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Grunddaten zum politischen Verhalten älterer Menschen | APuZ 48/1986 | bpb.de

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APuZ 48/1986 Die Ausgangslage für die Bundestagswahl am 25. Januar 1987 Grunddaten zum politischen Verhalten älterer Menschen Technikfreundlich? -Technikfeindlich?. Empirische Ergebnisse im nationalen und internationalen Vergleich

Grunddaten zum politischen Verhalten älterer Menschen

Rolf Stadie

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Bei der Analyse einiger Grunddaten zum politischen Verhalten älterer Menschen zeigt sich, daß die ältere Generation sich hinsichtlich ihres sozial-kulturellen Hintergrundes von anderen Bevölkerungsgruppen unterscheidet. Die ältere Bevölkerung weist u. a. einen hohen Frauenanteil, niedrige formale schulische Qualifikationen, geringere Gewerkschaftsorientierung und stärkere Kirchenverbundenheit auf. Politik spielt für die älteren Menschen durchaus keine untergeordnete Rolle: Ihre Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen ist außerordentlich hoch, das politische Interesse nur unwesentlich geringer als in anderen Bevölkerungsgruppen und die Bereitschaft zu mehr politischem Engagement groß. Mit dem politischen System in der Bundesrepublik ist man im Großen und Ganzen zufrieden. Aber im Alter scheint ein ausgeprägter Wunsch nach Sicherheit und einer klaren politischen Welt zu bestehen. Auch ist die Konfliktbereitschaft unter älteren Menschen geringer ausgeprägt. Beim Wahlverhalten zeigen sich seit Jahrzehnten mehrheitlich konservative Parteineigungen, was man auf eine starke Verbreitung eher’ konservativer Werthaltungen zurückführen kann. Bei den politischen Sachthemen, die es aus der Sicht der Befragten zu lösen gibt, zeigen sich die älteren Menschen vor allem sicherheitsorientiert: Sicherung des Friedens, der Renten und der Arbeitsplätze, Sicherheit vor Verbrechen und die Preisstabilität stehen in der Rangfolge der Nennungshäufigkeiten obenan.

Im Rahmen der empirischen Sozialforschung ist es gang und gäbe, sich mit den Formen und Beweggründen des politischen Protestes der Jugend auseinanderzusetzen sich mit dem , angepaßten politischen Verhalten und der politischen Kultur von Heranwachsenden zu beschäftigen oder auf Probleme der politischen Sozialisation von Jugendlichen einzugehen Für die Kontrastgruppe zu den Jugendlichen, d. h. die älteren Menschen, gibt es indessen noch keine vergleichbare Untersuchung Auch in der Wahlforschung wird das politische Verhalten der älteren Mitbürger nicht gruppenspezifisch bzw. eigenständig behandelt. Wenn von Unterschieden zwischen Altersgruppen die Rede ist, dann werden diese beispielsweise unter dem Aspekt von unterschiedlichen Werthaltungen oder unterschiedlichen (historischen) Erfahrungen der verschiedenen Generationen behandelt.

Tabelle 8: Stimmabgabe der älteren Bevölkerung bei den Bundestagswahlen 1953 bis 1983 (in %) Quelle: Statistisches Bundesamt: Repräsentative Bundeswahlstatistiken, Fachserie 1, Heft 4, 1983, S. 27

Daß das politische Verhalten der älteren Generation nicht in gleicher Weise Gegenstand wissenschaftlichen Interesses gewesen ist wie das der Jugendlichen mag daran liegen, daß diese Gruppe nie politischen Protest gezeigt und nur wenig Aufhebens um ihre Situation gemacht hat Heute stellt sich jedoch die Frage, ob sich die älteren Menschen als Gruppe weiterhin so verhalten werden, denn weitgreifende Änderungen stehen an.

Tabelle 9: Parteipräferenzen und soziodemographische Gruppen innerhalb der 60 Jahre alten und älteren Bevölkerung (in %) Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

Zur Zeit stellen die älteren Menschen einen gewichtigen politischen Block dar. Von der Gesamtbevölkerung waren Ende 1985 21, 4% 60 Jahre oder älter. Nach Modellrechnungen des Statistischen Bundesamtes wird bis zum Jahr 2000 dieser Anteil auf 25, 7% anwachsen. Ursache für die Veränderungen im Bevölkerungsaufbau ist die niedrige Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung. Dies wird Veränderungen und Probleme mit sich bringen.

Tabelle 10: Wertorientierung im Generationenvergleich in % Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

Zunächst einmal wird der Anteil der älteren Menschen an der wahlberechtigten Bevölkerung zunehmen; die Bedeutung dieser Gruppe als Wählerpotential wird also steigen. Aufgrund der bisherigen niedrigen Geburtenrate sinkt der Anteil des jüngeren Bevölkerungsteils. Das heißt, die Zahl der Beitragszahler in die Rentenversicherung, die im Rahmen des »Generationenvertrages als Berufstätige jetzt die Alterseinkommen der heutigen Rentner in dem Wissen sichern, daß ihre eigene künftige Rente ebenso von der dann berufstätigen Generation aufgebracht wird, nimmt ab. Gleichzeitig werden Anzahl und Anteil der alten Menschen steigen, weil die Lebenserwartung weiterhin zunimmt. Dies hat eine Steigerung der Zahl der Rentenbezieher zur Folge die Relation von Einzahlern und Zahlungsempfängern wird sich verschlechtern. Die Rentenversicherung steht vor großen Problemen. Werden diese nicht hinreichend gelöst, ist der soziale Friede zwischen den Generationen für die Zukunft in Frage gestellt. Bereits heute gibt es Stimmen, die das Ende des politischen Friedens innerhalb der älteren Generation vorhersehen: „Es könnte sein, daß das Altenproblem für unsere Zukunft viel wichtiger sein wird, als es die Jugendrevolte je war.“

Tabelle 11: Wertorientierung älterer Menschen in % Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

