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Innovationsprobleme und Strukturwandel in der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 10/1989 | bpb.de

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APuZ 10/1989 Artikel 1 Wirtschaftsbeziehungen DDR-BRD Bestimmungsfaktoren, Tendenzen, Probleme und Perspektiven Die deutsch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen zum Ende der achtziger Jahre Innovationsprobleme und Strukturwandel in der DDR Innovationsprobleme und Strukturwandel in der Bundesrepublik Deutschland

Innovationsprobleme und Strukturwandel in der Bundesrepublik Deutschland

Frank Stille

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Innovationen erhöhen die Effizienz der Produktion, führen zu neuen Produkten bzw. Produktionsprozessen und steigern die Realeinkommen. Gleichzeitig führen die für einzelne Wirtschaftszweige unterschiedlich bedeutsamen Innovationen zu Strukturverschiebungen bei Preisen. Gewinnen und Entlohnung. Investitionen und Beschäftigung. Strukturwandel ist also Voraussetzung und Folge von Innovationen. Als Ausschnitt hieraus wird hier vor allem die Hervorbringung und Verbreitung von neuen Technologien in der Bundesrepublik Deutschland betrachtet; deren Verbindung zu sozialen und institutioneilen Innovationen ist dennoch hervorzuheben. So beziehen sich Innovationsprobleme auch auf den Bereich von Bildung und Ausbildung, auf die staatliche Unterstützung von Forschung und Entwicklung, auf die Größen-struktur und die Organisationsprozesse innovierender Unternehmen sowie auf die vorhandenen Potentiale. Informationen über neue Technologien zu verbreiten bzw. auf breiter Basis aufzunehmen. Ein hoher Ausbildungsstandard der Beschäftigten sowie technische Innovationen und ihre Umsetzung in Produkte und Produktionsprozesse sind für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend; nach vielen empirischen Anhaltspunkten schneidet die Bundesrepublik hier im Vergleich zu den meisten Konkurrenten gut ab. Die Handelsüberschüsse der Bundesrepublik haben in jüngster Zeit immer mehr zugenommen und geben mittlerweile in bezug auf die Konsequenzen hoher und anhaltender weltwirtschaftlicher Ungleich-gewichte zu Besorgnis Anlaß. Dieser von technischen Innovationen und hoher internationaler Wettbewerbsfähigkeit geprägte Struktur-wandel zeigt nach wie vor ungelöste Innovationsprobleme: Diese betreffen zum einen überfällige Innovationen im Bereich des vorbeugenden Umweltschutzes, zum anderen Innovationen bei der Verteilung der Lasten sowie der Einkommen von Erwerbsarbeit. Die binncnwirtschaftliche Unterstützung der erzielten und erzielbaren Steigerungen des Lebensstandards aufgrund der hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist in einem umfassenden Sinne nicht befriedigend gelungen.

I. Vorbemerkungen

Tabelle 1: Produktionswerte (in jeweiligen Preisen) Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.

Wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Wandel bedingen sich wechselseitig. Einen Ausschnitt hieraus stellt der Zusammenhang von Innovationen und wirtschaftlichem Strukturwandel dar. Eine nicht-stationäre Wirtschaftsentwicklung mit Innovationen ist im allgemeinen gleichbedeutend mit einer Veränderung wirtschaftlicher Strukturen. Struktur-wandel kann sich auf sehr unterschiedliche Sachverhalte beziehen. Zu nennen sind vor allem die Veränderung der Produktionsstruktur — die Einsatz-und Organisationsstruktur von Arbeit und Kapital die Veränderung der hergestellten Güter (Waren und Dienstleistungen) sowie die Veränderung von Niveaus und Strukturen der Einkommen und der Nachfrage (private und öffentliche Haushalte, Inland und Ausland u. a.).

Das „Produkt“ einer Volkswirtschaft nimmt im Zeitverlauf zu, wenn Quantität oder Qualität der zur Erstellung des Produktes eingesetzten Produktionsmittel („Produktionsfaktoren“) steigen. Die verfügbaren Mengen an Arbeit und Kapital einer Volkswirtschaft hängen u. a. davon ab, wie groß dasEnverbspersonenpotential ist und wieviel Anlagen zu Produktionszwecken (rentabel) zur Verfügung stehen, d. h. wieviel in der Vergangenheit in Produktionsmittel investiert worden und zu einem bestimmten Zeitpunkt noch vorhanden und ökonomisch rentabel nutzbar ist. Dies wird u. a. durch das Verhältnis von Konsum und Sparen in einer Volkswirtschaft bestimmt, während das Erwerbspersonenpotential von der Bevölkerungszahl und Alters-struktur sowie dem Erwerbsverhalten der Bevölkerung und dieses wiederum von einer Vielzahl sozialer, kultureller und ökonomischer Faktoren abhängt. Hinzu kommen internationale Bewegungen bei Kapital und Arbeit.

Neben der Quantität sind die Qualität der eingesetzten Produktionsfaktoren sowie die Effizienz der Umsetzung von Inputs in Output von entscheidender Bedeutung für das Produktionsergebnis. Dieser Sachverhalt wird in den Wirtschaftswissenschaften mit dem „technischen Fortschritt“ oder dem technischen Wandel umschrieben, der — an die Produktionsfaktoren gebunden oder eigenständig — unterschiedliche Auswirkungen auf Wachstum und Verteilung haben kann

Innovationen lassen sich als Ergebnisse des technischen Wandels beschreiben. Damit wird der Zusammenhang von Innovationen und Strukturwandel deutlich: Innovationen erhöhen die Effizienz der Produktion und/oder führen zu neuen Produkten und/oder Produktionsprozessen; die gleichzeitig steigende Arbeitsproduktivität bedeutet zumeist steigende Realeinkommen, wobei sich Güter-preise, Gewinne und Entlohnung, Investitionen und Beschäftigung in den einzelnen Wirtschaftszweigen unterschiedlich entwickeln, da die Bedeutung der Innovationen nicht in allen Wirtschaftszweigen gleich ist.

In den Wirtschaftswissenschaften werden Innovationen überwiegend als wirtschaftliche Anwendungen von Erfindungen betrachtet. So sind beispielsweise für Schumpeter neue Güter, neue Produktionsprozesse. neue Märkte, aber auch neue Organisationsformen Innovationen Zweifellos haben sie aber eine über den wirtschaftlichen Bereich und ihre Prozeß-und Ergebnisorientierung hinausgehende Bedeutung. Der Innovationsprozeß im weiteren Sinne ist als Erneuerungsprozeß auf verschiedenen Ebenen, so auch auf der Ebene der Gesellschaft und der Institutionen, zu verstehen.

Vorabdruck aus Heiner Timmermann (Hrsg.), Wirtschaftsordnungen im Dialog — Bundesrepublik Deutschland und bDR, Rita Dadder Verlag, Saarbrücken 1989.

