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Das amerikanische Parteiensystem im Wandel | APuZ 37-38/1986 | bpb.de

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APuZ 37-38/1986 Außenpolitische Grundlinien der Regierung Reagan Die „neue Agenda“ politischer Diskussion in den USA Das amerikanische Parteiensystem im Wandel Individualität, Pluralismus und Konsens in der westlichen Demokratie. Überlegungen zur Zukunftsgestaltung im modernen amerikanischen Konservatismus

Das amerikanische Parteiensystem im Wandel

Wolfgang Welz

/ 33 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In den sechziger und siebziger Jahren begann sich bei den beiden großen amerikanischen Parteien auf nationaler und einzelstaatlicher Ebene eine kontinuierliche Erosion ihrer angestammten Elektoral- und Integrationsfunktionen abzuzeichnen. Kennzeichnend für diese als „Verfall der Parteien“ charakterisierte Entwicklung war die zunehmende Verselbständigung der Bewerber um ein öffentliches Amt gegenüber den Parteien, die als Organisationen der Personalrekrutierung und Wahlkampfführung immer mehr in den Hintergrund traten. Ursächlich hierfür waren vor allem das Aufkommen moderner Wahlkampftechniken und das Eingreifen von Interessengruppen in die Wahlkämpfe, deren organisatorische und finanzielle Unterstützung die Amtsaspiranten von den Parteien weitgehend unabhängig werden ließ. Diese Entwicklung wurde durch den Vertrauensschwund der Wähler in die „Issue-Kompetenz" der Parteien und durch die Auflösung der traditionellen Parteibindungen verstärkt, die als wahl-entscheidender Faktor an Bedeutung verloren. Seit Beginn der achtziger Jahre sind jedoch Gegentendenzen erkennbar, die auf eine Revitalisierung der Parteien hinweisen. So konnten beide Parteien durch den Ausbau und die Professionalisierung ihrer Apparate auf nationaler und einzelstaatlicher Ebene die Wahlkampfhilfe für ihre Kandidaten in erheblichem Umfang erweitern und damit ihre elektoralen Funktionen zum großen Teil wieder zurückgewinnen. Die Involvierung der Bundesparteien in die regionalen und lokalen Wahlkämpfe trug zugleich entscheidend zur Verbesserung der innerparteilichen Kooperation und zur stärkeren Integration der einzelstaatlichen Parteiorganisationen in die Gesamtparteien bei. Die bedeutsamsten Folgen dieser organisatorischen Reformmaßnahmen waren die Veränderung der dezentralen Organisationsstruktur des Parteiensystems und die Verschiebung der innerparteilichen Machtverhältnisse zugunsten der nationalen Parteien.

I. Einleitung

Im Vergleich mit den ideologisch differierenden und durchorganisierten westeuropäischen Parteien stellen die beiden großen amerikanischen Parteien kaum mehr als lockere Wählerkoalitionen ohne fundamentale ideologische Differenzen dar, deren Augenmerk in erster Linie auf das Gewinnen von Wahlen und die Besetzung von öffentlichen Ämtern gerichtet ist. Die Merkmale organisierter Mitgliedschaft wie Parteibuch und regelmäßig zu leistende Mitgliedsbeiträge fehlen bei ihnen ebenso wie konkrete politisch-programmatische Aussagen, die ihren Anhängern mehr als eine nur allgemeine Orientierung vermitteln könnten.

Trotz dieses schwachen organisatorischen und programmatischen Zusammenhaltes haben die amerikanischen Parteien im politischen Willensbildungsprozeß immer eine gewichtige, wenn nicht gar die zentrale Rolle gespielt. Sie waren als einzige Institution in der Lage, die heterogenen ethnischen, sozialen, ökonomischen und regionalen Interessen in der Gesellschaft zu bündeln und in den Willensbildungsprozeß einzubeziehen. Die Parteien haben damit neben ihren elektoralen Funktionen wie Wahlkampfführung, Wählermobilisierung und Rekrutierung des politischen Führungspersonals immer auch eine Integrationsfunktion erfüllt, die entscheidend zur Stabilität und zum Funktionieren des amerikanischen Regierungssystems beigetragen hat.

Etwa seit Beginn der sechziger Jahre läßt sich jedoch bei den Parteien eine kontinuierliche Erosion ihrer angestammten Elektoral-und Integrationsfunktionen feststellen, auf denen ihre politische Macht zum größten Teil beruht hat. Kennzeichnend für diese als „Verfall der Parteien“ 1) charakterisierte Entwicklung ist vor allem die zunehmende Abkoppelung der Amtsbewerber und -inhaber von den Parteien, die hierdurch deutlich an politischem Einfluß verloren haben. Zugleich weisen die abnehmende Parteiidentifikation der amerikanischen Bürger und eine tendenziell sinkende Wahlbeteiligung 2) auf eine Unfähigkeit der Parteien hin, zwischen sich und ihren Wählern eine konstante Repräsentationsbeziehung herzustellen.

Die amerikanischen Parteien scheinen sich a auf eine Unfähigkeit der Parteien hin, zwischen sich und ihren Wählern eine konstante Repräsentationsbeziehung herzustellen.

Die amerikanischen Parteien scheinen sich also gegenwärtig in einer tiefgreifenden Funktionsund Identitätskrise zu befinden, deren Ursachen und Auswirkungen im folgenden analysiert werden sollen.

II, Zur Krise der amerikanischen Parteien

1. Die Auflösung der traditionellen Parteibindungen Traditionell wurde das Wahlverhalten in den Vereinigten Staaten von der Bindung der Wähler an eine der beiden großen Parteien bestimmt. In der Regel stellte die Parteipräferenz der Wähler den wichtigsten Orientierungspunkt für ihren Wahl-entscheid dar Etwa Mitte der sechziger Jahre begann dann die sich bis in die unmittelbare Gegenwart hinein fortsetzende Auflösung der überkommenen Parteibindungen, die damit als wahl-entscheidenden Faktor allmählich an Bedeutung verloren. Während sich in den fünfziger Jahren 74% der wahlberechtigten Bürger mit einer der beiden Parteien identifizierten („partisan identifiers“), waren es Ende der siebziger Jahre nur noch 64%. Die Zahl der keiner Partei nahestehenden Wähler („independent voters“) stieg dagegen im gleichen Zeitraum von 14% auf 35% an

Obgleich die Zahl der Anhänger bei beiden Parteien bis März zugenommen zum 1985 wieder hat (71%), ist die Zahl der „independent voters“ bis-lang nur geringfügig gesunken (29%) Die sich als nicht parteigebunden betrachtenden Wähler machen daher seit 1974 etwa ein Drittel aller Wähler aus.

Eng verbunden mit dieser Abnahme der Partei-identifikation ist das offenkundig nachlassende Vertrauen der Wähler zu Parteien. Glaubten 1960 immerhin 62% der amerikanischen Wähler, daß nur „ihre“ Partei zur Lösung der wichtigsten politischen Probleme in der Lage sei, so waren 1980 lediglich noch 50% der Wähler dieser Ansicht Zweifellos haben der Vertrauensschwund in die Parteien und die Erschütterung der Parteienbindungen mitentscheidend zur Veränderung des Wahlverhaltens beigetragen, das immer weniger den tradierten Verhaltensmustern folgt. So wählten 1948 noch 62% der Gesamtwähler auf den verschiedenen Wahlebenen (Bund, Einzelstaaten, Gemeinden) ausschließlich Kandidaten „ihrer“ Partei („straight-ticket-voting“). Nur 38% der Wähler verteilten ihre Stimmen auf die Kandidaten beider Parteien („split-ticket-voting“) 1980 dagegen betrug der Anteil der „split-ticket-voters“ 60%, der Anteil der Wähler, die ein „straight-tikket“ wählten, fiel auf 40%

Gleichwohl wäre es verfehlt, diese strukturellen Veränderungen des Wahlverhaltens allein auf den Rückgang der Parteiloyalitäten zurückzuführen. Wandlungen in der Sozialstruktur der amerikanischen Gesellschaft und das Auseinanderbrechen der „New-Deal-Koalition“ waren für die Neuorientierung des Wählerverhaltens ebenso bedeutsam wie die Veränderung der politisch-kulturellen Rahmenbedingungen

Trotz intensiver Bemühungen der Parteien, der wachsenden Entfremdung der Wähler entgegenzuwirken, hat sich diese Entwicklung bis heute eher noch verstärkt. Im Februar 1985 erklärten 43% der wahlberechtigten Bürger, daß die Parteizugehörigkeit eines Amtsbewerbers keinen oder nur einen sehr geringen Einfluß auf ihren Wahl-entscheid habe. Und 64% der Bürger waren sogar der Auffassung, daß die Parteien mehr zur „Verwirrung“ der Sachprobleme als zu ihrer Lösung beitragen würden

Das mangelnde Zutrauen der Wähler in die „Issue-Kompetenz“ der Parteien spiegelt sich in der Zunahme der „single-issue-voters“ wider, für deren Votum in erster Linie das Problembewußtsein eines Kandidaten und seine Einstellung zu einzelnen politischen Sachthemen („issues“) wie etwa Arbeitslosigkeit oder Umweltschutz die entscheidenden Kriterien bilden. Gegenwärtig, so wird geschätzt, bestimmt bei rund einem Drittel der amerikanischen Wählerschaft die Einzelfallorientierung das Wahlverhalten

Als politische Konsequenz der veränderten Einstellung der Bürger gegenüber den Parteien zeichnet sich das Entstehen neuer Aktionsformen ab, die wie etwa die Bürgerinitiativen für die Parteien immer mehr eine Herausforderung darstellen. 2. Die zunehmende Autonomie der Amtsbewerber Der fortschreitende Prozeß der „Dekomposition“ der Parteien als Wahlorganisationen ist auf der einzelstaatlichen und lokalen Ebene durch die gesetzliche Institutionalisierung von Vorwahlen („primaries") zur Kandidatenaufstellung für fast alle Wahlämter weiter verstärkt worden.

