Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Die Verbeamtung der Parlamente. Ursachen und Folgen des Übergewichts des öffentlichen Dienstes in Bundestag und Landtagen | APuZ 44/1980 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 44/1980 Parlamentarisches System der Bundesrepublik Deutschland -Stärken und Schwächen. Tradition und Neubeginn Verbändestaat — oder was sonst? Vorschläge zu einer Parlamentsreform Die Verbeamtung der Parlamente. Ursachen und Folgen des Übergewichts des öffentlichen Dienstes in Bundestag und Landtagen

Die Verbeamtung der Parlamente. Ursachen und Folgen des Übergewichts des öffentlichen Dienstes in Bundestag und Landtagen

Hartmut Klatt

/ 56 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Kritik an den Volksvertretungen in Bund und Ländern, deren Sozialstruktur durch ein Übergewicht des öffentlichen Dienstes gekennzeichnet ist, wird von vielen Seiten geübt: in der wissenschaftlichen Literatur, in den Massenmedien, aber auch von Politikern der verschiedenen Parteien. Aus einem akademischen Problem ist längst ein Politikum ersten Ranges geworden. Die Verbeamtung der Parlamente läßt sich nicht als Schlagwort abtun, sondern ist Ausdruck einer Entwicklungstendenz, die für die parlamentarische Willensbildung und für das Funktionieren unseres politischen Systems von vielen als problematisch angesehen wird. In bezug auf das Sozialprofil parlamentarischer Körperschaften in Bund und Ländern wird mit dem Begriff Verbeamtung der Tatbestand umschrieben, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes in Bundestag und Landtagen überproportional vertreten sind. Diese Erkenntnis ist nicht neu, wenn auch unterschiedliche Zahlenangaben in den vorhandenen Statistiken zu finden sind. Ausgangspunkt der Studie ist infolgedessen der empirisch belegte Trend zur Verbeamtung der Parlamente in der Bundesrepublik. So eindeutig diese Tendenz freilich sein mag und so häufig die Dominanz der öffentlichen Bediensteten in den Volksvertretungen beklagt wird, über das Faktum als solches, die Existenz der Beamten-parlamente, reichen die Aussagen selten hinaus. Die vorliegende Untersuchung hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, den Ursachen für die bestehenden Disproportionen in der Sozialstruktur von Bundestag und Landtagen sowie den Folgen dieser Entwicklung nachzugehen. Im Zusammenhang mit den Gründen für die Beamtenparlamente wird die historische Tradition, die rechtliche Normierung der Stellung öffentlicher Bediensteter im Parlament, der technokratische Aspekt sowie die spezifischen Bedingungen der innerparteilichen Kandidatenauslese analysiert. Mögliche Auswirkungen des Übergewichts von Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst werden hinsichtlich des Stils und der Arbeitsweise, der Gesetzgebungs-sowie der Kontrollfunktion des Parlaments überprüft. Rückwirkungen aus der Verbeamtung der Parlamente lassen sich auch mit Blick auf die innerparlamentarische Selektion und das Prinzip der sozialen Repräsentation feststellen. Abschließend werden mögliche Reformmaßnahmen diskutiert, die eine Korrektur der unausgewogenen Sozialstruktur bundesdeutscher Volksvertretungen bewirken könnten.

I. Vom akademischen Problem zum Politikum ersten Ranges

Die Sozialstruktur der Parlamente in Bund und Ländern ist kein Thema, das große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ein einzelner Aspekt aus diesem Bereich sozialwissenschaftlicher Forschung hat jedoch wiederholt Schlagzeilen gemacht. Unter dem Begriff Verbeamtung der Parlamente in der Bundesrepublik'ist in der öffentlichen Diskussion das zahlenmäßige Übergewicht der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in den Volksvertretungen kritisiert worden. Dabei wird Kritik an den Beamtenparlamenten von vielen Seiten geübt: in der wissenschaftlichen Literatur ebenso wie in den Massenmedien, aber auch von Politikern der verschiedenen Parteien. So hat der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann im März 1974 in einer Gesprächs-runde mit Vertretern der Spitzenorganisationen die rhetorische Frage gestellt, ob der öffentliche Dienst endgültig auf dem Wege sei, sich umzufunktionieren in einen Selbstbedienungsladen derer, die drin sind -Sein Nachfolger im Amt, Walter Scheel, hat mehrmals, wenn auch in kulanterem Ton, die große Zahl von Beamten in den Parlamenten der Bundesrepublik als eine problematische Entwicklung charakterisiert. In einem Interview betonte er:

Es ist ein Problem dadurch entstanden, daß die Parlamente in ihrer Zusammensetzung nicht mehr der Struktur der Bevölkerung entsprechen. Immer mehr Parlamentarier kommen alleine aus der Berufsgruppe der Beamten... Ich glaube, daß die Parteien dieser Veränderung eine gewisse Aufmerksamkeit widmen müssen, um die notwendige Bürgernähe zu erhalten."

Von Wissenschaftlern der verschiedenen Fachrichtungen ist warnend auf diese Entwicklung hingewiesen worden. So bemerkt Thomas Ellwein zur Zusammensetzung der Fraktionen: „Als besonderes Problem tritt ... von alledem nur das der Privilegierung und damit der fast unerträglichen Überrepräsentation der Beamten hervor ... Insgesamt muß dieser Zustand aber zu Bedenken Anlaß ge-I. Vom akademischen Problem zum Politikum ersten Ranges II. Abgeordneter gleich Beamter?

Zur Rechtsstellung der Volksvertreter III. Verbeamtung als Charakteristikum der Sozialstruktur von Bundestag und Land-tagen IV. Ursachen für die Beamtenparlamente in Bund und Ländern 1. Historische Tradition 2. Rechtliche Normierung der Stellung öffentlicher Bediensteter im Parlament Technokratischer Aspekt 4. Bedingungen innerparteilicher Kandidatenauslese V. Auswirkungen der Überrepräsentation des öffentlichen Dienstes in bundesdeutschen Parlamenten 1. Stil und Arbeitsweise 2. Gesetzgebung 3. Kontrollfunktion 4. Innerparlamentarische Selektion 5. Soziale Repräsentation VI. Mögliche Korrekturen des unausgewogenen Sozialprofils der Parlamente ben." 3) Drastischer noch beurteilt Bernhard Schäfers die Situation: „Hier sei noch ein Kritikpunkt am parlamentarischen System besonders hervorgehoben, der sich in der Bundesrepublik Deutschland zu einem Krisenherd des politischen und gesellschaftlichen Systems entwickeln kann. Gemeint ist die zunehmende Verbeamtung der Parlamente.''

Emst-Wolfgang Böckenförde sieht darin w.. eine Gefährdung der Legitimationskraft des repräsentativen Systems, die seit einigen Jahren deutlich sichtbar wird" Selbst im Kreise der hochangesehenen Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer ist dieses Thema bei den Beratungen zum parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes im Oktober 1974 angesprochen worden. Auf den Prozeß der Überrepräsentation einer Schicht oder eines Standes und den der Unter-repräsentation anderer Schichten und Interessen im Parlament eingehend, nannte Hermann Soell das Stichwort Verbeamtung des Parlaments. Eindringlich appellierte er an die Tagungsteilnehmer: „Man sollte sich also überlegen, ob es irgendwelche Gegensteuerungsmittel gibt.., damit diese Überrepräsentation eines Standes verhindert und damit auch das Defizit an Identifikationsmöglichkeiten der übrigen Schichten durch die gegenwärtige Zusammensetzung des Parlaments ausgeglichen werden kann." Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls in seinem Diätenurteil vom 5. November 1975 lakonisch und unüberhörbar bemerkt: „Es läßt sich sogar fragen, ob das in Bund und Ländern zu beobachtende unverhältnismäßig starke Anwachsen der Zahl der aktiven und inaktiven Angehörigen des öffentlichen Dienstes unter den Abgeordneten (Verbeamtung der Parlamente, sollte es sich fortsetzen, noch mit den Anforderungen eines materiell verstandenen Gewaltenteilungsprinzips vereinbar ist“

Damit hat die Problematik das Stadium der nur-akademischen Diskussion ganz offensichtlich verlassen; es ist zu einem Politikum ersten Ranges geworden. „Empörung reicht nicht mehr“ äußert der niedersächsische SPD-Politiker Peter von Oertzen, und der hessische CDU-Fraktionsvorsitzende Gottfried Milde sieht in der Tatsache, daß der Wettbewerb zwischen Abgeordneten-Kandidaten aus der privaten Wirtschaft und aus dem öffentli-chen Dienst immer geringer und schließlich ganz versiegen wird, „für die repräsentative Demokratie eine tödliche Gefahr" Kurt Biedenkopf ist überzeugt, die ungleichgewichtige parlamentarische Repräsentation der unterschiedlichen Segmente in der Gesellschaft berge zunehmend Konfliktstoff: „Wenn dieser Konflikt eines Tages zu einem politischen Konflikt wird, dann sind die Parlamente nicht mehr in der Lage, ihn zu lösen. Und dieser Konflikt kommt so sicher wie die Steuer auf uns zu." Schon deuten erste Anzeichen auf solche Konflikte innerhalb der Parteien hin. Bei der Kandidatenaufstellung der SPD zur nordrhein-westfälischen Landtagswahl am Mai 1980 kam es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen dem Gewerkschaftsflügel und der Rest-Partei 11). Von Entfremdung war die Rede, da die Mandatsträger bzw. -bewerbet nicht mehr der soziologischen Struktur der Wähler entsprächen. Selbst bei den Bundestagspräsidenten schlägt sich wachsendes Problembewußtsein deutlich nieder. Zwar haben Annemarie Renger, Karl Carstens und Richard Stücklen „überzogene Kritik" am hohen Beamtenanteil in den Parlamenten stets mit Nachdruck zurückgewiesen Eingeräumt wurde freilich immer, es sei wünschenswert, wenn andere soziologische Schichten und Berufsgruppen stärker vertreten wären.

Die Verbeamtung der Parlamente läßt sich mithin nicht als Schlagwort abtun, sondern ist Ausdruck einer Entwicklungstendenz, die für die parlamentarische Willensbildung und unser ganzes politisches System von vielen als problematisch angesehen wird. Selbst diejenigen Wissenschaftler, Publizisten und Parlamentarier, die eine reale Gefahr verneinen, äußern doch ein deutliches Unbehagen über diesen Zustand und sinnen auf Möglichkeiten der Abhilfe.

So eindeutig die Tendenz zur Verbeamtung von Bundestag und Landtagen sein mag und so häufig die Dominanz der öffentlichen Bediensteten in den Volksvertretungen beklagt wird, fällt gleichwohl eines ins Auge: Über das Faktum des Beamtenparlaments als solches gehen die Analysen selten hinaus. Schon über die Gründe und Ursachen für diese Entwicklung wird vielfach mit Schweigen hinweggegangen. über die Folgen der Verbeamtung der Parlamente, z. B. über die möglichen Auswirkungen auf den parlamentarischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozeß, über das Ausmaß der Interessenvertretung der im Parlament vertretenen sozialen Gruppen oder über die Geltung des Grundsatzes der sozialen Repräsentation, gibt selbst die Wissenschaft nur spärlich Auskünfte. Im Grunde ist es bei dem Hinweis von Heribert Schatz aus dem Jahre 1968 geblieben, wonach eine ins einzelne gehende soziologische und sozialpsychologische Untersuchung der Beamten im Bundestag bedauerlicherweise noch ausstünde

Da entsprechende Arbeiten nicht vorhanden sind, kann auch die vorliegende Studie nur ein erster Versuch sein, die Fragen nach den Ursachen für die Beamtenparlamente sowie nach den Auswirkungen des großen Anteils von Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst zu beantworten. In jedem Fall wäre es falsch, die vorliegende Untersuchung als Ausfluß der massiven Kritik am öffentlichen Dienst im allgemeinen oder als Beitrag zur Beamtenschelte im besonderen sehen zu wollen Worum es dem Autor allein geht, ist die Erhellung einer wichtigen Fragestellung aus dem Bereich der politischen Soziologie. Daß dabei die negativen Aspekte ebenso wie die positiven Faktoren aufgezeigt und als Voraussetzung für mögliche Korrekturen der Entwicklung gegeneinander abgewogen werden, ist für den Autor ein zentrales Anliegen.

II. Abgeordneter gleich Beamter? Zur Rechtsstellung der Abgeordneten

Unter Verbeamtung als juristischem Begriff wird die Überführung von Einzelpersonen oder bestimmten Personengruppen (z. B. Angestellten im öffentlichen Dienst oder von anderen Bewerbern aus dem nicht-öffentlichen Wirtschafts-und Verwaltungssektor) in das Beamtenverhältnis verstanden. Im übertragenen Sprachgebrauch werden mit diesem Begriff beamtenmäßige Mentalität bzw. Verhaltensweisen von einzelnen oder von Gruppen und bürokratische Organisationsformen bzw. Arbeitsprozesse umschrieben. Soweit sich die Problematik der Verbeamtung auf das einzelne Parlamentsmitglied, nicht auf die Volksvertretung insgesamt bezieht, ist der Abgeordnetenstatus angesprochen. Es stellt sich dann die Frage, ob die Mandatsinhaber als Beamte im rechtlichen und/oder im faktischen Sinne zu qualifizieren sind.

Die Behauptung, die Rechtsstellung der Abgeordneten sei beamtengleich oder beamtenähnlich ausgestaltet, erweist sich bei genauer Betrachtung als nicht haltbar. In der staatsrechtlichen Literatur besteht Übereinstimmung darüber, daß der Abgeordnete weder im verfassungsrechtlichen noch im strafrechtlichen oder haftungsrechtlichen Sinne mit dem Beamten gleichgesetzt werden kann, sondern geradezu als „begrifflicher Gegentyp des Bediensteten" aufgefaßt werden muß. Nach Art. 48 Abs. 2 GG kommt dem parlamentarischen Mandat Amtscharakter zu. Die Mitglieder des Bundestages stehen ebenso wie Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, nicht in einem Beamtenverhältnis zum Bund. Daß die rechtliche Sonderstellung des Abgeordneten nur mit der negativen Formel Nicht-Beamter umschrieben werden kann, rührt nach Arnold Köttgen von dem Dilemma her, daß auch im modernen Verfassungsstaat „keine Verdichtung des Abgeordneten zu einer prägnanten Rechtsfigur" erfolgt ist. Eine positive Umschreibung dieser Rechtsfigur hat davon auszugehen, daß den Parlamentsmitgliedern als Inhaber verfassungsmäßig konstituierter Ämter ein eigener verfassungsrechtlicher Status (Art 38 Abs. 1 GG als Grundrecht und weitere Rechte gemäß den Art. 46 ff. GG) zukommt und grundsätzlich Rechtsgleichheit der Abgeordneten untereinander besteht.

