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Tarifrunde 1984 — Einstieg in eine andere Arbeitsethik und Arbeitspolitik? - | APuZ 4/1985 | bpb.de

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APuZ 4/1985 Artikel 1 Tarifrunde 1984 — Einstieg in eine andere Arbeitsethik und Arbeitspolitik? - Tarifrunde '84 — kein Einstieg in eine andere Arbeitsethik und Arbeitspolitik Bewältigung der Arbeitsmarktkrise? Die Neuen Technologien

Tarifrunde 1984 — Einstieg in eine andere Arbeitsethik und Arbeitspolitik? -

Friedhelm Hengsbach SJ

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Zusammenfassung

Eine abgerundete Bilanz der Tarifrunde 1984 erscheint zu Beginn des Jahres 1985 verfrüht, denn noch ist die Überraschung darüber nicht abgeklungen, in welchem Ausmaß der Konflikt der Tarifpartner das gesellschaftliche Umfeld in seinen Sog gezogen, die Regierung sich eingemischt und die moderne Technologie bewährte Kampftaktiken der Gewerkschaften unterlaufen hat. Auch das schillernde Tarifergebnis, die Kombination von allgemeiner Arbeitszeitverkürzung und Flexibilisierung, vor allem jedoch die Verlagerung tarifvertraglicher Regelungskompetenzen auf die betriebliche Ebene läßt noch unbestimmt, wie stark sich die Arbeitszeitverkürzung gegen die Lohnerhöhung durchsetzt und beschäftigungspolitisch wirksam wird. Dennoch sind in der Tarifrunde Konturen einer veränderten Arbeitsethik wahrnehmbar, die ein ausschließlich instrumentelles Verständnis der Arbeit und damit die Fixierung auf Erwerbsarbeit überwindet — auch wenn noch offenbleibt, ob die Vorentscheidung für weniger Erwerbsarbeit anstelle von mehr Lohn dem einzelnen Arbeitnehmer größere Zeitsouveränität geschenkt, die Solidarität der Erwerbstätigen mit den Arbeitslosen überzeugend und erfolgreich zum Ausdruck gebracht und die Qualität der Erwerbsarbeit als Ort schöpferischer Selbstdarstellung und sozialer Anerkennung verbessert hat. In der Tarifrunde haben sich auch veränderte arbeitspolitische Entscheidungen verkörpert: Die Beiträge, die vom Wirtschaftswachstum und von der Arbeitszeitverkürzung zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit zu erwarten sind, werden anders gewichtet. Auch sind Tendenzen aufgehalten worden, die ganze Personengruppen wie Frauen, Ausländer, ältere Arbeitnehmer und Jugendliche aus dem Arbeitsmarkt ausgrenzen. Umfassende arbeitspolitische Konzepte, die die marktwirtschaftsbedingten Asymmetrien der privaten und öffentlichen Wirtschaftsrechnung, der primären Einkommensverteilung und der internationalen Wirtschaftsbeziehungen antasten und zu regeln versuchen, sind indessen ausgeblendet worden.

I. Charakteristische Merkmale der Tarifrunde 1984

Wichtige Tarifabschlüsse 1984 Quelle: Deutsches Insitut für Wirtschaftsforschung, OlW-Wochenbericht, 51 (1984) 45— 46, S. 552 sowie eigene Ergänzungen.

Über die Tarifauseinandersetzung des Jahres 1984 sind markante Urteile gefällt worden, doch ist ein pointiertes Urteil erheblichen ‘Vorbehalten ausgesetzt. Diese wiegen um so schwerer, je stärker die zeitliche Nähe des Arbeitskampfs und das inhaltliche Gewicht der Leber-Schlichtung die Urteilsbildung beeinflußt haben. Auch zu Beginn des Jahres 1985 ist es noch kaum möglich, eine ausgewogene und abschließende Bilanz zu erstellen.

Immerhin aber kann sie die Tarifauseinandersetzungen und Tarifresultate der IG Metall, der IG Druck und Papier sowie der Gewerkschaft OTV differenziert erfassen. Die Tarifauseinandersetzung Vier Merkmale haben das Profil der Tarifauseinandersetzung in besonderer Weise geprägt: die Anwendung und Verbreitung moderner Technik in den Betrieben, die Wiederbelebung traditioneller gesellschaftlicher Konfliktlinien, das starke Engagement der Regierung sowie die Art und Weise, wie der internationale Zusammenhang thematisiert worden ist. a) Anwendung und Verbreitung moderner Technik Die Anwendung und Verbreitung moderner Technik, insbesondere der Mikroelektronik in den Betrieben, scheint die gewohnten Ein-wirkungsmöglichkeiten der Gewerkschaften und Belegschaften erheblich vermindert zu haben. Vertrauensleute der IG Metall mußten feststellen, daß die Zahl der Belegschafts-und Gewerkschaftsmitglieder seit dem letzten Streik dermaßen verringert und modernes technisches Gerät an deren Stelle getreten war, daß nicht hinreichend Streikposten vorhanden waren, um die Werkstore symbolisch abzuriegeln. Streikende Metallarbeiter und Drucker mußten vor den Werkstoren zur Kenntnis nehmen, daß ein Kernbereich der Produktion mit einer kleinen Gruppe von Streikbrechern bzw. mit Angestellten — wenn auch beschränkt — aufrechterhalten werden konnte, daß die Steuerung des betrieblichen Rechenzentrums nicht an die Anwesenheit der zu dessen Bedienung abgestellten Mitarbeiter innerhalb des Werksgeländes gebunden war, sondern von außerhalb erfolgen konnte, und daß Zeitungen an den streikenden Arbeitern vorbei gedruckt und — in einem Fall mit (wenn auch rechtswidriger) Hubschrauberunterstützung — ihren Weg zu den Kunden finden konnten.

Das Urteil auf Arbeitgeberseite: „Die Technik ist denn auch der eigentliche Sieger im Tarifkonflikt“ 1), ist zweifellos überzogen, aber in nicht wenigen Fällen konnte die Streiktaktik der Gewerkschaften mit Hilfe der modernen Technik wirksam neutralisiert werden. b) Wiederbelebung traditioneller gesellschaftlicher Konfliktlinien Unter angesehenen Soziologen hat sich die Meinung herausgebildet, daß die grundlegenden Konfliktlinien der sogenannten nachindustriellen Gesellschaft kaum mehr durch das Verhältnis von Kapital und Arbeit bestimmt seien, sondern z. B. durch den Dualismus zwischen Arbeitsbesitzern und Arbeitslosen, zwischen den Wirtschaftsinteressen der Produzenten und den Umweltinteressen der Bevölkerung, zwischen Stadt und Land, zwischen den Repräsentanten der Parteien und den Bürgerinitiativen, zwischen den Anhängern der Abschreckungsstrategie und denen, die gewaltfreien Widerstand bzw. soziale Verteidigung befürworten Der Arbeitskampf in der Druck-und Metallindustrie hat dagegen die traditionellen Konfliktlinien zwischen Arbeit und Kapital, zwischen den abhängig Beschäftigten und denen, die über die Produk-tionsmittel verfügen bzw. in deren Vertretung die Unternehmen leiten, in ungewöhnlich scharfer Form wieder aufgedeckt.

Diese Dimension des Konflikts scheint die Arbeitgeber verwundert zu haben, denn sie lasteten es den Gewerkschaften an, „daß der Kampf um die 35-Stunden-Woche weniger auf wirtschaftliche oder tarifpolitische Inhalte zielt, sondern auf Veränderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse" Die Politisierung und Ideologisierung des Tarifkonflikts führten sie auf den wachsenden Einfluß des radikalen, dem Klassenkampfdenken verhafteten neomarxistischen Flügels innerhalb der IG Metall zurück

Nun ist die Vorstellung, Tarifauseinandersetzungen ließen sich in die vornehme Atmosphäre eines Frühstückkartells oder die betuliche Artigkeit eines Kaffeekränzchens einbinden, zeimlich abwegig Die Tarifautonomie als Versuch, das in einer kapitalistischen Marktwirtschaft von Haus aus bestehende strukturelle Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer annähernd auszugleichen, ist ja selbst Resultat eines jahrzehntelangen Kampfes der organisierten Arbeitnehmer gegen die Macht der Kapitaleigner. So ist und bleibt jede Tarifauseinandersetzung, auch die um eine andere Arbeitszeit, ein Kampf um gesellschaftliche Entscheidungsmacht. Darüber hinaus ist tatsächlich das Klima zwischen den Tarifparteien bzw. Sozialpartnern seit Mitte der siebziger Jahre rauher geworden — und zwar aus mindestens vier Gründen. Einmal hat sich seit der Dollarkursfreigabe 1971, der Veröffentlichung des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums 1972 und seit der ersten Ölpreiserhöhung 1973 der Spielraum der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums verengt. Zum anderen ist bei den Arbeitgebern und Gewerkschaften die Nachkriegsgeneration, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau unter dem gemeinsam anerkannten Leitwert der Sozialpartnerschaft getragen hat, abgelöst worden. Außerdem stieß sowohl das von der ÖTV 1974, also nach der ersten Ölpreiserhöhung durchgekämpfte Tarifergebnis, aber auch die Mitbestimmungsklage der Arbeitgeber 1976 auf absolutes Unverständnis der jeweils anderen Seite und löste dort massive Erbitterung aus. Und schließlich hat der Gegenwind der von der sozialliberalen Koalition eingeleiteten und von der bürgerlich-liberalen Koalition fortgesetzten Wirtschaftspolitik der Umschichtung der Einkommen von den Löhnen zu den Gewinnen und der entsprechenden Ausgabenverlagerung zu Lasten des Konsums und zugunsten der Investitionen den Kampf um Verteilung des Einkommens und um Beteiligung am wirtschaftlichen Entscheidungsprozeß verschärft. Folgerichtig hat sich die Diskrepanz zwischen dem Angebot der Arbeitgeber, über Lohnerhöhungen, nicht aber über allgemeine Arbeitszeitverkürzungen zu verhandeln, und der gewerkschaftlichen Forderung nach allgemeiner Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit zu einem Verteilungskampf um Entscheidungsmacht zugespitzt.

