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Familien im gesellschaftlichen Wandel: Herausforderungen an eine künftige Familienpolitik im geeinten Deutschland | APuZ 14-15/1991 | bpb.de

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APuZ 14-15/1991 Familien im gesellschaftlichen Wandel: Herausforderungen an eine künftige Familienpolitik im geeinten Deutschland Soziale Ungleichheit zwischen Frauen und Männern im geteilten und im vereinten Deutschland Existenzgründungen durch Frauen Frau und Mann in der Geistesgeschichte seit der Aufklärung

Familien im gesellschaftlichen Wandel: Herausforderungen an eine künftige Familienpolitik im geeinten Deutschland

Max Wingen

/ 26 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Ausgehend von grundlegenden Elementen des bisherigen familienpolitischen Handelns in der Bundesrepublik als Antwort auf den gesellschaftlichen und familialen Wandel werden familienpolitische Perspektiven für das geeinte Deutschland vorgestellt. Besondere Beachtung verdient dabei die Tendenz zu einer ausgeprägteren Pluralität familialen Zusammenlebens, die ihren Niederschlag u. a. darin findet, daß zur „Normalfamilie“ in zunehmenden Maße Alleinerziehende, Stiefeltemschaften, Ein-Personen-Haushalte und nichteheliche Lebensgemeinschaften getreten sind. Dieses wirft die Frage nach den Grenzen des Pluralismus auf, der angesichts der personalen und gesellschaftlichen Bedeutung des Lebenszusammenhangs von Eltern und Kindern (nach wie vor überwiegend in der ehebezogenen Familie anzutreffen) nicht der Beliebigkeit preisgegeben werden darf. Für eine künftige Familienpolitik werden eine Reihe von konzeptionellen Elementen angesprochen: die Orientierung an unterschiedlichen „Grundmustern", wobei der Autor für ein am Menschen als personalem Wesen orientiertes Grundmuster plädiert, das auf einer ausgewogenen Balance einer „Familienmitgliederpolitik“ und einer „Institutionenschutzpolitik“ beruht; die Sicht der Familie als eines dynamischen Prozesses; die Notwendigkeit einer auf die spezifischen Phasen innerhalb der Familie abgestimmten Gestaltung der Familienpolitik, wobei Geldleistungen in zunehmendem Maße durch die Förderung von sozialen Netzwerken zu ergänzen sind; mehr Pluralität und Flexibilität in den Rollenmustern von Mann und Frau zwischen Familien-und Erwerbstätigkeit, was gerade auch Veränderungen in der Organisation der Erwerbsarbeitswelt erfordert. Die Familienpolitik wird — im Unterschied zur früheren DDR — staatlicherseits kein einheitliches Erziehungsleitbild vorgeben können und dürfen. Schließlich ist in den nächsten Jahren verstärkt mit Koordinationsbemühungen der EG-Kommission zur Weiterentwicklung der Familienpolitik in der Gemeinschaft zu rechnen.

I. Einführung

Im folgenden soll versucht werden, einige konzeptionelle Elemente familienpolitischen Handelns in der Bundesrepublik Deutschland als Antwort auf veränderte Problemlagen von Familien in einer sich wandelnden Gesellschaft aufzuzeigen und dabei den einen oder anderen Unterschied zur Situation in der ehemaligen DDR herauszuarbeiten. Auf diesem Hintergrund sollen einige erkennbare familien-politische Perspektiven für das geeinte Deutschland vorgestellt werden. Solche Perspektiven zu formulieren ist sicherlich ein ebenso dringliches wie risikobehaftetes Unterfangen. Sollten sich dabei utopische Elemente mit einschleichen, so bleibt immerhin daran zu erinnern, daß utopisches Denken zum Menschsein gehört.

Für eine Verständigung über die Familie im gesellschaftlichen Wandel und über die auf die Gestaltung der familialen Lebensbedingungen gerichtete Familienpolitik wird man davon ausgehen können, daß das geeinte Deutschland Elemente des gesellschaftlichen Wandels in beiden bisherigen Teilen Deutschlands aufweisen wird. Auch die Menschen der ehemaligen DDR haben — trotz des Zusammenbruches ihrer wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Ordnung — einiges in das neue Deutschland einzubringen. Sicherlich wird das Neue auch im Feld der künftigen Familienpolitik mit den konstitutiven Grundsätzen des familienpolitischen Systems der alten Bundesrepublik in Übereinstimmung stehen müssen. Elemente inkonsistenter Ordnungen einfach verbinden zu wollen würde nur neue Konflikte schaffen. Deshalb wäre es höchst problematisch, lediglich auf Konvergenz der familienpolitischen Systeme der ehemaligen beiden deutschen Staaten hin zu denken.

Gesamtdeutschland wiederum ist im Blick auf eine Europäische Gemeinschaft, deren gemeinsamer Binnenmarkt nach 1992 nur eine weitere Stufe hin zu einer politischen Union darstellen wird, zu sehen. Deutschland bildet dabei ein wichtiges ökonomisches und soziales Potential, dem nach wie vor große politische Bedeutung für die tatsächlichen Lebensbedingungen von Familien zukommt, das aber zugleich politische Kompetenzen an eine europäische Entscheidungsebene abzugeben haben wird. Familienpolitik wird künftig immer mehr auch „europäische Familienpolitik“ sein müssen.

Eine weitere Vorbemerkung erscheint wichtig, wenn nach der Situation der Familien im gesellschaftlichen Wandel und nach den Anforderungen an familienpolitische Antworten gefragt wird: Die Situation der Familien in einer Gesellschaft mit einem mehr oder minder entfalteten System von Familienpolitik ist stets auch das Ergebnis dieser familienpolitischen Interventionen. Familienpolitik kann dabei verstanden werden als bewußtes und planvoll-ordnendes, zielgerichtetes öffentliches (d. h. in der Regel auch machtgedecktes) Einwirken auf Struktur und Funktionen der Familien, sei dies direkt (wie in Teilen des Familienrechts) oder entsprechend der freiheitlichen Grundordnung weit mehr indirekt über die Gestaltung der äußeren, sozialökonomischen und soziokulturellen Lebensbedingungen der Familien

II. Grundlagen, Ansatzpunkte und Strukturen familienpolitischen Handelns

1. Pluralität familialen Zusammenlebens Die sich verändernden wirtschaftlichen, sozialen und demographischen Familienstrukturen in ihrer wechselseitigen Bezogenheit geben einen zentralen Hintergrund ab für eine ausgeprägte Pluralität familialer Lebensformen. Sicherlich hat es auch in der Vergangenheit ein Nebeneinander von unterschiedlichen Familientypen gegeben, dennoch scheint die Pluralität in der Gegenwart noch größer zu werden. Vor allem tragen die Wertorientierungen in bezug auf Familie (und Ehe) sehr viel individualistischere Züge; denn die Auswahl zwischen unterschiedlichen Lebensoptionen ist unverkennbar größer geworden, was die Selbstverständlichkeit von Elternschaft wie auch deren Verknüpfung auf der institutionellen Ebene mit der Ehe nicht unberührt gelassen hat.

