolitik, harte Maßnahmen in der Agrarpolitik, Schikanen und Belästigungen vieler Deutscher, insbesondere die Verdrängung von Hunderttausenden von Deutschen aus ihrer Heimat durch die Polen stempelten Warschau geradezu zum „Staatsfeind Nr. 1". In der Abwehr dieser Politik und in der Notwendigkeit, die verlorenen Gebiete eines Tages zurückzugewinnen, waren sich die größeren Parteien und Organisationen in der Weimarer Republik weithin einig, nur schieden sie sich in der Frage der Methode Daß Reichskanzler, Minister und Vertreter des Auswärtigen Amtes mehr evolutionäre Methoden befürworteten, lag in der Natur der Sache. Es gab hinreichende Empfehlungen aus ihren Reihen, die überdies den diplomatischen

Stil der zwanziger Jahre verrieten. Im Mittelpunkt stand die Frage, mit welchen Bündnispartnern (also zum Beispiel mit England—USA oder Rußland) oder durch welche territorialen Kompensationen Polen zur Rückgabe der deutschen Ostgebiete veranlaßt werden konnte. Erich Zechlin, VLR in der Abt. IV des Auswärtigen Amtes, kam im November 1926 zu dem Ergebnis, daß weder mit England noch mit Rußland die Ostfrage „mit einiger Sicherheit" gelöst werden könne, sondern daß Frankreich, das mit Polen verbündet war, der Schlüssel des ganzen Problems sei. Eine deutsch-französische Verständigung im westlichen Sinne müsse auch zu einer Einigung über die ostdeutschen Interessen führen, wobei der Diplomat annahm, daß Frankreich sich unter diesen Voraussetzungen für Litauen (mit Memel) als Kompensationsobjekt für Polen einsetzen würde

Hinzu kam ein unverkennbares Uberlegen-heitsgefühl der Volksdeutschen jenseits der Grenzen selbst, das mit einer gewissen Berechtigung von den osteuropäischen Staaten als geistiger Hochmut und Überheblichkeit ausgelegt wurde und eine rasche Annäherung zwischen Deutschen und den Völkern im Osten überaus erschwerte

Deutsche Gesellschaft zum Studium Osteuropas Bezeichnend für Geist und Haltung der liberalen Intellektuellen in der Weimarer Republik war die Tatsache, daß viele von ihnen sich mit den Problemen des Ostens beschäftigten, auch in der Absicht, die Kenntnisse von Land und Leuten, von Volkswirtschaft, Verwaltung und Recht der Sowjetunion zu fördern. Besonders rührig auf diesem Gebiet war die „Deutsche Gesellschaft zum Studium Osteuropas". Unter ihrem agilen Vizepräsidenten, Prof. O. Hoetzsch, und ihrem Generalsekretär, Jonas, hat sie durch zahlreiche wissenschaftliche Veranstaltungen, durch Reisen, Veröffentlichungen von Aktenpublikationen und Monographien, insbesondere durch ihre seit 1926 erscheinende Zeitschrift „Osteuropa" das Interesse für den neuen sowjetischen Staat, für das Experiment des Bolschewismus und das Geistesleben in der UdSSR zu wecken verstanden. Hoetzsch erklärte im Reichstag (23. 11. 1926): „Wir wollen feste Beziehungen nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politi-scher Art mit dem Sowjetstaat von heute haben." Er und seinesgleichen wollten sich unvoreingenommen den Problemen der Zeit stellen und dabei Ideologie, Diplomatie, Kunst und Wissenschaft voneinander trennen. Die Gesellschaft lud den Volksbildungskommissar Lunartscharskij (1926), den führenden marxistischen Historiker Pokrowsky, den Rektor der Zweiten Staatsuniversität in Moskau, Professor Pinkewitsch, und andere führende Gelehrte Rußlands nach Deutschland zu Vorträgen ein, was wohl den akademischen Charakter solcher Kontakte unterstrich, aber an der Ablehnung des Bolschewismus und seiner Praktiken durch die Masse der deutschen Bevölkerung nichts änderte. Ebensowenig war das durch das Verhalten anderer prorussischer Kreise möglich; zu ihnen zählten zahlreiche bedeutende Wirtschaftsführer, darunter Männer wie Krupp, Stinnes und F. Deutsch (AEG). Zwar setzten sich diese nachhaltig für eine deutsch-russische wirtschaftliche Zusammenarbeit ein, das hinderte sie jedoch nicht, die bolschewistische Propaganda im Lande finanziell zu bekämpfen

Antirussische und antikommunistische Strömungen Auf der anderen Seite standen die antirussischen Kräfte, darunter der einflußreiche Hugenberg und Vertreter der Kirchen, während unter den Parteien vor allem die Sozialdemokraten aus ideologischen Gründen von ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Sowjetunion keinen Hehl machten. Sie orientierten sich außenpolitisch mehr nach dem Westen, zumal sie gute Beziehungen zu Frankreich und England als Voraussetzungen jeder aktiven deutschen Außenpolitik betrachteten. General Ludendorff scheint in den zwanziger Jahren mit einem der führenden Vertreter der russischen Emigranten, dem General v. Biskupsky, insgeheim vereinbart zu haben, daß Deutschland seinen Beitrag zur Befreiung Rußlands vom Bolschewismus leisten würde, falls sich eine neue nationale Regierung in Moskau für die Wiederherstellung des Status quo im Osten vom Jahre 1914 einsetzen würde

Während die Vertragswerke von Rapallo und Berlin die amtliche Politik gegenüber der Sowjetunion bestimmten, pro-und antirussische Gruppen miteinander rivalisierten, ohne jedoch nennenswerte Entscheidungen herbeiführen zu können, ging in geheimen Zirkeln und in den Köpfen einiger der führenden Nationalsozialisten eine andere gefährliche Saat auf. Von Alldeutschen und anderen Extremisten, von russischen Emigranten und Deutschbalten nachhaltig beeinflußt, entwickelten Männer wie v. Scheubner-Richter und Dietrich Eckart Ideen zur „Befreiung Rußlands", die von Hitler und Rosenberg sehr bald im radikalen Sinne umgemünzt wurden. Der ursprünglich im Mittelpunkt stehende Kampf um ein vom Bolschewismus befreites nationales Rußland — Deutschland sollte dabei als Bollwerk des Abendlandes gelten — wich mehr und mehr der Kampfansage an den „Todfeind" Bolschewismus und Weltjudentum. Die heimlich diskutierten Pläne einer künftigen „Zerstückelung" Rußlands und einer Ausschaltung Polens zur politischen und wirtschaftlichen Ausbeutung dieser Länder durch ein starkes Deutsches Reich, verbanden sich mit dem Ziel, den Weltbolschewismus zu vernichten. Der radikalen Rechten ging es um nichts Geringeres als um eine Entscheidung im Sinne des Entweder-Oder. Sie propagierte eine „Neue Ordnung" auf rassischer Grundlage, die sie den Klassenkampfidealen des internationalen Proletariats entgegenstellte. Um aber ihr Ziel Wirklichkeit werden zu lassen, strebte sie die Macht im Staate an. Hierfür war ihr jedes Mittel recht

Die deutsche Ostpolitik, in der Weimarer Republik weithin auch Funktion ihrer Westpolitik, schlug 1933 einen verhängnisvollen Kurs ein. Deutschlands Brückenstellung zwischen Kommunismus und Kapitalismus, das heißt zwischen Ost und West, wurde aufgegeben, desgleichen die in der Weimarer Republik so charakteristische und praktizierte Trennung von der innenpolitischen Bekämpfung des Kommunismus und der staatspolitischen Einstellung gegenüber der Sowjetunion. Der angestrebte deutsch-sowjetische Ausgleich — sehr unterschiedlich motiviert — kam nur partiell zustande; eine deutsch-polnische Verständigung blieb in den ersten Ansätzen stek-ken, ebenso die Zusammenarbeit zwischen den Staaten des Balkans, Prag und Berlin. Immerhin waren die Forderungen der offiziellen deutschen Außenpolitik gegenüber den östlichen Nachbarn relativ gemäßigt geblieben und primär revisionistisch orientiert. Das sollte sich nach 1933 grundlegend ändern.

II. 1933— 1945: Kampf um „Lebensraum" im Osten

Mit Warschau gegen Moskau I Nach der NS-Machtübernahme bahnte sich ein bedeutsamer, ja verhängnisvoller Wandel in der deutschen Ostpolitik an. Während die Weimarer Außenpolitik durch die Garantie der Westgrenze (Locarno) und eine Zusam-. menarbeit mit dem kommunistischen Rußland gekennzeichnet war, lockerte Hitler schrittweise die Beziehungen zur UdSSR; unterdessen verfolgte er eine Politik der Annäherung an Polen. Weil an eine aktive Ostpolitik angesichts der militärischen Schwäche des Reiches ohnehin nicht zu denken war, vollzog er eine langsame, aber stetige Schwenkung der deutschen Politik mit Warschau gegen Moskau, das heißt in Richtung auf ein deutsch-polnisches Bündnis mit antisowjetischer Tendenz. Zugleich ließ er die geheime Zusammenarbeit zwischen der Reichswehr und der Roten Armee einstellen, einer merklichen zwischen was zu Abkühlung Deutschland und der UdSSR führte. Zweifellos teilte er der Annäherung an Polen eine wichtige Funktion zu in seinem Spiel gegenüber der Sowjetunion und Frankreich

Erster Höhepunkt dieser neuen Politik war der Abschluß des deutsch-polnischen Verständigungsvertrages . vom 26. 1. 1934. Das internationale Echo war groß, denn das Abkommen stand ganz im Zeichen einer friedlichen Ausgleichspolitik. Es war fraglos ein außergewöhnlicher politischer Erfolg Hitlers. Allerdings hatte der deutsche Reichskanzler keine formelle Anerkennung der polnischen Westgrenze ausgesprochen. Im Grunde hatte er also die Auseinandersetzung zwischen beiden Staaten nur vertagt. Darüber scheint sich auch der polnische Marschall Pilsudski im klaren gewesen zu sein. Außerdem bedeutete der Pakt mit Polen einen ersten Schritt Deutschlands aus der außenpolitischen Isolierung, eine Entspannung der internationalen Lage, eine Auflockerung der französischen Bündniskonstellation im Osten und den Anfang eines Systems zweiseitiger Bündnisse, das Hitler als ein geeigneteres Mittel betrachtete, seine Pläne in die Tat umzusetzen, als das des Völker-bundes. Vor allem konnte der „Führer" nunmehr bei jeder sich bietenden Gelegenheit unter Hinweis auf den Vertrag mit Polen seine „friedlichen" Absichten unterstreichen

Gleichzeitig verfolgte die nationalsozialistische Führung gegenüber den verschiedenen Emigranten-Organisationen aus Rußland eine Politik der freien Hand, zumal sie deren Wirksamkeit sehr gering veranschlagte. Wohl duldete sie die Tätigkeit der Exilrussen im Lande, aber nur so lange, als diese nicht die eigene Außenpolitik belastete. Die NS-Führung mußte nach 1933 außenpolitisch zunächst sehr vorsichtig operieren, um den Ausbruch von Feindseligkeiten zu vermeiden. Deshalb machte sich bei ihr auch anfangs in dem Kampf gegen den Bolschewismus eine spürbare Zurückhaltung bemerkbar. Aber nach den Fortschritten bei der innen-und außenpolitischen Konsolidierung Deutschlands konnten die Nationalsozialisten die ursprüngliche Linie wieder aufnehmen. Seit 1936 standen sie ganz offen in ihrer alten Kampfstellung. Diese Politik hatte in den Jahren 1934— 1935 zu einer Annäherung Frankreichs, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion geführt. Alle drei Partner hatten sich schließlich in einem Bündnissystem zur Abwehr einer möglichen deutschen Expansion zusammengeschlossen

Antibolschewismus Mit der ihnen eigenen Zug-um-Zug-Politik propagierten unterdessen Hitler und seine engsten Anhänger mit immer größerem Geschick ein ganz bestimmtes Feindbild, dem sie eine besondere Funktion zugedacht hatten. Einmal sollte dieses von den eigenen Absichten und Maßnahmen ablenken. Je schrecklichere Visionen von der gemeinsamen Bedrohung durch den zerstörerischen „Weltfeind" heraufbeschworen wurden, um so positiver mußten die eigenen Vorschläge zur Neugestaltung des abendländischen Kulturkreises ausgenommen werden. Zum anderen konnten mit der ständigen Betonung der inneren und vor allem äußeren Gefährdung des Reiches verschiedene außenpolitische Schritte, so etwa die der Aufrüstung, einleuchtender begründet werden. Und schließlich konnte damit Hand in Hand ein systematischer Prozeß der Bewußtseinsumbildung im deutschen Volk vollzogen werden mit dem Ziel, die Macht des totalitären Systems nach innen zu festigen und nach außen zu erweitern.