Die Abgrenzung der Rechtsstellung des Abgeordneten von der des Beamten beinhaltet weiterhin, daß Parlamentarier in kein öffentlich-rechtliches Dienst-und Treueverhältnis (analog dem besonderen Gewaltverhältnis, dem Beamten unterliegen) zum Staat oder irgendeinem Dienstherren treten. Für Parlamentsmitglieder bestehen nach Art. 38 Abs. 1 GG keinerlei beamtenrechtliche Dienst-oder Amtspflichten, deren Einhaltung erzwungen werden könnte. Zwar kann hieraus nicht gefolgert werden, daß den Parlamentariern keinerlei Pflichten im Zusammenhang mit der Mandatsausübung auferlegt würden. Aber diese Pflichten, die sich im einzelnen aus dem Grundgesetz bzw.der Geschäftsordnung des Bundestages ergeben, entsprechen doch in keiner Weise den im Beamtenrecht normierten dienstlichen bzw. außerdienstlichen Verhaltenspflichten der Beamten. Theodor Eschenburg hat folgerichtig aus der Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten das Recht der Mandatsträger abgeleitet, ihre Pflichten weitgehend selbst bestimmen zu können. So wie es für den Abgeordneten kein Aufsteigen im Amt analog der Beförderung im Rahmen der Beamtenlaufbahn gibt, existieren für MdB bzw. MdL keine disziplinarrechtlichen Sanktionen bis hin zur Entlassung aus dem Amt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Diätenurteil diese Auffassung nachhaltig unterstrichen, wenn es betont, der Abgeordnetenstatus habe sich zwar nicht im Kern, aber in mehrfacher Hinsicht erheblich geändert. Obwohl der Abgeordnete heute für die Inanspruchnahme durch sein zur Hauptbeschäftigung gewordenes Mandat und die im Parlament geleistete Tätigkeit bezahlt werde (Alimentation aus der Staatskasse; Mandatsgehalt), sei er dadurch natürlich nicht Beamter geworden, sondern Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger des freien Mandats und Vertreter des ganzen Volkes geblieben

Die mannigfachen Rückgriffe des Gesetzes über die Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Bundestages von 1977 auf das Beamtenrecht haben freilich, vor allem im Parlament und in den Massenmedien, zu dem Einwand geführt, der Abgeordnete sei dadurch verbeamtet und in eine Sonderlaufbahn des öffentlichen Dienstes hineingedrängt worden. Manche Indizien sprechen in der Tat für diese These. Der Bundestagsabgeordnete erhält wie ein Beamter für die Mandatszeit (aktive Dienstzeit) eine Vollalimentation aus der Staatskasse, deren Höhe laut Bericht des seinerzeit federführenden 2. Sonderausschusses des Bundestages nach dem Vorbild von Beamtengehältern bemessen wurde. Diese Vollalimentation der MdB ist einbezogen in ein kompliziertes Anrechnungssystem mit anderen Bezügen aus öffentlichen Kassen, wie es nur das Recht des öffentlichen Dienstes kennt. Bundestagsabgeordnete beziehen wie Beamte eine Altersversorgung in Form einer Staats-pension, ohne dafür eigene Beiträge leisten zu müssen. Und schließlich haben MdB Anspruch auf Beihilfen im Krankheits-, Geburts-und Todesfall wie Beamte. Gleichwohl wäre es verfehlt, aus diesen analogen Regelungen auf eine beamtenähnliche oder -gleiche Rechtsstellung der Mandatsinhaber zu schließen. Sie sind aus der Überlegung heraus getroffen worden, den Abgeordneten der Chancengleichheit wegen beim Zugang zum Parlament und während des Mandats eine soziale Sicherheit einzuräumen, wie sie in der Regel nur Beamte besitzen. Dies ändert nichts an ihrem spezifischen verfassungsrechtlichen Status und ihrem verfassungsmäßig konstituierten Amt besonderer Prägung.

III. Verbeamtung als Charakteristikum der Sozialstruktur von Bundestag und Landtagen

Der Bestandsaufnahme zur Verbeamtung der Parlamente muß eine Vorbemerkung vorausgeschickt werden. Im Zusammenhang mit den Fragen nach Ursachen und Folgen der Sozial-

Struktur parlamentarischer Körperschaften ist die Methode der Herkunftsanalyse (social background analysis) entwickelt worden. Mit Hilfe dieses sozialwissenschaftlichen Verfahrens wird eine Reihe von persönlichen Qualifikationsmerkmalen und Sozialdaten der Abgeordneten statistisch erfaßt und versucht, mögliche Auswirkungen der Personalstruktur auf Form und Inhalte der parlamentarischen Arbeit aufzuzeigen. Methodische Vorbehalte gegen die Analyse der sozialen Herkunftsmerkmale sind in zweierlei Hinsicht möglich

— Die vorhandenen Statistiken weichen in Kategoriebildung und Methodik oft voneinander ab. Generell bestehen drei Möglichkeiten, den beruflichen Hintergrund von Abgeordneten statistisch zu erfassen: 1. Ausgangsberuf (erlernter Beruf); 2. Beruf bzw. Erwerbsstellung unmittelbar vor der erstmaligen Mandatsübernahme; 3. berufliche Tätigkeit während der Mandatsausübung. Infolge der großen beruflichen Mobilität von Abgeordneten ist eine Abgrenzung zwischen diesen verschiedenen Kategorien schwierig. Darüber hinaus sind die Angaben der Abgeordneten häufig unvollständig bzw. ungenau und deshalb nur beschränkt verwertbar oder sogar unbrauchbar. — Die Aussagefähigkeit der Indikatoren, die bei der Analyse und Interpretation der Sozialstruktur von Parlamenten zur Messung einzelner Qualifikationsmerkmale und Einflußfaktoren benutzt werden, ist begrenzt. Zwar erlaubt die soziale Zusammensetzung politischer Führungsgruppen Rückschlüsse auf die Bedingungen des politischen Auswahlprozesses. Zudem können Veränderungen des Sozialprofils der Funktionselite im Parlament als Indikator von Wandlungen der Sozialstruktur und des gesellschaftlich-politischen Systems gewertet werden. Aber es erscheint problematisch, Einstellungen und Verhaltensweisen von Angehörigen politischer Führungsgruppen auf persönliche Daten, Lebenserfahrungen und die soziale Herkunft zurückzuführen. Anders ausgedrückt: Die Analyse sozialer Herkunftsfaktoren erlaubt letztlich keine sichere Prognose des Verhaltens.

Allgemein gilt, daß unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen und unter Einbeziehung empirischer Forschungsstrategien sozial-strukturelle Untersuchungen gleichwohl aussagekräftige und verwertbare Ergebnisse liefern Auf die vorliegende Studie bezogen heißt dies, daß von den methodischen Vorbehalten abgesehen werden kann. Die weiter unten genannten Zahlen und Statistiken zur Verbeamtung der Parlamente werden nämlich nur herangezogen, um offenkundige Entwicklungstendenzen in der personellen Zusammensetzung parlamentarischer Körperschaften zu verdeutlichen. Ungeachtet gewisser zahlenmäßiger Abweichungen stimmen alle Untersuchungen in dem Ergebnis überein, daß das Sozialprofil von Bundestag und Landtagen durch einen überproportionalen Anteil von Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst gekennzeichnet ist. Zweck der Statistiken in der folgenden Ist-Analyse kann es infolgedessen nur sein, eine Vorstellung über die Größenordnung derjenigen Abgeordnetengruppen zu gewinnen, die aufgrund ihrer Ausbildung und/oder ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst über bestimmte, besonders günstige Rahmenbedingungen bis zum Mandatserwerb verfügten und die nach der Mandatszeit eine sozial gesicherte Existenz (infolge von Versorgungsansprüchen bzw. Wiederverwendungsgarantie im öffentlichen Dienst) erwartet.

Im Hinblick auf die berufliche Zusammensetzung von Bundestag und Landtagen lassen sich zwei charakteristische Entwicklungstrends feststellen: Kontinuierlicher Anstieg der Zahl von Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst und als Folge davon ein massives Übergewicht der öffentlichen Bediensteten in den Parlamenten der Bundesrepublik. Schon von den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates kamen rund 60 Prozent aus dem Kreis der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes. Der Anteil der letzteren im Bundestag hat seit 1949 (rund 20 Prozent) stark zugenommen und betrug im 8. Bundestag (Beginn der Wahlperiode 1976) rund 42 Prozent. Erste statistische Erhebungen zur Sozialstruktur für den 9. Bundestag lassen erkennen, daß die Zahl der öffentlichen Bediensteten unter den Parlamentariern wie bisher bei knapp 40 % liegt. Jeder zweite Bonner Abgeordnete kommt inzwischen im weiteren Sinn aus dem öffentlichen Dienst. Zählt man nämlich die aktiven bzw.früheren Regierungsmitglieder und Parlamentarischen Staatssekretäre hinzu, dürfte sich der Prozentsatz auf die 50 Prozent-Marke erhöhen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich die ins Bundesparlament gewählten öffentlichen Bediensteten aus den verschiedensten Ebenen (Bund, Länder, Kommunen), Fachgebieten und Funktionsbereichen rekrutieren. Neben Verwaltungsbeamten aus der Ministerialbürokratie zählen beispielsweise Sozialberater und Fürsorgerinnen, Techniker und Ingenieure ebenso wie Bankbeamte, Rundfunkjournalisten oder Lehrer und Professoren zu diesem weitgefächerten Kreis. Bezogen auf die Gruppen im öffentlichen Dienst überwiegt der Anteil der Beamten den der öffentlichen Angestellten bei weitem. Symptomatisch erscheint aber, daß Arbeiter im öffentlichen Dienst vollständig sowie die unteren Laufbahngruppen von Angestellten und Beamten weitestgehend fehlen. Zu parlamentarischen Ehren bringen es fast ausschließlich Beamte des gehobenen und höheren Dienstes bzw. die entsprechenden Angestelltenkategorien. Erstmals mit der Wahl zum 8. Bundestag — dies läßt sich einigen statistischen Über-sichten entnehmen — hat sich die ansteigende Kurve der Beamtenparlamentarier im Bundestag erkennbar abgeflacht Dieser Trend hat in der 9. Wahlperiode angehalten. Noch ist allerdings nicht absehbar, ob dies (nur) eine Unterbrechung der steigenden Tendenz bedeutet, ob dies eine Stabilisierung des Anteils der öffentlichen Bediensteten auf höchstem Niveau markiert oder aber eine echte Tendenzwende signalisiert dergestalt, daß die Verbeamtung des Bonner Parlaments mittelfristig gesehen zurückgeht. In jedem Fall dürfte die Tendenz zum Beamtenparlament in den Ländern noch ausgeprägter sein als im Bund. Vergleichende Statistiken weisen aus, daß sich der Prozentsatz der Volksvertreter aus dem öffentlichen Dienst in den elf deutschen Landtagen im Laufe von zehn Jahren nahezu verdoppelt hat, nämlich von durchschnittlich 26, 8 Prozent im Jahre 1965 auf 45, 9 Prozent im Jahre 1975. Sogar für die kommunalen Vertretungskörperschaften zeichnet sich eine Entwicklung ab, wonach die Mitgliederzahl aus dem Bereich der Beamten und öffentlichen Angestellten zunimmt. Insgesamt läßt sich als Fazit festhalten: Der öffentliche Dienst stellt heute das Hauptrekrutierungsfeld für das parlamentarische Personal in Bund und Ländern.

Eine Überrepräsentation der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in den Parlamenten von Bund und Ländern ergibt sich zunächst im Vergleich mit anderen Berufsgruppen in Bun-destag und Landtagen. Rund 15 Prozent der Mitglieder des Bundestages sind hauptamtliche Funktionäre von Wirtschaftsverbänden, Interessenorganisationen und Parteien. Etwa 20 Prozent zählen zur Gruppe der Selbständigen und freiberuflich Tätigen. Angestellte in der Wirtschaft sind oder waren vor der Mandatsübernahme rund 15 Prozent der Bundestagsabgeordneten. Die Zahl der Arbeiter, nichtselbständigen Handwerker und Landwirte im Bonner Bundeshaus beträgt weniger als 5 Prozent.

Neben dem innerparlamentarischen Vergleich ist eine Gegenüberstellung der Sozialstruktur der Bundesrepublik mit dem Sozial-profil der Volksvertretung auf Bundesebene notwendig. Folgende Bezugsgrößen können dabei herangezogen werden:

— Gesamtbevölkerung;

— Zahl der Erwerbstätigen;

— Zahl der abhängigen Erwerbspersonen; — Wählerschaft (Wahlberechtigte).

Im Jahre 1977 zählte die Bevölkerung der Bundesrepublik 61, 4 Mio. Einwohner Bei Zugrundelegen der Vollbeschäftigten im öffentlichen Dienst (ohne Soldaten und ohne Vollzugsdienst des Bundesgrenzschutzes) von 3, 43 Mio. 1977 ergibt sich ein Anteil der öffentlichen Bediensteten an der Gesamtbevölkerung von 5, 6 Prozent. Setzt man die Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 1977 (25, 02 Mio.) ins Verhältnis zu den Vollbeschäftigten im öffentlichen Dienst, so beläuft sich der Anteil der öffentlichen Bediensteten auf 13, 7 Prozent. Im gleichen Jahr betrug der Anteil der öffentlichen Bediensteten an der Zahl abhängig beschäftigter Erwerbspersonen (21, 3 Mio.) 16, 1 Prozent. Bezogen auf die Zahl der Wahlberechtigten (42, 06 Mio.) bei der Bundestagswahl 1976 macht der öffentliche Dienst 8, 3 Prozent aus. Auch dieser sozial-strukturelle Vergleich läßt das deutliche Übergewicht der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in den Parlamenten erkennen.

Im Bundestag ist der öffentliche Dienst mithin siebenmal stärker als in der Bevölkerung und stärker als unter den Erwerbstätigen vertreten. Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch relativiert, daß andere soziale Gruppen ebenfalls parlamentarisch überrepräsentiert sind. Gemessen an der Bevölkerung der Bundesrepublik und an der Zahl der Erwerbstätigen zeigt das Sozialprofil des Bundestages auch ein statistisches Übergewicht der ver-handlichen Angestelltenschicht (Partei-und Verbandsfunktionäre, Angestellte von Großunternehmen) sowie der Selbständigen und freiberuflich Tätigen. Arbeiter, abhängig beschäftigte Landwirte sowie Angestellte kleinerer Betriebe (z. B. Handwerk, Einzelhandel) sind dagegen kraß unterrepräsentiert. Die zahlenmäßig stärkste Berufsgruppe unter den Erwerbstätigen in der Bundesrepublik ist im Bundestag praktisch nicht direkt vertreten.

IV. Ursachen für die Beamtenparlamente in Bund und Ländern

Den Ursachen für die bestehenden Disproportionen soll im folgenden nachgegangen werden. Die Untersuchung der im Prozeß der Führungsauswahl offenbar wirksamen Restriktionen gehört nämlich, wie Dietrich Herzog zu Recht betont zu den bedeutendsten Aufgaben einer demokratietheoretisch orientierten Forschung.

