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Innovationsprobleme und Strukturwandel in der DDR | APuZ 10/1989 | bpb.de

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APuZ 10/1989 Artikel 1 Wirtschaftsbeziehungen DDR-BRD Bestimmungsfaktoren, Tendenzen, Probleme und Perspektiven Die deutsch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen zum Ende der achtziger Jahre Innovationsprobleme und Strukturwandel in der DDR Innovationsprobleme und Strukturwandel in der Bundesrepublik Deutschland

Innovationsprobleme und Strukturwandel in der DDR

Klaus Steinitz

/ 19 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Eine Schlüsselrolle für eine hohe Dynamik und Effektivität des Strukturwandels kommt all den Fragen zu. die mit der Entwicklung der sozialistischen Produktionsverhältnisse, der Nutzung ihrer Vorzüge und Triebkräfte verbunden sind. Grundfragen sind in diesem Zusammenhang die notwendige höhere Flexibilität, kürzere Anpassungszeiten der Produktion an veränderte Bedingungen sowie wesentlich stärkere ökonomische Interessen der Betriebe und Kombinate, veraltete Produktionen cinzustellen und Produktionen mit einem hohen internationalen Neuheitsgehalt aufzunehmen und vorrangig zu entwickeln. Es gilt also vor allem, den Wirtschaftsmechanismus so weiterzuentwickeln, daß er wirksamer als bisher dazu beiträgt, die sozialen Vorzüge des Sozialismus — wie soziale Gerechtigkeit und Sicherheit. Vollbeschäftigung. Planmäßigkeit — mit einer hohen innovativen Dynamik und Flexibilität der Produktionsstrukturen zu verbinden. Hier sei nur auf solche Aufgaben hingewiesen wie die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen zentraler Leitung und Planung und höherer Eigenverantwortung der Betriebe und Kombinate, ferner auf die Beziehungen zwischen Plan und Markt — nicht als einander entgegengesetzte Alternativen, sondern als einander ergänzende Elemente einer effektiven Funktionsweise der sozialistischen Produktion. Dabei geht es nicht primär um die Einschränkung der zentralen Leitung und Planung — obgleich das auch erforderlich sein wird —, sondern vor allem um die stärkere Ausprägung der jeweils spezifischen Funktionen der zentralen staatlichen Leitung und Planung sowie der Wirtschaftssubjekte bei der effektiven Realisierung von Innovations-und Strukturprozessen. Hierzu gehört auch, solche ökonomische Bedingungen zu gestalten, daß die Wirtschaftseinheiten stärker an progressiven Strukturveränderungen interessiert sind. Ausmaß und Tempo ihrer möglichen Durchführung in einem höheren Grad von den Ergebnissen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit abhängen und Bewertung und Auswahl von Varianten der Strukturentwicklung nach objektiven ökonomischen und sozialen Kriterien verbessert werden.

I. Einige Ausgangspunkte

Tabelle 1: (in Prozent, vergleichbare Preise, Basis 1985) Quelle: Statistisches Jahrbuch der DDR 1988. S. 101.

Weltweit gewinnen Fragen des Strukturwandels der Wirtschaft an öffentlichem Interesse. Forschungsarbeiten und Diskussionen zu den hauptsächlichen Richtungen und Zusammenhängen der Struktur-entwicklung treten ebenso mehr in den Vordergrund wie Untersuchungen und Überlegungen zu den zweckmäßigsten Bedingungen für strukturelle Wandlungs-und Anpassungsprozesse sowie zu den Instrumentarien und Methoden ihrer Gestaltung im Interesse der Menschen. Gerade um solche Fragen geht es auch in den Diskussionen, die in den sozialistischen Ländern um die Wege und Richtungen der Umgestaltung oder Weiterentwicklung des Wirtschaftsmechanismus geführt werden.

Tabelle 5: Wachstum, relativer Wachstumskoeffizient und Produktionsvolumen für ausgewählte Erzeugnisse im Zeitraum 1980 bis 1987 (konstante Preise, Basis 1985) Quelle: Berechnet auf Grundlage des Statistischen Jahrbuchs der DDR 1988, S. 147 - 149

Worauf ist dieses zunehmende Interesse an Fragen des Strukturwandels und ihr höherer Stellenwert in den Entwicklungsstrategien der sozialistischen Länder zurückzuführen? Der Grund dieser stärkeren Sensibilisierung des gesellschaftlichen Bewußtseins gegenüber diesen Fragen liegt m. E. vor allem darin, daß die Strukturentwicklung infolge der für die Gegenwart und nächste Zukunft typischen Innovationen durch eine Reihe neuer oder modifizierter Tendenzen und Zusammenhänge charakterisiert wird. Die Innovationen stellen neue Herausforderungen an den ökonomischen Mechanismus des Sozialismus im nationalen und internationalen Maßstab dar und weisen auch eine weit höhere politische, ökonomische. soziale und ökologische Relevanz als früher auf. Die neuen Tendenzen und Zusammenhänge der durch Innovationen stark beeinflußten Strukturentwicklung zeigen sich insbesondere in folgendem:

Tabelle 6: Wachstum ausgewählter makroökonomischer Größen 1970 bis 1987 (vergleichbare Preise, Basis 1985, 1970 = 100) Quelle: Statistisches Jahrbuch der DDR 1988. S. 99. 102. 239.

Einerseits nehmen die Anforderungen an den wissenschaftlich-technischen Vorlauf und Neuheitsgrad, das qualitative Niveau, die Komplexität, Dynamik und Flexibilität struktureller Wandlungsprozesse sowie der Grad ihrer Internationalisierung bedeutend zu. Sie erhalten quantitativ, aber in erster Linie qualitativ neue Dimensionen.