Denn durch die Einführung von Vorwahlen wurde die Kandidatennominierung aus den Parteiversammlungen („caucuses“) in die Öffentlichkeit verlagert und damit der Kontrolle der Parteien weitgehend entzogen.

Lediglich bei der Auswahl und Nominierung der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten hat sich in einigen Bundesstaaten das Parteiversammlungssystem („caucus-convention System“) als Wahlmodus erhalten. In diesen Staaten werden die Delegierten für die nationalen Parteikonvente, auf denen die Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien nominiert werden, in innerparteilichen Gremien gewählt. Die seit 1968 deutlich angestiegene Zahl der Vorwahlstaaten läßt jedoch erkennen, daß sich der Einfluß der Parteien auf die Delegierten-und Kandidatenaufstellung verringert hat. Im Jahre 1984 wurden bereits etwa 36% der demokratischen und etwa 24% der republikanischen Konventsdelegierten durch Vorwahlen ermittelt

Darüber hinaus haben innerparteiliche Reformen entscheidend zu einer Öffnung des Nominierungsprozesses beigetragen. Durch die Abschaffung undemokratischer Verfahrensregeln bei der Aufstellung der Delegierten für die nationalen Parteikonvente und die Einführung von Quoten-regelungen für politische Minderheiten wurden die Partizipationsmöglichkeiten der „grass-roots democrats" verbessert und die Transparenz des Nominierungsverfahrens erhöht. Hierdurch wurde zugleich die Macht der lokalen und regionalen Parteiführer drastisch reduziert, die das Nominierungsverfahren mit zum Teil kriminellen Praktiken manipuliert hatten. Der Ausschluß des inzwischen legendären „Parteibosses“ Richard Daley vom Bundeskonvent der Demokratischen Partei im Jahr 1972 demonstrierte eindrücklich die Schubkraft dieser innerparteilichen Reformen. Allerdings haben die Reformen und die Ausweitung des Vorwahlsystems nicht nur das Nominierungsverfahren demokratisiert, sondern auch die Chance von unbekannten Außenseitern vergrößert, ohne den Rückhalt einer Parteiorganisation die Präsidentschaftsnominierung zu gewinnen. Der überraschende Wahlerfolg von Jimmy Carter im Jahre 1976, der als erster Präsident seine Nominierung ausschließlich seinen Siegen in den Vorwahlen verdankte, ist hierfür das beste Beispiel.

Die Unabhängigkeit der Amtsbewerber gegenüber den Parteien ist auch durch neue Formen der Wahlkampfführung und durch das Aufkommen moderner Wahlkampftechniken gefördert worden So wurden die persönlichen Kontakte und Erfahrungen der Kandidaten mit den Wählern durch regelmäßig durchgeführte Meinungsumfragen ersetzt, welche die Grundstimmung in der Wählerschaft und die sie interessierenden politischen Themen ermittelten. Die Ergebnisse dieser Meinungsumfragen bilden zugleich die Grundlage für das Wahlkampfkonzept der Kandidaten, das inhaltlich nicht mehr mit einem Parteiprogramm abgestimmt wird. Ebenfalls haben neue Distributionskanäle für politische Werbebotschaften („directmailing“, „telephon-banks“), die einen schnellen und direkten Kontakt zwischen Kandidaten und Wählern ermöglichen, die Parteien als Wahlkampforganisationen in den Hintergrund treten lassen.

Die Wahlkampagnen werden daher in zunehmendem Maße von hauptberuflichen Wahlkampfmanagern („political Consultants“) organisiert und geleitet, die mittels computergesteuerter Telefon-und Briefaktionen Wähler mobilisieren, Spenden akquirieren und Meinungsumfragen durchführen

Aufgrund dieser „Technologisierung“ und „Professionalisierung“ der Wahlkämpfe neigen immer mehr Kandidaten dazu, mit Hilfe von „political Consultants“ ihre eigene Wahlkampforganisation aufzubauen. Ihre ohnehin schon geringe Verpflichtung gegenüber den Parteien hat sich hierdurch weiter vermindert, da sie sich jetzt ohne die Unterstützung einer Partei um ein Mandat bewerben können. Insbesondere gilt dies für Präsidentschaftsbewerber, die zur Finanzierung ihrer persönlichen Wahlkampforganisation auf öffentliche Mittel („matching funds“) zurückgreifen können, wenn sie sich den von der Bundeswahlkommission („Federal Election Commission“) vorgeschriebenen Einnahme-und Ausgabevorschriften unterwerfen 3. Die Konkurrenz der „Political Action Committees" (PACs)

Der schwindende Einfluß der Parteien auf die Kandidatennominierung verläuft parallel zu einer Stärkung der amerikanischen Interessengruppen, deren Aktivitäten sich seit einigen Jahren auch auf die Beeinflussung von Wahlkämpfen erstrekken Zumeist erfolgt dies mit Hilfe von „Political Action Committees“ (PACs). Dies sind Wahlkampfkomitees von wirtschaftlichen oder ideologischen Interessengruppen, die zur Unterstützung oder Bekämpfung von Kandidaten für öffentliche Ämter gegründet worden sind Mit dem Sammeln von Wahlspenden, dem Aufbau einer Wahl-kampforganisation und der Rekrutierung von Wahlkampfhelfern haben sie weitgehend die Aufgaben übernommen, deren Erfüllung noch bis in die sechziger Jahre fast ausschließlich den Parteien zukam.

Die Tätigkeit der Mehrzahl der PACs zielt darauf ab, durch die Vergabe von Wahlkampfgeldern Zugang zu den politischen Entscheidungsträgern zu erlangen, um dort ihre eigenen Interessen oder die der ihnen nahestehenden Organisationen zu vertreten. Da der Vor-und Hauptwahlkampf der Präsidentschaftskandidaten seit der Reform der Wahlkampffinanzierungsgesetze im Jahr 1976 zum größten Teil durch öffentliche Mittel finan-ziert wird fließen die meisten Spenden der PACs in die Wahlkämpfe der Senatoren und Abgeordneten des Kongresses. 1984 betrug die Summe der Wahlspenden von PACs für Kongreßwahlen 105 Millionen Dollar. Dies waren 26% der Gesamtkosten Weitere 5 Millionen Dollar wurden von PACs, die offiziell in keiner Verbindung zu einem Kandidaten und seiner Wahl-kampforganisation stehen, für „indirekte“ Wahl-werbung bei der Finanzierung von Meinungskampagnen über bestimmte politische Themen ausgegeben („Independent Expenditures“)

In der Regel spielt bei der Vergabe der Spenden die Parteizugehörigkeit eines Kandidaten keine Rolle. Ob ein Kandidat von PACs Wahlkampf-gelder erhält, hängt vielmehr von seiner Ausschußzugehörigkeit, seinem Abstimmungsverhalten im Kongreß und seinen Gewinnchancen ab. Den größten Teil der PACs-Gelder erhalten daher auch Amtsinhaber („incumbents“) deren Gewinnchancen im allgemeinen sehr hoch sind. Zudem ist ihre politische Position besser einzuschätzen als die ihrer zumeist unbekannten Herausforderer. Insgesamt sind die Kongreßmitglieder durch die Wahlkampfhilfe der PACs in geringerem Maße auf die finanzielle und organisatorische Unterstützung der Parteien angewiesen. Die parteipolitische Unabhängigkeit der einzelnen Kandidaten ist durch das Aufkommen der PACs also weiter verstärkt worden.

