Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Verfassungsstaat und bürgerliche Demokratie. Zur Bedeutung Hermann Hellers für die politische Kultur | APuZ 21-22/1991 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 21-22/1991 Das Bundeskanzleramt als Regierungszentrale Der freie Volksvertreter: Illusion oder Wirklichkeit? Zur Kritik der Lehre vom „Parteienstaat“ Das Amtsverständnis der Abgeordneten Verfassungsstaat und bürgerliche Demokratie. Zur Bedeutung Hermann Hellers für die politische Kultur

Verfassungsstaat und bürgerliche Demokratie. Zur Bedeutung Hermann Hellers für die politische Kultur

Christoph Müller

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Hermann Heller, einer der wenigen republikanisch gesinnten Staatsrechtslehrer der Weimarer Republik, der 1933 mit 42 Jahren im spanischen Exil verstorben ist, hat ein vielschichtiges Werk hinterlassen, das uns heute nicht nur als Schlüssel zum Verständnis der Krisen und schließlich der Agonie der Weimarer Verfassung dienen kann. Als Antwort auf die Gefährdungen der Demokratie erarbeitete er ein Konzept, den liberalen zum sozialen Rechtsstaat weiterzuentwickeln. In den „Politischen Ideenkreisen“ hat er das Material zusammengefaßt, das er seiner Volksbildungsarbeit und seinem theoretischen Hauptwerk, der postum 1934 veröffentlichten „Staatslehre“, zugrunde gelegt hatte. Die „ungebrochene Aktualität“ Hellers liegt darin, daß „alle wesentlichen in seinem Werk thematisierten Probleme in der Staatsrechtslehre wie auch in der Verfassungspraxis der Bundesrepublik bis zur Stunde ungelöst sind“ (Ingeborg Maus). Die „Politischen Ideenkreise“ eignen sich in besonderer Weise für die politische Bildungsarbeit. Dieses Buch befaßt sich mit dem Ringen um Demokratisierung in Deutschland vor allem in den letzten anderthalb Jahrhunderten. Heller kämpft gegen die Unberechenbarkeiten der „politischen Romantik“, die unsere Nachbarn genauso beunruhigt haben wie der Zynismus einer Machtstaatsideologie, die einmal große Teile der Bevölkerung in ihren Bann ziehen konnte. Die Auseinandersetzung mit der Staats-und Verfassungslehre Hermann Hellers kann dazu beitragen, daß in unserer politischen Kultur ein dauerhaftes Klima der westeuropäischen Normalität und der begründeten Vertrauenswürdigkeit entsteht.

Am 17. Juli 1891 wurde Hermann Heller, zuletzt ordentlicher Professor für Öffentliches Recht an der Universität Frankfurt am Main, in Teschen an der Olsa, im damals habsburgischen Österreich, geboren. Er starb 1933, erst 42 Jahre alt in Madrid, wo er nach dem Machtantritt Hitlers Zuflucht gefunden hatte. Heller hinterließ ein vielschichtiges Werk das von „einem aktiven Bildungspolitiker, einem bedeutenden Staatsrechtslehrer und einem sehr eigenwilligen Sozialisten“ Zeugnis ablegt Dieser Beitrag aus Anlaß seines 100. Geburtstags soll nicht den Staatstheoretiker und Verfassungsjuristen in den Mittelpunkt stellen, sondern an den Politikwissenschaftler Heller erinnern

I. Die politischen Ideenkreise

Hellers Buch von 1926 über Die politischen Ideen-kreise der Gegenwart faßt das Material zusammen, das er seiner ausgedehnten Volksbildungsarbeit und seiner Tätigkeit als Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin zugrunde gelegt hat Es kann als eine klassische Schrift der deutschen politikwissenschaftlichen Literatur gelten. Hier hat er das empirische Fundament gelegt, auf dem er sein theoretisches Werk errichtet hat. Diese Schrift dient uns heute als Schlüssel zum Verständnis von Positionen, die er zu Einzelfragen der Staats-und Rechtstheorie bezogen hat. Sie zeigt ihn als hellsichtigen Zeitgenossen, der versucht, die Krise zu verstehen und gegen die aufkommenden Gefahren anzukämpfen. Heller mahnt das Bürgertum, von dem ein großer Teil der Weimarer Republik die nötige Unterstützung versagte, den jahrhundertealten Kulturzusammenhang nicht abreißen zu lassen. Er bringt zuletzt seine immer dringender werdenden Warnungen auf die klare Alternative: „Rechtsstaat oder Diktatur“