Abb. 1: Innovationen und Strukturwandel

Andererseits wird die Rolle dieser strukturellen Wandlungen für den gesellschaftlichen Fortschritt und die Herausbildung einer neuen Qualität des Wirtschaftswachstums viel größer. Ich denke hier vor allem an die stärkere direkte Abhängigkeit der Bedürfnisentwicklung und -befriedigung sowie der Persönlichkeitsentwicklung, der Erhaltung der natürlichen Umwelt, der Effektivitäts-und Produktivitätsdynamik, der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und damit insgesamt der Reproduktionsfähigkeit und gesellschaftlichen Wirksamkeit des Wachstums von Qualität, Ausmaß und Tempo struktureller Wandlungsprozesse.

Abb. 2: Analyse der Bedingungen der Strukturentwicklung nach verschiedenen Kriterien

Bevor die Beziehungen zwischen Innovationen und Strukturwandel betrachtet werden, möchte ich meine Auffassung zu dem hier behandelten ökonomischen Strukturbegriff knapp skizzieren. Zu der ökonomischen Struktur oder Wirtschaftsstruktur gehört als ihr Kernstück die Produktionsstruktur. Die Wirtschaftsstruktur ist aber weitaus umfassender und vielgestaltiger. Sie umfaßt außer der Struktur der Produktionsergebnisse die Struktur der Produktionsfaktoren (Arbeitskräfte, Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstände), die Aufwands-und Kosten-strukturen der Produktion, die Organisations-und Leistungsstruktur des Reproduktionsprozesses, die Territorialstruktur, die Export-und Importstruktur. die Struktur der Endverwendung — insbesondere nach Investitionen und Konsumtion sowie deren innere Strukturen — und andere Struktur-aspekte. Alle materiellen Strukturen existieren als Einheit stofflich-gebrauchswertmäßiger und wertmäßig-finanzieller Beziehungen. Diese beiden Aspekte sind miteinander eng verflochten und müssen stets in dieser Einheit — natürlich unter Beachtung ihrer Spezifik und relativen Eigenständigkeit — betrachtet, analysiert und gestaltet werden. Zur ökonomischen Struktur gehört natürlich auch als eines ihrer wesentlichen Elemente die soziale und dabei insbesondere die Eigentumsstruktur der Wirtschaft.

Die Veränderung der Produktionsstruktur kann als Kernprozeß der Strukturentwicklung des Reproduktionsprozesses bezeichnet werden, der alle anderen Strukturelemente und -prozesse beeinflußt und durchdringt und der selbst wiederum von deren Entwicklung abhängig ist und wesentliche Impulse erhält. Bei der Produktionsstruktur steht die Struktur der Produktionsergebnisse im Vordergrund, die Vorabdruck aus Heiner Timmermann (Hrsg.), Wirtschaftsordnungen im Dialog — Bundesrepublik Deutschland und Rita Dadder Verlag, Saarbrücken 1989. in den Bereichs-, Zweig-, Erzeugnis-und Leistungsstrukturen des gesellschaftlichen Gesamtprodukts (Bruttoprodukts) bzw.des volkswirtschaftlichen Endproduktes zum Ausdruck kommt. Einen wichtigen Aspekt der heutigen Produktionsstruktur bilden über die Bereichs-und Zweiggruppen hinausgehende Erzeugnissysteme und in sich verflochtene Strukturkomplexe (Energiekomplex, Werkstoff-komplex, Komplexe der Informationstechnik und der Automatisierung, Ernährungskomplex u. a.).

Der vorliegende Beitrag ist auf Fragen des Wandels der Produktions-und dabei vor allem der Ergebnis-strukturen gerichtet.

II. Beziehungen zwischen Innovationen und Wandel der Produktionsstrukturen in der DDR

Tabelle 2: Anteile der Industrie und Landwirtschaft am Nettoprodukt, an den Berufstätigen und den Grundmitteln der produzierenden Bereiche (Anteile in Prozent, vergleichbare Preise, Basis 1985) Quelle: Statistisches Jahrbuch der DDR 1988, S. 19, 101. 107.

Zunächst seien thesenartig einige generelle Überlegungen zu diesen Beziehungen und ihrer Realisierung im Prozeß der intensiv erweiterten Reproduktion in der DDR formuliert.

1. Im Gesamtsystem der Bestimmungsfaktoren der Produktionsstruktur kommt den Innovationen ein herausragender, übergreifender Stellenwert zu. Von den Innovationen, vor allem den Basisinnovationen der wissenschaftlich-technischen Revolution, gehen die langfristig größten und tiefgreifendsten Veränderungen in der Produktionsstruktur aus. bis zur Herausbildung neuer Zweige und Produktionskomplexe sowie prinzipiell veränderter stofflicher, informationeller und wertmäßig-finanzieller Verflechtungsbeziehungen. Auf Grundlage der Innovationen verändern sich auch Art und Weise, Richtungen und Intensität der Einflüsse aller anderen Faktoren — wie Bedürfnisentwicklung, internationale Arbeitsteilung oder verfügbare Naturressourcen — auf die Produktionsstruktur. Die Innovationen sind bestimmend für den Wandel sowohl der Ergebnis-als auch der Faktoren-(Aufwands) strukturen der Produktion. Sie beeinflussen die Art und Weise der Umwandlung der Produktionsfaktoren in Produktionsergebnisse, speziell die dabei realisierten neuen Verflechtungen und die Effektivität dieser Umwandlungsprozesse.