Die Wahlkampfhilfe der PACs hat jedoch nicht nur zur Schwächung der Parteien als Wahlkampf-organisation bei Kongreßwahlen beigetragen, sondern auch ihr politisches Gewicht im Kongreß weiter verringert. Denn angesichts der enormen Wahlkampfkosten können es sich die um ihre Wiederwahl bemühten Abgeordneten kaum leisten, die Interessen der PACs, die sie im Wahlkampf unterstützt haben bzw. noch unterstützen sollen, nicht zu berücksichtigen. Sie sind daher gezwungen, bei anstehenden Entscheidungen neben der Verantwortung gegenüber ihren Wählern und ihrer Partei auch die Verpflichtung gegenüber den PACs in ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Aufgrund der den PACs zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten (Spendenentzug, Negativkampagnen) ist zu vermuten, daß die in keine Fraktionsdisziplin eingebundenen Abgeordneten bei einer eventuellen Interessenkollision im Sinne der PACs und gegen ihre Partei abstimmen werden

Obgleich die PACs dazu beigetragen haben, die Rolle der Parteien im Willensbildungsprozeß zu schwächen, sind sie nicht die Ursache für den „Niedergang“ der Parteien als Organisationen der Kandidatenauslese und -nominierung. Durch ihr Eingreifen in die Wahlkämpfe haben sie nur die bereits in den sechziger Jahren einsetzende „Dekomposition“ der Parteien verstärkt Die von 608 im Jahre 1974 auf 4345 im Jahre 1984 rapide gestiegene Zahl der PACs läßt erkennen, daß diese auch in den kommenden Jahren als Wahl-kampforganisationen eine ernsthafte Konkurrenz für die Parteien darstellen werden. 4. Die Entpolitisierung und Personalisierung der Wahlkämpfe Noch bis in die sechziger Jahre hinein hing in den USA der Erfolg eines Amtsaspiranten allein von dem Wahlkampfservice der ihn unterstützenden Partei und dem persönlichen Engagement der Parteianhänger ab. Die Partei organisierte und koordinierte die Mobilisierungskampagnen der freiwilligen Wahlkampfhelfer und Parteiaktivisten, welche die potentiellen Wähler durch Briefe, Telefonanrufe und Hausbesuche („canvassing“) zur Stimmabgabe zu bewegen suchten. Diese „organisatorischen Kampagnen“ waren zugleich für die Wähler die wichtigste Informationsquelle über die Persönlichkeit und das politische Programm eines Amtsbewerbers. Mit dem Aufkommen neuer Wahlkampftechniken und der zunehmenden Bedeutung der Massenmedien in den modernen Wahlkämpfen verloren diese traditionellen Formen der Wählerwerbung und politischen Information weitgehend an Bedeutung. Die „organisatorischen Kampagnen“ wurden immer mehr durch „Medienkampagnen“ ersetzt, die darauf abzielten, über die Massenmedien einen direkten Kontakt zwischen Kandidaten und Wählern herzustellen.

Insbesondere durch die Verbreitung des Fernsehens wurde es dem einzelnen Kandidaten ermöglicht, sich ohne die Unterstützung einer Partei Millionen von Wählern direkt bekannt zu machen. Kein ernsthafter Amtsbewerber würde daher heute einen Wahlkampf ohne ausgedehnte Fernsehaktivitäten führen. Die politische Fernsehwerbung hat somit konventionelle Werbemethoden in den Hintergrund gedrängt. Während im Präsidentschaftswahlkampf 1960 nur 10% des gesamten Wahlkampfbudgets für Fernsehwerbung ausgegeben wurden, waren es 1980 bereits 80 %

Zwangsläufig hat diese fortschreitende „Medifizierung“ der Wahlkämpfe zu einer Entmachtung der Parteiführer und der von ihnen geleiteten „Parteiapparate“ geführt. Ihre angestammte Mittlerrolle zwischen Kandidaten und Wählern scheinen inzwischen die Nachrichtensprecher und Fernsehkommentatoren übernommen zu haben. Häufig genießen diese „anchormen“ sogar mehr Vertrauen und Ansehen bei der Bevölkerung als die Politiker, über die sie berichten

Die Verbereitung des Fernsehens hat zugleich das Informationsverhalten der amerikanischen Gesellschaft grundlegend verändert. Für die Mehrzahl der Bürger ist das Fernsehen das am meisten genutzte Medium, um sich über das politische Geschehen zu informieren. 98% aller amerikanischen Haushalte besitzen heute einen Fernseher, 51% haben zwei oder mehr. Im Durchschnitts-haushalt läuft der Fernseher etwa sieben Stunden pro Tag

Für viele Zuschauer hat die Femsehberichterstattung durch die direkte Vermittlung und Visualisierung von Ereignissen einen authentischen Charakter. „Was nicht im Fernsehen passiert ist“, so der angesehene Kommentator der amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe Theodor White, sei für die meisten Bürger „überhaupt nicht passiert“

Eine weitere Wirkung des Fernsehens ergibt sich aus seiner „Agenda-setting-function“ Politische Themen und Kandidaten werden in der Öffentlichkeit erst dann bedeutend, wenn im Fernsehen über sie berichtet worden ist. Ein typisches Beispiel hierfür sind die Präsidentschaftsvorwahlen in New Hampshire, die traditionell am Beginn der Nominierungswahlkämpfe stehen. Durch die überdurchschnittliche Fernsehbeachtung (Hunderte von Kamerateams, von den Fernsehsendern durchgeführte Meinungsumfragen etc.) werden oftmals unbekannte Außenseiter („dark horses“) zu chancenreichen Kandidaten, die sich ohne das Fernsehen kaum gegen die von einer Partei favorisierten Bewerber hätten durchsetzen können.

Darüber hinaus haben die Eigengesetzlichkeiten des Fernsehens eine entscheidende Veränderung des Wahlkampfstils und der Wahlkampfthemen bewirkt. So kann das Fernsehen als aktuelles Medium der Visualisierung nur die politischen Informationen vermitteln, die sich innerhalb eines limitierten Zeitrahmens femsehgerecht in Bilder umsetzen lassen. Häufig ist dies jedoch ohne eine Simplifizierung der Sachverhalte nicht möglich. Daneben muß das Fernsehen in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsunternehmen auf hohe Einschaltquoten bedacht sein, die eine publikumswirksame Darstellung von politischen Ereignissen erforderlich machen.

Die Folge dieser journalistischen und kommerziellen Zwänge ist die für das amerikanische Fernsehen typische Verbindung von politischer Information und Unterhaltung. Deutlich zeigt sich dies in der Art und in den Inhalten der Wahlkampfberichterstattung in den abendlichen Nachrichten-shows, die von etwa 50% der Bevölkeung regelmäßig verfolgt werden In den rund fünf Minuten, die in diesen Sendungen den Wahlkämpfen gewidmet werden, gilt die Berichterstattung in erster Linie dem Aspekt des „Wahlkampf-Wettlaufs“ Die durch tägliche Meinungsumfragen ermittelte Popularität und Gewinnchancen eines Kandidaten haben hier einen eigenständigen Nachrichtenwert; sie sind politische Ereignisse. Im Gegensatz dazu werden die Zuschauer nur am Rande und zumeist nur in allgemeiner Form über die politische Position und Qualifikation der einzelnen Kandidaten informiert, weil dies nicht genügend Stoff für eine aufregende „Story“ hergibt. Im Wissen um das Bedürfnis des Fernsehens nach bildschirmfüllendem Aktionismus und kameragerechten Ereignissen haben die Kandidaten und ihre Wahlkampfmanager neue Wahlkampftechniken und -Strategien entwickelt, die allerdings die Entpolitisierung der Wahlkämpfe noch weiter verstärken. Die Ersetzung von politischen Aussagen durch symbolische Handlungen gehört hier ebenso dazu wie die Schaffung von „PseudoEreignissen“, die ausschließlich inszeniert werden, um die Aufmerksamkeit des Fernsehens auf einen Kandidaten zu lenken Statt politischen Programmen und Problemlösungen werden den Wählern Images und Emotionen vermittelt, die sich leichter in farbige Fernsehbilder umsetzen lassen. Politik wird so zur Projektionsleinwand von Ängsten und Hoffnungen, von positiven und negativen Identifikationen.

Die Konsequenz dieser „Personalisierung“ und „Dramatisierung“ der Wahlkämpfe ist die Unterordnung der Politik unter Regeln des „Show-Business“. Die Telegenität eines Kandidaten ist für seinen Wahlsieg wichtiger als seine politische Sachkompetenz, sein Auftreten und sein Stil zählen mehr als die Substanz seiner Argumente.

Im Vordergrund der Berichterstattung des Fernsehens und damit im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen also das Auftreten und die Persönlichkeit des Kandidaten. Abgesehen von der Berichterstattung über die Bundeskonvente werden die Parteien vom Fernsehen dagegen weitgehend ignoriert

III. Die Revitalisierung der Parteien in den achtziger Jahren

1. Die organisatorische und finanzielle Konsolidierung der nationalen Parteien Trotz dieser zahlreichen Krisensymptome sind die Parteien politisch nicht bedeutungslos geworden, wie es der renommierte amerikanische Kolumnist David Broder vorausgesagt hatte Vielmehr gibt es gewichtige Indizien, die auf ein Wiedererstarken der Parteien hindeuten. So haben etwa die massiven Wahlkampfaktivitäten der nationalen Parteien in den Jahren 1983/84 erkennen lassen, daß ihnen als Wahlkampforganisationen wieder eine größere Bedeutung zukommt.