II. Innovationen und Innovationsprobleme

Tabelle 2: Erwerbstätige Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

1. Entstehung und Verbreitung von Innovationen Mehr als die Wirkungen des technischen Fortschritts interessieren also vor allem die Probleme der Hervorbringung neuen wirtschaftlich verwertbaren Wissens. Neben dem „autonomen“, eher zufälligen technischen Fortschritt gerät deshalb der durch die Investitionsgüternachfrage durch die gestiegenen Einkommen oder durch gezielte Forschung und Entwicklung (FuE) induzierte technische Fortschritt in den Vordergrund. Erfindergeist und die Fähigkeit. Neuerungen aufzunehmen, sind ebenso zu berücksichtigen wie Lernprozesse aufgrund vorangegangener Erfahrungen (learning by doing)

Angesichts vielfältiger Rückwirkungen von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung auf den technischen Fortschritt und damit auf die Innovationen hat sich eine Sichtweise als anschaulich herausgeschält und verfestigt: Je mehr Forschung. Erfindungen und Entwicklungen bis hin zur Anwendungsreife, um so größer ist das Wachstums-und Wohlstandspotential einer Volkswirtschaft. Der Strukturwandel ist um so ausgeprägter, je grundlegender die Erfindungen und die darauf aufbauenden ökonomisch-technischen Entwicklungspotentiale sind. Neben Basisinnovationen — wie die Dampfmaschine (Eisenbahn) — haben aber auch Innovationen, die nicht so breit wirken — wie Chemiefasern —, und wiederum solche, die Verbesserungen bestehender Produkte und Produktionsprozesse betreffen, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Strukturwandel.

Zweifellos sind heute noch immer Anwendungen bahnbrechender älterer Erfindungen (Elektrizität. Chemie) in vielen Volkswirtschaften wirksam. Rechner-und Nachrichtentechniken. Meß-und Handhabungstechniken. Weltraum-und Luftfahrt-techniken haben, z. T. auch im Zusammenhang mit der Rüstungswirtschaft, einen erheblichen Aufschwung genommen. Durch die Mikroelektronik und die Fortschritte bei der Miniaturisierung und der Steigerung der Leistungsfähigkeit sind neue Anwendungen und eine Verbreiterung ihrer Einführung in Produkte und Produktionsprozesse möglich geworden. Computer-numerisch gesteuerte (CNC) -Werkzeugmaschinen. Computer-integrierte Fertigung (CIM) und Roboter sind Beispiele hierfür. Hinzu kommen Biotechnologien. neue Werkstoffe und opto-elektrische Techniken (Laser, Sensortechniken u. a.). Volkswirtschaftlich bedeutsam ist neben dem Faktum von Innovationen auch deren möglichst große Verbreitung. Im Gegensatz zu diesem gesamtwirtschaftlichen, unter Wohlfahrtsgesichtspunkten sinnvollen Ziel will der „dynamische Unternehmer“ (Schumpeter) möglichst lange seinen Innovationsvorsprung behalten und Entwicklungskosten und eingegangene Risiken amortisieren und möglichst hohe Gewinne erzielen.

Der — dynamische Effekte auslösende — Innovationsprozeß ist in der Bundesrepublik in erster Linie ein Suchprozeß der Unternehmen; wirtschaftlicher Strukturwandel und Innovationen sind Resultat einer Vielzahl von Einzelentscheidungen von Unternehmen, vor allem über Investitionen. Diese vollziehen sich teilweise in Anpassung an weltwirtschaftliche Entwicklungen und Veränderungen der Rahmenbedingungen, teilweise aber auch „autonom“. Der marktwirtschaftliche Suchprozeß basiert auf einer effizienten Verwertung von Informationen, die z. T. über das Preissystem signalisiert werden. Schnelle Informationsbeschaffung, Informationsauswertung und -Umsetzung sind für den Unternehmenserfolg entscheidend. Dieser Suchprozeß wird in einer „sozialen Marktwirtschaft“ aber — neben den Preisen — durch andere Regelmechanismen ergänzt. Im gemischtwirtschaftlichen System der Bundesrepublik tritt neben den privatwirtschaftlichen Wettbewerbssektor der Staat als parlamentarisch legitimierte, rahmensetzende Instanz. aber auch als wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Akteur. 2. Innovationsprobleme a) Soziale Basisinnovationen Innovationen können z. B. mit Entscheidungen darüber verbunden sein, ob und in welchem Ausmaß in schulische und berufliche Bildung „investiert“. universitäre Spezialisierung ermöglicht und Grundlagenforschung betrieben werden soll. Damit wird das Potential von Erfindungen und Innovationen entscheidend verändert.

Die Mitte der sechziger Jahre initiierte Bildungsreform.der Ausbau von Universitäten und der Grundlagenforschung stellen in der Bundesrepublik soziale Innovationen mit großer Reichweite für das technologische Innovationspotential und für den Strukturwandel dar. Sicherlich gehört das Maß an schulischer, universitärer und beruflicher Bildung sowie an Grundlagenforschung zu den entscheidenden Aktivposten der Bundesrepublik im internationalen Vergleich. Andere institutionelle Innovationen betreffen die Ausgestaltung des Gesundheitswesens, des Sözialsystems und der Arbeitnehmervertretung, Fortentwicklungen in diesen Bereichen stellen ständige Anforderungen an die Innovationsbereitschaft dar. In der jüngsten Vergangenheit sind hier Lösungen, die von einem breiten Konsens getragen werden, immer schwieriger geworden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch die erforderlichen politischen und sozialen Innovationen, um die Umweltschädigung nachhaltig zu vermindern — z. B. durch Bewußtseinsund Verhaltensänderungen, aber auch durch die Schaffung von Voraussetzungen für eine verstärkte Ausschöpfung und Forcierung technischer Umwelt-innovationen. Hier sind gravierende Defizite zu verzeichnen. b) Staatliche Innovationsförderung Während die Anstrengungen im schulischen und universitären Bereich einschließlich der Grundlagenforschung international als originäres, nach eigenen Präferenzen zu verfolgendes Interesse der jeweiligen Volkswirtschaften weitgehend unumstritten sind, geraten solche Teile der Forschungsund Technologie-(FuT) -Politik in die Diskussion, die sich über den Grundlagenbereich hinaus bis hin zur Erprobung oder gar Markteinführung erstrekken.

Aufgrund der Bedeutung der Innovationen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft, aber auch aufgrund des öffentlichen Interesses an Sicherheit — einschließlich des (Eigen-) Interesses der Militärs und der Rüstungsindustrien — geraten die politischen Entscheidungsträger unter starken Druck, viele Dinge, die über den Grundlagenbereich hinausgehen, mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Dies wirft dann allerdings Probleme eines internationalen Subventionswettlaufs samt den daraus möglicherweise sich entwickelnden handelspolitischen Auseinandersetzungen bzw. protektionistischen Maßnahmen auf.