Dem ideologischen Klischee entsprechend waren die „Weltverderber“ das „Judentum und der Bolschewismus", das „Gift", das die „ältesten und schönsten Kulturgüter" der Erde verwüstete. Indem Deutschland diesen Kampf auf sich nahm, erfüllte es nur, wie so oft in der Geschichte, eine „wahrhaft europäische Mission". Seit 1935 betonte Hitler immer nachdrücklicher und mit wachsendem Erfolg „Deutschlands Stellung als Bollwerk gegen den Kommunismus". Eine seiner schärfsten Reden gegen den Bolschewismus hielt er anläßlich des Reichsparteitags im gleichen Jahr, auf dem er auch seine berüchtigten Rassengesetze verkündete. Der Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges 1936 bot ihm zudem einen neuen willkommenen Anlaß, seine Schutzrolle zu unterstreichen und die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Verteidigung Europas durch Deutschland und seine Verbündeten zu lenken. Der im Herbst des gleichen Jahres mit Japan und 1937 mit Italien abgeschlossene Antikominternpakt hatte eine ähnliche Funktion

Verbunden damit war eine im Inneren Deutschlands mit allen Mitteln und Methoden moderner Massenkommunikation arbeitende antibolschewistische Propaganda zum Zwecke der geistigen Indoktrination. Diese bereitete den Nährboden für jene Theorien vor, die mit logischer Konsequenz in den Rassentheorien und der „Untermenschen" -Konzeption gipfelten und die dann während des Zweiten Weltkriegs in eine wahnwitzig-verbrecherische Praxis umgesetzt wurden. Daran hat auch die kurze Periode der deutsch-russischen Zusammenarbeit nichts Wesentliches geändert. Die Propagandisten von 1941 brauchten nach einer kurzen Phase der psychologischen Umstellung des deutschen Volkes auf den neuen Gegner nur dort wieder anzuknüpfen, wo sie einst 1939 aufgehört hatten. Die jahrelang gezeichneten Schreckbilder aus dem Osten waren den meisten Deutschen noch in lebhafter Erinnerung

Alternativen zur NS-Ostpolitik Freilich: In Deutschland gab es auch zahlreiche Vertreter aus Politik, Wehrmacht und Wirtschaft, die ganz andere Vorstellungen von einer künftigen deutschen Ostpolitik hatten. So befürworteten Kreise des Auswärtigen Amtes und der Reichswehrführung lange Zeit immer noch die Fortsetzung der Rapallo-Politik. Reichsaußenminister v. Neurath hielt 1933 eine Verständigung mit Polen weder für möglich noch für wünschenswert; Deutschland konnte seiner Meinung nach auf eine Rückendeckung durch die Sowjetunion gar nicht verzichten, zumal das Land im Osten der größte Abnehmer deutscher Industrieerzeugnisse war. Auch die Auffassungen über den Wert des Abkommens mit Polen waren auf der deutschen Seite geteilt. Das Reichswehrministerium verharrte in seiner traditionellen Grundhaltung, das heißt in seiner Frontstellung gegenüber Polen. Aber schließlich paßte es sich den neuen Realitäten an. Einige der führenden Köpfe im Auswärtigen Amt, unter ihnen der Leiter der Ost-Abteilung, Min. -Dir. Dr. Meyer, standen dem neuen Polenkurs der Reichsregierung skeptisch gegenüber, weil sie befürchteten, damit die deutschen Revisionsforderungen preiszugeben. Ebenso bedeutsam wie bezeichnend jedoch war die Haltung des Reichs-außenministers. Neurath hatte im Laufe des Jahres 1933 dem Drängen zur außenpolitischen Neuorientierung im Osten vor allem deshalb nachgegeben, weil er sich angesichts der Lage im Innern und Äußern den berechtigten Argumenten des Reichskanzlers nicht verschließen konnte. Er und der deutsche Gesandte in Warschau, v. Moltke, haben den neuen Kurs prinzipiell unterstützt, mochten sie auch die Chancen einer echten Aussöhnung zwischen beiden Völkern nicht sehr hoch einschätzen

Aber die meisten Befürworter einer konstruktiv-aktiven Ostpolitik, insbesondere was die Beziehungen Deutschlands zur Sowjetunion anbetraf, wurden entweder ausgeschaltet, so zum Beispiel die als „reaktionär" bezeichnete Deutsche Gesellschaft zum Studium Osteuropas (Professor Dr. Hoetzsch und Dr. K. Mehnert) und zahlreiche Diplomaten, oder sie hatten ganz einfach keine Chancen, sich durchzusetzen. Der deutsche Botschafter in Moskau, Nadolny, hatte vergeblich versucht, den Kurs von Rapallo und Berlin fortzusetzen. In Denkschriften und Vorträgen war er für die Wiederherstellung guter Beziehungen zur UdSSR eingetreten. Als ein Mittel betrachtete er hierzu ein Entgegenkommen gegenüber den sowjetischen Wirtschaftswünschen; noch wichtiger erschien ihm allerdings eine offizielle Erklärung der Reichsregierung, in der jeder Verdächtigung, feindliche Absichten gegenüber der UdSSR zu hegen, der Boden entzogen wurde. Als seine Vorschläge kein Gehör fanden, stellte er sein Amt zur Verfügung Ostlich orientierte „Realisten" der Seecktschen Tradition, wie die Generäle Köstring und Niedermayer, konnten ihre Konzeptionen eine Zeitlang nur im Schutze des Reichskriegsministeriums vertreten. Zwar ging die Abwehr unter Admiral Canaris ihre eigenen Wege, wäh-rend bestimmte Wirtschaftsgruppen noch lange Zeit an einer Zusammenarbeit mit der UdSSR festhielten, aber nicht sie bestimmten das Bild von d, er Sowjetunion und vom Kommunismus ip Deutschland, sondern die Dienststellen der Partei und des Reichspropagandaministeriums. Letztere vertraten allerdings recht unterschiedliche Konzeptionen.

Kompetenzenchaos Rosenberg kritisierte im Sommer 1938, daß in der Ostpolitik keine „planmäßige Linie" verfolgt werde. Jn Staat und Partei regten sich Kräfte, die gar keine profunden Kenntnisse von Geschichte, Land und Leuten der UdSSR besäßen. Der Reichsleiter nd spätere Minister für die besetzten Ostgebiete hatte also bereits zu diesem Zeitpunkt vor möglichen einem Kompetenzenchags gewarnt. Seine Forderung vom Juni 1938, im Interesse einer „einheitlichen Bearbeitung und Bewertung der östlic mit dem Bolschewismus verbundenen Probleme" eine entsprechende Zentralstelle für Partei und Staat zu schaffen, wurde jedoch nicht erfüllt. Nach dem deut-

sehen Überfall auf die Sowjetunion 1941 trat dgnn tatsächlich das ein, was Rosenberg prophezeit hatte

Was die Zerstückelungspläne in bezug auf die Sowjetunion anbetrifft, die führende Nationalsozialisten schon seit den zwanziger Jahren geschmiedet hatten, so ist festzuhalten, daß es vor 1940 wahrscheinlich keine detaillierten, klar umrissenen Ausarbeitungen dazu in Deutschland gegeben hat. Gemeint ist damit, daß keine Dienststelle von Staat oder Partei Einzelheiten einer künftigen Neuordnung Europas unter Aufteilung Rußlands konsequent durchdacht hat. Auch in diesem Punkte galt mehr der Grundsatz: nicht darüber schreiben, immer daran denken. Da es Hitler ablehnte, eine zentrale Leitstelle für diese Aufgabe zu errichten, blieb alles in der Schwebe und der Gunst des Augenblicks überlassen. Dennoch haben dje verantwortlichen Führer des Nationalsozialismus unbeirrbar an dem großen Ziel einer Ausschaltung und Ausbeutung der Sowjetunion festgehalten.

Auf dem Weg zur Expansion Unterdessen war Hitler von einem außenpolitischen Erfolg zum anderen geeilt. Nach der Annexion Österreichs im Frühjahr 1938 kon-zentrierte er sich auf das tsdiechpsfowakische Problem. Es gelang ihm, mit Hilfe Italiens den Westmächten das Münchener Abkommen (29. 9. 1938) abzutrotzen, in dem die SR zur Abtretung des Sudetenlandes an Deutschland gezwungen wurde. Eine weitere Bastion auf dem Weg nach Osten war damit gefallen. Auch dieser Schritt war wiederum nur Aus-

gangspunkt für eine neue Expansion, während die Sudetendeutschen für Hitler lediglich ein Instrument bedeuteten, mit dessen Hilfe er seinem Endziel näher kommen wollte

Mit dem deutschen Einmarsch in Prag (Frühjahr 1939) setzte die entscheidende Wendung zum Krieg ein. Auch durch diesen Gewinn keineswegs saturiert, wandte Hitler nunmehr sein ganzes Interesse Polen zu. Seit 1935 hatte er versucht, Warschau zum gemeinsamen Kampf gegen die Sowjetunion zur Eroberung der Ukraine zu gewinnen. Doch diesen Plan'mußte 1939 er Anfang aufgeben, da die führenden Politiker Polens nicht daran dachten, sich zu Werkzeugen nationalsozialistischer Aggressionspolitik degradieren zu lassen. Das schmerzliche Problem der Ukraine wollte Berlin dem polnischen Außenminister Beck noch einmal bei seinem Besuch Anfang Januar 1939 „auftischen". Polen hatte die russische Ukraine als Hinterland für seine wirtschaftliche Expansion betrachtet. Nun mußte es erkennen, daß Deutschland den „Finger bereits in dieser Pastete" hatte. Es konnte also bestenfalls damit rechnen, an dem „späteren Geschäft" beteiligt zu werden, während es gleichzeitig befürchten müßte, daß eine selbständige Ukraine für Polen den „Verlust seines eigenen ukrainischen Gebietes bedeutet"

Was die bis dahin bewußt bagatellisierten Forderungen Deutschlands gegenüber Polen in der Volkstumsfrage anbetraf, so wollte Hitler diese davon abhängig machen, wie sich Polen im ganzen zur deutschen Europakonzeption stellte. Falls sich das polnische Volk nicht damit abfinde, daß sich Deutschland in Südosteuropa weiterentwickele, konnte es durchaus möglich werden, daß die Lösung des polnischen Problems vordringlicher wurde als das ukrainische. Polen aber hoffte, als „dritte Kraft" in Europa eine unabhängige Politik verwirklichen zu können; es lehnte Hitlers Vorschläge zur Lösung der Danzig-und Korridorfrage ab. Wenig später gaben die Westmächte für Polen eine Garantieerklärung ab. Hitler kündigte daraufhin das deutsch-englische Flottenabkommen und den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt, zugleich schloß er ein Militärbündnis mit Italien ab („Stahlpakt"), nachdem er das Memelgebiet dem Reich einverleibt hatte. Zur gleichen Zeit intensivierte er in Konkurrenz zu den Westmächten die diplomatischen Bemühungen mit Moskau, um gegen Polen freie Hand zu bekommen. Da er gewillt war, Stalins Preis für das Stillhalten zu zahlen (Einfluß der Sowjetunion im Baltikum, in Ostpolen und in Bessarabien), kam es am 23. 8. 1939 zu einem Nichtangriffsabkommen zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Deutschland hatte damit um zeitweiliger Vorteile willen Ostmitteleuropa dem Kommunismus preisgegeben. Es war so zum Schrittmacher seines großen ideologischen Gegners in Europa geworden. Die Sowjetunion, bis 1938 um kollektive Sicherheit und Abwehr der „Einkreisung" durch den faschistischen Block bemüht, unterstützte indessen das Dritte Reich bis zum Sommer 1941 durch Wirtschaftslieferungen. Nachdem Hitler Anfang August 1939 den endgültigen Entschluß gefaßt hatte, Polen anzugreifen, spitzten sich schließlich die deutsch-polnischen Beziehungen immer mehr zu. Die Ausschreitungen vieler Polen gegen die Volksdeutschen gaben Berlin den willkommenen Anlaß zum gewaltsamen Eingreifen.

Der Abschluß eines polnisch-britischen Beistandspakts vom 25. August und die Erklärung Italiens, nicht kriegsbereit zu sein, führten zwar noch einmal zur Verschiebung des Angriffs und zu einem Versuch Berlins, die Westmächte von Polen zu isolieren, aber am 31. 8.

1939 erteilte Hitler den Befehl zum Einmarsch, nachdem er direkte polnisch-deutsche Verhandlungen nicht hatte zustande kommen lassen und Polen in völliger Verkennung seiner militärischen Möglichkeiten am 30. August nachmittags die Mobilmachung angeordnet hatte

Krieg als Fortsetzung der Politik unter Einmischung anderer Mittel Seit dem Herbst 1939 zeichneten sich die nationalsozialistischen Ziele Schritt für Schritt deutlicher ab. Nach dem Aufbau „Großdeutschlands" ging es zunächst um die Liquidierung Polens, begleitet von den ersten Ausrottungsmaßnahmen. Sodann setzte der Kampf um die Vormachtstellung des Reiches in Mitteleuropa ein, der mit den militärischen Erfolgen von April bis Juni 1940 (Norwegen-

und Westfeldzug) siegreich beendet zu sein schien. Aber als Hitler sich außerstande sah, England zur Anerkennung seiner politischen und militärischen Eroberungen zu zwingen und eine Kontinentalkoalition gegen Großbritannien im Sinne seiner Zielsetzung aufzubauen, faßte er den Entschluß, die „Konsolidierung"

Europas, das heißt die von ihm und seinen engsten politischen Mitarbeitern geplante „Neuordnung" des Kontinents im Geiste der nationalsozialistischen Ideologie mittels Gewalt zu „vollenden". Mit dem im Spätherbst anlaufenden Aufmarsch „Barbarossa" (Feldzug gegen die Sowjetunion) vollzog sich der qualitative Umschlag des Krieges zur Radikalisierung und Ideologisierung. Von diesem Zeitpunkt an konzentrierte Hitler die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Anstrengungen Deutschlands auf dieses eine große Ziel, das zu erreichen ihm — wie das Zerschlagen des gordischen Knotens — die Lösung der noch schwebenden und der wichtigsten zukünftigen Probleme seiner Zeit verheißen mochte: die indirekte Bekämpfung Englands, die Beherrschung Südosteuropas, die Vernichtung des Bolschewismus — damit zugleich die Ausschaltung des ideologischen Gegners und „erpresserischen" Konkurrenten, die Gewinnung von „Lebensraum" im Osten mit den notwendigen Rohstoffvorkommen und die Beendigung des Krieges, bevor die USA in den Konflikt in Europa eingreifen konnten. Dieser seit Juli 1940 geplante und im Juni 1941 ausgelöste deutsche Angriff gegen die Sowjetunion war jedoch kein Präventivkrieg; Hitlers Entschluß zur Offensive entsprang nicht der tiefen Sorge vor einem drohenden, bevorstehenden sowjetischen Angriff, sondern war letzten Endes Ausdruck seiner Aggressionspolitik, wie sie seit 1938 immer deutlicher zum Ausdruck gekommen war, und die er jetzt mit den zugkräftigen Parolen eines „Europäischen Kreuzzuges" verband.