Heller gibt einen Überblick über die Grundlagen des Verfassungsstaats der Neuzeit, der sich in Deutschland erst 1918 formell durchgesetzt hatte und dessen Fundamente auch im zweiten Anlauf der Demokratisierung Deutschlands noch instabil blieben. Er spricht dabei von politischen Ideenkreisen. Damit meint er den Zusammenhang einer Vielzahl von gedanklichen Vorstellungen, die zum Teil aus theoretischen Entwürfen stammen oder sich in der öffentlichen Meinung niedergeschlagen haben, die aber zugleich aufeinander einwirken, und zwar in einer „Überstürzung der Entwicklung und Verwickelung der Fronten, wie sie in keinem anderen Land anzutreffen sind“

Heller will nicht irgendwelche „reinen Ideen“ finden. „Substanzbegriffe“ und „zwerghafte Formeln“, in denen manche glauben, das „Wesen“ der Erscheinungen fassen zu können, sind ihm fremd. Er befaßt sich mit konkreten, historisch entstandenen politischen Vorstellungen der Gegenwart, die in einem „unendlichen Reichtum von Formen, Erscheinungen und Gestaltungen“ auftreten Um diese Verwicklungen verstehen zu können, will er, ganz im Sinne Max Webers, „Idealtypen“ bilden Dabei muß er das Rankenwerk zurückschneiden und die Hauptideen zu reinen Denkformen steigern, damit „die Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens einem bestimmten Deutungsschema zugerechnet, vergleichend gemessen, anschaulich und verständlich gemacht werden“ können In scharfem Kontrast zur „politischen Theologie“ Carl Schmitts und seinen „verschimmelten Ideen“ will Heller nicht das „Wesen“ dieser Ideenkreise ergründen, sondern empirisch vorgehen. Aber ehe er ihren Verwicklungen nachgehen kann, muß er erst vereinfachen, um überhaupt die Spur aufnehmen zu können.

Heller sieht einen demokratischen, einen liberalen, einen sozialistischen, einen nationalen und einen monarchischen Ideenkreis miteinander ringen. Dabei will er nicht verfassungsgeschichtlich darstellen, „wie es gewesen ist“. Ihm geht es um spezifische historische Konstellationen, um Weichenstellungen der Entwicklung, sofern von ihrer Interpretation die Bildung des politischen Bewußtseins abhängt.

Diese fünf Ideenkreise stehen nicht gleichgewichtig nebeneinander; es gibt auch keine allgemeinen Entwicklungslinien zwischen ihnen. Zwar sieht Heller einen engen Zusammenhang zwischen dem demokratischen, dem liberalen und dem sozialistischen Ideenkreis. Liberalismus und Sozialismus sind für ihn nur unterschiedliche „Entwicklungsmomente der Demokratie“ Aber der nationale Ideenkreis liegt auf einer ganz anderen Ebene. Er kann unter Umständen mit Demokratie, Liberalismus und Sozialismus eine Synthese bilden; wenn das aber mißlingt, können die gewaltigen Kräfte, die dieser Ideenkreis beinhaltet, aber abirren und sich auf gefährliche Weise verselbständigen. Im monarchischen Ideenkreis hingegen faßt Heller alle Behinderungen und Regressionen zusammen, die einer vernünftigen Entwicklung des Gesellschaftskörpers entgegenarbeiten. Aber gerade hier ist es besonders schwierig, die vielfältigen Verwandlungen der Denkmuster zu erfassen.