1. Historische Tradition

In Deutschland hat entscheidend der Absolutismus zur Qualifizierung des Beamtentums als fachlicher Elite beigetragen. Konsequenterweise bilden in der konstitutionellen Monarchie im Deutschland des 19. Jahrhunderts die Staatsdiener, verkörpert in der Beamtenschaft, neben Adel und Militär die dritte staatstragende Säule. Als Folge dieser Entwicklung waren die Beamten und Staatsangestellten in den deutschen Parlamenten seit dem Vormärz stark, verglichen mit anderen Berufsgruppen überproportional, vertreten. In den von Honoratioren geprägten parlamentarischen Versammlungen, in denen das Besitzend Bildungsbürgertum begrenzte politische Mitwirkungsrechte realisierte, spielten die Staatsbediensteten infolge ihrer fachlichen Qualifikation die Rolle einer politischen Elite. Schon der deutsche Frühkonstitutionalismus wird als „Beamtenparlamentarismus“ apostrophiert und die 60 bis 80 Prozent Beamte der Abgeordnetenschaft bilden den Hintergrund für den Stoßseufzer Heinrich von Gagems 1841: „Die neue hessische Kammer wird womöglich noch schlechter werden als die frühere; d. h. noch mehr Staatsdiener und noch weniger unabhängige Leute." Diese Tradition setzt sich fort in der Frankfurter National-Versammlung 1848/49, in den Landtagen der deutschen Einzelstaaten, vor allem Preußens, ebenso wie im Reichstag der Bismarckzeit.

In bestimmten Phasen der politischen Entwicklung (Frankfurter Nationalversammlung, preußischer Landtag beim Verfassungskonflikt 1 862/66) verteidigte die große Mehrheit dieser politischen Elite im Parlament vehement liberale Ideen und Ziele und gewann auf diese Art und Weise Ansehen als progressive politische Kraft. Daß nach 1880 der Anteil der Staatsdiener im kaiserlichen Reichstag tendenziell zurückging, ist wohl mit der Veränderung des parteipolitischen Spektrums im Berliner Wallotbau zu erklären. Die liberalen Fraktionen, insbesondere die Nationalliberalen, die den größten Beamtenanteil zählten, büßten kontinuierlich Stimmen und Mandate zugunsten der Sozialdemokratien ein, in deren Reihen die Zahl der Beamten gering war. Im Reichstag der Weimarer Republik, Ausdruck des parlamentarischen Systems, konnte der öffentliche Dienst mit durchschnittlich einem Drittel an parlamentarischen Vertretern jedoch eine durchaus starke Position behaupten.

Rechtliche Voraussetzung für die Tradition deutscher Beamtenparlamente war die generelle Vereinbarkeit von parlamentarischem Mandat und öffentlichem Amt. Im Gegensatz zu Großbritannien und den Vereinigten Staaten, die seit jeher und ohne Ausnahme vom Grundsatz der Nichtwählbarkeit (Ineligibilität) von Angehörigen des öffentlichen Dienstes ausgehen wird den Beamten in Deutschland das passive Wahlrecht uneingeschränkt garantiert. Erst nach 1945 vollziehen sich in diesem Bereich grundlegende Änderungen; An die Stelle der Vereinbarkeit tritt die Unvereinbarkeit vom Amt und Mandat, d. h. eine Beschränkung der Wählbarkeit öffentlicher Bediensteter.

2. Rechtliche Normierung der Stellung der öffentlichen Bediensteten im Parlament

Für die Tendenz, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes in Bundestag und Landtagen dominieren, hat sich die rechtliche Ausgestaltung der Stellung der Beamtenabgeordneten als wichtiger, häufig allerdings überschätzter Faktor erwiesen. Durch die Gesetze seit 1949 über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat sind öffentliche Bedienstete während der Mandatsausübung in den Parlamenten von jeder Dienstleistung im Amt freigestellt

Mit dem Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 1975 wurde eine Neubestimmung der Abgeordneten-Rechtsstellung in Bundestag und Landtagen eingeleitet. Diese Neuordnung ist inzwischen auch mit der Verabschiedung grundlegend umgestalteter Abgeordnetengesetze in Bund und Ländern abgeschlossen worden. Neben der Besteuerung der Entschädigung als normalem Einkommen der Abgeordneten, einer Erhöhung der Grunddiäten und der Entschädigung für mandatsbedingten Aufwand sowie einer Verbesserung der parlamentarischen Altersversorgung sehen die neuen Regelungen einschneidende Änderungen der bisherigen Rechtsposition von Staatsbediensteten in den Parlamenten vor. Da für verfassungswidrig befunden, fallen die Ruhebezüge von Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Parlament als arbeitslose Einkommen und finanzielle Privilegien ersatzlos weg. Die geltende Regelung für den Bundestag bestimmt demgemäß für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst das Ruhen der Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis für die Dauer der Parlamentsmitgliedschaft. Der Anspruch auf Gehalt oder Ruhebezüge während der Mandatszeit entfällt! Beförderungen oder Höher-gruppierungen werden unmöglich, da der öffentliche Bedienstete mit der Annahme der Wahl aus seinem Amt bzw. Arbeitsverhältnis ausscheidet.

Daneben ist eine umfassende Unvereinbarkeit von Amt und Mandat für alle öffentlichen Bediensteten in Bund und Ländern statuiert worden. Sie erfaßt nun auch Hochschulprofessoren (mit einer Übergangsregelung für die 8. Wahlperiode) und Wahlbeamte auf Zeit, nicht aber Arbeiter im öffentlichen Dienst. Beim Zusammentreffen mehrerer Bezüge aus öffentlichen Kassen besteht ein Anrechnungssystem. Die Entschädigung (Vollalimentation aus der Staatskasse) bzw. die parlamentarische Altersversorgung werden auf Bezüge aus einem Amtsverhältnis oder einer Verwendung im öffentlichen Dienst angerechnet. Die Fort-zahlung der Dienstbezüge während des Wahlvorbereitungsurlaubs von bis zu zwei Monaten entfällt. Damit ist der fragwürdigen Praxis der Parteien ein Riegel vorgeschoben worden, die bisher in großer Zahl öffentliche Bedienstete auf aussichtslose Plätze der Landeslisten setzten, um sich auf diese Weise aus Steuer-geldern finanzierte Wahlhelfer zu sichern. Der Wiederverwendungsanspruch nach Mandats-ende und damit eine generelle soziale Absicherung über die Mandatszeit hinaus ist jedoch erhalten geblieben. Der aus dem Bundestag ausscheidende Bedienstete wird grundsätzlich nur auf eigenen Antrag wieder in das frühere Dienstverhältnis übernommen. Im übrigen ruhen die Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis weiterhin bis zum Eintreten des Versorgungsfalles. Eine Pflicht zur Rückkehr in den öffentlichen Dienst auch gegen den Willen des betroffenen Ex-Abgeordneten besteht, wenn dieser weder dem Bundestag zwei Wahlperioden angehört noch das 55. Lebensjahr vollendet hat. Im Grundsatz entsprechende Regelungen haben auch die Landtage getroffen.

3. Technokratischer Aspekt

Abgesehen von (bisher) wenigen Ausnahmen von Abgeordneten ohne oder mit nur zeitlich kurzer Berufserfahrung geht dem Mandatserwerb und einer sich anschließenden politischen Karriere in der Regel eine berufliche Laufbahn voraus. Von entscheidender Bedeutung dabei ist, daß sich die Möglichkeiten, aus der beruflichen Sphäre in den politisch-parlamentarischen Bereich überzuwechseln, als unterschiedlich groß erweisen. Die besonderen Bedingungen der Berufswelt führen dazu, daß die Möglichkeiten einer Kandidatur für öffentliche Wahlämter, insbesondere für Parlamentsmandate, auf wenige, sozial privilegierte Gruppen beschränkt bleiben. Neuere Studien zur Sozialstruktur parlamentarischer Körperschaften, insbesondere die Untersuchung von Herzog stimmen in einem Punkt überein: Die Grundvoraussetzung für politisches Avancement mit einer erfolgreichen Kandidatur um ein Parlamentsmandat als Abschluß liegt in einer intensiven, kontinuierlichen und langwährenden Mitarbeit in den Parteien und ihrer verschiedenen Gremien. Größere Chancen, in den Parteien Karriere zu machen und von den Gremien als Mandatsbewerber nominiert zu werden, haben demzufolge Angehörige von Berufsgruppen, die — genügend Zeit für die Mitarbeit in den Parteigremien zur Verfügung haben, d. h. beruflich abkömmlich sind und zeitlich genügend Dispositionsmöglichkeiten haben, um Partei-funktionen wahrnehmen zu können;

— für die inhaltliche (programmatische) und organisatorische Arbeit in den Parteien verfügbares Dienstwissen mitbringen, sei es, daß dieses Dienstwissen aus Kenntnissen und Erfahrungen der Ausbildung resultiert, sei es, daß dieses Dienstwissen der größeren Politiknähe bestimmter Berufstätigkeiten entstammt; — bestimmte soziale Techniken (Redetalent, Formulierungsgabe, Argumentationstechnik) beherrschen, die sie im Rahmen ihrer Ausbildung bzw. ihres Studiums und/oder ihrer vorhergehenden beruflichen Tätigkeit erworben haben.

Lehrer beispielsweise haben zeitliche Dispositionsmöglichkeiten, um sich an Nachmittagen und Abenden für die Partei zu engagieren. Die Beherrschung sozialer Techniken gilt bereits als Voraussetzung für ihre Berufstätigkeit.

Verwaltungsbeamte oder -angestellte höherer Ränge verfügen über politisch verwertbares Dienstwissen und in der Regel auch über technische Hilfsmittel (Telephon, Fotokopierer, Sekretärin), die für die Kommunikation und für die organisatorische Arbeit in der Partei von Vorteil sind.

Wer dagegen als Arbeiter, selbständiger Handwerker oder nicht in leitender Position tätiger Angestellter infolge beruflicher Beanspruchung nur nach Feierabend politisch aktiv werden kann, schafft nur selten den Durchbruch in der Partei bzw.den Sprung ins Parlament Das gleiche gilt übrigens für Arbeiter im öffentlichen Dienst, für Angestellte der unteren und mittleren Vergütungsgruppen sowie für Beamte im einfachen und mittleren Dienst.

Angehörigen dieser sozialen Gruppe, obwohl vom Status her den Inhabern höherer Berufs-positionen im öffentlichen Dienst grundsätzlich vergleichbar, sind hinsichtlich der „technokratischen“ Voraussetzungen beim Mandatserwerb derart massiv benachteiligt, daß auch sie faktisch vom Zugang zum Parlament ausgeschlossen sind.

4. Bedingungen innerparteilicher Kandidatenauslese Auf einen weiteren Faktor, der für die Verbeamtung der Volksvertretungen in der Bundesrepublik maßgebend ist, muß in diesem Zusammenhang besonders deutlich hingewiesen werden. Nicht nur in den Parlamenten von Bund und Ländern, sondern auch in den Parteien dominiert der öffentliche Dienst. Dies hat naturgemäß Folgen für die innerparteiliche Kandidatenauslese und deren Ergebnisse.

Statistische Erhebungen lassen eindeutig erkennen, daß die öffentlichen Bediensteten unter den aktiven Parteimitgliedern, unter den Funktionsträgern der Parteien und schließlich unter den parteioffiziellen Bewerbern für ein Mandat überproportional vertreten sind.

In einer Studie über „Mitgliederzahlen der Parteien und ihre räumliche Verteilung 1977", die Michael Bretschneider 1978 im Namen des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin (West) vorgelegt hat, werden u. a. Daten über Parteimitglieder als Funktionsinhaber in Gebietsgliederungen für die SPD mitgeteilt

Dabei ergab sich: Je höher die Führungsebene der Partei, desto stärker geht der Anteil der Arbeiter in den Vorständen (Vorsitzender, Stellvertreter, Kassierer, Beisitzer) zurück und um so größer wird der Anteil von Angestellten und Beamten. 29 Prozent der rund eine Million SPD-Mitglieder werden als Arbeiter (Facharbeiter) eingestuft. Während auf Ortsvereinsebene noch 27, 4 Prozent dieser Beschäftigungsgruppe Funktionen innehaben, beträgt ihr Anteil schon auf Unterbezirksebene nur noch 7, 5 Prozent; auf Bezirksebene sinkt dieser Anteil gar auf ganze 6, 8 Prozent.

Genau entgegengesetzt verläuft die Verteilung bei den Beamten: Dem Mitgliederanteil in der Partei von 10 Prozent steht in den Orts-vereinen ein Funktionärsanteil von 18, 9 Prozent gegenüber. Dieser Anteil verdoppelt sich fast in den Vorständen auf der Ebene der Unterbezirke (34, 8 Prozent) und der Bezirke (34, 6 Prozent). Da die Angestellten im öffentlichen Dienst nicht gesondert ausgewiesen werden, dürfte der Prozentsatz der öffentlichen Bediensteten in Parteifunktionen noch höher liegen. Im innerparteilichen Wettbewerb aller Mandatsaspiranten erweisen sich nun aber, wie alle einschlägigen Untersuchungen ergeben, Vorstandsposten auf Ortsvereins-, Unter-bezirks-und Bezirksebene als ideales Sprungbrett für aussichtsreiche Kandidaturen in Wahlkreisen und auf Landeslisten.

Eine Bestätigung für diese Theorie läßt sich den Statistiken über die amtlich zugelassenen Bewerber bei Bundestags-bzw. Landtagswahlen entnehmen. Als Beispiel sei hier die baden-württembergische Landtagswahl am 16. März 1980 angeführt Von den 210 Erst-kandidaten, die die im Landtag vertretenen Parteien CDU, SPD und FDP in den 70 Wahlkreisen aufgestellt haben, stammten 117, also über 60 Prozent, aus dem öffentlichen Dienst. In fünf Wahlkreisen, so die Erhebung, waren alle drei Parteikandidaten öffentliche Bedienstete. In weiteren 31 Wahlkreisen standen von insgesamt drei Bewerbern auf dem Stimmzettel jeweils zwei Kandidaten im Dienst des Staates. In 30 Wahlkreisen hatte jeweils nur eine Partei als Erstkandidaten einen Beamten oder öffentlichen Angestellten aufgestellt. Nur in vier Wahlkreisen Baden-Württembergs hatten die Stimmberechtigten die Wahl zwischen Kandidaten, die nicht aus dem öffentlichen Dienst kamen. Anders ausgedrückt: Selbst wenn die Wähler nicht, wie in aller Regel üblich, ihre Stimme gemäß Parteipräferenz abgegeben, sondern den sozialen Status der Bewerber zum Kriterium ihrer Stimmabgabe gemacht hätten, wäre es in mehr als der Hälfte der Wahlkreise (in denen mindestens zwei Drittel der Erstbewerber aus dem öffentlichen Dienst kamen) eine „Wahl ohne Auswahl" gewesen. Dieses Bild gewinnt noch an Deutlichkeit, wenn die politischen Erfolgschancen der Erstbewerber in den Wahlkreisen (67 von 70 Mandaten erhielt die CDU; die FDP war nur über die Zweitauszählung erfolgreich) in Rechnung gestellt werden.

V. Auswirkungen der Überrepräsentation des öffentlichen Dienstes in bundesdeutschen Parlamenten

Nicht nur die Ursachen der Verbeamtung der gesetzgebenden Körperschaften, sondern auch die Folgen dieser Entwicklung für Form und Inhalt der parlamentarischen Arbeit sind von größtem Interesse. Denn erst wenn die Auswirkungen hinreichend klar umrissen sind, kann beurteilt werden, ob konkrete Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Parlamente und die Legitimationskraft des repräsentativen Systems erkennbar sind, die Maßnahmen zur Reform notwendig machen.

