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Zur Funktion des Unternehmergewinns in der Marktwirtschaft | APuZ 52-53/1989 | bpb.de

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APuZ 52-53/1989 Gerechtigkeit Philosophische Analyse eines umstrittenen Begriffs Wirtschaft und Gerechtigkeit Zur Moral der Wirtschaftsordnung Zur Funktion des Unternehmergewinns in der Marktwirtschaft Artikel 1

Zur Funktion des Unternehmergewinns in der Marktwirtschaft

Gernot Gutmann

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In der gesellschaftspolitischen Diskussion wird das Streben nach Gewinn und Rentabilität oftmals als moralisch bedenklich angesehen, ohne daß dabei berücksichtigt wird, daß wegen der Komplexität des arbeitsteiligen Prozesses niemand in der Lage ist. das Gemeinwohl in seinen vielfältigen Dimensionen unmittelbar zu erkennen. Es bedarf daher in jeder Wirtschaftsordnung betrieblicher Erfolgsgrößen, an deren Erreichung die Unternehmungen interessiert sind und in denen sich mittelbar erkennen läßt, ob das wirtschaftliche Handeln der Betriebe einen Beitrag zum Gemeinwohl leistet oder nicht. Unter Bedingungen des Wettbewerbs erfüllen der Gewinn und der Verlust in marktwirtschaftlichen Betrieben solche unverzichtbaren medialen Funktionen. Es ergibt daher keinen Sinn, wenn man das Gewinnstreben moralisierend als negatives Verhalten schlechthin beurteilt. Sind Gewinne freilich nur noch Ergebnis von Marktmacht und nicht mehr von wettbewerblicher Kompetenz, dann werden sie — volkswirtschaftlich gesehen — zunehmend funktionslos. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des unter Wettbewerb zu erzielenden Gewinns wird besonders deutlich erkennbar, wenn man ihn mit jenen betrieblichen Erfolgsgrößen vergleicht, die in sozialistischen Planwirtschaften oder in der sozialistischen Marktwirtschaft Jugoslawiens die entsprechenden medialen Funktionen ausüben sollen, hierzu aber nur in sehr eingeschränktem Maße brauchbar sind.

I.

In der gesellschaftspolitischen Diskussion wird das Streben nach Gewinn als Motiv unternehmerischen Handelns häufig als etwas moralisch Bedenkliches oder gar Verwerfliches angesehen. „Profitorientiertes Wirtschaften, Profitstreben, Bereicherungssucht — das sind Vorwürfe, die nicht nur im Osten, sondern auch im Westen gegen das Profitprinzip und von daher gegen das Ordnungssystem der kapitalistischen Produktionsweise schlechthin erhoben werden.“ Diese ablehnende Haltung gegenüber dem Gewinnstreben wird meist von der Vorstellung getragen, das Wirtschaften der Menschen habe sich nicht an irgendwelchen materiellen Erfolgsinteressen zu orientieren, sondern am irgendwie verstandenen „Gemeinwohl“. Die Frage, ob es überhaupt möglich ist, daß der wirtschaftende einzelne, sei er Arbeitnehmer oder sei er Unternehmer, unmittelbar zu erkennen vermag, worin dieses Gemeinwohl eigentlich besteht, zu dessen Verwirklichung er beitragen soll, wird meist gar nicht gestellt. Einige Bemerkungen zu bestimmten Grundsachverhalten und Grundproblemen des Wirtschaftens, wie sie für alle Gesellschaften kennzeichnend sind, mögen die Problematik, mit der man es hier zu tun hat, ein wenig verdeutlichen.

Menschliche Bedürfnisse und Wünsche lassen sich nur dann und in solchem Umfang befriedigen, als die hierfür erforderlichen Sachgüter und Dienstleistungen verfügbar sind. Die meisten dieser Güter sind knapp in dem Sinne, daß die an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit verfügbare Menge nicht ausreicht, um alle Bedürfnisse und Wünsche, die sich darauf richten, völlig befriedigen zu können. Dieser Grundsachverhalt wird angesichts der Energie-und Rohstoffprobleme der Welt heute auch von der Allgemeinheit wieder besser verstanden als noch vor wenigen Jahren. Man betrachtet es daher als Aufgabe der Wirtschaft, die Individuen, die Gruppen und den Staat ressourcen-schonend mit all den Gütern möglichst gut zu versorgen, die zur Verwirklichung der vielfältigen Ziele der Lebenserhaltung und der Lebensgestaltung nötig sind.

Um das zu erreichen, müssen ständig Entscheidungen darüber getroffen werden, für welche Verwendungszwecke die der Menge und der Qualität nach immer nur begrenzt gegebenen Bestände an Produktionsfaktoren im arbeitsteiligen Prozeß des Wirtschaftens eingesetzt werden, welche Güter also mit dem verfügbaren menschlichen Arbeitsvermögen, mit dem vorhandenen Kapital (Gebäude und Einrichtungen, Maschinen, Werkzeuge, Vorräte an Hilfs-und Betriebsstoffen) sowie mit den natürlichen Hilfsquellen (Rohstoffe, Primärenergieträger, natürliche Wachstumskräfte, Boden als Standort der Produktion, Gewässer, Luft) erzeugt werden sollen.