II. Heller und die Staatsrechtslehre der Bundesrepublik

Bonn ist nicht Weimar. Für uns haben die von Heller aufgeworfenen Fragen etwas von ihrer unmittelbaren, damals aktuellen Bedeutung verloren und zum Teil den Charakter „historischer“ Probleme angenommen. Aber der Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation, den der Nationalsozialismus für uns darstellt, ist nicht einfach „vergangene Geschichte“, wie der „Historikerstreit“ gezeigt hat. Schon aus diesem Grunde bleibt es wichtig, uns mit der Republik von Weimar zu beschäftigen.

Es scheint auch, daß uns in mancher Hinsicht Weimar wieder näherrückt. Wir nehmen erneut Erschütterungen wahr, die die Fundamente unserer heutigen ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Situation betreffen. Allerdings wäre es töricht, die Gefahr eines neuen Hitlers oder auch nur eines neuen großdeutschen Imperialismus an die Wand zu malen. Für beides fehlen heute wesentliche Voraussetzungen.

Es scheint, als sei der dritte Anlauf der Demokratisierung unseres Landes erfolgreich abgeschlossen. Die Fundamente einer demokratischen Gesellschaft sind verbreitert und vertieft. Aber zu Selbstzufriedenheit besteht kein Anlaß. Daran hindert uns das bloße Faktum, daß mit dem Jahre 1933 ein jahrhundertealter Kulturzusammenhang, in den wir Deutsche auf vielfältige Weise verflochten waren, zerstört worden ist. Heller hat ahnungsvoll für diese Tatsache eine Erklärung gegeben, die eigentlich nicht neu ist: Auch die größten Errungenschaften der Vergangenheit können niemals gesicherter „Besitz“ werden; jede Generation muß sie aufs neue annehmen und, wie Heller sagt, „aktualisieren“. Goethes Formulierung: „erwirb es, um es zu besitzen“, gilt auch für die immerwährenden Gefährdungen unserer politischen Institutionen.

Es ist daher notwendig, darüber nachzudenken, ob die Lösung der „sozialen Frage“ wirklich schon „gelungen“ ist. Es ist weitsichtig, die Widersprüche unserer bisherigen Art von Wohlfahrtsstaat zu analysieren. Es aktiviert die humanen Potenzen einer Gesellschaft, über nicht absehbare Formen des Wachstums unserer Wirtschaft nachzudenken, während alle erfolgreichen, natürlichen Systeme Mechanismen des „negativen feedback^ kennen, die im Reifezustand das Wachstum bremsen. Wenn Heller uns verdeutlichen will, daß eine demokratische Gemeinschaft „auf die Dauer unhaltbar“ ist, in der „die vielen fast nichts und die wenigen fast alles an ideellen wie materiellen Gü- tern" besitzen dann können wir uns nicht mit den „sozialstaatlichen“ Erfolgen der letzten Jahrzehnte in unserem Land beruhigen, sondern müssen den Blick gerade auf die ungelösten Probleme richten.

Obwohl zur Zeit eine gute Konjunktur herrscht,, zeichnen sich doch negative Konsequenzen im Bereich der Ökologie ab. Auch unser Sozialmodell, das auf einer solchen Ökonomie beruht, kann weltweit nicht mehr verwirklicht werden: Wir können es nur noch genießen, solange die überwiegende Masse der Weltbevölkerung von diesen Segnungen ausgeschlossen bleibt. Für eine Theorie von Staat und Gesellschaft, die nach verallgemeinerungsfähigen Strukturen suchen muß, ist das ein Signal.