2. Die Entwicklung der Produktionsstruktur wird zunehmend zur Hauptform der Materialisierung der Innovationen. Vor allem durch den Struktur-wandel — durch sein Niveau, Ausmaß, Tempo und seine Proportionalität — wird darüber entschieden, ob und inwieweit die Effektivitätspotentiale der Schlüssel-und Hochtechnologien tatsächlich wirksam werden, das heißt für den ökonomischen und sozialen Fortschritt genutzt werden können. Aus den Innovationsprozessen der achtziger und neunziger Jahre erwachsen zum Teil völlig neue, höhere Maßstäbe an die Qualität der Produktion (exponentielle Zunahme der Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Null-Fehler-Produktion, Qualitätsgarantie der Hersteller, prozeßintegrierte Qualitätssicherung anstelle nachträglicher Qualitätsprüfung) und an den Zeitfaktor bei der Einführung und Ausbreitung neuer Produktionen. 3. Die Hauptrichtung des Strukturwandels in der DDR muß darin bestehen, in allen Zweigen und Produktionsstufen bis hin zu den Finalerzeugnissen eine höhere Veredlung der eingesetzten Rohstoffe und Energieträger und eine damit verbundene höhere, ökonomisch realisierbare Wissenschafts-und Qualifikationsintensität der Produktion vor allem durch die weitere Entwicklung sowie stärkere Nutzung des Bildungs-und Qualifikationspotentials der Menschen zu erreichen. Die Herstellung und das vorrangige Wachstum innovativer, höher veredelter. Wissenschafts-und qualifikationsintensiver Erzeugnisse und Erzeugnissysteme müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, einen höheren Effekt bei der Bedürfnisbefriedigung der Bevölkerung, bei der Anwendung der Produktionsmittel in der eigenen Volkswirtschaft und beim Export zu realisieren. Damit sind sie auch die wichtigste Bedingung, um ein langfristiges Wirtschaftswachstum ohne bzw. bei geringem Mehreinsatz von Energie und Rohstoffen zu erreichen. Dadurch soll der Struktur-wandel auch dazu beitragen, die Umweltbelastungen nicht weiter zu erhöhen und schrittweise zu verringern. 4. Der Strukturwandel durch Innovationen kann nur dann den notwendigen Beitrag zum ökonomischen und sozialen Fortschritt in der DDR hervorrufen, wenn es gelingt, seine verschiedenen Bewe-gungs-und Realisierungsformen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit vorausschauend, planmäßig zu gestalten. Hierzu gehören insbesondere:

— die Herausbildung und vorrangige Entwicklung neuer Produktionszweige und -komplexe, wie Mikroelektronik, Computertechnik, Softwareproduktion, biotechnologische Produktion;

— das Eindringen der Innovationen, der Schlüssel und Hochtechnologien, in die traditionellen, klassischen Zweige (Maschinenbau, Elektrotechnik, Feinmechanik/Optik, Chemie, Metallurgie und auch Leicht-, Textil-und Lebensmittelindustrie), die hierdurch gewissermaßen von innen erneuert und zu wissenschaftsintensiven und zum Teil zu Hochtechnologieproduktionen werden können;

-die Veränderung und Neugestaltung der Verflechtungsbeziehungen zwischen und in den Zweigen einschließlich der Herausbildung neuer Systemlösungen (Mikroelektronik/Informationstechnik/Maschinenbau; neue Werkstoffe/Komplexe der verarbeitenden Industrie) und neuer Formen horizontaler und vertikaler Konzentration und Integration. 5. Der Strukturwandel, insbesondere die Veränderungen der inneren Strukturen der Zweige, kann nicht mehr vorwiegend durch neue Kapazitäten, durch den Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte und materieller Ressourcen vollzogen werden. Er muß weitaus mehr als früher durch strukturelle Veränderungen im Rahmen existierender Kapazitäten, durch Gewinnung bzw. Freisetzung von Arbeitskräften und materiellen Ressourcen in den vorhandenen Betrieben und ihren Wiedereinsatz für neue Aufgaben erreicht werden. Ein Strukturwandel, der nicht über die Erweiterung der Produktionsfaktoren. sondern als integrierter Bestandteil ihrer qualitativen Entwicklung, ihrer intensiv einfachen Reproduktion realisiert wird, gewinnt eine weitaus größere Bedeutung. Daraus folgt aber auch, daß Flexibilität, Disponibilität und Mobilität aller Produktionsfaktoren sowie die Beherrschung des einheitlichen Prozesses von der Einsparung über die reale Freisetzung bis zum effektiven Wiedereinsatz von Arbeitskräften und materiellen Ressourcen einen neuen, höheren Stellenwert erhalten.

Im folgenden soll anhand wichtiger volkswirtschaftlicher Kennziffern eine Übersicht zur bisherigen Entwicklung der Produktionsstruktur der DDR gegeben werden, ohne daß hier eine Analyse der diesen Veränderungen zugrunde liegenden Prozesse vorgenommen werden kann.

III. Einige Tendenzen und Ergebnisse des Strukturwandels der Produktion in der DDR

Tabelle 3: Anteile ausgewählter Industriebereiche an der Bruttoproduktion der Industrie (Anteile in Prozent, vergleichbare Preise, Basis 1985) Quelle: Statistisches Jahrbuch der DDR 1988. S. 22.

In der Tabelle widerspiegeln sich die einschneidenden Veränderungen der Makrostruktur seit 1950. Die Strukturanteile der Industrie haben sich kontinuierlich erhöht, während die der Landwirtschaft beträchtlich zurückgegangen sind, obgleich sie im Zusammenhang mit dem relativ hohen Grad der Eigenversorgung über den Strukturanteilen der Landwirtschaft der Bundesrepublik liegen. Bei einem realen Wachstum des produzierten National-einkommens (entspricht dem Nettoprodukt aller " irtschaftsbereiche) von 1950 bis 1987 auf das 8. 6fache stieg das Nettoprodukt der Industrie und des produzierenden Handwerks auf das llfache und der Land-und Forstwirtschaft auf das 2fache. Die Strukturanteile der materiellen Dienstleistungen (Verkehr, Post-und Fernmeldewesen, Binnenhandel) am Nettoprodukt sind von 1960 bis 1987 von 15, 9 Prozent auf 14, 0 Prozent zurückgegangen und liegen beträchtlich unter den Strukturanteilen der Bundesrepublik.