Da sich das Wirtschaften arbeitsteilig im Verkehr zwischen vielen Einheiten vollzieht, ist es dem einzelnen nicht möglich, alle Bedürfnisse und Wünsche der vielen Menschen und den sich daraus ergebenden Bedarf an Gütern qualitativ und quantitativ unmittelbar zu erkennen. Er kann also das Gemeinwohl mit seinen vielfältigen Aspekten und Bezügen in seiner Gesamtheit nicht einschätzen. Ebenso wenig ist er in der Lage, alle angewandten oder anwendbaren technischen Möglichkeiten der Produktion, alle vorhandenen Rohstoffvorkommen oder die Bestände an Kapital zu überblicken. Kurz gesprochen: Niemand kennt den Grad an Knappheit der vielen Produkte und der Produktionsfaktoren unmittelbar. Es muß daher ein Verfahren geben, welches es ermöglicht, die unterschiedlichen Grade von Knappheit und Begehrtheit der einzelnen Güter und Faktoren sowie die ständigen Veränderungen dieser Knappheitsgrade mittelbar zu erkennen. Mit Hilfe eines solchen Verfahrens kann dann die Verwendung der Produktionsfaktoren so gelenkt werden, daß alle arbeitsteiligen EinzelVorgänge sachlich, zeitlich und räumlich richtig ineinander-greifen. damit so eine möglichst gute Versorgung mit Gütern zustande kommt, dem Gemeinwohl also bestmöglich gedient wird. Diese Lenkungsaufgabe kann nur vermittels der Wirtschaftsordnung bewältigt werden. Weil der einzelne Mensch nur Teil-stücke des ganzen Wirtschaftsprozesses zu überblicken vermag, muß in der Wirtschaftsordnung eine Ratio zur Geltung kommen, die es erlaubt, Knappheit so gut wie möglich sichtbar zu machen, um sie mindern und damit dem Gemeinwohl dienen zu können. Die Bewältigung dieser Lenkungsaufgabe wird dadurch erschwert, daß die einer Gesellschaft inne-wohnende Dynamik immerzu Veränderungen birgt. Die Bevölkerung wächst oder sie schrumpft;

die Ziele und Wünsche der Menschen wandeln sich;

politische Ereignisse und neue Erkenntnisse verändern die Lebensumstände. Die Lenkungsaufgabe erschöpft sich somit nicht darin, einen gegebenen Bestand an Produktionsfaktoren so in die alternativen Verwendungen zu dirigieren, daß die heutigen Bedürfnisse und Wünsche möglichst gut befriedigt werden können. Denn die Wirtschaft ist ständig in Entwicklung begriffen. Aus dem erzeugten Sozialprodukt wird fortlaufend ein bestimmter Teil investiert, damit die Arbeitsproduktivität gesteigert, die künftige Produktion erweitert, die Versorgung mit Gütern verbessert und der Wohlstand erhöht werden kann. Die Dynamik der Wirtschaft drückt sich freilich nicht alleine in der Vergrößerung des Kapitalstocks und in einer mengenmäßigen Ausweitung der Produktion bereits bekannter Güter mit Hilfe schon bekannter Herstellungsverfahren aus. Neue Herausforderungen und Probleme machen neue Problemlösungen erforderlich. Durch Forschung und Entwicklung, Ersteinführung neuer Organisations-und Fertigungsverfahren sowie neuer Produktarten (Innovation) und durch Verbreitung dieser neuen Verfahren und Erzeugnisse müssen neue Aufgaben — und alte Aufgaben in neuer Weise — bewältigt werden. Das Gemeinwohl hat also nicht nur eine sachliche, sondern auch eine zeitliche Dimension. Damit aber Entscheidungen über die Verwendung von Produktionsfaktoren so getroffen werden können, daß das Lenkungsproblem sowohl in seiner gegenwartsbezogenen wie auch in seiner zukunftsbezogenen Dimension möglichst gut gelöst wird, müssen die Entscheidungsträger ausreichendes Wissen über alle relevanten Daten besitzen. Da jedoch das für den gesamten Wirtschaftsprozeß letztlich notwendige Wissen auf alle an ihm beteiligten Menschen verstreut ist, dem Prozeß der Arbeitsteilung also eine Wissensteilung entspricht, können sich Wirtschaftssubjekte, die Dispositionen zu treffen haben, nicht damit begnügen, nur ihre jeweils eigenen unvollständigen Kenntnisse zu nutzen. Sie müssen sich zusätzliches Wissen von anderen Partnern des arbeitsteiligen Verkehrs beschaffen und darüber hinaus nach neuem Wissen suchen. Es entsteht daher die Frage, auf welche Art und Weise die Entscheidungsträger in den Besitz jenes Wissens über alle Umstände gelangen, die für das Gemeinwohl relevant sind, wie sie also entscheidungsrelevante Informationen erwerben, verbreiten, speichern und nutzen können, und ob und wie sie darüber hinaus neues Wissen erwerben und anwenden. Um sich aber möglichst großes Wissen aneignen und es den Dispositionen zugrunde legen zu könB nen, müssen die Entscheidungsträger hierzu auch entsprechend motiviert sein. Eine Wirtschaftsordnung muß daher Vorkehrungen treffen und Mechanismen bereithalten, die entsprechende Leistungen stimulieren oder erzwingen, damit das wirtschaftliche Entscheiden und Handeln nicht nur den jeweiligen Entscheidungs-und Handlungsträgern selbst gegenwärtige oder zukünftige Vorteile bringt, sondern auch den anderen Menschen, mit denen sie arbeitsteilig verbunden sind — damit also Gemeinwohl erreicht wird. Die Formen der Informationsgewinnung und Wissensnutzung, der Motivierung zur Suche nach neuem Wissen und zur Leistungsbereitschaft sowie die Formen des Leistungszwangs werden durch die jeweils bestehende Wirtschaftsordnung maßgeblich beeinflußt.