Neben dem Typus der „Normalfamilie“ im Sinne des kernfamilialen Haushaltes eines Eltempaares mit Kindern (bei starkem Rückgang der Kinderzahl) finden sich in wachsendem Maße Ein-Eltern-Familien (Alleinerziehende). Vor der Wiedervereinigung belief sich ihre Zahl in der Bundesrepublik auf über eine Mio. alleinerziehender Mütter und Väter mit minderjährigen Kindern. Den Hintergrund hierfür bildet vor allem die Zunahme der Scheidungsrate, und zwar auch bei Ehen mit Kindern, sowie eine sinkende Bereitschaft wieder zu heiraten. Auf diesem Hintergrund wird gelegentlich sogar von einer wachsenden „Normalität“ von Ein-Eltern-Familien gesprochen. Bei einer (kleinen) Minderheit Alleinerziehender kann die bewußte Entscheidung einer Frau zum Kind, aber auch gegen einen Ehepartner stehen, wie es schon vor einem Vierteljahrhundert in Schweden beobachtet werden konnte. Die Tendenz einer wachsenden zahlenmäßigen Bedeutung Alleinerziehender wird durch die ausgeprägten Entwicklungen in den vergangenen Jahren in der früheren DDR zusätzlich verstärkt. So weisen neuere Untersuchungen darauf hin, daß hier mindestens 400 000 Alleinerziehende hinzuzurechnen wären. Dieses ergäbe für das vereinte Deutschland eine Größenordnung von etwa 1, 35 Mio. Ein-Eltern-Familien.

Die Pluralität von Familienformen erfährt noch eine weitere Facette durch eine deutliche Zunahme von Stiefelternschaften. Der sozialhistorisch keineswegs neue, aber nunmehr vor neuem sozialen Entstehungshintergrund zu sehende Sachverhalt der Familien mit Kindern in der Stiefelternsituation findet vielleicht noch nicht immer die Beachtung, die ihm auch in familienpolitischer Sicht zukommt. An die Stelle des früheren Kindbettodes und der dadurch entstehenden Halbwaisen tritt nunmehr die Situation der „Scheidungswaisen“, die, sofern der sie betreuende Elternteil sich wieder verheiratet, in eine Stiefeltemfamilie kommen. Etwas verallgemeinert läßt sich sagen: In zunehmendem Maße wachsen Kinder nicht in der Familie auf, in die sie hineingeboren wurden. Bereits Anfang der achtziger Jahre wurde in der ehemaligen Bundesrepublik die Zahl der minderjährigen Kinder im Haushalt von Stiefeltern auf über eine Mio. veranschlagt (860 000 beim Stiefvater und 200 000 bei der Stiefmutter)

Was die haushalts-und familienstatistischen Daten schließlich zu untermauern vermögen, ist die in Zukunft offenbar noch wachsende Neigung der einzelnen zu einer möglichst unabhängigen und von den individuellen Bedürfnissen her bestimmten Lebensführung. Mit der tendenziellen Verkleinerung der Haushalte und Familien ist eine „Singularisierung“ im Sinne der Vereinzelung von Familienteilen verbunden. Besonders ausgeprägt stellt sich auch die zahlenmäßige Ausdehnung der Ein-Personen-Haushalte dar: Inzwischen sind ein Drittel der Privathaushalte Ein-Personen-Haushalte. Dies ist ein weiterer Beweis für strukturelle Wandlungen im Bereich des familialen Zusammenlebens.

Verzicht auf Wiederverheiratung, Situation des Alleinerziehers u. ä. bedeutet nicht, daß auf paarbezogenes Zusammenleben auf jeden Fall verzichtet wird. Nichteheliches Zusammenleben trat verstärkt, zumindest vorübergehend, an die Stelle der Ehe, und zwar nicht nur in der ehemaligen Bundesrepublik, sondern auch in der früheren DDR, wo Ende der achtziger Jahre etwa 30 Prozent der Unverheirateten im Alter von 20 bis 40 Jahren zusammenlebten. Dabei sollte unter familienpolitischem Aspekt wiederum deutlich unterschieden werden zwischen nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern und solchen ohne Kinder

Zur Ausdifferenzierung der These von der größeren Pluralität familialer und familiennaher Lebensformen gehört schließlich der Hinweis auf die eher noch wachsende Bedeutung des Drei-bzw. Viergenerationenverbundes für das familiale Zusammenleben. Angehörige der verschiedenen Generationen leben immer weniger im selben Haushalt. Der Anteil der Drei-und Viergenerationenfamilien-haushalte an allen privaten Haushalten ist inzwischen auf weniger als zwei Prozent zusammengeschrumpft. Das bedeutet aber nicht, daß nicht Angehörige der verschiedenen Generationen im zeitlichen Nebeneinander leben. Ein favorisiertes Leitbild, sowohl von Seiten der Kinder-als auch der Altengeneration, läßt sich auf die bekannte Formel bringen: „innere Nähe bei äußerer Distanz“. Man macht sich viel zu wenig klar, daß wohl kaum in der Vergangenheit die Kinder der Enkelgeneration in solch zahlenmäßigem Ausmaß ihre Groß-und Urgroßeltern persönlich gekannt haben, wie dieses heute und auf absehbare Zukunft der Fall ist.

Bei aller Pluralität familialer Lebensformen in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit bleibt in der familienpolitischen Perspektive gleichwohl zu betonen: Das, was als Familie zu gelten hat, darf nicht zur Beliebigkeit sozialer Beziehungen verkommen. Damit ist die Frage nach der Grenze von pluralen Familienformen gestellt, in denen das für die Familie Konstitutive gewahrt und unter Umständen sogar zeitgemäß besser ausgeprägt wird. Diese Frage ist sicherlich nicht einfach zu beantworten, aber für ein künftiges Konzept der Familienpolitik im geeinten Deutschland geradezu zentral. Das Zusammenleben von Eltern und Kindern kann einer Gesellschaft nicht gleich gültig und damit gleichgültig sein. Entsprechend darf Politik hinsichtlich des familialen Zusammenlebens wegen der Einbettung von Familie in die kulturelle Lebensordnung einer Gesellschaft sicherlich keinen unbegrenzten „Pluralismus der Beliebigkeit“ akzeptieren. Eine Grenzüberschreitung ist wohl erreicht, wenn aus einem sicherlich von kleinen Minderheiten vertretenen gesellschaftspolitischen Ansatz heraus schon Mitte der achtziger Jahre formuliert wurde, notwendig seien „Initiativen zur Erleichterung nicht-ehelicher Formen des Zusammenlebens mit dem Ziel, sämtliche familienrechtliche Vorschriften entsprechend auf sie anzuwenden; die Gleichstellung hätte sich dabei auf gleichgeschlechtliche oder mehrere Personen umfassende Familien zu erstrecken“. Denn es gelte, die „familiale Gesellungsform" weiterzuentwickeln: „Unter Familie würde dann das primäre Netzwerk verstanden, in dem sich freie Frauen und Männer, allein, zu zweit oder im Dutzend einrichten.“ Wo die Herrschaft der Beliebigkeit grenzenlos wird, ist wirkliche Freiheit aufs äußerste gefährdet.