1. SUI und Arbeitsweise

Die einseitige Sozialstruktur der parlamentarischen Körperschaften in der Bundesrepublik bedingt typische Muster auf der Ebene der Sprache, des politischen Stils und der Arbeitsweise. Der oftmals unpolitische Charakter der Plenardebatten in Bundestag und Landtagen ist bis zu einem gewissen Grad darauf zurückzuführen, daß sachverständige Abgeordnete aus dem öffentlichen Dienst und Verbandsexperten dazu neigen, fachbezogene Auseinandersetzungen über gesetzgeberische Details der Diskussion grundsätzlicher politischer Probleme und lebenswichtiger Themen vorzuziehen. Hansjörg Häfele merkt in diesem Zusammenhang an, die Beamtenmentalität führe häufig zu fleißiger detaillierter Gesetzgebungsarbeit, statt daß sich die Abgeordneten auf die politischen Grundentscheidungen konzentrierten und die Einzelausführung der Bürokratie überließen. In der legislativen Arbeit der Landtage, so haben empirische Untersuchungen ergeben, schlägt sich diese Tendenz deutlich nieder. Die Gesetze enthalten immer weniger allgemeine Regelungen, die auf eigentlich politische Entscheidungen zurückgehen; dagegen nehmen die technischen, organisatorischen und ausführenden Bestimmungen, die eigentlich auch durch die Verwaltung entschieden werden könnten, an Umfang immer mehr zu Neben den Hang zum Detail tritt die Neigung zum Perfektionismus. Alle nur möglichen Sachverhalte gesetzlich zu regeln, selbst diejenigen, die eigentlich keiner Regelung bedürfen, gilt als Nachweis parla-mentarischer Leistung. Der Trend zur Gesetzesflut dürfte damit vorprogrammiert sein. Neben dem Verhandlungsstil und der Qualität der gesetzgeberischen Arbeit sind zwei weitere Charakteristika von Beamtenparlamenten zu nennen: Die formelhafte Sprache in den Plenardebatten (juristischer Fachjargon, Beamtendeutsch) sowie die Neigung zur „freundschaftlichen Zusammenarbeit" im Sinne eines Harmoniemodells als Verhaltensmuster von Abgeordneten in vielen Beratungsgremien reflektieren die personelle Zusammensetzung der Parlamente.

Damit stellt sich generell die Frage, ob ein direkter Zusammenhang zwischen der großen Zahl öffentlicher Bediensteter in den Volksvertretungen von Bund bzw. Ländern und der Bürokratisierung der Parlamente besteht. Von manchen Abgeordneten und Beobachtern werden die bürokratischen Strukturen in der Aufbau-und Ablauforganisation gesetzgebender Körperschaften in der Tat auf das parlamentarische Personal aus dem öffentlichen Dienst zurückgeführt Gegen diese These ist allerdings einzuwenden, daß die Organisationssoziologie schon seit langem das Problem der Bürokratisierung als durchgängige Erscheinung bei Großorganisationen aller Art identifiziert hat. Max Weber war es, der auf die Notwendigkeit rationaler Organisation und bürokratischer Strukturen als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit und Effizienz moderner Verwaltungsapparate hingewiesen hat Spezialisierung, Arbeitsteilung und bürokratische Regelung der Arbeitsabläufe stellen Kriterien dar, nach denen Wirtschaftsbetriebe, Großunternehmen, Behörden, Parteien und Interessenverbände gleichermaßen organisiert sind. Verfassungsmäßig konstituierte Kollegialorgane wie Bundestag oder Landtage unterliegen als Großorganisationen den gleichen, zumindest ähnlichen Funktionsbedingungen, sollen die verschiedenen Aufgaben des Parlaments effizient wahrgenommen werden. Dies gilt unabhängig davon, wie groß die Zahl der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in den Parlamenten ist. Badura und Reese haben denn auch ihr „Modell eines bürokratischen Parlaments“ aufgrund ihrer Erkenntnisse über die Sozialisation von Jungparlamentariern im Bundestag, nicht aber mit Blick auf die Verbeamtung der Parlamente, entwickelt. Abgesehen von möglichen Einwänden gegen ihre Thesen räumen freilich auch die Kritiker des bürokratischen und technokratischen Parlaments die Zweckmäßigkeit eben dieser Strukturen in Großorganisationen und in der modernen industriellen Gesellschaft ein. Man wird sich in Zukunft möglicherweise zu der Einsicht durchringen müssen, so resümiert Reese, „daß das bürokratische Parlament in der Tat am besten den Erfordernissen einer Zeit entspricht, in der der Sachverstand immer unentbehrlicher wird“

2. Gesetzgebung

Ausgangspunkt unserer Untersuchung ist die Frage, ob sich bei der Beratung der Gesetze und der Haushaltspläne im Parlament das zahlenmäßige Übergewicht der Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst auswirkt. Die These, daß der überdurchschnittlich große Anteil der öffentlichen Bediensteten in den gesetzgebenden Körperschaften die überproportionale Wahrnehmung und Durchsetzung der spezifischen Interessen dieser Berufsgruppe bedeute, erfordert eine Analyse des parlamentarischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozesses. Dabei steht das Recht des öffentlichen Dienstes (Beamtenrecht), die Verwaltungsorganisation und die Personalstruktur der Ministerien bzw. Behörden, soweit diese Materien von den gesetzgebenden Körperschaften geregelt werden, im Vordergrund. Die erste Phase des formalen Gesetzgebungsverfahrens bis zum Kabinettsbeschluß ist gekennzeichnet durch die Erarbeitung von Referentenentwürfen innerhalb der Ministerialbürokratie. Auf Bundesebene ist hierfür die Dienstrechtsabteilung des Innenministeriums federführend zuständig. Die Ansichten und Wünsche der Interessenverbände gehen in die legislativen Vorarbeiten im Rahmen gesetzlich vorgeschriebener Beteiligungsgespräche zwischen dem Bundesinnenministerium und den Spitzenorganisationen des öffentlichen Dienstes ein. Im Kabinett ist es nicht selten, daß sich der Innenminister mit seiner Vorlage auch gegen den Regierungschef durchsetzt, sei es aus sachlichen, koalitionspolitisehen oder wahltaktischen Motiven. Nach Presseberichten soll z. B.der Gesetzentwurf zur Änderung besoldungs-und versorgungsrechtlicher Vorschriften 1980, der u. a. höhere Eingangsämter für den mittleren und gehobenen Dienst sowie ein Spitzenamt A 9 mit Amtszulage für herausgehobene Funktionen im gesamten mittleren Dienst vorsieht, gegen den erklärten Widerstand des Bundeskanzlers das Kabinett passiert haben

Im parlamentarischen Bereich kann die Plenarphase vernachlässigt werden, da hier im allgemeinen keine ins einzelne gehenden Änderungen des materiellen Teils der Gesetzentwürfe mehr erfolgen. Im Plenum steht sehr viel mehr die öffentliche Erläuterung der jeweiligen Standpunkte der Fraktionen und die Abgrenzung gegenüber dem parteipolitischen Gegner zur Debatte. Der eigentliche Willensbildungsprozeß vollzieht sich in den Ausschüssen und in den Fraktionen, wobei letztere wiederum maßgeblich durch die zuständigen Arbeitskreise und -gruppen determiniert werden. Soweit Belange des öffentlichen Dienstes betroffen sind, erweisen sich der Innenausschuß (in der Ausschußphase) sowie die Arbeitskreise für Inneres der drei Bundestagsfraktionen als die wichtigsten Stationen für legislative Gestaltung und parlamentarische Einflußnahme auf die Gesetzgebung. In diesen Gremien, die aufgrund ihrer Beschlußempfehlungen an das Plenum bzw. die Fraktionsvollversammlung Vorentscheidungen treffen, sind nun allerdings Interessierte und, personell identisch, Spezialisten weitgehend unter sich. Von 27 ordentlichen Mitgliedern des Innenausschusses des Bundestages kommen über 70 Prozent (20 MdB) aus dem öffentlichen Dienst. Nur sieben Abgeordnete und Ausschußmitglieder können diesem Bereich im engeren Sinne nicht zugeordnet werden. Entsprechend sind die Arbeitskreise der Fraktionen personell zusammengesetzt.

Die Vermutung liegt nahe, daß die Mehrheit im Fraktionsarbeitskreis bzw. im Ausschuß im Zweifelsfalle nicht gegen ihre eigenen Interessen handelt, denn der sonst wirksame parteipolitische Kontrollmechanismus in Gestalt der Opposition funktioniert in diesen Fällen nicht. Die Interessengemeinschaft des öffentlichen Dienstes geht quer durch die Fraktionen; berufsspezifische Gesichtspunkte überlagern parteipolitische Präferenzen und überschreiten Fraktionsgrenzen, über 40 Prozent Angehörige des öffentlichen Dienstes heißt in der parlamentarischen Praxis, auf solide Mehrheiten rechnen zu können. Konkurrierende Parlamentsgremien, etwa der Haushaltsausschuß, oder innerfraktionelle Vetogruppen bieten sich als Widerlager an, werden aber nur selten als solche genutzt.

Bei dem Teilzeitarbeits-Gesetzentwurf gelang es der Gruppe der Sozialpolitiker in der SPD-Fraktion immerhin, die Fraktionsvollversammlung als Filter zu aktivieren und durch Fraktionsbeschluß die Modifizierung der Vorlage zu erzwingen. Dem „Streichquartett“ des Haushaltsausschusses war es wiederholt zu verdanken, daß die Stellenanforderungen der Bundesministerien rigoros gekürzt wurden. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung besoldungs-und versorgungsrechtlicher Vorschriften 1980 im Parlament 41a) empfahl der Haushaltsausschuß dem federführenden Innenausschuß, die strukturellen Verbesserungen für den mittleren und gehobenen Dienst deutlich zu reduzieren. Mit ungewöhnlicher Klarheit stellte man im Haushaltsausschuß fest: „In der Vorlage würden aber die . Kleinen'nur vorgeschoben, damit später . oben an der Pyramide’ nachgeschoben werden könne. Die Zulagen, die in diesem Gesetzentwurf gefordert würden, seien daher nur , die Spitze eines Eisberges'." Im Bundesrat kontrollieren Landesregierungen und Landesbürokratien die einschlägigen Gesetzentwürfe besonders im Hinblick auf die Landeskompetenzen, die finanziellen Auswirkungen und die Verwaltungspraktikabilität Ein wirksamer Filter für die Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes ist im Bereich der Ländervertretung nicht zu erkennen. Der Gesetzesvollzug liegt wiederum in den Händen der Verwaltung. Für den Bereich des öffentlichen Dienstrechts sind hierbei die Innenministerien zuständig. Insgesamt läßt sich also für das formale Gesetzgebungsverfahren feststellen, daß sich das zahlenmäßige Übergewicht der Parlamentarier aus dem öffentlichen Dienst zugunsten dieser Abgeordnetengruppe auswirkt. Zwar wäre es verfehlt, von Gesetzgebung in eigener Sache zu sprechen; da jedoch die formelle Opposition ausfällt, soweit es um spezifische Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes geht verringern sich die notwendigen Kontrollmechanismen im parlamentarischen Entschei-dungsprozeß in dem Maße, in dem gleichgerichtete Interessen massiert auftreten. Die geltenden Inkompatibilitätsvorschriften schließen dabei die Einflußmöglichkeiten der öffentlichen Bediensteten im Parlament auf die allgemeinen Statusrechte der Beamten und andere gesetzlich zu regelnde Materien des öffentlichen Dienstes nicht aus Von Bedeutung ist nur, daß mit dem Abgeordnetengesetz des Bundestages von 1977 die unmittelbare Mitbestimmung der Beamtenabgeordneten über ihre eigene Rechtsstellung (Besoldung u. ä.) von einem mittelbaren Mitspracherecht abgelöst worden ist. Gesetzesbeschlüsse des Bundestages zur Beamtenbesoldung dürfen sich nach dem Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr direkt auf die Höhe der Ruhebezüge von MdB aus dem öffentlichen Dienst und allgemein auf die Diäten auswirken. Parlamentarische Entscheidungen zum Beamtenstatus werden jedoch weiterhin, nämlich nach Wiedereintritt in den aktiven Dienst, für die Beamtenabgeordneten relevant.

Im Gesetzgebungsverfahren müssen gleichwohl zwei Faktoren beachtet werden, die einer völlig überzogenen Interessenvertretung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Parlament entgegenwirken: Zum einen ist hier auf die soziale Heterogenität zu verweisen, die das politische Gewicht der Beamten-Abgeordneten in Ausschüssen und Arbeitskreisen reduziert. Die öffentlichen Bediensteten im Parlament bilden keine homogene soziale Gruppe, sondern kommen aus verschiedenen Laufbahnen und unterschiedlichen Berufsfeldern. Sie können deshalb nicht in allen beamtenrechtlichen Fragen als interfraktionell geschlossener Block auftreten oder ein quer durch die drei Bundestagsfraktionen einiges „Kartell" bilden. Unterschiedliche Interessen dürften z. B. bei Besoldungsfragen gemäß der Zugehörigkeit zu bestimmten Lauf-bahnen relevant werden. Während Angehörige des einfachen, mittleren und gehobenen Dienstes eher für strukturelle Besoldungserhöhungen (im Sinne eines einheitlichen Sockelbetrages oder der Einführung einer Kappungsgrenze) eintreten werden, um eine Nivellierung des Gehaltsgefüges nach oben zu erreichen, dürften sich Beamte des höheren Dienstes eher für lineare Besoldungserhöhungen und damit für die Aufrechterhaltung eines differenzierten Besoldungsgefüges aussprechen. Auch bei Ausbildungsanforderungen und -Vorschriften wird keine Interessenidenti-tät unterstellt werden können. Jedoch hinsichtlich allgemeiner und übergreifender Fragen, z. B. mit Blick auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums oder die Anpassung der Besoldung an die allgemeine Einkommensentwicklung, werden die Betroffenen problemlos übereinstimmen.

Zum anderen ist der Faktor Verbandszugehörigkeit zu beachten. Abgeordnete, die dem Deutschen Beamtenbund (DBB) angehören, werden beispielsweise bei der Reform des öffentlichen Dienstrechts andere Positionen vertreten als MdB bzw. MdL, die Mitglied der DGB-Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) sind. Während die ÖTV ein einheitliches Dienstrecht für alle öffentliche Bediensteten und die Aufspaltung in ein Status-bzw. Folgerecht mit verschiedener Regelungskompetenz anstrebt, fordert der DBB die Angleichung des Rechts der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst an das Beamtenrecht und damit die Bewahrung der Eigenständigkeit des Beamtentums. Unterschiedliche Auffassungen und gegenläufige Interessen von Parlamentariern aus dem öffentlichen Dienst mit verschiedener Verbandszugehörigkeit existieren z. B. auch beim Personalvertretungsrecht.