Es ist infolge der außerordentlichen Komplexität der interdependenten Wirtschaftsprozesse überhaupt nicht verwunderlich, daß das, was jeweils als Gemeinwohl verstanden wird, weder in marktwirtschaftlichen noch in zentralverwaltungswirtschaftlichen Ordnungen und Wirtschaftssystemen vom einzelnen nicht hinreichend erkannt werden kann. Niemand ist in der Lage, die Folgen seines eigenen ökonomischen Handelns für andere Menschen auch nur annähernd unmittelbar vorauszusehen. Die Wirkungen und Rückwirkungen im komplexen arbeitsteiligen Prozeß sind dafür zu verzweigt und vielfältig. Die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen und Handlungen für das Gemeinwohl können nur mittelbar erfahren werden. Es bedarf daher in jeder Wirtschaftsordnung medialer Instrumente, die über dieses Gemeinwohl informieren und die Wirtschaftssubjekte motivieren, ihr Handeln auf dessen Verwirklichung auszurichten. Daß es sich hierbei um ein generelles Problem handelt und nicht etwa nur um ein solches von Marktwirtschaften, lehrt die leicht zu beobachtende Tatsache, daß auch in sozialistischen Wirtschaftssystemen das Streben der Menschen nach materiellem Erfolg bewußt als Motor zur Bewältigung des wirtschaftlichen Lenkungs-und Leistungsproblems genutzt wird. Man versucht nämlich, die individuellen Einkommen an den Grad jener Leistungen zu koppeln, mit denen der einzelne zum von ihm nicht direkt erkennbaren Gemeinwohl beiträgt, das wiederum in Zentralverwaltungswirtschaften von politischen Instanzen definiert wird. Um es mit Otto Reinhold, dem Rektor der SED-Akademie für Gesellschaftswissenschaften, zu formulieren: „Wer mehr leistet, muß mehr, wer weniger leistet, weniger erhalten. Die konsequente Durchsetzung dieses Prinzips ist das Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit, das im Sozialismus erreicht werden kann.“

Gewinne in Marktwirtschaften, Gewinnplanerfüllung und an diese geknüpfte Prämien in Zentralverwaltungswirtschaften sowie Einkommen in markt-sozialistischen Wirtschaften (s. dazu weiter unten S. 37 f.) sind wichtige betriebliche Erfolgsgrößen, die diese mediale Aufgabe erfüllen sollen. Wenn die jeweilige Wirtschaftsordnung ihren Bauprinzipien entsprechend konsistent ausgestaltet ist. dann schlagen sich nämlich Veränderungen der für das Gemeinwohl relevanten Umstände in veränderten Werten dieser Erfolgsgrößen nieder, was dann dazu motiviert, sich im eigenen Interesse diesen Veränderungen durch ökonomische Entscheidungen anzupassen. Es besteht daher gar keine Veranlassung, das in den Betrieben zu beobachtende materielle Erfolgsstreben — in Marktwirtschaften also das Streben nach Gewinn — moralisierend als ein notwendig negatives Verhalten zu beurteilen. Man hat es hier vielmehr mit einer Grundkonstanten wirtschaftlichen Verhaltens zu tun, „die man nicht nur hinzuzunehmen hat, sondern die, gesamtwirtschaftlich gesehen, sogar unentbehrlich und positiv zu werten ist“

Interessant ist wohl auch, daß sich die häufig anzutreffende Ablehnung des Strebens nach materiellem Erfolg im Wirtschaften meist auf die Gewinnerzielung der Unternehmen beschränkt. Das Interesse an einem möglichst hohen Arbeitslohn, und werde dieser von der entsprechenden Gewerkschaft noch so aggressiv vorgetragen, oder der Wunsch nach einer möglichst hohen Verzinsung von Sparkonten werden von diesem Verdikt kaum betroffen. Als Ursache wird man vermuten dürfen, daß solche undifferenziert negative Akzentuierung des Gewinnstrebens letztlich — sei es bewußt oder unbewußt — ein Ausfluß marxistischer Denkweise ist, für das die Vokabeln Wert, Mehrwert, Profit und Ausbeutung und die hinter diesen Worten stehenden Definitionen sowie die oft abstrusen Vorstellungen über den Ablauf marktwirtschaftlicher Prozesse charakteristisch sind und das den Blick für die wirklichen Zusammenhänge nur zu leicht verstellt.