Die Zuspitzung erfolgte auf drei Ebenen. Die erste Ebene umfaßte Wissenschaft und öffentliche Meinung: Die Arbeitgeber konnten einmal die scheinbar objektiv urteilende, tatsächlich jedoch mit neoliberaler Schlagseite versehene wirtschaftswissenschaftliche Szene der Bundesrepublik für sich agieren lassen. Außer dem Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften hat einzig das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) anhand von Modellrechnungen nachgewiesen, daß positive Beschäftigungswirkungen bei einer schrittweisen Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit — allerdings unter einschränkenden Annahmen — zu erwarten seien Der Sachverständigenrat, der in seinem Jahresgutachten 1983/84 ausführlich auf die Frage der Arbeitszeitverkürzung einging, rechnete zwar mit positiven Beschäftigungseffekten eines kostenneutralen Einstiegs in die 35-Stunden-Woche, tendierte aber eher zu flexiblen Arbeitszeitregelungen als zu einer generellen Verkürzung der Wochenarbeitszeit Ein Gutachten des Wissen-schaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium sowie das Frühjahrsgutachten 1984 der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute (mit Ausnahme des DIW) deckten praktisch die Position der Arbeitgeberverbände. Zum anderen fanden die Arbeitgeber in den öffentlichen Medien, insbesondere in der Presse ein wohlwollendes Echo ihrer Position. Die Stuttgarter Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und die FAZ waren sich in dem Urteil einig, daß die gewerkschaftlichen Forderungen der IG Metall und der IG Druck und Papier in der augenblicklichen Konjunktur-phase und angesichts der internationalen Konkurrenz überzogen seien, den wahren Interessen der Arbeitnehmer widersprächen und auf die Schwächung der Wirtschaft sowie die Destabilisierung der politischen Ordnung abzielten Die Wochenzeitung „DIE ZEIT" sah sich unmittelbar nach Abschluß der Meinungsbildung innerhalb der OTV veranlaßt, vor einem „heißen Herbst", d. h.der Wiederholung des widersinnigen Holzweges, durch Arbeitszeitverkürzung die Arbeitslosigkeit abzubauen, zu warnen und Bonn zum Widerstand gegenüber dem Druck der OTV zu ermuntern Die Arbeitgeber haben diese journalistische Hilfestellung denn auch unverzüglich anerkannt Daneben haben sie sich der Demoskopie bedient, um die öffentliche Meinung zu analysieren und zu beeinflussen. Die mit Hilfe von infratest und Emnid gezielt durchgeführten Umfragen unter der Bevölkerung, unter den Arbeitern der Metallindustrie und unter den gewerkschaftlich organisierten Metallarbeitern lieferten in der Tendenz ein deckungsgleiches Meinungsbild: Im Gegensatz zu den Arbeitskampfzielen der Gewerkschaftsfunktionäre ziehen die Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung der Arbeitszeitverkürzung, einen Vorruhestand der Wochenarbeitszeitverkürzung, eine flexible Arbeitszeit der kollektiven Regelung, einen Tarifabschluß ohne Streik dem Arbeitskampf vor .'

Und schließlich wurden Werbemittel eingesetzt, um die öffentliche Meinung gegen die Forderungen der Gewerkschaften zu mobilisieren. Schon zu Beginn des Jahres 1983 brachten die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Gesamtmetall und das Institut der Deutschen Wirtschaft eine Broschüre „Auf dem Prüfstand — die Arbeitszeit" heraus. Gesamtmetall und das Institut der Deutschen Wirtschaft haben danach in zwei Wellen, Ende 1983 und Anfang 1984, Griffleistenbroschüren mit Kurzargumenten gegen die 35-Stunden-Woche und mit den Grundzügen des Drei-Punkte-Programms der Arbeitgeber in allen Intercity-Zügen ausgelegt. Gegen das optische Signal der gewerkschaftlichen Forderung nach der 35-Stunden-Woche, die aufgehende Sonne, wurde ein vierblättriges Kleeblatt mit dem Angebot: „Mehr Lohn für alle, Früherer Ruhestand, Mehr Arbeitsplätze, Arbeitszeit nach Maß" bundesweit plakatiert

Die zweite Ebene umfaßte die taktischen Kampfmittel Streik und Aussperrung: Die IG Druck und Papier praktizierte eine bewegliche Form des Arbeitskampfs, indem sie eine stufenweise Urabstimmung durchführte und eine jeweils wechselnde Anzahl von Betrieben mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu befristeten Streiks aufrief. Während des 13wöchigen Arbeitskampfes befanden sich ca. 46 000 Drucker mindestens einen Tag im Streik Doch im Gegensatz zum Arbeitskampf 1976 und 1978 — vermutlich in Erinnerung daran — faßte der Bundesverband Druck keinen Aussperrungsbeschluß.

Die IG Metall beschränkte den Arbeitskampf zunächst auf die Tarifgebiete Nordwürttemberg/Nordbaden und Hessen. Dort sprachen sich mehr als 80 % der gewerkschaftlich Organisierten — im Verhältnis zu den Umfrageergebnissen der Arbeitgeber eine unerwartet hohe Zahl — für den Streik aus. Die IG Metall entschied sich für Schwerpunktstreiks, so daß im Südwesten ca. 25 000 und in Hessen ca. 33 000 Metaller in den Arbeitskampf einbezogen wurden. Auf den Schwerpunktstreik antworteten die Arbeitgeberverbände in zwei Stufen mit der Aussperrung von 123 000 Arbeitern im Südwesten und von 32 000 Arbeitern in Hessen. Neben den durch Streik und Aussperrung unmittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Kollegen und Kolleginnen rechnet die IG Metall mit ca. 200 000 durch Pro-duktionsstillegung vom Arbeitskampf mittelbar betroffenen, „kalt ausgesperrten“ Metallern

Den Arbeitgeberverbänden scheint es gelungen zu sein, ihre eigenen Mitglieder, die von Haus aus eher gegenseitige Konkurrenten sind, in eine umgreifende Solidarität einzubinden, die hin und wieder die sprichwörtliche Solidarität der Arbeitnehmer finanziell und ideologisch in den Schatten gestellt hat. Trotzdem haben sie ihre Aussperrungsbeschlüsse innerhalb der Grenzen gehalten, die das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1980 gezogen hat Auch haben sie den Hinweis des Bundesarbeitsgerichts von 1980 befolgt, daß ein formeller Aussperrungsbeschluß entbehrlich sei, wenn Arbeitnehmer als Folge von Teilstreiks aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht beschäftigt werden können und nach der Lehre vom Betriebsrisiko ihren Beschäftigungs-und Lohnanspruch verlieren; das Ruhen des Beschäftigungs-und Lohnanspruchs kommt im wirtschaftlichen Ergebnis der Aussperrung gleich, allerdings muß nachgewiesen werden, daß die Weiterbeschäftigung unmöglich oder unzumutbar ist. Insofern dieser Nachweis in den meisten Fällen nicht erbracht wurde, ein technisch-ökonomischer Zusammenhang zwischen bestreiktem und stillgelegtem Betrieb auch gar nicht bestand, und die Produktionsstillegung als Arbeitskampfmittel bereits angekündigt wurde, noch bevor ein Streikbeschluß gefaßt war, sprachen die Gewerkschaften von „kalter Aussperrung“. Eine solche kalte Aussperrung verletzt wohl geltendes Arbeitskampfrecht, denn wenn auch das Streik-und Aussperrungsrecht mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet ist, so hat doch das Bundesarbeitsgericht keinen Zweifel daran gelassen, daß Streik und Aussperrung nicht gleichrangig sind

Die dritte Ebene wurde von sogenannten Ausschreitungen, Übergriffen, Rechtsverletzungen ausgefüllt. Von Arbeitgebern ist auf den physischen und psychischen Druck vor den Werkstoren hingewiesen worden, den Streikposten gegenüber Arbeitswilligen bei Daimler in Sindelfingen, bei Opel in Rüsselsheim und bei Messer in Frankfurt ausgeübt hätten, oder auf die Betriebsbesetzungen, die im Anschluß an streikbedingte Produktionsstillegungen vorgenommen wurden Gewerkschafter beklagen umgekehrt, daß die Wahrnehmung des Streikrechts häufig als rechtswidrige Blockadeaktion kriminalisiert worden sei. Sie verweisen auf Bedrohungen und tätliche Angriffe gegen Streikposten; in Stuttgart und Offenbach seien Streikposten von leitenden Angestellten und Transportfahrern mutwillig angefahren worden.

Man darf solche Randerscheinungen nicht Übergewichten; sie sind in der Regel (spontaner) Reflex aktueller Ohnmachtserfahrung oder gar der Arbeitskampftaktik des Gegners, insbesondere der Aussperrungsbeschlüsse. In den meisten Fällen konnten eindeutige Rechtsverletzungen der einen oder anderen Kampfpartei durch einstweilige Anordnungen der Gerichte unterbunden werden. c) Starkes Engagement der Regierung Das durch die Existenz von zwei bis drei Millionen Arbeitslosen vorhandene und durch die Unterstützung der Wirtschaftswissenschaft und öffentlichen Meinung erkennbare Übergewicht der Arbeitgeber in der Tarifauseinandersetzung ist durch die Einmischung der Bundesregierung weiter zu Lasten der Arbeitnehmerseite verschoben worden. Zwar haben auch frühere Regierungen durch den Jahreswirtschaftsbericht, durch öffentliches Nachdenken über die voraussichtliche bzw. gesamtwirtschaftlich verantwortbare Tariflohnentwicklung oder gar durch entsprechenden Seelenmassage in die Tarifauseinandersetzung einzugreifen versucht. Die im Tarif-streit der Druck-und Metallindustrie von 1984 vollzogene offene Parteinahme zugunsten der Arbeitgeberseite ist jedoch bisher einmalig gewesen. Sie fand ihren Ausdruck erstens in den verbreiteten, aber wohl mißverstandenen Äußerungen des Bundeskanz-lers, der die Verkürzung der Wochenarbeitszeit als „absurd, töricht und dumm" abgestempelt haben soll oder des Bundesarbeitsministers, der für ein flexibles, den individuellen Bedürfnissen angepaßtes Modell an Stelle eines uniformen, kollektiv verordneten Zwangssystems der Arbeitszeitverkürzung eintrat, sowie in laufenden, die Position der Gewerkschaften abqualifizierenden Kommentaren des Bundeswirtschaftsministers.

Zweitens legte Bundesarbeitsminister Blüm ein Gesetz zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand vor, das zum 1. Mai 1984 in Kraft trat Dieses regelt weniger den Rechtsanspruch der 58jährigen Arbeitnehmer auf den Vorruhestand als vielmehr den Rechtsanspruch der Unternehmen auf einen Zuschuß der Bundesanstalt für Arbeit bei Zahlung von Vorruhestandsgeldern. Einerseits bringt es die Verantwortung des Staates für den Abbau der Arbeitslosigkeit zum Ausdruck, andererseits aber ist es auch als Alternative zur Wochenarbeitszeitverkürzung gedacht und sollte dem absehbaren Arbeitskampf in der Metall-und Druckindustrie zuvorkommen.

Und drittens entschied der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit im Gegensatz zum Arbeitskampf 1978, für die mittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Metallarbeiter kein Kurzarbeitergeld zu zahlen. Die Bundesanstalt begründete diese Entscheidung mit der Neutralitätspflicht, entsprechend der für mittelbar betroffene Arbeitnehmer im fachlichen und räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrags sowie für mittelbar betroffene Arbeitnehmer mit gleichen Arbeitskampfforderungen wie im Tarifgebiet der unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer der Anspruch auf Kurzarbeitergeld ruht. Die Gewerkschaft IG Metall erwirkte beim Sozialgericht Frankfurt den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen die Bundesanstalt; die Beschwerde der Bundesanstalt wurde vom Hessischen Landessozialgericht zurückgewiesen. Damit war der Franke-Erlaß bis zur Entscheidung im Hauptverfahren ausgesetzt.