Da die Ausschüsse des Bundestages ebenso wie die Arbeitskreise der Fraktionen nicht-öffentlich tagen und die entsprechenden Sitzungsprotokolle vertraulich sind, kann eine inhaltliche Analyse des parlamentarischen Entscheidungsprozesses zu den einschlägigen Gesetzesmaterien nicht geleistet werden. Für die Hypothese, daß das Übergewicht der öffentlichen Bediensteten im Parlament sich positiv auf den Inhalt all derjenigen Regelungen auswirkt, die den öffentlichen Dienst betreffen, lassen sich allerdings eine ganze Reihe historischer und aktueller Anhaltspunkte anführen. Den möglichen Einfluß von Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Parlament auf die Gesetzgebung hat für die Weimarer Republik der preußische Ministerpräsident Otto Braun in seinen Erinnerungen aufgezeigt, wenn er ausführt: „Bei der Behandlung dieser Beamtenfrage (i. e. einer Besoldungsreform, d. Verf.) wurde mir ein schwacher Punkt des neudeutschen Parlamentarismus offenbar. Nämlich das passive Wahlrecht der öffentlichen Beamten. Dieses hatte zur Folge gehabt, daß von den 493 Reichstagsabgeordneten 156 dem Beamtenstande angehören... Die Parteien delegierten nun aber meist in die Ausschüsse zur Vor-beratung der Gesetzentwürfe die mit der Materie vertrauten Abgeordneten, d. h. für Beamtenfragen meist die Beamten-Abgeordneten. Diese kamen dadurch in die Lage, in ihren eigenen Angelegenheiten, auch über ihre eigene Besoldung, wenn auch nicht endgültig zu entscheiden, so doch die Entscheidung des Parlaments überaus stark zu beeinflussen. Denn die Ausschußmitglieder waren meist ausschlaggebend für die Abstimmungsdirektiven der Fraktionen im Plenum des Parlaments."

Auch bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, als der Parlamentarische Rat 1948/49 das Grundgesetz ausarbeitete, läßt sich eine deutliche Beziehung zwischen dem Übergewicht der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Parlamentarischen Rat und einer weitgehenden Berücksichtigung von speziellen Interessen dieser sozialen Gruppe im Grundgesetz feststellen. Werner Sörgel 44a) führt die starke Vertretung der Beamten unter den Abgeordneten des Parlamentarischen Rates (60 Prozent) als einen wichtigen Faktor dafür an, daß das Grundinteresse der westdeutschen Beamtenschaft — die verfassungsrechtliche Sicherung der Institution des Berufsbeamtentums und der erworbenen Rechte der Beamten — sich am Ende doch sehr weitgehend im Grundgesetz durchzusetzen vermochte. Da keine Berufsgruppe im Parlamentarischen Rat gleichermaßen zahlreich vertreten war, sei die direkte verfassungsrechtliche Wahrung der Beamteninteressen in Form von Art 33 Abs. 4 GG außerordentlich erleichtert worden.

Sehr viel schärfer noch beurteilt Peter Merkl den Einfluß der Abgeordneten des Parlamentarischen Rates aus dem öffentlichen Dienst auf die Bestimmungen des Grundgesetzes: . Außerdem gab es noch eine vierte Interessengruppe, die keiner Organisation bedurfte, um dem Grundgesetz ihren Willen aufzuzwingen: das Berufsbeamtentum. Diese Intressengruppe verfügte über eine beträchtliche Mehrheit im Parlamentarischen Rat. In Anbetracht dessen kann es nicht überraschen, daß der Status, die Sicherheit und die traditionellen Privilegien des Berufsbeamtentums durch verschiedene Vorkehrungen im Grundgesetz gewährleistet sind."

Daß die von einem Übergewicht des öffentlichen Dienstes gekennzeichnete soziale Zusammensetzung des Parlamentarischen Rates sich in seiner verfassungsgebenden Arbeit niedergeschlagen hat, zeigt nicht zuletzt auch die im Grundgesetz fixierte Lösung der beschränkten Wählbarkeit öffentlicher Bediensteter in die Parlamente. Es kann als gesichert gelten, daß die Vorstellungen der westlichen Besatzungsmächte, insbesondere der USA und Großbritanniens, analog den Regelungen in ihren Ländern auf die generelle Nicht-Wählbarkeit (Ineligibilität) der deutschen Staatsdiener abzielten. Diese alliierten Vorstellungen wurden aber bereits im Parlamentarischen Rat konterkariert Art. 137 Abs. 1 GG sieht nur eine gesetzliche Beschränkung der Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern in Bund, in den Ländern und den Gemeinden vor. Dabei bleibt die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gewahrt, denn selbst die Beschränkung der Wählbarkeit ist nur als Kann-Vorschrift im Grundgesetz enthalten.

Der Konflikt setzte sich bis ins Wahlrecht fort Während nach alliiertem Besatzungsrecht Richter, Beamte oder Angestellte bei Annahme der Wahl in den 1. Deutschen Bundestag ohne weiteres aus dem öffentlichen Dienst auszuscheiden hatten (Grundsatz der Nicht-wählbarkeit öffentlicher Bediensteter), sah das noch vom Parlamentarischen Rat verabschiedete Wahlgesetz zum 1. Bundestag bereits eine entscheidende Verbesserung der Recht. Stellung der ins bundesdeutsche Parlament gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes vor. Für Richter, Beamte und Angestellte im Dienst des Bundes war jetzt nur noch die Versetzung in den Wartestand — ohne Anspruch auf Wartegeld, aber mit dem Recht auf Wiedereinstellung nach Mandatsende — vorgeschrieben. Anfang 1951 wurde im Bundestag ein interfraktioneller Antrag zu einem Rechtsstellungsgesetz eingebracht. Ein Wartegeld für im Wartestand befindliche Angehörige des öffentlichen Dienstes war nicht vorgesehen. Im Bundestagsausschuß für Beamtenrecht wurde dieser Antrag drastisch verändert, und zwar zugunsten der öffentlichen Bediensteten. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, die in den Bundestag gewählt worden waren, hatten danach im Ruhestand Anspruch auf Wartegeld. Nach dem Rechtsstellungsgesetz, das zu Ende der 1. Wahlperiode verabschiedet wurde und das die zeitlich befristete Rege-lung für die 1. Legislaturperiode ablöste, unterlagen Angehörige des öffentlichen Dienstes einer Unvereinbarkeit von Amt und Mandat. Bei Mandatsübernahme traten sie in den Ruhestand bei Fortzahlung der erdienten Ruhebezüge. Kritiker nannten die Regelung maliziös „Gesetz zur Beförderung von Beamten in den Bundestag".

Auch über die erste Wahlperiode des Bundestages hinaus läßt sich eine Reihe von Belegen finden, die Frido Wagener auf folgenden Nenner gebracht hat: „Richtig beobachtet ist wohl auch die hinter dem ungeheuren Wust des Beamten-, Besoldungs-, Laufbahn-, Stellenplan-, Tarifvertrags-usw. usw. -rechts leicht zu verschleiernde . Selbstbedienung'des öffentlichen Dienstes mit Hilfe des Gesetzgebers. Wer die Klinke der Gesetzgebung in der Hand hält, drückt sie auch manchmal hinunter und steckt seinen eigenen Fuß in die Tür.“ Einige frühere und aktive Bundestagsabgeordnete seien hier zitiert. Dieter Lattmann spricht davon, das Beförderungssystem und die Besoldungsskala mit Milliardenkonsequenzen befänden sich ziemlich fest in der Hand der Betroffenen Nach Ulrich Lohmar zeigt sich die politische Relevanz des Übergewichts von Verbandsgeschäftsführern und Angehörigen des öffentlichen Dienstes auch in der Expansion des öffentlichen Personalbereichs Gerhard Kienbaum stellt fest, daß Beamte bei der Gesetzesflut, bei der Ausweitung öffentlicher Aufgaben sowie der Vermehrung des öffentlichen Dienstes mithelfen und in den Parlamenten „ihre vermeintlich berechtigten Interessen" massiv fördern Kurt H. Biedenkopf hat betont, die Bevölkerung frage sich in zunehmendem Maße, ob die Beschlußfassung dieser Parlamente, vor allem, wenn es um materielle Dinge, wie zum Beispiel die Festsetzung der Beamtenbezüge geht, überhaupt noch den Interessen der Allgemeinheit entspreche

Dabei wird den Abgeordneten die Entscheidung durch die Vorarbeit der Ministerialbürokratie oft sehr erleichtert. Wie Holger Börner auf Befragen eingeräumt hat, läßt sich in einzelnen Fällen beweisen, daß „nicht immer hier objektiv, sondern auch nach dem Interesse der betreffenden Gruppe (der öffentlichen Bediensteten, d. Verf.) Vorlagen an das Parlament gemacht werden" Bezeichnend für diese Situation war auch, daß Annemarie Renger als Bundestagspräsidentin von betroffenen Parlamentskollegen heftig attackiert wurde, als sie noch vor dem Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts öffentlich den Vorschlag machte, die Beamtenabgeordneten für die Zeit der Mandatsausübung ohne Bezüge in den Ruhestand zu versetzen

Es wäre jedoch unzutreffend, aus den oben genannten Beispielen zu folgern, der öffentliche Dienst könne im parlamentarischen Entscheidungsprozeß seine Interessen stets durchsetzen. Dagegen spricht, daß trotz der Verbeamtung der Parlamente die gesetzgebenden Körperschaften wiederholt drastische Einsparungen im Verwaltungsbereich beschlossen und Eingriffe in die Rechtsposition der öffentlichen Bediensteten vorgenommen haben. Erinnert sei dazu an das Haushaltsstrukturgesetz von 1975, das für die Jahre 1976 und folgende gravierende materielle Einbußen (z. B. bei Ortszuschlag, Beihilfen und Pensionsgrenze) für Angehörige des öffentlichen Dienstes bedeutete. über die von der Bundesregierung im Bundeshaushaltsplan 1976 eingesparten 1 000 Planstellen hinaus wurden für 1976 von einer Gruppe der Koalitionsfraktionen SPD und FDP weitere 1 556 Planstellen und Stellen gestrichen, obwohl dies zu heftigen fraktionsinternen Auseinandersetzungen führte und bei der interfraktionellen Beamtenriege auf Ablehnung stieß.

Zudem erweist sich die Annahme, aufgrund des parlamentarischen Übergewichts der öffentlichen Bediensteten sei die Gesetzgebung in Bund und Ländern generell zugunsten der Beamten und öffentlichen Arbeitnehmer und zu Lasten aller anderen sozialen Gruppen und Bevölkerungsschichten ausgestaltet worden, aufs ganze gesehen als nicht haltbar. Eine Korrelation zwischen dem Sozialprofil von Bundestag bzw. Landtagen und dem Inhalt der Gesetzgebung läßt sich nämlich nicht herstellen. Die Überrepräsentation der Angehörigen des öffentlichen Dienstes und die krasse Unter-repräsentanz der Arbeiter ändert nichts daran, daß seit 1949 die grundsätzlichen Interessen der Bevölkerung im großen und ganzen befriedigt wurden. Dies geht teilweise auch auf die massive Interessenvertretung gesellschaftlicher Großorganisationen von außen zurück (z. B.der Gewerkschaften im Interesse der Arbeitnehmer) und schließt Abweichungen nach oben oder unten (Privilegierung bzw. Unterprivilegierung bestimmter Gruppen im einzelnen) natürlich nicht aus

Man sollte sich auch nicht der Illusion hingeben, als sei der Kreis von Angehörigen des öffentlichen Dienstes die einzige Abgeordnetengruppe im Parlament, die bestimmte berufsbezogene Interessen vertritt Daß Parlamentarier über sie unmittelbar begünstigende statusrechtliche Regelungen zu entscheiden haben, und damit vor Interessen-bzw. Gewissenskonflikte gestellt sind, gilt auch in anderen Fällen. Mitglieder des Bundestages stimmen als praktizierende Rechtsanwälte beispielsweise mit über die Bundesrechtsanwalts-Gebührenordnung ab, und Vertreter der pharmazeutischen Industrie entscheiden mit anderen Abgeordneten über das Arzneimittel-recht. Der Wirtschaftsausschuß des Bundestages ist ebenso eine Domäne von Unternehmern, Wirtschaftsmanagern und leitenden Angestellten von Wirtschaftsverbänden wie der Ernährungsausschuß das Hauptbetätigungsfeld von Landwirten und Vertretern landwirtschaftlicher Interessenorganisationen darstellt. Den sozialpolitischen Ausschuß im Bundeshaus beherrschen ganz überwiegend die Gewerkschaftsvertreter. Lapidar stellte deshalb der frühere Bundeskanzler Kiesinger in seiner Regierungserklärung fest, in vielen Ausschüssen entschieden die Vertreter der betroffenen Interessengruppen über ihre eigenen Angelegenheiten Dabei liegt es auf der Hand, daß in diesen Gremien versucht wird, für die betroffenen Berufsgruppen im legislativen Entscheidungsprozeß Vorteile zu erreichen resp. Nachteile zu verhindern.

Generell ist zu berücksichtigen, daß partikulare Interessen im Parlament zu verfolgen nicht systemwidrig ist. Der einzelne Abgeordnete kann gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG durchaus interessenorientiert handeln und entscheiden, sofern solche Festlegungen nicht von anderen Kriterien (parteipolitische Präferenz, innerfraktionelle Geschlossenheit, wahl-taktisches Kalkül) überlagert werden. Als problematisch erweist sich deshalb nicht das Berufsspektrum bzw. die Verbandsfärbung parlamentarischer Gremien al solche; Gefahren bringt vielmehr die relativ große Zahl von Abgeordneten in Ausschüssen und Fraktionsarbeitskreisen mit sich, die bei Großunternehmen, bei Interessenverbänden der Wirtschaft oder bei Gewerkschaften hauptamtlich angestellt sind und die u. a. aus materiellen Gründen bzw. beruflicher Abhängigkeit die Interessen ihrer Arbeitgeber im Parlament weitaus intransingenter verfechten, als dies Nur-Mitglieder oder ehrenamtliche Funktionäre einer Berufsorganisation oder eines Interessenverbandes in der Regel tun.

Infolge ihrer rechtlich und sozial gesicherten Stellung verfügen die Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Parlament über ein großes Maß an Unabhängigkeit. Gegenüber parlamentarischen Interessenvertretern und außer-parlamentarisch wirkenden Verbänden können die Beamten-Abgeordneten deshalb als Widerlager fungieren und als Filter für massive Interessen einzelner Verbände dienen. Ob diese Ausgleichsfunktion aufgrund materieller Unabhängigkeit während und nach der Mandatszeit zu der Schlußfolgerung berechtigt, die Beamten-Abgeordneten seien als das „Gewissen für das Ganze" im Parlament anzusehen darf freilich bezweifelt werden. Auch Abgeordnete aus anderen Berufsbereichen bzw. sozialen Gruppen denken bei ihrer parlamentarischen Arbeit in Kategorien des Gemeinwohls und orientieren sich am Grundsatz der Verfassung, wonach sie Vertreter des ganzen Volkes sind.