Nicht geringe Verwirrung in der Diskussion um die ökonomische Bedeutung von materiellen Erfolgs-größen — und damit des Gewinns — dürfte auch der Umstand verursacht haben, daß in den modelltheoretischen Analysen der Wirtschaftswissenschaft aus heuristischen Gründen oft mit der Kunst-figur des homo oeconomicus gearbeitet wird. Dieses konstruierte Wirtschaftssubjekt, das nur das bedingungslose Ziel einer Maximierung des Gewinns kennt, besitzt vollkommene Information über seine ökonomische Umwelt und kann unendlich schnell auf Veränderungen dieser Umwelt reagieren. In der wirtschaftlichen Wirklichkeit hingegen vollzieht sich die Gewinnerzielung unter Nebenbedingungen monetärer und nichtmonetärer Art. Hierzu gehören die notwendige Sicherung einer ausreichenden Liquidität des Unternehmens ebenso wie das Streben nach Prestige, nach Unabhängigkeit, nach wirtschaftlicher Macht oder aber nach Verwirklichung sozialethischer Grundsätze. Es kommt hinzu, daß konfligierende Ziele von Anteilseignern (Gewinne, Rentabilität) und von Arbeitnehmern (Sicherheit des Arbeitsplatzes, humane Arbeitsbedingungen, hohes Lohneinkommen) Kompromisse erfordern und die Möglichkeit zur Gewinnerzielung erheblich limitieren. In der Realität herrscht daher nicht das Prinzip der (unbedingten) Gewinnmaximierung vor, sondern das Prinzip einer bedingten Rentabilität Freilich ist das Streben nach Gewinn und nach Rentabilität in Verbindung mit privaten Eigentumsrechten an den sachlichen Produktionsmitteln wesentliches Element einer marktwirtschaftlichen Ordnung und unverzichtbare Voraussetzung für deren heute sogar von den sozialistischen Staaten neidvoll anerkannte Effizienz. Bevor die ökonomischen Funktionen des Gewinns noch etwas näher beschrieben werden können, scheint es jedoch sinnvoll, zunächst zu klären, was man unter Gewinn und unter Rentabilität überhaupt zu verstehen hat.

II.

Ohne hier auf Probleme der praktischen Gewinnermittlung im Detail eingehen zu wollen, läßt sich der Betriebserfolg (Gewinn oder Verlust) eines Einzel-unternehmens oder einer Personengesellschaft, also die Differenz zwischen den Umsatzerlösen und den Kosten einer bestimmten Wirtschaftsperiode, durch folgende einfache Staffelrechnung beschreiben:

Umsatzerlöse während der Periode +/— Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen — Materialkosten (Kosten für Roh-, Hilfs-und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren und Leistungen)

— Personalkosten (Löhne, Gehälter, soziale Abgaben und Aufwendungen)

— Abschreibungskosten (Abschreibungen auf Anlagevermögen und Umlaufvermögen)

— Zinskosten — Steuern — sonstige Kosten = Gewinn (Verlust) im weiteren Sinne Dem Gewinnziel dienen also alle unternehmerischen Entscheidungen, welche Umsatzerlöse erhö33 hen und Kosten vermindern. Der Gewinn in dieser Definition hängt davon ab, welche Erlöse (Umsatz) das Unternehmen aus dem Verkauf der von ihm erzeugten Produkte — bei einem Handelsbetrieb: der von den Herstellern bezogenen Güter — erzielen konnte und welche Kosten es für den Einsatz der von den Beschaffungsmärkten bezogenen menschlichen und sachlichen Produktionsfaktoren aufgewendet hat. Dieser Gewinn im weiteren Sinne enthält demnach noch den Untemehmerlohn und die Eigenkapitalverzinsung.

Bei Einzelunternehmen und bei Personengesellschaften (Gesellschaften des Bürgerlichen Rechts, Offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Stille Gesellschaften) wird für die Mitarbeit der Unternehmer im eigenen Betrieb kein Gehalt bezahlt, das als Kostenfaktor in den Personalkosten der obigen Staffelrechnung Berücksichtigung fände. Das Entgelt für die Arbeitsleistung der Unternehmer steckt daher in diesem Gewinnbetrag. Ein Maßstab für die zu kalkulierende Höhe des Untemehmerlohns ist das Gehalt eines leitenden Angestellten, das für eine der Arbeit des Unternehmers gleichartige Tätigkeit bezahlt werden müßte. Wird das Unternehmen nicht in der Rechtsform eines Einzeluntemehmens oder einer Personengesellschaft betrieben, sondern handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft (Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Reederei u. a.), dann liegen die Dinge anders. So ist etwa das Gehalt des Geschäftsführers einer GmbH oder der Vorstandsmitglieder einer AG vertraglich vereinbart und wird in obiger Staffelrechnung in der Position „Personalkosten“ bereits berücksichtigt. Gleiches gilt bei Mischformen zwischen Personen-und Kapitalgesellschaften (wie bei der GmbH & Co KG oder der AG & Co KG), wenn die Unternehmensleitung per Vertrag beschäftigt ist. In solchen Fällen enthält der Bilanzgewinn keinen Untemehmerlohn mehr.

In den Zinskosten der obigen Staffelrechnung sind nur jene Zinsen enthalten, die auf kurz-oder langfristig aufgenommene Fremdkapitalbeträge bezahlt werden müssen. Es muß aber auch das betriebsnotwendige Eigenkapital durch das Unternehmen verzinst werden, denn sonst wäre es für die Kapitaleigner zweckmäßiger, das Eigenkapital nicht in das eigene Unternehmen zu stecken, sondern es am Kapitalmarkt zinstragend anzulegen. Hat man vom gesamten Eigenkapital den betriebsnotwendigen Anteil festgestellt, dann erfolgt dessen rechnerische Verzinsung zu einem Kalkulationszinsfuß, der den Konditionen der günstigsten Beschaffungsmöglichkeit für Fremdkapital oder den Konditionen der optimalen Alternativanlage entspricht Diese Eigenkapitalzinsen sind ebenfalls im Gewinn im weiteren Sinne enthalten.