Für ihn und seinesgleichen war der kommende Feldzug im Osten „mehr als nur ein Kampf der Waffen". Es handelte sich um eine Auseinandersetzung zweier Weltanschauungen Der deutsche Feldzug gegen die Sowjetunion, der am 22. 6. 1941 eröffnet wurde, schien an-fangs für Hitler wunschgemäß zu verlaufen. Drei Stoßkeile — einer in Richtung Leningrad, der andere auf Moskau und der dritte in Richtung auf die Ukraine angesetzt — sollten die Rote Armee zertrümmern. Aber spätestens vor den Toren Moskaus im November/Dezember 1941 wurde deutlich, daß sich ein „Blitzkrieg" in diesem Land nicht wiederholen ließ. Im Sommer 1942 unternahm Hitler den zweiten Versuch, durch eine großangelegte Offensive im Südabschnitt den Gegner „endgültig" zu zerschlagen. Zwar konnten deutsche Gebirgsjäger die Kriegsflagge auf dem Elbrus (Kaukasus) hissen und Panzer-und motorisierte Verbände bis zur Wolga vorstoßen. Aber damit war der Kulminationspunkt deutscher Leistungsfähigkeit erreicht. Stalingrad bedeutete die Kriegswende

In der Annahme, auch die Sowjetunion könne in einem schnellen Feldzug niedergeworfen werden, hatte die politische Führung Deutschlands keinerlei Pläne ausgearbeitet — von der Ausrottung Unerwünschter abgesehen —, Rußland mit Hilfe der Russen zu besiegen und das Land vom bolschewistischen System zu befreien. Vielmehr leitete die nationalsozialistische Besatzungspolitik mit ihren Theorien von Rasse und Lebensraum jene katastrophale Entwicklung im Osten ein, die schließlich entscheidend zur deutschen Niederlage beigetragen und die Beziehungen zur Sowjetunion für immer mit einer schweren Hypothek belastet hat. .

Extremisten-Politik Im großen gesehen gab es drei Gruppen, die in Rußland bestimmte Konzeptionen verwirklichen Wollten. Zu den extremen Vertretern gehörten u. a. Himmler, Bormann, Lohse und E. Koch, die sich mit ihren Ansichten und Maßnahmen weitgehend durchsetzten, da Hitler diese voll und ganz billigte. Sie handelten nach dem Grundsatz: „Herren" und „Untermenschen". Die Deutschen sollten ausbeuten, beherrschen und verwalten. Jede Rücksichtnahme auf die Gefühle und die Lebensweise der Russen lehnten sie als sentimentale Gefühlsduselei ab. Nach dem sogenannten „Generalplan Ost" sollten später fast 75 Prozent der slawischen Bevölkerung nach Sibirien aus-gesiedelt werden; dem zurückbleibenden Rest der „Fremdvölker" aber war ein Heloten-schicksal im Stile extremer imperialistischer Kolonialpolitik bestimmt. Hinter der Front setzte zum Beispiel sehr bald eine rücksichtslose Menschenjagd für den Arbeitseinsatz im Reich ein. Gleichzeitig sollte in den Ost-gebieten eine großzügige „Siedlungspolitik" eingeleitet, deutsche Volksgruppen und als Folge einer planmäßigen Rassenpolitik Norweger, Schweden, Dänen und Niederländer angesiedelt werden

Etwas „gemildert" waren die Vorschläge Rosenbergs und seiner Mitarbeiter zur Lösung des Ostproblems, die sich allerdings nicht realisieren ließen, da sie nicht die Zustimmung Hitlers fanden. Der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, ein erklärter Gegner des Kreml und des Großrussentums, wollte die nationalen Gegensätze in Rußland gegeneinander ausspielen und verschiedenen „Völkern" (so etwa den Baltenstaatlern, Weißrutheniern, Ukrainern und Kaukasiern) in enger politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit von Deutschland ein gewisses Maß an Freiheit und Autonomie zugestehen. Hand in Hand mit diesen beiden Konzeptionen ging die Politik der wirtschaftlichen Ausbeutung Osteuropas, die von den Ostgesellschaften zielstrebig und rücksichtslos realisiert wurde

Alternativen Ganz anders argumentierten einige Vertreter des Auswärtigen Amtes beziehungsweise der „Dienststelle Ribbentrop", zahlreiche Offiziere der Wehrmacht (u. a. die Generale Wagner und Schmidt, die Obristen Schmidt von Alten-stadt und Stauffenberg sowie der Hptm. Ober-länder), aber auch Wirtschaftsexperten wie O. Schiller vom Wirtschaftsstab Ost (unter Göring) und Wissenschaftler wie Hans Koch, der als Spezialist für die Ukraine galt. Sie forderten von Anfang an die Verwirklichung einer „konstruktiven" Besatzungspolitik. Deutschlands Aufgabe müsse es sein, einen Keil zwischen Bevölkerung und System zu treiben, die Russen menschenwürdig zu behandeln und ihnen die Befreiung vom Bolschewismus als konkretes Ziel in Aussicht zu stellen. Von den führenden Köpfen der deutschen Opposition gegen Hitler vertrat vor allem Carl Goerdeler den Standpunkt, daß in Zukunft zwar eine Verständigung mit der Sowjetunion erforderlich sei, der Bolschewismus aber durch den Zu-sammenschluß Europas gemeinsam abgewehrt werden müsse. Derartige Pläne dürchzuführen, etwa gar den russischen General Wlassow mit seinen Tausenden von Freiwilligen an dem Kampf auf deutscher Seite aktiv zu beteiligen, war unmöglich, da sie der nationalsozialistischen Ideologie und Hitlers Absichten widersprachen. Als sich 1044 die Niederlage Deutschlands abzeichnete, besaßen die Parolen der nuhmehr zum Einsatz befohlenen russischen Befreilingsarmee haturgemäß keine Zugkraft mehr

Bilanz Hinzu kam das Los der russischen . Kriegs-gefangenen. In Anwendung det NS-Rassen-theorie wurden die seit dem 22. 6. 1941 in deutsche Gefangenschaft geratenen Rotarmisten mit Ausnahme der sogenannten Hiwis (Hilfswillige) und der Truppen der russischen Befreiungsarmee unter Wlassow, als „Unter-menschen" behandelt: Uber 2 Millionen der fast 6 Millionen Gefangenen starben an Hunges, Seuchen lind Entbehrung; über 1 Million wurden ermordest; übet 280 000 kamen in den Durchgangslagern um

Die Bilanz nationalsozialistischer Ostpolitik — vor allem in der Sowjetunion und in Polen — war ein Beispiel moderner Barbarei. Die Schreckensherrschaft der NS-„Goldfasane" und ihrer Helfershelfer, verbunden mit der Ausrottung des Judentums, zählt zu den schwersten Hypotheken deutscher Politik. Sie hat das Verhältnis Deutschlands zu den Völkern in Osteuropa und jeden Versuch, nach dem Kriege die gegenseitigen Beziehungen wieder zu normalisieten, nachhaltig belastet

III. 1945— 1961: Politik der starren Fronten. Westintegration als Mittel deutscher Ostpolitik

Deutschland im Spannungsfeld von Ost und West Mit der totalen Niederlage Deutschlands und der Besetzung durch die Siegermächte war auch die Verantwortung für Deutschland — zunächst jedenfalls — in die Hände der Alliierten übergegangen. Insofern ist es nicht gahz unberechtigt, wehn man vom Jahr 1945 als der „Stunde Null“ spricht: Nach dem Willen der Sieger sollte die Niederlage Deutschlands auch der Beginn einer großen Reinigung sein, wie sie u. a. ih den Nürnberger Prozessen und mit dem Programm zür Entnazifizierung zum Ausdruck kam. Vor allem aber sollte das gesamte politische und soziale Leben auf neue, das heißt demokratische Grundsätze gestellt werden. Das deutsche Volk sollte in einem großangelegten Erziehungsprozeß lernen, den Nationalsozialismus auch innerlich vollständig zu überwinden.

Wir wissen heute, daß die Siegermächte diese Konzeption nur ansatzweise verwirklicht haben, daß von einer „Stunde Nüll", also einem totalen Neuanfang nur bedingt die Rede sein konnte. Die Ursache dafür liegt unter anderem in der Tatsache, daß sich die Alliierten untereinander über Deutschlands Zukunft uneinig waren. Roosevelt, Churchill, de Gaulle auf der westlichen und Stalih auf der östlichen Seite fühlten sich mhiteinander verbuhden in dem gemeinsamen Ziel des Kampfes gegen Natio-nalsozialismus und Faschismus. Während die westlichen Länder das universalistische Prinzip der Demokratie als Zielvorstellung vertraten, nutzte die Sowjetunion nach 1945 die günstige historische Stunde, ihr Ordnungssystem des Marxismus-Leninismus vorwiegend mittels revolutionärer Methoden in Europa, Vorderasien, im Mittelmeergebiet und in Ostasien auszubreiten. Ihr eigenes Reich sollte durch eine Art strategische Vorfeldsicherung abgeschirmt werden.

Nicht also die erhoffte „Eitle Welt" stand am Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern der seit 1946/47 sich ständig verschärfende und sich 1950 in der Korea-Krise zuspitzende Ost-West-Konflikt mit Washington und Moskau als antagonistischen Führungsmächten. Europa über wat durch die langen Kämpfe derart ge-schwächt, daß es in der Nachkriegszeit auf äußere Hilfe angewiesen blieb

Bei der Verlagerung des weltpolitischen Kräfteverhältnisses hat ganz wesentlich auch der Beginn des Atomzeitalters eine Rolle gespielt. Die über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben mit ihrer bis dahin kaum vorstellbaren Vernichtungskraft leiteten eine neue Ära des Wettrüstens ein, in der immer schrecklichere Waffen-Systeme entwickelt wurden

Vor diesem weltpolitischen Hintergrund muß man die Deutschlandpolitik der Alliierten sehen. Sie war zunächst geprägt von der tiefen Furcht gegenüber einer potentiellen neuen deutschen Großmachtstellung. Mit der Zunahme der Spannungen untereinander änderten die Alliierten jedoch ihre Politik gegenüber dem besiegten Deutschland: An die Stelle von Neutralisierung und Kontrolle trat die schrittweise Assimilierung des jeweiligen Besatzungsgebietes in den eigenen Herrschaftsbereich. Für die USA, später auch für ihre beiden europäischen Partner Großbritannien und Frankreich, wurde Deutschland, oder zumindest das von den Westmächten besetzte Teil-Deutschland, immer mehr zu einem möglichen Bündnispartner.

Die Sowjetunion benötigte vor allem deutsche Reparationen, um ihre eigene Industrie wieder aufbauen zu können, die im Kriege weitgehend zerstört worden war. Jedoch sollte, wie Stalin schon im Mai 1945 zur Überraschung der Westmächte proklamiert hatte, Deutschland als „Einheit" erhalten bleiben.

Die vielfältigen Ansätze zu einer gemeinsamen Deutschlandpolitik der Siegermächte, die zum Teil auch von deutscher Seite ausgingen, scheiterten infolge der wachsenden wirtschaftspolitischen Gegensätze, der machtpolitischen Differenzen und vor allem der unüberbrückbaren ideologischen Meinungsverschiedenheiten.

Deutschlandpolitik der Siegermächte Anhand weniger Daten lassen sich die ersten Stationen der Deutschlandpolitik der Sieg er-mächte und ihre auseinanderstrebenden Konzeptionen verdeutlichen. Auf der letzten und für Deutschland wichtigsten Kriegskonferenz, die vom 17. 7. bis 2. 8. 1945 in Potsdam ab-gehalten wurde, beschlossen Truman, Stalin und Churchill (seit dem 28. 7. dann Churchills Nachfolger Attlee), daß Deutschland unter Viermächte-Kontrolle gestellt werden, seine Gebiete östlich der Linie Oder-Görlitzer Neiße vorläufig der polnischen Verwaltung übergeben und dem ganzen deutschen Volk geholfen werden sollte, sich auf die, wie es hieß, „Wiederherstellung seines politischen Lebens auf friedlicher und demokratischer Grundlage vorzubereiten".

Die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens wurde bis zu einer Friedenskonferenz zurückgestellt. Deutschland sollte allerdings in Zukunft weiter als wirtschaftliche Einheit betrachtet werden. Sehr schnell stellte sich aber heraus, daß die unterschiedlichen Vorstellungen der einzelnen Besatzungsmächte stärker waren als solche Proklamationen. Der Alliierte Kontrollrat in Berlin erwies sich als nahezu wirkungslos, da er nur dann Bestimmungen erlassen konnte, wenn sie einstimmig akzeptiert waren.

Außerdem regelten die Militärgouverneure in ihren jeweiligen Besatzungszonen auf ganz verschiedene Weise die Neugestaltung des politischen und wirtschaftlichen Lebens, In der US-Zone konnten schon seit September 1945 demokratische Parteien gegündet werden, im Januar 1946 fanden die ersten Gemeindewahlen statt. In der Sowjetischen Besatzungszone wurde seit Juli 1945 mit Zentralverwaltungen, die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet waren, mit der Errichtung der ersten volkseigenen Betriebe und mit einer gezielten Einflußnahme auf die Entwicklung des Partei-wesens (bereits seit Juni 1945) das Fundament für eine ganz anders strukturierte Staats-und Gesellschaftsform gelegt.

Als die Pariser Außenministerkonferenz vom 25. 4. bis 16. 5. 1946 wegen der Uneinigkeit in der deutschen Frage gescheitert war, und als die wirtschaftliche Lage Deutschlands sich überhaupt nicht zu bessern schien, suchten die Westmächte nach einem politischen Ausweg, der wenigstens provisorisch die Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ermöglichen konnte. Sie gründeten am 1. 1. 1947 die Bi-Zone. Im Juni 1947 schlug die Münchner Ministerpräsidenten-Konferenz fehl, einer der zahlreichen Versuche deutscher Politiker, die Einheit Deutschlands zu erhalten. Ein Jahr später, im Frühjahr 1948, wurde auf einer westlichen Sechsmächtekonferenz in London ein Paket von Empfehlungen an die politischen Vertreter der drei Westzonen zusammengestellt, in dem die wirtschaftliche Eingliederung Westdeutschlands in Westeuropa und die Errichtung einer internationalen Ruhrkontrolle als die wichtigsten Punkte gefordert wurden. Die Blockade Berlins 1948/49 und die amerikanischen Hilfsaktionen, die Währungsreformen im Juni 1948 in den Westzonen und in der Ostzone, die Einberufung des Parlamentarischen Rates am 1. 9. 1948 mit dem Auftrag, ein Grundgesetz für den zu schaffenden Weststaat auszuarbeiten, die Bildung der Tri-Zone am 1. 4. 1949 und schließlich die Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. 5. und der DDR am 7. 10. 1949 — diese Daten und Ereignisse waren weitere Stationen auf dem Weg zur Teilung Deutschlands.

Man muß sich die weltpolitischen Entwicklungstendenzen und die Lage innerhalb Deutschlands selbst immer wieder vor Augen halten, will man die zahlreichen Überlegungen, Konzeptionen und Pläne jener deutschen Politiker gerecht beurteilen, die sich über die künftige Rolle Deutschlands im Ost-Konflikt ernsthafte Gedanken machten. Wir wissen, daß sie nur wenig Einfluß auf den Gang der Dinge hatten, zumal von einer eigenständigen deutschen Ostpolitik oder der Möglichkeit dazu erst ab 1955 die Rede sein kann

Immerhin: Gerade im Zeitraum von 1945 bis 1949 wurde das Ringen der politischen Repräsentanten um die künftigen Optionen und die Orientierung Deutschlands härter und mit kontroverseren Argumenten geführt, als es in den fünfziger Jahren der Fall sein sollte.