Auch weist das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten und Senatoren im Kongreß darauf hin, daß innerhalb der Parteien wieder eine stärkere ideologische und politische Kohärenz besteht. Zwischen 1981 und 1984 stimmten die Kongreßmitglieder weitaus häufiger als Fraktionsblöcke ab als zwischen 1972 und 1980

Der sichtbarste Ausdruck der sich abzeichnenden Revitalisierung der Parteien ist jedoch die „Institutionalisierung“ der beiden nationalen Parteien („national party committees“), die in der Vergangenheit kaum mehr als eine Versammlung von einzelstaatlichen Parteiführern waren. Die Aufgaben dieser Nationalkomitees erschöpften sich im wesentlichen darin, die vierjährlichen Parteikonvente zur Nominierung der Präsidentschafts-und Vizepräsidentschaftskandidaten vorzubereiten und das offizielle Parteiprogramm zu erstellen. Außerhalb dieser Parteikonvente traten die Nationalkomitees lediglich in Form von kleinen Parteibüros in Erscheinung, die weder über finanzielle Mittel noch über politischen Einfluß verfügten. Die amerikanischen Präsidentschaftskandidaten zogen es daher zumeist vor, für ihren Wahlkampf eine eigene, von der Parteiorganisation unabhängige Wahlkampforganisation aufzubauen.

Als erste der beiden Parteien begannen im Jahr 1976 die nach der Watergate-Affäre bereits totgesagten Republikaner mit der Reorganisation und dem Ausbau ihres Parteibüros in Washington D. C., das inzwischen eine straff organisierte und mit modernsten Technologien ausgestattete Parteizentrale darstellt. Rund 400 Mitarbeiter — darunter zahlreiche Medienexperten, Meinungsforscher und Public-Relation-Manager — sind hier zur Zeit fest angestellt. In Wahljahren kommen etwa 400 Teilzeitangestellte hinzu

Der Organisationserfolg der Republikaner läßt sich besonders deutlich aus der Höhe der Wahlkampfspenden ersehen, die in den letzten Jahren eingeworben wurden. Das Republikanische Nationalkomitee und die Republikanischen Wahlkampfkomitees im Kongreß („National Republican Congressional Committee“ und „National Republican Senatorial Committee“) konnten seit 1980 mehr Wahlkampfspenden einsammeln, als sie nach den Bestimmungen der Wahlkampffinanzierungsgesetze ihren Kandidaten für nationale Wahlämter zur Verfügung stellen durften. Allein im Wahljahr 1983/84 betrug die Gesamtsumme der von allen drei Komitees aufgebrachten Spenden rund 300 Millionen Dollar, die überwiegend durch Briefkampagnen („direct mail“) eingeworben wurden Hierdurch war es der Republikanischen Partei möglich, im Jahre 1984 die Wahlkampfkosten ihrer Kandidaten etwa zu einem Drittel zu finanzieren. Hinzu kamen Dienstleistungen der Partei wie allgemeine Anzeigenkampagnen, die Mobilisierung von Wählern zur Stimmabgabe am Wahltag („get-out-the-vote drives“) und Wahlanalysen, die — obgleich es sich hierbei um geldwerte Leistungen handelt — keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen sind.

Die enorme Höhe der Wahlspenden erlaubt es dem Republikanischen Nationalkomitee, einen beträchtlichen Teil der Gelder den Republikanischen Kandidaten bei regionalen und lokalen Wahlen zukommen zu lassen Dies ist um so bemerkenswerter, als bis zum Ende der siebziger Jahre die Republikanische Partei fast ausschließlich auf die Gelder der einzelstaatlichen Parteien angewiesen war.

Daneben hat die Republikanische Partei durch den Aufbau von Kontakten mit einzelnen „Political Action Committees" (PACs) für ihre Kandidaten weitere Geldquellen erschließen können. In allen drei Republikanischen Wahlkampfkomitees sind Mitarbeiter speziell damit beschäftigt, Kontakte zwischen den PACs und den Kandidaten der Partei herzustellen. Hierbei werden die der Partei nahestehenden PACs über die politische Position und die Wahlchancen der Kandidaten informiert, deren finanzielle Unterstützung den Sonderinteressen der PACs entsprechen könnte Da diese zum Teil institutionalisierten Kontakte den PACs den Zugang zu den Entscheidungsträgern der Republikanischen Partei im Kongreß und in der Regierung erleichtern, sind immer mehr PACs um eine verstärkte Kooperation mit der Partei bemüht.

Die Durchführung von Wahlkampfseminaren, die Ausarbeitung von Wahlkampfkonzepten und die Bereitstellung von kostspieligen Wahlkampf-technologien sind weitere Wahlkampfhilfen, die-die Partei ihren Kandidaten von der kommunalen bis zur Bundesebene anbietet. Die Kandidaten, die künftig bei Präsidentschafts-oder Kongreßwahlen unter dem Etikett der Republikanischen Partei antreten, dürften ohne die Unterstützung der nationalen Parteiorganisation kaum noch Aussicht auf einen Wahlsieg haben. Insgesamt betrachtet hat sich die nationale Republikanische Partei seit Beginn der achtziger Jahre zu einer professionellen Wahlkampforganisation entwickelt, deren Wahlkampfaktivitäten für den Ausgang von Wahlen immer bedeutsamer geworden sind. Durch die Erweiterung ihres Wahlkampfservices und die intensive Kandidatenbetreuung ist zugleich die Anbindung der Kandidaten an die Partei wieder verstärkt worden. Die Aufbereitung von politischen Informationen und die inhaltlich-konzeptionelle Wahlkampfberatung durch die Partei könnten dazu beitragen, daß sie in den kommenden Jahren auch an politisch-programmatischem Profil dazugewinnen wird. Im Gegensatz zur Republikanischen Partei war die Demokratische Partei noch bis Ende 1980 als nationale Organisation praktisch nicht in Erscheinung getreten. Die Reform und der Ausbau ihres bis dahin kaum organisierten und personell schwach besetzten Büros in der Bundeshauptstadt erfolgte erst nach der Wahlniederlage Jimmy Carters, unter dessen Präsidentschaft das „Democratic National Committee“ fast vollständig aufgelöst worden war. Beim Aufbau der Parteiorganisation mußte also ganz von vorne begonnen werden. Hinzu kam, daß von jeher die nationale Partei als Wahlkampforganisation für die Demokratischen Kongreßmitglieder kaum von Bedeutung war. Die Mehrzahl von ihnen stützte sich bei Wahl-kämpfen auf die Mitarbeit ihres Kongreßbüros und auf die personellen und finanziellen Ressourcen von Interessengruppen

Gleichwohl hat es die Partei verstanden, innerhalb von nur fünf Jahren ihr Hauptquartier zu einer professionell geleiteten Parteizentrale auszubauen Zwar ist die Personalstärke des „Democratic National Committee“ mit rund 130 Mitarbeitern im Vergleich mit der Mitarbeiterzahl des „Republican National Committee“ gegenwärtig noch sehr gering, aber immerhin doch dreimal so hoch wie im Jahr 1972. Aufgrund der schwachen Organisationsstruktur der Demokratischen Partei und ihrer mangelnden finanziellen Ressourcen wurde zu Beginn der Wiederaufbauphase der Großteil der eingeworbenen Spenden nicht für Wahlkampfaktivitäten, sondern vor allem für den Aufbau einer Parteizentrale und die Begleichung von alten Schulden verwandt Erst im Wahljahr 1983/84 konnten von den 96, 7 Millionen Dollar, die das Demokratische Nationalkomitee und die beiden Demokratischen Wahlkampfkomitees im Kongreß („Democratical Senatorial Campaign Committee“ und „Democratic Congressional Campaign Committee“) eingeworben hatten, rund 8 Millionen Dollar als direkte finanzielle Wahlkampfhilfe für die Demokratischen Amtsbewerber bei Kongreßwahlen eingesetzt werden Gegenüber der Höhe der Zuwendungen im Jahr 1982 war dies eine Steigerung um über 100%.

Im Jahre 1984 wurde damit etwa ein Neuntel der Wahlkampfkosten der Kandidaten, die sich bei Bundeswahlen um ein Mandat bewarben, von der Demokratischen Partei aufgebracht. Weitere 5 Millionen Dollar wurden für Wahlkämpfe und Wählerregistrierungskampagnen in den Einzelstaaten ausgegeben

Ebenso wie die Republikanische Partei hat auch die Demokratische Bundesorganisation durch regelmäßige Kontakte ihre Beziehungen zu den „Political Action Committees“ verbessern können. Der Erfolg dieser Bemühungen zeigt sich ins-besonders in der Veränderung der Spendenpraxis von PACs von Unternehmen und Unternehmens-verbänden („corporate PACs“), die bei der Vergabe von Wahlkampfgeldern traditionell die Republikanischen Kandidaten bevorzugt hatten. In den Jahren 1983/84 ging erstmals die Hälfte der Wahlspenden von „corporate PACs“ an die Kandidaten der Demokratischen Partei

Diese organisatorische und finanzielle Konsolidierung der nationalen Partei bildete die Grundlage für die Ausrüstung ihrer Parteizentrale mit modernen Wahlkampftechnologien wie etwa der Einrichtung eines eigenen Aufnahmestudios für Radio-und Fernsehsendungen, das von allen Parteikandidaten gegen eine ermäßigte Gebühr für die Produktion von Werbespots benutzt werden kann. Des weiteren konnte die Partei durch den Ausbau ihres Apparats und die Professionalisierung der Mitarbeiter ihre Wahlkampftätigkeiten in erheblichem Umfang ausweiten. Hierzu gehören die Rekrutierung von Wahlhelfern, die Erstellung von Wahlanalysen und die Durchführung von Meinungsumfragen und Brief-und Telefon-aktionen, um Spenden und Wähler zu gewinnen

Für das Wiedererstarken der Demokratischen Bundespartei war neben der Revitalisierung ihrer Wahlkampffunktion auch die innerparteiliche Reform des Nominierungsverfahrens für Präsidentschaftskandidaten von großer Bedeutung.