Will man den Gewinn im engeren Sinne bestimmen, dann muß die Staffelrechnung wie folgt fortgeführt werden:

Gewinn im weiteren Sinne — Untemehmerlohn 1 kalkulatorische — Eigenkapitalzinsen J Größen = Gewinn (Verlust) im engeren Sinne Das Betreiben eines Unternehmens ist mit Risiken verschiedenster Art verbunden. Es gibt spezielle Risiken wie Unfälle. Diebstahl, Feuer, Bergschäden, Wasserschäden u. a., die sich in der Regel versicherungstechnisch erfassen lassen. Soweit solche spezielle Risiken durch Versicherungsverträge abgedeckt werden, entstehen Kosten für Versicherungsprämien. Diese sind dann in der obigen Staffelrechnung in der Position „sonstige Kosten“ enthalten. Neben solchen speziellen gibt es aber noch allgemeine Unternehmensrisiken, die nicht versicherbar sind. Hierzu gehören Wagnisse, wie sie aus der Kreation neuer Produkte und neuer Produktionsverfahren, aus der Erschließung neuer Märkte, aus Konjunkturrückschlägen, aus politischen Ereignissen, aus der Einführung neuer Organisationsstrukturen und aus anderen Ungewißheiten erwachsen. Diese allgemeinen Unternehmerrisiken lassen sich nicht versicherungstechnisch als Kostenfaktoren ansetzen, sondern sie sind aus dem Gewinn im engeren Sinne zu decken. „Dem allgemeinen Risiko des Verlustes stehen entsprechende Chancen des Gewinns gegenüber.“ Insoweit auch spezielle Risiken nicht durch Abschluß von Versicherungsverträgen — bei dadurch entstehenden Kosten — abgedeckt werden, enthält der Gewinn im engeren Sinne auch noch entsprechende kalkulatorische Wagniszuschläge, sozusagen als Prämien für eine Selbstversicherung. So gesehen entpuppt sich der Gewinn im engeren Sinne — worauf Hans von Mangoldt bereits vor über 100 Jahren hingewiesen hat — als ein Entgelt für eingegangene Wagnisse. Er ist ein Erfolgsindikator für die Bewältigung von Ungewißheit und es gilt: „Die mit einer Unternehmung verbundene Gefahr (ist) eine Last, die in der Regel niemand umsonst auf sich nehmen will. Es muß deshalb außer dem Ersatz für die aufgewendeten Kosten noch ein Überschuß in Aus-sicht stehen.“ Dabei könne man wegen der allgemeinen Risikoaversion von Menschen nicht davon ausgehen, daß ein Unternehmer erwartete Verluste und erwartete Gewinne gleicher Größenordnung in jeweils gleicher Weise gewichtet, so daß — längerfristig betrachtet — Gewinnerwartungen die Verlusterwartungen übersteigen müssen, damit Wagnisse eingegangen werden. „Im allgemeinen ist der Mensch empfindlicher für die Entbehrung als für den Genuß . . .; insbesondere pflegt die Schwere des Verlustes in stärkerem, die Bedeutung der Gewinne in schwächerem Verhältnis zuzunehmen als ihre Größe. Aus diesem Grunde wiegt in der Regel ein gewisses objektives Maß von Gewinnaussichten das gleiche Maß von Verlustmöglichkeiten nicht auf und es tritt das Angebot von Untemehmerdiensten daher gewöhnlich erst unter Umständen ein, die mehr Gewinn als Verlust versprechen.“

Bei Einzeluntemehmen und bei Personengesellschaften fließen Unternehmerlohn (als Entgelt für geleistete Arbeit), Eigenkapitalzinsen (als Entgelt für das Zurverfügungstellen von betriebsnotwendigem Kapital) und der Gewinn im engeren Sinne (als Entgelt für eingegangene Wagnisse) jenen Personen zu, die zum Kreis der Unternehmer gehören, wobei hier die Frage der internen Verteilung innerhalb dieser Personengruppe nicht behandelt werden soll. Die Eigentümer eines solchen Unternehmens üben zwei Funktionen aus: Sie tragen einmal das Kapitalrisiko und sie leiten zum anderen das Unternehmen. Auch hier soll nicht näher darauf eingegangen werden, welche der Gesellschafter stärker diese oder jene der beiden Funktionen erfüllen. Anders ist das in Kapitalgesellschaften, in denen die Anteilseigner zwar das Kapitalrisiko tragen, die unternehmerischen Führungsentscheidungen jedoch Geschäftsführern (Vorständen) übertragen werden, die im Regelfall selbst am Unternehmen nicht beteiligt sind. Die von einer Aktiengesellschaft ausgeschüttete Dividende enthält daher zwar Eigenkapitalzinsen und Risikoprämien, aber keinen Unternehmerlohn.

Die Rentabilität läßt sich bestimmen, indem man den Unternehmenserfolg — im positiven Falle also den Gewinn im weiteren Sinne — mit dem eingesetzten Kapital ins Verhältnis setzt. Da Unternehmen meist sowohl mit Eigenkapital als auch mit Fremdkapital (Krediten) arbeiten, lassen sich demnach folgende Rentabilitätskennziffern berechnen: (a) Die Gesamtkapitalrentabilität (GR) ergibt sich dadurch, daß man folgende Größen in Beziehung setzt:

GR = Gewinn im engeren Sinne + Eigenkapitalzinsen 4-Fremdkapitalzinsen Eigenkapital + Fremdkapital x 100 (b) Die Eigenkapitalrentabilität (ER) errechnet sich nach der Formel:

NN _ Gewinn im engeren Sinne + Eigenkapitalzinsen 1 AA Eigenkapital Die Kapitalrentabilitäten weisen aus, wie sich das eingesetzte Kapital (Gesamtkapital oder Eigenkapital) durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens in der betrachteten Periode tatsächlich verzinst hat.

III.