So entscheidend mögliche Veränderungen gesellschaftlicher und politischer Normen und Werte auch sein können, über das politische Verhalten und die grundlegenden Einstellungen älterer Menschen in der Bundesrepublik ist noch wenig bekannt. Im folgenden sollen daher — basierend auf empirischen Daten — einige wichtige Aspekte behandelt werden und eine Bestandsaufnahme erfolgen. Die Daten stammen aus zwei Studien des Forschungsinstituts der Konrad-Adenauer-Stiftung, die 1983 und 1986 durchgeführt wurden. Bei der ersten Studie handelt es sich um eine repräsentative Erhebung unter ca. 2 000 älteren Menschen im Alter ab 60 Jahre, bei der zweiten um eine repräsentative Erhebung unter der gesamten wahlberechtigten Bevölkerung, im Rahmen derer im Frühjahr 1986 mehr als 5 000 Interviews durchgeführt wurden. Durch diese große Fallzahl ist eine ausreichende Anzahl in der Altersgruppe über 60 Jahre gewährleistet (ca. 1 300). Die Tabellendarstellung erfolgt mit zwei Altersvergleichen: Ein Generationsvergleich und ein Vergleich innerhalb der älteren Generation. Zum einen wird der älteren Generation — 60 Jahre und älter— die jüngere — 18 bis 29

Tabelle 12: Wichtigkeit politischer Aufgaben im Generationenvergleich (in %) Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601

Jahre — und die mittlere Generation — 30 bis 59 Jahre— gegenübergestellt. Zum anderen erfolgt innerhalb der älteren Generation eine weitere Altersunterscheidung. Damit soll eine differenzierte Darstellung angestrebt werden.

I. Der sozialkulturelle Hintergrund

Tabelle 1: Sozialökonomische Variablen im Altersvergleich Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

Wenn man von der älteren Bevölkerung in der Bundesrepublik spricht, sind damit mehrheitlich Frauen gemeint. Während nämlich bis zu einem Alter von ungefähr 55 Jahren der Bevölkerungsaufbau noch einen leichten „Männerüberschuß aufweist, sind schon in der Altersklasse von 60 bis 65 Jahren — statistisch gesehen — von zehn Menschen sechs Frauen und vier Männer. Je höher die Altersklasse, desto höher ist auch der Anteil der Frauen. Unter den 65-bis 69jährigen beträgt der Frauenanteil 62%, unter den 70-bis 74jährigen 64%, unter den 75-bis 79jährigen 66% und unter den 80jährigen und älteren 71 %

Tabelle 13: Einschätzung der GRÜNEN im Bundestag im Generationenvergleich Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

Neben diesen demographischen, geschlechtsspezifischen Besonderheiten unterscheidet sich die ältere Generation von der übrigen Bevölkerung im Hinblick auf den formalen Bildungsabschluß. Das wird vor allem im Verhältnis zur jüngeren Generation deutlich. Unter den befragten 18-bis 29jährigen haben etwa je ein Drittel ihre Schulausbildung mit dem Hauptschulabschluß, mit der mittleren Reife oder mit dem Abitur abgeschlossen. Dagegen überwiegt in der älteren Generation eindeutig der Volksschulabschluß (etwa mit dem heutigen Hauptschulabschluß vergleichbar). Von den befragten älteren Menschen haben 76% die Volksschule, aber nur ein Viertel eine weiterführende Schule besucht (vgl. Tabelle 1). Zwischen den einzelnen Altersgruppen innerhalb der älteren Bevölkerungsgruppe variieren die Anteile nur geringfügig. Erst beim Vergleich zwischen den Generationen wird somit der riesige soziale Wandel deutlich, der sich in diesem Jahrhundert in der schulischen Bildung vollzogen hat.

Bei den Angaben zum Beruf fällt der hohe Anteil jener unter der jüngeren und unter der älteren Generation auf, die noch nicht oder nie erwerbstätig gewesen sind. In der jüngsten Altersklasse (18 bis 29 Jahre) beträgt dieser Anteil 28% und ist z. T. bedingt durch diejenigen, die ihre schulische oder universitäre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben. Unter den Bürgern ab sechzig Jahren beträgt der Anteil 18% und ist fast ausschließlich auf jene Frauen zurückzuführen, die in ihrem Leben nie erwerbstätig waren. Entsprechend dem weit höherem Alter steigt auch der Anteil derer, die nie erwerbstätig gewesen sind. Unter den befragten 60-bis 64jährigen Menschen waren 15% nie erwerbstätig, in der Altersklasse 80 Jahre und älter 27%.

Beim Generationenvergleich zeigt sich darüber hinaus noch, daß es unter den älteren Menschen mehr ungelernte Arbeiter gibt, während in der mittleren Altersgruppe (30 bis 59 Jahre) die Anteile der Facharbeiter, der Angestellten und der Beamten höher liegen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Schichteinstufung. Aus der vorliegenden Untersuchung ergibt sich, daß die ältere Generation entsprechend ihrem Bildungsabschluß und dem Berufsstatus eher geneigt ist als andere Bevölkerungsteile, sich der Arbeiterschicht zuzurechnen; 38% fühlen sich zur Arbeiterschicht gehörig und nur 58% zur Mittelschicht. Demgegenüber zählen sich in der jüngsten Altersklasse nur 26% zur Arbeiterschicht und 71% zur Mittel-schicht. Konfession, Kirchgangshäufigkeit und Kirchen-verbundenheit auf der einen Seite und Gewerkschaftsmitgliedschaft bzw. -Verbundenheit auf der anderen Seite sind Sozialstrukturmerkmale, die Indikatoren für politische Einstellungen, Verhaltensdispositionen und politisches Verhalten darstellen Obwohl allgemein den »Milieus* keine mehr so bestimmende Rolle zugebilligt wird lassen sich Wirkungen von Gewerkschaftsmitgliedschaft und Kirchenverbundenheit nachweisen Hier ist zunächst einmal festzustellen, daß mit zunehmendem Alter die Bedeutung von Kirche und Religion wächst, wohingegen die Gewerkschaftsorientierung abnimmt.