Subventionswettlauf und protektionistische Maßnahmen führen zu unnötigen finanziellen Belastungen einzelner Volkswirtschaften. Unter mehreren Gesichtspunkten ist ein Subventionsverhalten, das allein auf eine Begünstigung bzw. Abschottung der heimischen Wirtschaft zielt, fragwürdig. Sie ist häufig Teil eines umfassenden merkantilistischen Denkens bzw. einer beggar-my-neighbor-Politik. die heute noch — oder wieder — von starkem Einfluß auf die nationale Wirtschaftspolitik vieler Länder ist. Die staatliche Innovationspolitik spielt hierbei oft nur eine untergeordnete Rolle.

Ein nicht zu unterschätzendes Problem der in den meisten entwickelten Volkswirtschaften praktizierten Subventionierung besteht in der ähnlich gelagerten Prioritätsstruktur der verfolgten FuT-Politik. Neben den finanziellen Konsequenzen besteht daher die Gefahr, daß weltweite Überkapazitäten auf der einen Seite aufgebaut, auf der anderen Seite aber andere vielversprechende Entwicklungslinien vernachlässigt werden. Dabei werden zuweilen auch angesichts scheinbar übermächtiger ausländischer Angebotsoligopolisten Schutzzoll-Argumente (Schutz im Aufbau befindlicher Industrien) vorgebracht (Airbus, Megachip). Trotz einer solchen Begründung oder des Hinweises auf unverzichtbare „Schlüssel" -Technologien kann das tatsächlich verfolgte Ziel in Konflikt mit den Vorteilen einer internationalen Kooperation und Arbeitsteilung geraten. Bei einer Abwägung sind allerdings als unverzichtbar anzusehende Ausstrahlungseffekte solcher Technologien für andere Entwicklungslinien zu berücksichtigen. c) Konzentrationsgrad und Innovationen In der Bundesrepublik wird — etwa seit 1970 — die Notwendigkeit einer auf kleinere und mittlere Unternehmen zugeschnittenen FuT-Politik betont, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen ist die auf großtechnologische Entwicklungslinien gerichtete FuT-Politik vor allem großen Unternehmen zugute gekommen, so daß die für kleinere und mittlere Unternehmen ohnehin bestehenden Nachteile bei der Finanzierung von FuE und den mit Innovationen verbundenen Risiken noch verstärkt wurden. Zum anderen wurde und wird die Position vertreten. daß kleinere Unternehmenseinheiten eine höhere Flexibilität und auch ein relativ größeres Potential besitzen, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Hinzukommt, daß kleinere und mittlere Unternehmen eine für ein auf dezentralen Entscheidungs-und Wettbewerbsprinzipien aufbauendes marktwirtschaftliches System angemessene Größe haben.

Was die Innovationsfähigkeit angeht, so lassen sich kaum generelle Aussagen für die Überlegenheit von größeren oder kleineren Unternehmen gewinnen Sicherlich gibt es Unterschiede in der Art der Innovationen von größeren und kleineren Unternehmen: Kleinere und nicht so teure bzw. risiko-reiche Innovationen sind eher von kleineren und mittleren Unternehmen zu erwarten als große, teure und risikoreiche Innovationsprozesse, für die Großunternehmen besser gerüstet sind. In der Bun-desrepublik hat sich infolgedessen eine Arbeitsteilung zwischen Großunternehmen, die mit Grundlagenforschung auf Innovationen größerer Reichweite und für größere Märkte abzielen, und kleinere und mittlere Unternehmen mit Anpassungsund Verbesserungsinnovationen für kleinere Märkte etabliert

Von hoher Bedeutung ist, daß große Unternehmen häufig dann kleinere übernehmen, wenn diese innovationsstark sind und/oder Markt-bzw. Innovationssegmente erschließen, die für große Unternehmen eine Abrundung des eigenen Strategiespektrums bedeuten. Gegenwärtig ist eine Welle von Aufkäufen und Übernahmen zu beobachten, an denen häufig große und größte Unternehmen beteiligt sind. An den dem Bundeskartellamt 1986/87 angezeigten Untemehmenszusammenschlüssen waren Unternehmen aus dem Kreis der 100 größten Industrieunternehmen zu etwa einem Drittel beteiligt Dies schließt aber nicht aus, daß große Unternehmen — wie häufig zu beobachten — ihre Organisationsstrukturen enthierarchisieren und Entscheidungsbefugnisse über Innovationen und Investitionen dezentralisieren.

Auch wenn der Zusammenhang mit der Innovationsfähigkeit der Unternehmen ungeklärt ist. läßt sich ein Einfluß der Größenstruktur der Betriebe auf die Arbeitsmarktentwicklung feststellen. So stand von 1977 bis 1985 einem Beschäftigungsgewinn in Kleinbetrieben (mit bis zu 20 Beschäftigten) in Höhe von 580 000 ein Beschäftigungsrückgang in Großbetrieben (mit mehr als 500 Beschäftigten) in Höhe von 225 000 gegenüber d) Diffusion neuer Technologien Neben der Kette Erfindung—Innovationen spielt der Grad der Diffusion technisch-organisatorischen Wissens eine für Wohlstand und Konkurrenzfähigkeit einer Volkswirtschaft wesentliche Rolle. Ausmaß und Geschwindigkeit der Diffusionsprozesse korrelieren mit Lösungen der Probleme des Technologie-und Wissenstransfers. Der Technologie-transfer ist abhängig von der Informationsbereitschäft und -durchlässigkeit, d. h. von Faktoren wie Kooperationsbereitschaft, räumlicher Vernetzung, den Regelungen des Patentrechts u. a., aber auch von Angeboten der Innovationspolitik.

Insbesondere ist hier auch die Nutzung von Möglichkeiten internationaler Kooperationen zu nennen. Sie sind in vielen Bereichen innerhalb der westlichen Industrieländer ein fester Bestandteil der Diffusionsprozesse. Auch zwischen der Bundesrepublik und der DDR ist inzwischen ein Abkommen über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wissenschaft und Technik unterzeichnet worden Neben internationalen Kooperationen besteht in der Lizenznahme von Patenten und in anderen Formen des Innovationsimports die Möglichkeit, eigene FuE-Anstrengungen zu substituieren.

Eine der wichtigen gegenwärtigen Querschnitts-technologien stellt ohne Zweifel die Mikroelektronik dar. Der Diffusionsgrad von durch Mikroelektronik geprägten Prozeßtechnologien ist in der Bundesrepublik relativ hoch. Dabei ist teilweise, wie eine Befragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) über den Einsatz von Mikroelektronik ergeben hat aus — derzeitiger -Sicht der Betriebe eine Art Sättigungsgrenze nahezu erreicht, beispielsweise bei der EDV in Vertrieb und Verwaltung oder bei CNC-Werkzeugmaschinen; bei anderen Technologien gibt es noch erhebliche Erstanwenderpotentiale — wie etwa beim computergestützten Prüfen oder der Betriebsdatenerfassung.