3. Kontrollfunktion

Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ist die Gewaltenteilung ein fundamentales Organisationsprinzip unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Ausfluß des Gewaltenteilungsgrundsatzes sind die funktional getrennten Gewalten Exekutive, Legislative und Rechtsprechung. Die klassische Doktrin der Gewaltenteilung ist jedoch in zweifacher Hinsicht durch das parlamentarische System modifiziert worden. Einerseits ist das Verhältnis von Legislative und Exekutive bewußt auf Gewaltenverschränkung angelegt. Die Parlamentsmehrheit bildet aus sich heraus die Regierung und unterstützt diese im Regelfall. Die Regierung ist dem Parlament gegenüber verantwortlich und bedarf des fortdauernden Vertrauens der Mehrheitsfraktion(en). Andererseits wird seit Inkrafttre-ten des Grundgesetzes durch die Möglichkeit von Unvereinbarkeitsbestimmungen zwischen parlamentarischem Mandat und öffentlichem Amt gemäß Art. 137 Abs. 1 GG die Gewaltenteilung verschärft. Inkompatibilitätsregelungen wie im Bund schließen die Zugehörigkeit zum Verfassungsorgan Bundestag und damit die Mitwirkung bei der Gesetzgebung bei gleichzeitiger Ausübung einer besonderen Funktion in der Verwaltung und der damit verbundenen Verpflichtung zur Ausführung der im Parlament beschlossenen Gesetze aus. Durch die Normierung der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat ist die funktionale Gewaltenteilung durch die personelle Gewaltenteilung ergänzt worden.

Die unmittelbare Folge des Übergewichts von Beamten und öffentlichen Angestellten im Parlament besteht in einer Verletzung der materiellen Gewaltenteilung, während das Gewaltenteilungsprinzip im formellen Sinn durch die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat gewahrt bleibt. Auf diese Gefahr hat das Bundesverfassungsgericht im Diätenurteil warnend hingewiesen Durch das Ruhen der Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis wird nämlich die Verbindung von Amt und Mandat nicht grundsätzlich aufgehoben, sondern durch den Anspruch der öffentlichen Bediensteten im Parlament auf Wiederverwendung fortgeführt. Dagtoglou spricht von der Inkompatibilität als einer „latenten Kumulation von Amt und Mandat“ Sie bewirkt eine indirekte Identität von kontrollierenden Beamten-Abgeordneten und kontrollierter Verwaltung und führt zu einer Aushöhlung des Gewaltenteilungsprinzips im materiellen Sinn. Durch die personelle Verflechtung zwischen Legislative und Exekutive kann die Effizienz der parlamentarischen Kontrolle allgemein beeinträchtigt werden. Häfele konstatiert eine verminderte Spannung zwischen Legislative und Exekutive und erklärt dies mit der Gefahr zu großer Solidarität bzw. Kameraderie zwischen Beamten-Abgeordneten und Verwaltungsbeamten. Die Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst würden die besonderen Beziehungen zu ihrem Ministerium weiter pflegen und sich im Zweifelsfall mit ihren ehemaligen Kollegen solidarisch verhalten. Lang-jährige Tätigkeit in der Regierungsbürokratie kann außerdem dazu führen, bestimmten Vorgehensweisen und Praktiken der Exekutive weniger kritisch gegenüberzustehen. Plastisch, wenn auch überpointiert, wird die personelle Verflechtung zwischen Parlament und öffentlichem Dienst als „heilige oder unheilige Allianz“ charakterisiert und die Problematik an folgendem Szenario verdeutlicht Die Ministerialbürokratie erarbeitet Gesetzentwürfe; das Beamtenparlament berät die Vorlagen unter Assistenz der Bürokratien von Bund und Ländern in den Ausschüssen und verabschiedet sie im Plenum; der Bundesrat stimmt zu nach Beratungen in den Ausschüssen unter Assistenz der Länderbürokratien; die Verwaltung vollzieht die Gesetze; Ministerialbeamte verfassen den maßgeblichen Kommentar, mit dessen Hilfe die Gerichte Streitfälle entscheiden.

Wer mit Helmut Herles die These vertritt: „Politik und Parlament leben also nicht nur vom Nachwuchs aus dem öffentlichen Dienst, über den die Exekutive die Legislative mit Zufuhr versorgt, womit die Kontrollierten ihre eigenen Kontrolleure werden ... muß freilich die Heterogenität des öffentlichen Dienstes berücksichtigen. Eine Schwächung der parlamentarischen Kontrollfunktion durch personelle Verflechtung zwischen Legislative und Exekutive kann allenfalls auf der Ebene der Ministerialbürokratie vermutet werden. Ellwein hat deshalb betont: „Sofern Beamte Erfüllungsgehilfen der politisch Verantwortlichen sind, wird es aber zum ernsten Problem, wenn sie gleichzeitig als Staatsbürger Politiker aus eigenem Recht sind."

Ein positiver Aspekt dürfte allerdings darin zu sehen sein, daß die öffentlichen Bediensteten im Bundestag und in den Landtagen ihren Sachverstand, ihre Kenntnis über Aufbau und Arbeitsweise der Bürokratie sowie ihre Verwaltungserfahrung bei der Gesetzgebung und der parlamentarischen Kontrolle nutzbringend anwenden können. Diese Verwaltungserfahrung kann, was mitunter übersehen wird, nicht nur von noch aktiven Beamten in die parlamentarische Arbeit eingebracht werden, sondern ebenso von Angehörigen des öffentli-eben Dienstes, deren Rechte und Pflichten während der Mandatszeit ruhen. Eine Differenzierung dahin gehend, der verwaltungspolitische Sachverstand der Beamten-Abgeordneten werde mehr in der bürokratischen Routinearbeit des Parlaments und weniger im Sinne der parlamentarischen Kontrolle benutzt, ist in dieser Form nicht haltbar.

Zudem dürfte bei der Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollfunktion im allgemeinen das Interesse der Opposition auf rückhaltlose Aufklärung von Mißständen und Fehlverhalten in der Verwaltung höher zu veranschlagen sein als die Tendenz zum Schweigen infolge aktiver Solidarität mit früheren Kollegen der Dienststelle oder des Ministeriums. Die Grundlinien des parlamentarischen Regierungssystems werden auch in solchen Fällen sichtbar: Nicht das Parlament kontrolliert Regierung und Verwaltung, sondern die Opposition kritisiert und kontrolliert mit Blick auf die nächsten Wahlen. Sie praktiziert diese Kontrolle öffentlich, jedoch meist ohne sichtbaren Erfolg, weil ohne Mehrheit und damit ohne Chance zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen und Absichten. Die Mehrheitsparteien unterstützen in der Regel ihre Regierung und halten sie im Amt. Kritik und Kontrolle wird meist hinter verschlossenen Türen geübt, dafür aber um so deutlicher und im Zweifelsfall mit durchschlagendem Erfolg.

4. Innerparlamentarische Selektion

Nach Max Weber ist das Parlament Stätte der politischen Führungsauslese. Erst die Bewährung der Mandatsinhaber in parlamentarischen Funktionen befähigt zum Aufstieg in politische Ämter und Regierungspositionen. Für den Bundestag gilt, daß er seiner bisher Aufgabe als Auslesestätte gerecht geworden ist. Für die Bundesrepublik generell besagen Statistiken, daß 96 Prozent aller politischen Führungspositionen aus der Abgeordnetentätigkeit erwachsen gesehen vollzieht sich dieser Rekrutierungs-und Selektionsprozeß in zwei Stufen. Der öffentliche Dienst im weitesten Sinn stellt derzeit, wie oben dargelegt, das Hauptrekrutierungsfeld für das parlamentarische Personal dar. Im Parlament selbst, also auf der zweiten Stufe, verengt sich die Auswahl des Führungspersonals wiederum auf die Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Das parlamentarische Management rekrutiert sich nämlich zu einem großen Teil aus dem Bereich der Mandatsinhaber, die aus dem öffentlichen Dienst stammen. Letztere haben, wie sich zeigt, nicht nur innerhalb des Bundestages bessere Aufstiegschancen, sondern befinden sich auch bei der Auswahl für politische Ämter, Regierungs-bzw. hohe Verwaltungspositionen im Vorteil. Kritisch resümiert Dagtoglou diesen Vorgang dahin, die Verwaltung werde zum Vorfeld parlamentarischer Karrieren gemacht

Zählt man zum parlamentarischen Management die Mitglieder des Präsidiums, des Ältestenrates und die Vorsitzenden der Ausschüsse einerseits, die Mitglieder der Fraktionsvorstände, die Parlamentarischen Geschäftsführer sowie die Vorsitzenden der Fraktions-Arbeitskreise andererseits, so ergibt sich für den Bundestag ein recht eindeutiges Bild. Die Mitglieder der engeren bzw. erweiterten Fraktionsvorstände im Bonner Parlament kommen zu rund 50 Prozent aus dem öffentlichen Dienst. Von den drei Fraktionen weist lediglich die FDP ein von diesem durchschnittlichen Prozentsatz nach unten abweichendes Ergebnis auf. über die Hälfte der Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse kann, gemessen an der beruflichen Herkunft, dem öffentlichen Dienst zugerechnet werden. Von den 28 Mitgliedern des Ältestenrates zählen dagegen nur elf (40 Prozent) zu dieser Gruppe, was besonders auf die vom statistischen Durchschnitt abweichenden Mitglieder des Bundestagspräsidiums zurückzuführen ist Was den Aufstieg in politische Spitzenpositionen betrifft, so hat Kaack für den 7. Bundestag festgestellt, daß die größten Chancen, in Führungspositionen gewählt zu werden, offensichtlich jene Abgeordneten haben, die bereits vor Beginn ihrer Bundestagstätigkeit Berufs-politiker im Bereich von Parteien, Parlamenten oder Regierungen waren. Funktional, nicht mit Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis, werden zu diesem Kreis Minister ohne bisheriges Bundestagsmandat, Staatssekretäre, hauptamtlich tätige Landes-und Kommunalpolitiker, Partei-und Fraktionsangestellte sowie Ministeriaireferenten in parteiorientiert besetzten Positionen gezählt. Nach den Berechnungen Kaacks stellt diese Gruppe 18, 9 Prozent der Abgeordneten, aber 31, 2 Prozent der Führungspersonen. Auch an diesem Punkt werden die Auswirkungen des Übergewichts der Abgeordnetengruppe aus dem öffentlichen Dienst auf innerparlamentarische Selektionsprozesse und Aufstiegschancen deutlich.

Die Gründe für die besseren Aufstiegschancen der Beamten-Abgeordneten ins parlamentarische Management und in politische Spitzenpositionen sind größtenteils identisch mit den Mechanismen, die bei der Kandidatenauslese innerhalb der Parteien den Ausschlag geben. öffentliche Bedienstete brauchen neben dem Mandat keiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Infolge des gesetzlichen Verbots der Ausübung des Amtes bzw.der dienstlichen Funktion sind sie beruflich und zeitlich abkömmlich, d. h. sie können ohne Rücksicht auf berufliche Verpflichtungen über ihre gesamte Zeit frei verfügen und sich vollständig ihrer parlamentarischen Tätigkeit in Bonn bzw. im Wahlkreis widmen. Diese Dispositionsfreiheit bietet die Grundlage für eine fachliche Spezialisierung im Parlament sowie für eine intensive Basisarbeit zur Absicherung des Mandats. Durch den Wiederverwendungsanspruch nach Mandatsende bedarf es zur Sicherung der beruflichen Zukunft und der sozialen Existenz keiner zusätzlichen Aktivitäten. Die Entschädigungsregelung im Abgeordnetengesetz des Bundestages von 1977 bietet während der Mandatszeit eine auskömmliche finanzielle Grundlage. Dabei ist es z. B. Verwaltungsjuristen aus dem öffentlichen Dienst unbenommen, als MdB die Zulassung als Rechtsanwalt zu beantragen, also ein zusätzliches Einkommen zu erzielen. 5. Soziale Repräsentation Die Parlamente in Bund und Ländern stellen keinen sozialen Querschnitt der Bevölkerung dar. Aussagen über die einseitige Sozialstruktur der Volksvertretungen, also hinsichtlich der über-bzw. Unterrepräsentation bestimmter Berufsgruppen im Parlament, gehen im allgemeinen stillschweigend von der Voraussetzung aus, daß parlamentarische Körperschaften in ihrer personellen Zusammensetzung die Bevölkerung (oder andere Bezugsgrößen wie Erwerbstätige, Wähler, Parteimitglieder) widerspiegeln. Die Aufgabe des Parlaments wird dann darin gesehen, soziales Spiegelbild der Bevölkerung, Repräsentation im statistischen Sinne zu sein. Typisch für diese Auffassung ist die Bemerkung des früheren Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier, der Bundestag repräsentiere das deutsche Volk im Maßstab 1 : 100000 Aber Bundestag und Landtage entsprechen dieser Spiegelbild-These eben gerade nicht. Historisch gesehen ist anzumerken, daß weder die deutschen Parlamente noch die Volksvertretungen anderer westlicher Demokratien in sozialstruktureller Hinsicht (Alters-, Bildungs-und Berufsstruktur, Zahl der weiblichen Mitglieder) jemals repräsentativ gewesen sind. In westlichen Demokratien wird die Personalauswahl für die Repräsentationsorgane in einem pluralistischen Parteiensystem und in autonomer Zuständigkeit der Parteien bzw. ihrer Gremien getroffen. Einen sozialen Querschnitt der Bevölkerung im Parlament zu erreichen, dürfte nur unter Preisgabe fundamentaler demokratisch-rechtsstaatlicher Grundsätze möglich sein.

Autoritäre Regime und die sozialistischen Staaten pflegen dagegen die Kandidatenauslese über die alles dominierende Einheitspartei planmäßig zu steuern. Die Absicht, möglichst eine die Sozialstruktur der Bevölkerung direkt proportional widerspiegelnde personelle Zusammensetzung der Volksvertretung zu erreichen, muß letztlich in berufsständischen (korporativen) Parlamentsgremien enden. Die Funktionärsparlamente sozialistischer Staaten und die berufsständischen Kammern autoritärer Regime mögen auf den ersten Blick der Spiegelbild-These in gewissem Maße entsprechen. Das Ziel einer Identität von Regierenden und Regierten, das auf diese Weise in der Verfassungswirklichkeit demonstriert werden soll, wird gleichwohl verfehlt. Denn der politische Willensbildungsund Entscheidungsprozeß vollzieht sich hier nicht im Parlament, auch nicht im Bereich der Regierung, sondern ausschließlich in den Spitzengremien der Staatspartei.

Zu fragen bleibt, ob es überhaupt wünschenswert sein kann, im Parlament neben der parteipolitischen eine soziale Repräsentation zu vermitteln. Die verfassungsmäßigen Aufgaben und die Funktionsfähigkeit des Parlaments ebenso wie die Leistungsanforderungen an seine Mitglieder bedingen nämlich notwendigerweise in der Sozialstruktur des Bundestages gewisse Abweichungen von der direkten proportionalen Vertretung der Bevölkerung. Es geht demnach nicht um einen sozialen Querschnitt der Bevölkerung im Parlament, sondern um eine ausgewogene soziale Struktur der Volksvertretungen in der Bundesrepublik. Zumindest ein weiteres Anwachsen der Vertreter aus dem öffentlichen Dienst in Bundestag und Landtagen sollte verhindert werden.