Bei der Religionszugehörigkeit gibt es keine eindeutigen Unterschiede zwischen den Generationen. Jedoch zeigt sich bei der Kirchgangshäufigkeit ein sehr unterschiedliches Verhalten. Von den Befragten der jüngeren Generation sucht mehr als die Hälfte so gut wie nie eine Kirche auf (vgl. Tabelle 2). Bei den befragten über 60jährigen Bundesbürgern sind dies nur 27%, während ein Drittel von ihnen sagt, man gehe mindestens einmal in der Woche zur Kirche. Mit steigendem Alter nimmt — so die Untersuchungsergebnisse — die Kirchgangshäufigkeit innerhalb der älteren Generation weiter zu. Unter den 60 bis 64 Jahre alten Menschen gehen 28% mindestens einmal in der Woche in die Kirche. Unter den 80jährigen und älteren Mitbürgern liegt dieser Anteil bei 40%. In der ältesten Bevölkerungsgruppe findet man jedoch auch einen geringfügig höheren Anteil derer, die nie in die Kirche gehen. Dies scheint weniger ein Anzeichen für eine geringere »Kirchlichkeit* sondern eher die Folge einer eingeschränkten — gesundheitsbedingten — Mobilität zu sein. Dafür spricht auch, daß bei der Kirchenverbundenheit ein stetiger Anstieg mit zunehmender Altersklasse festzustellen ist. Von den befragten 18-bis 29jährigen äußerte nur jeder zehnte eine starke Kirchenverbundenheit. Unter den 80jährigen und älteren beträgt der entsprechende Anteil dagegen etwa die Hälfte.

Darüber hinaus geht aus dem erhobenen Daten-material hervor, daß mit steigendem Alter die Arbeitnehmerorganisationen unter den älteren Menschen an Bedeutung verlieren. Die Gewerkschaftsmitgliedschaft ist — aus verständlichen Gründen — bei den 30-bis 59jährigen am stärksten verbreitet. In dieser Altersgruppe sind, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, 22% Mitglied in einer Gewerkschaft (vgl. Tabelle 3). In 13% der Fälle ist ein anderer aus dem Haushalt Gewerkschaftsmitglied. 65% der Haushalte sind dagegen ohne jegliche formale gewerkschaftliche Bindung. Unter der älteren Bevölkerung ist nur noch jeder zehnte Mitglied in einer Gewerkschaft, doch bleibt innerhalb der älteren Generation der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder ziemlich konstant. Er schwankt zwischen 6% und 11%.

Das ändert nichts an der Tatsache, daß die Distanz zur Gewerkschaft in der Gesamtbevölkerung mit zunehmendem Alter größer wird. Die Hälfte der befragten 18-bis 29jährigen antwortete auf die Frage nach der Stärke ihrer Gewerkschaftsverbundenheit mit , kaum‘. Bei den über 60jährigen beträgt der vergleichbare Anteil insgesamt 65%. Dabei ist jedoch der Prozentsatz unter den jüngeren Alten niedriger (62%) als unter den ältesten (70%).

Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich der soziodemographische Hintergrund der älteren Bevölkerung durch einen hohen Frauenanteil, niedrigere formale schulische Qualifikation, höheren Arbeiterschichtanteil, geringere Gewerkschaftsorientierung und stärkere Kirchenverbundenheit auszeichnet.

II. Der pflichtbewußte Bürger

Tabelle 2: Religionszugehörigkeit, Kirchgangshäufigkeit und Kirchenverbundenheit im Altersvergleich (in %) Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

Legt man Quoten für die Wahlbeteiligung der einzelnen Altersgruppen zugrunde, dann zählt die ältere Bevölkerung seit Jahrzehnten zu den Gruppen mit einer der höchsten Wahlbeteiligungen. Von 1957 an weist beispielsweise die Altersgruppe von 60 bis unter 70 Jahre laut amtlicher Wahlstatistik stets überproportionale Wahlbeteiligungsquoten auf. Bei der Bundestagswahl 1983 lag die durchschnittliche Wahlbeteiligung insgesamt bei 88, 4%. Für die Altersgruppe der 60-bis unter 70jährigen Wähler wurde dagegen eine Quote von 92, 3% ausgewiesen Damit liegt diese Rate fast elf Prozentpunkte über der der Jungwähler im Alter zwischen 21 und 25 Jahren. In der Altersgruppe der 70jährigen und älteren Personen sinkt die Wahlbeteiligung dann jedoch deutlich auf 84, 9%. Hier muß aber berücksichtigt werden, daß unter den ältesten Mitbürgern die Briefwahl am häufigsten genutzt wird Betrachtet man die Anteile der Wahlberechtigten mit Wahlschein nach Altersgruppen, so liegt, wie schon 1980, der höchste Anteil in der Alters-gruppe der 70jährigen und älteren Personen. Für diese Gruppe von Wahlberechtigten, in der Männer zu 14, 1% (1980: 16, 3%) und Frauen sogar zu 18, 2% (1980: 20, 4%) einen Wahlschein erhielten, wird man in der Hauptsache Gebrechlichkeiten und Krankheiten als Antragsgründe für die Brief-wahl vermuten können. Damit dürfte insg 4%) einen Wahlschein erhielten, wird man in der Hauptsache Gebrechlichkeiten und Krankheiten als Antragsgründe für die Brief-wahl vermuten können. Damit dürfte insgesamt die tatsächliche Wahlbeteiligung der ältesten Mitbürger ähnlich hoch sein wie in der Altersgruppe der 60 bis unter 70 Jahre alten Menschen. Die niedrigsten Anteile -der Wahlberechtigten mit Wahlschein — d. h.der Briefwähler — liegen 1983 — wie auch 1980 — bei den unter 21jährigen und in den Altersgruppen von 30 bis unter 60 Jahren 19).

Daß Politik für die älteren Menschen keine untergeordnete Rolle spielt, läßt sich auch am politischen Interesse, d. h.der Bereitschaft, sich mit politischen Fragen auseinanderzusetzen, ablesen. Von den Befragten der älteren Generation äußern 28% ein starkes oder sehr starkes Interesse an Politik. Dieses politische Interesse ist damit nur wenig geringer als das der jüngeren und der mittleren Generation. In der Mittelkategorie des politischen Interesses („etwas“ interessiert) ist unter den älteren Menschen der Anteil deutlich geringer als in den beiden anderen Altersgruppen (vgl. Tabelle 4). Entsprechend höher ist deshalb der Anteil der politisch Desinteressierten (34%).

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß es große geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Von den befragten älteren Männern sind 41 % 20) politisch interessiert. Dies ist in fast allen Altersgruppen der älteren Männer zu beobachten; erst ab 80 Jahre zeigt sich ein deutlicher Rückgang des Interesses. Bei den befragten älteren Frauen ist das politische Interesse weit geringer ausgeprägt.

Lediglich 20% sagen, sie seien politisch interes-siert. Je älter die Frauen sind, desto distanzierter ist ihr Verhältnis zum politischen Geschehen. In den Altersklassen ab dem 75. Lebensjahr sind weit mehr als die Hälfte der älteren Frauen nicht an Politik interessiert.