Auch bei den Produkten ist der Einsatz von Mikroelektronik weit vorangeschritten; im Investitionsgüter produzierenden Gewerbe baut etwa die Hälfte aller Betriebe Mikroelektronik in ihre Produkte ein. Ein weiteres Zehntel will bald damit beginnen. Ein Drittel sieht im Moment keine Anwendungsmöglichkeiten für Mikroelektronik in der betrieblichen Produktpalette.

Im internationalen Vergleich kann der Diffusionsgrad allenfalls an einzelnen konkreten modernen Technologien festgestellt werden. Darauf wird im Zusammenhang mit internationalen Perspektiven von Strukturwandel und Innovationen einzugehen sein.

III. Strukturwandel und Innovationen

Tabelle 3: Ausrüstungsinvestitionen und Modernitätsgrad Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

1. Außen-und binnenwirtschaftlich geprägter Strukturwandel Der Strukturwandel und die Innovationsentwicklung werden in der Bundesrepublik von ihrer Einbindung in die Weltwirtschaft geprägt. Dies gilt für wichtige Teile der privaten Wirtschaft und gleichermaßen für die Wirtschaftspolitik; als aktuelles Beispiel hierfür seien die Rückwirkungen der bevorstehenden Vollendung des europäischen Binnenmarktes im Jahre 1993 auf Unternehmen und wirtschaftspolitische Instanzen genannt.

Neben der Integration der Bundesrepublik in den Welthandel ist die Tatsache zu berücksichtigen, daß viele Unternehmen in der Bundesrepublik weltweit operieren bzw. Teile weltweit operierender ausländischer Unternehmen sind. Entscheidungen über Produktionsstandorte, Innovationsanstrengungen und Investitionen werden häufig in weltweitem Maßstab getroffen. Es ist nicht selten, daß Teile eines Produktes in verschiedenen Volkswirtschaften produziert und schließlich irgendwo montiert werden. Dies setzt eine effiziente weltweite Verkehrs-und Kommunikationsinfrastruktur voraus. Ohne die Innovationen der Verkehrstechnologien und der Informations-und Kommunikationstechnologien (luK) wären für multinationale Konzerne die Möglichkeiten weltumspannender Markterschließung, Diversifizierung, Risikostreuung sowie der permanenten Ausnutzung weltweiter Kostenvorteile bei Rohstoffen, Material und Zwischenprodukten („worldwide sourcing“) nicht wie in dem heutigen Ausmaß denkbar.

Anhaltspunkt für die internationale Verflechtung der Bundesrepublik liefert die Höhe der Direktinvestitionen. Die ins Ausland geflossenen Direktinvestitionen haben sich 1985 einschließlich der dort reinvestierten Gewinne zu einem Vermögensbestand von etwa 150 Mrd. DM aufsummiert. Der größte Anteil entfällt davon auf die USA. Handel, Banken und Versicherungen zeigen eine überdurchschnittliche Dynamik bei den Direktinvestitionen; daneben sind vor allem auch die wichtigsten exportorientierten Industriezweige aktiv, die in besonderem Maße moderne Technologien anwenden und in ihren Produkten verkörpern. Chemische Industrie. Maschinenbau, Elektrotechnik/Datenverarbeitung, Fahrzeug-und Flugzeugbau tätigen etwa drei Viertel aller Direktinvestitionen, vor allem auch deshalb, um ihre Absatzmärkte langfristig zu sichern.

Technische Innovationen und ihre Umsetzung in Produkte und Produktionsprozesse sind für die Wettbewerbsfähigkeit der in die Weltwirtschaft eingebundenen Länder weitgehend unverzichtbar. Sie ziehen Strukturwandel nach sich und setzen Strukturwandel voraus — z. B. bei Qualifikationen, Berufen und Tätigkeiten. Dieses Wechselspiel ist eine der Grundlagen des Wachstums und der Wohlstandsmehrung. Strukturwandel wird also auch von anderen als technischen Neuerungen geprägt. Hier ist vor allem der binnenorientierte Gestaltungswille. d. h. die Entwicklung des Bildungs-, Gesundheits-und Sozialsystems, des Umweltschutzes und — eng damit verknüpft — der staatlichen Aktivitäten und der Infrastruktur zu nennen. 2. Strukturwandel im Überblick An dieser Stelle sollen einige strukturelle Entwicklungen dargestellt werden. Aus dem möglichen Spektrum von Darstellungsweisen soll vor allem der Strukturwandel zwischen institutionell abgegrenzten Wirtschaftszweigen herausgegriffen werden; hierfür liegen auch die meisten Informationen vor Gleichwohl soll durch diese Wahl nicht der Eindruck erweckt werden, als vollzöge sich auf dieser Ebene der Strukturwandel am deutlichsten. Vielmehr verändert sich das Profil von Unternehmen und einzelnen Wirtschaftszweigen intern (intrasektoraler Strukturwandel) häufig noch prägnanter als die sektorale Wirtschaftsstruktur (intersektoraler Strukturwandel). Beide Entwicklungen sind eng miteinander verbunden; dies macht häufig gerade die Schwierigkeit aus. sie statistisch gesondert zu erfassen und empirisch darzustellen

Ein Beispiel für intrasektoralen Strukturwandel liefert der Stahlsektor. Unternehmen aus diesem Bereich sind mittlerweile oft hoch diversifizierte und von einer Holdinggesellschaft gelenkte Konzerne. Dieser unternehmensinterne Strukturwandel wird nur als intersektoraler Strukturwandel statistisch sichtbar, wenn sich der unternehmerische Schwerpunkt der Tätigkeit verändert.

Der Strukturwandel in der Bundesrepublik wird seit geraumer Zeit von der Expansion der Dienstleistungen getragen. Dies wird sowohl inter-als auch intrasektoral deutlich. Analysen der Berufs-und Tätigkeits-sowie der Kostenstruktur der Unternehmen zeigen, daß innerhalb des verarbeitenden Gewerbes mit einem verstärkten Einsatz von Dienstleistungen produziert wird. Man spricht in* diesem Zusammenhang plakativ von der Tertiarisierung der Warenproduktion. Dieser verstärkte „interne“ Einsatz von Dienstleistungen ist Ausdruck eines veränderten Aufgabenzuschnitts. Planung. Produktionsvorbereitung und Produktionskontrolle, Marketing, Service und Vertrieb sind wesentliche Bausteine des Unternehmenserfolgs. Hinzu kommt eine durch die Informations-, die Kommunikations-sowie die Fertigungstechnologien gewonnene Flexibilität, die es erlaubt, Kundenwünsche stärker zu berücksichtigen sowie Leistung und Qualität der Lieferungen zu verbessern.