Durch die weitgehende Abschaffung basisdemokratischer Regelungen und die automatische Vergabe von 568 Delegiertenplätzen an Parteiführer, Gouverneure und Kongreßabgeordnete auf dem Bundeskonvent wurde seit 1984 der Einfluß der Partei auf die Kandidatennominierung wieder verstärkt

Zusammenfassend kann man feststellen, daß beide Bundesparteien gegenwärtig organisatorisch und finanziell stabiler sind, als dies in ihrer über 150jährigen Geschichte jemals der Fall war. Zwar verfügt die Republikanische Bundesorganisation bislang noch über eine bessere organisatorische, personelle und technologische Ausstattung und über stärkere finanzielle Ressourcen als die Demokratische Partei. Aber die beachtlichen Organisationserfolge der Demokraten deuten darauf hin, daß sie bis zum Beginn der neunziger Jahre den organisatorischen und finanziellen Vorsprung der Republikaner egalisieren könnten. Angesichts der strukturellen Schwäche der amerikanischen Parteien stellt die Institutionalisierung und Professionalisierung ihrer Bundesorganisationen sicherlich die entscheidende Voraussetzung für ihre Revitalisierung und die Rückgewinnung ihrer elektoralen Funktionen dar. Denn erst hierdurch wurde es ihnen möglich, die Wahlkampfunterstützung für ihre Kandidaten zu intensivieren und sie damit wieder stärker in die Partei einzubinden. Zudem konnten mit Hilfe von organisierten Parteizentralen die Wahlkampftätigkeiten der nationalen Parteien und der Wahlkampf-komitees der Parteien im Kongreß besser koordiniert werden.

Es ist zu vermuten, daß die umfangreiche politische Informationsarbeit der beiden Bundespar-teien für ihre Kandidaten auf nationaler, einzelstaatlicher und kommunaler Ebene künftig auch ihre programmatische Funktion — die Erstellung und Durchsetzung von kohärenten politischen Konzepten — wieder verstärken dürfte. 2. Der Auf-und Ausbau der einzelstaatlichen Parteiorganisationen Aufgrund des geringen Einflusses der National-komitees lag die politische Macht der amerikanischen Parteien seit ihrer Formierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf der einzelstaatlichen Ebene. Hierbei beruhte die Stärke der regionalen und lokalen Parteien in erster Linie auf der vollständigen Beherrschung der Kandidatenauswahl und -nominierung bei der Besetzung öffentlicher Ämter.

Den „klassischen“ Typ der einzelstaatlichen Parteiorganisationen stellten die „Parteimaschinen“ in den großen Städten dar, deren Parteiführer („bosses“) mittels Patronage oder Korruption für den Wahlerfolg ihrer Kandidaten sorgten. Die Entstehung dieser Patronageparteien war durch das Fehlen staatlicher Sozialleistungen begünstigt worden, die von den „Parteimaschinen“ für hilfsbedürftige Schichten im Austausch gegen ihre Wahlstimmen erbracht wurden. Mit der Übernahme sozialpolitischer Aufgaben durch die Bundesregierung und der Ausweitung des Berufsbeamtentums verloren die Parteien seit den vierziger Jahren jedoch ihre Patronagemacht. Damit setzte ein allgemeiner Prozeß der Schwächung der regionalen und lokalen Parteiorganisationen ein, der in den folgenden Jahren durch die gesetzliche Einführung von Vorwahlen und die Auflösung der traditionellen Parteibindungen weiter verstärkt wurde.

In den siebziger Jahren ging dann auch die Bedeutung der Parteien als Wahlkampforganisationen zurück, als die Kandidaten durch moderne Wahlkampftechnologien und die Unterstützung von „Political Action Committees“ bei der Durchführung ihrer Wahlkämpfe kaum noch der Wahlkampfhilfe der Parteien bedurften. Die Abkoppelung der Kandidaten von den Parteien wurde zudem durch die Bestimmungen der Wahlkampffinanzierungsgesetze gefördert. Diese legten fest, daß alle Bewerber für ein Bundesamt ein unabhängiges „principal campaign Committee“ einrichten mußten, das für die finanzielle Abwicklung ihrer Wahlkämpfe verantwortlich war Die Trennung von Kandidat und Partei wurde damit quasi gesetzlich institutionalisiert.

In einigen Bundestaaten wurde die Autonomie der Amtsbewerber daneben durch die Finanzierung ihrer Wahlkämpfe mit öffentlichen Mitteln begünstigt, die zum Teil direkt an die Kandidaten und nicht an die Parteien vergeben wurden

Trotz dieser Veränderung der institutioneilen und politischen Rahmenbedingungen blieb den Parteien ihre Funktion als legitime Träger der Staats-willensbildung erhalten. Dies lag vor allem darin begründet, daß die Verfassungen oder Wahlgesetze der meisten Bundesstaaten den Parteien die Aufgabe zuweisen, sich durch Kandidatenaufstellung an den Wahlen zu beteiligen In diesen Staaten sind die Parteien nicht nur bloße gesellschaftliche Organisationen, sondern auch integraler Bestandteil des Verfassungslebens und der politischen Kultur.

Demgemäß strukturieren sich die Wahlen auf der einzelstaatlichen Ebene zumeist nach Parteifronten. Für parteipolitisch ungebundene Amtsbewerber sind die Aussichten auf einen Wahlerfolg äußerst gering. So konnte in den letzten 20 Jahren nur ein Kandidat die Wahl für das Amt des Gouverneurs gewinnen, der als „Independent“ seinen Wahlkampf bestritten hatte. Und im Jahr 1978 waren von den 5 570 Abgeordneten aller einzelstaatlichen Parlamente lediglich acht parteipolitisch nicht gebunden Von einem generellen Einfluß-und Funktionsverlust der einzelstaatlichen Parteien konnte somit keine Rede sein.

Etwa seit Beginn der achtziger gibt es eher Hinweise dafür, daß die Demokratischen und Republikanischen Parteien in den Einzelstaaten einen Teil ihrer traditionellen Funktionen zurückgewinnen konnten und ihnen insgesamt wieder eine stärkere politische Bedeutung zukommt. Die Voraussetzungen hierfür waren — ebenso wie bei den nationalen Parteien— die organisatorische Reform und der Ausbau der Parteiapparate. Denn noch Mitte der sechziger Jahre hatte die Mehrzahl der Parteien weder ein eigenes Parteibüro noch festangestellte Mitarbeiter. In der Regel wurden die Parteiarbeiten von ehrenamtlichen Funktionären und freiwilligen Helfern erledigt.

Bis zum Jahre 1984 hatte sich das organisatorische Erscheinungsbild der Parteien jedoch deutlich verändert. Fast alle Parteien verfügten nun über eine eigene Parteizentrale mit mindestens einem festen Mitarbeiter. Bei rund 15% der Parteien waren sogar zehn oder mehr Mitarbeiter angestellt Allerdings gab es bei der personellen und finanziellen Ausstattung zwischen beiden Parteien beträchtliche Unterschiede. Im Durchschnitt war nicht nur die Mitarbeiterzahl der Republikanischen Parteiorganisationen doppelt so hoch wie bei den Demokraten, sondern auch der Haushaltsetat. Während bei den meisten Demokratischen Parteiorganisationen der Jahresetat unter 250 000 Dollar lag, stand der Mehrzahl der Republikanischen Parteien ein Etat von mehr als 500 000 Dollar zur Verfügung.

Der Vorsprung der Republikaner beruhte zum einen darauf, daß sie von der nationalen Partei weitaus mehr finanzielle Unterstützung erhielten als die Demokraten Zum anderen war die größere organisatorische und finanzielle Stabilität der Republikanischen Parteien das Ergebnis ihrer intensiven Bemühungen, ihre im Vergleich zu den Demokraten schwächere politische Stellung auf der einzelstaatlichen Ebene durch starke Partei-organisationen zu verbessern.

Der Erfolg dieser Maßnahmen zeigte sich vor allem in der Ausweitung der Wahlkampfhilfe für die Republikanischen Amtsbewerber, denen eine größere finanzielle, organisatorische und personelle Unterstützung durch die Partei zukam als ihren Demokratischen Konkurrenten.

