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Das Amtsverständnis der Abgeordneten | APuZ 21-22/1991 | bpb.de

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APuZ 21-22/1991 Das Bundeskanzleramt als Regierungszentrale Der freie Volksvertreter: Illusion oder Wirklichkeit? Zur Kritik der Lehre vom „Parteienstaat“ Das Amtsverständnis der Abgeordneten Verfassungsstaat und bürgerliche Demokratie. Zur Bedeutung Hermann Hellers für die politische Kultur

Das Amtsverständnis der Abgeordneten

Werner J. Patzelt

/ 26 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Über Abgeordnete im allgemeinen und über ihre Amtsauffassung im besonderen sind viele Vorurteile im Umlauf. Empirische Untersuchungen zum, Amtsverständnis deutscher Abgeordneter fehlen hingegen weitgehend. Diese Forschungslücke wird anhand einer Studie an bayerischen Landtags-, Bundestags-und Europaabgeordneten geschlossen. Zunächst wird gezeigt, daß Parlaments-und Wahlkreisarbeit sich als die wichtigsten Tätigkeitsfelder der Abgeordneten erweisen, die um Partei-und Öffentlichkeitsarbeit sowie um die Tätigkeit auf politischen Spezialgebieten ergänzt werden. Sodann werden die einzelnen Züge des Amtsverständnisses identifiziert. Dieses ist geprägt durch die Arbeit im Parlament sowie durch die Bereitschaft zu intensiver Informationsaufnahme und zur Umsetzung dieser Informationen in politische Arbeit und Entscheidungen bei klarer Betonung der damit einhergehenden Führungsaufgabe gewählter Politiker. Wichtige Bestandteile sind ferner die Ansicht, Abgeordnete hätten Dienstleistungsaufgaben für ihre Wahlkreise und die dort lebenden Bürger zu erfüllen, sowie die Vorstellung, ein Netzwerk an Kontakten, ein dichtes Kommunikations-und Interaktionsgeflecht solle von Parlamentariern aufgebaut, aufrechterhalten und genutzt werden, in dem Information, Willensbildung, Führung und Legitimierung möglich sind. Die jeweiligen Befunde werden mit vergleichbaren Daten aus den verfügbaren sonstigen Studien über deutsche Parlamentarier in Verbindung gesetzt. Dabei zeigt sich, daß von den bei bayerischen Abgeordneten gewonnenen Ergebnissen im großen und ganzen wohl auf das Amtsverständnis (west-) deutscher Parlamentarier verallgemeinert werden darf.

Über Abgeordnete weiß das gesunde Volksempfinden mancherlei: „Die da oben“ sind abgehoben, vom „eigentlichen Leben“ weit entfernt und zuallererst auf eigenen Vorteil aus; sie kümmern sich nicht um „den einfacher Bürger“, lügen ihrer Karriere willen wie gedruckt und haben, von Partei-oberen kujoniert, vom Fraktionszwang geknechtet und von der Lobby vereinnahmt, auf eigene Meinung und ihr Gewissen längst verzichtet. Wird im Kabarett formuliert: So wie Versicherungsvertreter Versicherungen verkauften, hielten es die Abgeordneten mit dem Volk, sind die Lacher gewiß

Abbildung 2: Die Grundstruktur des Amtsverhältnisses von Abgeordneten

Doch wo sind die Daten, die solche Empfindungen belegen? Zweifellos sind Einzelfälle, der Tagespresse entnommen, leicht anzuführen. Doch die Annahme bedarf schon einer gewissen Naivität, daß ausgerechnet beim Umgang mit Politikern die alte Journalistenregel nicht mehr gelte, wonach „Hund beißt Mann“ nicht erwähnenswert, „Mann beißt Hund“ aber eine Meldung wert sei. Jedenfalls kann von solcher Medienberichterstattung über Abgeordnete nicht leichthin verallgemeinert werden; Urteile sollten sich auf die Ergebnisse systematischer Forschung stützen.

I. Forschungslücken

Abbildung 1: Die Tätigkeitsfelder eines Abgeordneten

Allerdings tut man sich in Deutschland schwer, diese Forderung hinsichtlich des Amtsverständnisses von Abgeordneten zu beherzigen. Obwohl dessen Untersuchung seit der 1962 erfolgten Veröffentlichung der bahnbrechenden Studie „The legislative System“ von John C. Wahlke, Heinz Eulau, William Buchanan und LeRoy C. Ferguson in der US-geprägten internationalen Forschung nachgerade modisch wurde blieb die deutsche Parlamentarismusforschung hier abstinent Mit dem von Wahlke u. a. entwickelten Modell der Rollenorientierungen von Abgeordneten untersuchte zunächst ein amerikanischer Autor deutsche Volksvertreter: Arthur B. Gunlicks zeigte 1969 in einer Studie an Kommunalparlamentariern, daß zumal die von Edmund Burke inspirierte Trias von Repräsentationsrollen (der Abgeordnete als seinem Gewissen folgender „Trustee“, als quasi ein imperatives Mandat akzeptierender „Delegate“ und als um eine vermittelnde Position bemühter „Politico“) ungeeignet ist, die Rollenorientierungen deutscher Mandatsträger zu erfassen Ähnliches förderten 1983 und 1989 zwei Passauer Forschungsprojekte über bayerische Landes-, Bundes-und Europaparlamentarier zutage Nun ist die Zurückweisung falscher Annahmen zwar ein wertvolles Forschungsergebnis. Wertvoller wäre allerdings zu wissen, welche Annahmen wohl stimmen. Eigentlich hätte man Abgeordnete in Interviews nur zu ihrem Amtsverständnis befragen und ihnen frei formulierte Antworten gestatten müssen, um aus diesen Äußerungen dann herauszuarbeiten, was sich an Grundstrukturen eines möglicherweise gemeinsamen Mandatsverständnisses findet. Derlei Forschungen wurden aber kaum unternommen; Ausnahmen sind nur die Untersuchung von Gunlicks, die Passauer Abgeordnetenstudie sowie die Interviews der -leider nie mit einer umfassenden Monographie abgeschlossenen -Münchener Erhebung an den Abgeordneten des V. Deutschen Bundestages bei der indessen nicht das Amtsverständnis, sondern das Parlamentsverständnis der Abgeordneten in Frage stand Die seltenen Untersuchungen speziell des Amtsverständnisses arbeiteten vielmehr stets mit „geschlossenen Fragen“: auf vorgegebene, hypothetische Beschreibungen ihres Amtsverständnisses mußten die Abgeordneten mit Zustimmung oder Ablehnung reagieren. Dergestalt konnten zutreffende Ergebnisse nur dann erlangt werden, wenn die vorgegebenen Kategorien auf die abgefragten Komponenten des Amtsverständnisses paßten, wenn also gewissermaßen schon bekannt war, was es herauszufinden galt. Außerdem richtete die deutsche Parlamentarismusforschung ihr Interesse am Amtsverständnis von Parlamentariern stark auf die Entgegensetzung von Art. 38, I GG, der dem Abgeordneten Weisungsfreiheit und das Recht auf eigene Gewissensentscheidung garantiert, und Art. 21, 1 GG, welcher die Mitwirkung von Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes festschreibt So wurde, nicht zuletzt unter dem Einfluß der Parteienstaatslehre von Gerhard Leibholz folgende Frage zum zentralen Diskussionsgegenstand: Verstehen sich die Parlamentarier eher als allein ihrem Gewissen verantwortliche, dem ganzen Volk verpflichtete Treuhänder des Gemeinwohls -oder eher als „Delegates“ ihrer Parteien Um diese Frage konzentrierten sich analoge Fragen nach der Bindung des Abgeordneten an Interessenverbände sowie nach einer Rollenorientierung als Wählervertreter mit quasi-imperativem Mandat Überdies interessierte in erster Linie gar nicht die empirische Frage, wie es die Abgeordneten mit ihren Rollenorientierungen wirklich halten, sondern die normative Frage, wie sich ein Parlamentarier auf dem Kontinuum zwischen „freiem“ und „imperativem“ Mandat einordnen soll bzw. gemäß der bestehenden Rechtslage einordnen darf Diese einerseits staatsrechtliche, andererseits an der Funktionslogik parlamentarischer Demokratie orientierte politikwissenschaftliche Diskussion schob die offen gebliebene empirische Frage faktisch in den Hintergrund. Wann immer man sich an eine empirische Bestandsaufnahme des Amtsverständnisses von Abgeordneten machte, wurden jene in normativer oder systematischer Absicht ausgetauschten Argumentationen zum als selbstverständlich geltenden und in seiner methodischen Blickverengung kaum mehr reflektierten Bezugsrahmen der Fragebogenerarbeitung.