Auf der Höhe des Arbeitskampfs scheint die Bundesregierung allerdings eine politische Schwenkung vorgenommen zu haben. Diese äußerte sich erstens in der Reaktion des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit auf die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts: Obschon dieses lediglich den Franke-Erlaß ausgesetzt, den weitergehenden Anträgen der IG Metall, die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes anzuordnen, jedoch nicht entsprochen hatte, wies Präsident Franke in einem Schnellbrief die Arbeitsämter an, den mittelbar betroffenen Arbeitnehmern außerhalb Hessens und Baden-Württembergs für die Dauer des Arbeitskampfs unter Vorbehalt Kurzarbeitergeld zu bewilligen. Zweitens hat Bundesarbeitsminister Blüm beim bayrischen Verband der Metallindustrie interveniert, um einen bereits gefaßten Beschluß zur Ausweitung der Aussperrung in nicht umkämpften Tarifgebieten auszusetzen Und drittens haben sich die Tarifparteien im öffentlichen Dienst Mitte November trotz der im Vorfeld geäußerten markigen Drohungen und entgegen den allgemeinen Erwartungen ohne Streik geeinigt. Dabei hatte die Bundesregierung auf einer Nullrunde bis Frühjahr 1985 bestanden, und die Gewerkschaften hatten es darauf abgestellt, um jeden Preis das Tabu der Nullrunde zu brechen; alle Voraussetzungen für einen . heißen Herbst'im öffentlichen Dienst waren also gegeben. Um so überraschender wirkten die schnelle Einsicht des Bundesinnenministers, daß eine Position unnachgiebiger Härte nicht aufrechtzuerhalten war, sowie sein Fingerspitzengefühl und taktisches Geschick, das zum erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen beisteuerte d) Thematisierung des internationalen Zusammenhangs Die internationale Verflechtung bzw. Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist vor und während des Arbeitskampfes wiederholt als Argument gegen eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung zur Sprache gekommen — allerdings nahezu ausschließlich unter drei sehr einseitigen Aspekten. Unter weltwirtschaftlicher Rücksicht war der Lohnkostenvergleich ausschlaggebend, der allerdings die Wechselwirkung von Produktivitätszuwachs-und Lohnsteigerungsrate, die Schwankungen des Wechselkurses sowie den Vergleich von Reallohnposition und Kaufkraft in der Regel ausklammerte. Daß im nationalen Kontext kreislauftheoretische Erwägungen über die Löhne als Massenkaufkraft zurückgestellt wurden, mag entschuldbar sein; im internationalen Kontext wirkt solche Einseitigkeit kaum mehr verständlich. Außerdem wurde weniger die Konkurrenzlage zwischen Industrieländern als Hochlohnländern und Entwicklungsländern als Billiglohnländern ins Feld geführt, so daß die Aufrechterhaltung von Produktion und Beschäftigung im Inland gegen eine Produktionsverlagerung abzuwägen wäre, sondern vielmehr die Konkurrenz zwischen Industrieländern, insbesondere Japan, USA und der Bundesrepublik um Arbeitszeit, Lohnhöhe und den Einsatz moderner Technik anstelle menschlicher Arbeitskraft

Einzelwirtschaftlich und volkswirtschaftlich konnte es gerade noch plausibel erscheinen, durch längere Arbeitszeiten gegenüber dem nationalen und internationalen Konkurrenten einen relativen Wettbewerbsvorteil zu erringen; als verallgemeinerungsfähige Strategie für die Summe der Konkurrenten und zur Lösung der weltweiten Beschäftigungsprobleme war diese Argumentationsfigur allein wenig geeignet.

Und schließlich blieb neben der einzelwirtschaftlichen Akzentsetzung eine ausschließlich ökonomistische, eigentlich kapitalistische Betrachtungsweise vorherrschend: Der Arbeitsmarkt wurde als abgeleitete Funktion der Gütermärkte eingestuft; die Konkurrenz-beziehungen auf den Gütermärkten beanspruchten — zumindest international — auch auf dem Arbeitsmarkt Geltung. Elementarer Bestimmungsfaktor der Nachfrage nach Arbeitskräften und der Beschäftigung sei der Lohnsatz; steigt er, gehe die Nachfrage nach Arbeit zurück, sinkt er, sei mit deren Ausweitung zu rechnen. 2. Das Tarifergebnis Obgleich es unzulässig ist, angesichts der unterschiedlichen Abschlüsse in der Metall-und Druckindustrie sowie im öffentlichen Dienst von einem einheitlichen Tarifergebnis zu reden, sollen doch im folgenden vier Merkmale genannt werden, die dem allgemeinen Eindruck nach das Ergebnis der Tarifrunde 1984 scheinbar oder tatsächlich, vorübergehend oder dauerhaft, oberflächlich oder grundlegend geprägt haben. a) Flexibilisierung der tariflichen Arbeitszeit Die Flexibilisierung der tariflichen Wochen-arbeitszeit gilt als „Tarifpolitisches Neuland", als bahnbrechende Neuerung, als eigentliche Wendemarke der Tarifpolitik. In der Metall-industrie haben der Lösungsvorschlag Georg Lebers und der Einigungsvorschlag der besonderen Schlichtungsstelle dazu geführt, daß es eine tarifliche Regelarbeitszeit im herkömmlichen Sinn, d. h. für alle und jeden, nicht mehr gibt. Die für den Gesamtbetrieb geltende Regelarbeitszeit ist nunmehr ein Durchschnittswert von 38, 5 Stunden; sie kann für Betriebsabteilungen, Mitarbeitergruppen und einzelne Mitarbeiter, aber auch für den einzelnen Arbeitnehmer im Zeitablauf von zwei Monaten zwischen 37 und 40 Stunden variieren. Werden Betriebs-und Arbeitszeit entkoppelt, ist ein Freizeitausgleich in Form von freien Tagen möglich.

Von Arbeitgeberseite wird diese Neuregelung, die eine Anpassung individueller Arbeitszeitwünsche und betrieblicher Nutzungsinteressen gestattet, stark herausgestellt, während die Gewerkschaften darauf hinweisen, daß es ihnen gelungen sei, wenn schon nicht mit einem Stufenplan zur 35-Stunden-Woche abzuschließen, so doch die tabuisierte 40-Stunden-Grenze endgültig zu -durchbrechen, gleichzeitig aber der totalen Individualisierung der Arbeitszeit einen Riegel vorzuschieben, indem die Abweichung von der durchschnittlichen Regelarbeitszeit an enge Grenzen und Bedingungen geknüpft sei.

Eine nüchterne Beurteilung der Flexibilisierungs-Komponente muß sich einmal vom unmittelbaren publizistischen Echo des Leber-Modells lösen und in Rechnung stellen, daß im Gegensatz zur Metallindustrie der Tarifabschluß der IG Druck und Papier keine über die bisherigen Möglichkeiten hinausgehende Differenzierung enthält, und daß auch bei VW und in der Stahlindustrie von Nordrhein-Westfalen eine einheitlich verkürzte Wochenarbeitszeit von 38, 5 bzw. 38 Stunden für alle Vollzeitbeschäftigten vereinbart worden ist Zum anderen mag selbst in der Metall-Industrie das Interesse an unterschiedlichen Arbeitszeiten für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen gering sein wenn ein unmittelbarer betrieblicher Veränderungsbedarf nicht nachgewiesen werden kann, wenn Widerstände, Spaltungen und Rivalitäten unter den Mitarbeitern zu befürchten sind, und wenn der Kontrollaufwand als hoch und die Ausgleichszahlungen als erheblich angesehen werden b) Verlagerung tariflicher Regelungskompetenzen auf die Betriebsräte Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind nicht mehr die ausschließlichen Partner bei der tarifvertraglichen Regelung von Arbeitsbedingungen Die Verlagerung eines Teils der Regelungskompetenz auf die Unternehmensleitungen und die Betriebsräte, in Betriebsvereinbarungen den tarifvertraglichen Spielraum auszufüllen, verlangt von allen Beteiligten komplizierte Lernbewegungen und ein neues Rollenverständnis. Reibungen bei der Anpassung an die neue Situation sind bereits an drei Stellen wahrnehmbar: Erstens muß eine veränderte Balance zwischen den Repräsentanten der Verbände und.den Unternehmensleitungen bzw. Belegschaften gefunden werden. Daraus allerdings gleich einen Gegensatz zwischen Ideologen und Praktikern, zwischen dem Geschrei von Funktionären und dem Wohl der Betriebe und der darin arbeitenden. Menschen zu konstruieren, erscheint übertrieben denn es ist am Anfang ganz normal, wenn die Verbands-zentralen versuchen, ihre Mitglieder in den offiziellen Tarifkurs einzubinden und die Ausschöpfung des Tarifrahmens zu kanalisieren. Auf längere Sicht werden sich diese veränderten Regelungsbefugnisse zu einem Instrument und einer Ausdrucksform zunehmender Demokratisierung sowohl der Gewerkschaften wie auch der Arbeitgeberverbände entwickeln, auch wenn die Verbandsspitzen selbst noch lernen müssen, damit umzugehen.

Zweitens kann der Eindruck entstehen, als würde die jährliche Tarifauseinandersetzung nun in zwei Phasen und auf zwei Ebenen stattfinden. Schon bald, nachdem unter dem Schlichter Leber eine Kompromißformel gefunden war, begann der Streit um deren Interpretation bzw.deren Umsetzung in den Betrieben. Auch ohne Streikfähigkeit der Betriebsräte wurde diese Auseinandersetzung im Stil eines Arbeitskampfes, wenngleich mit anderen Mitteln, geführt.

Drittens sind neue Koalitionen mit eher partikulären Interessen wahrscheinlich, wenn z. B. Unternehmensleitungen der Einführung der 38, 5-Stunden-Woche für alle zustimmen unter der Voraussetzung, daß sich der Betriebsrat bei der Genehmigung von Mehrarbeit großzügig erweist. Solche Koalitionen schließen nicht aus, daß Betriebsräte voll in die Betriebspolitik des Managements eingefangen werden und so nicht mehr über den Betriebs-rand hinausblicken, oder daß sich die Rivalität innerhalb der Belegschaft oder der Abteilungen verschärft; die gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Interessen, erst recht die der Arbeitslosen bleiben dann systematisch unberücksichtigt c) Arbeitszeitverkürzung statt Lohnerhöhung Die Vorentscheidung der IG Metall, der IG Druck und Papier sowie der Gewerkschaft OTV für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung an Stelle einer Lohnerhöhung ist nicht selbstverständlich gewesen; sie hat sich gegen mindestens vier Widerstände behaupten müssen:

Der erste Widerstand war die über Jahre hinweg eingespielte Gewohnheit, bei hohen Wachstumsraten der Produktion sowohl Lohnerhöhungen als auch Arbeitszeitverkürzungen auf Grund erheblicher Produktivitätszuwächse durchsetzen zu können.