Schlagwortartig können diese Entwicklungen folgendermaßen beschrieben werden: Nicht mehr „economies of scale", d. h. möglichst große Stückzahlen, spielen die dominante Rolle, sondern die „economies of scope“, d. h. ein aufeinander abgestimmtes Paketangebot von Waren und Dienstleistungen (Waren plus Software plus Service bzw. Montage plus Finanzierung). Dieser partielle Abschied vom Taylorismus hat klare Produktions-und informationstechnische Voraussetzungen.

Dies hat nicht nur Konsequenzen für den intra-, sondern auch für intersektoralen Strukturwandel.

Neben einem verstärkten internen Einsatz von Dienstleistungen hat in der Bundesrepublik auch das „subcontracting“, d. h. die Auslagerung von bestimmten Dienstleistungsfunktionen aus dem produzierenden Unternehmen unter Kosten-und Risikominimierungsaspekten Einfluß auf die Expansion „externer“ privater Dienstleistungen gehabt (Ingenieurbüros, Wirtschafts-und Steuerberatung. Softwarehäuser ebenso wie Reinigung und Bewachung).

Im folgenden seien einige sektorale Entwicklungen zahlenmäßig dokumentiert. Tabelle 1 zeigt den intersektoralen Strukturwandel anhand der Entwicklung der Produktionswerte der Wirtschaftszweige. Sie sind die umfassendste Quantifizierung des Wertes der produzierten Waren und Dienstleistungen. die etwa dem Umsatz entspricht. Wenn auch die Ermittlung des Produktionswertes für manche Wirtschaftszweige (Banken, Versicherungen, Staat u. a.) erhebliche methodische Probleme aufwirft, so zeigt sich doch folgendes Muster des Struktur-wandels: — weit unterdurchschnittliche Entwicklung der Landwirtschaft;

— knapp unterdurchschnittliche Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes; -überdurchschnittliche Entwicklung der Nachrichtenübermittlung (Bundespost), der Kreditinstitute und Versicherungen, der sonstigen Dienstleistungen, des Staates und der Organisationen ohne Erwerbszweck.

Hierin kommt auch zum Ausdruck, daß der durch Produktivitätsfortschritte erhöhte Lebensstandard Veränderungen in der Konsumstruktur hin zu höherwertigen Waren und Dienstleistungen bewirkt hat; dadurch sind nicht zuletzt die Spielräume für die Expansion staatlicher und quasi-staatlicher Angebote im Bereich der Humandienstleistungen gestiegen.

Die Verschiebung der wirtschaftlichen Aktivitätsund Umsatzstruktur zugunsten der zuletzt genannten „tertiären“ Wirtschaftsbereiche wird auch an der Entwicklung der in den Wirtschaftszweigen tätigen Erwerbspersonen sichtbar (vgl. Tabelle 2). Im Vergleich von Tabelle 1 und Tabelle 2 sind aber deutliche Unterschiede festzustellen, die auf Unterschiede in Niveau und Entwicklung von Preisen und (Arbeits-) Produktivitäten zurückzuführen sind. 1986 wurden in der Landwirtschaft 1. 9 v. H.der Produktionswerte mit 5, 2 v. H.der Erwerbstätigen, im verarbeitenden Gewerbe aber etwa 44 v. H.der Produktionswerte mit 32 v. H.der Erwerbstätigen erstellt. Die „Umsatzproduktivität“ (Umsatz je Erwerbstätigen) im verarbeitenden Gewerbe war also 1986 fast viermal so hoch wie in der Landwirtschaft. Auf den Zusammenhang von Wachstum, Produktivität und Beschäftigung wird unten noch genauer — auch unter Verwendung einer angemesseneren (Arbeits-) Produktivitätsmessung — eingegangen. 3. Innovationen und Investitionen Technologischer Wandel vollzieht sich in vielen Fällen über das „Vehikel“ Investitionen: Zur Herstellung moderner Maschinen, Geräte und anderer Ausrüstungsgüter muß schon aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit ebenso in neueste Technologien investiert werden wie in den anderen Wirtschaftszweigen. Auf die Bedeutung von „Investitionen“ sowohl in die Ausbildung als auch in Forschung und Entwicklung ist, analog zu diesem Gedanken. oben hingewiesen worden. Technologischer Wandel ist mit einer Umstrukturierung des Bestandes von Anlagen und dabei vor allem der Ausrüstungen verbunden. Nun könnte man sicherlich darüber streiten, ob Netto-oder Bruttoinvestitionen bessere Innovationsindikatoren sind. Da im Normalfall auch mit den Ersatzinvestitionen Innovationen Eingang in die Produktionsprozesse fin-den. empfiehlt sich hier der Blick auf die Entwicklung der Brutto-Ausrüstungsinvestitionen (Tabelle 3).

Im Zeitraum von 1980 bis 1986 hat sich innerhalb des verarbeitenden Gewerbes die sektorale Struktur der Ausrüstungsinvestitionen zugunsten der Produzenten von Kunststoffwaren, Feinkeramik, Maschinen, Straßenfahrzeugen, elektrotechnischen sowie feinmechanischen und optischen Erzeugnissen verschoben, wogegen bauabhängige Bereiche des verarbeitenden Gewerbes, die eisenschaffende Industrie, aber auch der Schiffbau u. a. absolute Rückgänge zu verzeichnen hatten. Von den anderen Wirtschaftszweigen haben die Energie-und Wasserversorgung, die Nachrichtenübermittlung, die Kreditinstitute und Versicherungen sowie die übrigen Dienstleistungen ihre Ausrüstungsinvestitionen erhöht; absolute Rückgänge hatten das Baugewerbe, der Handel, die Eisenbahn u. a. zu verzeichnen. Der Einfluß dieser unterschiedlichen, auch konjunkturell geprägten Investitionsprofile auf den Ausrüstungsbestand läßt sich in erster Annäherung anhand des Modernitätsgrades ablesen Einen überdurchschnittlichen Modernitätsgrad wiesen 1986 einerseits Wirtschaftszweige des verarbeitenden Gewerbes (Kunststoffwaren, Maschinenbau, EDV, Straßenfahrzeugbau, Luft-und Raumfahrzeugbau, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik), andererseits insbesondere aber auch Versicherungen, Banken, unternehmensorientierte private Dienstleistungen, die Nachrichtenübermittlung (Deutsche Bundespost) und das Transport-und Speditionsgewerbe auf. Im Vergleich von 1986 mit 1980 hat sich allerdings der Modernitätsgrad in einer Reihe anderer Wirtschaftszweige — wie in der eisenschaffenden Industrie und im Textilgewerbe — verbessert, dagegen aber im Straßenfahrzeugbau oder bei den übrigen Dienstleistungen verschlechtert. Der herausragende Modernitätsgrad bis 1980 bei den übrigen Dienstleistungen hängt auch damit zusammen, daß mit der Umstrukturierung der Unternehmen ein steigender Teil der Ausrüstungsinvestitionen bei Leasing-bzw. Konzernobergesellschaften statistisch erfaßt wurde, auch wenn weiterhin die Ausrüstungen im produzierenden Gewerbe eingesetzt worden sind. 4 Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit Art der Innovationen, Tempo der Diffusionsprozesse und wirtschaftlicher Strukturwandel werden in hohem Maße durch die Einbindung der Industrie in die Weltwirtschaft bestimmt. Der Anteil des Industriewarenexports der Bundesrepublik am nominalen Weltexport von Industriewaren hat zwar über die Jahre hinweg etwas an Boden verloren, vor allem aufgrund des Vordringens Japans und auch der Schwellenländer. Er macht aber immer noch etwa 15 v. H. aus. Im Vergleich zu den anderen wichtigen Handelspartnern hat die Bundesrepublik hier günstig abgeschnitten.