Tabelle 3: Das Verhältnis von Parlaments-und Wahlkreisarbeit: SOLL und IST

Weitere Studien, welche in ihrem Titel vom Selbst-oder Rollenverständnis der Abgeordneten sprechen, verzichteten völlig auf diesen Gegenstand betreffende Fragen: so Stefan Holl in einer Untersuchung an Landtagsabgeordneten in Baden-Württemberg und Ewald Rose/Joachim Hofmann-Göttig in einer Studie zum Selbstverständnis und zu den politischen Wertungen von Bundestagsabgeordneten Schon gar nicht hat die deutsche Abgeordnetenforschung ihren auf das Beobachtungsfeld zwischen „freiem“ und „imperativem“

Tabelle 4: Der Wähler-und Wahlkreisservice unter den Aufgaben eines Abgeordneten: SOLL und IST

Mandat gerichteten Blickwinkel zur Perspektive neuerer repräsentationstheoretischer Ansätze hin erweitert, welche die „Bindeglied-Funktion“ von Abgeordneten der Aufmerksamkeit empfehlen In dieser Betrachtungsweise, die man als „LinkagePerspektive der Repräsentationsforschung“ bezeichnen kann ist die Frage wichtig, ob und wie sich im Amtsverständnis eines Mandatsträgers die Aufgabe niederschlägt, durch politische Arbeit „sein“ Parlament mit dem zu regierenden Volk zu vernetzen und in diesem Netzwerk durch Kommunikation zugleich für Responsivität von Partei und Parlament sowie für politische Führung zu sorgen. Wenn Dietrich Herzog unlängst meinte, die Forschung über das Rollenverständnis der Abgeordneten betrete in der Bundesrepublik immer noch Neuland so hatte er offenbar weitgehend recht. Um diese Forschungslage zu verbessern, sollen die hier einschlägigen Befunde der Passauer Abgeordnetenstudie zusammengefaßt und mit den Ergebnissen der vorstehend dargestellten Arbeiten verglichen werden.

II. Das Amtsverständnis der bayerischen Abgeordneten

Tabelle 1: Das Amtsverständnis bayerischer Abgeordneter: „Was sind die wichtigsten Dinge, die ein Abgeordneter tun sollte?“ 25)

I. Die Grundstruktur des Amtsverständnisses Da Abgeordnete ihr Amtsverständnis vermutlich eher in ihrer praktischen politischen Arbeit denn anhand normativer Überlegungen ausprägen, soll die Beschreibung des Amtsverständnisses mit einem Blick auf die Tätigkeitsfelder von Abgeord-neten beginnen, und zwar aus der Perspektive der Abgeordneten. Sowohl in den Interviews als auch bei der schriftlichen Erhebung wurden die Parlamentarier gefragt, wie sie selbst ihre Aufgaben gliedern würden Den Antworten läßt sich folgendes Grundmuster entnehmen: Aus der Gestaltung der Rahmen in der Abbildung 1 ist zu erkennen, daß die am häufigsten genannten Tätigkeitsfelder die Parlaments-und die Wahlkreisarbeit sowie die Parteiarbeit an der regionalen Basis sind. Zur Wahlkreisarbeit gehören vor allem Tätigkeiten des Kontakthaltens zum vorpolitischen Raum, zur Bevölkerung allgemein und zu Behörden, sodann der weite Bereich des Wähler-und Wahlkreisservice und Repräsentationspflichten. Bei kommunalen Mandatsträgern, wie sie unter den Landtagsabgeordneten nicht selten sind, kommen kommunalpolitische Aufgaben hinzu. Die Verbindungspfeile geben an, wie stark die Abgeordneten die einzelnen Tätigkeitsfelder inhaltlich miteinander verbunden sehen. Hier sticht ins Auge, daß erfolgreiche Wahlkreisarbeit als Voraussetzung für die Sicherheit des parlamentarischen Mandats und somit für die Parlamentsarbeit gilt. Diese ist wiederum eng mit der Arbeit auf politischen Spezialgebieten verbunden.

Der Abgeordnete als „Sozialarbeiter“

Die in ihrer Aussage schwerlich überraschende Abbildung 1 ist die „Basis“ der Amtsvorstellungen von Abgeordneten; auf ihr lassen sich die Aufgabenprioritäten der Parlamentarier aufschichten. Diese wurden in den Interviews und auf dem Fragebogen mit der „klassischen“ Frage der Studie von Wahlke u. a. erhoben: „Wir würden Sie insgesamt den Beruf des Abgeordneten beschreiben? Was sind die wichtigsten Dinge, die ein Abgeordneter tun sollte?“ Die von 129 Befragten erhaltenen Auskünfte wurden zunächst einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Bei ihr zeigte sich, daß die Kategorien der Rollentaxonomie von „The legislative System“ nicht auf die erhaltenen Auskünfte paßten. Darum wurde ein davon unabhängiges, von der Linkage-Perspektive der Repräsentationsforschung inspiriertes Kategorienschema entwickelt, welches die erhaltenen Aussagen besser zu erfassen erlaubt. Anhand dieses Schemas wurde eine quantitative Inhaltsanalyse vorgenommen, deren Ergebnis in Tabelle 1 zeigt, wie häufig welche Aufgaben eines Abgeordneten als besonders wichtig genannt wurden. In der hieraus entstehenden Rangordnung von „Amtspflichten“ spiegeln sich die Grundzüge des herauszufindenden Amtsverständnisses. Leicht lassen sich die Kategorien der Tabelle 1 den in Abbildung 1 zusammengestellten Tätigkeitsfeldern zuordnen. Zur Parlamentsarbeit gehören die Aufgaben der Gesetzgebungs-und Ausschußarbeit sowie der Kontrolle der Regierung, zur Wahlkreis-arbeit die Aufgaben der Kontaktpflege zur Bevölkerung, des Bürger-oder Wahlkreisservice bzw.des Agierens als Ombudsmann sowie die „Repräsentation“ von Parlament und Staat bei der Bevölkerung. Die Verwurzelung in der eigenen Partei zu pflegen ist Bestandteil der Parteiarbeit, während konzeptuelle Arbeit, Spezialisierung und überregionaler Einsatz die Tätigkeit auf politischen Spezialgebieten ausmachen. Die Öffentlichkeitsarbeit wird unter den Aufgaben der Abgeordneten nicht gesondert erwähnt, da sie als instrumentell aufgefaßt wird Die ansonsten genannten „wichtigsten Aufgaben eines Abgeordneten“ liegen quer zu einer Einteilung nach Tätigkeitsfeldern: Information aus vielerlei Kontakten und die Erarbeitung eines guten Informationsstandes sind für die gesamte Arbeit in Wahlkreis, Partei und Parlament von größter Bedeutung; die Umsetzung von Wünschen und Anliegen im Parlament sowie die Übernahme und Verdeutlichung von „Verantwortung für das Ganze“ bedürfen der Verschränkung aller Einzeltätigkeiten; und dasselbe gilt für die Sicherung von Vertrauen ebenso wie für die Ausübung politischer Führung Bezieht man die Häufigkeit, mit welcher die einzelnen Aufgaben genannt werden, in die Betrachtung ein, so läßt sich feststellen, daß das Amtsverständnis zunächst einmal geprägt ist von der typischen Aufgabe der Abgeordneten „als Korporation“: von der Arbeit im Parlament Die weiteren Grundzüge des Amtsverständnisses sind: -Informationsaufnahme, Umsetzung dieser Informationen in politische Arbeit und Entscheidungen („Responsivität“ bei klarer Betonung der damit einhergehenden Führungsaufgabe gewählter Politiker