Die zweite Widerstandslinie wurde durch das Eigeninteresse innergewerkschaftlicher Gruppierungen gebildet, denn die Interessen derjenigen Kollegen und Kolleginnen, die auf Grund ihres Ausbildungsstandes, ihrer sozialen Stellung im Beruf und ihres Einkommens in der Lage und bereit waren, ihre Erwerbsarbeitszeit zu verringern und einen Solidaritätsbeitrag zugunsten der Arbeitslosen zu leisten, mußten mit den Einkommenserwartungen der Kollegen und Kolleginnen in den unteren Lohngruppen, die einen erheblichen Nachholbedarf an Ausstattung mit Gütern und Diensten anmelden konnten, ausbalanciert werden — ein Drahtseilakt, der insbesondere der OTV infolge ihrer Mitgliederstruktur nicht leicht gefallen sein dürfte.

Die dritte Widerstandslinie ging quer durch die Gewerkschaftsbewegung: Die Abkehr von einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung und damit von der Forderung nach Einstieg in die 35-Stunden-Woche durch andere DGB-Gewerkschaften kam einer stärkeren Akzentuierung der traditionellen Lohnpolitik gleich; so schloß die IG Chemie einen Tarifvertrag mit einer Lohnerhöhung von 4% ab.

Die vierte Widerstandslinie war das Lohnangebot der Arbeitgeber: Gesamtmetall bot eine Lohnerhöhung von 3, 3%, der Bundesverband Druck eine von 3, 2%, der öffentliche Arbeitgeber in der zweiten Verhandlungsrunde von 2, 8% an. Diese Vorentscheidung der Arbeitgeber für eine expansive, aber nicht weniger kostenwirksame Lohnpolitik beruhte auf der immer noch unerschütterlichen Erwartung, die Massenarbeitslosigkeit durch eine Mehr-nachfrage nach Gütern und Diensten und dann durch eine davon abgeleitete Mehr-nachfrage nach Arbeitskräften beseitigen zu können.

Die Überwindung dieser Widerstände bedeutete für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer unter den Bedingungen relativ geringer Wachstumsraten der Produktion den Verzicht auf Realeinkommen und Realkonsum, und zwar nachdem sich ihre Reallohnposition von 1980 bis 1983 bereits um 4% verschlechtert hatte

Die IG Druck und Papier hat eine weitere Widerstandslinie der Arbeitgeber einzunehmen versucht, die von diesen jedoch hartnäckig verteidigt wurde, nämlich das Alleinbestimmungsrecht der Kapitaleigner über die Investitionen, die in der Regel zwar durch die Arbeit der abhängig Beschäftigten finanziert werden, aber mit analoger Regelmäßigkeit auch die Freisetzung eben dieser abhängig Beschäftigten hervorrufen. Doch mit der Forderung nach Mitbestimmung und Mitwirkung beim Einsatz von Maschinen und Anlagen, bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsinhalte sowie mit der Forderung eines Rechts auf Ablehnung neuer Technologien, bevor die Auswirkungen auf den Besitzstand und die sozialen Folgen geklärt sind, konnte sich die Gewerkschaft nicht durchsetzen. d) Relativ geringer Beitrag zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit Die beschäftigungspolitischen Auswirkungen der durchschnittlich um 1, 5 Stunden verkürzten tariflichen Wochenarbeitszeit sind relativ bescheiden. Allerdings wohl nicht deshalb, weil sich das Anfang 1984 noch gute Investitionsklima plötzlich abgekühlt und seitdem die gesamtwirtschaftliche Erholung gefährdet hätte Bereits für Januar 1984 hat der ifoKonjunkturtest leichte Veränderungen und für März 1984 erhebliche Verschlechterungen des Geschäftsklimas im verarbeitenden Gewerbe ausgewiesen

Sehr bescheiden dürfte die Verringerung der Zahl der registrierten Arbeitslosen ausfallen — einmal im Verhältnis zu den ursprünglichen Arbeitskampfzielen z. B.der IG Metall, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen, und zum andern deshalb, weil die relativ gering verkürzte tarifliche Regelarbeitszeit durch eine andere Arbeitsorganisation und -Verteilung sowie durch Arbeitsverdichtung ohne nen-nenswerte Neueinstellungen aufgefangen werden kann -

Dennoch bleibt unbestritten, daß jede Arbeitszeitverkürzung eine beschäftigungspoli-tische Wirkung hat, selbst wenn diese Wirkung lediglich darin bestehen sollte, den durch die moderne Technik beschleunigten Abbau der Beschäftigung ein wenig abzufedern.

II. Einstieg in eine andere Arbeitsethik?

1. Veränderte Arbeitsethik Die herkömmliche Arbeitsethik ist dadurch charakterisiert, daß sie Arbeit überwiegend bzw. nahezu ausschließlich mit Erwerbsarbeit gleichsetzt. Arbeit ist ein Instrument, um den Lebensunterhalt zu sichern, ein Mittel, um Einkommen zu erwerben, ein Aufwandsfaktor, dem die Konsumbefriedigung als Ertrag gegenübergestellt wird. Diese instrumentelle Sichtweise begreift Arbeit ausschließlich als Funktionswert. Infolgedessen sind nicht wenige Menschen bereit gewesen, belastende Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen, Akkord-, Schicht-und Nachtarbeit zu ertragen, sogar Gesundheit gegen Geld zu verkaufen in der Erwartung, dadurch ihre Einkommenslage zu verbessern und sich in der Freizeit durch mehr Konsum zu entschädigen.

Die Industriegesellschaft hat durch die technologische, horizontal und vertikal gerichtete Arbeitsteilung sowie durch die Ausdifferenzierung komplexer gesellschaftlicher Teilbereiche die Ziel-Mittel-Rationalität der Erwerbsarbeit auf die Spitze und damit an ihre Grenze getrieben. Dennoch und gerade deshalb, nämlich angesichts des psychischen und sozialen Leidensdrucks der massenhaft Arbeitslosen und angesichts der weiteren Polarisierung der Arbeitslosen und Erwerbstätigen, der Arbeitseinkommen und der Arbeitsbedingungen wächst die Unzufriedenheit einer großen Zahl arbeitender Menschen über die reine Erwerbsarbeit, über die von Kapital-interessen und deren Leitungsbefugnis abhängige Arbeit und über die rein marktwirtschaftlich organisierte, d. h. an der privaten Rentabilitätsrechnung orientierte Arbeit, wächst aber auch das Verlangen nach einer Arbeitsorganisation, die kreativen und kommunikativen Bedürfnissen mehr gerecht wird, wächst zugleich die Anstrengung einer vertieften arbeitsethischen Reflexion

Eine . andere'Arbeitsethik unterscheidet sich von der herkömmlichen dadurch, daß sie Arbeit vorrangig als Eigenwert — in religiöser Perspektive als Mitschöpfung, in sozialethischer Perspektive als grundlegendes Merkmal des Menschen — begreift

Die Charakterisierung menschlicher Arbeit als Mitschöpfung überwindet die verengte Vorstellung einer Rivalitätsbeziehung zwischen Gottes Schöpfung, die als fertiges Produkt der menschlichen Geschichte voraus-liegt, und der Arbeit des Menschen, deren Ergebnis mit dem Ende der Geschichte zerfällt. Vielmehr ist die menschliche Arbeit eine Ausdrucksform der Schöpfung Gottes, so daß die Menschen in ihrer Arbeit vor dem persönlichen Tod und vor dem Ende der Weltgeschichte die Schöpfung Gottes real abbilden, indem sie eine Welt, die vom Kampf ums Dasein geprägt ist, in eine Welt der Sympathie und des gegenseitigen Verstehens transformieren.

Die Charakterisierung menschlicher Arbeit als grundlegendes Merkmal des Menschen fixiert diese nicht auf Erwerbsarbeit, sondern begreift sie umfassend in drei Dimensionen — der naturalen, personalen und sozialen Dimension.

Die naturale Dimension meint die Selbsterhaltung, das physische überleben des Menschen in einer von Haus aus feindlichen natürlichen Umwelt; der Lebensunterhalt muß in der Auseinandersetzung mit der Natur, jedoch nicht in deren Zerstörung gewonnen werden.

Die personale Dimension meint die Selbstdarstellung einer freien und eigenbewußten Person, die in der Arbeit sich selbst bestimmt und verwirklicht; aus der Würde der menschlichen Person resultiert die Würde der menschlichen Arbeit.

Die soziale Dimension meint zunächst die gesellschaftliche Anerkennung, die dem arbeitenden Menschen bestätigt, daß seine Arbeit gesellschaftlich notwendig und nützlich ist. Darüber hinaus drängen die unterschiedlichen Begabungen und Interessen der Menschen dahin, den Produktionsprozeß arbeitsteilig, in einem System der über-und Unterordnung zu organisieren. Eine Unternehmensverfassung, die dem personalen Charakter der Arbeit Rechnung trägt, wird das Unternehmen in erster Linie als Zusammenschluß von Personen begreifen, die Mitarbeiter an den betrieblichen und unternehmerischen Entscheidungsprozessen beteiligen und die unternehmerische Leitungskompetenz vorrangig aus dem gemeinsamen Interesse der Belegschaft rechtfertigen. Mitarbeitergesellschaften vermitteln den Belegschaftsangehörigen das Bewußtsein, nicht unbedeutendes Rädchen in einem undurchschaubaren Mechanismus zu sein, sondern in eigener Sache mitverantwortlich und mitbeteiligt zu arbeiten. Außerdem ist auch die Tarifautonomie der sozialen Dimension der Arbeit zuzuordnen; denn erst der organisatorische Zusammenschluß zu Gewerkschaften hat die wirtschaftliche Abhängigkeit des einzelnen Arbeiters gegenüber dem Arbeitgeber tendenziell aufgehoben und annähernd paritätische Verhandlungschancen auf dem Arbeitsmarkt geschaffen. Und schließlich ist das einzelne Arbeitsverhältnis in ein umfassendes Geflecht von Personen, Regeln sowie privaten und öffentlichen Einrichtungen eingebunden, die als mittelbarer Arbeitgeber dafür verantwortlich sind, daß das soziale Grundrecht auf Arbeit für jeden arbeitsfähigen und arbeitswilligen abhängig Beschäftigten eingelöst wird 2. Arbeitsethische Konturen Es mag gewagt erscheinen, hinter einer unmittelbaren Tarifauseinandersetzung und hinter einem konkreten Tarifergebnis den Einstieg in eine andere Arbeitsethik zu wittern oder überhaupt veränderte arbeitsethische Konturen zu entdecken. Andererseits steht ein aktueller Tarifkonflikt regelmäßig in einem geschichtlichen Zusammenhang: Besonders harte Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik sind nicht bloß um höhere Löhne, sondern ebenso z. B. um die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, um menschengerechte Arbeitsbedingungen sowie um Mitsprache-und Mitgestaltungsrechte der Arbeitnehmer entbrannt Die arbeitsethische Bedeutung dieser Kampfziele ist wohl unbestritten; darüber hinaus ist jede Tarifauseinandersetzung und jedes Tarifergebnis einer arbeitsethischen Beurteilung zugänglich.