Eine aktive Teilnahme am politischen Prozeß ist unter älteren Menschen nicht sonderlich stark ausgeprägt. Darin unterscheiden sie sich jedoch nicht erheblich von anderen Bevölkerungsgruppen. Von den befragten älteren Menschen geben 5% an, Mitglied in einer Partei zu sein. Ein Amt in der Partei hat kaum jemand von ihnen inne (1%). Unter der jüngeren Generation und in der mittleren Altersgruppe weichen die Zahlen nur unwesentlich ab (vgl. Tabelle 5). Bürgerinitiati-ven haben, so ein Ergebnis der Untersuchungen, für das Engagement der älteren Menschen keine Bedeutung. Zahlenmäßig höher liegen dagegen die Mitgliedschaften in Berufsvereinigungen und in Vereinen. Von den Befragten der älteren Generation sind insgesamt 27% Mitglied in einem Verein, d. h. die gesellschaftliche Teilhabe alter Menschen findet in erster Linie im kirchlichen Rahmen, in geselligen Vereinen und in Sportvereinen statt

Obwohl die aktive politische Teilhabe nur gering ausgeprägt ist, gibt es zur Beteiligung am politischen Leben unter den älteren Mitbürgern eine „latente“ Bereitschaft Angesprochen auf mögliche Interessenorganisationen für ältere Menschen innerhalb der bestehenden Parteien, wie beispielsweise auf die „Senioren-Union", die gegenwärtig innerhalb der CDU eingerichtet wird, äußerten sich insgesamt mehr als zwei Drittel (68%) der 60jährigen und älteren Befragten positiv (vgl. Tabelle 6). Auf die Frage nach einer eventuellen Mitgliedschaft reagierte immer noch fast ein Drittel (30%) der gesamten älteren Befragten positiv. Zur aktiven Mitarbeit in einer Interessengruppe für alte Menschen in den Parteien ist immerhin noch jeder sechste bereit. Dies deutet auf eine starke prinzipielle Bereitschaft unter den älteren Menschen hin, sich in der Politik zu engagieren.

Offensichtlich sind hierbei jedoch nicht neuere Formen politischer Partizipation — wie beispielsweise Bürgerinitiativen — oder eine Interessenvertretung in speziellen „Alten“ -Organisationen — wie die Grauen Panther oder die Aktionsgemeinschaft deutscher Rentner-und Seniorenverbände — gefragt. Vielmehr sucht man einen Anschluß innerhalb von größeren, nicht allein auf Seniorenprobleme beschränkten Organisationen.

Diese Aktivitätsbereitschaft sollte von den Parteien nicht unterschätzt werden, da Ruheständler über ein größeres frei verfügbares Zeitbudget verfügen als Personen aus anderen Bevölkerungsgruppen.

III. Systemakzeptanz

Tabelle 3:Gewerkschaftsmitgliedschaft und Gewerkschaftsverbundenheit im Altersvergleich (in %) Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

Wertet man die Reaktionen auf die Frage nach der Demokratiezufriedenheit als allgemeine Systemakzeptanz, dann ist die ältere Generation derjenige Teil der Bevölkerung, in dem das derzeit bestehende und praktizierte politische System den größten Rückhalt findet. Unter den Befragten der älteren Generation äußern 31% eine uneingeschränkte Zufriedenheit. In der Kontrast-gruppe der Jüngeren ist zwar auch noch ein großes Zufriedenheitspotential vorhanden, es, ist jedoch mit 23% deutlich geringer. Zufriedenheit mit Einschränkung kann man als den Normalfall bezeichnen, denn sie macht in allen Altersgruppen den weitaus größten Teil der Nennungen aus. Äußerungen der Unzufriedenheit treten bei der älteren Bevölkerung in geringerem Maße auf als in den beiden anderen Generationsgruppen. Innerhalb der Altersgruppen unterscheiden sich die älteren Menschen kaum in ihrem Antwortverhalten zur Demokratiezufriedenheit.

Zufriedenheit heißt nicht einfach, eine Sache zu akzeptieren wie sie ist. Zufriedenheit ist vielmehr das Produkt zweier Größen, nämlich der Wahrnehmung von Realität und der persönlichen Erwartung. Gerade im Hinblick auf die Erwartung an das demokratische Geschehen unterscheidet sich die befragte ältere Bevölkerung sowohl von den anderen Altersgruppen als auch untereinander.

Von den möglichen Formen des Partizipationsverhaltens beschränkt sich die Aktivität unter der älteren Generation zunächst einmal auf die Wahlteilnahme, denn verbreitet ist unter den älteren Menschen die Meinung, daß es ausreiche, wenn man nur zur Wahl gehe. Das Statement „Es genügt, wenn man regelmäßig zur Wahl geht; mehr braucht man eigentlich in einer Demokratie nicht zu tun“ wird von 26% der Befragten in der Altersklasse von 18 bis 29 Jahren geteilt. Unter denjenigen, die 60 Jahre und älter sind, vertreten dagegen 47% diese Auffassung. Mit zunehmendem Alter nimmt diese Einstellung zu; unter den 80 Jahre und älteren Befragten beträgt der Anteil 61%.

Auch ist unter den Älteren die Meinung häufiger verbreitet, daß der einzelne in der Politik sowieso nichts ausrichten kann. Der Aussage „Leute wie ich haben keinen Einfluß darauf, was die Regierung tut“ wird von 73% der Befragten der älteren Generation zugestimmt. Und auch hier gilt, je älter die Menschen, desto größer die Zustimmungsrate. Unter den Jüngeren liegt der Anteil derjenigen, die diese Meinung teilen, bei 60%. Aber obwohl man die persönlichen Einflußnahmen so gering erachtet und sich bei der politischen Teilhabe auf den Urnengang beschränkt, ist man dennoch mehrheitlich der Meinung, daß sich ein Einsatz für den Staat lohnt und daß man bei entsprechendem Engagement auf der politischen Bühne mehr erreichen könnte. Einsatz für den Staat wird von 81 % der Befragten der älteren Bevölkerung als lohnend eingeschätzt, während dies von den Befragten der jüngeren Generation nur von 73% so gesehen wird. Daß eine stärkere politische Beteiligung die Politiker dazu veranlassen würde, stärker auf die Meinung der Bevölkerung zu achten, entspricht ebenfalls der Einstellung einer überwiegenden Mehrheit (70%) der befragten älteren Mitbürger. Vermutlich liegt hierin das Motiv für die beschriebene Partizipationsbereitschaft älterer Menschen.