Tabelle 5: Politische Diskussion als Bestandteil des Amtsverständnisses

-die Vorstellung, Abgeordnete hätten Dienstleistungsaufgaben für ihre Wahlkreise und die dort lebenden Bürger zu erfüllen -die Vorstellung, ein Netzwerk an Kontakten, ein dichtes Kommunikations-und Interaktionsgeflecht solle aufgebaut, aufrechterhalten und genutzt werden, in dem Information, Willensbildung, Führung und Legitimierung möglich sind

Tabelle 6: Die Bindeglied-Funktion im Amtsverständnis der Abgeordneten

Dieses Amtsverständnis sollte sich wenigstens in groben Zügen in der tatsächlichen Amtsausübung von Abgeordneten niederschlagen. So verhält es sich auch, wie Herzog u. a. bei ihrer Untersuchung an den Abgeordneten des 11. Deutschen Bundestages herausfanden. Dort wurden die Parlamentarier gefragt: „Wenn Sie an Ihre Abgeordneten-Tätigkeiten insgesamt denken, worauf liegt da bei Ihnen das Schwergewicht der Arbeit? Welche der Tätigkeitsschwerpunkte würden Sie in erster, in zweiter, in dritter, in vierter und fünfter Linie nennen?“ Welche Schwerpunkte in erster Linie genannt wurden, zeigt die Tabelle 2.

Tabelle 7: Vertrauensstiftung als Kem der Arbeit eines Abgeordneten

Auch hier stehen die parlamentarischen Tätigkeiten an der Spitze (1), gefolgt von Aufgaben praktizierter Responsivität (2), politischer Führung (3), Dienstleistung (4) und der Erfüllung der Bindeglied-Funktion (5). Der aus Tabelle 1 abgeleitete und durch Tabelle 2 bekräftigte Befund läßt sich nun in einem Schaubild so darstellen, daß die gesuchte „Grundstruktur“ des Amtsverständnisses bayerischer Abgeordneter leicht zu überblicken ist. Zu diesem Zweck wird einerseits die Darstellung der Tätigkeitsfelder eines Abgeordneten aus Abbildung 1 verkürzt auf die Gegenüberstellung von Parlaments-und Wahlkreisarbeit Andererseits ist als Kontext des Schaubildes zu beachten, daß ein Abgeordneter stets weiß, nur als einflußreiches Mitglied seiner Partei seinen Aufgaben als Mandatsträger gerecht werden zu können.

Die laut Tabelle 1 das Amtsverständnis besonders I stark prägende parlamentarische Arbeit, zu der ein (Politiker in freien Wahlen abgeordnet wird, bildet gleichsam die Spitze des wie eine Pyramide aufgebauten „legislative System“ und besteht in jedem Fall aus Gesetzgebung und Kontrolle. Ihre Grundlage ist in jeder Hinsicht die Arbeit an der Basis in Partei und Region, bei der es auf die Pflege eines funktionstüchtigen Kontaktnetzes, auf vielfältige Informationen sowie auf die Erfüllung der Erwartung ankommt, ein Abgeordneter setze sich nachweislich für Wahlkreis und Wähler ein. Zwischen {Basis und Spitze der Pyramide des „legislative System“ und zwischen diesen beiden „Polen“ des Amtsverständnisses vermittelt die Bereitschaft, aus vielfältigen Kontakten aufgenommene Impulse wirklich in die parlamentarische Arbeit einzubringen („Responsivität“), sowie die Absicht, selbst Impulse zu geben und getroffene Entscheidungen gegen Kritik zu vertreten („Führung“). Führungskraft mit Responsivität zu paaren, der Responsivitätsbereitschaft stets Führungswillen beizumischen, erweist sich so als systematischer Angelpunkt der Rollenorientierungen von Abgeordneten und sollte die krasse Gegenüberstellung von freiem und imperativem Mandatsverständnis ersetzen.

Für die Tauglichkeit dieser schematischen Darstellung einer „Grundstruktur“ des Amtsverständnisses spricht, daß sie nicht nur auf eine Inhaltsanalyse frei formulierter Angaben der Abgeordneten gegründet ist, sondern in wesentlichen Teilen auch den Antworten auf acht gesondert gestellte quantitative Fragen zu den Rollenorientierungen von Parlamentariern abzugewinnen ist Diese Ant-Worten wurden einer Faktorenanalyse unterzogen. Bei ihr waren sowohl getrennt als auch gemeinsam für die Parlamentarier von CSU und SPD drei allgemeine Komponenten des Amtsverständnisses aufzufinden die sich klar in die Abbildung 2 einfügen lassen: „Bereitschaft zur politischen Führung und Legitimierung“, „Responsivitätsbereitschaft“ sowie „Bereitschaft zum Wähler-und Wahlkreisservice“. Jede diese drei allgemeinen Komponenten kann stärker oder schwächer ausgeprägt sein und führt dann zu anderen persönlichen Schwerpunktsetzungen im Amtsverständnis. 2. Einzelne Komponenten der Grundstruktur Betrachten wir nun die Komponenten der „Grundstruktur“ näher. Tabelle 3 stellt die Antworten auf folgende zwei Fragen zusammen: „Wo sollte nach Ihrem Urteil der Schwerpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten liegen?“, und: „Wo liegt aufgrund der gegebenen Umstände bei Ihnen praktisch der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit als Abgeordneter?“