Vor dem Hintergrund der einst verbündeten, sich nun aber mehr und mehr entzweienden Großmächte USA und UdSSR galt für alle deutschen Politiker und politischen Publizisten als die Hauptfrage, wie ein künftiges Deutschland optieren würde: Für den Westen, für den Osten oder für eine Zwischenstellung, eine Vermittlerposition, nun aber nicht mehr aus Stärke, sondern als Konsequenz der Niederlage.

Ostorientierung Selbstverständlich gehörte nach 1945 die KPD zu der kleinen Zahl derjenigen Gruppen und Persönlichkeiten, die eine Ostbindung Deutschlands anstrebten. Sie konnten auf die verschiedenen Äußerungen Stalins verweisen, nach denen der russische Alliierte nicht für eine Teilung Deutschlands, sondern für ein Fortbestehen ganz Deutschlands eintreten würde. Auch Teile der SPD hielten eine solche Ostbindung für sinnvoll. So schrieb Otto Grotewohl (SPD Berlin) in einem Brief an Karl Germer im Juni 1945: „Danach sind wir im Prinzip nicht die Vermittlung zwischen zwei Systemen, sondern vielmehr geht unsere wirtschaftliche und politische Entwicklung nach dem Osten. Schwierig ist nur, dafür im gegenwärtigen Augenblick die tragbare Formel zu finden..." Otto Grotewohl und seine Gruppe verbanden sich bald darauf mit den Kommunisten

Aber auch von anderer Seite wurde eine Bindung Deutschlands an den Osten ernsthaft in Erwägung gezogen. Der früherere deutsche Botschafter in Moskau, Rudolf Nadolny, arbeitete Anfang des Jahres 1947 eine Denkschrift aus, in der er die Voraussetzungen aufzählte, die bei einer Bindung Deutschlands an den Osten erfüllt sein müßten: Verzicht auf eine Sowjetisierung Deutschlands, Rückgabe der unter polnischer Verwaltung stehenden Ostgebiete, Wiederherstellung der deutschen Wirtschaftseinheit, Entlassung der deutschen Kriegsgefangenen, keine weiteren Demontagen in der Ostzone, kein Polizeiterror. Wären diese Voraussetzungen zu erfüllen gewesen, so hätten wohl auch andere Politiker (Kaiser, Lemmer, Külz, Josef Müller) sich dem Gedanken einer stärkeren Ostbindung aufgeschlossen gezeigt

Im übrigen ist anzumerken, daß auch hier und in den Äußerungen der KPD niemals von einer „reinen" Ostbindung in dem Sinne gesprochen wurde, wie die Anhänger der Westorientierung ihre Konzeption auffaßten.

Blockfreiheit Zu den bekanntesten Befürwortern einer Konzeption der Blockfreiheit Deutschlands zählten in den ersten Nachkriegsjähren Jakob Kaiser und seine Freunde in der Berliner CDU. Nach den Vorstellungen von Kaiser war Deutschland als Einheit nur dann gewährleistet, solange es keiner der beiden Großmächte zugeordnet erschien. Es hat zeitweise innerhalb der CDU harte innerparteiliche Auseinandersetzung zwischen Adenauer und Kaiser um die künftige Ostpolitik gegeben. Kaiser konnte sich nicht durchsetzen; bald nach der Gründung der Bundesrepublik schwenkte er auf die Linie Konrad Adenauers ein

Vergleichbar mit der Brücken-Konzeption Jakob Kaisers waren Gedanken und Pläne, wie sie in der von Alfred Andersch und Hans Werner Richter herausgegebenen Zeitschrift „Der Ruf" entwickelt wurden. Der Hinweis auf diese Zeitschrift ist vor allem deshalb aufschlußreich, weil ihre Herausgeber damals und für lange Zeit so etwas wie den Katalysator einer Gruppe von Schriftstellern und Intellektuellen bildeten, die das geistige Leben in der Bundesrepublik nachhaltig beeinflußten. Auch der „Nauheimer Kreis" um Professor Noack verfocht Vorstellungen, in denen Deutschland eine neutrale Stellung innerhalb des Ost-West-Konfliktes einnehmen sollte.

Anders als die Anhänger der Blockfreiheit gingen die Sozialdemokraten bei der Formulierung ihrer Ostpolitik von einer starken antirussischen und antibolschewistischen Grundhaltung aus, die es ihnen nicht erlaubte, mit dem Osten unvoreingenommen zu verhandeln. Für Kurt Schumacher, den schnell unumstrittenen Führer der SPD, war die Sowjetunion nichts weiter als ein reaktionärer, imperialistischer Staat. Demgegenüber sah er in den westlichen Siegermächten fortschrittliche Demokratien, in denen der Sieg des (sozialdemokratisch interpretierten) Sozialismus vorzubereiten sei. Die strikte Ablehnung einer auch nur vorübergehenden Kooperation mit Kommunisten, die Schumacher immer wieder als verbindlichen Grundsatz hervorhob, drängte ihn somit in das Lager der Anhänger der Westorientierung.

Damit aber mußten die Sozialdemokraten eine oft ungeliebte Partnerschaft mit anderen, bürgerlichen Kräften eingehen, die sich ebenfalls, wenn auch aus ganz anderen Motiven heraus, für eine rigorose Absage an alle Ostlösungen entschlossen hatten

Westorientierung Ihr Repräsentant und herausragender Vertreter wurde Konrad Adenauer. Er sprach sich von Anfang an für eine uneingeschränkte Westintegration Deutschlands aus. Das besagte für seine Ostpolitik: Tiefstes Mißtrauen gegenüber der Sowjetunion, konsequente Ablehnung des Kommunismus unter Berufung auf die Werte des abendländischen Christentums. Aus den *„Erinnerungen Konrad Adenauers geht deutlich hervor, daß er die Teilung Deutschlands in eine östliche und eine westliche Hälfte für unvermeidbar hielt. Erst ein starkes, einiges Westeuropa würde die Möglichkeit haben, dem sowjetischen Druck standzuhalten. Deshalb lehnte Adenauer nicht weniger entschieden als Schumacher jede Brücken-Konzeption ab

Das Dilemma seiner in sich schlüssigen Argumentation bestand jedoch darin, daß sie keinen realistischen Weg weisen konnte, auf dem Westintegration und Wiedervereinigung gleichzeitig oder zumindest in einander nicht ausschließender Weise verfolgt werden konnten. Oberstes Gebot der Politik der Bundesregierung sollte schließlich nach der Präambel des Grundgesetzes die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit sein. Eine Theorie der Widerspruchsfreiheit wurde zwar konstruiert und in den fünfziger Jahren als „Politik der Stärke" formuliert, das heißt, Adenauer hoffte damals, die „Politik der Stärke" würde auf die DDR wie ein Magnet wirken und damit zur Wiedervereinigung unter westlichem Vorzeichen führen. Aber dies erwies sich als Illusion oder „Lebenslüge" der Kanzlerschaft Adenauers

Die Pläne der westlichen Alliierten, die das westliche Deutschland in ein umfassendes westliches Bündnis integrieren wollten, stimmten mit den Vorstellungen Konrad Adenauers überein. Am 14. 8. 1949 wurde der erste deutsche Bundestag gewählt. Die CDU/CSU erhielt eine leichte Mehrheit. Einen Monat später, bei der Wahl des Bundeskanzlers, entschied eine Stimme für Konrad Adenauer. In der Gründung der DDR im Oktober 1949 sah Adenauer das Signal für die Verwirklichung seiner Konzeption. Unbeeindruckt von der polemischen Kennzeichnung durch Kurt Schumacher — „Kanzler der Alliierten" — verfolgte Adenauer konsequent und beharrlich die Linie der absoluten Westintegration.

Obwohl noch nicht souverän, besaß der junge Bonner Staat doch einen gewissen Handlungsspielraum nach innen und außen. Adenauer wollte die Weichen so stellen, daß die Integration in den Westen zum unabänderlichen Faktum ohne Alternative würde. Die Unterzeichnung des „Petersberger Abkommens", in dem die alliierten Hochkommissare und der Bundeskanzler vereinbarten, die Bundesrepu-blik in die Europäische Gemeinschaft einzugliedern, und die Unterzeichnung des ersten bilateralen Staatsvertrages der Bundesrepublik, eines deutsch-amerikanischen Wirtschaftsabkommens, bildeten noch im Jahre 1949 die ersten demonstrativen Schritte auf diesem Wege

Westintegration In den folgenden Jahren wurde das seit 1949 geltende Besatzungsstatut mehrmals zugunsten einer größeren deutschen Souveränität revidiert. Im Frühjahr 1951 konnte die Bundesrepublik ein eigenes Außenministerium aufbauen. Als erster deutscher Außenminister amtierte Konrad Adenauer selbst. Im Mai 1951 wurde die Bundesrepublik Vollmitglied im Europarat. Im Mai 1952 wurde in Paris der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft unterschrieben. Einen Tag zuvor war der Deutschland-Vertrag, der die Aufhebung des Besatzungsstatuts vorsah, unterzeichnet worden. Da jedoch die EVG am Widerstand Frankreichs scheiterte, wurde die Bundesrepublik erst am 5. 5. 1955 souverän, als die Pariser Verträge in Kraft traten, ein Vertrags-Paket über das Ende des Besatzungsstatuts, den Beitritt Bonns in die WEU und die NATO und über die Stationierung alliierter Truppen auf westdeutschem Boden.

Parallel zu dieser Westpolitik, die im Bewußtsein der Deutschen als außerordentlich erfolgreich galt und Adenauer 1953 und 1957 hohe Wahlsiege einbrachte, ging eine andere, nicht minder entschlossen geführte Politik. Sie allerdings stand unter einem gewissen negativen Aspekt, der ein Produkt des Kalten Krieges war.

Um seine Westpolitik und ihre Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden, verzichtete Adenauer auf eine aktive Ostpolitik, die hätte versuchen müssen, die Möglichkeiten eines Ausgleichs mit der Führungsmacht in Osteuropa, d. h. mit der Sowjetunion schrittweise zu prüfen

Besonders sichtbar wurde diese Konzeption bei der Reaktion des Kanzlers auf die sowjetische Note vom 10. 3. 1952, in der der Grundriß eines Friedensvertrages mit Deutschland als Verhandlungsgrundlage angeboten wurde. Ob die von Adenauer zurückgewiesenen Verhandlungen zu einem Erfolg in Richtung auf eine Wiedervereinigung geführt hätten, ist sicher fraglich, zumal die anderen europäischen Mächte einem wiedervereinigten neutralen Deutschland ihrerseits mit einer gewissen Skepsis gegenüberstanden. Die Weigerung jedoch, östliche Offerten überhaupt auf mögliche akzeptable Inhalte zu überprüfen, ließ politische Gegner des Kanzlers wie den 1951 zurückgetretenen Innenminister Heinemann und den Publizisten Paul Sethe von einer „verpaßten Gelegenheit" sprechen

Die Reise Adenauers in die UdSSR im September 1955 mit ihren Ergebnissen (Freilassung der deutschen Kriegsgefangenen und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bonn und Moskau) stellte zwar einen persönlichen Erfolg des Kanzlers dar, blieb im großen politischen Kontext jedoch ein folgenloses Zwischenspiel.

Politik der Stärke Dieser politische Kontext beinhaltete aber Formeln wie: Kalter Krieg, Politik der Stärke und Antikommunismus. Natürlich konnte es keine westdeutsche, sondern nur eine westliche „Politik der Stärke" geben, die sich auf das Potential der USA stürzte. Nicht zufällig war Konrad Adenauer mit dem damaligen amerikanischen Außenminister John Forster Dulles befreundet, nach dessen Vorstellungen ein starkes Westeuropa die Länder Osteuropas aus der engen Bindung an Moskau herauslösen sollte. Analog hoffte Adenauer, mittels Westintegration auch die Wiedervereinigung erreichen zu können, die er sich grundsätzlich nur als Befreiung Ostdeutschlands vom Kommunismus vorstellen konnte. Nicht nur die Westintegration, sondern auch ihre militärische Komponente, der Aufbau der Bundeswehr, wurde von Adenauer so gegen zunächst aus vielen Bevölkerungskreisen kommenden Protest als Mittel zur Wiedervereinigung interpretiert. Nicht immer wurden dabei sicherheitspolitische und gesamtpolitische Erfordernisse genügend miteinander abgestimmt

Antikommunismus Innenpolitisch wurde Adenauers Konzeption ergänzt durch einen völlig undifferenzierten Antikommunismus, der um so erfolgreicher war, als er in der deutschen Bevölkerung schon seit der Weimarer Republik traditionell verankert und unter Hitler noch vertieft worden war. Das Schicksal der Vertriebenen hatte die antikommunistische Einstellung nur noch vergrößert. Dabei spielte Adenauer den Antikommunismus auch als Waffe gegen die SPD aus. In Bundestagsdebatten und Wahlfilmen wurden Sozialdemokratie und Kommunismus häufig gleichgesetzt, was die Sozialdemokratie, deren Distanz zu den Kommunisten und zum Marxismus immer größer wurde, zutiefst verletzte 54).

Mit Hilfe dieses ideologischen Instrumentariums und der Unterstützung durch die USA auf außen-und wirtschaftspolitischem Gebiet wurde die Ostpolitik der fünfziger Jahre betrieben. Ihr innerer Widerspruch wurde lange überdeckt durch die weltpolitischen Konstellationen des Kalten Krieges 55).

Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre aber gerieten die weltpolitischen Fronten in Bewegung. Die Supermächte konnten sich dem Zwang zur (wenn auch

Mit Hilfe dieses ideologischen Instrumentariums und der Unterstützung durch die USA auf außen-und wirtschaftspolitischem Gebiet wurde die Ostpolitik der fünfziger Jahre betrieben. Ihr innerer Widerspruch wurde lange überdeckt durch die weltpolitischen Konstellationen des Kalten Krieges

Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre aber gerieten die weltpolitischen Fronten in Bewegung. Die Supermächte konnten sich dem Zwang zur (wenn auch nur losen) Kooperation und vermehrten Kommunikation immer weniger entziehen. Die Widersprüche in Adenauers Konzeption wurden schrittweise offenbar. Vergebens wehrte sich der Kanzler dagegen, daß die ursprünglich von den Westmächten akzeptierte Priorität der Wiedervereinigung Deutschlands vor einer Ost-West-Entspannung nunmehr aufgehoben werden sollte.