Arbeitsethische Konturen sind in der Vorentscheidung einer Verkürzung der Erwerbsarbeit erkennbar; in welchem Ausmaß und in welcher Richtung sie weiterwirken werden, bleibt noch unbestimmt. a) Abstand von der Erwerbsarbeit?

Die IG Druck und Papier sowie die IG Metall haben im Unterschied zur OTV für die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit auf sichtbare Einkommenszuwächse verzichtet, die andernfalls hätten durchgesetzt werden können. Diese Entscheidung weiß sich in Übereinstimmung mit der geschichtlichen Linie der Arbeiterbewegung, die von 1900 bis 1983 eine Halbierung der jährlichen Erwerbsarbeitszeit von 3 485 Stunden auf 1 769 Stünden erkämpft hat Zugleich bedeutet diese Entscheidung eine Gewichtsverlagerung vom erwerbsbedingten Einkommen bzw. von der Erwerbsarbeit zur nicht erwerbsgebundenen Zeit und zu anderen Formen der Arbeit. Erwerbsarbeit wird nicht mehr ausschließlich mit Arbeit identifiziert. Neben der Erwerbsarbeit können Eigenarbeit, Hobbyarbeit, Sozial-arbeit treten, die nicht erwerbswirtschaftlich angeboten und nachgefragt werden. Diese Entscheidung mußte allerdings gegen zwei Tendenzen behauptet werden: Einmal gegen die Einkommenswünsche der unteren Lohngruppen, die im Zuge wachsender Polarisierung der Erwerbstätigen und der entsprechenden Öffnung der Lohnschere eine Lohnerhöhung der Arbeitszeitverkürzung vorgezogen hätten, die aber durch die einmalige Ausgleichszahlung für die Null-Monate (die in ihrer Wirkung einem Sockelbetrag gleichkam) und durch Ausgleichszahlungen, wenn die individuelle Arbeitszeit von der durchschnittlichen Regelarbeitszeit nach unten abweicht (IG Metall), oder durch eine Reform der Lohn-struktur (IG Druck) halbwegs zufriedengestellt werden konnten Zum anderen klammern sich die Arbeitgeberverbände an die Erwartung, daß jede durch den Einsatz neuer Technik überflüssig gewordene Erwerbsarbeit durch andere Erwerbsarbeitsgelegenheiten, etwa im tertiären Sektor, ersetzt werden könne, falls nur ein entsprechend kräftiger Anstieg der Nachfrage nach Gütern und Diensten herbeigeführt wird.

Die Entscheidung für Arbeitszeitverkürzung anstelle von Lohnerhöhungen ist nun eine Absage an solchen Konsum, der lediglich zur Sicherung von Arbeitsplätzen suggeriert werden muß, sowie gegen eine Erwerbsarbeit, die lediglich einen bisher eigenwirtschaftlichen Bereich in den marktwirtschaftlichen Kreislauf einschleust und damit kommerzialisiert. b) Zeitsouveränität?

Die Flexibilisierung der Erwerbsarbeitszeit kann in begrenztem Ausmaß den abhängig Beschäftigten mehr Verfügungsgewalt über ihre Zeit zurückgeben und ihnen auch ein gewisses Maß an Zeitsouveränität wiederherstellen. Wenn sich darüber hinaus die individuellen Erwerbsarbeitszeitwünsche mit den betrieblichen Erfordernissen optimal kombinieren ließen, wäre der Wunderweg eines symmetrischen Interessenausgleichs hergestellt. Doch die humanisierende Wirkung einer wachsenden Zeitsouveränität ist noch nicht gewährleistet. „Die Spanne zwischen 37 und 40 Stunden soll angemessen ausgefüllt werden. Dabei sind die betrieblichen Bedürfnisse zu berücksichtigen" heißt es im Tarifvertrag. Treten die ind Stunden soll angemessen ausgefüllt werden. Dabei sind die betrieblichen Bedürfnisse zu berücksichtigen" 38), heißt es im Tarifvertrag. Treten die individuellen Bedürfnisse hinter den betrieblichen zurück? Wessen Souveränität wird sich durchsetzen? Die der Betriebsleitung, der sogenannten technischen Sachzwänge, der betriebswirtschaftlich optimal ausgelasteten Produktionsanlagen? Eine zweite Vermutung geht dahin, daß der Taylorismus, die sogenannte wissenschaftliche Betriebsführung, auf die relative Zeitsouveränität des Mitarbeiters am Arbeitsplatz ausgreift, daß sich die betriebliche Personal-planung in eine betriebliche Zeitplanung verwandelt und nicht mehr in der Kategorie von Mitarbeitern, sondern von Arbeitszeitbudgets rechnet 39).

Darüber hinaus steht zu vermuten, daß die Spaltung der Belegschaften vertieft wird, wenn nämlich die besser Qualifizierten in den höheren Einkommensgruppen unverändert 40 Stunden pro Woche arbeiten, die weniger Qualifizierten, vor allem Frauen und Ausländer, sich dagegen dem wechselnden Bedarf des Absatzmarktes, der Produktion und technischer Veränderungen anzupassen haben und auf Teilzeitarbeit ausweichen müssen 40).

Am Ende wäre der einzelne Mensch mehr als bisher den sogenannten ökonomischen Zwängen ausgeliefert. Nicht nur seine Erwerbsarbeitszeit, auch seine Freizeit wäre noch stärker individualisiert. Das Gespür dafür, daß der Wert der nicht erwerbsgebundenen Zeit, der sogenannten Freizeit, wesentlich mitbestimmt wird durch deren Eigenschaft als Sozialzeit, d. h. einer für soziale Kommunikation verfügbaren Zeit, käme weiter abhanden, ebenso wie das Bewußtsein, daß eine solche Sozialzeit nicht ausschließlich individuell gewählt werden kann, sondern durch gesellschaftliche Übereinkunft angesetzt werden muß. Schließlich ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß der freie Samstag und Sonntag, die gesellschaftliche Einrichtung des Wochenendes, einer individuell gleitenden Erwerbsarbeits-und Freizeit geopfert wird. c) Arbeitnehmersolidarität?

Ist die Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit ein Solidaritätsbeitrag der Erwerbstätigen untereinander, der Erwerbstätigen zugunsten der Arbeitslosen, der deutschen Arbeiter zugunsten der weltweit von Arbeitslosigkeit Bedrohten geworden?

Die starke Einschaltung der Betriebsräte erhöht zweifellos die Chancen und das Gewicht dezentraler, ortsnaher Entscheidungsprozesse, kann aber auch dazu führen, daß kollektive Schutzrechte ausgehöhlt werden und daß der Einfluß der Gewerkschaftsbewegung, d. h.der gesamtwirtschaftlich und gesellschaftspolitisch verantwortlichen Entscheidungsgremien, geschwächt wird. Den Betriebsräten ist das Streikrecht versagt, nicht immer sind sie innerhalb eines Unternehmens dem Sachverstand der Spitzenmanager gewachsen, hin und wieder geben sie dem massiven Druck der Unternehmensleitung nach, und nicht selten sind sie mit den einzelwirtschaftlichen Unternehmensinteressen überidentifiziert. Das Tarifergebnis in der Metallindustrie mag solche Betriebsegoismen begünstigen; Konkurrenzdenken und Profilierungsstreben der Betriebsräte könnten dann die Solidarität der Erwerbstätigen untereinander empfindlich beeinträchtigen

Noch nüchterner ist der Solidaritätsbeitrag zu beurteilen, den die tarifliche Arbeitszeitverkürzung um 1, 5 Stunden wöchentlich für die Arbeitslosen gebracht hat. Bereits vor dem Arbeitskampf und in seiner Anfangsphase war abzusehen, daß eine für das einzelne Unternehmen kostenneutrale und für die unteren Lohngruppen einkommensneutrale Arbeitszeitverkürzung nur dann zu einem beschäftigungspolitischen Durchbruch, nämlich zu einer merklichen Verringerung der Massenarbeitslosigkeit, hätte führen können, wenn Arbeitgeber, Gewerkschaften und Staat zu einem dreiseitigen Zusammenspiel bereit gewesen wäreh

Dieses Zusammenspiel hätte drei Regelungsebenen umfassen müssen: erstens Betriebs-vereinbarungen, die den betrieblichen und regionalen Besonderheiten sowie der Eigenart der Branchenstruktur Rechnung tragen, zweitens Tarifverträge und drittens gesetzliche Rahmenbestimmungen. *

Dieses Zusammenspiel hätte außerdem drei Umverteilungen umfassen müssen: Die erste Umverteilung erfolgt vom öffentlichen in den privaten Bereich. Die Unternehmen, die Neu-einstellungen vornehmen, werden durch unverzügliche Senkung von Abgaben und Steuern entlastet oder durch die Umlenkung dessen, was der Staat an Zuschüssen zur Bundesanstalt für Arbeit einspart, subventioniert; die Kostenerstattung des Blüm-Modells bei der Lebensarbeitszeitverkürzung wird auf die kollektive Regelung der Arbeitszeitverkürzung übertragen.

Die zweite Umverteilung erfolgt von oben nach unten. Wie der volle Lohnausgleich für die unteren Einkommensgruppen berechtigt ist, so ist der volle Lohnverzicht für die oberen Einkommensgruppen zumutbar; die Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit ist mit gestaffeltem Lohnausgleich zu koppeln.

Die dritte Umverteilung erfolgt von den Gewinn-zu den Lohneinkommen. Die gegenwärtige Anhebung der Gewinneinkommen ist funktional begründet worden, damit über mehr und andere Investitionen der Produktionsapparat modernisiert und Arbeitsplätze von morgen gesichert würden. Dieser funktionale Zusammenhang ist aber weder praktisch noch theoretisch zwingend. Geld für Investitionszwecke kann aus Gewinn-wie aus Lohneinkommen zur Verfügung gestellt werden, wenn die Lohneinkommen nur hinreichend hoch sind und wenn die investive Verwendung gewährleistet bleibt.

Dieser Pakt einer solidarischen Vernunft, in dem Arbeitgeber, Gewerkschaften und Staat ihren Teil an Verantwortung übernommen hätten, um die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit und deren gleichmäßige Verteilung zu finanzieren, ist jedoch nicht zustande gekommen. Nachdem die Arbeitgeber die Kostenfrage dramatisch hochgespielt und den Gewerkschaften die Aufgabe zugewiesen hatten, die Arbeitszeitverkürzung zu finanzieren, wurden deren analytische und strategische — ausnahmslos einzelwirtschaftliche — Denkmuster von der Öffentlichkeit aufgegriffen, als seien ausschließlich und erstmalig die Gewerkschaften und die abhängig Beschäftigten zur Finanzierung der Arbeitszeitverkürzung und gleichmäßigen zur Verteilung der Erwerbsarbeit heranzuziehen.