Gewinne und Kapitalrentabilität werden, so hat die einfache Staffelrechnung gezeigt, beeinflußt vom Umsatz und von den Kosten in der betrachteten Wirtschaftsperiode. Sowohl Umsatzerlöse als auch Kosten basieren aber auf unternehmerischen Entscheidungen über Mengengrößen — das sind Entscheidungen über Art und Menge der hergestellten Güter und über die Einsatzmengen menschlicher und sachlicher Produktionsfaktoren — sowie auf den Preisen aller dieser Güter, die sich auf Märkten bilden. Den von den Unternehmern getroffenen Planentscheidungen liegt zunächst ihr Wissen über die jeweiligen konkreten Umstände und die örtlichen Gegebenheiten zugrunde. Die Entscheidungsträger in den Unternehmungen kennen weitgehend die technischen Möglichkeiten ihrer Betriebe und auch deren Ausstattung mit Produktionsfaktoren. Sie wissen, wo, von wem und zu welchem Preis Produktionsmittel aller Art beschafft werden können. Sie verfügen über Erfahrungen hinsichtlich der zweckmäßigen Organisationsformen im betrieblichen Geschehnisablauf und sind in der Lage, sich allgemein zugängliche, aber auch unternehmens-individuell erworbene wissenschaftliche Erkenntnisse nutzbar zu machen. Darüber hinaus müssen sie sich aber, wie schon dargelegt wurde, mittelbar Wissen hinsichtlich der Ziele, die andere Wirtschaftssubjekte anstreben, sowie hinsichtlich der unterschiedlichen Knappheitsgrade der Produktionsfaktoren und der Produkte verschaffen. Die Kenntnis dieser Umstände wird in Marktwirtschaften im Tauschverkehr durch die Beobachtung von Preisen und Preisveränderungen gewonnen, die den Einzelwirtschaften Chancen und Risiken ihrer möglichen Dispositionen anzeigen und die Erfolgs-größe Gewinn positiv oder negativ beeinflussen. Durch diese Marktsignale erhalten die Eigentümer der Unternehmungen oder das von ihnen beauftragte Management Hinweise darauf, wie Eigentumsrechte im eigenen Interesse genutzt werden können. Gleichzeitig vermitteln dieselben Markt-signale Weisungen darüber, wie diese Eigentumsrechte volkswirtschaftlich richtig ausgeübt werden müssen, wenn die unternehmerischen Gewinn-und Rentabilitätsziele tatsächlich erreicht werden sollen. Dies gilt uneingeschränkt dann, wenn an den Märkten in zureichendem Maße Wettbewerb besteht, die Preise also ihre Funktion der Informationsvermittlung unverfälscht erfüllen können.

Die von diesen Preisen abhängigen Erfolgsgrößen Gewinn und Rentabilität stellen daher verdichtete Informationen darüber dar, ob das unternehmerische Handeln und die eingegangenen Risiken volkswirtschaftlich richtig, also letztlich dem Gemeinwohl dienlich waren oder nicht. Da die am Ende einer Wirtschaftsperiode tatsächlich entstandenen Gewinne oder Verluste die Zukunftserwartungen der Unternehmer mit beeinflussen, sind sie auch bedeutsam für die Entscheidung, in der Zukunft erneut Risiken einzugehen oder nicht. Die Funktion des Gewinns als Maßstab der einzelwirtschaftlichen Erfolgskontrolle und seine gesamtwirtschaftliche Bedeutung läßt sich bildhaft vergleichen mit einem Radargerät in der Luftfahrt: Der Pilot eines Flugzeugs ist bei Nacht und Nebel überhaupt nicht in der Lage, den ihn umgebenden Luftraum und den Boden unmittelbar zu erkennen. Er hat also nicht die Möglichkeit, sein Handeln durch direkte Beobachtung als richtig oder falsch einzustufen. Seine Umgebung wird für ihn aber durch Beobachtung des Radarschirms mittelbar erfahrbar. Indem er dann seine Steuergeräte entsprechend der Radaranzeige bedient, handelt er sowohl in seinem eigenen Interesse als auch gleichzeitig im Interesse (Gemeinwohl) seiner Passagiere richtig.

Man muß sich auch vor Augen halten, daß im Wettbewerbsprozeß erzielte Gewinne ständig einer Erosion unterliegen, die sich wie folgt beschreiben läßt: Unterschiedliche Gewinne und Kapitalrentabilitäten in den verschiedenen Branchen der Wirtschaft und in den verschiedenen Unternehmungen je einer Branche zeigen an, daß die Unternehmer in der volkswirtschaftlichen Aufgabe einer bestmöglichen Verwendung der knappen Faktorbestände und damit in ihrem jeweiligen Beitrag zur Entstehung von Gemeinwohl sehr unterschiedlich erfolgreich sind. Im Wettbewerbsprozeß an den Märkten reagieren die unternehmerischen Akteure entsprechend ihren verschiedenartigen menschlichen Fähigkeiten unterschiedlich schnell und flexibel auf die Informationssignale der Preise. Die einen, die Pionierunternehmer einer Branche, erzielen daher durch Innovationen in der Form neuer Produkte, neuer Herstellungsverfahren und neuer Organisationsmethoden zunächst Vorsprungsgewinne, die freilich im Laufe der Zeit durch die einsetzende Konkurrenz der Imitatoren dezimiert werden. Diese Gewinn-erosion läßt dann Pioniere — aus Eigeninteresse — nach neuen gewinnträchtigen Innovationen suchen.