Diese Tabelle bestätigt einesteils die Aussage der Tabelle 1, nach der das Amtsverständnis der Abgeordneten durch eine Rollenorientierung als Parlamentarier akzentuiert ist. Andemteils zeigt sie, daß die Abgeordneten praktisch weniger stark Parlamentarier sind, als sie es sein möchten Drei Gründe sind dafür anzuführen. Erstens ist zwar normativ klar, daß ein ins Parlament entsandter Abgeordneter am besten dort seinen Arbeitsschwerpunkt haben sollte. Doch in der Praxis müssen, wie ein altgedienter Abgeordneter im Interview anmerkte, die meisten Abgeordneten ihren Arbeitsschwerpunkt aus dem Parlament heraus-halten, „weil nicht 500 ihren Schwerpunkt in der Parlamentsarbeit haben können, objektiv nicht, weil es nicht geht. Dann funktioniert ein Parlament nicht mehr. ... Es können nicht alle dort auftreten, unmöglich.“ Zweitens erleben die meisten Abgeordneten, daß sie aufgrund der parlamentarischen Arbeitsteilung als Einzelperson im Parlament wenig ausrichten können. Falls sie dann nicht den Eindruck haben, durch harte, wenn auch zunächst vielleicht frustrierende Ausschußarbeit ihren parlamentarischen Aufstieg bewerkstelligen zu können, der ihnen dann auch größere persönliche Einwirkungschancen eröffnet, oder falls sie ohnehin keine Parlamentskarriere anstreben, so neigen sie dazu, ihre Arbeitskraft in den Wahlkreis zu investieren, wo sich im Bereich des Wähler-und Wahlkreisservice viel rascher persönlich befriedigende Erfolgserlebnisse einstellen. Und drittens zwingt die faktische Beanspruchung der Abgeordneten durch Wahlkreis-und Wählerwünsche sie oft zu anderer Schwerpunktsetzung, als sie eigentlich gewollt ist

Auch zur Service-Komponente des Amtsverständnisses liefern zwei Fragen näheren Aufschluß. Im Anschluß an die Bitte um Beschreibungen konkreter Wünsche, die Einzelbürger oder Kommunen an sie herantragen, wurden die Abgeordneten gefragt: „Welchen Stellenwert sollte es innerhalb der Tätigkeiten eines Abgeordneten haben, sich um die eben beschriebenen Anliegen einzelner Bürger bzw.des Wahlkreises allgemein zu kümmern?“, und gleich anschließend: „Welchen Stellenwert hat der Wähler-und Wahlkreisservice aufgrund der gegebenen Umstände im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Abgeordneter?“ Die Tabelle 4 gibt die Antworten wieder: Die Aussage der Abgeordneten ist klar: weder eine Nebensache noch der Schwerpunkt soll der Wähler-und Wahlkreisservice sein. Klar gewichten ihn die Sozialdemokraten stärker als die CSU-Abgeordneten, was wohl deren Oppositionsrolle widerspiegelt: wenn im Parlament wenig zu bestellen ist, gilt es, Punkte bei der Wahlkreisarbeit zu sammeln -Umgekehrt werden, vermutlich wegen ihrer größeren „Nähe zur Macht“, die CSU-Mandatare vom Wähler-und Wahlkreisservice stärker belastet als ihre Kollegen: sie widmen dem Wähler-und Wahlkreisservice deutlich mehr Arbeits-kraft, als sie es für richtig halten Faktisch verändert sich mit einer von vielen Gesprächspartnern in den Interviews behaupteten Zunahme der Belastung durch den Wähler-und Wahlkreisservice das Berufsbild des Abgeordneten, und zwar bestimmt mit Folgen für die Attraktivität des Amtes und die Rekrutierung von Mandataren: für Bürger mit politischen Gestaltungsabsichten wird die Rolle des Abgeordneten natürlich um so weniger verlokkend, je mehr sie die eines auf „Repräsentationsveranstaltungen“ Hof haltenden Ombudsmannes ist, bei dem sich hinter dieser Schauseite des Amtes endlose Kleinarbeit an Telefonaten, Behörden-gängen und Schriftwechseln verbirgt. So geprägte Selbstselektion kann uns freilich mehr und mehr Abgeordnete bescheren, die auch ihr Amtsverständnis an diesem Anforderungsprofil ausrichten und dann in der Wahlkreisarbeit, die sie als Dienstleistung verstehen, geradezu aufgehen, ihre Stärken aber viel weniger in der rationalen Bewältigung komplexer politischer Gestaltungsaufgaben haben. Solche Abgeordnete werden dann auch bei der politischen Führungsaufgabe keine optimalen Leistungen bringen.

Politische Führung umschrieb ein Parlamentarier als Aufgabe eines Abgeordneten dahin gehend, daß dieser „die Erkenntnisse, die er im Parlament sammelt, ... die er einfach aus der breiten Sicht von der Landesebene her... zusammentragen wird aus verschiedenen Mosaiksteinen aller Regierungsbezirke und [aus] den Wünschen, Kritiken, Anregungen, die von den anderen Parteien im Parlament hinzugefügt werden, [daß er diese] nun in seinen Stimmkreis zu übertragen [hat] und dort sich eben auch vor bestimmte Beschlußfassungen des Parlaments zu stellen [hat], die dem Stimmkreis vielleicht oder der Bevölkerung des Stimmkreises nicht sofort verständlich sind“ Diese Aufgabe verlangt politische Diskussion, in welcher die Bereitschaft zum Zuhören mit der Absicht zu überzeugen gepaart wird. Gelingt dies, so wird Akzeptanz für Positionen und Entscheidungen geschaffen, wird „Legitimation durch Kommunika-Eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten -zumal von CSU und SPD -betont tatsächlich, in der rationalen politischen Diskussion mit seinen Rollenpartnern habe ein Abgeordneter den „Kern“ seiner Arbeit zu sehen. Eine Bekräftigung dieses Ergebnisses findet sich in der Passauer Landtagsstudie. Dort wurde diese Komponente politischer Führung in folgende These gekleidet: „Der Abgeordnete hat auch die Pflicht, die Bürger im Rahmen seiner Möglichkeiten mit politischen Themen vertraut zu machen. So soll er sie durchaus auch zu eigener Urteilsbildung anhalten“ -was für den politischen Praktiker in der Regel bedeutet: zu einem Urteil, das mit der eigenen Ansicht konvergiert. „Stimme sehr zu“ gaben damals 3 Prozent von 122 Befragten an, „stimme zu“ 47, 5 Prozent, „stimme teils zu“ 7, 4 Prozent, und „stimme weniger zu“ 0, 8 Prozent. Ebenso deutlich wird die Bereitschaft, politische Führung auszuüben, in den Antworten auf folgende These, die den Abgeordneten bei der Passauer Landtagsstudie vorgelegt wurde: „Wichtige Sachfragen unserer Gesellschaft und müssen die Parteien selbst aufgreifen in der Bevölkerung stärker thematisieren“ -was ja tion“ bewirkt. Auf diesen Bestandteil politischer Führung und somit des Amtsverständnisses zielte folgende, die Diskussionsaufgabe pointierende These, welche die Abgeordneten aus ihrer persönlichen Sicht zu beurteilen hatten: „Der Kem der Arbeit eines Abgeordneten besteht darin, mit denen, die er repräsentiert, über Politik zu diskutieren, ihre Argumente zu hören, und vor ihnen die eigenen Positionen zu vertreten“. Die Tabelle 5 zeigt die Antworten: dem Abgeordneten als lokalem oder regionalem Parteiführer Aktivitäten abverlangt: 90, 2 Prozent von 122 Parlamentariern stimmten dieser These (sehr) zu, und weitere 9, 0 Prozent wenigstens teilweise.