Bei einer Auseinandersetzung mit Problemen und Entwicklungsperspektiven der Familie erscheint wichtig, zwischen Familien als gelebter Wirklichkeit (= familiales Zusammenleben als konkrete Alltagswirklichkeit) und dem institutionellen Rahmen von Familienleben (= Familie als Institution) zu unterscheiden. Familie als Alltagswirklichkeit ist, wie die jüngere familienwissenschaftliche Forschung herausgearbeitet hat, als ein „dynamischer Prozeß“ zu sehen Dies gilt in mehrerer Hinsicht: Aufeinanderfolge unterschiedlicher, durch jeweils spezifische Problemlagen gekennzeichnete Phasen im Familienzyklus sowie in der Generationenfolge, aber auch Wandel der familialen Lebensformen und Erscheinungsweisen im sozialhistorischen Ablauf, und zwar nicht nur in einer spezifisch auf die sozialen Schichten bezogenen Sicht.

Demgegenüber erscheint Familie als Institution, die gekennzeichnet wird durch Formen der gesellschaftlichen Anerkennung, viel dauerhafter zu sein. Gleichwohl lassen sich auch hier Wandlungen von noch gar nicht abzuschätzender Tragweite ausmachen. Dieses wird z. B. dort deutlich, wo (vermehrt) gefragt wird, inwieweit die sozialen Inhalte von Ehe und Familie im Sinne der Verfassungsnormen sowie die feste Zuordnung beider Institutionen unverändert aus der Zeit der Schaffung des Grundgesetzes übernommen werden könnten Diese feste Zuordnung von Ehe und Familie scheint, zumindest als wechselseitiger Zusammenhang, heute in Teilen der Gesellschaft mehr oder weniger deutlich in Frage gestellt. Ergebnisse der empirischen Umfrageforschung über Einstellungen zu Ehe und Familie im Wandel der Zeit deuten darauf hin, daß zwar eine Abkehr von der Lebensform Familie und damit dem Lebenszusammenhang (verantworteter) Elternschaft nicht vorliegt, wohl aber eher eine zunehmend geringere Einschätzung ihrer institutioneilen Sicherungen etwa durch Ehe

Die künftige Familienpolitik im geeinten Deutschland wird hier klar Stellung beziehen müssen. Gute Gründe sprechen dafür, der Grundorientierung an der ehebezogenen Familie den Vorzug zu geben. Andererseits muß Familienpolitik als Gesellschaftspolitik im familialen Bereich dazu beitragen, daß in größtmöglicher Übereinstimmung mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen wie tendenzielle Vergrößerung von individuellen Entscheidungs-spielräumen, Gleichberechtigung der Geschlechter, partnerschaftliche Strukturen mit Aufhebung starrer geschlechtsspezifischer Rollenfixierungen die grundlegenden die Person prägenden und die Gesellschaft bildenden Basisleistungen von Familie auch unter veränderten familialen Strukturen gewahrt bleiben. 2. Leistungen und Leistungsbehinderungen von Familien — Entscheidung zu einem familienpolitischen „Grundmuster"

Familien in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen erbringen nach wie vor grundlegende Leistungen sowohl für den einzelnen als auch für die größeren Gemeinschaften. Wichtig erscheint, daß eine Reihe von elementaren „Funktionen“ (Aufgaben und Leistungen) in der Hand der Familie gebündelt sind. Dazu gehört auch die generative Funktion, die Generationenfolge zu sichern.

Nachweislich sehen sich Familien in der von ihnen erwarteten Erfüllung personal und gesellschaftlich wichtiger Leistungen verschiedenartigen, teils sehr nachhaltigen Behinderungen ausgesetzt. Es sei nur auf die Einkommenslage unter den Bedingungen einer marktleistungsbestimmten Einkommensverteilung verwiesen. Es geht hier nicht nur um bloße Einkommensgrößen, sondern vor allem um die materielle Absicherung von elementaren Erziehungsund Bildungsleistungen gegenüber der nachwachsenden Generation. Ein zweites Beispiel für Leistungsbehinderungen bildet der Bereich der Wohnungsversorgung und der Gestaltung des Wohnumfeldes der Familien. Dieses ist sicherlich ein Aspekt, der beim Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands ebenfalls besondere familien-politische Beachtung verdient, zumal in der ehemaligen DDR Mängel in der Wohnungsversorgung weit mehr als in der früheren Bundesrepublik anzumahnen sind. Ein drittes Beispiel betrifft die generative Leistung der Familien. Wiederum sind hier (industrie-) gesellschaftliche Strukturen, aber auch Auswirkungen politischer Entscheidungen in den verschiedenen Handlungsfeldern von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur auszumachen, die die Erfüllung der generativen Funktion der Familie nicht gerade erleichtern. So stellte schon Anfang der achtziger Jahre der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft in einem Gutachten fest: „In der Vergangenheit hat sich in den einzelnen politischen Bereichen eine ungewollte Kumulation von Anreizen ergeben, auf Nachkommenschaft zu verzichten.“

Die grundlegenden Leistungen von Familien geben die Legitimationsgrundlage ab für eine möglichst umfassende Familienpolitik, deren „Querschnittscharakter“ in den vergangenen Jahren in wachsendem Maße erkannt und anerkannt worden ist. Die vielfältigen Leistungsbehinderungen bezeichnen wichtige Ansatzpunkte für zielgerichtete familien-politische Interventionen, deren Wirkungsgrenzen in jüngerer Zeit etwas deutlicher erkannt werden als in den ersten Jahrzehnten der Durchsetzung und Grundlegung dieses Politikbereichs.

Für die künftige Familienpolitik im geeinten Deutschland erscheint dabei besonders wichtig, sich von vornherein auf ein in sich möglichst konsistentes familienpolitisches „Grundmuster“ zu verständigen. Bei genauerem Hinsehen lassen sich nämlich mehrere konkurrierende „Grundmuster“ von Familienpolitik ausmachen, die zwar in der Realität nicht in ihrer idealtypischen Ausprägung zu finden sind, aber offensichtlich die (reale) Politik in ihrer konkreten Ausgestaltung bestimmen. Als solche familienpolitische Grundmuster lassen sich unterscheiden — ein vorrangig individualistisch orientiertes Grundmuster: Bei diesem wird sehr betont vom Recht und den Bedürfnissen des einzelnen ausgegangen. Wichtige Leitprinzipien bilden hier die Wahrung individueller Freiheitsrechte und die möglichst weitgehende Selbstentfaltung des einzelnen. — ein vorrangig gesamtgesellschaftlich (kollektivistisch) orientiertes Grundmuster: Dieses Grund-muster ist stärker auf die Gesellschaft als Ganzes orientiert. Die Familie wird besonders als Subsystem in ihrem Bezug auf die Gesellschaft gesehen. Die „Dienstleistungsfunktion“ der Familie für die Gesellschaft tritt in den Vordergrund. — ein vorrangig familienzentriertes Grundmuster: Bei diesem werden die Eigenständigkeit, der Eigenwert und die vorstaatlichen Rechte der Familie hervorgehoben. Im Vordergrund steht die Familie als Einheit. Gegenüber den Problemlagen in der Alltagswirklichkeit des Zusammenlebens von Eltern und Kindern in seinen unterschiedlichen Erscheinungsweisen dominieren der Schutz und die Sicherung des institutionellen Charakters der Familien, der gewährleistet und gefördert werden soll. — ein am Menschen als personalem Wesen orientiertes Grundmuster: Dieses Grundmuster versucht die interdependenten Verflechtungen von Indivi-duum, Familie (in ihrer Alltagswirklichkeit und ihrem institutioneilen Rahmen) und Gesellschaft möglichst ausgewogen zu berücksichtigen, weil eine Vernachlässigung dieser unaufhebbaren Wechselwirkung auf Dauer wohl nicht ohne Beeinträchtigung des Einzel-und Gemeinwohls möglich ist. Im Vordergrund steht hier ein auf Gemeinschaft bezogenes Menschenbild; Familie hat dabei eine dem Staat und der Gesamtgesellschaft vorgelagerte Eigenbedeutung, die gleichwohl relativ, weil auf die Person bezogen ist.