Das verstärkte Eingreifen der Parteien in die Wahlkämpfe dürfte mitentscheidend dafür sein, daß seit einigen Jahren die Kontakte zwischen den Parteien und ihren Kandidaten wieder zugenommen haben. Obgleich laut einer Umfrage der „Advisory Commission On Intergovernmental Relations" die Mehrzahl der Parteiführer in den Bundesstaaten das parteipolitische Engagement der Kandidaten nach ihrer Wahl noch nicht sehr hoch einschätzt läßt sich zumindest ein wachsendes Interesse von Amtsinhabern und Mandats-trägern an Parteiangelegenheiten feststellen. Ein wichtiges Indiz hierfür ist, daß sich immer häufiger Abgeordnete, Senatoren und Gouverneure um ein Parteiamt bemühen oder aktiv am innerparteilichen Willensbildungs-und Entscheidungsprozeß teilnehmen Die noch in den siebziger Jahren parteipolitisch äußerst verselbständigten Entscheidungsträger scheinen also die Parteien wieder stärker in ihre politische Arbeit einzubeziehen. Im Gegensatz zu den „state parties“ hat die politische Bedeutung der kommunalen Parteien in den letzten Jahren weiter abgenommen. Ausschlaggebend hierfür war, daß inzwischen die Wahlgesetze fast aller Bundesstaaten für die Besetzung der kommunalen Ämter die Personen-wahl („nonpartisan elections") vorschreiben Die Parteien spielen hier als politische Organisationen keine Rolle, zumal sie auch über keine nennenswerten personellen oder finanziellen Ressourcen verfügen.

Insgesamt kann man jedoch eine Revitalisierung der einzelstaatlichen Parteien feststellen, die der drohenden „Auszehrung“ ihrer Funktionen und der Verminderung ihres politischen Einflusses erfolgreich entgegenwirken konnten. Durch die Verbesserung ihrer organisatorischen und finanziellen Basis und die Erweiterung ihres Wahlkampfservices für die Parteikandidaten kommt ihnen als Organisationen der Personalrekrutierung und Wahlkampfführung wieder eine größere Bedeutung zu. Und die offensichtlich zunehmende Einbindung von Amtsbewerbern und Politikern in die Parteien weist auf ihren steigenden Einfluß im politischen Entscheidungsprozeß hin.

Ob die Parteien in den kommenden Jahren ihre wieder gefestigte Position im politischen Willensbildungsprozeß beibehalten oder noch ausbauen können, wird nicht zuletzt von einer Reform der Partei-bzw. Wahlgesetze abhängen, die nach Auffassung der meisten Parteiführer den Parteien die Erledigung ihrer Aufgaben erschweren

Bislang jedenfalls sind erst in wenigen Bundesstaaten für die Parteien günstigere gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen worden. So können die Parteien zur Zeit lediglich in acht Staaten zur Finanzierung von Wahlkämpfen auf öffent-liehe Mittel zurückgreifen Und nur in 19 Staaten ist den Parteien die Unterstützung ihrer Kandidaten bei Vorwahlen erlaubt („preprimary candidate endorsement“) Besonders nachteilig ist für die Parteien, daß erst in 25 Staaten Behörden zur Kontrolle von „Political Action Committees“ errichtet worden sind. Zwar gibt es in fast allen anderen Staaten für die Wahlkampfaktivitäten der PACs gesetzliche Auflagen; diese wurden aber in der Vergangenheit aufgrund unzureichender staatlicher Überwachung häufig nicht beachtet

IV. Der Strukturwandel des amerikanischen Parteiensystems

1. „Party Building“ in der Republikanischen und in der Demokratischen Partei Eines der besonderen Merkmale des amerikanischen Parteiensystems ist die dezentrale Struktur der Parteiorganisationen. Die nationalen und die einzelstaatlichen Parteien sind formell voneinander unabhängig. Anders als etwa in der Bundesrepublik Deutschland hatten die Bundesparteien keinen Einfluß auf die regionalen und lokalen Parteien, deren Binnenorganisation zudem in den meisten Bundesstaaten gesetzlich geregelt ist. Die dezentrale Struktur des Parteisystems bestimmte auch das Verhältnis der verschiedenen Parteiebenen zueinander, auf denen selbständig und mehr nebeneinander gearbeitet wurde. Diese Isolierung der einzelnen Organisationsebenen wurde durch die mangelnde politische Kohärenz innerhalb der Parteien noch zusätzlich verstärkt.

Seit dem Ende der siebziger Jahre sind jedoch bei Republikanern und Demokraten Ansätze einer engeren Zusammenarbeit zwischen Bundes-und einzelstaatlichen Parteien und eine zunehmende Verflechtung der verschiedenen Parteiebenen erkennbar. In der Republikanischen Partei geht diese Entwicklung auf die Initiative des „Republican National Committee“ zurück, die Partei von unten nach oben neu aufzubauen und die einzelstaatlichen Parteien stärker in die Gesamtpartei zu integrieren. Diese Reform zielte vor allem auf die Stabilisierung und Erweiterung der Parteibasis auf der regionalen und lokalen Ebene ab. Denn aufgrund der föderalistischen Struktur des amerika-Umallerdings ihren zurückgewonnenen Einfluß auf Dauer zu behaupten, werden die Parteien neben ihren elektoralen Funktionen auch ihre programmatischen Funktionen reaktivieren müssen. Denn angesichts der Repolitisierung und stärkeren inhaltlichen Thematisierung der amerikanischen Wahlkämpfe seit Beginn der achtziger Jahre haben die Parteien künftig wieder für eine von den Wählern deutlich auszumachende politische Richtung einzustehen. nischen Regierungssystems war die von der Partei angestrebte „Republikanisierung“ der amerikanischen Politik solange nicht zu realisieren, wie die Demokraten in den meisten Bundesstaaten die Mehrheitspartei bildeten. Daher wurde von der nationalen Republikanischen Partei parallel zur Reorganisation ihrer Parteizentrale auch der Aufbau der regionalen und lokalen Parteiorganisationen mit Geldspenden, modernen Wahlkampf-technologien und professionellen Politikberatern unterstützt Hierbei konzentrierten sich die Bemühungen des Nationalkomitees in besonderem Maße auf die lokalen Parteien, für die spezielle Programme („Working Partners Program“ und „Committment 80“) zur Mobilisierung von Wählern und ehrenamtlichen Parteihelfern konzipiert und finanziert wurden.

Ferner werden seit einigen Jahren von der Republikanischen Parteizentrale Seminare über modernes Wahlkampfmanagement („campaign management schools") veranstaltet, bei denen die Kandidaten und Funktionäre der einzelstaatlichen Parteien anhand von praktischen Beispielen über die Organisation und Planung von Wahlkämpfen unterrichtet werden. Diese Seminare haben ebenso wie die inhaltliche und programmatische Wahlkampfberatung der Bundespartei sowohl zum Abbau des innerparteilichen Kommunikations-und Informationsgefälles als auch zur Stärkung des programmatisch-ideologischen Zusammenhaltes innerhalb der Gesamtpartei beigetragen.

Ein Symbol für die offensichtlich zunehmende innerparteiliche Organisationsidentität ist die von der Republikanischen Bundespartei initiierte Einrichtung der „National Republican Legislators Association“ (NRLA), der inzwischen 800 Repu-blikanische Abgeordnete aus den einzelstaatlichen Parlamenten beigetreten sind. Zu den Aufgaben dieses eng mit der Bundespartei zusammenarbeitenden Parlamentariergremiums gehören die Unterstützung der Parteikandidaten bei regionalen Wahlen und die Durchsetzung Republikanischer Grundsätze in den gesetzgebenden Körperschaften der Bundesstaaten und in der „National Conference of State Legislators“ (NCSL), welche die Interessen von rund 7 600 Abgeordneten aus den Einzelstaatslegislativen in Washington vertritt

Die Demokratische Bundespartei hat es ebenfalls mit einigem Erfolg verstanden, durch die Ausweitung der organisatorischen, finanziellen und konzeptionellen Wahlkampfhilfe für die einzelstaatlichen Parteiorganisationen und ihre Kandidaten die Kontakte und die Zusammenarbeit mit den unteren Parteiebenen zu verbessern. Die Bundes-organisation versprach sich hiervon eine effektivere Koordinierung ihrer Wahlkampfarbeit, die in der Vergangenheit durch die äußerst dezentralisierte Organisationsform der Partei und die Fragmentierung der parteipolitischen Macht erschwert worden war.

Die Herausgabe von Parteizeitungen und Informationsdiensten sowie die Durchführung von Schulungsseminaren für die Kandidaten und Funktionäre der einzelstaatlichen Parteien waren weitere Serviceleistungen der nationalen Parteizentrale, die innerhalb der Gesamtpartei nicht nur den Informationsaustausch und die Kommunikation, sondern auch die politisch-ideologische Kohärenz verstärkt haben.