Keineswegs erkennen die Abgeordneten einen Widerspruch zwischen ihrer Führungsaufgabe und der Pflicht zur Responsivität 44). Typisch für die Verbindung von Führung und Responsivität sind die folgenden Interviewauszüge: -„[Der Abgeordnete] sollte ein Transmissionsriemen für die Wünsche der Bevölkerung sein und ... versuchen, [diese Wünsche] in Politik umzusetzen. Er sollte die Wünsche der Bevölkerung auch seismographisch aufnehmen und [sie] in ein Konzept bringen -und dieses Konzept nun wiederum öffentlich darstellen, um so, indem er für sich und seine Partei wirbt, diese Gedanken auch zu vervielfältigen.“ -[Ausschlaggebend ist, ] „daß ich derjenige bin, der sozusagen den Wunsch des Bürgers artikuliert und ihn vergleicht. Das heißt, nicht jeder Wunsch, den ein Bürger in mich hineinwirft, wird von mir dann getragen. ... Aber jeder Wunsch, der von einem Bürger artikuliert wird, wird von mir ernstgenommen und wird von mir verglichen mit den Aufgaben, denen ich mich insgesamt gegenübersehe, und kriegt von daher seine Wertigkeit und bestimmt... auch dann meinen Einsatz für das Gebiet.“

Ferner verstehen sich Abgeordnete nicht als passive Rezipienten von politischen Anliegen: eigene Informationssuche sehen sie als wichtige Aufgabe an. „Intensiver Kontakt zur Bevölkerung, um Probleme oder Lücken der Gesetzgebung aufgreifen zu können und einer Lösung über das Parlament zuzuführen“, so formulierte ein Parlamentarier auf dem Fragebogen diese Aufgabe. Im Interview meinte ein anderer: „Die Fühler draußen müßten eigentlich die Abgeordneten sein, da die Unter-gliederungen der Parteien offensichtlich nicht in der Lage sind, das alles aufzunehmen. ... Deswegen glaube ich, daß es ganz wichtig ist, daß man viel in Organisationen, Verbände reingeht und daß man sich auch anbietet zu Themen -... weil man draußen bei Veranstaltungen mit normalen Bürgern am ehesten noch deren Betroffenheiten mitbekommt. ... Und wenn man diese Dinge nicht Unübersehbar sind -bei allgemeiner und großer Zustimmung zu dieser These -die Abstufungen zwischen den Parteien: CSU-Abgeordnete sehen ihre Verflechtungsaufgabe am klarsten. Bei ihnen gibt es auch einen deutlichen Zusammenhang zwischen dieser Sicht ihrer Bindeglied-Funktion und den Antworten auf die Frage, ob der Abgeordnete den Schwerpunkt seiner Arbeit eher im Parlament oder im Wahlkreis haben solle: Je stärker die Bindeglied-Aufgabe betont wird, um so eher wird mitkriegt, dann ist man halt sehr schnell dabei, da oben abgehoben zu sein.“ „Abgehoben“ meint ganz konkret: die Bindeglied-Funktion nicht mehr oder nur schlecht zu erfüllen, also kommunikativ nicht mehr erreichbar zu sein oder auch nicht mehr selbst an die Bevölkerung heranzukommen. Nicht nur für den Abgeordneten schlägt dies zum Nachteil aus, denn seine Wiederwahl hängt doch aufs stärkste vom Kontakt zu seiner Parteibasis im Wahlkreis ab; sondern das gesamte Repräsentativsystem erleidet Funktionseinbußen, wenn die Repräsentanten die Vernetzung zu den Repräsentierten nicht mehr schaffen. Demgemäß kommt gerade der Bindeglied-Funktion im Amtsverständnis ein bedeutendes Gewicht zu. Formuliert wird dies von Abgeordneten so: „Die wichtigsten Dinge für einen Abgeordneten? [Das] ist zunächst ’mal Verbindung mit den Wahl-bürgern, also mit den Bürgern seines Wahlkreises“, oder: „Ein Abgeordneter muß absolut ständigen Kontakt zu den Bürgern halten.“ Folgende, den Parlamentariern zur Einschätzung vorgelegte These sollte den Stellenwert dieser Komponente ihres Amtsverständnisses erfassen: „Die Aufgabe eines Abgeordneten ist es, durch seine Person und seine Kontakte , sein‘ Parlament und damit das Staatswesen, in dem es steht, mit der Bevölkerung zu verknüpfen“. Die Tabelle 6 stellt die Antworten zusammen: auch für einen Schwerpunkt auf der Wahlkreisarbeit plädiert (gamma = 0, 30). Hingegen setzen die Mandatare der GRÜNEN -allen normativen Vorstellungen von Basisdemokratie und imperativem Mandat zum Trotz -den Stellenwert der Verflechtungsaufgabe am niedrigsten an. Einer von ihnen gab sogar folgenden Kommentar: „Die These wird für viele Abgeordnete stimmen. Ich möchte aber eher in kritischer Distanz zum Staatswesen arbeiten“ -was wohl heißen soll: , Zwar bin ich abge-ordnet zum Parlament; doch ich bleibe zu dieser Institution auf Distanz und möchte auch meine Wähler eher zu ihr auf Distanz halten, als-sie mit ihr zu verbinden 1. Zweifellos ist eine solche Haltung in einem Repräsentativsystem dysfunktional und prägt keineswegs das Amtsverständnis der meisten Abgeordneten.

Natürlich werden die Abgeordneten bei ihrer Vernetzungsleistung Schwerpunkte setzen bzw. schon aufgrund der gesellschaftlichen Verankerung ihrer Parteien ein bestimmtes „Kontaktprofil“ auferlegt bekommen. Deutlich unterscheiden sich beispielsweise die Netzwerke von Sozialdemokraten und CSU-Abgeordneten In diesem Sinn vertreten Abgeordnete dann einzelne Bevölkerungsteile unterschiedlich, nämlich vor allem jene, deren Einflußchancen aufgrund des individuellen Kontakt-geflechts optimiert sind. Die normative Vorstellung, im Prinzip für jeden zugänglich zu sein und eigentlich eines jeden Wünsche wie Anregungen durch den Filter des eigenen Urteils laufen zu lassen, bleibt davon unberührt. Darum ist es irreführend, faktische Vernetzungspräferenzen in Rollenpräferenzen umzudeuten und dementsprechend „Abgeordnetentypen“ wie den „Wählervertreter“, den „Parteivertreter“ oder den „Verbändevertreter“ zu unterscheiden. Nicht nur widerstreitet, wie der nächste Abschnitt zeigt, das Amtsverständnis selbst einer solchen einseitigen Rollenakzentuierung; sondern gerade aus praktischen Gründen können es sich nur die wenigsten Abgeordneten leisten, ihr Kontaktnetz allzu selektiv zu gestalten, gefährden sie doch dergestalt ihren persönlichen Handlungsspielraum oder gar ihre Renominierung: die Basis wird einfach zu schmal. Ein „freier“ Abgeordneter kann eigentlich nur sein, wer ein möglichst weit verzweigtes Kommunikationsgeflecht als Fundament seines politischen Handelns aufzubauen und zu nutzen versteht, wer also zugleich Wähler-, Partei-und Verbändevertretet ist und damit etwaigen „Druck“ durch Aktivierung jeweils anderer Vertrauensbeziehungen auszutarieren vermag.