Das Problem der sozialen (neben der politischen) Repräsentation muß auch aus anderen Gründen ernst genommen werden. Die Prinzipien der parlamentarischen Demokratie erfordern mehr als bisher die direkte Repräsentanz aller Bevölkerungsschichten in der parlamentarischen Vertretungskörperschaft. Die Möglichkeit zur Identifikation mit dem politischen System ist bei vielen Bürgern, zumindest teilweise, von der personalen Repräsentation abhängig Die Vorstellung, daß im Parlament Angehörige der gleichen Berufsgruppe oder sozialen Schicht vertreten sind, spielt bei jeder Wahl eine nicht zu unterschätzende Rolle. Im übrigen hat gerade die neuere Demokratietheorie und -forschung die Bedeutung größerer Partizipationsmöglichkeiten aller gesellschaftlichen Schichten am staatlichen Willensbildungs-und Entscheidungsprozeß im Zusammenhang mit der Legitimation des politischen Systems nachgewiesen. Praktische Teilhabe an der Auswahl der Parlamentsbewerber und realistische Möglichkeiten des Zugangs zur Volksvertretung auch für Mitglieder der bisher unzureichend repräsentierten Unterschicht müssen im Mittelpunkt solcher Überlegungen stehen.

Aus der Tatsache, daß die Parlamente keine exakte, allenfalls eine mehr oder weniger an-genäherte soziale Repräsentation vermitteln, ergibt sich als weiterer Gesichtspunkt ein elitärer Zug der Volksvertretungen. Die Abge, ordneten gehören insofern zur politischen Funktionselite in der Bundesrepublik. Mit Otto Stammer ist davon auszugehen, daß ein Merkmal der politischen Elite in der Demokratie in der Auswechselbarkeit und Beweglichkeit liegt. Wenn also das Parlament Teil und Organ der politischen Elite sowie Instrument demokratischer Führungsauslese sein soll, dann muß es auch den Bedingungen demokratischer Elitenbildung entsprechen. Anders ausgedrückt: Die Auslese der politischen Führungskräfte und der ins Parlament gewählten Funktionselite darf dann nicht auf bestimmte soziale Gruppen beschränkt bleiben. Das Parlament als offenes soziales System muß in seiner Zusammensetzung kontinuierlich auswechselbar sein und auch vertikale Zirkulation ermöglichen, d. h. Vertretern der gesellschaftlichen Unterschicht den Zugang zur politischen Elite eröffnen. Es wäre verhängnisvoll, sollte sich eine Entwicklung fortsetzen, die zutreffend mit den Worten charakterisiert worden ist: w.. auch das Parlament und die Ministerial-Hierarchien scheinen aus sich selbst nachzuwachsen: eine politische Klasse wächst heran, die oligarchisch aus sich selbst hervorgeht, eine . Elite', die in sich und um sich kreist"

V. Mögliche Korrekturen des unausgewogenen Sozialprofils der Parlamente

Die soziale Zusammensetzung von Bundestag und Landtagen ist als Resultat der Mitglieder-und Funktionärsstruktur der Parteien einerseits, der für den Auswahlprozeß maßgeblichen Kriterien und Mechanismen andererseits zu beurteilen. An der selektiven Vertretung des gesellschaftlichen Spektrums in den Parlamenten der Bundesrepublik kann kein Zweifel bestehen. Zwei Tatbestände sind als besonders problematisch anzusehen: Die überaus starke Repräsentanz der Angehörigen des öffentlichen Dienstes (im weiteren Sinne das Übergewicht der staatlichen und verbandlichen Angestellten-und Beamten-schicht) sowie die weitgehende Abwesenheit von Arbeitern, Angestellten aus kleinen bzw. mittleren Betrieben, selbständigen Handwerkern und kleinen Landwirten.

Das Ziel von Reformmaßnahmen muß deshalb sein, Einseitigkeiten und Verzerrungen des sozialen Profils der Parlamente zu korrigieren. Ein Instrument zur Änderung der Sozialstruktur, um den mit der Verbeamtung der Volksvertretungen verbundenen Gefahren entgegenzuwirken, läge in der Verschlechterung der materiellen Position der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Parlament. Dieser Weg ist mit dem Abgeordnetengesetz 1971 des Bundestages und den entsprechenden Regelungen der Landtage im Anschluß an das Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts beschritten worden. Finanzielle Sonderzuwendungen und Ausgleichsbeträge für Abgeordnete, die nicht aus dem öffentlichen Dienst kommen, hat das Karlsruher Gericht mit Hinweis auf das Prinzip der Diätengleichheit ausgeschlossen. Es muß allerdings auch bezweifeltwerden, daß allein durch die Änderung der materiellen Rahmenbedingungen für die Mandatsausübung die Uberrepräsentation der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in den deutschen Parlamenten abgebaut werden kann. Finanzielle Anreize für bisher materiell benachteiligte Abgeordnetengruppen oder für alle Parlamentarier, so z. B. die Zahlung von Verdienstausfallentschädigungen für schlechter gestellte Arbeitnehmer aus der Privatwirtschaft, bestimmte Gruppen von selbständig und freiberuflich Tätigen oder die Einführung der parlamentarischen Altersversorgung, haben sich als unwirksame Mittel erwiesen, die soziale Zusammensetzung der Volksvertretungen gezielt zu verbessern. Insbesondere die Altersdiäten für MdB und MdL in Pensionsform dürften die Verbeamtung der Parlamente eher gefördert als ihr entgegengewirkt haben. Auch die Gesetzgebung zur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat hat der Überrepräsentation des öffentlichen Dienstes in den Parlamenten nicht Einhalt geboten. In einigen Ländern haben die Inkompatibilitätsvorschriften jedoch zu Umschichtungen innerhalb der Gruppe der Beamten-Abgeordneten geführt; die Vorherrschaft der Kommunalbeamten ist durch die Dominanz der Lehrer abgelöst worden.

Allenfalls die Rechtsvorschrift einer generellen Nicht-Wählbarkeit von öffentlichen Bediensteten (Ineligibilität), wie sie in den USA und Großbritannien besteht, könnte die Verbeamtung der Parlamente in der Bundesrepublik drastisch reduzieren und die bisherige Tendenz umkehren. Eine solche Regelung würde aber eindeutig den von Art. 137 Abs. 1 GG gezogenen Rahmen überschreiten und wäre somit verfassungswidrig. Denn nach dieser Grundgesetzbestimmung kann nur eine Beschränkung der Wählbarkeit, nicht aber ein Ausschluß der öffentlichen Bediensteten vom passiven Wahlrecht (Nicht-Wählbarkeit) gesetzlich vorgeschrieben wobei der Gesetzgeber die Entscheidungsfreiheit besitzt, ober eine solche Regelung für notwendig hält oder nicht. Ob die Repräsentation der Parlamente dadurch verbessert, ihre Kontrollfähigkeit verstärkt würde, bleibt zudem fraglich. Wenn der öffentliche Dienst vom Zugang zum Parlament praktisch ausgeschlossen wäre, kämen als Alternative wahrscheinlich nur Partei-und Verbandsangestellte in Frage, denn die Rahmenbedingungen für Selbständige und freiberuflich Tätige würden sich durch die Nicht-Wählbarkeit von Beamten nicht ändern, bin derartiges Funktionärsparlament müßte bei Gesetzgebung und Kontrolle ohne den Sachverstand und das Fachwissen der öffentlichen Bediensteten auskommen und wäre, was die interessenmäßige Vertretung der Bevölkerung angeht, noch weniger repräsentativ als bisher.

Was sonst an Möglichkeiten besteht, die Sozialstruktur der Volksvertretungen und das ihr zugrunde liegende Mitglieder-bzw. Funktionärsreservoir der Parteien zu verändern, ist denkbar wenig und in naher Zukunft wohl kaum zu verwirklichen. Da das Wahlsystem und die Parteien grundsätzlich jedermann die Chance bieten, für das Parlament zu kandidieren und über ein Mandat in politische Führungspositionen aufzusteigen, liegen die Restriktionen weniger im politischen Selektionssystem. Es sind vielmehr die Bedingungen der Berufswelt, die dazu führen, daß die Kandidaturchancen für politische Mandate auf wenige Gruppen „sozial Wählbarer“ . (Watson) beschränkt bleiben Durch eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Berufsausübung von Mandats-inhabern, die nicht aus dem öffentlichen Dienst kommen, könnten hier möglicherweise Korrekturen erreicht werden. Zu solchen Maßnahmen zählen: bezahlter Wahlvorbereitungsurlaub; Offenhalten des Arbeitsplatzes bzw.dem sozialen Rang entsprechende Weiterbeschäftigungsgarantie oder Wiedereinstellungsanspruch nach Mandatsende; Gewährleistung der ungeschmälerten betrieblichen Altersversorgung.

ICI Einige Großunternehmen (Siemens; in Großbritannien) haben in jüngster Zeit in öffentlichen Wahlämtern tätigen Arbeitnehmern solche Zusicherungen gegeben. Mögliche Gefahren derartiger Regelungen des Arbeitgebers für „seine" liegen Mandatsinhaber freilich auf der Hand. Finanzielle Leistungen und vertragsmäßige Zugeständnisse des Arbeitgebers binden den Abgeordneten bei der Mandatsausübung und schränken die politische Entscheidungsfreiheit mehr oder weniger ein. Da mittlere und kleine Betriebe ihren gewählten Arbeitnehmern solche weitreichenden Garantien sozialer Existenzsicherung kaum einräumen können, wäre die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zu erwägen. Diese müßte aber, weil auch die Selbständigen und der Großteil der freiberuflich Tätigen (z. B. Ärzte, Rechtsanwälte u. a.) unter den MdB und MdL betroffen sind, auf den Einzelfall abgestellt sein und Vorkehrungen gegen Mißbrauch treffen. Sicher ist jedenfalls, daß mit den derzeitigen rechtlichen Möglichkeiten (nach dem Abgeordnetengesetz 1977 verfügen die Arbeitnehmer im Bundestag über einen erweiterten Kündigungsschutz; alle MdB erhalten nach Ende der Mandatszeit zur Überbrückung großzügig bemessene Übergangsgelder, die bei öffentlichen Bediensteten der Anrechnung unterliegen) den Problemen der meisten Abgeordneten nicht wirksam begegnet werden kann, die aus Berufen außerhalb des öffentlichen Dienstes kommen.

Es wäre ein ungemein wichtiger Beitrag zur Parlamentsreform, wenn auf die Parteien mit dem Ziel eingewirkt werden könnte, den Auswahlwettbewerb auf alle gesellschaftlichen Gruppen zu erweitern. Dies heißt konkret, daß bei der Kandidatenaufstellung Arbeitnehmer aus kleinen und mittleren Betrieben, kleine Landwirte und selbständige Handwerker sowie bestimmte Gruppen freiberuflich Tätiger gezielt gefördert würden. Ob bloße Appelle bewirken werden, daß die Volksvertretungen von Bund und Ländern der akuten Gefahr, sich zu „Vertretungen des öffentlichen Dienstes“ zu entwickeln, aus eigenem Antrieb begegnen, muß allerdings bezweifelt werden.

Berichtigung zur Beilage 44

Berichtigung In den Beiträgen von Mohammed Abu Shilbaya: „Zusammen weiterleben" und von Gideon Weigert: „Palästinenser und Israelis — jenseits der Schlagzeilen“, B 39— 40/80 vom 27. 9. 1980, sind folgende Übertragungsfehler zu berichtigen:

S. 2, 1. Zeile: Mohammed Abu Shilbaya ist nicht Herausgeber, sondern Redakteur bei der arabischen Jerusalemer Tageszeitung „Al Anba".

S. 4, Zeile 9— 10: Es muß richtig heißen: „... Ausgleichszahlungen an jüdische Flüchtlinge durch ihre arabischen Heimatländer ...“

S. 9, 3. Absatz, Zeile 11: König Abdullah wurde von einem palästinensischen Araber ermordet. S. 12, 3. Absatz, Zeile 6: Das Wort „frühere“ ist zu streichen.

S. 12, 3. Absatz, Zeile 16— 20: Richtig muß es heißen: „Bereits im Dezember 1977 erklärte der frühere jordanische Parlamentsabgeordnete Ra'ouf el Fares, eine führende Persönlichkeit in Nablus (. Nablus leader), ...

S. 15, 3. Absatz, Zeilen 1— 5: Es muß heißen: „In Jerusalem erreichte unter dem israelischen Regime in eben dieser Zeit die palästinensische Nationalpresse einen Höhepunkt ihrer siebzigjährigen Geschichte seit der Gründung der Zeitung . Falastin'in Jaffa im Jahre 1911.“

S. 17, 5. Absatz, Zeile 6: Abdul Aziz e-Zuabi war der erste stellvertretende arabische Minister.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Spiegel Nr. 51/1974, S. 46.

  2. Walter Scheel, Reden und Interviews, hrsg. vom rresse-und Informationsamt der Bundesregierung, M. 4, Bonn 1978, S. 367, vgl. auch ebd. S. 190 f„ 265; lemer Bd. 1, Bonn o. J„ S. 172 f.

  3. Thomas Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 19733, S. 262 f.

  4. Bernhard Schäfers, Sozialstruktur und Wandel der Bundesrepublik Deutschland. Ein Studienbuch zu ihrer Soziologie und Sozialgeschichte, Stuttgart 1976, S. 112.

  5. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Stärkung der Bürgerrechte im Rahmen des Wahlverfahrens. Verfassungstheoretische Überlegungen, in: Enquete-Kommission Verfassungsreform des Bundestages, Komm. -Drs. Nr. 115 vom 18. 10. 1974, S. 14.

  6. Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehren Heft 33, Berlin 1975, S. 166f.; in diesem Sinne auch Manfred Zuleeg, a. a. O., S. 126.

  7. BVerfGE Bd. 40, S. 321.

  8. Spiegel Nr. 51/1978, S. 36f.

  9. Spiegel Nr. 51/1978, S. 41.

  10. Stellungnahme in der WDR-Fernsehsendung vom 12. 9. 1979 „Volksvertreter? — Beamte im Parlament", unveröff. Manuskript.

  11. Spiegel Nr. 6/1980, S. 43— 45.

  12. Richard Stücklen, in: Pressedienst des Deutschen Beamtenbundes vom 17. 11. 1979, S. lf; Karl Carstens, in: Beamtenstatus — Ärgernis oder Verpflichtung?, hrsg. vom Deutschen Beamtenbund, Bonn/Stuttgart 1978, S. 22 f.; Annemarie Renger, Stellungnahme in der SWF-Hörfunksendung Aus Arbeit und Wirtschaft" vom 21. 6. 1975, unveröff. Manuskript.