Die reichen Länder erleben aber auch in ihrem Inneren, daß die Hoffnungen Lord Beveridges, „Vollbeschäftigung in einer freien Gesellschaft“ zu garantieren, sich nicht einfach erfüllen lassen. In den Metropolen der Industriestaaten entstehen Bedingungen, die wir sonst nur aus der sogenannten Dritten Welt zu kennen glaubten. Ströme von Arbeitsmigranten, die wir zunächst selbst gerufen hatten, um die Konjunktur in unseren industriellen Zentren zu sichern, haben sich in Bewegung gesetzt. Dazu kommen Massen von Menschen, die vor dem Elend in ihrer Heimat fliehen. Es verbreitet sich die Ahnung, daß diese Migrationsströme, die nahezu einer Völkerwanderung gleichkommen, nur angehalten werden können, wenn es gelingt, in den Heimatländern die Ursachen der Flucht vor dem Elend zu beseitigen. Aber wie sollte dann das sozialökonomische Reproduktionsmodell dieser Länder aussehen? Könnte nicht das von der heutigen neoliberalen Theorie favorisierte Modell „Weltwirtschaft“ zu sozialen Kosten führen, die so hoch sind, daß ihre Opfer sich vielleicht weigern könnten, sie zu zahlen?

Es scheint nicht besonders schwierig zu sein, Arbeitern das Bewußtsein auszureden, sie hätten die Mission, ihre Befreiung in eine Befreiung aller zu verwandeln Es ist weit schwieriger, einer von Jugendarbeitslosigkeit bedrohten jungen Generation, nun auch . in den Staaten des zusammenbrechenden Sozialismus, Werte zu vermitteln, die zur gesellschaftlichen Integration beitragen. Die Aufforderung, sich zu bereichern, wird dazu wohl nicht ausreichen.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs stehen wir in Europa und weltweit vor der Notwendigkeit, unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft umzugestalten, unsere Städte zu urbanen und humanen Zentren umzubauen, unsere Handelsbeziehungen und unsere Konsumgewohnheiten zu ändern. Gleichzeitig wird die Theoriediskussion der Weimarer Republik für uns wieder interessant. Ob es sich um die Demokratisierung des Beamtenrechts, das Verhältnis von Staat und Kirche, die Anerkennung der Tarifautonomie oder die Modernisierung der öffentlichen Unternehmen der Gemeinden handelt, immer findet man in der Weimarer Debatte moderne Vorstellungen. Das Grundgesetz hat an manchen Stellen Errungenschaften der Weimarer Verfassung „fortgeschrieben“. Falls an der einen oder anderen Stelle doch noch neue Wege gesucht werden müssen, nicht zuletzt im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten, kann die Theoriediskussion der Weimarer Zeit eine Quelle der Inspiration sein.

Aus diesen Gründen wird verständlich, daß das Interesse an Hermann Heller bei uns und in anderen Ländern wächst. Bisher wird sein Werk in der Staatsrechtswissenschaft nur wenig beachtet. Aber die „ungebrochene Aktualität Hermann Hellers“ erweist sich daran, daß „alle wesentlichen in seinem Werk thematisierten Probleme in der Staatsrechtslehre wie auch in der Verfassungspraxis der Bundesrepublik bis zur Stunde ungelöst sind“

Es genügt nicht, die theoretische Grundlegung von Staat, Verwaltung, Recht, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur dem Bundesverfassungsgericht zu überlassen. Ein Gericht ist berufen, Rechtsstreitigkeiten verbindlich zu entscheiden. Dabei hat jedes Gericht die Kompetenz, die Rechtsordnung „authentisch“ zu interpretieren. Das bedeutet: Die Entscheidung über den Streitgegenstand ist für die Verfahrensbeteiligten verbindlich Aber das Bundesverfassungsgericht ist nicht in dem Sinne „authentischer“ Interpret des Grundgesetzes, daß es etwa die Rolle eines unfehlbaren Lehramtes für sich beanspruchen könnte. Fragen der Theorie von Staat und Gesellschaft werden durch ein Gerichtsurteil nicht mit Verbindlichkeit für die Wissenschaft entschieden.

III. Unwiderruflichkeit des demokratischen Fundaments

Seit dem Ende des Kalten Krieges taucht das Wort von einer „neuen Weltordnung“ auf. Davon könnten wir aber erst reden, wenn die Staaten der Weltgesellschaft in erkennbarer Weise dabei wären, ökonomische, soziale, politische und kulturelle Strukturen zu finden, die ihre dauerhafte und friedliche Koexistenz verbürgen. Die internationalen Strukturen, in denen diese Weltgesellschaft bereits rechtlich verfaßt ist, sind noch sehr instabil.