Der Fluchtpunkt, auf den alle Komponenten des Amtsverständnisses zulaufen, ist die Stiftung und Sicherung einer weit ausgreifenden, von Vertrauen geprägten Beziehung zwischen dem Abgeordneten, seiner Partei, „seinem“ Parlament und der Bevölkerung im Wahlkreis. Ein Parlamentarier formulierte dies so: ein Abgeordneter „braucht das nötige Vertrauen. Und dieses nötige Vertrauen muß er in einem engen Kontakt mit seinen Wählern immer wieder erwerben. Ist gleich Wahlkreis-arbeit, Arbeit an der Basis“ -und somit all das, was die Abbildung 2 entsprechend darstellte. Genau die Aufgabe, Vertrauen zu schaffen und, auf solches Vertrauen gestützt, die Bindeglied-Funktion eines Parlamentariers zu erfüllen, zielte im Fragebogen folgende These an: „Der Kern der Arbeit eines Abgeordneten besteht darin, politisches Vertrauen zu erwerben und zu sichern: Vertrauen für sich persönlich, für seine Partei, für sein Parlament und letztlich für das Staatswesen.“ Die Beurteilungen dieser These gibt die Tabelle? wieder:

Eindeutig stimmen die meisten Abgeordneten dieser These zu. Freilich sind Unterschiede zwischen den Parteien unverkennbar: von der CSU über die SPD bis hin zu den GRÜNEN wird die Zustimmung immer schwächer. Der Zusammenhang, der wegen der Natur der Sache zwischen der „Vertrauensarbeit“ von Abgeordneten und der Wahrnehmung ihrer Bindeglied-Funktion besteht, ist den Befragten wohlvertraut: wer Vertrauensstiftung stärker als „Kern“ der Aufgabe von Abgeordneten gewichtet, betont auch die Verknüpfungsaufgabe (CSU: gamma = 0, 54; SPD: gamma = 0, 64) und meint auch eher, der Schwerpunkt der Arbeit eines Abgeordneten solle im Wahlkreis, nicht im Parlament liegen (CSU: gamma = 0, 53; SPD: gamma = 0, 25). Allerdings reicht gute Wahlkreis-arbeit für die Stiftung von Vertrauen zum politischen System insgesamt nicht aus: es bedarf auch guter parlamentarischer Arbeit und einer entsprechenden Vermittlungsleistung des Mediensystems.

III. Fazit

Tabelle 2: Schwerpunkte der Tätigkeit von Bundestagsabgeordneten

In der Grundstruktur des Amtsverständnisses war nur ein Echo der heftigen Debatten um freies vs. imperatives Mandat, um „Gewissensfreiheit des Abgeordneten“ vs. „Parteisoldatentum“ zu erkennen: Führungswille und Responsivitätsbereitschaft prägen das Amtsverständnis und schließen einander nicht aus. Spezielle Fragen nach möglichen Konflikten zwischen „Gewissensorientierung“ und „Parteiloyalität“ förderten ebenfalls zutage, daß so gliedernde Denkweisen ungeeignet sind, das alltagspraktische Amtsverständnis von Abgeordneten zu beschreiben Was sich indessen herausfinden ließ, stimmt zufrieden: das diagnostizierte Amtsverständnis entspricht normativen Erwartungen ebenso wie der Funktionslogik eines parlamentarischen Systems. In welchem Umfang die Amtsausübung diesen Rollenorientierungen tat-sächlich folgt, ist damit noch nicht gesagt; immerhin zeigen Untersuchungen der Wahlkreisarbeit, daß Norm und Praxis hier einander recht nahe kommen Obwohl diese Ergebnisse in einer Untersuchung an allein bayerischen Abgeordneten erarbeitet wurden, können sie vermutlich auf die Amtsvorstellungen zumindest der Parlamentarier in den alten Bundesländern verallgemeinert werden Entsprechende Folgestudien in anderen Bundesländern wären natürlich wünschenswert, und die Ausprägung der Rollenorientierungen von Abgeordneten sollte im nun aufzubauenden Parlamentarismus der neuen Bundesländer kontinuierlich beobachtet werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Derart ausmündende Parlamentarismuskritik hat in Deutschland eine lange Tradition; vgl. Hartmut Wasser, Parlamentarismuskritik vom Kaiserreich zur Bundesrepublik: Analyse und Dokumentation, Stuttgart-Bad Cannstatt 1974.

  2. Siehe den Forschungsüberblick bei Werner J. Patzelt, Der Abgeordnete -ein unbekanntes Wesen? Bericht über das Schrifttum zur Abgeordnetenforschung, in: Neue Politische Literatur, 36 (1991), S. 76-118.

  3. Im deutschen Sprachraum arbeitete indessen der österreichische Politikwissenschaftler Peter Gerlich bei einer Untersuchung des Wiener Gemeinderates mit den Kategorien von „The legislative System“; vgl. Peter Gerlich/Helmut Kramer, Abgeordnete in der Parteiendemokratie. Eine empirische Untersuchung des Wiener Gemeinderates und Land-tages, München 1969; Peter Gerlich, Orientations to decision-making in the Vienna City Council, in: Samuel A. Patterson/John C. Wahlke (Hrsg.), Comparative legislative behavior; frontiers of research, New York u. a. 1972, S. 87-106.

  4. Eine Darstellung findet sich in Werner J. Patzelt, Wahlkreisstil und Abgeordnetenrollen: Grundzüge eines Forschungsprogramms, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 20 (1989), S. 114-150.

  5. Vgl. Heinz Eulau/John C. Wahlke/William Buchanan/LeRoy C. Ferguson, The role of the representative: some empirical observations on the theory of Edmund Burke, in: The American Political Science Review, 53 (1959), S. 742-756.

  6. Arthur B. Gunlicks, Representative role perceptions among local councillors in Western Germany, in: Journal of Politics, 31 (1969), S. 443-464.

  7. Beim ersten Projekt („Passauer Landtagsstudie“) handelt es sich um eine von Heinrich Oberreuter und Josch Scheumpflug angelegte und 1983 durchgeführte schriftliche Befragung bayerischer Landtagsabgeordneter (n = 123; davon 72 CSU und 51 SPD; Rücklaufquoten 54 Prozent bzw. 72 Prozent). Eine Gesamtveröffentlichung wird derzeit vorbereitet; einstweilen siehe zu den wichtigsten Ergebnissen u. a. Heinrich Oberreuter, Landtage im Spannungsfeld zwischen Bürgerinitiative und Parteiloyalität, in: Harry A. Kremer (Hrsg.), Das Selbstverständnis des Landesparlamentarismus, München 1987; ders. /Werner J. Patzelt, Abgeordnete zwischen Partei-und Persönlichkeitsorientierung: Zur , Leidensspirale 1 der 'bayerischen SPD, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 18 (1987), S. 57-76. Beim zweiten Projekt („Passauer Abgeordnetenstudie“) handelt es sich um eine kombinierte Interview-und Fragebogenstudie des Verfassers aus dem Frühjahr 1989. Mit 54 bayerischen Landtags-, Bundestags-und Europaabgeordneten (24 MdL, 20 MdB, 10 MdEP; davon 25 CSU, 27 SPD und je einer der FDP bzw.der GRÜNEN) wurden Intensivinterviews von durchschnittlich 74 Minuten Dauer geführt; ferner wurden die nicht in die Interviewstichprobe einbezogenen Landtags-und Bundestagsabgeordneten schriftlich befragt (n = 104, und zwar 75 MdL und 29 MdB; davon 60 CSU, 35 SPD, 3 GRÜNE, 2 FDP. Rücklaufquote: 47 Prozent). Die zentralen Ergebnisse sind dargestellt in Werner J. Patzelt, Repräsentation, Repräsentanten, Repräsentieren: Amtsverständnis und Wahlkreis-arbeit der bayerischen Abgeordneten, 2 Bde., Passau 1990.