Eine Entscheidung für das zuletzt genannte „Grundmuster“ dürfte auch aus ordnungspolitischer Sicht der Familienpolitik im geeinten Deutschland am ehesten eine tragfähige Perspektive verleihen, und zwar gerade auch im Blick auf die in der Vergangenheit doch nicht unbeträchtliche Auseinanderentwicklung der Sozialordnungen in den beiden Teilen Deutschlands. Bei einer betonten Orientierung an dem zuletzt genannten Grund-muster sollte es dann auch möglich sein, eine relative Ausgewogenheit von „Familienmitgliederpolitik“ und „Institutionenschutzpolitik" in den tatsächlichen familienpolitischen Maßnahmen sichtbar werden zu lassen. 3. Familie als dynamischer Prozeß Die familienwissenschaftliche Forschung hat in der Vergangenheit wichtige Ergebnisse über die unterschiedlichen Problemlagen von Familien in verschiedenen Phasen der Familienentwicklung herausgearbeitet. Hier ist u. a. auf die „Familienzyklusforschung“ zu verweisen. Instrumente zur Erfassung dieser unterschiedlichen Problemlagen auf der Grundlage datenorientierter Informationen sind z. B. im Rahmen der Arbeiten an einer „Familienstrukturbeobachtung“ entwickelt worden Wenn Familie danach heute weniger denn je als ein statisches Gebilde, sondern vielmehr als ein dynamischer Prozeß zu sehen ist, so folgt daraus für eine systematische Familienpolitik, das familienpolitische Gesamtkonzept und die einzelnen Maßnahmen sehr viel stärker mit Blick auf die spezifischen Phasen der Familie zu gestalten. Dieser Denkansatz ist im Bereich der früheren Bundesrepublik inzwischen weithin akzeptiert, er sollte auch für die Weiterentwicklung der Familienpolitik im geeinten Deutschland einen zentralen Stellenwert besitzen. In Verbindung damit gilt es, die unterschiedlichen Gruppen von Familien mit je speziellen Merkmalen und daraus erwachsenden Sonderproblemen zu sehen, wie Beispiele von Familien mit behinderten Angehörigen oder von ausländischen Familien zeigen. Dies verweist zugleich auf das Erfordernis einer betont auf den Adressaten bezogenen Ausgestaltung der Familienpolitik, die dabei zugleich sozialräumliche Besonderheiten zu beachten hat.

Bei dieser Sichtweise stoßen wir im einzelnen auf unterschiedliche familiale Leistungsfelder mit spezifischen Leistungsbehinderungen, die die Breite des erforderlichen familienpolitischen Ansatzes deutlich machen:

Da gilt es einmal, den spezifischen Belastungssituationen von jungen Ehen und Familien gerecht zu werden, die in besonderem Maße im Spannungsfeld von Familienleben und Erwerbsarbeit stehen. Besondere Bedeutung kommt hier den in den letzten Jahren entwickelten Maßnahmen des Erziehungsgeldes, des Erziehungsurlaubs und der Anrechnung von Erziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, daß die genannten Maßnahmen nicht isoliert gesehen, sondern in ihrer inneren Bezogenheit aufeinander — als „Maßnahmenbündel“ — weiterentwickelt werden.

Von der Problemlage junger Familien zu unterscheiden wäre etwa diejenige der Familien mit Kindern in Ausbildung. Wenn mehrere Kinder eine weiterführende Schul-und Berufsausbildung durchlaufen, führt dies zu erheblichen finanziellen Belastungen des Familienhaushalts, wie noch jüngst z. B. spezielle Untersuchungen im Land Baden-Württemberg gezeigt haben

Wiederum anders gelagert ist die Situation der Familien mit pflegebedürftigen alten Angehörigen. Aus den bekannten absehbaren demographischen Entwicklungen wird sich die Problemlage gesamtgesellschaftlich in den kommenden Jahren noch deutlich verschär•fen.

Die personalen Ressourcen der Familien mit seit über 20 Jahren drastisch gesunkenen Kinderzahlen werden auf längere Sicht deutlich kleiner. Bisher werden immer noch insbesondere Frauen, die im zeitlichen Nacheinander Kinder aufziehen und alte Familienangehörige pflegen, doppelt belastet.

Die Politik wird gerade im letztgenannten Falle nicht allein auf die Familie und ihre Selbsthilfemöglichkeiten setzen können; die Familien brauchen dazu auch gesellschaftliche Hilfen („care for the caregivers"). In diesem Zusammenhang sei an den Bericht der Sachverständigenkommission für den Vierten Familienbericht der Bundesregierung erin-nert, in dem diese Zusammenhänge — ebenso wie die Notwendigkeit einer Pflegesicherung — mit Nachdruck hervorgehoben worden sind. Dort ist zugleich auf Grenzen hingewiesen worden, die sich aus der Situation der jungen Familie ergeben können: „Die Verantwortlichkeit den alten Eltern gegenüber muß um gegebene Grenzen wissen: Nicht nur Kinder haben zu akzeptieren, was ihre Eltern nicht mehr können, sondern auch die alten Eltern haben zu akzeptieren, was ihre Kinder ihnen gegenüber nicht tun können, ohne die eigene Existenz, die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu gefährden oder gar die eigene Ehe aufs Spiel zu setzen.“