Bilanz der fünfziger Jahre Eine Bilanz der Ost-und Deutschlandpolitik der Bundesrepublik zu Beginn der sechziger Jahre deckt auf, welche Fragen und Probleme weiter ungelöst waren und — was schlimmer war — in welch hohem Maße diese eine internationale Politik der Entspannung erschwerten. — Die Frage der Ostgrenzen Deutschlands (darunter vor allem die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze) konnte, das blieb der Standpunkt der Bundesregierung, nur nach dem Abschluß eines Friedensvertrages gelöst werden. — Eine zweite Frage betraf das Verhältnis zur CSSR. Hier ging es um die von Prag geforderte Erklärung, daß das Münchner Abkommen aus dem Jahre 1938 von Anfang an für null und nichtig anzusehen sei. Der offizielle deutsche Standpunkt lautete anders: Er lief auf eine juristische Formel hinaus, nach der dieses Abkommen erst durch Hitlers Einmarsch in Böhmen und Mähren ungültig geworden sei. Auch dieser Standpunkt wirkte sich zusammen mit den psychologischen Belastungen, mit denen jede deutsche Politik in Osteuropa wegen der NS-Gewaltherrschaft zu rechnen hatte, lähmend auf die beiderseitigen Beziehungen aus.

— Die sogenannte Hallstein-Doktrin wurde von der Bundesregierung als Waffe gegen die Anerkennung der DDR eingesetzt. Sie funktionierte längere Zeit im gewünschten Sinne, wofür jedoch ein hoher politischer Preis bezahlt werden mußte. Den Prozeß der Durchsetzung der DDR als eines eigenen Staates konnte sie nachhaltig verzögern, jedoch nicht endgültig aufhalten.

— Zu einem zunehmend heiklen Kapitel in der Ostpolitik wurde das Problem der Sonderstellung Berlins.

— Die Wiedervereinigung Deutschlands schließlich, das proklamierte Hauptziel aller politischen und damit auch ostpolitischen Bestrebungen der Bundesregierung, konnte mit der Politik der Westintegration nicht einmal ansatzweise gelöst werden 56).

Dieser Bilanz der Widersprüche auf Seiten der Regierung der Bundesrepublik standen in den fünfziger Jahren nur wenige Alternativen gegenüber.

Alternativen Die ost-und deutschlandpolitischen Vorstellungen der SPD in der Zeit nach Schumachers Tod bis zum Ende der fünfziger Jahre zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß sie das Problem einer Verständigung mit dem Osten, einer Wiedervereinigung Deutschlands und einer militärischen Entspannung insgesamt zu lösen trachteten. Sowohl das Arbeitsprogramm der SPD zur Wiedervereinigung von 1955 wie der 1959 vorgelegte Deutschlandplan der SPD gingen somit sehr viel mehr auf Vorschläge ein, wie sie etwa der polnische Außenminister Rapacki . formuliert hatte. Sie belebten zwar kurzfristig die politische Diskussion, konnten jedoch auf die Entscheidungen in Bonn so gut wie keinen Einfluß nehmen 57).

Was die Vorstellungen der FDP anbetrifft, so war es vor allem der im Sommer 1952 veröffentlichte Plan von Karl Georg Pfleiderer, dessen vorsichtig formulierte Vorschläge im Anschluß an eine kluge Analyse der Proble-matik eine denkbare Alternative zur Regierungskonzeption zur Diskussion stellte. Der 1959 publizierte Deutschlandplan der FDP stand hingegen weitgehend im Schatten des Streites um den Deutschlandplan der damaligen Opposition

Von anderen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen, den Kirchen, den Gewerkschaften oder den liberalen Intellektuellen gingen gegen Ende der fünfziger Jahre zunehmend neue Impulse aus, die auf eine Lockerung der westdeutschen Haltung im Ost-West-Konflikt abzielten. Die Vertriebenen-Verbände unterstützten die Ostpolitik Adenauers; ja bei aller Differenzierung wird man sogar sagen müssen, daß nicht wenige ihrer prominentesten Sprecher die Politik Adenauers an Unnachgiebigkeit und an mangelnden Realitätssinn gegenüber dem Osten noch übertroffen haben

Am 13. 8. 1961, in den frühen Morgenstunden, ließ Walter Ulbricht quer durch die alte deutsche Reichshauptstadt eine Mauer bauen. Mit ihr, die bis heute Symbol der Spaltung Deutschlands ist, war die Politik der Stärke endgültig gescheitert. Konrad Adenauer, der sie proklamiert und in die Tat umgesetzt hatte, hat — gewiß ohne es bewußt zu wollen — die Tiefe und schiere Unüberwindlichkeit des Grabens zwischen beiden deutschen Teilstaaten mitzuverantworten; vielleicht hat er sogar diese Spaltung in seine Rechnungen miteinkalkuliert. Nicht nur die Beziehungen zur DDR, sondern auch die zu allen osteuropäischen Staaten blieben während der Kanzlerschaft Adenauers mehr eine Bilanz mit roten Zahlen. Damit aber war in der deutschen Außenpolitik ein Bruch auch zur vor-nationalsozialistischen Epoche vollzogen worden. Deutschland, der traditionelle Mittler-staat zwischen Ost und West, hatte in Konsequenz der weltpolitischen Entwicklung, aber auch infolge des Entschlusses seines langjährigen ersten Bundeskanzlers auf eine aktive Ostpolitik zugunsten einer Westintegration verzichtet

IV. 1961— 1970: Politik der Bewegung: Von der Konfrontation zur Kooperation

Am 13. 8. 1961 sicherte Walter Ulbricht mit dem Bau der Berliner Mauer seinen Machtbereich ab, ohne daß die Bundesrepublik oder ihre Verbündeten wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen konnten oder wollten. Eine Welle der Empörung in der westlichen Welt änderte nichts an der Tatsache, daß keiner der Bonner Bündnispartner bereit war, mit Gewalt die verletzten Rechtspositionen zu verteidigen. Es dauerte Wochen, bis sich zumindest einige Bonner Politiker zu einer realistischen Betrachtungsweise durchgerungen hatten. Bei ihnen setzte sich die Erkenntnis durch, daß mit dem Bau der Mauer eine Phase deutscher wie internationaler Nachkriegspolitik ihren symbolischen Abschluß gefunden hatte: die endgültige Integration der beiden Deutschlands in ein westliches und in ein östliches Bündnis-system die vorläufig damit unabänderliche Spaltung der deutschen Nation.

Weltpolitische Wandlungen Zugleich war aber deutlich geworden, daß die beiden Großmächte, USA und UdSSR, den europäischen Status quo und die gegenseitigen Interessen-und Einflußsphären zu respektieren gewillt waren, und daß sie sich außerdem nicht durch ihre Verbündeten zu gefährlichen Aktionen gegenüber der gegnerischen Großmacht würden provozieren lassen.

überdies war den Berlinern und den Westdeutschen demonstriert worden, daß der Handlungsspielraum für eine Bonner Deutschland-und Ostpolitik auch in Zukunft vor allem durch weltpolitische Bedingungen entscheidend eingeengt blieb, so schmerzlich diese Erkenntnis im Augenblick auch sein mochte.

Vor allem die Kuba-Krise des Jahres 1962 war eines jener markanten Ereignisse, das die sich wandelnde internationale Szenerie der sechziger Jahre charakterisierte. Der durch die risikobewußte Entschlossenheit Präsident Ken-* nedys abgewehrte Versuch Chruschtschows, in der amerikanischen Hemisphäre sowjetische Trägerraketen zu installieren, zeigte, daß die antagonistischen Gegensätze zwischen den USA und der UdSSR nach wie vor das internationale System bestimmten. Zugleich symbolisierte der gegen den Willen Fidel Castros angeordnete Rückzug der sowjetischen Raketenfrachter, daß das atomare Patt mit der Möglichkeit totaler gegenseitiger Vernichtung die beiden Giganten von einer direkten militärischen Konfrontation zurückschrecken ließ.

Kriegerische Auseinandersetzungen flackerten dagegen auch in den sechziger Jahren vermehrt in den weltpolitischen Randzonen auf. Der Vietnam-Krieg ist dafür nur ein Beispiel. Zwar unterstützte die Sowjetunion Nordvietnam und den Vietkong mit Wirtschaftshilfe und Waffenlieferungen, jedoch traten sowjetische Soldaten den Amerikanern in Südvietnam nicht entgegen. Im Juni-Krieg des Jahres 1967 waren die USA und die UdSSR auf israelischer beziehungsweise auf arabischer Seite engagiert. Doch auch hier vermieden die beiden Supermächte die direkte Auseinandersetzung.

Erosion der Blöcke Parallel zu dieser Entwicklung verlief die Auflockerung der gegenseitigen Bündnissysteme. Antirussische, beziehungsweise antichinesische Demonstrationen in Peking und Moskau signalisierten die zunehmende ideologische und machtpolitische Entfremdung zwischen der UdSSR und China. Gegen Ende der sechziger Jahre kam es am Grenzfluß Ussuri sogar zu militärischen Scharmützeln zwischen den beiden sogenannten Brudervölkern. Antisowjetische Demonstrationen in Bukarest bezeugten, daß selbst im Warschauer Pakt die absolute Bündnistreue in Frage gestellt wurde. Vor allem Rumänien weigerte sich, seine nationalen Interessen gänzlich den Forderungen Moskaus unterzuordnen. Einen bis dahin für unglaublich gehaltenen Gipfelpunkt rumänischer Häresie stellte die Weigerung Ceausescus im August 1968 dar, sich mit seinen Truppen an der Intervention gegen die Tschechoslowakei zu beteiligen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Warschauer Pakts verzichtete Moskau darauf, einen unbotmäßigen Partner gewaltsam zum Gehorsam zu zwingen.

Im Westen war es vor allem General de Gaulle, der zu einer Auflockerung der Blöcke beitrug. Er führte Frankreich zur Force de Frappe und aus der militärischen Organisation des Atlantikpaktes heraus. In Paris wurden die NATO-Flaggen eingezogen, das Hauptquartier mußte nach Brüssel verlegt werden; das Bündnis war erschüttert worden.

Kennzeichnend für die sich wandelnde weltpolitische Situation war auch die feierliche Unterzeichnung des Teststopabkommens (1963). Die Gefahr gegenseitiger atomarer Vernichtung und die wachsenden Rüstungslasten hatten die Großmächte zu einem Akt der Vernunft gezwungen. Einige Jahre später, schon nach dem überraschenden Sturz Chruschtschows, folgte dann der Atomsperrvertrag (1968)

Dieses skizzenhafte Tableau weltpolitischer Veränderungen ist der notwendige Hintergrund für eine Betrachtung der Bonner Ost-und Deutschlandpolitik in den sechziger Jahren. Die Westdeutschen mußten erkennen, daß die Sowjetunion offensichtlich den europäischen Status quo endgültig einfrieren wollte, um in den Staaten der Dritten Welt um so freiere Hand zu haben. Andererseits waren weder die USA noch beispielsweise Frankreich oder England daran interessiert, die Sowjetunion auf europäischem Boden zu reizen. Das bedeutete aber, daß auch die deutsche Spaltung von Ost und West zumindest de facto als endgültige Regelung — wenn auch z. T. unausgesprochen — betrachtet wurde. Die Bonner Regierungspolitiker vertraten dagegen noch immer die Auffassung, daß eine echte Entspannung in Europa nur dann möglich sein würde, wenn nicht allein die Symptome, sondern, wie man sagte, auch die Ursachen der Spannung beseitigt würden: die Teilung Deutschlands. Um Ost und West wenigstens davon abzuhalten, von einer de facto-zu einer de jure-Anerkennung des gegenwärtigen Zustands überzugehen, klammerte sich Bonn weiterhin an das alte Instrumentarium: Hallstein-Doktrin, Alleinvertretungs-Anspruch, Nicht-Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Damit aber drohte die Bundesrepublik mehr und mehr in eine gewisse internationale Isolierung zu geraten.

Differenzierungsprozeß in der öffentlichen Meinung Im Gegensatz zu dieser offiziellen Bonner Haltung stand ein zunehmender Differenzierungsprozeß in der öffentlichen Meinung der Bundesrepublik. Die Ost-und Deutschlandpolitik wurde mehr und mehr zu einem Diskussions-thema auch außerhalb der Parteispitzen und der Regierung

Die wachsende Unruhe im Innern, von vielen als heilsam bezeichnet, ging zunächst von den Studenten aus. Unzufriedenheit mit den Verhältnissen an den Universitäten bildeten hier die ersten Anstöße. Doch bald zeigte sich, daß die Ursachen tiefer lagen. Verschleppte innenpolitische Reformen wurden ebenso lautstark kritisiert wie die starre Haltung gegenüber den osteuropäischen Nachbarn und der DDR. Der Antikommunismus, lange Zeit brauchbares Integrationsmittel, begann zu zerbröckeln und machte einer vielschichtigeren Betrachtungsweise Platz

Monolithische Antihaltungen wurden aufgeweicht und wandelten sich sogar in ihr Gegenteil. Das frühere bedingungslose Nein auch vieler Studentengruppen gegenüber Ulbrichts Staat wurde von manchen durch eine ebenso kategorische Forderung nach einer sofortigen bedingungslosen Anerkennung der DDR ersetzt. Die Zahl der Denkschriften, Memoranden, Grundsatzerklärungen und Thesen zur Deutschland-Frage und zur Ostpolitik nahm in den sechziger Jahren sprunghaft zu. Einzelpersönlichkeiten, Arbeitsgemeinschaften, politische Klubs, Kirchen und Verbände meldeten sich zu Wort. Mit am weitesten ging der „Arbeitskreis Deutschlandpolitik" unter Leitung des Marburger Wissenschaftlers Professor Leonhard Froese mit seinen „ 30 Thesen für die Anerkennung der DDR". Diese kategorischen Ansprüche an eine künftige Ost-und Deutschlandpolitik blieben nicht unwidersprochen

Der unmittelbare Einfluß der Memoranden und Denkschriften, der Zeitungen und Rundfunk-anstalten auf die außenpolitische Entscheidung mag — im ganzen gesehen — gering geblieben sein. Nicht zu bezweifeln ist aber ihr Beitrag zu einem allmählichen Prozeß der Bewußtseinsumwandlung in der westdeutschen Bevölkerung. Dieser Prozeß läßt sich zum Beispiel anhand von Meinungsumfragen zeigen: 1966 befürworteten nur 5 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Im März 1967 antworteten auf die Frage, ob die Bundesregierung die DDR anerkennen solle, bereits 19 Prozent mit Ja, 67 Prozent stimmten für Nein. Im Januar 1968 erklärten in einer Umfrage 29 Prozent, sie würden es begrüßen, wenn die Bundesregierung die DDR als selbständigen Staat, nicht aber als Ausland anerkennen würde. Nur noch 41 Prozent stimmten dagegen.