Im Alter scheint der Wunsch nach einer klaren und übersichtlichen politischen Welt zu bestehen.

Darüber hinaus ist die Konfliktbereitschaft gering ausgeprägt. Auseinandersetzungen innerhalb von Parteien finden hier weit geringere Zustimmung als bei Befragten aus anderen Altersgruppen. Dabei scheint der ausgeprägte Wunsch nach einer starken Hand (68%) in der Politik weniger ein Verlangen nach einer grundlegenden politischen Richtungsänderung auszudrücken als vielmehr von der Vorstellung nach einer schnelleren und effektiveren Problemlösung getragen zu sein. Denn insgesamt ist das Staatsvertrauen gerade unter den befragten älteren Mitbürgern groß. Das Statement „Alles in allem kann man darauf vertrauen, daß der Staat das Richtige für die Bürger tut“, wird von 70% der Befragten der älteren Generation geteilt, aber nur von 47% innerhalb der jüngsten Altersklasse. Auch haben ältere Menschen offensichtlich weniger Zukunftsangst als andere, denn: 70% der befragten Älteren sind der Meinung, daß man mit den zukünftigen Problemen schon fertig wird.

IV. Wahlverhalten und Parteipräferenzen

Tabelle 4: Politisches Interesse im Altersvergleich (in %) Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

Die ältere Bevölkerung der Bundesrepublik hat seit Jahrzehnten mehrheitlich konservative Parteineigungen. Über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren hinweg haben sich bei Bundestagswahlen die Rangfolge der Parteien nicht und die Stimmenanteile nur geringfügig geändert (vgl. Tabelle 8). Seit der Bundestagswahl 1957 schwankt der Stimmenanteil für die Unionspar-teien in der Bevölkerung ab 60 Jahren um die 50%-Marke. Das schlechteste Ergebnis wurde 1961 mit 49, 1 %, das beste in den Jahren 1957 und 1983 mit jeweils 52, 6% erzielt.

Das Potential bzw. die Anhängerschaft unter den älteren Menschen für die SPD liegt bei ca. 40%. Zwar beliefen sich die Stimmenanteile für die SPD in den fünfziger Jahren nur auf ca. 28%, doch stieg mit dem Rückgang der Anteile verschiedener „anderer“ Parteien der Anteil für die SPD kontinuierlich an. Im Jahre 1953 konnten die „anderen“ Parteien noch 15, 3% der Stimmen unter der älteren Bevölkerung erzielen. Knapp zwanzig Jahre später — im Jahre 1972 — votierte nur noch 1 % nicht für eine der drei damals im Bundestag vertretenen Parteien. In demselben Jahr lag der Stimmenanteil für die SPD zum ersten Mal über der 40%-Marke.

Der Anteil für die FDP liegt in der älteren Bevölkerung bis auf wenige Ausnahmen zwischen 6% und 7%. Bei der Bundestagswahl 1983 gaben 5, 9% von ihnen der FDP ihre Zweitstimme.

Die GRÜNEN finden bisher bei der älteren Bevölkerung politisch keine Resonanz. Zwar ist zwischen 1980 und 1983 ein geringer Anstieg der Wählerpräferenz für die GRÜNEN zu beobachten, aber mit 1, 2% der Stimmen haben sie unter der Bevölkerung ab 60 Jahren nur einen minimalen Stimmenanteil. Betrachtet man nun den Einfluß der soziodemographischen Variablen auf die Parteipräferenz, dann zeigt sich innerhalb der älteren Generation kein weiterer Zusammenhang zwischen Alter und Parteipräferenz. In allen Altersklassen der über 60jährigen Bevölkerung liegen die Präferenzanteile nahezu gleich hoch. Auch gibt es keine unterschiedlichen Reaktionen zwischen älteren Männern und älteren Frauen (vgl. Tabelle 9). Bei der Schulbildung zeigt sich, je höher der formale Bildungsabschluß, desto höher ist der Unionsanteil. Auch der FDP-Anteil ist bei der älteren Generation mit mittlerer Reife und Abitur deutlich größer als bei einem Volksschulabschluß. Aber noch deutlicher wirkt sich der ehemalige Beruf aus. Ältere Personen, die nie erwerbstätig waren (57%) — also die Hausfrauen —, sowie die ehemaligen Angestellten (55%), Beamten (61%) und Selbständigen (71%) votieren mehrheitlich für die CDU/CSU, während unter den ehemaligen Arbeitern die SPD einen Anteil von 52% erreicht. Im katholischen Milieu (67%) oder bei stärkerer Kirchenverbundenheit (69%) wird eindeutig der Union der Vorzug gegeben, während Gewerkschaftsverbundenheit („stark“ 79%; „etwas“ 49%) zu einer mehrheitlichen SPD-Präferenz führt. Die FDP erzielt günstigere Werte in einem evangelischen Milieu (11%) oder bei großer Distanz zur Kirche (11 %). Für die GRÜNEN sind ebenfalls bei großer Kirchendistanz — hier beträgt ihr Anteil 6% —, starker Gewerkschaftsbindung (5%) und bei höherem formalen Bildungsabschluß (4%) unter der älteren Generation vergleichsweise höhere Anteile festzustellen.