Deutlich zeichnet sich ab, was auch Heller eindringlich forderte: Es gibt keine Alternative dazu, die politische Ordnung in der ganzen Welt auf ein demokratisches Fundament zu stellen, auch wenn dieses Ziel noch durch viele gegenläufige Tendenzen gehemmt wird. Die Denkansätze Hellers, die sich zunächst auf unser Land bezogen, können, auf indirekte Weise, ein Verständnis auch für größere Zusammenhänge erschließen. Wir müssen heute, auch wenn wir lokal handeln, gleichzeitig immer global denken. Das gibt den alten Fragestellungen aus der Weimarer Diskussion ein neues Gewicht.

Heller möchte das Neuartige der Neuzeit verstehen. Im Blick auf die verschiedenen fundamentalistischen Strömungen ist es für uns aufschlußreich, wie er die Bedeutung der demokratischen Grundlegung der politischen Gewalt bei uns entfaltet hat. Er verweist darauf, daß wir diese Erkenntnis einer theoretischen Anstrengung verdanken, an der mehrere Jahrhunderte gearbeitet wurde. Hinter den „ideengeschichtlichen“ Zusammenhängen werden objektivierbare Faktoren sichtbar, die bis zu einem bestimmten Grade verallgemeinerungsfähig sind.

Es gab Gründe, die es von einem bestimmten Organisationsgrad der politischen Gemeinschaft an unmöglich gemacht haben, sie, wie in der Vergangenheit „metaphysisch“, von oben her zu konstruieren. Auch in widersprüchlichen Formen hat sich schon in vordemokratischer Zeit die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß die Strukturen der politischen Organisation nur noch „immanent“, von unten, von ihren effektiven Funktionen her begründet werden können. Die „Theorie“ der Demokratie ist nur die klare Schlußfolgerung aus diesen empirischen Bestimmungsfaktoren.

Wie kommt es, daß zum Beispiel Christian Thomasius, der um die Wende des 17. zum 18. Jahrhunderts gelebt hat, das neue Phänomen der bür zum Jahrhunderts gelebt hat, das neue Phänomen der bürgerlichen Gleichheit schon klar begründet, als die ungleichen Privilegien der verschiedenen „Stände“ noch in fast unbestrittener Geltung waren? Er nimmt das neue Prinzip theoretisch vorweg, indem er den einfachen Satz formuliert: „Die Menschen sind insofern natürlich gleich, ... als keinem eine Gewalt über den anderen zukommt“ 16). Diese Erkenntnis erscheint uns heute trivial. Damals war sie revolutionär.

Mit der Demokratisierung von Staat und Gesellschaft bereitet sich ein Bruch vor, der in wechselvollen Kämpfen allmählich vollzogen wird und auch heute noch längst nicht generell stabilisiert ist: Die seit Jahrtausenden bestehende Verbindung von Palast und Tempel, von Thron und Altar löst sich auf. Die Autorität von Mächten, die sich auf geheiligte Tradition beriefen, wurde hinterfragt. Die religiös sanktionierte „Massenehrfurcht“ gegenüber den „angestammten Dynastien“ und der für gottgegeben betrachteten lokalen Herrenstellung von Feudalmächten fiel in sich zusammen, als es möglich wurde, auch nur die Frage nach ihrer Begründung zu stellen. Ist es aber nicht mehr möglich, politische Herrschaft transzendent zu begründen, so bleibt nur noch die Möglichkeit, sie von unten, demokratisch, also „immanent“ zu rechtfertigen. Selbst unter Rückschlägen kann dann die Staats-und Verwaltungslehre die „Gültigkeit“ einer solchen Entwicklungslinie festhalten.