Aus den Veränderungen der Familienstrukturen ist für die Familienpolitik noch eine wichtige Folgerung zu ziehen: Neben den Geldleistungen (familienbezogenen Transferleistungen) gewinnen mehr und mehr Maßnahmen an Bedeutung, die in der Stützung und Förderung von haushaltsübergreifenden sozialen Netzwerken bestehen. Der Familienlastenausgleich im engeren Sinne ist bei weitem noch nicht voll realisiert, wie vor allem die geradezu bahnbrechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Sommer 1990 zur Notwendigkeit der Einkommensteuerfreiheit des Existenzminimums von Kindern eindrucksvoll und hoffentlich politikwirksam gezeigt hat; gleichwohl hat er längst eine neue Dimension hinzugewonnen: die Berücksichtigung des wegfallenden Einkommens eines Eltemteils bei überwiegender Betreuung eines Kleinkindes durch spezielle Erziehungsgeldleistungen. Auch ein solchermaßen erweiterter Familienlastenausgleich ist noch keineswegs befriedigend ausgebaut, und schon zeichnet sich jenseits der einkommenspolitischen Maßnahmen die Dringlichkeit der weiteren Ergänzung im Feld der sozialen Dienstleistungen deutlich ab. Die Förderung haushaltsübergreifender sozialer Netzwerke, die sowohl für junge Familien wie auch für Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen wichtig sind, kann maßgeblich dazu beitragen, daß sich neue Formen der Gemeinschaftsbildung entwickeln, und zwar gerade auch im Bereich der nichtverwandtschaftlichen Beziehungen. 4. Gewährleistung der Pluralität und Flexibilität in den Rollenmustern von Mann und Frau Unterschiedliche familiale Lebensmuster müssen nicht nur formalrechtlich möglich, sondern auch tatsächlich „lebbar“ sein. Vor allem wird die künftige Familienpolitik in einem geeinten Deutschland darauf angelegt sein müssen, mehr Pluralität und Flexibilität in den Rollenmustern von Mann und Frau zwischen Familien-und Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Hier besteht ein Nachholbedarf in den alten und in den neuen Bundesländern. Dabei müssen beide Wege gangbar und auch zumutbar sein: sowohl die Form des zeitlichen Nebeneinanders von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung (sog. „simultanes“ Verhaltensmuster) als auch der Weg des phasenversetzten zeitlichen Nacheinanders von Erwerbsphase, dominanter Familienphase und sich wieder anschließender Erwerbsphase bzw. sozialem Engagement (sog. „sukzessives“ Verhaltensmuster). Im übrigen schließt eine tatsächliche Wahlfreiheit auch die Möglichkeit der Korrektur eines zunächst gewählten Verhaltensmusters mit ein.

Die verschiedenen Verhaltensmuster erfordern jeweils spezifische flankierende Maßnahmen bzw. Infrastruktureinrichtungen. Für das Nebeneinander von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung bedeutet dieses, daß z. B. eine adäquate Infrastruktur im Bereich der außerhäuslichen Kleinkindbetreuung zur Verfügung stehen muß. Diese weist in der bisherigen Bundesrepublik noch erhebliche quantitative und in der früheren DDR erhebliche qualitative Mängel auf. In der ehemaligen DDR wurde der Krippenerziehung ein stärkeres Gewicht als der Familienerziehung gegeben. Dahinter stand neben ideologischen Aspekten der Kollektivierung der Kleinkindererziehung das große Interesse des Staates an einem möglichst durchgängigen Vollzeitarbeitsverhältnis der Frau. Eine solchermaßen stärkere Gewichtung der Krippenerziehung vor der Familienerziehung und damit spezifische Form der Instrumentalisierung der Familienpolitik kann nicht zur Perspektive einer künftigen Familienpolitik in Deutschland gehören. Krippenerziehung sollte vor allem keine Alternative aus wirtschaftlichen Gründen sein (müssen). Jedoch waren für die einzelne Familie in beiden Teilen Deutschlands immer wieder wirtschaftlichen Zwänge nachweisbar und wirksam.

Manche „Vorteile“ für Frauen in der ehemaligen DDR erweisen sich bei genauer Prüfung als wenig realitätsnah; dafür gibt es in der bisherigen Bundesrepublik andere Diskrepanzen von Theorie und Realität. Eine frappierende Parallele, also keineswegs ein Gegenüber von „These“ und „Antithese“, läßt sich z. B. in der wichtigen Frage der Gleichberechtigung der Frauen ausmachen: Anfang 1990 wurde der Frauenbericht der Bundesregierung auf einer UNO-Konferenz vorgestellt, und zwar mit der darin zum Ausdruck kommenden Einschätzung, daß die Gleichberechtigung in der (alten) Bundesrepublik zwar rechtlich garantiert, aber in zahlreiB chen Bereichen noch nicht gesellschaftliche Wirklichkeit sei Für die ehemalige DDR wird über den Frauenalltag berichtet, daß die Frauen in Fragen der Gleichberechtigung im sozialistischen Osten einen Nachholbedarf hätten. Denn die Gleichstellung von Mann und Frau sei zwar 40 Jahre lang offiziell verkündet und als vollzogen deklariert worden, aber die Wirklichkeit sähe anders aus. Faktisch hätten die Frauen in vielen Bereichen weniger erreicht als ihre Schwestern im Westen. Besonders eindrucksvoll erscheint die folgende Feststellung in dem durch den Beauftragten des Ministerrats für die Gleichstellung von Frauen und Männern herausgegebenen „Frauenreport ’ 90“, der kurz vor der Wiedervereinigung erschien: „Der vorliegende Report macht offensichtlich, daß an der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung als der historischen Wurzel einer patriarchalen Gesellschaft und der damit verbundenen kultivierten sozialen Ungleichheit von Frauen und Männern auch in der gescheiterten zentralistischen Planwirtschaft der DDR nie gerüttelt wurde. Im Gegenteil, sie wurde in vertrauter Gemeinsamkeit, beginnend beim Bildungssystem, über die berufliche Qualifikation, die Gestaltung der Berufs-und Arbeitswelt und über eine einseitig auf die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Mutterschaft statt Elternschaft orientierte Sozialpolitik aufs neue reproduziert.“

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn zu den zu überwindenden Voraussetzungen des bisherigen sozialistischen Sozialsystems aus westdeutscher Sicht kritisch bemerkt worden ist, es sei „trotz permanenter Beteuerung der Gleichberechtigung der Geschlechter ausgesprochen patriarchalisch konzipiert: Die gesellschaftliche Position der Frau wird durchgängig in ihrer dreifachen Rolle gesehen: als volleinsatzfähige Werktätige, als Gebärerin und als Haus-und Ehefrau, die der sozialistischen Ökonomie die Reproduktionsfähigkeit gewährleistet. Andererseits haben die weiblichen Werktätigen und Mütter durch die wohltönenden Reden der Agitatoren einerseits und die rauhe Wirklichkeit des Lebens andererseits ein großes, auf seine Art hochpolitisches Selbstbewußtsein entwickelt.“