Ein Indiz hierfür ist die von der Bundespartei finanziell unterstützte Einrichtung des „Democratic State Legislative Caucus“ (DSLC), einer Vereinigung von Demokratischen Abgeordneten aus den einzelstaatlichen Parlamenten.

In den beiden großen Parteien hat sich damit eine Entwicklung vollzogen, die die Veränderung ihrer dezentralen Organistionsstrukturen und eine sich allmählich herausbildende innerparteiliche Organisationsidentität erkennen läßt. Zweifellos hat dieser institutionelle und strukturelle Wandel des Parteiengefüges — von der amerikanischen Politikwissenschaft als „party building“ bezeichnet — die Fragmentierung der parteipolitischen -Macht verringert und die politisch-ideologische Homogenität innerhalb der Gesamtparteien anwachsen lassen.

Obgleich sich hierdurch die Effektivität der Parteien als Institution der politischen Willensbildung wieder vergrößert hat, besteht bei ihnen nach wie vor eine Diskrepanz zwischen ihrer organisatorischen Stärke und ihrer Repräsentations-und Integrationsschwäche. Die Parteien werden sich daher in den nächsten Jahren bemühen müssen, die in der Gesellschaft vorhandenen Bedürfnisse und Interessen wieder stärker zu thematisieren und auf der politischen Ebene präsent zu machen. 2. Die „Nationalisierung" des amerikanischen Parteiensystems Die für die künftige innere Entwicklung des amerikanischen Parteisystems vielleicht bedeutsamste Folge seiner Reformierung ist die Verschiebung der innerparteilichen Machtverhältnisse zu Gunsten der nationalen Parteien. Der entscheidende Grund für diese „Nationalisierung“ des Parteiensystems liegt in der zunehmenden Abhängigkeit der einzelstaatlichen Parteien von der finanziellen und organisatorischen Unterstützung ihrer Bundesorganisationen. Denn die in der Vergangenheit für die dezentralisierte Struktur des Parteiensystems charakteristische Autonomie der einzelstaatlichen Parteien beruhte in erster Linie auf ihrer finanziellen Autarkie, die es den Bundesparteien verwehrte, durch die Gewährung oder Verweigerung von Wahlkampfhilfe oder finanziellen Zuschüssen auf die unteren Parteiebenen einzuwirken. Während sich bei den Republikanern die politische Dominanz der Bundespartei vor allem auf ihre Finanzierungsmacht und auf die damit verbundenen Einflußmöglichkeiten gründete ist in der Demokratischen Partei die Verlagerung des politischen Schwergewichts auf die Bundesebene eher das Resultat von prozeduralen Reformen, bei denen die Festlegung der Modalitäten bei der Delegiertenwahl für die Bundeskonvente der Bundesorganisation übertragen wurden

Der Machtzuwachs der Bundespartei wurde gewissermaßen legalisiert, als der Oberste Gerichts-hof 1981 anläßlich eines Streites zwischen der Demokratischen Partei und dem Staat Wisconsin feststellte, daß Einzelstaaten keinen rechtlichen Anspruch darauf haben, daß ihre Delegierten zu den Bundeskonventen zugelassen werden, wenn ihre Wahlgesetze gegen die von der Bundespartei festgelegten Wahlbestimmungen verstoßen, da die Bundesstaaten keine Zuständigkeit hätten, die Modalitäten des innerparteilichen Auswahl-und Nominierungsprozesses zu reglementieren. Insbesondere gäbe es hinsichtlich des Delegiertenauswahlverfahrens keinen Vorrang der einzelstaatlichen Gesetze gegenüber den Parteiregeln

Diese Veränderung der innerparteilichen Machtstruktur wurde auch durch die Reform der Wahlkampffinanzierungsgesetze in den siebziger Jahren gefördert, deren komplizierte Publikationsund Rechnungslegungsvorschriften nach Ansicht der Parteiführer die zumeist wenig professionellen Mitarbeiter der regionalen und lokalen Parteiorganisationen überforderten. Da die Erfüllung dieser gesetzlichen Auflagen den einzelstaatlichen Parteien vielfach ohne ihre Bundesorganisation nicht möglich gewesen wäre, wurde hierdurch die Abhängigkeit der ohnehin schon auf die Unterstützung der Bundesparteien angewiesenen einzelstaatlichen Parteien weiter verstärkt

Die zu erwartende politische Konsequenz dieser Nationalisierung des Parteiensystems ist eine noch stärkere programmatische Orientierung der Parteien an bundespolitischen Themen. Das Interesse der Parteien und vermutlich auch der Wähler an regionalen und kommunalpolitischen Problemen dürfte in den nächsten Jahren weiter nachlassen. Für die künftige Formierung der parteipolitischen Fronten unter primärer Berücksichtigung von „national issues“ spricht auch, daß aufgrund der strukturellen Verschiebungen innerhalb des Parteiensystems der Einfluß der regionalen und lokalen Parteien auf die Abgeordneten und Senatoren des Kongresses deutlich zurückgegangen ist. Diese werden sich in den kommenden Jahren politisch und ideologisch stärker an den Bundesparteien orientieren, die in zunehmendem Maße auf der einzelstaatlichen Ebene sowohl bei der Verteilung von Wahlkampfgeldern als auch bei der Rekrutierung und Auswahl von Kandidaten ein Mitspracherecht beanspruchen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. S. J. Eidersveld, Political Parties in American Society, New York 1982, S. 330.

  2. Vgl. H. Wasser, Zur Krise des amerikanischen Partei -wesens, in: Zeitschrift für Politik, (1982) 1, S. 50ff.; R. K. Scott/R. J. Hrebenar, Parties in Crisis, New York 1 9842.

  3. J. A. Crittenden, Parties and Elections in the United Staates, Englewood Clifts 1982, S. 254 f.

  4. W. Crotty, The Party Game, New York 1985, S. 51.

  5. Vgl. ABC-News, The 84 Vote (edited by C. Smith), Washington, D. C., 1985, S. 66.

  6. M. P. Wattenberg (Anm. 1), S. 53.

  7. E. C. Ladd/Ch. D. Hadley, Transformation of American Party Systems, New York 1978, S. 325.

  8. E. C. Ladd, Where Have All the Voters Gone?, New York 1982, S. 78.

  9. Vgl. J. C. Pierce/J. L. Sullivan (Eds.), The Electorate Reconsidered, Beverly Hills 1980.

  10. ABC-News (Anm. 6), S. 60.

  11. Vgl. R. J. Huckshorn, Political Parties in America, Monterey 19842, S. 221.

  12. J. Kirkpatrick, Dismantling The Parties, Washington, D. C., 1978, S. 1.

  13. W. Welz, Auswahl und Nominierung amerikanischer Präsidentschaftskandidaten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/84, S. 7.

  14. Vgl. W. Crotty, Party Reform, New York 1983.

  15. Vgl. R. Agranoff (Ed.), The New Style In Election Campaigns, Boston 19762: F. Plasser, Elektronische Politik und politische Technostruktur reifer Industriegesellschaften, in: F. Plasser/P. Ulram/M. Welan (Hrsg.), Demokratierituale. Zur politischen Kultur der Informationsgesellschaft, Wien 1985, S. 19.

  16. Vgl. L. J. Sabato, The Rise of Political Consultants, New York 1981.

  17. Vgl. Federal Election Commission, Public Funding of Presidential Elections, Washington, D. C., 1983, S. 4.

  18. Vgl. K. L. Schlozman/J. T. Tierney, More of the Same: Washington Pressure Group Activity in a Decade of Change, in: Journal of Politics, (1983) 45, 355ff.

  19. Vgl. P. Lösche, Unternehmen im Wahlkampf, in: Politische Vierteljahresschrift, (1982) 4, S. 369 f.

  20. Alle Präsidentschaftsbewerber, die staatliche Wahlkampfmittel beanspruchen, sind jedoch an eine Wahlkampfkostenhöchstgrenze („national spending limit“) gebunden. Ausgenommen hiervon sind die keinem Limit unterliegenden „unabhängigen Ausgaben“ („independent expenditures“) von PAC’s, die bei der Bundeswahlkommission erklärt haben, daß sie in keiner direkten Verbindung zu einem Amtsbewerber stehen. Der größte Teil der privaten Spenden für Präsidentschaftsbewerber wird von diesen „non-connected PAC’s“ aufgebracht, deren Ausgaben an keine Höchstgrenze gebunden sind. So konnte 1984 das „National Conservative Political Action Committee“ mit 9, 8 Millionen Dollar die Wiederwahl von Ronald Reagan unterstützen, ohne gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu verstoßen. Vgl. T. Durbin, Independent Expenditures in Presidential Elections, Congressional Research Service, Report No. 85-8971 vom 17. Mai 1985, Washington, D. C., 1985.

  21. Federal Election Commission, Press Release vom 16. Mai 1985. S. lf.

  22. Ebd.

  23. Im Jahre 1984 erhielten die Amtsinhaber 72% der PAC-Gelder, ihre Herausforderer dagegen nur 16%. Vgl. Federal Election Commission, Press Release vom 19. Mai 1985, S. 1.