Pionierunternehmer kann freilich nicht jeder sein, „es gehören dazu die seltene Fähigkeit der Kreativität und der Initiativkraft sowie der Wagemut zur außergewöhnlichen Leistung. Kaum etwas ist schwieriger zu beurteilen als die Summe der Eigenschaften, die in diesem oder jenem Falle zum Innovationserfolg und zum Pioniergewinn geführt haben.“ Die Ungewißheit über den Erfolg des neuen Weges verlangt zunächst äußerst wagemutige Investitionsentscheidungen, denn es ist ungewiß, ob und in welchem Maße es überhaupt gelingen kann, die investierten Beträge durch den Markt wieder vergütet zu bekommen. Wie lange sich der Pionier seines Vorzugsgewinns erfreuen kann, wie schnell also die Nachahmer für die Gewinnerosion sorgen, hängt von einer Reihe von Umständen ab. Hierzu gehören: Informationen der potentiellen Imitatoren über die neuen Möglichkeiten der Gewinnerzielung und die Höhe der Gewinnerwartungen, die Verfügbarkeit von Wissen über die technisch-organisatorischen Möglichkeite'n. die Produktion aufzunehmen und sie zu finanzieren, der Grad an Freiheit des Marktzutritts sowie die Intensität des Wettbewerbsdrucks, dem die potentiellen Imitatoren ausgesetzt sind

Für die Entstehung und Entwicklung neuer Produkte, neuer Märkte und neuer Produktionsverfahren, also für die ständig notwendige Anpassung in der Art der Verwendung knapper Bestände an Produktionsfaktoren, erfüllt der Gewinn unter Bedingungen des Wettbewerbs demnach unverzichtbare Funktionen. Freilich muß auch deutlich gesagt werden, daß es privaten Machtgruppen und staatlichen Instanzen immer wieder gelingt — mitunter sogar in beiderseitigem Einvernehmen —, die Angebots-oder die Nachfrageseite von bereits etablierten Märkten gegen potentielle inländische oder ausländische Wettbewerber teilweise oder ganz zu schließen und so innovatorischen Druck auszuschalten. Instrumente hierzu sind prohibitive Einfuhrzölle, Einfuhrverbote oder -kontingentierungen, Investi-tionsverbote oder langdauemde Genehmigungsverfahren ebenso wie Preisbindungen der zweiten Hand, Kartellbildung, Großfusionen, Liefersperren oder Exklusivverträge, Streiks und Aussperrungen und andere Praktiken der privaten Beschränkung von Wettbewerbsfreiheit. In solchermaßen von außen reglementierten oder gegen potentielle Konkurrenz „geschützten“ Märkten verliert der Prozeß der Preisbildung zunehmend seine Grundfunktion, Informationen über die tatsächlichen Grade von Knappheit der Güter und Faktoren zu vermitteln. Gewinne und Verluste werden an solchen Märkten — volkswirtschaftlich betrachtet — weitgehend funktionslos. Sie sind dann nur noch Ergebnis von Macht und nicht von Wettbewerbs-faktoren. Die ordnungspolitische Aufgabe, die hieraus erwächst, besteht nun aber nicht etwa darin, das Streben nach Gewinn zu verbieten und so die medialen volkswirtschaftlichen Funktionen, die der Gewinn zu erfüllen hat, zu blockieren und sie im Rahmen einer anderen, nicht marktwirtschaftlichen Ordnung durch andere Größen (wie Prämien für Planerfüllung) zu ersetzen, sondern sie besteht darin, durch Wettbewerbspolitik Marktmacht aufzulösen und zu unterbinden.

In der Praxis der Wirtschaftspolitik unserer Tage wird diese fundamentale Aufgabe der wirtschaftlichen Ordnungspolitik zwar in markanten Reden oft beschworen, häufig aber nur mit allerlei politisch motivierten Einschränkungen tatsächlich betrieben. Die von Walter Eucken formulierte Aussage: „Wie also Privateigentum an Produktionsmitteln eine Voraussetzung der Wettbewerbsordnung ist, so ist die Wettbewerbsordnung eine Voraussetzung dafür, daß das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht zu wirtschaftlichen und sozialen Mißständen führt“ läßt sich aber analog auch auf die Gewinnerzielung anwenden. So wie das Streben nach Gewinn als Motiv für innovatorisches Handeln Voraussetzung für das Funktionieren von Wettbewerbsprozessen ist, so ist Wettbewerb die Voraussetzung dafür, daß das Streben nach Gewinn und Rentabilität dem Gemeinwohl dient und nicht wirtschaftliche und soziale Mißstände hervorruft.

IV.

Die Bedeutung des Gewinns als Prämie für Wagnisse, die im Wettbewerbsprozeß eingegangen werden, und seiner medialen volkswirtschaftlichen Funktionen werden besonders deutlich, wenn man ihn mit jenen betrieblichen Erfolgsgrößen vergleicht, die in anderen Wirtschaftsordnungen entsprechende Aufgaben erfüllen sollen.