Der Grad der Verflechtung und vor allem die Bedeutung des Exports werden aus folgenden Zahlen sichtbar: Von der Produktion des verarbeitenden Gewerbes sind 1984 etwa 30 v. H. ins Ausland verkauft worden; beim Maschinenbau, der Elektrotechnik, dem Straßenfahrzeugbau und der chemischen Industrie sind die Anteile noch erheblich höher. Die Abhängigkeit dieser Wirtschaftszweige von der'Endnachfrage aus dem Ausland betrug 1984 rund 50 bis 60 v, H. Betrachtet man Einfuhren und Ausfuhren, so haben 1984 diese vier Branchen allein einen Überschuß in Höhe von 155 Mrd. DM erzielt. Die Handels-und Leistungsbilanzüberschüsse der Bundesrepublik haben mittlerweile Dimensionen angenommen, die für die Ungleichgewichte im weltwirtschaftlichen Gefüge von erheblicher Bedeutung sind und zu Besorgnis Anlaß geben.

Als „Standortfaktoren“ für diese hohe Wettbewerbsfähigkeit werden immer wieder auch die komparativen Vorteile stabiler Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen, der leistungsfähigen und gut ausgebildeten Arbeitskräfte sowie die technologische Position der Bundesrepublik genannt. All dies führt zu Produkten, die in Preis. Qualität, Service und Verläßlichkeit der Lieferung international wettbewerbsfähig sind — trotz andauernder Wechselkursverschiebungen und neuer Konkurrenten vor allem aus dem pazifischen Raum.

Die Effekte von Innovationsvorsprüngen einer im internationalen Wettbewerb stehenden Volkswirtschaft lassen sich nur sehr schwer in allgemeiner Form skizzieren. Dennoch hat sich eine Wirkungskette etabliert: Vorsprünge einer Volkswirtschaft bei Produkt-und Prozeßinnovationen erhöhen — analog zu den Schumpeterschen Vorstellungen eines innovativen Unternehmers, der sich im Produktzyklus temporäre Quasimonopolstellungen aufbaut — die Wettbewerbsfähigkeit und Absatz-chancen von Produkten im Ausland und führen zu einer günstigen Entwicklung der Terms of Trade (Austauschrelationen zwischen Volkswirtschaften) und damit des Wohlstands einer Volkswirtschaft.

Diese Grundvorstellung läßt sich variieren und erweitern. So müssen es nicht nur Technologievor49 Sprünge, sondern es können auch die breitere Anwendung oder die kleineren Verbesserungen von Technologien sein, die zu einem besseren Produkt, Service und Preis und damit zu den vermuteten positiven Effekten im internationalen Wettbewerb beitragen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, daß gerade den Indikatoren für die technologische Position einer Volkswirtschaft hohe Aufmerksamkeit bei der Beurteilung der Gründe für die jeweilige Wettbewerbsposition geschenkt wird. Im folgenden sollen daher einige dieser Indikatoren im internationalen Vergleich präsentiert werden Dabei handelt es sich um Indikatoren wie erbrachte Forschungsaufwendungen, Patentanmeldungen, die Diffusion bestimmter Technologien, aber auch bestimmte international gehandelte Güter nach ihrem Technologiegehalt oder nach ihrer Stellung im Produktzyklus. a) Humankapitalintensität Beispielsweise deutet der höhere Anteil von Personen mit Fachhochschul-oder Hochschulreife, von Ingenieuren und Technikern bei der Erstellung von Gütern auf eine relativ hohe Humankapitalintensität der Bundesrepublik hin. Besonders deutlich überwiegen auf der Ausfuhrseite die Montage-und Wartungsberufe. Dieser Befund wird auch dadurch bestätigt, daß die Ausbildungs-und Forschungsintensität in den wettbewerbsstarken Bereichen im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen weit überdurchschnittlich ist. b) Forschungs-und Entwicklungsaufwand In bezug auf Ausgaben für Forschung und Entwicklung gehört die Bundesrepublik zur internationalen Spitzengruppe. Dies gilt auch für das für FuE eingesetzte Personal. 1985 hat die Bundesrepublik nach Angaben der OECD 2. 7 v. H.des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Dieser Prozentsatz wurde geringfügig nur in Japan und in den USA mit 2, 8 v. H. übertroffen c) Patentanmeldungen Für sich genommen, sagen die Anteile der FuE-Aufwendungen noch wenig aus; es könnte ja sein, daß FuE in der Bundesrepublik vergleichsweise hoch bezahlt, aber ineffizient ist. Ein Outputindikator der FuE-Anstrengungen kann in der Patentierung von Forschungs-und Entwicklungsergebnis-sen gesehen werden. Nach Auswertungen des Ifo-Instituts entfallen von 63 500 wichtigen Erfindungen — d. h. solchen, die von 1983 bis 1985 in mehr als zwei Ländern zum Patent angemeldet worden sind — etwa 12 600 auf die Bundesrepublik, 17 200 auf die USA und 12 900 auf Japan Pro Kopfder Bevölkerung schneidet die Bundesrepublik sogar am günstigsten ab. Japan hat aber in den achtziger Jahren in vielen Bereichen seine Position ausgebaut. Die Bundesrepublik zeigt im Bereich von Querschnittstechnologien mit großer Breitenwirkung Schwächen (Elektronikelemente, Rechner, z. T. Informations-und Kommunikationstechnologien), aber auch Stärken (Fabrikautomatisierung). Die Anmeldung von wichtigen, international benutzten Patenten ist sicherlich auch ein Indiz fürdie zukünftige Position von Volkswirtschaften im internationalen Wettbewerb. d) Spezialisierung des Außenhandels auf Technologiegüter Die Stärken der bundesdeutschen Exporte zeigen sich insbesondere bei Produkten „gehobener Gebrauchstechnologie“. Die Spezialisierung auf solche technologie-intensiven Güter hat in der Bundesrepublik eine sehr breite Basis. Ihre Erfolge sind allerdings in der ersten Hälfte der achtziger Jahre zurückgegangen, was wiederum mit der im Vergleich zu Japan langsameren Zunahme der Ausfuhr von elektrotechnischen Erzeugnissen, Büromaschinen/ADV, feinmechanischen und optischen Produkten sowie Straßenfahrzeugen zusammenhängt.