  24. Zum Einfluß von PAC-Spenden auf das Abstimmungsverhalten im Kongreß vgl. G. C. Jacobson, Parties and PAC’s in Congressional Elections, in: L. C. Dodd/B. I. Oppenheimer (Eds.), Congress Reconsidered, Washington, D. C., 19853, S. 131 ff.

  25. Vgl. P. Lösche (Anm. 20), S. 386 f.

  26. Federal Election Commission, Press Release vom 19. Mai 1985, S. 1.

  27. Vgl. P. Radunski, Wahlkämpfe. Moderne Wahl-kampfführung als politische Kommunikation, München 1980, S. 150.

  28. Vgl. F. Plasser (Anm. 16), S. 19.

  29. Vgl. M. B. Grosseman/M. G. Kumar, Portraying the President, Baltimore 1981, S. 217f.

  30. U. S. Bureau of the Census, Statistical Abstracts of the United States, Washington, D. C., 1984, S. 559, 755.

  31. Vgl. Th. H. White, America in Search of Itself, New York 1982, S. 104.

  32. Vgl. P. Radunski, Wahlkampfin den 80er Jahren, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 11/86, S. 38.

  33. Vgl. ABC-News (Anm. 6), S. 96.

  34. Vgl. Th. E. Patterson/R. Shaiko, Fernsehen und US-Präsidentschaftswahlen, in: Rundfunk und Fernsehen, 31 (1983) 3, S. 281 ff.

  35. Vgl. N. Postman, Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, Frankfurt 1985, S. 97 f.

  36. M. P. Wattenberg, From Parties to Candidates: Examining the Role of the Media, in: Public Opinion Quarterly, (1982) 46, S. 226.

  37. D. S. Broder, The Party’s Over: The Failure of Politics in America, New York 1972.

  38. Vgl. A. J. Reichley, The Rise of National Parties, in: J. E. Chubb/P. E. Peterson (Eds.), The New Direction in America Politics, Washington, D. C., 1985, S. 197.

  39. C. P. Cotter/J. F. Bibby, Institutional Development of Parties and the Thesis of Party Decline, in: Political Science Quarterly, (1980) 95, S. 2f.

  40. Vgl. Republican National Committee, Chairman’s Report, Washington, D. C., 1985, S. 24.

  41. Vgl. Republican National Committee (Anm. 41), S. 8; Federal Election Commission, Press Release vom 7. Mai 1985, S. 1.

  42. Im Jahre 1984 waren dies 60% der vom Republikanischen Nationalkomitee aufgebrachten Wahlspenden.

  43. L. J. Sabato, PAC Power. Inside the World of Political Action Committees, New York 1984, S. 144ff.

  44. So im „PAC 40 Club“ und im „Eagles Club“, denen PACs gegen eine Jahresgebühr von 5 000 bzw. 10 000 Dollar beitreten können. Für die Clubmitglieder werden von der Partei in regelmäßigen Abständen Treffen mit führenden Parteirepräsentanten aus Exekutive und Legislative veranstaltet.

  45. Vgl. D. Adamany, Political Parties in the 1980s, in: M. J. Malbin (Ed.), Money and Politics in the United States, Washington, D. C., 1984, S. 86 f.

  46. Vgl. X. Kayden, The New Professionalism of the Oldest Party, in: Public Opinion, (1985) 8, S. 42ff.

  47. Die Demokratische Partei mußte noch bis 1982 Schulden aus dem Präsidentschaftswahlkampf von 1968 abzahlen.

  48. Vgl. Federal Election Commission (Anm. 42), S. 3.

  49. Mündliche Auskunft von Mitarbeitern des „Democratic National Committee“ im August 1985 an den Verfasser.

  50. Vgl. M. Glen, Democratic Candidates Got a Larger Share of the Corporate PAC Pie in 1984, in: National Journal vom 19. Mai 1985. S. 156 ff.

  51. Vgl. G. D. Wekkin, The New Federal Party Organisations: Intergovernmental Consequences of Party Renewal, Paper, vorgetragen beim Jahrestreffen der „American Political Science Association“ im September 1985 in New Orleans, S. 20 ff.

  52. W. Crotty (Anm. 15), S. 88 ff.

  53. Vgl. J. F. Bibby u. a., Parties in State Politics, in: V. Gray/H. Jacob/K. Vines (Eds.), Politics in American States, Boston 19834, S. 85 ff.

  54. Vgl. R. S. Jones, State Public Financing and the State Parties, in: M. J. Malbin (Ed.), Parties, Interest Groups and Campaign Finance Laws, Washington, D. C., 1980, S. 283 ff.

  55. In der Regel gilt dies nur für die Wahlen von Gouverneuren, Senatoren und Abgeordneten. Die überwiegende Zahl der lokalen Wahlen sind dagegen reine Personalwahlen („non partisan elections"). Vgl. R. J. Huckshorn, Political Parties in America, Monterey 19842, S. 54.

  56. Vgl. S. Mc Cally Morehouse, State Politics, Parties and Policy, New York 1981, S. 29.

  57. Sogenannte „Dritte“ Parteien haben sich — von wenigen Ausnahmen abgesehen — in den Vereinigten Staaten aufgrund des Mehrheitswahlrechts und der restriktiven Zulassungsbeschränkungen politisch nicht durchsetzen können. Vgl. St. J. Rosenstone/Roy L. Behr/E. H. Lazarus, Third Parties in America, Princeton 1984, S. 15 ff.

  58. Zum folgenden vgl.: T. Conlan/A. Martino/R. Dilger, State Parties in the 1980s, in: Intergovernmental Perspektive, (1984) 10, S. 6 ff.; C. P. Cotter/J. L. Gibson/J. F. Bibby/R. J. Huckshorn, Party Organizations In American Politics, New York 1984, S. 13 ff.

  59. In den Jahren 1983/84 wurden 70% der Republikanischen Parteien und nur 50% der Demokratischen Parteien von ihren Bundesorganisationen finanziell unterstützt.

  60. Vgl. T. Conlan/A. Martino/R. Dilger (Anm. 59), S. 7.

  61. Vgl. D. Pilcher, Legislators as party leaders: Why weartwo hats? in: State Legislatures, (1984) 10, S. 15ff.; C. D. Cotter u. a. (Anm. 59), S. 92 f.

  62. In rund 65% aller Städte mit über 5 000 Einwohnern werden „nonpartisan elections“ durchgeführt. Vgl. W. Crotty (Anm. 59), S. 11.

  63. Vgl. T. Conlan/A. Martino/R. Dilger (Anm. 5), S. 11.

  64. Vgl. R. S. Jones, State Public Campaign Finance: Implication for Partisan Politics, in: American Journal of Political Science, (1981) 25, S. 347.

  65. Vgl. M. E. Jewell, Parties and Primaries, New York 1984, S. 33 ff.

  66. Vgl. C. L. Romig, Political Action Committees, in: State Legislative Report, (1985) 9, S. 3f.

  67. Vgl. J. F. Bibby, Party Renewal In The National Republican Party, in: G. M. Pomper (Ed.), Party Renewal in America, New York 1980, S. 107ff.

  68. Vgl. A Democratic caucus and Republican association, in: State Legislatures, (1984) 10, S. 16f.

  69. Vgl. D. E. Price, Bringing Back the Parties, Washington, D. C., 1984, S. 298.

  70. Vgl. Ch. Longley, Party Nationalization in America, in: W. -J. Crotty (Ed.), Paths to Political Reform, Lexington 1980, S. 167; Ch. D. Hadley, The Nationalization of American Politics: Congress, The Supreme Court, And the National Political Parties, in: Journal of Social and Political Studies, (1979) 9, S. 359 ff.

  71. Vgl. M. Conway, Republican Political Party Nationalization. Campaign Activities, and Their Implication for the Party System, in: Publius, (1983) 13, S. 10.

  72. Vgl. R. A. Hitlin, The Nationalization of the Democratic Party, in: Western Political Quarterly, (1981) 34, S. 270ff.; Ch. Longley, Party Reform and Party Nationalization: The Case of the Democrats, in: W. J. Crotty (Ed.), The Party Symbol, New York 1980, S. 359ff.

  73. Vgl. W. Welz (Anm. 14). S. 4ff.

  74. Vgl. X. Kayden, The Nationalizing of the Party System, in: M. J. Malbin (Ed.) (Anm. 55), S. 257ff.

Weitere Inhalte

Wolfgang Welz, Dr. phil., geb. 1952; Studium der Politikwissenschaft, des Staatsrechts, Wirtschaftsrechts und der Neueren Literaturgeschichte; z. Z. wiss. Assistent am Seminar für wissenschaftliche Politik der Universität Freiburg. Veröffentlichungen u. a.: Erläuterungen zum Gesetz über das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, in: Das Deutsche Bundesrecht, 1982; Auswahl und Nominierung der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/84; Ressortverantwortung im Leistungsstaat. Zur Organisation, Koordination und Kontrolle der selbständigen Bundesoberbehörden, Baden-Baden 1986 (im Erscheinen).