Ein Jahr später, im Frühjahr 1969, sprach sich schon ein Drittel der Bundesdeutschen für eine Anerkennung aus. Zur gleichen Zeit betrachteten 27 Prozent die Wiedervereinigung in einem System westlicher Ordnung, 25 Prozent ein friedliches Nebeneinander beider Staaten und 39 Prozent eine Annäherung und Angleichung beider deutscher Systeme als erstrebenswertes Ziel deutscher Politik. Anders gesagt: Nur gut ein Viertel der Westdeutschen gab 1969 der Wiedervereinigung noch eine echte Chance (1970: 43 Prozent für die Anerkennung)

In der Frage der deutschen Ostgrenzen verschoben sich die Gewichte zugunsten einer Neuorientierung sogar noch wesentlich schneller. So stimmte bereits 1967 eine Mehrheit der Westdeutschen in einer Umfrage für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, sofern dadurch die Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten verbessert würden.

Ein ähnlicher, wenn auch nicht so offen zutage tretender Prozeß der Bewußtseinswandlung setzte in den sechziger Jahren bei den Vertriebenen ein, die so lange die entschiedensten Gegner einer flexiblen Ost-und Deutschland-politik gewesen waren.

Die Vertriebenen-Organisationen versuchten weiterhin, wie schon in den fünfziger Jahren, die Ostpolitik der Bundesrepublik zu beeinflussen. Der Bund der Vertriebenen, seit 1958 Sprecher der regionalen und landsmannschaftlichen Verbände mit zusammen etwa 2, 5 Millionen Mitgliedern und über 400 Publikationsorganen, hat sich mit a’lem Nachdruck für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes und des „Rechtes auf Heimat" eingesetzt Viele Forderungen klangen gemäßigter und versöhnlicher als früher, man sprach von Ge-waltverzicht und einer friedlichen Ordnung in einem künftig geeinten Europa. Viele Reden zeigten aber auch, daß gerade bei führenden Funktionären der Vertriebenen ein hohes Maß an Realitätsblindheit gegenüber politischen Lösungsmöglichkeiten der Vertriebenen-Probleme fortbestand. Redner wie Wenzel Jaksch warfen der Bundesregierung Kurzsichtigkeit und zu große Kompromißbereitschaft vor. Trotz dieser Sonntagsreden, die der osteuropäischen Propaganda immer wieder „Munition" für ihre Thesen vom westdeutschen Revanchismus und Revisionismus lieferten, blieb es nicht aus, daß viele der Vertriebenen im'Laufe der Jahre eine differenzierte Haltung einnahmen. Manche Vertriebenenpolitiker trugen dazu bei, der sachlichen gegenüber der früher vor allem'emotioalen Diskussion der Vertriebenenfrage den Vorrang einzuräumen

Alternativmodelle der Parteien Der einsetzende Differenzieriggsprozeß im politischen Bewußtsein der westdeutschen Bevölkerung ermöglichte es auch den politischen Parteien, oder doch zumindest manchen innerparteilichen Gruppen, alte, starre Positionen der Ost-und Deutschlandpolitik neu zu durchdenken und zu diskutieren. Zunächst zaghaft, später immer offener, wurden Alternativ-Modelle für eine deutsche Politik gegenüber der DDR und Osteuropa entwickelt.

Am wenigsten davon berührt blieb jahrelang die CDU/CSU. Die lange Regierungstätigkeif schien dieser Partei weithin die Kraft zur Abkehr von alten Denk-Schemata genommen zu haben, eine Tendenz die durch den überragenden und zugleich lähmenden Schatten Konrad Adenauers vermutlich noch bestärkt wurde. Anders sah es bei der FDP, dem langjährigen Junior-Partner der CDU, und vor allem bei der SPD aus. 1969 mußten die Sozialdemokraten nach dreijähriger Partnerschaft mit der CDÜ/CSÜ auch auf dem Gebiet der Ost-und Deutschlandpolitik nach Formeln suchen, die einen Mittelweg bedeuteten zwischen dem, was der Wähler akzeptieren würde und dem, was einige Parteibezirke forderten. Vor allem die Bezirke Schleswig-Holstein und Hessen

Süd waren angetreten, ihre Partei auf einen entschiedenen Kurs der Anerkennung politischer Realitäten zu zwingen.

Diese Forderungen waren nicht zuletzt das Ergebnis der Enttäuschung vieler SPD-Mitglieder über den ihrer Meinung nach'zu zögernden Kurs der SPD in der Ost-und Deutschland-politik. Zwar hatten die Sozialdemokraten seit ihrem Deutschland-Plan von 1959 viel Ballast über Bord geworfen, doch in der Zeit der Großen Koalition mußte die SPD aus koalitionspolitischen Rücksichten vor allem in der Ost-und Deutschlandpolitik oft zurückstecken. Vor allem Herbert Wehner und Willy Brandt sorgten auf dem Nürnberger Parteitag 1969 dafür, daß der Ansturm der Genossen aus Hessen und Schleswig-Holstein wie auch der Jungsozialisten noch einmal abgewehrt wurde. Nicht aus Uneinsichtigkeit gegenüber den Realitäten, sondern wohl mehr aus wahltaktischen Gründen wurde noch einmal eine offizielle Parteilinie durchgesetzt, die in den ost-und deutschlandpolitischen Fragen eine eindeutige Festlegung vermied.

Im Gegensatz dazu vertrat die 1969 neugegründete Deutsche Kommunistische Partei (DKP) einen unmißverständlicheren Kurs, der auf die Anerkennung der „Realitäten von 1945" zielte

Auch die FDP brachte im Wahljahr 1969 eine Phase heftiger innerparteiliches AuseinanderSetzungen in ost-und deutschlandpolitischen Fragen hinter sich. Unter dem Parteivorsitz von Erich Mende waren die ersten energischen Vorstöße noch abgefangen worden. Doch die Oppositions-Rolle während der Großen Koalition brachte gerade in der Deutschland-und Ostpolitik eine starke Profilierung der Freien Demokraten mit sich. Die Studien von Scholl-wer und Rubin waren die ersten entscheidenden Ansätze gewesen. Da die Parteiführung Walter Scheels die innerparteiliche Diskussion in innen-wie außenpolitischen Fragen sehr belebte, kamen von der FDP mit die wesentlichsten Anstöße in Richtung einer Anerkennung der Nachkriegs-Realitäten, was die Forderungen der Partei im Wahlkampf 1969 verdeutlichten

Die sich wandelnden politischen Vorstellungen bei wichtigen Gruppen der westdeutschen Be-* völkerung und der Parteien bildeten den inneren Bezugsrahmen für die offizielle Ost-und Deutschlandpolitik der sechziger Jahre.

Politik der Bewegung Die Richtlinien der offiziellen Politik in der Bundesrepublik wurden bis zum Ende der Großen Koalition von der CDU/CSU und deren Bundeskanzlern bestimmt: Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesin-ger Wenn auch das Beharrungsvermögen innerhalb der CDU/CSU und der von ihr getragenen Regierungen wesentlich stärker ausprägt sein mochte als in der SPD und in der FDP, so blieben doch die innen-wie weltpolitischen Veränderungen der sechziger Jahre auch für die CDU/CSU nicht ganz ohne Rückwirkungen. Neue Impulse für die Ost-und Deutschlandpolitik der CDU/CSU wurden seit 1962 vor allem mit dem Namen Gerhard Schröders verbunden.

Gerhard Schröder, als Innenminister ein Mann ohne Glück und Erfolg, formulierte als Außenminister eine vor allem in den Nuancen veränderte Ostpolitik. Noch unter Adenauer leitete er 1962 die sogenannte „Politik der Bewegung" ein. Er bezeichnete es als Aufgabe der Bundesrepublik, Brücken nach dem Osten zu schlagen. Eine Äußerung, die nach der von Adenauer so lange praktizierten Politik der starren Fronten immerhin aufhorchen ließ

Zwar wollte auch Schröder nicht den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik aufgeben, doch plädierte er bereits dafür, die Hallstein-Doktrin nicht mehr so starr wie in der Vergangenheit zu handhaben. Allen, die an die unversöhnlichen Töne Adenauers gegenüber den osteuropäischen Staaten gewohnt waren, mußten Gerhard Schröders Ausführungen im Sommer 1962 als ein möglicher Wendepunkt erscheinen.

Diesen neuen Worten ließ Schröder unter der Kanzlerschaft Adenauers und später Erhards auch eine gemäßigt neue Politik folgen.

Vor allem im Außenhandel wurde eine gewisse Verbesserung der Beziehungen zu den Staaten Osteuropas erreicht. Die wichtigsten sichtbaren Erfolge wurden erzielt durch den Austausch von Handelsmissionen mit: Polen im September 1963, Rumänien im März 1964, Ungarn im Juli 1964 und Bulgarien im Oktober 1964

Ende 1966, nach dem unfreiwilligen Rücktritt Ludwig Erhards, trat nun die SPD in die Regierungsverantwortung ein. Nach mehr als 15 Jahren politischer Opposition mußten die Sozialdemokraten Farbe bekennen, auch in der Deutschland-und Ostpolitik. Würden sie sich gegenüber der CDU/CSU durchsetzen können? Würden sie in der Lage sein, die Ansätze Gerhard Schröders zu einer neuen deutschen Ostpolitik in ihrem Sinn fortzusetzen und auszubauen? Bereits im Jahr 1963 hatte einer ihrer Vertreter, Egon Bahr, „Wandel durch Annäherung" als neue Politik gegenüber den osteuropäischen Staaten empfohlen

Der sozialdemokratische Parteiführer Willy Brandt wußte, daß er mit seinen ostpolitischen Zielvorstellungen nur schwer gegen die Mehrheit der CDU/CSU-Kollegen ankommen würde. Immerhin zeigte Kiesinger in seiner Regierungserklärung vom 13. 12. 1966, daß er zu einer flexibleren Ostpolitik als seinerzeit Konrad Adenauer bereit war, auch wenn er gleichzeitig die für ihn nicht verzichtbaren Rechts-standpunkte aufzählte

Politik der Großen Koalition Was geschah nun qualitativ Neues in der deutschen Ostpolitik? Eine der Neuerungen bestand darin, daß die Bundesregierung bestrebt war, mit den osteuropäischen Staaten nicht mehr nur auf dem Umweg von Memoranden und halboffiziösen Pressekommentaren zu sprechen. Es begann ein reger diplomatischer Verkehr. So reiste bereits im Januar 1967 Staatssekretär Lahr nach Ungarn zu politischen Gesprächen. Im Sommer 1967 fuhr Egon Bahr als Sonderbotschafter von Außenminister Brandt nach Prag. Ein Ergebnis dieser Reise war der Austausch von Handelsmissionen mit der ÖSSR. Auch auf Ministerebene wurde die Besuchsdiplomatie zu einem wichtigen Faktor der Entkrampfung. So flog Willy Brandt nach Rumänien und im Sommer 1968 nach Jugoslawien, wo er von Staatschef Tito empfangen wurde. Umgekehrt besuchten der stellvertretende Außenminister Bulgariens ebenso wie der rumänische Außenminister Manescu Bonn. Halboffizielle und hochoffizielle Staatsbesuche, eigentlich eine ganz normale Form des diplomatischen Verkehrs, hatten zwischen Bonn und Osteuropa in der Vergangenheit so gut wie gar nicht stattgefunden. Daß man jetzt gewillt war, damit wieder zu beginnen, war ein erstes Zeichen für eine neue Phase in den gegenseitigen Beziehungen.

Einen wertvollen Schritt weiter führte die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien 1967 und zu Jugoslawien 1968.

In beiden Fällen umgingen die westdeutschen Politiker die Klippe der Hallstein-Doktrin mit der sogenannten „Geburtsfehler-Theorie". Bonn wies darauf hin, daß die osteuropäischen Staaten in den fünfziger Jahren wegen ihrer Abhängigkeit von Moskau keine andere Wahl als die Anerkennung der DDR gehabt hätten. Die Hallstein-Doktrin sei aber nur für Staaten gedacht gewesen, die die DDR aus freiem Willen anerkannten. Diese Hintertür ermöglichte die Akkreditierung osteuropäischer Botschafter.

Auch auf einer anderen Ebene bemühte sich die Regierung der Großen Koalition um eine politische Klima-Verbesserung gegenüber den osteuropäischen Staaten. Bonn bot erneut gegenseitige Gewaltverzichtserklärungen an. Dies sollte gegenüber Polen einen Weg ermöglichen, der für beide Seiten akzeptabel sein konnte. Im April 1968 schrieb Brandt, daß durch eine Gewaltverzichtserklärung die augenblicklichen polnischen Grenzen für jene Zeit anerkannt würden, für die sich die Bundesrepublik festlegen könne, nämlich bis zu einer endgültigen Friedensregelung. Auch gegenüber Moskau selbst ergriff Bonn die Initiative. Im Juli 1967 kam es zu ausführlichen Gesprächen zwischen Außenminister Brandt und dem Sowjetbotschafter Zarapkin. In einem 14-Punkte-Katalog wurden die möglichen Verhandlungsthemen zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR fixiert

Mit am schwierigsten gestalteten sich die Bonner Bemühungen um ein entspannteres Verhältnis zur DDR.