Beschränkt man sich in einer engeren Abgrenzung auf Güter der Spitzentechnologie, so ergibt sich ein anderes Bild. Hier rangieren die Bundesrepublik und Japan nach den USA, Großbritannien und Frankreich. Die Bundesrepublik weist eine überragende Marktstellung bei Kernreaktoren und Windkraftmaschinen auf und ist auch bei bestimmten organischen Chemikalien sowie medizinischen und pharmazeutischen Erzeugnissen und optischen Instrumenten wettbewerbsstark. Relativ schwach ist die deutsche Ausfuhrposition bei Triebwerken. Elektronenröhren und elektronischen Mikroschaltungen sowie der automatischen Datenverarbeitung. Dennoch wird diese zuletzt genannte wichtige Technologie in hohem Maße in der Bundesrepublik in Produkten und Produktionsprozessen genutzt und trägt damit — trotz ihres Imports und der technologischen Vorsprünge anderer — zu den eigenen Exporterfolgen bei. e) Diffusionsgrad neuer Technologien Dies zeigt auch ein Blick auf international vergleichende Darstellungen des Diffusionsgrades neuer Technologien Greift man das Beispiel elektronisch gesteuerte Werkzeugmaschinen (NC-Maschinen) und ihre computerisierten Fortentwicklungen (CNC-Maschinen) heraus, so zeigt sich, daß Japan im Jahre 1985 vermutlich mehr von diesen Maschinen — eines allerdings begrenzten Sortiments — produziert hat als die gesamte übrige Welt zusammen, daß aber gleichzeitig der Anteil dieser Maschinen im gesamten Werkzeugmaschinenbestand in der Bundesrepublik etwa gleich hoch oder höher war als — mit Ausnahme von Italien — in anderen Konkurrenzländern, eingeschlossen Japan. Dabei hat sich die Anzahl dieser Maschinen in der Bundesrepublik — wie auch in Frankreich — zwischen 1975 und 1985 etwa verzehnfacht.

Betrachtet man trotz aller damit verbundenen Vergleichsschwierigkeiten als weiteres Beispiel flexible Fertigungssysteme, in denen u. a. CNC-Maschinen mit Robotern oder Handhabungsautomaten gekoppelt sind, und beschränkt sich auf Systeme mit mindestens vier Komponenten, so wird für die Bundesrepublik im Jahre 1986 ein Bestand von 50 (!) geschätzt, was eine Verdoppelung gegenüber 1984 bedeutet. Auch hier ist die Bundesrepublik — zusammen mit Japan und auch Großbritannien — relativ am stärksten vertreten. Nur in Schweden ist die Anwendung relativ breiter.

IV. Innovationen und Probleme des Strukturwandels

Tabelle 4: Wachstum, Produktivität und Beschäftigung in Wirtschaftszweigen 1980 bis 1986 Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

Der Strukturwandel in der Bundesrepublik hat sich keineswegs reibungslos vollzogen; es gibt eine Reihe von Problemen. An erster Stelle ist hier die weiter fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen zu nennen. Wirtschaftsentwicklung bei gleichzeitigem Raubbau an den Grundlagen menschlicher Existenz steht auf tönernen Füßen. Die Innovationen im Umweltschutz sind angesichts der absehbaren Probleme zu gering gewesen. Trotz neuer Umweltschutztechnologien, gestiegener Umweltschutzinvestitionen einiger Wirtschaftszweige und einiger Fortschritte bei der Luftreinhaltung und in anderen Bereichen ist insgesamt zu wenig geschehen. Das Potential technischer Innovationen. die helfen könnten, die Umweltnutzung zu reduzieren, ist sicherlich noch nicht ausgeschöpft. Auch hierfür sind soziale und politische Innovationen erforderlich, die im wesentlichen im Bereich der Bewußtseins-und Verhaltensänderung sowie angemessener politischer Rahmenbedingungen zu suchen sein dürften.

Auch das Engagement von Bürgerinitiativen, Umweltschutzgruppen und einer neuen Partei konnten bisher zu wenig bewirken. Die systemkonforme Internalisierung von als extern bezeichneten Kosten der Umweltzerstörung in das Preissystem ist weitgehend ausgeblieben. Eine internationale Koordinierung von Umweltpolitik ist nach wie vor nicht gelungen.

Neben diesem ungelösten Grundproblem sind in einer auf (materieller) Bedürfnisbefriedigung und Erwerbsarbeit beruhenden Gesellschaftsordnung die Verteilungsprobleme bei Arbeit und Einkommen als zentral anzusehen. Auch hier liegen nach wie vor erhebliche Probleme. Für die Beschäftigungsentwicklung wird den Innovationen eine zentrale Bedeutung zugemessen. Die Diskussion um die Freisetzungs-und Kompensationseffekte neuer Technologien hat immer noch sehr stark spekulative Züge. Dies liegt daran, daß zwar die Interdependenz der möglichen Wirkungsketten theoretisch gezeigt, empirisch aber nur unvollkommen demonstriert werden kann.

Neue Technologien haben — theoretisch — sowohl arbeitsfreisetzende als auch beschäftigungssteigernde Aspekte:

— Der potentiellen Freisetzung von Arbeitskräften stehen via Preissenkungen und/oder höheren Realeinkommen eine Steigerung der Konsum-, Investitions-und Exportnachfrage nach Waren und Dienstleistungen und ein dementsprechendes Beschäftigungsplus gegenüber; — den Freisetzungseffekten in rationalisierenden Unternehmen stehen positive Beschäftigungseffekte bei den Herstellern von Investitionsgütern gegenüber; — Prozeßinnovationen mit potentiellen Freisetzungseffekten stehen markterweiternde Produktinnovationen gegenüber; beides verbessert die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.

Faktisch haben sich Wachstumstempo und Produktivitätsfortschritte in der Bundesrepublik im Laufe der Zeit abgeschwächt. In Tabelle 4 wird dieser Zusammenhang einschließlich der Beschäftigungseffekte für den Zeitraum von 1980 bis 1986 darge51 bei Bildung und Wissenschaft und im Gastgewerbe zu verzeichnen. Der Staat und vor allem Organisationen ohne Erwerbszweck, die in dieser Tabelle nicht genannt sind, erhöhten ihre Beschäftigung ebenfalls deutlich.