Wo immer die Diskrepanzen im Geschlechterverhältnis überwunden werden sollen, wird zugleich das Wohl des Kindes ein zentraler Bezugspunkt sein und bleiben müssen. Hierzu kann an eine Feststellung erinnert werden, die schon im Zweiten Familienbericht der Bundesregierung von Mitte der siebziger Jahre getroffen wurde: Da das Kind der schwächste Teil der Familie sei, bedürfe es des besonderen Schutzes auch gegenüber den Emanzipationsforderungen der Eltern dann, wenn diese sich nur auf Kosten der Rechte des Kindes einlösen ließen Im übrigen wird eine richtig verstandene emanzipatorische Grundeinstellung auch die Befreiung des Mannes aus herkömmlichen männlichen Rollenklischees einschließen müssen. Frauenfragen sind eben auch Männerfragen; Bewußtseins-und Verhaltensänderung zur Überwindung strikter geschlechtsbezogener Rollenzuweisungen sind auf beiden Seiten notwendig. Die Familienpolitik " hat ihrerseits, etwa im Feld der Regelungen von Erziehungsgeld und -urlaub, solche „Auflockerungsübungen“ im Rollenverhalten des Mannes möglichst zu unterstützen, indem dieser nicht nur formal einbezogen wird, sondern indem durch flankierende bildungspolitische Maßnahmen sowie durch eine entsprechende betriebliche Personal-und Familienpolitik der Boden für männliches Engagement in Familie und Haushalt bereitet wird Vor allem in der bisherigen DDR galten Männer weithin als die zuverlässigeren Arbeitnehmer, die beruflich eher gefördert wurden. „Diese Situation ist über die Familienpolitik verfestigt worden, in dem der größte Teil der Maßnahmen ausschließlich an die Frau adressiert wurde.“

Aus denselben Zusammenhängen heraus dürfte es auch zu erklären sein, daß sich kaum Teilzeitarbeit von Männern in der ehemaligen DDR fand. Männer, die wegen eines im Vergleich zur Ehefrau geringeren Verdienstes oder aus persönlichen Gründen eher eine Familientätigkeit anstrebten, konnten im paternalistischen Sozialstaat DDR nicht einfach von sich aus entscheiden, ob sie teilzeitbeschäftigt sein wollten. Vielmehr war es Aufgabe der Betriebsleiter und der Gewerkschaftsleitung, „die vorgebrachten Gründe für Teilzeitbeschäftigung zu prüfen, den erforderlichen Zeitraum dafür festzulegen sowie nach Ablauf dieses Zeitraumes erneut zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen die ganztägige Beschäftigung wieder aufgenommen wird.“ Im Bereich einer familienorientierten flexiblen Teilzeitarbeit besteht damit für die neuen Bundesländer, aber auch für die ehemalige Bundesrepublik noch ein erheblicher Nachholbedarf.

Hier gilt es enge Zusammenhänge mit übergreifenden, die Gesellschaftsordnung betreffenden politischen Konzeptionen zu sehen: Handlungsspielräume für junge Eltern zu erweitern hegt ganz auf der Linie des ordnungspolitischen Konzepts der „Sozialen Marktwirtschaft“. Da diese für das vereinte Deutschland eine maßgebliche Orientierungsgrundlage darstellt, bleibt daran zu erinnern, daß es sich dabei nicht nur um ein die Wirtschaftsordnung, sondern auch um ein die Gesellschaftsordnung betreffendes Konzept handelt. Manche Epigonen haben dieses in der Folgezeit etwas vorschnell verdrängt. Allerdings ist ein Denken in Gesellschaftsordnungen auch wissenschaftlich schon deutlich weniger grundgelegt. 5. Familienpolitik als Sozialisationspolitik: Verzicht auf ein staatlich verordnetes einheitliches Erziehungsleitbild

Die Familienpolitik wird, herausgefordert durch die bisherige Entwicklung im anderen Teil Deutschlands, nicht vermeiden können, sich mit der grundsätzlichen Frage, wie das Sozialisationsziel bestimmt wird, in unserem Gemeinwesen weiter auseinanderzusetzen. In der jüngsten Vergangenheit wurde dieses in der alten Bundesrepublik u. a. bei der Neuordnung des Jugendhilferechts deutlich. In Übereinstimmung mit der familienpolitischen Grundorientierung in der bisherigen Bundesrepublik wird auch in der künftigen Familienpolitik in Deutschland kein einheitliches Erziehungsleitbild staatlicherseits vorgegeben werden können.

Gleichwohl könnte in der Weiterentwicklung der künftigen Grundstrukturen der Familienpolitik der Begriff der persönlichen Verantwortung ein größeres Gewicht erhalten, insbesondere in seiner gesellschaftsbezogenen Dimension. So steht der einzelne als Person stets Erwartungen der Gesellschaft gegenüber, die ihn mitträgt. In der westdeutschen Gesellschaft in vergangenen Jahren -sind den unver kennbar sehr ausgeprägte individualistische Akzente in den Einstellungen und Verhaltensweisen der Menschen sichtbar geworden. In der ehemaligen DDR wurden demgegenüber kollektivistische Akzente gesetzt, zumindest in den offiziellen programmatischen Verlautbarungen, die freilich nicht selten in eklatantem Widerspruch zum tatsächlichen Verhalten der einzelnen standen. So wird es gerade hier um ein neu ausbalanciertes Verhältnis von Eigenverantwortung des einzelnen und Hilfsangeboten der Gesellschaft gehen müssen. Die betont kollektivistischen Ordnungsvorstellungen aus der früheren DDR werden in einem geeinten Deutschland keinen Platz mehr haben können. Aber wird hier nicht ein Punkt berührt, an dem die in der bisherigen Bundesrepublik ausgebildete individualistische „These“ in der Konfrontation mit einer gesellschaftsbezogenen „Antithese“ zur Ausprägung neuer Orientierungsmuster — gleichsam hin zu einer neuen „Synthese“ führen könnte? Ist nicht vielleicht auch hier eine „Dialektik von Ich-Bewahrung und Gesellschaftsverpflichtung“ (W. Jens) mit zu bedenken? Stichworte hierfür könnten sein: — stärkere Verantwortung für Kinder als Träger eigener Grundrechte; — „verantwortete Elternschaft“ in ihrer gesellschaftlichen Dimension. Hier wären u. a. die Grundlagen und Inhalte einer systematischen demographischen Information und Bildung und deren Relevanz für das generative Verhalten in ihrer familienpolitischen Tragweite anzusiedeln. 6. Plädoyer für eine demographisch akzentuierte Familienpolitik Die Geburtensituation im Bereich der früheren Bundesrepublik ist „suboptimal“; kurz-bis mittelfristig ist keine wirkliche Trendwende abzusehen. Die deutlich andere, und zwar etwas günstiger zu beurteilende Entwicklung, die in der ehemaligen DDR seit der ersten Hälfte der siebziger Jahre eingetreten war, hat in den allerletzten Jahren wieder einen deutlich ungünstigeren Verlauf genommen. Eine kohortenspezifische Fruchtbarkeitsbetrachtung läßt immerhin eine eindrucksvolle Stabilisierung der Geburtenentwicklung in der ehemaligen DDR über viele Jahre hinweg erkennen. Das Beispiel deutet darauf hin, daß eine Sozial-und Familienpolitik gerade im Konfliktfeld Familie/Erwerbsarbeitsweit unter der Bedingung, daß möglichst integrativ geplante Maßnahmenbündel eingesetzt werden, erfolgreich sein kann. Dem Ziel einer Beeinflussung des Fruchtbarkeitsniveaus bei gleichzeitig hoher Frauenerwerbstätigkeit kann insgesamt jedenfalls ein gewisser Erfolg bescheinigt werden. Allerdings ist schon vor Jahren mehrfach festgehalten worden, daß das früher in der DDR praktizierte Modell einer bevölkerungspolitisch akzentuierten Familienpolitik nicht ohne weiteres auf liberale Rechtsstaaten westeuropäischer Prägung übertragen werden könne