  8. Die wichtigsten Veröffentlichungen aus diesem Projekt sind Emil Hübner, Die Beziehungen zwischen Bundestag und Bundesregierung im Selbstverständnis der Abgeordneten des V. Deutschen Bundestages, München 1980; Hans Maier/Heinz Rausch/Emil Hübner/Heinrich Oberreuter, Parlament und Parlamentsreform. Zum Selbstverständnis des fünften Deutschen Bundestages, München 19792.

  9. Dies prägte nachhaltig folgende Veröffentlichungen aus dem Umfeld des Projekts: Heinz Rausch, Parlamentsbewußtsein und Abgeordnetenverhalten während der Großen Koalition, in: Politische Studien, 21 (1970), S. 313-333; ders. /Heinrich Oberreuter, Parlamentsreform in der Dunkelkammer? Zum Selbstverständnis der Bundestagsabgeordneten, in: Winfried Steffani (Hrsg.), Parlamentarismus ohne Transparenz?, Opladen 19732, S. 141-164.

  10. Diese Fixierung prägt auch die Monographien über Abgeordnete; vgl. Heinz Rausch, Der Abgeordnete. Idee und Wirklichkeit, München 1973; Carl-Christoph Schweitzer, Der Abgeordnete im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik, Opladen 1979. Geradezu zum Angelpunkt der Diskussion wurde sie in: Hildegard Hamm-Brücher, Der Politiker und sein Gewissen. Eine Streitschrift für mehr parlamentarische Demokratie, München 19872.

  11. Vgl. Gerhard Leibholz, Parteienstaat und repräsentative Demokratie. Eine Betrachtung zu Art. 21 und 38 des Bonner Grundgesetzes, in: Heinz Rausch (Hrsg.), Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, Darmstadt 1968, S. 235-259; ders., Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, Berlin 19663.

  12. Als dem letzteren zuneigende Selbstsicht eines Abgeordneten siehe Dietrich Sperling/Hans Robinson, Briefwechsel über die Rolle des Parlamentariers, in: Vorgänge, 1 (1980), S. 8-11.

  13. Siehe hierzu die Fragenkataloge von Dietrich Herzog/Hilke Rebenstorf/Camilla Wemer/Bernhard Weßels, Abgeordnete und Bürger. Ergebnisse einer Befragung der Mitglieder des 11. Deutschen Bundestages und der Bevölkerung, Opladen 1990, S. 61, und von Rudolf Hrbek/Carl-Christoph Schweitzer, Die deutschen Europa-Parlamentarier. Ergebnisse einer Befragung der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3/89, S. 8.

  14. Verwiesen sei v. a. auf Udo Bermbach, Repräsentation, imperatives Mandat und Recall: Zur Frage der Demokratisierung im Parteienstaat, in: Klaus v. Beyme (Hrsg.), Theorie und Politik. Festschrift zum 70. Geburtstag für Carl-Joachim Friedrich, Den Haag 1971, S. 497-525; Bernd Guggenberger/Hans-Joachim Veen/Albrecht Zunker (Hrsg.), Parteienstaat und Abgeordnetenfreiheit. Zur Diskussion um das freie Mandat, München 1976.

  15. Vgl. Stefan Holl, Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg. Sozialprofil, Rekrutierung, Selbstbild, Kehl u. a. 1989; Ewald Rose/Joachim Hofmann-Göttig, Selbstverständnis und politische Wertungen der Bundestagsabgeordneten. Ergebnisse repräsentativer Umfragen, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 13 (1982), S. 62-84.

  16. Vgl. u. a. G. Robert Boynton/Ronald D. Hedlund/Samuel C. Patterson, The structure of political support for legislative institutions, in: Midwest Journal of Political Science, 12 (1968), S. 163-180; dies., The missing link in legislative politics: attentive constituents, in: Journal of Politics, 31 (1969), S. 700-721; Chong Lim Kim/Joel D. Barkan/Ilter Turan/Malcolm Jewell, The legislative connection: The politics of representation in Kenya, Korea, and Turkey, Durham 1984.

  17. Vgl. Aussagen wie „representation is a matter of linkage“, in: Edward N. Muller, The representation of citizens by political authorities: consequences for regime support, in: American Political Science Review, 64 (1970), S. 1149.

  18. Responsivität wurde im Rahmen der Repräsentationstheorie von Hanna F. Pitkin, The concept of representation, Berkeley-Los Angeles 1967, zu einem Schlüsselbegriff der US-amerikanischen Parlamentarismusforschung. Im Rahmen jener Gesellschaftstheorie von allgemeiner systemanalytischer Aussagekraft, die Amitai Etzioni, The active society. A theory of societal and political processes, London-New York 1968, S. 430-454, entwickelte, meint Responsivität die Ansprechbarkeit, Empfänglichkeit, Anregbarkeit, Antwort-bereitschaft, Reagibilität und Reaktionsfähigkeit von Systemen aller Art.

  19. Im Rahmen der Abgeordnetenforschung sind neben der institutionalisierten Führungsaufgabe von Abgeordneten in ihren Parteigliederungen drei Bereiche alltagspraktischer Führung zu erkennen: Sie wird ausgeübt durch „offensives Informieren“, also durch zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit, welche wichtige Voraussetzungen für die Akzeptanz politischer Handlungen schafft; ferner durch die Herbeiführung und Festigung erwünschter Situationsdefinitionen, mit denen ein Abgeordneter in seinem Wirkungsbereich seine Sichtweisen durchzusetzen versucht; und schließlich durch unmittelbare Werbung für die eigene Person, Position und Partei.

  20. D. Herzog u. a. (Anm. 13), S. 60.

  21. Vgl. Anm. 7.

  22. Diese Frage nach der faktischen Gliederung der Tätigkeitsfelder ist nicht zu verwechseln mit der unten erörterten nach den normativen Aufgabenvorstellungen, welche die Abgeordneten hegen.

  23. Natürlich bezieht sich der Wählerservice nicht allein auf „die Wähler“ des Abgeordneten; vielmehr sind Abgeordnete für jeden Bürger zugänglich. Daß sie sich um die politischen Präferenzen ihrer Petenten nicht kümmerten, betonten in den Interviews die Abgeordneten nachdrücklich.

  24. siehe den Fragebogen jener Untersuchung, abgedruckt in: John C. Wahlke et al., The legislative System, New York-London 1962, S. 494, Frage 10.

  25. Da das Amts-und Berufsverständnis der (wenigen) Abgeordneten der GRÜNEN dem aller anderen Abgeordneten am wenigsten ähnlich ist, werden in den meisten Tabellen deren Angaben gesondert dargestellt. Auf eine Diskussion der Unterschiede muß in diesem Rahmen allerdings verzichtet werden.

  26. Vgl. Werner J. Patzelt, Abgeordnete und Journalisten, in: Publizistik, 1991 (im Druck).

  27. Siehe hierzu die Erläuterung in Anm. 19. Die dort genannten Aufgaben „alltagspraktischer politischer Führung“ wurden aus den Antworten der Abgeordneten abgeleitet.