In den beiden volkswirtschaftlichen Hauptbereichen haben sich die Anteile an der Produktion und an den Faktoren Arbeitskräfte und Grundmittel (Brutto-Anlagenvermögen) differenziert entwikkelt (vgl. Tabelle 2). Während in der Industrie der Anteil des Bruttoanlagenvermögens 1955 und 1970 noch beträchtlich über dem Anteil an der Nettoproduktion lag. hat sich diese Relation bis zum Jahre 1987 umgekehrt. Durch die im Vergleich zu den anderen Wirtschaftsbereichen schnellere Entwicklung der Arbeitsproduktivität hat sich die Differenz zwischen den Strukturanteilen der Industrie am Nettoprodukt und an den Berufstätigen weiter vergrößert. In der Land-und Forstwirtschaft hat sich im Ergebnis eines starken Anstiegs des Brutto-Anlagenvermögens (Erhöhung von 1955 bis 1987 auf das 4, 6fache) der Strukturanteil an diesem Produktionsfaktor relativ beträchtlich erhöht. Er betrug 1950 weniger als 50 Prozent der Strukturanteile am Nettoprodukt und an den Berufstätigen und lag 1987 über diesen Strukturanteilen.

Innerhalb der Industrie haben sich die Strukturanteile der Industriebereiche infolge stark unterschiedlicher Wachstumsraten beträchtlich verändert (vgl. Tabelle 3). Im Zeitraum 1950 bis 1987 (1950 = 100) stieg die Bruttoproduktion der Industrie auf das 12. 2fache, der chemischen Industrie auf das 14. 6fache, des Maschinen-und Fahrzeugbaus auf das 17, 6fache und der Elektrotechnik/Elektronik und des Gerätebaus auf das 50fache.

Wenn vom Zeitraum seit 1970 ausgegangen wird, so haben sich mit Ausnahme des Industriebereichs Elektrotechnik/Elektronik/Gerätebau nur relativ geringe Veränderungen in der Bereichsstruktur der Industrie vollzogen. Eine etwas differenziertere Übersicht zum Wachstum der verschiedenen Industriebereiche im Verhältnis zur Industrie insgesamt wird in der Tabelle 4 gegeben. Innerhalb der Industrie ergeben sich bei einer weiteren Unterteilung der Industriebereiche nach Industriezweigen noch größere Unterschiede in den Wachstumstempi. Die relativen Wachstumskoeffizienten ausgewählter Industriezweige (Zuwachsrate der Industrie = 1) betragen z. B. jeweils in den Zeiträumen 1980 : 1970 und 1987 : 1980 im Werkzeugmaschinenbau 1, 9 und 2, 0, in der elektronischen Industrie 2, 8 und 5, 8 sowie in der Datenverarbeitungs-und Büromaschinenindustrie 2, 4 und 2, 8. Am größten sind die Wachstumsunterschiede, wenn die Mikrostrukturen betrachtet werden. In der Tabelle 5 sind die Wachstumstempi und relativen Wachstumskoeffizienten für einige Erzeugnisse und Erzeugnisgruppen mit einer besonders hohen Dynamik zusammengestellt.

Die hier skizzierten Tendenzen der Strukturentwicklung in der DDR bis 1987 werden auch für die nächsten Jahre charakteristisch sein. Hier sollen nur noch einige Aufgaben des Fünfjahrplans der DDR für den Zeitraum 1986 bis 1990 zur Materialisierung der Schlüsseltechnologien in einer modernen Produktionsstruktur hervorgehoben werden.

— Erhöhung des Automatisierungsniveaus der Produktion durch den Einsatz von 85 000— 90 000 CAD/CAM-Arbeitsstationen, 70 000— 80 000 Industrierobotern, 95 komplexen Automatisierungsvorhaben; in der metallverarbeitenden Industrie soll der Anteil des automatisiert gefertigten Produktionsvolumens bis 1990 auf 300 Prozent erhöht werden; der Anteil der Maschinen und Ausrüstungen der Mikroelektronik an der Gesamtproduktion dieser Maschinen, der 1985 bei Plast-und Elastverarbeitungsmaschinen, spanabhebenden Werkzeugmaschinen, polygraphischen Maschinen und Textilmaschinen zwischen 45 Prozent und 75 Prozent lag, soll weiter erhöht werden. — Auf dem Gebiet der Biotechnologie sollen neue Diagnostika und Pharmaka, Enzyme u. a. entwikkelt und in die Produktion übergeleitet werden. Die biotechnologische Produktion soll 1990 gegenüber 1985 auf 300 ansteigen. — In der Chemie, Metallurgie, Glas-und keramischen Industrie steht die weitere Erhöhung des Anteils höher veredelter Erzeugnisse, und dabei speziell die Entwicklung und Produktion neuer Werkstoffe mit speziellen Eigenschaften, im Vordergrund. — Bei der Strukturentwicklung der Konsumgüter-produktion geht es u. a. um die beschleunigte Erhöhung des Neuheitsgrades, der Qualität und des Veredlungsgrades sowie um weitere Strukturveränderungen zugunsten hochwertiger elektronischer Konsumgüter. — In allen Zweigen und Bereichen steht die Aufgabe, die Struktur der Produktionsergebnisse und der technologischen Basis durch Beschleunigung der Innovationsprozesse weiter zu vervollkommnen. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Entwicklung umweltschonender Technologien, die verstärkte Erfassung und Verwertung von Sekundär-rohstoffen und industriellen Abprodukten, die letztlich auf die Herausbildung relativ geschlossener Rohstoffkreisläufe gerichtet sind.