Insgesamt könnte die demographische Entwicklung im Bereich der sog. natürlichen Bevölkerungsentwicklung in der ehemaligen DDR geeignet sein, der These: „da kann der Staat nichts wenden“ Ergebnisse entgegenzuhalten, die, auch wenn sie sich nicht einfach auf eine andere Sozialordnung übertragen lassen, die künftige Familienpolitik dazu ermutigen könnten, ein neues, offeneres und rationaler geprägtes Verhältnis zur Beeinflussung des demographischen Prozesses zu entwickeln. Dabei dürfen die relativ engen Grenzen, die einer indirekten Rahmensteuerung angesichts der wirksamen Motivationsstrukturen und individuellen Folgenabschätzungen der (langfristig bindenden) Entscheidungen für Kinder gesetzt sind, nicht unbeachtet bleiben. Die gegebenen Möglichkeiten zur Erweiterung der Entscheidungs-und Handlungsspielräume sollten indessen nicht einfach beiseite geschoben werden, was aber nicht selten aus sehr handfesten Interessenpositionen mit Blick auf Umverteilungskonsequenzen heraus geschieht.

Es muß dabei bleiben, was 1968 in Teheran als Ergänzung der Menschenrechtserklärung festgeschrieben worden ist: Die einzelnen Paare müssen frei, verantwortlich und informiert über die Zahl ihrer Kinder (und den zeitlichen Abstand der Geburten) entscheiden können. Aber diese Entscheidungen der jungen Paare fallen stets unter einem Kranz von politisch gesetzten und mitzuverantwortenden Randbedingungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Diese sind in mannigfaltiger Weise der Entscheidung für Kinder abträglich. Zu Recht ist in der sozialwissenschaftlichen Diskussion von einer „strukturellen Rücksichtslosigkeit von Wirtschaft und Staat gegenüber dem Tatbestand der Elternschaft“ (F. X. Kaufmann) gesprochen worden; eine neue Qualität der Politik im geeinten Deutschland wird auch daran zu messen sein, inwieweit es gelingt, diese strukturelle Rücksichtslosigkeit zu überwinden oder doch zumindest nachhaltig zu mindern.

Die Tatsache, daß nicht alle in diesem Zusammenhang wirksamen Faktoren politischer Gestaltung zugänglich sind, darf nicht vorschnell dazu verleiten, die gegebenen Möglichkeiten gar nicht erst wirklich auszuschöpfen. Das generative Verhalten der Menschen vollzieht sich sicherlich weithin unabhängig von Wünschen und Appellen des Staates, aber keineswegs unabhängig von den Maßnahmen der Rahmengestaltung des familialen Zusammenlebens durch staatliche und nichtstaatliche Träger. Der Bevölkerungsrückgang und innerhalb dessen die Geburtenentwicklung sind nicht nur als „Datum“ zu sehen, sondern auch als Gestaltungsproblem zu verstehen und politisch aufgegeben. Dieses ist dabei freilich in das gesellschaftspolitische Gesamtkonzept zu integrieren; die geradezu strategische Bedeutung einer systematischen Familienpolitik ist unverkennbar

Daneben wird immer noch Spielraum bleiben für „kompensatorische Zuwanderungen“; aber allein auf Ausländerzuwanderung zu setzen scheint auch für Gesamtdeutschland kein akzeptabler Weg zu sein. Mit solchen Zuwanderungen werden neue sozial-, bildungs-und familienpolitische Aufgaben vor allem im Zusammenhang mit der sozialen Integration von ausländischen Familien, und hier insbesondere von Kindern und Jugendlichen, zu bewältigen sein. Die ehemalige DDR hatte auf diesem Feld offensichtlich keinen besonderen Vorsprung vor der Bundesrepublik; Solidarität mit den Ausländern stand dort wohl eher auf dem Papier, als daß sie den Alltag der ausländischen Arbeitnehmer nachhaltig bestimmt hätte. Im übrigen würde sich selbst bei relativ starker, über Jahrzehnte anhaltender Zuwanderung von Ausländern die Altersstruktur der Bevölkerung (im Sinne des drastischen Anstiegs der Quote der über 60jährigen) nur tendenziell abschwächen, nicht aber vermeiden lassen. Dies zeigen sehr deutlich vorliegende Modellrechnungen, die für beide Teile Deutschlands gleichgerichtete Prozesse eines „kollektiven Alterns“ ausweisen. Die Wiedervereinigung kann daran nichts Entscheidendes ändern 1, Einordnung der deutschen Familienpolitik in einen europäischen Zusammenhang Schon heute gehen Anstöße zur Weiterentwicklung der Familienpolitik von der europäischen, insbesondere der EG-Ebene aus. Noch bieten die Römischen Verträge und deren Ergänzungen kaum direkte Ansatzpunkte für familienpolitische Maßnahmen. Dennoch wird man künftig verstärkt mit Koordinierungsbemühungen seitens der Europäischen Kommission rechnen müssen, um einen besseren Vergleich der bisher teils noch sehr unterschiedlichen Lebensbedingungen von Familien in Europa anzustreben und letztlich darüberhinaus die Lebensbedingungen auf längere Sicht anzugleichen. Dabei ist daran zu erinnern, daß in der bisherigen Bundesrepublik — im Unterschied zur früheren DDR — ein europäisches Integrationsbewußtsein über Jahrzehnte gewachsen ist.

Innovative Anstöße wären durchweg für alle Mitgliedstaaten, eben auch für Deutschland, über und durch die Kommission und den Ministerrat erwünscht. Denn immer wieder zeigt sich, daß die praktische Politik mit dem raschen Wandel der Familien und ihres Lebensumfeldes und den daraus erwachsenden neuen Bedürfnissen der Familien (der einzelnen Familienmitglieder sowie der Familie als ganzer) kaum Schritt hält. Die Familienpolitik folgt diesen Veränderungen nur zu oft zögerlich und insgesamt langsamer als es problemangemessen wäre. Die bisherige Bundesrepublik machte da keine Ausnahme, wie das Beispiel des Erziehungsgeldes zeigt, das auf erste wissenschaftliche Anstöße aus den sechziger Jahren zurückgeht und damit eindrücklich belegt, wie lang die „Inkubationszeit“ für weiterführende familienpolitische Strukturverbesserungen sein kann.