V. Werthaltungen älterer Menschen

Tabelle 5: Mitgliedschaften in Vereinen, Bürgerinitiativen und Parteien Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

Seit Anfang der siebziger Jahre kommt der Frage nach den Wertorientierungen in der empirischen Wahlforschung eine besondere Bedeutung zu Unter Bezugnahme auf das Werthierarchie-Modell von Abraham H. Maslow argumentierte man, daß nach der Befriedigung der elementaren Bedürfnisse allmählich sogenannte „materialistische“ Werte durch „postmaterialistische“ ersetzt werden. Beispiele für „materialistische“ Werte sind Fleiß, Disziplin, Pflichterfüllung, Leistungs-bereitschaft, Anpassungsbereitschaft, Bescheidenheit, Pünktlichkeit, Streben nach Karriere und Geld sowie Recht und Ordnung. Unter post-materialistischen Werten versteht man gemeinhin Vorstellungen über Offenheit für neue Ideen, Streben nach individueller Selbstverwirklichung, nach Unabhängigkeit, Freizeitorientierung und nach Toleranz. Der Erfolg der GRÜNEN wird nicht zuletzt auf die stärkere Verbreitung von diesen nicht-materiellen Werten in allen Gruppen, insbesondere bei den jugendlichen Wählern, zurückgeführt

Wie sehen nun die Wertorientierungen der älteren Menschen aus? Um dies zu erfahren, wurden verschiedene Fragen aus einer Wertebatterie zu zwei entgegengesetzten Polen zusammengefaßt. Auf der einen Seite stehen Pflicht-und Akzeptanzwerte bzw. die „materiellen“ Werte. Auf dem Gegenpol stehen „Freiheits-und Entfaltungswerte“ oder „postmaterialistische“ Orientierungen, wie sie oben beschrieben wurden

Die Gesamtübersicht (vgl. Tabelle 10) zeigt, daß sich die überwiegende Mehrheit der Befragten nicht eindeutig in die vorgegebenen Pole einordnen läßt. Insgesamt 83 % besitzen keine eindeutigen „materiellen“ oder „postmateriellen“ Wertorientierungen, d. h., ihr Verhalten ist sowohl an Pflicht-und Akzeptanzwerten als auch an Selbstentfaltungswerten orientiert. Insgesamt haben nur 7 % eine „reine“ Pflicht-und Akzeptanz-orientierung, und der Anteil derer, die eine „reine“ Selbstentfaltungsorientierung haben, beträgt 10 %. Bei den Mischorientierungen betonen 46 % stärker die „Pflicht-und Akzeptanzwerte“ und 38 % stärker die „Entfaltungswerte“.

Bei der Altersdifferenzierung der Befragten fallen die unterschiedlichen Werthaltungen der Generationen ins Auge. Bei den unter 30jährigen sind fast zwei Drittel „eher“ entfaltungsorientiert (46 %) bzw. zeigen eine „reine“ Entfaltungsorientierung (18 %), während bei den über 60jährigen mit 70 % die eher konservativen Werte dominieren. Von ihnen haben 12% eine „reine“ Pflicht-und Akzeptanzorientierung und 59 % sind „eher“ pflicht-und akzeptanzorientiert.

Innerhalb der Befragten der älteren Bevölkerung zeigen sich keine eindeutigen Differenzierungen. Unter den älteren Männern ist die reine Pflicht-und Akzeptanzorientierung stärker ausgeprägt als unter den älteren Frauen. Auch gibt es unter den ältesten der alten Menschen häufiger eine „reine“ Pflicht-und Akzeptanzorientierung (16 %) als unter den 60-bis 64jährigen. Deutliche Unterschiede zeigen sich allerdings zwischen den Parteilagern. Unter älteren Menschen mit einer CDU/CSU-Präferenz und noch deutlicher bei denen mit einer FDP-Präferenz dominieren die Pflicht-und Akzeptanzorientierungen besonders stark. Unter den SPD-Anhängern stehen die Mischorientierungen stärker im Vordergrund, wobei auch hier die „eher“ konservativen Werte überwiegen. In der GRÜNEN-Anhängerschaft dagegen sind 30 % „eher“ entfaltungsorientiert und 41 % haben eine „reine“ Entfaltungsorientierung (vgl. Tabelle 11). Daran zeigt sich, daß die wenigen alten Menschen, die eine Präferenz für die GRÜNEN entwickelt haben, diese kaum aus irgendeiner kurzfristigen Protesthaltung heraus äußern. Vielmehr basiert ihre Haltung offensichtlich auf einer entsprechenden Grundeinstellung

VI. Politische Sachthemen

Tabelle 6: Einstellungen zu Interessengruppen für alte Menschen in den Parteien, Beitrittsbereitschaft und Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit bei alten Menschen (in %) Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, „Altenstudie“, 1983, Archiv-Nr. 8210.

Welche politischen Sachthemen sind aus der Sicht der älteren Bevölkerung vorrangig, welche Erwartungen stellt diese Gruppe an die Politiker? Nimmt man die Reaktionen auf die Frage nach der Wichtigkeit von politischen Aufgaben, dann zeigt sich, daß die älteren Menschen entsprechend ihrer grundsätzlichen Werthaltung deutlich sicherheitsorientierter sind als jüngere Bürger. Die Sicherung des Friedens, der Renten und der Arbeitsplätze, Sicherheit vor Verbrechen und die Preisstabilität stehen in der Rangfolge der Nennungshäufigkeiten obenan. Hier zeigt sich ein sehr entwickeltes Sicherheitsbedürfnis. Bei der jüngeren Generation spielen dagegen Renten, Preisstabilität und Schutz vor Verbrechen eine deutlich geringere Rolle. Dafür hat der Schutz der Umwelt eine weit größere Bedeutung (vgl. Tabelle 12).

Friedenssicherung und Arbeitsplatzsicherung haben über die Altersgruppen hinweg eine gleich hohe Nennungshäufigkeit. Von der Bevölkerung, die 60 Jahre und älter ist, nennen 87 % die Friedenssicherung als wichtigste politische Aufgabe.

In der Generation der unter 30jährigen beträgt der Prozentsatz 88 %. In der jüngsten Altersgruppe nennen 81 % und in der höchsten 82% die Sicherung der Arbeitsplätze als wichtigste politische Aufgabe.

Darüber hinaus zeigen sich jedoch bei anderen Fragen sehr große Einstellungsunterschiede zwischen den Generationen. Während von den Jüngeren nur 58 % die Rentensicherung als eine sehr wichtige Aufgabe ansehen, betrachten 84% der Älteren dies als sehr wichtig. Ein solches Ergebnis kann nicht verwundern, da eine gesicherte Rentenfinanzierung zugleich die Einkommensbasis für die Rentner darstellt, auf der erst eine Lebensplanung vorgenommen werden kann. Entsprechend heben die älteren Menschen im Gegensatz zu den anderen Altersklassen auch stabile wirtschaftliche Verhältnisse als sehr wichtig hervor. Sie bewirken nach ihrem Verständnis Berechenbarkeit. Die ältere Bevölkerung sieht nach den Ergebnissen der zugrundeliegenden Befragung jedoch auch, daß ihr finanzielles Wohlergehen ebenso von anderen Faktoren abhängt. Nach dem erfahrungsbedingten Motto „Eine niedrige Inflationsrate ist die beste Sozialpolitik“ betonen deutlich mehr ältere Menschen, es sei sehr wichtig, die Preise stabil zu halten. Unter den befragten älteren Mitbürgern beträgt die Nennungshäufigkeit hier 68 %, unter den jüngeren nur 40 %. Darüber hinaus ist für die älteren Bürger der Schutz von Leib und Eigentum von besonderer Bedeutung. Die politische Aufgabe, den Bürger wirksamer vor Verbrechen zu schützen, halten 69 % der befragten 60 Jahre alten und älteren Menschen für sehr wichtig. Bei den unter 30jährigen sind es nur 47 %.