IV. Wertung des bisherigen Strukturwandels durch Innovationen in der DDR: Probleme und Konsequenzen

Tabelle 4: Wachstum und relativer Wachstumskoeffizient der industriellen Bruttoproduktion der Industriebereiche (vergleichbare Preise, Basis 1985) Quelle: Berechnet auf Grundlage des Statistischen Jahrbuches der DDR 1988, S. 21 f.

Natürlich kann es hier nicht um eine umfassende Wertung des bisherigen Strukturwandels im Zusammenhang mit Innovationen gehen, sondern nur darum, hierfür einige relevante Aspekte hervorzuheben. Der Strukturwandel in der DDR beruhte in den letzten Jahren in wachsendem Maße auf Basis-innovationen zur Einführung und Anwendung der Mikroelektronik, Informationstechnik, flexibler Automatisierung, neuer Verfahren der Energie-und Materialökonomie sowie der chemischen Veredelung. Die davon ausgehenden Richtungen des Strukturwandels in der Industrie der DDR stimmen weitgehend mit internationalen Entwicklungstendenzen überein.

Die tatsächlich vollzogenen Veränderungen in der Produktionsstruktur seit Mitte der siebziger Jahre waren eine notwendige Bedingung dafür, daß es trotz einschneidender Veränderungen in den Reproduktionsbedingungen möglich war, ein stabiles Wirtschaftswachstum — in den Jahren 1980 bis 1985 bei absolut geringerem Energie-und Rohstoff-einsatz —, eine Erhöhung des Lebensniveaus der Bevölkerung und eine dynamische Exportentwicklung zu erreichen (vgl. Tabelle 6).

Wenn die bisherigen Ergebnisse der Strukturentwicklung und die zukünftigen neuen Herausforderungen an den Strukturwandel bewertet werden, so kann nicht dabei stehengeblieben werden, das Ausmaß der Materialisierung der Schlüssel-und Hochtechnologien in neuen Komplexen oder Elementen der Produktionsstruktur und die Veränderung der Anteile der verschiedenen Bereiche, Zweige und Erzeugnisse zu konstatieren. Es geht vor allem um die ökonomischen und sozialen Wirkungen der Strukturentwicklung, um ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Fortschritt. In der DDR geht es darum, den Strukturwandel so zu beherrschen, daß er zum Wohle der Menschen erfolgt, und zwar nicht nur eines Teils der Bevölkerung, sondern jedes Individuums, aller Mitglieder der Gesellschaft.

Aus dem gesellschaftlichen System, den Eigentumsverhältnissen in der DDR ergibt sich, daß bei allen Wandlungsprozessen der Struktur die Aufgabe gelöst werden muß, wissenschaftlich-technischen in sozialen Fortschritt für alle umzusetzen. Dieserobjektiv begründete soziale Anspruch impliziert. daß grundsätzlich niemand aus diesem Prozeß ausgeschlossen oder ausgegrenzt wird, aber ebenso, daß bei der gegebenen Stufe der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Produktion die Art und der Umfang, in dem jedes Mitglied der Gesellschaft an den Ergebnissen beteiligt wird, ungleich sind. In Abhängigkeit von der realen Leistung für den wissenschaftlich-technischen und ökonomischen Fortschritt sollen auch die Verbesserungen in den Konsumtionsbedingungen für jeden einzelnen differenziert werden. Das schließt ein. die Grundrechte auf Arbeit, Bildung, gesundheitliche Betreuung u. a. für alle zu sichern und weiter zu verbessern und zugleich die Einkommen und das reale Konsumtionsniveau entsprechend dem Leistungsprinzip stärker zu differenzieren.

Die recht umfassenden strukturellen Wandlungsprozesse konnten in der DDR ohne Strukturkrisen bei sozialer Sicherheit und Vollbeschäftigung erreicht werden. Das heißt aber auf keinen Fall, daß damit schon die sehr komplizierten und oft widersprüchlichen sozialen Herausforderungen des Strukturwandels infolge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts gelöst wären. Das zeigen auch die Diskussionen, die in einigen sozialistischen Ländern um eine zeitweilige, begrenzte Arbeitslosigkeit oder um den Inhalt sozialer Sicherheit geführt werden. Wie die sozialen Herausforderungen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und Strukturwandels vor allem hinsichtlich sozialer Sicherheit. Vollbeschäftigung und ökologischem Gleichgewicht in kapitalistischen und sozialistischen Ländern bewältigt werden, davon werden Inhalt und Ergebnisse der friedlichen Auseinandersetzung der beiden Gesellschaftssysteme zukünftig immer mehr geprägt werden.

Aus einer kritischen Analyse und Bewertung der strukturellen Wandlungen in der DDR ergibt sich, daß deren internationaler Neuheitsgrad, Tempo und Komplexität zu einem beträchtlichen Teil noch nicht ausreichen, um die Effektivitätspotentiale der Innovationen umfassend zu nutzen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Bei einem Vergleich der DDR mit den fortgeschrittenen westlichen Industriestaaten zeigt sich, daß die nationalen Aufwendungen besonders auf den innovativen Gebieten der high-tech-Produktionen häufig zu hoch sind und nicht voll auf den internationalen Märkten realisiert werden können. Die Dynamik, mit der die Aufwendungen je Leistungs-oder Gebrauchswerteinheit gesenkt werden, ist, wenn von internationalen Maßstäben ausgegangen wird, noch zu gering. Rückstände gegenüber dem international fortgeschrittenen Stand bestehen u. a. darin, daß die Innovationen oft noch mit einer zu großen zeitlichen Verzögerung in neuen Produktionsstrukturen wirksam werden, Anwendungsbreite und Ausbreitungsgeschwindigkeit der neuen Strukturelemente zu einem beträchtlichen Teil noch nicht den internationalen Maßstäben entsprechen und ihre Wirksamkeit für die Herstellung neuer Konsumgüter und Dienstleistungen für die Bevölkerung noch nicht ausreicht.