III. Schlußbemerkung

Der künftige Weg der deutschen Familienpolitik wird nicht losgelöst gesehen werden können von der Perspektive der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung im geeinten Deutschland. Hier besteht eine Pflicht zu nationaler Solidarität bei gleichzeitiger Integration in ein politisch zusammenwachsendes Europa. Die Verpflichtung gerade für die alten Länder der Bundesrepublik, sich dieser Solidarität zu stellen, ergibt sich, wie der Münchener Historiker Chr. Meier vor einiger Zeit festgehalten hat, insbesondere daraus, daß für den gemeinsam verlorenen Krieg vor allem die DDR Reparationen gezahlt hat, daß sie unverdienterweise allein den Sozialismus auszubaden hatte und daß die Bundesrepublik in den letzten Jahrzehnten durchaus auch zu ihren Ungunsten gelebt hat. Diese Einsicht sollte alle Verantwortlichen in gemeinsamem Handeln zu Gunsten der Familien und der in ihnen aufwachsenden nächsten Generation bestärken. Die neue staatliche Einheit fordert dabei ihren Preis von beiden bisherigen Teilen Deutschlands.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zu Begriff und Inhalt der Familienpolitik vgl. Max Wingen, Art. „Familienpolitik“, in: W. Albers u. a. (Hrsg.), Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Stuttgart-Tübingen-Göttingen 1980, S. 589— 599; ders., Art. „Familienpolitik“, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 2, Freiburg 198671, *S*p. * 5* 31*— 544; Heinz Lampert. Lehrbuch der Sozialpolitik, Berlin-Heidelberg 1985, S. 256 ff.

  2. Vgl. Karl Schwarz. Eltern und Kinder in unvollständigen Familien, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, 10 (1984) 1, S. 3-36.

  3. Vgl. Max Wingen, Nichteheliche Lebensgemeinschaften. Formen, Motive. Folgen. Zürich-Osnabrück 1984.

  4. Michael Opielka, Familienpolitik ist „Neue-Männer-Politik“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 20/84, S. 43.

  5. Vgl. Kurt Lüscher/Franz Schultheis/Michael Wehrspaun (Hrsg.), Die „postmoderne“ Familie. Familiale Strategien und Familienpolitik in einer Übergangszeit, Konstanz 19902; Ivar Cornelius/Max Wingen, Familie = Ehe + Kind(er)? Familienstrukturen im Wandel, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Familienpolitik. Stuttgart u. a. 1989.

  6. Vgl. Wolfgang Zeidler, Ehe und Familie, in: Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Berlin-New York 1983.

  7. Vgl. Franz Xaver Kaufmann, Familie und Modernität, in: K. Lüscher/F. Schultheis/M. Wehrspaun (Anm. 5).

  8. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Wirtschaft. Wirtschaftspolitische Implikationen eines Bevölkerungsrückgangs. Bonn 1980, Ziff. 70.

  9. Vgl. Max Wingen. Vorüberlegungen zu einer Typologie familienpolitischer „Grundmuster“, in: Rosemarie von Schweitzer (Hrsg.), Leitbilder für Familie und Familienpolitik. Berlin 1981.

  10. Vgl. Wolfgang Schwartz/Manfred Hilzenbecher/Erich Stutzer, Grundzüge einer phasenorientierten Familienstrukturbeobachtung auf der Basis der amtlichen Statistik, „Materialien und Berichte“ der Familienwiss. Forschungsstelle, H. 22, Stuttgart 1990.

  11. Vgl. Richard Kössler/Max Wingen, Aufwendungen privater Haushalte für ihre Kinder in Ausbildung, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, 38 (1990) 3.

  12. Sachverständigenkommission zur Erstellung des Vierten Familienberichts der Bundesregierung, Die Situation der älteren Menschen in der Familie. Vierter Familienbericht, Bonn 1986. S. 90.

  13. Der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hrsg.), Frauen in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1989.

  14. Johannes Neumann, Probleme der Sozialunion. Familien-und Frauenförderung, Betreuung Alter und Behinderter, Hilfe bei Arbeitslosigkeit, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Probleme des (Wieder-) Vereinigungsprozesses in Deutschland, Stuttgart 1990.

  15. Sachverständigenkommission zur Erstellung des Zweiten Familienberichts der Bundesregierung, Familie und Sozialisation. Leistungen und Leistungsgrenzen der Familie hinsichtlich des Erziehungs-und Bildungsprozesses der jungen Generation, Bonn 1975, S. 76.

  16. Vgl. Max Wingen, Familienorientierung der Erwerbsarbeitswelt — eine neue Herausforderung an die betriebliche Sozialpolitik, Köln 1990.

  17. Jutta Gysi/Nicolai Staufenbiei, Kinder, Jugend und Familie — soziodemographischer und familienpolitischer Wandel, Ms., Ost-Berlin 1990.

  18. Autorenkollektiv (Ltg. Gerhard Tietze/Gunnar Winkler), Sozialpolitik im Betrieb. Soziale Erfordernisse und wissensehaftlich-technischer Fortschritt, Ost-Berlin 1988.

  19. Vgl. Reiner Dinkel, Haben die geburtenfördernden Maßnahmen der DDR Erfolg? Eine vergleichende Darstellung der Fertilitätsentwicklung in beiden deutschen Staaten, in: IfO-Studien, (1984) 2. Zur Wirkungsanalyse aus jüngster Zeit vgl. Heinz Vortmann, Stabilisierung der Geburtenrate durch Sozialpolitik, in: Wochenbericht des DIW, Nr. 44/89.

  20. Vgl. Max Wingen, Politische Perspektiven einer Rahmensteuerung der Bevölkerungsentwicklung, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart 1989.

  21. In diesem Zusammenhang verdient eine jüngst vorgelegte demographische Vorausberechnung für Gesamt-deutschland besondere Beachtung, deren vielleicht bemerkenswertestes Ergebnis angesichts der bisher unterschiedlichen Entwicklungstendenzen in der Geburtenhäufigkeit in beiden Teilen Deutschlands sich dahin gehend zusammenfassen läßt: Geht man davon aus, daß für die Bevölkerungsentwicklung im geeinten Deutschland in den nächsten Jahren das Geburtenniveau der bisherigen Bundesrepublik insgesamt ohne nennenswerte Trendumbrüche bestimmend wäre (eine solche Annahme ist offensichtlich realistischer als eine gedankliche Übernahme des in den vergangenen Jahren höheren Geburtenniveaus in der bisherigen DDR für Gesamt-deutschland), so ergäbe sich — allerdings bei einer ausgeglichenen Wanderungsbilanz — im Jahre 2030 ein Bevölkerungsbestand, der zahlenmäßig wiederum auf dem Niveau der bisherigen Bundesrepublik läge. Vgl. First Demographie Sketch of a United Germany, in: Popnet, (1990) 17.

Weitere Inhalte

Max Wingen. Dr. rer. pol., geb. 1930; Präsident des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg (mit Familienwissenschaftlicher Forschungsstelle); Honorarprofessor für Bevölkerungswissenschaft und Familienpolitik an der Universität Konstanz. Veröffentlichungen u. a.: Familienpolitik. Ziele, Wege und Wirkungen, Paderborn 19652; Kinder in der Industriegesellschaft — wozu? Analysen, Perspektiven, Kurskorrekturen, Zürich-Osnabrück 19872; (Hrsg.) Familie im Wandel. Situation, Bewertung, Schlußfolgerungen, Bad Honnef 1989.