In der marktsozialistischen Wirtschaftsordnung Jugoslawiens wird der Betriebserfolg gewerblicher Unternehmungen am Unternehmenseinkommen pro Kopf der zur Stammbelegschaft zählenden Arbeitskräfte gemessen. Dieses Einkommen pro Kopf ist also die Erfolgsgröße, auf die das Interesse der Betriebe gerichtet ist, und es enthält keine vertraglich fixierten Löhne als selbständiges Kostenelement. Das Einkommen des einzelnen ist abhängig vom Unternehmenserfolg oder -mißerfolg insgesamt. Die auf diese Erfolgsgröße gerichteten Unternehmensentscheidungen haben in Jugoslawien häufig zur Folge, daß man Produktionsausweitungen nicht durch zusätzliche Beschäftigung von Arbeitskräften und damit durch intensivere Nutzung des vorhandenen Kapitalbestandes vornimmt — neue Arbeitskräfte werden von den bereits vorhandenen Belegschaftsmitgliedern als unnötige Kostgänger am Unternehmenseinkommen verstanden —, sondern durch Investitionen. Weniger knappe Arbeit wird so durch knappes Kapital ersetzt, das Ausmaß an Beschäftigungslosigkeit in der Wirtschaft auf diese Weise erhöht oder zumindest nicht vermindert. Es kommt so zu Fehllenkungen der Produktionsfaktoren selbst dort, wo Wettbewerb besteht und gute Konjunktur herrscht. Die betriebliche Erfolgsgröße „Einkommen pro Kopf“ ist daher nur eingeschränkt dazu geeignet, das ökonomische Handeln auf Gemeinwohl auszurichten.

In Planwirtschaften besteht das Ziel der Unternehmen darin, Prämien für den Nachweis der Erfüllung oder Übererfüllung staatlicher Planauflagen zu erhalten. Die Planungsbehörden versuchen, durch die Vorgabe prämienrelevanter Verpflichtungen an die Betriebe diesen indirekt Signale zu vermitteln, was durch die politischen Entscheidungsträger jeweils als Gemeinwohl definiert wird. Sie versuchen auch, das Handeln der Betriebsangehörigen durch Prämien an dieses vorgegebene Gemeinwohl zu binden. Die Leistung des Betriebs wird also durch einen Vergleich von Plansoll mit dem Ist gemessen. Das hat zur Folge, daß die Betriebe bestrebt sind, einen „weichen Plan“ zu erhalten, indem sie die Planungsbehörden in mannigfaltiger Weise mit falschen Informationen über den Bedarf an Material und Arbeitskräften und über andere relevante Tatbestände versorgen. Als Folgen hiervon ergeben sich die bekannten Erscheinungen vergleichsweise geringer Arbeitsproduktivität, verschwenderischen Umgangs mit Produktionsmitteln und mangelhafte Versorgung der Bevölkerung mit Gütern verschiedenster Art. „Die vielfach geradezu grotesken Erscheinungsformen dieser betrieblichen Planerfüllungsstrategie sind Ausdruck des Widerspruchs zwischen betrieblichen Erfolgsinteressen und dem Gesamtinteresse an der Knappheitsminderung. . . Bei der ordnungspolitischen Konstellation: zentrale Planung, Planauflagen, Planerfüllungs-und Prämienprinzip werden die betrieblichen Erfolgsinteressen ökonomisch geradezu pervertiert.“ Die in Osteuropa derzeit beobachtbaren Wirtschaftsreformen haben ihre Ursache in hohem Maße in eben dieser Perversion.

Fussnoten

Fußnoten

  1. K. Paul Hensel, Über die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Systeme betrieblicher Ergebnisrechnung, in: ders. /Kurt Wessely/Ulrich Wagner (Hrsg.), Das Profitprinzip — seine ordnungspolitischen Alternativen in sozialistischen Wirtschaftssystemen, Stuttgart 1972, S, 1..

  2. Otto Reinhold in: Neues Deutschland vom 8. August 1989, S. 3.

  3. K. P. Hensel (Anm. 1).

  4. Vgl. Gerhard Prosi. Volkswirtschaftliche Auswirkungen des Mitbestimmungsgesetzes 1976, Köln 1978, S. 14.

  5. Vgl. Günter Wöhe. Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre. München 198616, S. 1153.

  6. Ebd.. S. 1155.

  7. Vgl. Alfred Schüller, Der Gewinn in der Marktwirtschaft, in: Bodo B. Gemper (Hrsg.), Gewinn und Verlust. Beiträge zur einzel-und gesamtwirtschaftlichen Funktion der Gewinnmaximierung. Köln 1976, S. 3.

  8. Hans von Mangoldt. Die Lehre vom Unternehmergewinn. Ein Beitrag zur Volkswirtschaftslehre. Leipzig 1855. S. 165.

  9. Ders.. Grundriß der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 1863. S. 107; vgl. auch Erich Streissler. Der Unternehmer in der deutschen Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts, in: Bernhard Gahlen et. al. (Hrsg.), Wirtschaftswachstum, Strukturwandel und dynamischer Wettbewerb. Emst Helm-städter zum 65. Geburtstag, Berlin-Heidelberg 1989, S. 30 ff.

  10. Vgl. G. Wöhe (Anm. 5). S. 48.

  11. A. Schüller (Anm. 7). S. 6.

  12. Vgl. ebd., S. 7.

  13. Walter Eucken. Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen-Zürich 19603, S. 275.

  14. K. Paul Hensel, Das Profitprinzip — Seine ordnungspolitischen Alternativen in sozialistischen Wirtschaftssystemen, in: ders. /Kurt Wessely/Ulrich Wagner (Anm. 1), S. 17.

Weitere Inhalte

Gernot Gutmann, Dr. rer. pol., geb. 1929; Studium der Volkswirtschaftslehre 1950— 1954; Habilitation an der Philipps-Universität Marburg 1963, seit 1971 o. Professor an der Universität zu Köln. Zahlreiche Veröffentlichungen zu volkswirtschaftlichen Themen.