Bei Strukturveränderungen bestehen oft Schwierigkeiten, die vielfältigen Verflechtungen zu den vorgelagerten Stufen und zu den Anwendern quantitativ, besonders aber auf dem notwendigen hohen qualitativen Niveau zu sichern. Ein Grundproblem besteht darin, daß es wesentlich besser als bisher gelingen muß, Strukturveränderungen der Produktion zugunsten wissenschaftsintensiver, höher veredelter Erzeugnisse in den Exportstrukturen gegenüber der BRD und anderen kapitalistischen Industrieländern wirksam werden zu lassen.

Ein Hauptproblem, das die Strukturentwicklung in der DDR sehr stark beeinflußt, besteht in dem im Verhältnis zur Größe der Volkswirtschaft und den verfügbaren Ressourcen sehr breiten Produktionsprofil besonders bei den innovativen neuen Produktionen. die hohe, weit überdurchschnittliche spezifische Forschungs-und Entwicklungs-sowie Investitionsleistungen verlangen. Aus dem im Verhältnis zur Bundesrepublik und den anderen westlichen Industriestaaten wesentlich ungünstigeren Verhältnis zwischen verfügbaren wissenschaftlich-technischen und ökonomischen Ressourcen einerseits und der Breite und Vielfalt des besonders in den Zweigen der Hochtechnologie in hohem Tempo zu erneuernden Produktionsprogramms andererseits ergeben sich vor allem zwei die Effektivitätsdynamik und internationale Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussende Faktoren:

Erstens ein ständiger tiefer Widerspruch zwischen den verfügbaren Innovationsressourcen und den damit zu bewältigenden vielfältigen und komplexen Strukturprozessen. Da mit den verfügbaren Ressourcen nicht alle notwendigen Aufgaben gleichzeitig gelöst werden können, resultieren hieraus gegenüber der internationalen Entwicklung Zeit-und Qualitätsrückstände, Probleme in der Beherrschung der Komplexität der Innovationen und auch Disproportionen in der materiell-technischen Basis, die sich natürlich auf Effektivität und Exportfähigkeit auswirken.

Zweitens eine auf die hohen Vorleistungen in Forschung und Entwicklung bezogene zu geringe Produktion (Stückzahl, Volumen), die zu höheren Aufwendungen je Einheit des Produktionsergebnisses führt und Schwierigkeiten bei der Reproduktion der notwendigen Vorleistungen für die folgenden Innovationen („neue Generationen“) hervorrufen kann. Diese Probleme sind auch eine Folge des noch nicht befriedigenden Standes der Integration im RGW, der internationalen Zusammenarbeit. Spezialisierung und Kooperation der sozialistischen Länder besonders bei den Hochtechnologieproduktionen. Wenn ein Vergleich der DDR mit der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen wird, so kommt noch hinzu, daß die westlichen Konzerne die Möglichkeit haben, und sie auch sehr stark nutzen, Vereinbarungen zur gemeinsamen Forschung und Entwicklung mit den auf den jeweiligen Gebieten führenden oder zumindest vordere Plätze einnehmenden Unternehmen abzuschließen oder mit ihnen teilweise vollständig zu fusionieren. Sie sind auch nicht mit den Embargobestimmungen des Cocom konfrontiert. Sie können in der Regel das für high-tech-Produkte erforderliche know-how sowie die notwendigen Zulieferungen von den im internationalen Maßstab jeweils leistungsfähigsten bzw. für sie günstigsten Unternehmen beziehen. Diese Faktoren führen zu einer realen Ungleichheit in den internationalen Wettbewerbsbedingungen insbesondere bei den high-tech-Produktionen zwischen den Konzernen und Unternehmen der BRD und den Kombinaten und Betrieben der DDR. Sie wirken sich auf die Höhe desje Einheit der Produktion erforderlichen Ressourceneinsatzes sowie auf das Innovationstempo und zum Teil auch auf das qualitative Niveau der neuen Produktionskomplexe mit ihren vielfältigen Verflechtungsbeziehungen aus.

Ohne diese ungünstigen ökonomischen Bedingungen zu berücksichtigen, kann m. E. keine objektive, realistische Bewertung der Beziehungen zwischen Innovationen und dem Strukturwandel in der DDR — insbesondere auf solchen Gebieten wie Mikroelektronik, Informationstechnik, neue Werkstoffe, Biotechnologie — vorgenommen werden. Dies gilt insbesondere für den in den letzten zehn Jahren in der DDR erreichten Aufbau leistungsfähiger Forschungs-und Entwicklungs-sowie Produktionskapazitäten der mikroelektronischenIndustrie mit der Serienproduktion von Computern mit Mikroprozessoren von 8— 32 bit und der Entwicklung des 1-Megabit-Speicherschaltkreises im Jahre 1988.

Ein weiterer wesentlicher Umstand, der die Möglichkeiten für Umfang und Tempo progressiver Strukturveränderungen ebenfalls begrenzt, ergibt sich aus der starken Konzentration der Investitionen auf die Sicherung der Energie-und Rohstoff-B basis bei zunehmender Nutzung einheimischer Vorkommen. Für die Zweige der Energie-. Rohstoff-und Materialbasis werden mit über 60 Prozent der Industrieinvestitionen in der DDR weit höhere Anteile eingesetzt als in der BRD. Damit im Zusammenhang war und ist der Anteil der Zweige des Maschinenbaus, der Elektrotechnik und der Elektronik. die die materiellen Grundlagen für den Strukturwandel in der gesamten Volkswirtschaft schaffen, an den Investitionen der Industrie beträchtlich geringer als in der BRD. Hinzu kommt, daß die Investitionen der Volkswirtschaft in den Jahren 1982 bis 1985 unter dem absoluten Niveau des Jahres 1980 lagen.