VII. Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem

Tabelle 7: Einstellungen zur Demokratie im Altersvergleich (in %) Quelle: Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, Archiv-Nr. 8601.

Ausgangspunkt war die Frage, inwieweit sich unter der älteren Generation ein Protestpotential gebildet hat bzw. bilden könnte. Anhand der erhobenen Daten konnte festgestellt werden, daß man von relativ stabilen Parteibindungen ausgehen muß, die sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg gebildet und gefestigt haben. In bezug auf das Wahlverhalten bedeutet dies, daß bei der älteren Generation immer noch ein „Drei-ParteienSystem“ dominiert, während die jüngere Generation inzwischen von einem „Vier-Parteien-System“ ausgeht.

Wie schätzt man nun unter der älteren Bevölkerung die Entwicklung einer vierten Partei ein? Während nach dieser Untersuchung in der jüngeren Generation 80 % die Tatsache begrüßen, daß die GRÜNEN im Bundestag vertreten sind, und in der mittleren Generation immer noch eine Mehrheit (60 %) diese Meinung teilt, spricht sich unter den Befragten der älteren Generation der überwiegende Teil gegen die GRÜNEN aus (vgl. Tabelle 13). Lediglich 42 % haben dazu eine positive Einstellung. Diese Meinung variiert indessen stark mit der jeweiligen politischen Grundeinstellung. Am positivsten beurteilen diese Entwicklung — wenn man einmal die GRÜNEN-Anhänger außer acht läßt — innerhalb der älteren Generation die Anhänger der SPD (59 %). Auch unter den älteren FDP-Anhängern ist die Zustimmung mit 48 % relativ hoch. Dagegen finden nur 25 % der älteren CDU/CSU-Anhänger es positiv, daß die GRÜNEN im Bundestag vertreten sind. Offensichtlich ist das Erscheinungsbild der GRÜNEN und ihre Politik nicht mit den Grundeinstellungen der älteren CDU/CSU-Anhänger vereinbar, unter denen Pflicht-und Akzeptanzorientierungen besonders häufig anzutreffen sind. Entsprechend werden die GRÜNEN grundsätzlich abgelehnt. Unter SPD-und FDP-Anhängern zeigte sich häufiger eine Entfaltungsorientierung. Entsprechend weniger eindeutig ist dann auch die Ablehnung. Zusammenfassend kann man aus dem erhobenen Datenmaterial folgern, daß die älteren Menschen zu den — politisch gesehen — pflichtbewußten Bürgern gehören, mit starker Milieuverankerung in der Wertgemeinschaft „Kirche“, und in der Ausrichtung auf Pflicht-und Akzeptanzwerte eine konservative Grundeinstellung zeigen. Sie haben außerdem ein großes Vertrauen in den Staat und zeigen Bereitschaft zu mehr Engagement. Obwohl bisher bei jedem Bundestagswahlkampf Rentner-oder Rentenprobleme eine Rolle gespielt haben und dies zu heftigem Streit zwischen den Parteien geführt hat, blieb das im Hinblick auf das Wahlverhalten der Älteren ohne ernsthafte Konsequenzen; ihre Parteibindungen sind weitgehend stabil. Ob das allerdings so bleibt, wenn diejenigen nachrücken, die nicht so stark in den traditionellen Milieus aufgewachsen sind und nur lockere Parteibindungen haben — darauf läßt sich jetzt noch keine schlüssige Antwort geben.

Die hier vorgestellten Daten lassen die Vermutung zu, daß die Lebenszyklusthese, die besagt, daß sich Einschätzungen und Werthaltungen mit Veränderungen der Lebenslage ändern auf absehbare Zeit ihre Geltung behalten wird. Im Alter, so der Eindruck, hat man einen Stand erreicht, den man nicht mehr aufs Spiel setzen möchte. Entsprechend korrespondieren die bewahrenden Grundeinstellungen mit den politischen Einstellungen. Geht man jedoch von der These aus, daß einmal erworbene Grundeinstellungen weitgehend erhalten bleiben, dann müßten sich in den nächsten Jahren deutliche Veränderungen unter der älteren Bevölkerung zeigen, wenn die heute jüngere Generation älter wird. Vermutlich werden sich aber auf dem Hintergrund des sozialen Wandels Veränderungen nur langsam ergeben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe M. Wissmann/R. Hauck (Hrsg.), Jugendprotest im demokratischen Staat, Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, Stuttgart 1983; Infratest Wirtschaftsforschung, Politischer Protest in der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zur sozialempirischen Untersuchung des Extremismus, Stuttgart 1980.

  2. Siehe die Zusammenstellung der Jugendstudien der letzten fünf Jahre bei H. -J. Veen, Lebensperspektiven, Arbeitsorientierungen und politische Kultur Jugendlicher in der Mitte der 80er Jahre, in: R. v. Voss/K. Friederich (Hrsg.), Die Jungwähler. Was sie denken und wie sie entscheiden, Stuttgart 1986, S. 35— 72.

  3. K. J. Does, Die Instabilität politischer Einstellungen Jugendlicher: Ein Problem politischer Sozialisation und Sozialisationsforschung. Eine empirische Studie des Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitutes der Konrad-Adenauer-Stiftung, hektographiertes Manuskript, St. Augustin 1978.

  4. Siehe die Auswahlbibliographie zum Bereich »Organisation*, Partizipation und politisches Verhalten älterer Menschen, in: K. Thewkow, Basisliteratur zur Gerontologie und Altenarbeit — Eine Literaturdokumentation mit Inhaltsangaben und Auswahlbibliographie, Beiträge zur Gerontologie und Altenarbeit, 39, Berlin 1981, S. 100— 109.