Zwar hatte die Regierung Kiesinger auf die bisher geübte Politik verzichtet, die DDR als Staat offiziell überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Man sprach auch nicht mehr von einem Anschluß der DDR an die Bundesrepublik, sondern von einem geregelten Miteinander. Und man bot der DDR, ebenso wie Polen oder der Sowjetunion, den Austausch von Gewaltverzichtserklärungen an. Trotz dieses, im Vergleich zu früher, beachtlichen Entgegenkommens hielt die Regierung Kiesinger/Brandt daran fest, daß die Forderung nach einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch Bonn nicht erfüllt werden könne. Eben das aber bot Ost-Berlin die Möglichkeit, sich allen Kontakten mit Bonn zu entziehen. Die DDR, die die Ostpolitik der Großen Koalition offensichtlich als eine Art Umzingelungsmanöver und als Versuch der Isolierung innerhalb des Ostblocks ansah, verschanzte sich hinter ihren Maximalforderungen und bemühte sich, die anderen osteuropäischen Staaten zurück auf einen harten Kurs gegenüber Bonn zu führen

Nicht nur die Regierung der DDR, sondern auch führende Vertreter der CDU/CSU wurden durch die ostpolitische Aktivität der Regierung unangenehm berührt. Vor allem innerhalb der CSU gab es viele Politiker, die den Einfluß Willy Brandts und Herbert Wehners auf Bundeskanzler Kiesinger in der Ost-und Deutschlandpolitik mißtrauisch beobachteten. Hinzu kam, daß der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die ÖSSR im August 1968, der zur Verschärfung der internationalen Lage beitrug, sie in der Richtigkeit ihrer eigenen Auffassungen bestärkt haben mochte. Konnten sie jetzt doch die Friedfertigkeit und Glaubwürdigkeit der Sowjetunion und ihrer Bündnis-partner wieder in Zweifel ziehen

Ohne Frage haben die Prager August-Ereignisse der Ostpolitik der Großen Koalition einen Rückschlag versetzt. Kurt Georg Kiesinger, im bevorstehenden Wahlkampf innerhalb seiner Partei ohnehin um das Image eines härteren Politikers bemüht, bremste die Fortführung der Entspannungspolitik gegenüber Osteuropa und der DDR. So wurde also mancher brauchbare Ansatz zunächst verschüttet.

Immerhin, und das kann man als das Resümee der Ostpolitik der Großen Koalition ansehen, hatte Bonn endlich in der Nach-Adenauer-Ära die Initiative ergriffen und zumindest ein Fundament für eine neue deutsche Ostpolitik gelegt. So konnte nach den Wahlen die neue Regierung von SPD und FDP unter Willy Brandt als Kanzler dort anknüpfen, wo die Entspannungspolitik gegenüber Osteuropa im August 1968 stehengeblieben war. Zum ersten Mal seit 1949 war ein Sozialdemokrat Bundeskanzler geworden. Willy Brandt und sein Außenminister Scheel hatten schon in der Zeit der Koalitionsverhandlungen erkennen lassen, daß sie neben den innenpolitischen Reformen vor allem in der Außenpolitik eine neue Richtung einschlagen'wollten. Der deutschland-und ostpolitische Teil der Regierungserklärung Willy Brandts setzte bereits andere Akzente, wenn damit auch noch keine radikale Kursänderung angedeutet wurde.

Die neue Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel Aus der Regierungserklärung und aus der nachfolgenden Bundestagsdebatte war die Konzeption der Ost-und Deutschlandpolitik der Regierung Brandt/Scheel deutlich herauszulesen

1. Ausgangspunkt aller Überlegungen war die Einsicht, daß die Teilung Deutschlands auf vorerst unabsehbare Zeit andauern werde. Das langfristige Ziel bleibe zwar die Gewährung des Selbstbestimmungsrechtes für das ganze deutsche Volk. Nah-ziel aber müsse der Zusammenhalt der beiden nun als selbständige Staaten apostrophierten Teile Deutschlands sein. Um dies zu erreichen, wurde von der Regierung Brandt/Scheel eine Strategie der sich gegenseitig bedingenden Zugeständnisse entworfen.

2. Gegenüber der Sowjetunion bedeutete dies: Nach der Unterzeichnung des Atomsperrvertrags sollten Verhandlungen über einen gegenseitigen Gewaltverzicht ausgenommen werden. Bonn erhoffte sich davon den Verzicht der UdSSR auf das in der UN Charta verbriefte Interventionsrecht gegenüber Deutschland und außerdem die psychologisch und politisch wichtige offizielle Erklärung Moskaus, daß die Bundesrepublik keine Politik des Revisionismus und Revanchismus betreibe.

3. Polen gegenüber war Bonn zu einer bilateralen Grenzregelung bereit, wie sie vonGomulka vorgeschlagen wurde, ohne aber die endgültige Regelung eines Friedensvertrages zu präjudizieren. Von Warschau wurde dafür die Anerkennung der prinzipiellen Zusammengehörigkeit der deutschen Nation erwartet.

In diesem Zusammenhang sind noch ein paar Bemerkungen zur Rolle Polens in Europa erforderlich. Nach dem 2. Weltkrieg ist eines sehr deutlich geworden: Die Zwischenstellung Polens — zum einen Verbündete, zum anderen Gegner Deutschlands oder Rußlands, einmal Barrierre, ein andermal Brücke — gehört der Vergangenheit an. Schon allein aus Sicherheitsgründen liegen die nationalen Interessen des Landes im Bündnis mit der Sowjetunion. Aber fast ebenso wichtig iss die Tatsache, daß Westdeutschlands Grenze nicht mehr mit der Polens zusammentrifft, sondern nur noch mit der der DDR. Und die DDR hat die Oder-Neiße (1950) als „Staatsund Friedensgrenze" anerkannt. Das bedeutet mit anderen Worten: Die deutsch-polnischen Beziehungen können nicht mehr auf Kosten des Verhältnisses Polen—UdSSR und Polen—DDR entwickelt werden, zumal eine Isolierung Polens von den sozialistischen Staaten ausgeschlossen ist.

Fraglos sind diese Beziehungen vor allem durch das Oder-Neiße-Problem und die damit verbundenen Fragen belastet. Zwar haben Politiker wie führende Vertreter beider Konfessionen seit Ende der fünfziger Jahre den Geist der Versöhnung zwischen den beiden Völkern beschworen — der Teufelskreis von Rechnung und Gegenrechnung sollte endlich durchbrochen werden — aber die Annäherung zu Beginn der sechziger Jahre erfolgte doch nur zögernd.

Der geplante Austausch von Konsulaten scheiterte; über wirtschaftliche Vereinbarungen kam es 1963 lediglich zur Errichtung einer Handelsmission in Warschau.

Nach wie vor empfindet Polen die Bundesrepublik als die Speerspitze einer antikommunistischen Allianz, solange die Bundesrepublik als einziger Staat in Europa ihre Forderung nach Grenzrevision aufrechterhält und gleichzeitig versucht, die Interessenidentität zwischen der DDR und den anderen osteuropäischen Staaten aufzulösen

4. Ein weiteres wichtiges Ziel der neuen Regierung ist eine Annäherung an die DDR.

Bonn betrachtete diese als einen von zwei Staaten deutscher Nation. Eine völkerrechtliche Anerkennung jedoch wird nach wie vor abgelehnt. Die DDR kann für Bonn kein Ausland sein. Wenn Ost-Berlin unter diesen Voraussetzungen zu einer Politik der Kooperation bereit sein sollte, würde Bonn einer Anerkennung der DDR durch Drittstaaten seinerseits keine Hindernisse entgegensetzen.

5. Unlösbar verbunden damit (1— 4) bleibt die Verantwortung der Vier Mächte für Berlin auf folgender Grundlage: die bestehenden Beziehungen der Stadt zur Bun-desrepublik (politisch, wirtschaftlich und kulturell) müssen anerkannt, die Verbindungen zwischen den Bewohnern der geteilten Stadt verbessert und ein ungehinderter ziviler Reiseverkehr zwischen Westberlin und der Bundesrepublik gesichert werden. Außerdem besteht der Anspruch, die internationale Vertretung Westberlins durch die Bundesrepublik zu gewährleisten 80).

Kurze Zeit, nachdem die Regierung Brandt ihre Ostpolitik konzipiert hatte und sich Gespräche mit Moskau und Warschau abzeichneten, ging die DDR zur Gegenoffensive über. Auf einer internationalen Pressekonferenz präsentierte Walter Ulbricht seinen Entwurf für einen Vertrag zwischen Bonn und Ost-Berlin, den er zuvor Bundespräsident Heinemann hatte übergeben lassen.

Der Vertrags-Entwurf sa

Kurze Zeit, nachdem die Regierung Brandt ihre Ostpolitik konzipiert hatte und sich Gespräche mit Moskau und Warschau abzeichneten, ging die DDR zur Gegenoffensive über. Auf einer internationalen Pressekonferenz präsentierte Walter Ulbricht seinen Entwurf für einen Vertrag zwischen Bonn und Ost-Berlin, den er zuvor Bundespräsident Heinemann hatte übergeben lassen.

Der Vertrags-Entwurf sah die Aufnahme diplomatischer Beziehungen auf der Grundlage gegenseitiger völkerrechtlicher Anerkennung und den gegenseitigen Austausch von akkreditierten Botschaftern vor. Für West-Berlin forderte Ulbricht erneut den Status einer selbständigen politischen Einheit.

Der Erfurter Begegnung zwischen Bundeskanzler Willy Brandt und DDR-Min. -Präsident Willi Stoph am 19. März 1970 folgte am 21. Mai ein zweites Treffen in Kassel. Damit hatte zwar der innerdeutsche Dialog über die schwebenden Fragen zwischen den beiden Teilen Deutschlands begonnen, aber sehr schnell wurde dabei deutlich, daß es vorerst in der offiziellen Politik Bonns und Ostberlins keine nennenswerten Gemeinsamkeiten gab. Zuviel Trennendes und Gegensätzliches lag zwischen den zwei Staaten deutscher Nation. Aber auch in der Innenpolitik prallten die Gegensätze aufeinander, zumal die neue Opposition der CDU/CSU die Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel aus den verschiedensten Gründen ablehnte

Die Verträge mit Warschau und Moskau Im übrigen stand das Jahr 1970, außenpolitisch gesehen, ganz im Zeichen der deutsch-polnischen und deutsch-sowjetischen Verhandlungen über die Regelung der beiderseitigen Beziehungen — begleitet von heftigen Debatten im Bundestag über den Kurs der Regierung Brandt/Scheel. Der Meinungsaustausch Bonn— Warschau vollzog sich in vier Etappen (5. /6. Februar; 9. — 11. März; 22. — 24. April; 8. — 10. Juni 1970). Schließlich reiste Außenminister Scheel Anfang November nach Warschau zu den abschließenden Verhandlungen. Nach intensiven Beratungen war die Bundesregierung gewillt, dem polnischen Volk das Recht auf gesicherte Grenzen bestätigen und die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens betrachten zu wollen. Allerdings handelte die Bundesregierung bei dem Abschluß des Vertrags nur für die BRD allein; ein gesamtdeutscher Souverän ist demnach nicht an diese Verpflichtungen gebunden 82) (s. Anhang).

Die am 8, Dezember 1969 aufgenommenen Gespräche zwischen Bonn und Moskau vom 30. Januar bis 18. Februar, vom 3. bis 21. März und vom 12. bis 22. Mai 1970 wurden gleichfalls fortgesetzt; dabei leitete E. Bahr die deutsche und A. Gromyko die sowjetische Delegation. Nach sorgfältiger Absprache mit den Westmächten veröffentlichte das Bundeskabinett am 7. Juni sechs Richtlinien für die weiteren Verhandlungen. Auf deren Grundlage konferierte Außenminister Scheel Ende Juli bis Anfang August zäh und sachlich, bis er am 7. August den Vertrag paraphieren konnte, der die nationalen Interessen des deutschen Volkes sichern und zugleich den Frieden in Europa festigen soll. W. Brandt unterzeichnete sodann am 12. August 1970 den deutsch-sowjetischen Vertrag in Moskau, in dessen Mittelpunkt ein Gewaltverzicht und ein Bekenntnis zur Unverletzlichkeit der Grenzen stand.

Im ganzen betrachtet haben beide Seiten einen fairen Kompromiß ausgehandelt und damit die Grundlage für eine Normalisierung der Beziehungen gelegt. Der Vertrag bedeutet kein neues Rapallo, denn die deutschen Regierungsvertreter haben unmißverständlich die feste Verankerung der BRD im westlichen Bündnis unterstrichen, ebenso das Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung. Vor allem aber weiß der Kreml, daß Bonn diesen Vertrag erst dann ratifizieren wird, wenn die Vier Mächte eine befriedigende Berlin-Lösung erzielt haben. Entscheidend bleibt also, wie die beiden Partner den Vertrag in der Praxis verwirklichen werden 83). Eine unmittelbar vor der Unterzeichnung des Vertrags vom Marktforschungsinstitut INFRA-TEST (München) durchgeführte Repräsentativ-umfrage (bei 513 Personen) ergab folgendes Ergebnis: Für einen Gewaltverzicht mit der UdSSR sprachen sich 81 0/0 aus; 78 °/o äußerten, daß ein entsprechender Vertrag zur Entspannung beitragen werde. Dieses Ergebnis und andere Verlautbarungen (Kommentare, Leserbriefe usw.) lassen den vorläufigen, vorsichtigen Schluß zu, daß der Moskauer Vertrag von der Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung bejaht wird — und das ungeachtet ver-schiedener ernstzunehmender Tinzeivorbehalte

In Zukunft wird es vor allem darauf ankommen, eine Ostpolitik zu betreiben, bei der Bonn nicht allein und isoliert handelt. Die Bundesrepublik muß freilich — unter Festigung des westlichen Bündnisses — stärker als bisher von der Interessenlage der Staaten Ost-europas ausgehen. Es wird ihre große Aufgabe bleiben, beharrlich und konseguent eine wahrhaftige Politik des friedlichen Ausgleichs zu verfolgen und dabei zu berücksichtigen, daß das Jahr 1945 und seine Folgen Fakten geschaffen haben, die wir Deutschen bei bestimmten Garantien hinnehmen müssen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. jetzt: Herzfeld, H., Die Weimarer Republik, Frankfurt 1966.

  2. Vgl. Klemperer, K. v., Konservative Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München-Wien (o. J.) i Gay, P., Die Republik der Außenseiter. Geist und Kultur in der Weimarer Zeit 1918— 1933, Frankfurt 1970.

  3. Vgl. W. Hahlweg (Hrsg.), Lenins Rückkehr nach Rußland 1917, Leiden 1957, S. 88 ff.; H. Weber (Hrsg.), Völker hört die Signale. Der deutsche Kommunismus 1916— 1966, München 1967.

  4. Vgl. vor allem: Krummacher, F. A. und Lange H., Krieg und Frieden. Geschichte der deutsch-sowjetischen Beziehungen. Von Brest-Litowsk zum Unternehmen Barbarossa, München 1970, S. 51 ff., 201 ff.