  28. Rangplätze 1 und 11 der -den Befund prägenden -CSU/SPD-Spalte. Ebenso zeigte die Passauer Landtagsstudie, daß sich die Abgeordneten in hohem Grad als Parlamentarier verstehen. Ihnen wurde folgende These zur Beurteilung vorgelegt: „Als Abgeordneter bin ich zunächst Mitarbeiter des Parlaments. Dies muß meine eigentliche Aufgabe sein. Die Wahlkreisarbeit ist wichtig; trotzdem muß meine Parlamentsarbeit vorgehen.“ Hierzu meinten 17, 9 Prozent „trifft sehr zu“, „trifft zu“ 35, 9 Prozent, „trifft teils zu“ 27, 4 Prozent, „trifft weniger zu“ 17, 1 Prozent und „trifft nicht zu“ 1, 7 Prozent; n = 117.

  29. Zu diesem Konzept vgl. Anm. 18.

  30. Rangplätze 2 und 3 (ausgedrückt als 2, 5), 5 und 9 der CSU/SPD-Spalte.

  31. Rangplätze 6, 7 und 8 der CSU/SPD-Spalte.

  32. Rangplätze 4, 10, 12 der CSU/SPD-Spalte. Die übrigen Kategorien erfassen Bestandteile des Amts-und Berufsverständnisses, welche diesen Grundzügen zuzuordnen, wenn auch zu ihnen nicht parallel sind. Konzeptuelle Arbeit -die ihrerseits Spezialisierung erfordert -(Rangplätze 13, 5 und 15, 5) liegt der parlamentarischen Arbeit voraus, bei der Verantwortung für das Staatsganze übernommen, dann aber auch im Wahlkreis vor den Bürgern sichtbar gemacht werden muß (Rangplatz 13, 5); und Parlament wie Staat bei der Bevölkerung zu „repräsentieren“ (Rangplatz 15, 5), ist Teil der Aufgabe, das „Wurzelwerk“ von Repräsentativorganen zu schaffen und intakt zu halten.

  33. D. Herzog u. a. (Anm. 13), S. 67, Erratum.

  34. Dies ist auch aus der Sicht der Abgeordneten zulässig, wie die Antworten auf eine entsprechende Frage zeigten. Siehe W. J. Patzelt (Anm. 7), S. 364.

  35. Diese Fragen sowie die entsprechenden Antwortverteilungen werden in den Tabellen 3 bis 7 mitgeteilt.

  36. Wegen zu geringer Fallzahl bei FDP und GRÜNEN konnte für diese Abgeordneten keine Faktorenanalyse durchgeführt werden.

  37. Für Experten: Durchgeführt wurde eine Hauptkomponentenanalyse mit orthogonaler Varimax-Rotation, die 65 Prozent der Varianz in den einbezogenen Variablen erklärt.

  38. Bei den Antworten gibt es kaum Unterschiede zwischen den Bundes-und Landesparlamentariern oder zwischen Abgeordneten der verschiedenen Parteien; lediglich die Mandatare der GRÜNEN betonen sowohl beim SOLL als auch beim IST deutlicher die parlamentarische Arbeit.

  39. Daß die Bevölkerung sich mehrheitlich eine andere Schwerpunktsetzung wünscht als die Abgeordneten und diesen somit eine Schwerpunktverlagerung aufnötigt, machen Allensbacher Befunde klar, die Suzanne S. Schüttemeyer, Bundestag und Bürger im Spiegel der Demoskopie, Opladen 1986, auf S. 207 so zusammenfaßt: „ 48 Prozent der Befragten gaben einem im Wahlkreis aktiven . bürgernahen'MdB den Vorzug, 36 Prozent wünschten sich eher den in Bonn und international profilierten Abgeordneten.“

  40. Als Antwortvorgaben wurden fünfstufige Polaritäten benutzt. Bei der Frage nach dem SOLL-Stellenwert des Wähler-und Wahlkreisservice lauteten die Extreme: „Solcher , Wähler-und Wahlkreisservice* sollte der Schwerpunkt seiner [d. h.: des Abgeordneten] Tätigkeiten sein!“, beziehungsweise: „Der . Wähler-und Wahlkreisservice* hält einen Abgeordneten von seinen eigentlichen Aufgaben ab!“ Bei der Frage nach dem IST-Stellenwert waren folgende Pole vorgegeben: „Praktisch ist der . Wähler-und Wahlkreisservice* der Schwerpunkt meiner Tätigkeiten“ bzw. . Solcher Wähler-und Wahlkreisservice* ist ein vernachlässigbarer Teil meiner Tätigkeiten.“

  41. Vgl. hierzu das in der nachfolgenden Tabelle wiedergegebene Ergebnis aus der Passauer Landtagsstudie, welches die Reaktionen auf folgende These wiedergibt: „Ich verstehe mich als eine Art Sozialarbeiter.“

  42. Nicht nur in ihrem Amtsverständnis, der SOLL-Aussage, sondern vor allem in ihrer von der IST-Aussage bezeichneten Amtsausübung unterscheiden sich die Landtagsabgeordneten hier tendenziell von den Bundesparlamentariern: der Wähler-und Wahlkreisservipe ist für sie wichtiger.

  43. In eckige Klammem gesetzte Einschübe stammen vom Verfasser und haben den Zweck, die grammatikalisch manchmal unkorrekten und unvollständigen Äußerungen der Abgeordneten besser lesbar zu machen.

  44. Vgl. hierzu die starke Zustimmung, die bei der Passauer Landtagsstudie die folgende These fand: „Der Abgeordnete hat flexibel zu sein. In erster Linie sollte er immer auf einen Interessenausgleich hinarbeiten, um möglichst für alle eine tragbare Lösung herbeizuführen. Dabei kann eine zu enge Ausrichtung auf Wähler oder die Partei nur stören.“ „Trifft sehr zu“ meinen 10, 1 Prozent, „trifft zu“ 35, 3 Prozent, „trifft teils zu“ 27, 7 Prozent, „trifft weniger zu“ 24, 4 Prozent, und „trifft nicht zu“ 2, 5 Prozent; n = 119.

  45. Vgl. Werner J. Patzelt, Das „Wurzelwerk“ der Parlamente. Publikationsmanuskript, Passau 1991.

  46. Vgl. Werner J. Patzelt, Wie fassen Abgeordnete ihr Amt auf? Wider zwei Legenden, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, (1991) i. E.

  47. Vgl. Werner J. Patzelt (Anm. 7), S. 375-601.

  48. Eine Einschränkung mag es geben, weil sich bei der bundesweiten Untersuchung der Bundestagsabgeordneten von D. Herzog u. a. (Anm. 13), S. 66f., die Abgeordneten der CSU als überdurchschnittlich stark um die Interessenvertretung einzelner Bürger bemüht und als besonders wahlkreisorientiert erwiesen; vgl. die Tabelle 2.

Weitere Inhalte

Werner J. Patzelt, M. A., Dr. phil. habil., geb. 1953; Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte an den Universitäten München, Straßburg und Ann Arbor, Mich.; Privatdozent und wissenschaftlicher Oberassistent am Lehrstuhl für Politikwissenschaft der Universität Passau. Veröffentlichungen u. a.: Einführung in die sozialwissenschaftliche Statistik, München -Wien 1985; Sozialwissenschaftliche Forschungslogik. Einführung, München -Wien 1986; Grundlagen der Ethnomethodologie. Theorie, Empirie und politikwissenschaftlicher Nutzen einer Soziologie des Alltags, München 1987; Jugend im Bayerischen Wald. Eine Umfrage unter Schülern, Passau 1991; Beiträge zur Parlamentarismusforschung in Fachzeitschriften.