Es wäre aber einseitig und vereinfacht, alle Probleme des Strukturwandels in der DDR mit diesen Unterschieden in den internationalen Bedingungen, in der Investitionsstruktur und anderen objektiven Faktoren zu begründen. Eine Schlüsselrolle für eine hohe Dynamik und Effektivität des Strukturwandels kommt all den Fragen zu, die mit der Entwicklung der sozialistischen Produktionsverhältnisse, der Nutzung ihrer Vorzüge und Triebkräfte verbunden sind. Die hier existierenden Probleme. speziell die noch nicht befriedigend gelösten Fragen des Wirtschaftsmechanismus, sind natürlich bei der Erklärung von Rückständen im Tempo und der Effektivität der Strukturprozesse zu berücksichtigen. Grundfragen sind in diesem Zusammenhang m. E. die notwendige höhere Flexibilität oder kürzere Anpassungszeiten der Produktion an veränderte Bedingungen und wesentlich stärkere ökonomische Interessen der Betriebe und Kombinate, veraltete Produktionen einzustellen und Produktionen mit einem hohen internationalen Neuheitsgehalt aufzunehmen und vorrangig zu entwickeln.

Aus diesen Problemen ergeben sich Schlußfolgerangen für die Weiterentwicklung und bessere Beherrschung der Beziehungen zwischen Innovationen und Strukturwandel im Interesse des Ziels der sozialistischen Produktion:

Erstens gilt es, den Wirtschaftsmechanismus so weiterzuentwickeln, daß er weitaus wirksamer als bisher dazu beiträgt, die sozialen Vorzüge des Sozialismus — wie soziale Gerechtigkeit und Sicherheit, Vollbeschäftigung, Planmäßigkeit — mit einer hohen innovativen Dynamik und Flexibilität der Produktionsstrukturen zu verbinden. Hier soll nur auf solche Aufgaben hingewiesen werden wie die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen zentraler Leitung und Planung und höherer Eigenverantwortung der Betriebe und Kombinate, ferner zwischen Plan und Markt, nicht als einander entgegengesetzte Alternativen, sondern als einander ergänzende notwendige Elemente einer effektiven Funktionsweise der sozialistischen Produktion.

Das heißt, es geht nicht primär um die Einschränkung der zentralen Leitung und Planung, u. a.des Umfangs der Plankennziffem — obgleich das auch erforderlich sein wird —, sondern vor allem um die stärkere Ausprägung der jeweils spezifischen Funktionen der zentralen staatlichen Leitung und Planung und der Wirtschaftssubjekte bei der effektiven Realisierung von Innovations-und Strukturprozessen. Das bedeutet eine Präzisierung und neue Ausgestaltung der Funktionen einer zentralen staatlichen Strukturpolitik. Sie muß unter den Bedingungen eines höheren Stellenwerts innovativer Suchprozesse auf der Mikroebene, einer höheren Eigenverantwortung und eines größeren ökonomischen Spielraums der Kombinate und Betriebe für die Weiterentwicklung ihrer konkreten Produktionsund Exportstrukturen vor allem darauf gerichtet sein, die hierfür günstigsten, langfristigen, stabilen volkswirtschaftlichen Bedingungen — Preise. Normative der Bildung und Verwendung betrieblicher Fonds, Kredit-und Zinspolitik, Steuern — zu sichern.

Hierzu gehört auch, solche ökonomischen Bedingungen zu gestalten, daß die Wirtschaftseinheiten stärker an progressiven Strukturveränderungen interessiert sind, Ausmaß und Tempo ihrer möglichen Durchführung in einem höheren Grad von den Ergebnissen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit abhängen sowie die Bewertung und Auswahl von Varianten der Strukturentwicklung nach objektiven ökonomischen und sozialen Kriterien verbessert wird. In der DDR wird die weitere Ausgestaltung und umfassende Anwendung des Prinzips der Eigenerwirtschaftung der Mittel durch die Kombinate und Betriebe als Hauptweg gegangen, um diese Bedingungen zu schaffen.

Ein grundlegender Bestandteil aller Überlegungen zur Weiterentwicklung des Wirtschaftsmechanismus muß darin bestehen, die Bedingungen dafür weiterzuentwickeln, daß die Werktätigen wirksamer in den demokratischen Entscheidungsprozeß zur Vorbereitung von Strukturveränderungen einbezogen werden und von vornherein die sozialen Erfordernisse als wichtige Ausgangspunkte zu berücksichtigen und die sozialen Wirkungen im Interesse der Menschen noch besser zu beherrschen sind.

Zweitens ist es erforderlich, die Qualität der langfristig-strategischen Arbeit auf allen Ebenen zu erhöhen. Zu den Aufgaben der zentralen staatlichen Strukturpolitik gehört, die für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wichtigen strategischen Prioritäten und Richtungen der Strukturentwicklung zu be37 stimmen und durch Konzentration der erforderlichen Ressourcen durchzusetzen.

Drittens ist es notwendig, die wissenschaftlich-technischen. Bildungs-und Qualifikations-sowie ökonomischen Voraussetzungen für den Strukturwandel entsprechend den neuen Maßstäben zu gestalten und auf einem stets höheren Niveau zu reproduzieren. Die ökonomische Wirksamkeit des Strukturwandels wird letztlich von der Bildung und Qualifikation der Menschen, von ihrem schöpferischen Potential und ihrer Motivation zu dessen Nutzung in der Forschung und Entwicklung sowie bei der Überleitung der Innovationen in die Produktion bestimmt. Wenn Forschungs-und Entwicklungsergebnisse mit einem hohen Neuheitsgrad vorliegen, so wird der durch ihre Nutzung erzielbare Nutzen sehr stark davon bestimmt, daß die für eine breite und rasche Anwendung notwendigen Investitionen im Hinblick auf Umfang, materiell-technische Struktur und technologisches Niveau erwirtschaftet und verfügbar werden.