  5. Vgl. Anm. 3 (Weber, a. a. O., S. 15 f.).

  6. Jetzt grundlegend: Wohlfeil, R., Reichswehr und Republik (1918— 1933), in: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, Frankfurt 1970, S. 233 11.

  7. Vgl. Epstein, J., Der Seeckt-Plan. Aus unveröffentlichten Dokumenten, in: Der Monat, II 2, 1948, S. 43 ff.

  8. Hierzu und zu dem folgenden: Linke, H. G., Deutsch-sowjetische Beziehungen bis Rapallo, Köln 1970.

  9. Vgl. Anm. 4.

  10. Vgl. z. B.den Entwurf seines Briefes an den Reichspräsidenten v. Hindenburg vom 8. 7. 1926, in: Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik. Serie B.: 1925— 1933, Bd. II/2, S. 98 ff., Göttingen 1967.

  11. Vgl. Stresemann. Reden und Schriften, Bd. 2, Dresden 1926, S. 50 ff. (Rundfunkrede zum Berliner Vertrag: 1. 5. 1926).

  12. Vgl. Krummacher, a. a. O, (s. Anm. 4), S. 181 ff.

  13. S. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, a. a. O. (Anm. 10), Bd. II/l, S. 69 ff.

  14. Vgl. Dyck, H. L., Weimar Germany and Soviet Russia 1926— 1933, New York 1966, S. 110 ff.

  15. Vgl. aus dem umfangreichen Schrifttum: Ullmann, H., Publizist in der Zeitenwende, München 1965, S. 74 ff.; Hans Steinacher. Bundesleiter des VDA 1933— 1937. Erinnerungen und Dokumente, hrsg. v. H. -A. Jacobsen, Boppard 1970, S. XXXV ff.

  16. Ebenda.

  17. Vgl. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, a. a. O. (s. Anm. 10), Bd. II/2, S. 345 ff.

  18. Vgl. z. B. die Aufzeichnung von Prof. Dr. Csaki v. 1925 (Bericht vor der Vollversammlung der deutschen Minderheitentagung), im: Bundesarchiv Koblenz, R 57 DAI 474/43.

  19. Vgl. Laqueur, W., Deutschland und Rußland, Berlin 1965, S. 213 f.; ferner: Stöckl, Günther, Osteuropa und die Deutschen. Geschichte und Gegenwart einer spannungsreichen Nachbarschaft, Oldenburg—Hamburg 1967; Fünfzig Jahre Osteuropa-Studien, hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, Stuttgart 1963.

  20. Vgl. hierzu: Bundesarchiv Koblenz, T-81/16, Erklärung Biskupskys v. 8. 9. 1939.

  21. Vgl. zuletzt: Jäckel, E., Hitlers Weltanschauung. Entwurf einer Herrschaft, Tübingen 1969, S. 29 ff.

  22. Vgl. Niclauss, K. H., Die Sowjetunion und Hitlers Machtergreifung, Bonn 1966, S. 122 ff.

  23. Einzelheiten jetzt: Jacobsen, H. -A., Nationalsozialistische Außenpolitik 1933— 1938, Frankfurt 1968, S. 403 ff.

  24. Vgl. hierzu die neueste sowjetische Publikation: Brus, W. S., Der Kampf der UdSSR um die Bildung des Systems kollektiver Sicherheit und die Politik der Westmächte (1933— 1935), Kiew 1969 (ukr.).

  25. Vgl.: Sommer Th., Deutschland und Japan zwischen den Mächten 1935— 1940, Tübingen 1962, S. 17 ff. Vgl. zur internationalen Lage jetzt auch: Funke, M., Sanktionen und Kanonen. Hitler, Mussolini und der internationale Abessinienkonflikt 1934— 1936, Düsseldorf 1970.

  26. Vgl. Jacobsen, a. a. O. (Anm. 23), S. 452 ff.

  27. Ebenda, S. 403 ff.

  28. Ebenda.

  29. Ebenda, S. 445 ff.

  30. Vgl. z. B. die Dok. Nr. 31 und 32 in: H. -A. Jacobsen, Mißtrauische Nachbarn, Deutsche Ostpolitik 1919/1970. Analysen und Dokumente, Düsseldorf 1970, S. 125 ff.

  31. Zur Vorgeschichte des 2. Weltkrieges vgl. jetzt: Graml, H., Europa zwischen den Kriegen, München 1969, S. 344 ff.,

  32. Ebenda, S. 384.

  33. Hierzu grundlegend: Hillgruber, A., Hitlers Strategie. Politik und Kriegführung 1940— 1941, Frankfurt 1965.

  34. Vgl. Jacobsen, H. -A., Zur Schlacht von Stalingrad, in: Probleme des 2. Weltkrieges, hrsg. v. A. Hillgruber, Köln-Berlin 1967, S. 145 ff.; aus sowjetischer Sicht: Samsonow, A. M., Stalingradskaja bitva, Moskau . 1* 968

  35. Vgl. Dallin, A., Deutsche Herrschaft in Rußland 1941— 1945, Düsseldorf 1958. Außerdem die Dokumente in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O., Nr. 45— 52, S. 152 ff., -s. auch: Broszat, M., Nationalsozialistische Polenpolitik 1939— 1945, Stuttgart 1961.

  36. Vgl. Dokumente Nr. 46— 50, in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O.

  37. Ebenda, Dokumente Nr. 54 und 55. Außerdem: Dallin, a. a. O. (s. Anm. 35).

  38. Vgl. Jacobsen, H. -A., Kommissarbefehl und Massenexekutiohen sowjetischer Kriegsgefangener, in: Anatomie des SS-Staates, Bd. II, Freiburg 1965, S. 163 ff.

  39. Vgl. jetzt allgemein: Grosser, A., Deutschland-bilanz. Geschichte Deutschlands seit 1945, München 1970, S. 57 ff., S. 479 ff. Außerdem: Besson, W., Die Außenpolitik der Bundesrepublik. Erfahrungen und Maßstäbe, München 1970, S. 50 ff. u. ö.

  40. Vgl. zur Bilanz der Epoche: Halle, L. J., Der kalte Krieg. Ursachen, Verlauf, Abschluß, Frankfurt 1969; Lukacs, J., Konflikte der Weltpolitik nach 1945, München 1970.

  41. Vgl. Buchan, A., Der Krieg in unserer Zeit, München 1968.

  42. Zur Entwicklung der Internationalen Lage nach 1945 (s. Anm. 40), zudem: Knapp, W., A History of War and Peace 1939— 1965, London-New York-Toronto 1967, S. 83 ff.; Bergsträsser, A. und Cornides, W. (Hrsg.), Die Internationale Politik 1955. Eine Einführung in das Geschehen der Gegenwart, München 1958.

  43. Vgl. allg., Weber, H., Von der SBZ zur DDR, 1945— 1968, Hannover 1968.

  44. Vgl. die umfassende Untersuchung von Schwarz, H. -P., Vom Reich zur Bundesrepublik, Neuwied-Berlin 1966.

  45. Ebenda; vgl. auch Dokument Nr. 64, in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O., S. 243 ff.

  46. Mißtrauische Nachbarn, a. a. O., S. 218 ff., 227 ff.

  47. Vgl. Schwarz, a. a. O. (Anm. 44); Dokument Nr. 65, in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O., S. 249 ff.

  48. Vgl. Adenauer, K., Erinnerungen 1945— 1953, Stuttgart 1965.

  49. Vgl. die Kritik von: Erdmenger, K., Das folgenschwere Mißverständnis. Bonn und die sowjetische Deutschlandpolitik 1949— 1955, Freiburg 1967.

  50. Vgl. Adenauer, a. a. O. (s. Anm.), S. 244 ff.

  51. Vgl. Anm. 49.

  52. Vgl. Weber, J., Das sowjetische Wiedervereinigungsangebot vom 10., 3. 1952. Versäumte Chance oder trügerische Hoffnung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament", B 50/69 (s. auch die Stellungnahme v. Zickenheimer, ebd., B 40/70 mit der Erwiderung von Weber, ebd.).

  53. Vgl. Wettig, G., Entmilitarisierung und Wieder-bewaffnung Deutschlands, München 1967.

  54. Vgl. Anm. 49; auch: Grosser, a. a. O. (s. Anm. 39), S. 386 ff.

  55. Vgl. Anm. 42.

  56. Vgl. Pfleiderer, K. G., Politik für Deutschland. Reden und Aufsätze 1948— 1956, Stuttgart 1961.

  57. Vgl. Bluhm, G., Die Oder-Neiße-Linie in der deutschen Außenpolitik, Freiburg 1963; Schweitzer, W., Gerechtigkeit und Friede an Deutschlands Ost-grenzen, Berlin 1964; Siegler, H. (Hrsg.), Dokumentation zur Deutschlandfrage, Bd. 1/2, Bonn-Wien-Zürich 1961. Vgl. auch die Dokumente Nr. 76 und 80, in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O.

  58. Vgl. Besson, a. a. O. (s. Anm. 39), S. 260 ff. Aus der Sicht der DDR: Geschichte der Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968, S. 205 ff.; vgl. auch: Nikolajew, P. A., Die Politik der UdSSR in der deutschen Frage 1945— 1964, Moskau 1966, S. 241 ff. (russ.).

  59. Zur internationalen Lage in den sechziger Jahren vgl. vor allem die Jahrbücher: Die Internationale Politik 1961, 1962, 1963, München 1964, 1968, 1969. Außerdem Besson und Grosser, a. a. O. (s. Anm. 39).

  60. Vgl. u. a. die Dokumente Nr. 87, 90, 95, 98, 100 und 103, in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O.; ferner: Bender, P., Zehn Gründe für die Anerkennung der DDR, Frankfurt 1968; Sommer, Th. (Hrsg.), Denken an Deutschland, Hamburg 1966; Dönhoff, M. Gräfin, Die deutsche Ostpolitik, Erlenbach-Zürich-Stuttgart 1968, s. darüber hinaus die Hinweise in: K. D. Bracher und H. -A. Jacobsen (Hrsg.), Bibliographie zur Politik in Theorie und Praxis, Düsseldorf 1970, S. 138 ff.

  61. Vgl. u. a.: Der Überdruß an der Demokratie (mit Beiträgen von K. Sontheimer, G. A. Ritter, E. Scheuch u. a.), Köln 1970; Kennan, G., Rebellen ohne Programm, Stuttgart 1968; Hennis, W., Die deutsche Unruhe, Hamburg 1969; S. Leibfried (Hrsg.), Wider die Untertanenfabrik, Köln 1967 2.

  62. Vgl. Dokument 103 in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O., S. 432 ff.

  63. Vgl. Anerkennung der DDR. Die politische und rechtliche Problematik. Studie einer Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (1968), hektogr.

  64. Vgl. Dokument Nr. 62, in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O., S. 232 f.

  65. Vgl. u. a.: Selbstvertrauen und Selbstbehauptung. Acht Reden zum politischen Standort der deutschen Heimatvertriebenen v. R. Rehs, Hamburg 1967; Grundsätze und Ziele deutscher Ost-politik. Bericht v. III. Kongreß Ostdeutscher Landesvertretungen, hrsg. v. Rat der Ostdt. Landesvertretungen, Leer 1967.

  66. Zu den Parteien vgl. allg.: Kaack, H., Die Parteien in der Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik, Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1964 2; Das geteilte Deutschland, a. a. O. (s. Anm. . 57), S. 138 ff.; Grundsatzerklärung der DKP v. 12. /13. 4. 1969.

  67. Vgl. die Dokumente Nr. 95, 107 in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O.

  68. Vgl. Baring, A., Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, München und Wien 1969; Schneider, F., Große Koalition. Ende oder Neubeginn?, München 1969; Besson a. a. O. (s. Anm. 39).

  69. Vgl. Schröder, G., Wir brauchen eine heile Welt. Politik in und für Deutschland, hrsg. v. A. Rapp, Düsseldorf-Wien 1963. Vgl. auch die Rede Schröders vom 3. 4. 1964, in: Europa-Archiv, 9/1964, D 248 ff.

  70. Vgl. hierzu die entsprechenden Jahrgänge des Europa-Archivs (1963— 1964).

  71. Vgl. Dokumente Nr. 85, in: Mißtrauische Nachbarn, a. a. O.

  72. Vgl. Anm. 70 (Schneider).

  73. Vgl. zu dieser Entwicklung vor allem die Berichte in: Europa-Archiv, 1967— 1969; außerdem die Loccumer Protokolle 17/1966 (Tschechoslowakei); 9/1968 (Die Bundesrepublik und Osteuropa). Ließ, O. R., Rumänien-Tradition und Erneuerung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament", B 11/1967.

  74. Vgl. Rasch, H., Bonn und Moskau. Von der Notwendigkeit deutsch-sowjetischer Freundschaft, Stuttgart 1969; Kaiser, K., German Foreign Policy in Transition. Bonn between East and West, London-Oxford-New York 1968.

  75. Vgl. Besson, a. a. O., (s. Anm. 39), S. 410 ff.

  76. Vgl. hierzu die Jahrgänge 1969/1970 des Europa-Archivs (Reg. -Erklärung v. 28. 10. 1969 usw.) ’.

  77. Vgl. zuletzt: Scheuner, U., Die Oder-Neiße-Grenze und die die Normalisierung der Beziehungen zum Osten, in: Europa-Archiv, 11/1970, S. 377 ff.

  78. Vgl. vor allem: Heidelmeyer, W. u. Hindrichs, G. (Hrsg.), Die Berlin-Frage. Polit. Dokumentation 1944 bis 1965, Frankfurt 1965; zum gegenwärtigen Stand der Diskussion: Nawrocki, J., Erbstück des Kalten Krieges usw., in: Die Zeit, 24. 7. 1970; 4., 11., 18. 9. 1970.

  79. Vgl. allg. auch: Außenpolitik nach der Wahl des 6. Bundestages, Opladen 1969.

  80. Bulletin des Presse-und Informationsamtes der BR, v. 4. 8. 1970.

Weitere Inhalte

Hans-Adolf Jacobsen, geb. 16. November 1925, o. Univ. -Prof. (Bonn). Veröffentlichungen u. a.: Zahlreiche Untersuchungen zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges (1956— 1965); Nationalsozialistische Außenpolitik 1933— 38, 1968; Hrsg.: Hans Steinacher, Erinnerungen, 1970; Mithrsg.: Bibliographie zur Politik in Theorie und Praxis, 1970.