Ein Gedankenspiel Oswald von Nell-Breunings, daß die Erwerbstätigen den Arbeitslosen zugleich mit den fünf Wochenstunden auch ihren Lohn abgeben, anstatt ihnen die Arbeitsstunden zu überlassen, den Lohn aber für sich zu behalten wurde dahin gehend mißverstanden, als hätten die abhängig Beschäftigten nicht seit 1975 Vorleistungen an Reallohnverzicht erbracht, als könne allein ein einseitiger Lohnverzicht der abhängig Beschäftigten ohne das Mitspielen von Arbeitgebern und Staat die Neueinstellung von Arbeitslosen gewährleisten, und als sei durch einen solchen Lohnverzicht nicht zuerst und möglicherweise allein die Verteilungsposition zwischen Lohn-und Gewinneinkommensbeziehern berührt.

Die Abwehrreaktion der Gewerkschaften gegen eine Öffentlichkeit, die die Verantwortung für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit im Einklang mit der Regierung den Tarifpartnern und im Einklang mit den Arbeitgebern dann den Gewerkschaften aufbürdet, ist begreiflich. Letztlich blieb diesen, kaum etwas anderes übrig, als sich wenigstens auf die relative Arbeitsplatzsicherung der bereits Erwerbstätigen zu verlegen, selbst wenn die Arbeitslosen dabei nach und nach vom Verhandlungstisch weg-und aus den Verhandlungsräumen hinausgedrängt worden sind. Die Solidarität mit den weltweit Arbeitslosen fand die geringste öffentliche Resonanz. Die individuelle, problemgruppenbezogene oder nationale Erklärung von Arbeitslosigkeit spiegelte sich in der Geringschätzung internationaler Perspektiven bei der Suche nach Auswegen. Arbeitsplätze sichern gegenüber ausländischen Konkurrenten in Ägypten und Bangladesch, Arbeitsplätze schaffen in der Bundesrepublik statt in Kalifornien oder Südfrankreich: Solche Strategien, die den Vorteil des einen zum Nachteil des anderen werden lassen, wurden als Alternativen einer Arbeitszeitverkürzung propagiert. Und obwohl sich die Arbeitslosigkeit in den umliegenden europäischen Ländern und erst recht in den Ländern der Dritten Welt viel verheerender als in der Bundesrepublik auswirkt, ist die Rolle kaum beachtet worden, die eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei der radikalen Umstrukturierung des Welthandels spielen könnte, der weniger dem Luxuskonsum einer elitären Oberschicht als vor allem den Grundbedürfnissen der Masse der Bevölkerung in bezug auf Nahrung, Gesundheit, Kleidung, Wohnung und Beschäftigung dient. d) Spaltung der Arbeit?

Die Arbeitszeitverkürzung war von der IG Metall als ein Weg zur Humanisierung der Erwerbsarbeit propagiert worden, um den gesundheitlichen Verschleiß bzw. die nervlich-psychische Belastung der Erwerbsarbeit zu verringern. Die IG Druck und Papier hat verstärkte Mitsprache-und Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer ausdrücklich in ihren Forderungskatalog aufgenommen. Diese Forderungen sind vom Gesamtverband Druck jedoch kategorisch zurückgewiesen worden und konnten im Manteltarifvertrag nicht durchgesetzt werden.

Ob die humanisierende Wirkung einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung — dazu noch in der Version der Metallindustrie und des öffentlichen Dienstes — eintritt, liegt nicht allein in den Händen der Gewerkschaften. Man kann damit rechnen, daß ganz besonders in Bereichen des öffentlichen Dienstes anstelle von Neueinstellungen der Rationalisierungsdruck sowie die Verdichtung der Arbeit zunehmen werden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß die Erwerbsarbeit noch monotoner, langweiliger, noch mehr einseitig belastend wird und als Ort kreativer Selbstdarstellung und sozialer Kommunikation immer mehr ausfällt. Gleichzeitig mag dann das Interesse der abhängig Beschäftigten, auf Mitwirkung und Mitbestimmung in der Erwerbs-arbeit zu bestehen und die Erwerbsarbeit selbst menschengerecht zu gestalten, erlahmen. Eine solche Haltung müßte auf die Dauer eine bedenkliche Spaltung zwischen Erwerbsarbeit und Eigenarbeit, zwischen dem erwerbswirtschaftlichen und eigenwirtschaftlichen Sektor hervorrufen, wobei gar nicht gewährleistet sein wird, daß dann am Rande und außerhalb des erwerbswirtschaftlichen Sektors kreative und kommunikative Arbeit überhaupt gelingt.

III. Einstieg in eine andere Arbeitspolitik?

Wenngleich die arbeitsethischen Konturen weitgehend abgehoben vom aktuellen Arbeitskampf und von der Bewußtseinslage des durchschnittlichen Arbeitnehmers und Arbeitgebers erscheinen, sind sie in den laufenden arbeitspolitischen Entscheidungen wirksam gewesen: Sie haben sich in Lernbewegungen verkörpert oder sind negativ ausgeblendet worden. 1. Lernbewegungen Unbeschadet der noch erstarrten Kampffronten, provokanten Signale und schroffen Abgrenzungen der Tarifpartner sind vier arbeitspolitische Lernbewegungen absehbar. a) Wachstum, und Arbeitszeitverkürzung Den Arbeitgebern ist klargeworden, daß sie ihre Erwartungen, die Massenarbeitslosigkeit ausschließlich oder in erster Linie durch Nachfragebelebung bzw. durch den konjunkturellen Aufschwung abzubauen, nicht widerstandslos durchsetzen können; die Gewerkschaften haben ihre gesellschaftliche Macht behaupten können, einen Teil des Produktivitätszuwachses nicht in höheren Löhnen, sondern in mehr Freizeit umzusetzen. Der Ausgang dieser Auseinandersetzung um gesellschaftliche Entscheidungsmacht läßt Wirtschaftsverbände und Parteigruppierungen ernsthafter darüber nachdenken, in welchem Verhältnis Wirtschaftswachstum und allgemeine Arbeitszeitverkürzung dazu beitragen, die Massenarbeitslosigkeit vor allem unter den Jugendlichen schnell und wirksam zu beseitigen, und wie dringlich der Einsatz moderner Technik, falls er mehr im Unternehmens-sektor als im Bereich der privaten Haushalte erfolgt, die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit erforderlich macht. b) Gleichverteilung der Erwerbsarbeit Indem die IG Druck und Papier eine weiterreichende Flexibilisierungs-Komponente im Manteltarifvertrag verhindert und die IG Metall die Arbeitszeitflexibilisierung in die Bandbreite einer durchschnittlichen Regelarbeitszeit eingerahmt hat, sind jene Tendenzen aufgehalten worden, die das vorhandene, im Zeitablauf abnehmende Volumen an Erwerbs-arbeit personell ungleich verteilen und die auf dem Arbeitsmarkt bzw. im Betrieb schwächsten Personengruppen aus dem Erwerbsleben ausgrenzen wollen: ältere Arbeitnehmer durch den formell freiwilligen, unter dem Druck der öffentlichen Meinung und der Belegschaft dann aber erzwungenen Vorruhestand, Frauen durch das hohe Lied der Hausfrau und Mutter bzw. das Drohwort gegen Zweit-und Doppelverdiener, das kirchliche Kanzel-und parteipolitische Sonntagsredner erneut zu singen beginnen, Ausländer durch politisch geschürte Rechtsunsicherheit und Rückkehrprämien, Jugendliche durch verlängerte Ausbildung, Umschulung oder Neueinstellung auf Teilzeitbasis

Die Gewerkschaften haben sich einigermaßen diesen Ausgrenzungsstrategien widersetzt, weil sie wissen, wie brüchig das soziale Netz ist, das den Arbeitslosen angeblich trägt, und wie realitätsfremd die Vorstellung ist, Arbeitslosigkeit lasse sich als schöpferische Chance umdeuten. Demgegenüber ist in den Tarifabschlüssen das Selbstverständnis der Arbeiterbewegung bekräftigt worden, daß die Erwerbsarbeit, wenngleich nicht den einzigen, so doch einen gewichtigen Faktor der gesellschaftlichen Rangzuweisung ausmacht, daß die Erwerbsarbeit über die Beteiligung am gesellschaftlichen Entscheidungsprozeß mit vorentscheidet, und daß jeder arbeitsfähige Mensch entsprechend seinen Fähigkeiten und Neigungen in verschiedenen Dimensionen der Arbeit, aber immer auch im erwerbswirtschaftlichen Sektor engagiert bleibt. c) Erster und Zweiter Arbeitsmarkt Die nüchterne Einschätzung der beschäftigungspolitischen Auswirkungen der Tarifabschlüsse hat außerhalb des erwerbswirtschaftlichen Sektors und an dessen Rand verschiedene gesellschaftliche Kräfte mobilisiert. Gruppierungen, die im Bereich der traditionellen Sozialpolitik mit den verheerenden Folgen der Dauerarbeitslosigkeit konfrontiert sind, engagieren sich für die Errichtung eines zweiten Arbeitsmarkts, der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, selbstverwaltete Betriebe und Selbsthilfegruppen einschließt; gerade Jugendliche könnten nach solchen therapeutischen Übergangslösungen in den formellen Arbeitsmarkt wiedereingegliedert werden Andere Gruppierungen, die der alternativen Bewegung nahestehen, finden in den Tarifabschlüssen ihre Einschätzung bestätigt, daß das objektive Gewicht und die subjektive Gewichtung der Erwerbsarbeit abnehme und daß die Fixierung der Industriegesellschaft auf die Erwerbsarbeit in eine Sackgasse einmünde; so widmen sie den Äquivalenten der Erwerbsarbeit und des Erwerbseinkommens: der Eigenarbeit und dem Existenz-bzw. Sozialeinkommen, erhöhte Aufmerksamkeit Gleichzeitig wird Kritik an der Perspektivlosigkeit eines zweiten Arbeitsmarkts laut, der dem Staat als Alibi der Untätigkeit und des Planstellenabbaus diene, der Selbstausbeutung Vorschub leiste und den Arbeitsmarkt endgültig spalte. d) Menschengerechte Erwerbsarbeit Der Vorstoß der IG Druck und Papier zum Rationalisierungsschutz lenkt die arbeitspolitische Blickrichtung auf eine Alternative jenseits des Dualismus von Erwerbs-und Eigen-arbeit: nämlich die Erwerbsarbeit selbst menschengerecht zu gestalten, anstatt sie nur zu verkürzen, die abhängig Beschäftigten in der Erwerbsarbeit selbst statt von ihr zu befreien. Der Produktivitätsfortschritt wird dann mit Hilfe angepaßter Technologie in kreative und kommunikative Arbeitsplätze umgewandelt, die den Arbeitsprozeß tragenden Arbeitnehmer werden am Entscheidungsprozeß über Produktionsvolumen und Produktionsrichtung beteiligt. Allerdings wäre damit die Schwelle einer kapitalistischen Marktwirtschaft überschritten: der Vorrang der Arbeit vor dem Kapital würde zur Geltung gebracht, die Selbstorganisation der Arbeit durch die arbeitenden Menschen in Mitarbeiter-Gesellschaften würde den Verkauf der eigenen Arbeitskraft überflüssig machen, anstatt ihn nachträglich sozial einbinden zu müssen. 2. Ausblendungen Die Tarifrunde 1984 hat die arbeitspolitische Regelung dreier marktwirtschaftsbedingter Strukturkonflikte ausgeblendet. a) Private Wirtschaftlichkeitsrechnung Der Gegensatz zwischen privatwirtschaftlich vernünftigen Entscheidungen, nämlich Arbeitskräfte durch technische Anlagen zu ersetzen, die gesellschaftlichen Kosten der Freisetzung von Arbeitskräften dagegen der Allgemeinheit aufzuladen, die letztlich für die Finanzierung der durch die Summe der einzelwirtschaftlichen Entscheidungen verursachten Arbeitslosigkeit aufkommen muß, ist nicht ernsthaft problematisiert worden. Die selektive Behandlung des Problems in der öffentlichen Meinung, insofern die einzelwirtschaftlichen Kosten der Arbeitszeitverkürzung zum Dreh-und Angelpunkt definiert worden sind, hat vergleichsweise selektive Lösungsvorschläge produziert. Umfassende Analysen, die den Kern der ökonomischen Krise nicht in der Entstehung der produktiven Leistung, sondern in deren Verteilung, nämlich in der Überfrachtung des Arbeitsverhältnisses mit Gemeinschaftslasten sahen, und umfassende Lösungsentwürfe, die die Erhebung der Gemeinschaftslasten an anderer Stelle des volkswirtschaftlichen Kreislaufs, etwa bei der Produktnachfrage, vorsahen, oder die gar die Probleme der Güterproduktion, der Arbeitsorganisation und der sozialen Sicherung zu integrieren suchten, sind außer Reichweite der arbeitspolitischen Entscheidungsprozesse geblieben b) Primäre Einkommensverteilung Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung und ein beschäftigungspolitischer Durchbruch waren weder mit vollem prozentualen Lohnausgleich noch mit prozentualem Lohnverzicht erreichbar, allenfalls — läßt man einmal die Kostenargumentation der Arbeitgeber gelten, ohne sie als Vorwand zu diffamieren und ohne ihre auch anfechtbaren wirtschaftstheoretischen und beschäftigungspolitischen Grundlagen zu problematisieren — mit einer fühlbaren Umverteilung der Einkommen von oben nach unten. Dazu hätten jedoch vier Blockaden geräumt werden müssen:

der Gewerkschaften, Erstens die Blockade denen es schwerfallen dürfte, tarifpolitisch zwischen Mitgliedern mit und ohne Lohnaus-gleich z. B. diesseits und jenseits der Grenze eines monatlichen Nettohaushaltseinkommens von 2 500 Mark zu differenzieren; denn zur ersten Gruppe gehören immerhin streik-aktive und streikrelevante Facharbeiter, zur zweiten dagegen Arbeitnehmer mit geringem gewerkschaftlichen Organisationsgrad.

Zweitens die Arbeitgeber, die sich — selbst dann, wenn die Gewerkschaften der Schließung der Lohnschere zustimmten, was ansatzweise durch die Sockel-Komponente geschieht — solchen Nivellierungstendenzen widersetzen, solange sie an der Vorstellung individueller Leistungszurechnung bzw. ergonomisch oder mikro-oder makroökonomisch zu definierender Leistungslöhne festhalten.

Viertens die Blockade der herrschenden Wirtschaftspolitik, die die personelle Einkommensverteilung der Gewinn-und Lohneinkommensbezieher an die funktionale Verteilung der Einkommen auf Konsum und Investition koppelt, als könnten Investitionen nur aus Gewinneinkommen finanziert werden und als sei die Modernisierung des Produktionsapparates, eine Verlagerung von den Konsum-zu den Investitionsausgaben, an die Umschichtung der Einkommen zugunsten der Gewinn-und zu Lasten der Lohneinkommensbezieher gebunden.

Drittens die Blockade wieder der Gewerkschaften, denen — selbst wenn die Arbeitgeber die Schließung der Lohnschere hinnähmen — eine einseitige Umverteilung der Löhne und Einkommen allein der abhängig Beschäftigten nicht zumutbar ist.

Doch diese vier Blockaden sind umgeräumt und die bestehenden Lohn-und Einkommens-differenzen unangetastet geblieben. c) Weltwirtschaftliches Machtgefälle Die Dramatik des internationalen Wettbewerbsdrucks, die während des Arbeitskampfs inszeniert worden war, hat die fortwährenden Exportüberschüsse gezielt verschleiert die der bundesrepublikanischen Wirtschaft eine ungebrochene Spitzenstellung im Welthandel und in der Technologieentwicklung bescheinigen. Daß diese Schlüsselrolle in der Weltwirtschaft und bei der Ausbalancierung der Weltwährungsmärkte eine entsprechende Veranwortung für die internationale Arbeitspolitik und für eine internationale Sozialpolitik nach sich zieht, um eine nach kapitalistischen Regeln strukturierte Marktwirtschaft sozial zu korrigieren, ist weder von der Bundesregierung noch von den Arbeitgebern noch auch von den Gewerkschaften in arbeitspolitische Entscheidungsprozesse eingebracht worden.

Kann die Tarifrunde 1984 als Einstieg in eine andere Arbeitsethik und Arbeitspolitik gekennzeichnet werden? Sie kann es. Nicht im Sinn einer Weichenstellung, die die Fahrtrichtung unausweichlich bestimmt. Wohl aber im Sinn eines ersten Schrittes, der wie alles arbeitsethische und arbeitspolitische Handeln ähnliche Entscheidungsschritte in Zukunft zuläßt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Wirtschaftswoche Nr. 29 vom 13. 7. 1984, S. 117; die Aussage, es gebe nur einen Gewinner, die neue Technik, wird dem Präsidenten des Zeitungsverlegerverbandes, Neven duMont, zugeschrieben.

  2. Vgl. C. Offe, Arbeit als soziologische Schlüssel-kategorie?, in: J. Matthes (Hrsg.), Krise der Arbeitsgesellschaft? Verhandlungen des 21. Deutschen Soziologentages in Bamberg 1982, Frankfurt 1983, S. 38— 65.

  3. W. Weisser (Hrsg.), Der Kampf um die Arbeitszeit in der Metallindustrie 1984, Köln 1984, S. 12.

  4. Vgl. ebd., S. 17, sowie CDU-Bundesgeschäftsstelle, Hauptabteilung Politik (Red.), Arbeitskampf 1984, Bonn 1984, S. 20: „Der Streik in der Druckindustrie und in der Metallindustrie das belegen die Äußerungen von Gewerkschaftsführern und Sozialdemokraten — war ein politischer Streik, ein in der Nachkriegsgeschichte einmaliger Fall parteipolitischen Mißbrauchs der Gewerkschaftsmitglieder. Die SPD hat dabei von Anfang an die Rolle eines politischen Streikpostens übernommen."

  5. Vgl. dazü ein Interview mit K. Biedenkopf über die Spielregeln der Tarifautonomie, in: Wirtschaftswoche Nr. 51 vom 14. 12. 1984, S. 61 u. 64. •

  6. Vgl.: Was bringt der Einstieg in die 35-Stunden-Woche?, in: DIW-Wochenbericht, 51 (1984) 50, S. 383— 394.

  7. Vgl. Jahresgutachten 1983/1984 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Tz. 461, 442.

  8. Vgl. H. -J. Arlt, Ansichten des gewöhnlichen Journalismus. Warum der Kampf für die 35-Stunden-Woche auch ein Kampf gegen die Meinung der Medien war, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, (1984) 35, S. 697 f.

  9. Vgl. D. Piel, Neuer Streik im Herbst?, in: DIE ZEIT Nr. 38 vom 14. 9. 1984, S. 1.

  10. Vgl. dazu W. Weisser, (Anm. 3), S. 77 f.

  11. Vgl. ebd., S. 71— 75. Eine detaillierte Übersicht der Öffentlichkeitsarbeit des Metallarbeitgeberverbandes enthält der Arbeitskampfbericht, der auf der Mitgliederversammlung des VMI Baden-Württemberg am 13. 9. 1984 vorgelegt wurde. Vgl. Der Arbeitskampf '84. Sachliche Argumente statt Polemik und Show, in: Der Arbeitgeber, (1984) 36, S. 864— 867.

  12. Vgl. Der Arbeitskampf '84 (Anm. 11), S. 864, 866.

  13. Vgl. I. Kurz-Scherf, Tarifliche Arbeitszeit in Bewegung, in: WSI-Mitteilungen, (1984) 37, S. 513.

  14. Die Zahlen sind einer Dokumentation der Gewerkschaftlichen Monatshefte, (1984) 35, S. 402, entnommen. Leicht abweichende Zahlenangaben bei W. Weisser (Hrsg.), (Anm. 3), S. 91 f„ 95, bei W. Riester, Der Kampf um die 35-Stunden-Woche in Nordwürttemberg/Nordbaden, in: WSI-Mitteilun-gen, (1984) 37, S. 529 f., 532, sowie bei I. Kurz-Scherf, (Anm. 13), 513 f.

  15. Vgl. BAG, Urteil vom 10. 6. 1980, in: Der Betrieb, (1980) 33, S. 1275.

  16. „Was für den Streik gesagt wurde, gilt nicht ohne weiteres und uneingeschränkt für die Aus-sperrung. Arbeitgeber und ihre Verbände sind weitaus weniger als die Gewerkschaften darauf angewiesen, durch Mittel des Arbeitskampfes ihren Interessen und Forderungen Nachdruck zu verleihen." BAG, Urteil vom 10. 6. 1980 (Anm. 15), S. 1266. Vgl. F. Hengsbach (Hrsg.), Aussperrung und Streik ungleiche Mittel, Mainz 1981; F. Hengsbach, Die Arbeit hat Vorrang — Eine Option katholischer Soziallehre, Mainz 1982, S. 83— 136.