Insgesamt hat der Prozeß „schöpferischer Zerstörung“ mehr Arbeitsplätze im privatwirtschaftlich organisierten Bereich unrentabel gemacht als neue geschaffen. Neue Aktivitätsfelder sind zu langsam erschlossen worden. Technische Innovationen haben vor allem die internationale Wettbewerbsfähigkeit gesichert und den Strukturwandel geprägt. Angesichts der in der Bundesrepublik praktizierten überwiegend restriktiven Geld-und Finanzpolitik und unzureichender Binnennachfrage haben sie nur unvollkommen zur Sicherung des erzielten Beschäftigungsstandes, geschweige denn zu einer Lösung der Beschäftigungsprobleme beigetragen. Eine stellt. In den meisten Wirtschaftszweigen des verarbeitenden Gewerbes ist die Zahl der Erwerbstätigen weiter gesunken, z. T. auch bei Wirtschaftszweigen mit überdurchschnittlichem Wachstum. Auf unterdurchschnittliche Nachfrage sind die Beschäftigungsrückgänge im Baugewerbe und bei den Eisenbahnen zurückzuführen. Auch im Agrarsektor und im Bergbau ist trotz der Subventionierung durch Bund, Länder und EG die Beschäftigung weiter zurückgegangen.

Beschäftigungsgewinne geringen Umfangs waren in den achtziger Jahren in wenigen Wirtschaftszweigen des verarbeitenden Gewerbes sowie bei der Bundespost und den Versicherungen, bedeutenderen Umfangs vor allem bei den übrigen privaten Dienstleistungen (vom Friseur über Ärzte und Rechtsanwälte bis hin zu Holdinggesellschaften), den Kreditinstituten, dem Gesundheitswesen sowie Strategie, die allein auf die (Hoch-) Technologie setzt, dürfte hier nicht viel ausrichten.

Wie bei der Verteilung der Lasten der Erwerbsarbeitsind die Erwerbspersonen auch sehr ungleich in den Genuß der gesamtwirtschaftlichen, durch die Innovationen und die Exporterfolge erzielten Einkommenszuwächse gekommen. Während die Renditen der Unternehmen und die Realeinkommen der Selbständigen in den achtziger Jahren erheblich gestiegen sind, stagnierten die Realeinkommen der Arbeitnehmer weitgehend. Verschlechtert hat sich die Situation für Arbeitslose, insbesondere für die längerfristig Arbeitslosen.

Gewerkschaften und Betriebsräte standen — auch aufgrund dieser dualen Interessenvertretung der Arbeitnehmer — tendenziell der Einführung neuer Technologien aufgeschlossen gegenüber; sie haben gleichzeitig versucht, bei Löhnen und Arbeitszeit entsprechende Kompensationen auszuhandeln. Dies ist ihnen aber angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und unter dem häufig restriktiven Kurs der Wirtschaftspolitik teilweise nur mit erheblichen Abstrichen gelungen. Die negativen Auswirkungen des gesunkenen nachgefragten Arbeitsvolumens auf die Beschäftigung sind zwar durch individuelle und kollektive Arbeitszeitverkürzungen erheblich gemildert worden; Produkt-und Prozeßinnovationen sind aber auch hier nicht in genügendem Umfang durch Innovationen bei der Verteilung von Einkommen und Arbeitszeit ergänzt worden, um den Strukturwandel so weit wie möglich sozialverträglich zu gestalten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. J. R. Hicks, The Theory of Wages, London 1932; R. F. Harrod. Towards a Dynamic Economics, London 1948; R. M. Solow. Growth Theory, New York 1970.

  2. Vgl. J. A. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin 1964.

  3. Vgl. J. Schmookler. Invcntions and Economic Growth. Cambridge. Mass.. 1966.

  4. Vgl. K. J. Arrow. The Economic Implications of Learning by Doing. in: The Review of Economic Studies. 29 (1962). S. 155-173.

  5. Vgl. E. Mansfield. The Economics of Industrial Innovation. New York 1968; F. M. Scherer. Innovation and Growth. Schumpeterian Perspectives. Cambridge. Mass.. 1984.

  6. Vgl. z. B. K. H. Oppenländer, Die Zukunft der kleinen und mittleren Unternehmen — die technologische Perspektive. Bonn 1984; F. Meyer-Krahmer. Der Einfluß staatlicher Technologiepolitik auf industrielle Innovationen, Berlin 1989.

  7. Vgl. Monopolkommission. Hauptgutachten 1986/87. Die Wettbewerbsordnung erweitern. Baden-Baden 1988, TZ 351, S. 162.

  8. Vgl. U. Cramer. Klein-und Mittelbetriebe: Hoffnungsträger der Beschäftigungspolitik, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. (1987) 1.

  9. Vgl. Der Bundesminister für Forschung und Technologie, Bundesbericht Forschung 1988, S. 249 ff.

  10. Vgl. F. Behringer, Diffusion von Mikroelektronik in Produkten und Prozessen und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigungsentwicklung der Betriebe, in: F. Meyer-Krahmer (Hrsg.), Sektorale und gesamtwirtschaftliche Beschäft-

  11. Vgl. Statistisches Bundesamt. Fachserie 18. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen.

  12. Vgl. hierzu und im folgenden: F. Stille/R. Filip-Köhn/H. Flassbeck/B. Görzig/E. Schulz/R. Stäglin. Strukturverschiebungen zwischen sekundärem und tertiärem Sektor. DIW-Beiträge zur Strukturforschung. Heft 107. Berlin 1988.

  13. Vgl. hierzu: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Exportgetriebener Strukturwandel bei schwachem Wachstum. Strukturberichterstattung 1987. DIW-Beiträge zur -trukturforschung, Heft 103, Berlin 1988, S. 224 ff.

  14. Vgl. hierzu und im folgenden: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Anm. 13), S. 66ff.

  15. Vgl. Angaben hierzu in: Der Bundesminister für Forschung und Technologie, Bundesbericht Forschung 1988. Bonn 1988, S. 391 ff.

  16. Vgl. Ifo-Strukturberichterstattung 1987, München 1987, S. 143 f.

  17. Vgl. hierzu den Überblick von G. F. Ray, Was aus Innovationen wird. Spätphasen der Verbreitung neuer Technolo-gien, in: ifo-Schnelldienst 34/88, S. 15— 20, und die dort angegebene Literatur.

Weitere Inhalte

FrankStille, Dr. rer. pol., geb. 1941; seit 1978 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin. Veröffentlichungen u. a.: (Koordination und Co-Autor) Exportgetriebener Strukturwandel bei schwachem Wachstum. Analyse der strukturellen Entwicklung der deutschen Wirtschaft, DIW-Beiträge zur Strukturforschung, Heft 103, Berlin 1988; Dienstleistungsproduktion und Dienstleistungssektor, in: Dienstleistungen im Strukturwandel, Beihefte zur Konjunkturpolitik, Nr. 35, Berlin 1988; (Projektleiter und Co-Autor) Strukturverschiebungen zwischen sekundärem und tertiärem Sektor, DIW-Beiträge zur Strukturforschung, Heft 107, Berlin 1988; (zus. mit R. Zwiener) Arbeitszeitverkürzung als Instrument der Beschäftigungspolitik. Zum „Lohnausgleich“ und den Beschäftigungseffekten im privaten und staatlichen Bereich, in: WSI-Mitteilungen, (1988) 10.