  13. Vgl. dazu allgemein Hansjörg Häfele, Verbeamtung des Bundestages?, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl), 1972, Heft 1, S. 103— 106; Hartmut Klatt, Die finanzielle Stellung der Abgeordneten. Bestandsaufnahme und Anmerkungen zu einem umstrittenen Thema, in: ZParl, 1971, Hefti, S. 344 ff.; Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen (Hrsg.), Warum gibt es so viele Beamte in den Parlamenten? Sten. Prot.der Veranstaltung vom 10. 6. 1975 in Bonn (mit Referaten von Adalbert Hess, Jürgen Massengeil und Hartmut Klatt); Klaus Schrode, Beamtenabgeordnete in Landtagen der Bundesrepublik Deutschland. Eine Untersuchung über das parlamentarische Verhalten von Abgeordneten in den Landtagen von Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz, die in der öffentlichen Verwaltung tätig sind, Heidelberg 1977; Parlament Regierung, öffentlicher Dienst Droht eine Gleichgewichtsstörung im Verfassungsleben von Bund, Ländern und Gemeinden?, hrsg. vom Deutschen Beamtenbund, Bonn-Bad Godesberg 1977.

  14. Heribert Schatz, Der Parlamentarische Entscheidungsprozeß. Bedingungen der verteidigungspolitischen Willensbildung im Deutschen Bundestag, Meisenheim a. G. 1970, S. 37. Schrode, a. a. O., kommt in seiner Monographie über das parlamentarische Verhalten von Beamtenabgeordneten in drei Landtagen zu dem positiven Ergebnis, die Funktionsfähigkeit der Landesparlamente profitiere davon, wenn in ihnen aktive Bedienstete der öffentlichen Verwaltung tätig seien.

  15. Vgl. dazu einerseits Ulrich Lohmar, Staatsbürokratie. Das hoheitlich Gewerbe. Deutsche Aspekte eines neuen Klassenkampfes, München 1978, andererseits Frido Wagener, Der öffentliche Dienst im Staat der Gegenwart, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 37, Berlin 1979, S. 215 ff., sowie die Beiträge von U. Lohmar, U. Kollatz, H. König, P. Menke-Glückert und W. Ehlers, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 15/79 vom 14. 4. 1979.

  16. Arnold Köttgen, Abgeordnete und Minister als Statusinhaber, in: Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Recht, Bd. 6, Gedächtnisschrift für W. Jellinek, München 1955, S. 206, 213.

  17. Köttgen, a. a. O„ S. 197, 206.

  18. Theodor Eschenburg, Staat und Gesellschaft in Deutschland, München 1965 2, S. 509 ff.

  19. BVerfGE Bd. 40, S. 311 ff.

  20. Joachim Henkel, Amt und Mandat. Die Rechtsstellung der in den Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes, Berlin/New York 1977, S. 85 ff.

  21. Dietrich Herzog, Politische Elitenselektion. Alte und neue Ansätze zur Analyse politischer Auswahl-Prozesse, in: Soziale Welt, 1970/71, Heft 2, S. 129— 145.

  22. Vgl. z. B. die Ergebnisse von Meinungsumfragen 'n: Bernhard Badura/Jürgen Reese, Jungparlamentarier in Bonn — Ihre Sozialisation im Deutschen Bundestag, Stuttgart-Bad Cannstatt 1976, und in: Dietrich Herzog, Politische Karrieren. Selektion und Professionalisierung politischer Führungsgruppen, Opladen 1975.

  23. Vgl. dazu exemplarisch die Arbeiten von Wolfram Siemann, Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 zwischen demokratischem Liberalismus und konservativer Reform. Die Bedeutung der Juristendominanz in den Verfassungsverhandlungen des Paulskirchenparlaments, Bern/Frankfurt a. M. 1976, und Werner Sörgel, Konsensus und Interessen. Eine Studie zur Entstehung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969.

  24. Vgl. zur Sozialstruktur der Parlamente in der Bundesrepublik, Hartmut Klatt, Das Sozialprofil des Deutschen Bundestages 1949— 1976. Das parlamentarische Personal kommt aus der Mittelschicht, in: Gegenwartskunde, 1979, Sonderheft, S. 65— 80.

  25. Für das Zahlenmaterial vgl.: Der öffentliche Dienst in Zahlen + Fakten, hrsg. vom Deutschen Beamtenbund, Bonn/Düsseldorf 1979.

  26. Herzog, Politische Karrieren, S. 218.

  27. Zitiert nach Hans Boldt, Die Stellung des Abgeordneten im historischen Wandel, in: Politik als Beruf, hrsg. vom Presse-und Informationszentrum “ es Bundestages, Zur Sache 1/79, Bonn 1979, S. 20; zr geschichtlichen Entwicklung vgl.: Adalbert Hess, Statistische Daten und Trends zur „Verbeamtung der Parlamente" in Bund und Ländern, in: trarl, 1976, Hefti, S. 34ff.

  28. Dieter Johannes Blum, Das passive Wahlrecht der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Deutschland nach 1945 im Widerstreit britisch-amerikanischer und deutscher Vorstellungen und Interessen, Jur. Diss. Mannheim/Göppingen 1972, S. 31 ff. (mit weiteren Nachweisen zur Inkompatibilität).

  29. Gesetz über die Rechtsstellung der in den Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes i. d. F. vom 21. 8. 1961 (BGBl I S. 1557); Hartmut Klatt, Die finanzielle Situation der in Parlamente der Bundesrepublik gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes, in: ZParl, 1976, Heft 1, S. 43 ff.

  30. Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) vom 18. 2. 1977 (BGBl I S. 297); Henkel, Amt und Mandat, S. 18 ff.

  31. Herzog, Politische Karrieren, S. 62ff.; vgl. auch Peter Gerlich/Helmut Kramer, Abgeordnete in der Parteiendemokratie. Eine empirische Untersuchung des Wiener Gemeinderates und Landtages, München 1969, S. 85 ff.

  32. Holger Thielemann, Neuere Daten zur Sozialstruktur von CDU und SPD, in: Gegenwartskunde, 1979, Sonderheft, S. 81 ff., referiert die Ergebnisse Bretschneiders; vgl. dazu auch Horst W. Schmollinger, Abhängig Beschäftigte in Parteien der Bundesrepublik: Einflußmöglichkeiten von Arbeitern, Angestellten und Beamten, in: ZParl, 1974, Heft 1, S. 58ff„ sowie Heino Kaack, Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems, Opladen 1971, S. 483— 485 und S. 595ff., bes. S. 652 ff.

  33. Stuttgarter Zeitung vom 13. 2. 1980, S. 5; Der Steuerzahler Nr. 2/1980, Beilage Baden-Württemberg, S. If.

  34. Häfele, a. a. O., S. 105; ähnlich Peter Conradi, Parlamentarierin privilegienfeindlicher Demokratie. Anmerkungen eines Bundestagsabgeordneten zum „Diäten-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts, in: ZParl, 1976, Heft 1, S. 117f.

  35. Thomas Ellwein/Axel Görlitz, Parlament und Verwaltung, Teil 1: Gesetzgebung und politische Kontrolle, Stuttgart usw. 1967, S. 41 f„ 57 ff., 142 ff.

  36. Burghard Freudenfeld, in: Innovation und Parlament, hrsg. vom Verein für Kommunikationsfor-shung, Bonn 1975, S. 28f.; Ulrich Lohmar, Das Hohe Haus, Der Bundestag und die Verfassungswirklichkeit, Stuttgart 1975, S. 180; Stellungnahmen von MdB Biedenkopf, Conradi, Gansel in der WDR-Fernsehsendung vom 12. 9. 1979 „Volksvertreter? — Beamte im Parlament“, unveröff. Manuskript.

  37. Badura/Reese, a. a. O., S. 139ff.; Jürgen Reese, Bürokratie im Parlament, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 38/76, vom 18. 9. 1976, S. 3— 15, 30f.

  38. Vgl. dazu die Erfahrungsberichte von MdB Sperling, Blüm und Helga Schuchardt/M. Kleff, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 38/76, vom 18. 9. 1976, S. 16— 29.

  39. Reese, Bürokratie im Parlament, S. 14.

  40. Bundestag-Drs. 8/3624; Hartmut Palmer, Kabinett verspricht Beamten mehr Geld, in: Süddeutsche Zeitung vom 15. 11. 1979, S. 1; Hans Jörg Sottorf. Der Kanzler gab auf, in: Handelsblatt vom 16. 11. 1979, S. 2.

  41. Statistische Berechnung des Verfassers, Stand: April 1980.

  42. Parlamentskorrespondenz „woche im bundestag Nr. 8/1980, S. 5; vgl. dazu MdB Rudi Walther, Fluch der guten Tat Die teuere Besoldungs-Struktur-Spirale, in: Sozialdemokratischer Pressedienst von 12. 5. 1980, S. 3f.

  43. Peter Schneider, Amt und Mandat. Eine Verfassungsstudie, Schriftenreihe Freiherr-vom-Stein-Institut Nr. 7, Lindenfels/Mülheim a. M. 1968, S. 30 f.

  44. Otto Braun, Von Weimar zu Hitler, New York 19402 S. 232f.

  45. Peter H. Merkl, Die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1965, S. 145f.

  46. Sörgel, a. a. O., S. 124 f.; Volker Otto, Das Staats-verständnis des Parlamentarischen Rates. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1971, S. 44 ff. 99 f.; Theodor Eschenburg, Der Beamte in Partei und Parlament, Frankfurt a. M. 1952. S. 59ff„ 215ff.: Blum, a. a. O., S. 311 ff.; Uwe Schleth, Parteifinanzen, Meisenheim a. G. 1973, S. 204f.

  47. Gesetz über die Rechtsstellung der in den Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes vom 4. 8. 1953 (BGBl I S. 777)

  48. Wagener, a. a. O„ S. 231 f.

  49. Dieter Lattmann, Die Einsamkeit des Politikers, München 1977, S. 64 f.

  50. Lohmar, Das Hohe Haus, S. 180 f.

  51. Gerhard Kienbaum, in: Beamtenstatus — Ärger-ms oder Verpflichtung?, hrsg. vom Deutschen Beamtenbund, Bonn/Stuttgart 1978, S. 192, 195.

  52. Kurt H. Biedenkopf, in: Welche Zukunft hat die Parlamentarische Demokratie westlicher Prägung?, nergedorfer Gesprächskreis, Prot. Nr. 51, Hamburg

  53. Holger Börner, Stellungnahme in der NDR-Fernsehsendung „Panorama“ vom 11. 8. 1975, abgedruckt in: SPD-Pressemitteilungen und Informationen Nr. 400 vom 11. 8. 1975, S. 2.

  54. Annemarie Renger, Stellungnahme in der SWF-Hörfunksendung „Aus Arbeit und Wirtschaft" vom 21. 6. 1975, unveröff. Manuskript; vgl. dazu die Berichte in der Frankfurter Rundschau, Stuttgarter Zeitung und Nürnberger Nachrichten jeweils vom 23. 6. 1975; vgl. dazu auch Böckenförde, a. a. O., S. 14 f. und Schäfers, a. a. O., S. 113; a. A. Josef Isensee, in: Parlament, Regierung, öffentlicher Dienst, a. a. O., S. 121 f., 125 f.

  55. Vgl. dazu Hans-Hermann Hartwich, Sozialstaatspostulat und gesellschaftlicher Status quo, Opladen 1970, S. 259 ff.; Uwe Thaysen, Parlamentarisches Regierungssystem in der Bundesrepublik Deutschland. Daten — Fakten — Urteile im Grundriß, Opladen 1976, S. 30 ff.; Warnfried Dettling u. a., Die Neue Soziale Frage und die Zukunft der Demokratie, Bonn 1976, S. 49ff„ 116 ff.

  56. Sten. Ber. Bundestag vom 10. 12. 1966, S. 3659.

  57. Häfele, a. a. O., S. 104.

  58. BVerfGE Bd. 40, S. 321; vgl. dazu BVerfGE Bd. 18, $. 181ff.

  59. Prodromos Dagtoglou, Die verfassungspolitische Problematik einer Reform des öffentlichen Dienstes unter besonderer Berücksichtigung der Forderungon der parlamentarischen Demokratie, in: Verfassungspolitische Probleme einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, hrsg. von P. Dagtoglou, gHerzog und K. Sontheimer, Baden-Baden 1973, ö. 67.

  60. Häfele, a. a. O„ S. 105.

  61. Robert Leicht, Politik vom Geiste der Bürokratie, in: Süddeutsche Zeitung vom 13. 1. 1977, S. 4; kritisch dazu Wolfgang Zeh, in: Warum gibt es so viele Beamte in den Parlamenten?, a. a. O., S. 63f„ und Hellmut Sieglerschmidt, in: Parlament, Regierung, öffentlicher Dienst, a. a. O., S. 109 f.

  62. Helmut Herles, Wie aus Bonner Dienern Bonner Herren wurden, in: FAZ Nr. 91 vom 18. 4. 1980, S. 11.

  63. Thomas Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Köln und Opladen 1965 2, S. 368.

  64. Thaysen, a. a. O., S. 20 f.

  65. Dagtoglou, a. a. O., S. 68.

  66. Zu diesem positioneilen Ansatz vgl. F. Grube« G. Richter/U. Thaysen, Das Management des 6. Deutschen Bundestages. Eine Dokumentation parlamentarischer Karrieren, in: ZParl, 1970, Heitz S. 152ff.

  67. Heino Kaack, Zur Personalstruktur und Füh rungsauslese im Parteienstaat. Positionsveränderungen 1973/74 in Parteien, Parlament und Regierung, in: Parteien-Jahrbuch 1973/74, hrsg. von n. und U. Kaack, Meisenheim a. G. 1977, S. 310.

  68. Stellungnahme in: Spiegel Nr. 38/1964, S. 28ff.

  69. Vgl. dazu die kontroversen Äußerungen von Dietrich Herzog und Udo Bermbach, in: Politik als Beruf?, hrsg. vom Presse-und Informationszentrum des Bundestages, Zur Sache 1/79, Bonn 1979, S. 98 ff.

  70. Otto Stammer, Politische Soziologie, in: Soziol gie. Ein Lehr-und Handbuch zur modernen Gesellschaftskunde, hrsg. von A. Gehlen und H. Schelsky, Düsseldorf/Köln 19645, S. 325 ff.

  71. Herles, a. a. O., S. 11.

  72. Gerald G. Watson, Recruitment and Representation: Socio-political Selection of Bundestag Members in The Federal Republic of Germany 1949— 1969, in: Sozialwissenschaftliches Jahrbuch für Politik, Bd. 4/1975, S. 245— 271, hier S. 250.

Weitere Inhalte

Hartmut Klatt, Dr. phil., geb. 1940, Assessor des Lehramts, Reg. -Dir., 1970— 1974 Redakteur bei der „Stuttgarter Zeitung", seit September 1974 Mitarbeiter in der Verwaltung des Deutschen Bundestages (Wissenschaftliche Dienste, Präsidialbüro, Pressereferat), Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen für den Bereich Massenmedien. Veröffentlichungen: Die Altersversorgung der Abgeordneten. Ein Beitrag zur Problematik des Abgeordnetenstatus und der Parlamentsstruktur, Juristische Studien Bd. 39, Tübingen 1972; Parlamentarismus und Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine methodisch-didaktische Literaturauswahl, Mainz 1980; Der Bundestag im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zum dreißigjährigen Bestehen des Deutschen Bundestages, Bonn 1980 (Hrsg.).