Viertens ist die Herausbildung einer höheren Qualität der internationalen sozialistischen Zusammenarbeit im RGW auf dem Gebiet der Schlüsseltechnologien eine unerläßliche Bedingung, um Rückstände im Tempo und Niveau des Strukturwandels nicht noch größer werden zu lassen, sondern sie auf wichtigen Gebieten einzuschränken, und die ökonomische und soziale Effektivität struktureller Veränderungen zu erhöhen. Höhere, am internationalen Stand gemessene Innovationsbeiträge der sozialistischen Länder sowie die rationellere Gestaltung der Integrationsprozesse im RGW zur Beschleunigung des Strukturwandels sind auch wichtige Bedin-gungen dafür, daß sich die Mitgliedsländer des RGW verstärkt und zu gegenseitigem Vorteil an weltwirtschaftlichen Prozessen der Arbeitsteilung, der Innovationen und des Technologietransfers beteiligen.

Abschließend soll anhand von zwei Abbildungen eine Übersicht über wichtige Bedingungen, Faktoren und Ergebnisse der Strukturentwicklung gegeben werden. In der Abbildung 1 wird gezeigt, wie die Bedingungen der Strukturentwicklung über eine Reihe von Faktoren die sozialökonomischen Ergebnisse des Strukturwandels bestimmen. Dabei wirken größtenteils alle Bedingungen in der einen oder anderen Weise auf die Faktoren der Struktur-entwicklung ein. So sind z. B.der Zeitfaktor der Einführung und Diffusion von Innovationen ebenso wie die Qualität der neuen Produktionen sowohl von der Strategie wie vom Wirtschaftsmechanismus.dem Innovationspotential und der internationalen Arbeitsteilung abhängig. Auch die einzelnen Ergebnisse des Strukturwandels werden jeweils von der Gesamtheit der Faktoren, von der Komplexität und Verflechtung ihrer Wirkungen bestimmt.

Diese schematische Darstellung wichtiger Seiten der Strukturentwicklung bietet einen geeigneten Rahmen, um den bisher erreichten Stand, die Resultate, Probleme und Schwachpunkte sowie Reserven zu diskutieren. Bei den Ergebnissen der Strukturentwicklung müssen die differenzierten und zum Teil recht widersprüchlichen kurz-und langfristigen Wirkungen z. B. solcher Kriterien wie Gleichgewicht/Proportionalität und Reproduktionsfähigkeit besonders beachtet werden. Diese Ergebniskriterien geben auch Ansatzpunkte, um die unterschiedlichen Wirkungen des Strukturwandels unter kapitalistischen und sozialistischen Bedingungen zu charakterisieren. Diese Zusammenstellung der verschiedenen Ergebniskriterien soll auch deutlich machen, daß der Strukturwandel nicht nach einzelnen Ergebnissen, sondern möglichst komplex bewertet werden muß. In der Abbildung 2 werden die Bedingungen der Strukturentwicklung nach verschiedenen Kriterien etwas näher betrachtet. Mit den unter A angeführten Beziehungen soll hervorgehoben werden, daß alle vier Bedingungen für eine effektive Strukturentwicklung notwendig sind, daß sie sich gegenseitig ergänzen und nicht austauschbar sind. So können z. B. unrealistische Strukturentscheidungen ebensowenig durch eine hohe Motivation an Innovationen ausgeglichen werden, wie es möglich ist, einen uneffektiven Wirtschaftsmechanismus durch einen Mehreinsatz an Investitionen zu ersetzen.

Die unter B enthaltenen Fragen könnten skizzenhaft wie folgt beantwortet werden: eine quantitative Bestimmung des Einflusses der verschiedenen Bedingungen ist m. E. nicht möglich; das schließt jedoch nicht aus. daß es eine bestimmte Reihenfolge in ihrer Bedeutung geben kann. Der Stellenwert der verschiedenen Bedingungen kann sich mit der Zeit verändern, wobei in der Gegenwart und nächsten Zukunft, der Weiterentwicklung des Wirtschaftsmechanismus und der internationalen Arbeitsteilung eine dominierende Rolle zukommt. Die unter C angeführten Richtungen der weiteren Gestaltung dieser Bedingungen sollen die Frage beantworten, ob es vorwiegend um ihre Verstärkung, Qualifizierung und Vervollkommnung geht oder um tiefgreifende Veränderungen und Entwicklungsprozesse.

Der eigentliche Zweck dieser schematischen Über-sichten besteht weniger darin, die aufgeworfenen Fragen definitiv zu beantworten, als einen Rahmen für die Diskussion einiger mit der Strukturentwicklung verbundenen Probleme zu geben.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Klaus Steinitz, Dr. oec. habil., geb. 1932; Professor; seit 1980 stellvertretender Direktor des Zentral-instituts für Wirtschaftswissenschaften an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Veröffentlichungen u. a.: Neue Bedingungen des Wirtschaftswachstums in den 80er Jahren, Berlin 1982; (Mitherausgeber) Schlüsseltechnologie Mikroelektronik, Berlin 1985; (Mitautor) Umfassende Intensivierung und Reproduktionstheorie (Herausgeber W. Heinrichs), Berlin 1987; (Mitautor) Technologien im Umbruch (Herausgeber W. Sydow), Berlin 1988; (Herausgeber) Entwicklung der Produktionsstruktur und Intensivierung. Berlin 1989.