  5. K. Hildebrandt/R. J. Dalton, Die neue Politik, in: M. Kaase (Hrsg.), Wahlsoziologie heute. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1976, in: PVS, (1977) 2/3, S. 230— 256.

  6. Vgl. P. Gluchowski, Wahlerfahrung und Parteiidentifikation zur Einbindung von Wählern in das Parteien-system der Bundesrepulbik, in: M. Kaase/H. -D. Klingemann (Hrsg.), Wahlen und politisches System. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1980, Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, Bd. 42, Opladen 1983, S. 442— 447.

  7. Die einzige Untersuchung, die sich ausführlich mit dem politischen Verhalten älterer Menschen auseinandersetzt, stammt nicht aus dem Bereich der Wahlforschung, sondern wurde von einem Institut durchgeführt, das sich überwiegend mit sozialpolitischen Fragestellungen beschäftigt. Diese Studie fragt nach der politischen Partizipation der älteren Generation sowie nach Möglichkeiten der Verbesserung, siehe: W. Plum/E. Schleussner, Das politische Verhalten älterer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, Forschungsbericht des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e. V., Köln 1981.

  8. Siehe Statistisches Jahrbuch 1986, S. 67.

  9. Vgl. M. Miegel, Einheitliche Grundsicherung — Die gesetzliche Altersversorgung der Zukunft: Einführungsreferat auf dem gemeinsamen Symposium des Instituts für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik e. V., Bonn, und der Wochenzeitung DIE ZEIT, Hamburg, am 30. Oktober 1985 im Wissenschaftszentrum Bonn-Bad Godesberg, vervielf. Manuskript, S. 7.

  10. So L. Rosenmayr, zitiert nach dem Kölner Stadtanzeiger vom 28. 10. 1985: Revolution der Alten kann die Welt verändern. Rentenprobleme bedrohen Zusammenleben der Generationen.

  11. Vgl. Statistisches Jahrbuch 1986, »Altersaufbau der Bevölkerung am 31. 12. 1984, S. 63.

  12. Berechnet aus Tabelle 3. 9 . Bevölkerung 1984 nach dem Alter 4, Statistisches Jahrbuch 1986, S. 61.

  13. Siehe F. U. Pappi, Sozialstruktur, gesellschaftliche Wertorientierungen und Wahlabsicht, in: PVS, (1977) 2/3, S. 195 ff.

  14. Siehe E. Scheuch, Politische und demographische Trends, in: H. Rühle/H. -J. Veen/W. F. Hahn (Hrsg.), Der Konservatismus in den Vereinigten Staaten und seine Auswirkungen auf die Atlantische Allianz, Melle 1982, S. 150.

  15. Siehe D. Noetzel, Der Wandel des Wahlverhaltens der Frauen, in: Die Frau in unserer Zeit, (1986) 3, S. 21 ff. Die Wirkungen, die immer noch gelten, sind: l. Je stärker die Kirchenbindung, desto häufiger wird die Union präferiert (S. 21), 2. im industriell-gewerkschaftlichen Milieu wird die SPD bevorzugt (S. 22).

  16. K. F. Becker, Je älter — desto frommer?, in: Evan gelische Impulse, (1979) 3, S. 18.

  17. Statistisches Bundesamt, Repräsentative Bundeswahlstatistiken, Fachserie 1, Heft 4, 1983, S. 20.

  18. Die Wahlbeteiligungsraten in den repräsentativen Bundeswahlstatistiken werden ohne Personen mit Wahlschein ausgewiesen. Das bedeutet, daß darin keine Briefwähler enthalten sind.

  19. Die folgenden Zahlen sind ohne Tabelle.

  20. Zur genaueren Struktur der Vereinsmitgliedschaften siehe H. Metzger/R. Stadie, Altsein — Zwischen Integration und Isolation. Empirische Ergebnisse zur Lebenssituation und Befindlichkeit alter Menschen (in Vorbereitung).

  21. Die Einschränkung »latent* erfolgt deshalb, weil die zugrundeliegenden Zahlen aufgrund von Verhaltensabsichten erhoben wurden. Absichtserklärung und tatsächliches Verhalten müssen nicht unbedingt identisch sein. Aber dennoch stellen die in Tabelle 6 dargestellten Zahlen einen anschaulichen Indikator für die Partizipationsbereitschaft älterer Menschen dar.

  22. Siehe R. Inglehart, The Silent Revolution in Europe, in: American Political Science Review, (1971) Dezember, oder ders., The Silent Revolution: Changing Values and Political Styles among Western Publics, 1977, und K. Hildebrandt/J. D. Dalton, Die neue Politik. Politischer Wandel oder Schönwetterpolitik, in: M. Kaase (Hrsg.), Wahlsoziologie heute. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1976, in: PVS, (1977) 2/3, S. 230— 256.

  23. Vgl. A. H. Maslow, Motivation und Persönlichkeit, Olten 19782. Nach Maslow sind die Bedürfnisse der Menschen hierarchisch gegliedert. Erst mit der relativen Befriedigung von Bedürfnissen der unteren Stufe treten Bedürfnisse auf der nächsthöheren Stufe verstärkt hervor. Das heißt, erst nach einer gewissen Sätti gung materieller Grundbedürfnisse kommen immate rielle bzw. postmaterielle Bedürfnisse zum Tragen.

  24. Siehe H. -J. Veen, Wer wählt grün? Zum Profil der neuen Linken in der Wohlstandsgesellschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 35— 36/84, S. 10.

  25. Die Aufbereitung der Daten und die Etikettierung geht auf K. -H. Dittrich, Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, zurück, dem ich für die freundliche Überlassung der aufbereiteten Daten danke.

  26. Vgl. in diesem Sinne H. -J. Veen (Anm. 25).

  27. H. -J. Veen (Anm. 2), S. 68.

Weitere Inhalte

Rolf Stadie, Dipl. -Kfm., geb. 1948; seit 1975 wiss. Angestellter beim Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin bei Bonn. Veröffentlichungen u. a.: (zusammen mit Klaus Heinemann und Peter Röhrig) Arbeitslose Frauen im Spannungsfeld zwischen Erwerbstätigkeit und Hausfrauenrolle; Melle 1980; (zusammen mit Herbert Metzger) Altsein zwischen Integration und Isolation. Empirische Ergebnisse zur Lebenssituation und Befindlichkeit alter Menschen (erscheint in Kürze).