  17. Vgl. W. Weisser (Hrsg.), (Anm. 3), S. 103— 108; W. Riester (Anm. 14), S. 531; CDU-Bundesgeschäftsstelle, Hauptabteilung Politik (Red.), (Anm. 4), S. 30— 36. *

  18. Diese vielfach zitierte Äußerung des Bundeskanzlers scheint verkürzt, sinnentstellt und mißverstanden worden zu sein. „Tatsächlich hatte der Kanzler auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (12. /13. November 1983) in München das Risiko von Arbeitszeitverkürzungen dargestellt, indem er Mut zum Risiko, nicht Mut zu noch mehr Freizeit forderte. Als absurd, töricht und dumm qualifiziert er die Meinung, die da laute: „Wir können besser leben und müssen nur weniger arbeiten ... ich sehe gegenwärtig keinen Sinn darin.'“ W. Weisser (Hrsg.) (Anm. 3), S. 59.

  19. Vgl. G. Elvers, Entscheidungskampf oder Hängepartie?, Aspekte des Arbeitskampfes 1984, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, (1984) 35, S. 685; W. Riester (Anm. 14), S. 532.

  20. Vgl. E. Martens, Ein Sieg der Vernunft, in: DIE ZEIT Nr. 42 vom 16. 11. 1984, S. 25.

  21. Vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft, Die Verkürzung der Arbeitszeit, Köln 1983, S. 21 f.

  22. Allerdings enthielten die bisherigen Manteltarifverträge in der Druckindustrie bereits einen beachtlichen Spielraum für die zeitlich flexible Gestaltung der betrieblichen Arbeitszeit, z. B. die Verteilung der Wochenarbeitszeit auf sechs Tage, die ungleichmäßige Verteilung auf die Wochenarbeitstage und Arbeitszeitverteilungspläne über mehrere Wochen. Vgl. I. Kurz-Scherf (Anm. 13), S. 517- 520.

  23. Vgl. Furcht vor den Folgen, in: Wirtschaftswoche Nr. 28 vom 6. 7. 1984, S. 16; vgl. Rechnung ohne die Basis, in: Wirtschaftswoche Nr. 40 vom 28. 9. 1984, S. 24 teilung der Wochenarbeitszeit auf sechs Tage, die ungleichmäßige Verteilung auf die Wochenarbeitstage und Arbeitszeitverteilungspläne über mehrere Wochen. Vgl. I. Kurz-Scherf (Anm. 13), S. 517- 520.

  24. Vgl. Strategie für die Leber-Lösung, in: Wirtschaftswoche Nr. 45 vom 2. 11. 1984, S. 75; vgl. P. Henkel, Die Stunde der Schlitzohren, in: Frankfurter Rundschau Nr. 299 vom 22. 12. 1984, S. 3.

  25. Bundesarbeitsminister Blüm wird die sehr plastische Umschreibung der Betriebsvereinbarung zugeschrieben: „Der Tarifvertrag hat einen kleinen Bruder bekommen." Vgl. Wirtschaftswoche Nr. 40 vom 28. 9. 1984, S. 20.

  26. „Die ersten Betriebsvereinbarungen beweisen: Die Praktiker lassen sich von den Ideologen nicht unterkriegen ... Deshalb ist zu hoffen, daß auch andere Betriebsräte und Personalchefs sich nicht um das Geschrei von Funktionären, sondern allein um das Wohl der Betriebe und der darin arbeitenden Menschen kümmern.“ M. Jungblut, Einfach überhören, in: DIE ZEIT Nr. 45 vom 2. 11. 1984, S. 25.

  27. Die Auffassung eines Verbandsvertreters: „Vielleicht sind diesmal die sonst so starren Organisationen den Praktikern ausnahmsweise einen Schritt voraus gewesen." (E. Martens, Die Fronten bröckeln, in: DIE ZEIT Nr. 52 vom 21. 12. 1984, S. 17f„ 18) ist wohl nicht in jeder Hinsicht realitätsfremd.

  28. Vgl. Jahresgutachten 1983/1984 des Saehver-Ständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Tz. 154.

  29. So der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Juni 1984. Vgl. auch W. Weisser (Hrsg.) (Anm. 3), S. 33 sowie CDU-Bundesgeschäftsstelle, Hauptabteilung Politik (Red.) (Anm. 4), S. 15— 18. Wie fragwürdig und umstritten die These vom kaputtgestreikten Aufschwung'ist, vgl.: Furcht vor den Folgen (Anm. 23), S. 17.

  30. Vgl. Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, Wirtschaftskonjunktur, Konjunkturindikatoren, Allgemeine Tendenzen, Geschäftsklima, München, Februar 1984 und April 1984.

  31. Der führende Mitarbeiter einer großen Unternehmensberatungsgesellschaft erwartet „eine intelligentere Organisation statt neuer Mitarbeiter“. Furcht vor den Folgen (Anm. 23), S. 19. Vgl. B. Hof, Vorsprung durch Flexibilisierung, Köln 1984.

  32. Vgl. E. Noelle-Neumann/B. Strümpei, Macht Arbeit krank? Macht Arbeit glücklich?, München 1984; M. v. Klipstein/B. Strümpei, Der Überdruß am Überfluß, München 1984; F. Gehrmann/J. Nowotny (Hrsg.), Ansprüche an die Arbeit, Frankfurt 1984; G. Schmidtchen, Neue Technik, neue Arbeitsmoral, Köln 1984. Ausschnittartig ist die Diskussion über den Wertwandel der Arbeit nachzulesen bei: G. Schmidtchen, Die neue Arbeitsmoral, in: DIE ZEIT Nr. 41 vom 5. 10. 1984, S. 37— 39; Ch. Flodell/M. v. Klipstein/P. Pawlowsky, Schöne neue Arbeitswelt, in: DIE ZEIT Nr. 46 vom 9. 11. 1984, S. 43— 45; G. Schmidtchen, Vorhof zur Hölle?, in: DIE ZEIT Nr. 48 vom 23. 11. 1984, S. 39; K. Biedenkopf, Grenzen der Verständigung, in: DIE ZEIT Nr. 50 vom 7. 12. 1984, S. 38.

  33. Vgl. F. Hengsbach, Die Arbeit hat Vorrang — Eine Option katholischer Soziallehre, Mainz 1982, S. 9— 45; ders., Die sympathische Gesellschaft — Eine politische Auslegung des Evangeliums, Würzburg 1984, S. 51— 71.

  34. Vgl. Johannes Paul II., Laborem exercens, in: Bundesverband der KAB (Hrsg.), Texte zur Katholischen Soziallehre, Köln 19825, S. 559— 631.

  35. Vgl. R. Kalbitz, Aussperrungen in der BRD, in: Kritische Justiz, (1978) 11, S. 349— 367; R. Wahsner, Vom Koalitionsverbot zum Aussperrungsverbot — Zur Geschichte von Koalitionsverbot und Aussperrung, in: H. -J. Bieback u. a„ Streikfreiheit und Aussperrungsverbot, Neuwied und Darmstadt 1979, S. 144— 183.

  36. Vgl. W. Weisser (Hrsg.) (Anm. 3), S. 47.

  37. Von den 31 000 Beschäftigten bei Daimler-Benz in Untertürkheim, die nach ihren Flexibilisierungswünschen befragt wurden, haben 878 Mitarbeiter Interesse an 37-Stunden-Verträgen geäußert. Vgl. P. Henkel (Anm. 24), S. 3.

  38. Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 29. 6. 1984, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, (1984) 35, S. 409.

  39. Vgl. W. Weisser (Hrsg.) (Anm. 3), S. 146; vgl. „Das ist die Idee", in: DIE ZEIT Nr. 43 vom 19. 10. 1984, S. 33 f.

  40. Zur Entwicklung betriebssyndikalistischer Tendenzen vgl. Furcht vor den Folgen (Anm. 23), S. 17.

  41. Vgl. F. Hengsbach, Wie man den Knoten durchschlagen kann, in: Publik-Forum, (1984) 5, S. 3— 5.

  42. „Aus dieser Erkenntnis heraus — so möchte ich es mir vorstellen — machen sie, die so glücklich sind, daß ihnen der Verlust ihres Arbeitsplatzes bisher erspart blieb, ihren arbeitslosen Kollegen das Angebot: ,... Hinfort übernehmt ihr die fünf Wochenstunden mit deren Lohn ... ’ Leider hört man in der geräuschvollen politischen Diskussion kein solches Angebot, sondern die knallharte Forderung der 35-Stunden-Woche , mit vollem Lohnausgleich'. In die Sprache des Angebots übersetzt lautet das so: „Wir sind so gnädig, euch fünf Arbeitsstunden zu überlassen, aber — wohlverstanden! — der Lohn für diese Stunden bleibt bei uns; ihr tut die Arbeit, das Geld, den Lohn dafür behalten wir.'Ein solches Angebot kann man doch nur als Hohn empfinden; eine solche Haltung ist klassenkämpferisch". O. v. Nell-Breuning, 35-Stunden-Woche, in: Stimmen der Zeit, (1984) 202, S. 217 f. In kirchlichen Amtskreisen finden Solidaritätsappelle zu individuellem und kollektivem Lohnverzicht leichte Zustimmung. Vgl. „Arbeitszeit abtreten", in: Frankfurter Rundschau Nr. 300 Weihnachten 1984, S. 4.

  43. Der Protest gegen eine solche Ausgrenzungsmentalität, die durch Verzichtsappelle oder pastorale, karitative und therapeutische Solidaritätsaktionen in den Kirchen eher noch verstärkt wird, war die Aussagerichtung jenes Memorandums, das der Sozialethisch-Ökumenische Arbeitskreis Kirche und Gewerkschaften im Februar 1984 veröffentlicht hat. Vgl. F. Hengsbach, Arbeit anders verteilen, in: Orientierung, (1983) 47, S. 265— 268.

  44. Vgl. U. Fink, Keine Angst vor Alternativen, Freiburg 1983.

  45. Vgl. J. Huber, Die zwei Gesichter der Arbeit, Frankfurt 1983.

  46. Vgl. K. Biedenkopf, Die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, in: W. Kerber (Hrsg.), Arbeitswelt im Umbruch, Düsseldorf 1984, S. 123; K. Biedenkopf, Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, in: R. Baumeister (Red.), Die soziale Marktwirtschaft erneuern. Arbeit — Wachstum — Umwelt, Mainz 1983, S. 172.

  47. Vgl.: Ein neuer Außenhandelsrekord steht bevor, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 290 vom 22. 12. 1984, S. 11.

Weitere Inhalte

Friedhelm Hengsbach SJ, Dr. rer. oec, geb. 1937, Studium der Philosophie, Theologie und der Wirtschaftswissenschaften in München, Frankfurt und Bochum; Dozent für Christliche Sozialwissenschaft/Wirtschafts-und Gesellschaftslehre an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Veröffentlichungen u. a.: Die Assoziierung afrikanischer Staaten an die Europäischen Gemeinschaften — eine Politik raumwirtschaftlicher Integration?, Baden-Baden 1977; Aussperrung und Streik — ungleiche Mittel (Hrsg.), Mainz 1981; Die Arbeit hat Vorrang — eine Option katholischer Soziallehre, Mainz 1982; Die sympathische Gesellschaft — eine politische Auslegung des Evangeliums, Würzburg 1984.