Der demokratische Gedanke tritt dabei nicht von Anfang an rein in Erscheinung. Er bereitet sich langsam vor. Schon im Mittelalter wurden die jahrtausendealten Vorstellungen, daß der Herrscher ein Repräsentant der Gottheit auf Erden sei, erschüttert 17). Wilhelm von Occam, Marsilius von Padua und Nicolaus Cusanus beginnen, den Gedanken von der Souveränität des Volkes zu denken. Jean Bodin in Frankreich und Johannes Althusius in Deutschland interpretierten die Stellung des Herrschers nicht mehr von seinem Selbstverständnis her, sondern nahmen ihn als ein Organ des Volkes in Anspruch 18). Noch in absolutistischen Formen leitet Thomas Hobbes, versteckt hinter vielen Bibelzitaten, die Herrscherstellung des Königs nur noch aus seiner Funktion ab, die er als Wahrer des Friedens für sein Volk leistet. Damit legt er den Grund für eine moderne, empirische Herrschaftssoziologie Besonders einflußreich für die Philosophie der Aufklärung und namentlich für Immanuel Kant war das Werk von Jean-Jacques Rousseau, der nach einer neuen, natürlichen Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse suchte. Für den theoretischen Verstand wird die Basis einer demokratischen Grundlegung der Gesellschaft unwiderruflich, auch wenn es retardierende Momente gibt. Im Blick auf die Konflikte der Weimarer Republik schreibt Heller: „Die Demokratie als solche, die unser Denken beherrschende Vorstellung, daß alle politische und gesellschaftliche Macht nur gerechtfertigt sein kann durch den Willen der Machtunterworfenen, ist so wenig in ihrer Herrschaft erschüttert, daß unbedenklich behauptet werden kann, es gibt überhaupt heute keine andere Herrschaftslegitimation, als die demokratische.“

Allerdings löst diese theoretische Erkenntnis -wie Heller darlegt -nicht automatisch die praktischen Probleme einer demokratischen Organisation. Aber sie steckt doch auch für die Diskussion aktueller Krisenerscheinungen einen theoretischen Bezugsrahmen ab. Eine vielleicht berechtigte Kritik an negativen Einzelerscheinungen kann dieses demokratische Fundament aller Herrschaft nicht mehr in Frage stellen.

Heller kann sich zur Beschreibung der Aufgaben einer demokratisch organisierten bürgerlichen Gesellschaft geradezu auf Bakunin berufen, der das neue Grundprinzip besonders deutlich zum Ausdruck bringt, wenn er schreibt, daß ein Gesetz nur dann keine unzulässige Beschränkung der Freiheit darstellt, wenn es uns nicht willkürlich aufgezwungen wird, sondern wenn die neu gesetzten Regeln „in den Dingen, den Beziehungen, den Situationen selbst liegen“

Mit der Erkenntnis, daß die demokratische Grundlegung der Gesellschaft unwiderruflich ist, verträgt sich nicht die Tatsache, daß es anti-demokratische Bewegungen gab und gibt. Dem Bürgertum sind die großen politischen, wissenschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Errungenschaften der Neuzeit zu verdanken. Heller sieht in den antidemokratischen Strömungen des Bürgertums einen Selbstwiderspruch, weil damit die Errungenschaften des eigenen Befreiungskampfs preisgegeben werden

Dabei muß man auch das primäre Interesse, Realität nicht wahrnehmen zu wollen, von den sekundären Denkformen unterscheiden, in denen sich dieser Realitätsverlust abspielt. Heller untersucht das „monarchische Prinzip“, das als Instrument dieser historischen Verdrängung der demokratischen Entwicklungslinie diente, und geht beiden Fragen nach: dem Interesse und seinen Ausdrucksformen.

Wenn es in Preußen gelang, gegen die demokratischen Grundtendenzen des Zeitalters noch einmal ein „monarchisches Prinzip“ durchzusetzen, so sieht Heller eine Ursache hierfür in strukturellen Schwächen des „preußischen Liberalismus“.

In Preußen verfügte der Adel immer noch über bedeutende Privilegien Das schwächte die Kraft des Bürgertums. Aber auch aus innerem Antrieb suchte das Bürgertum nun den Anschluß an die feudalen Schichten, weil es sich von den Forderungen der Arbeiterbewegung in einem Zeitpunkt bedroht fühlte, als es sich politisch noch nicht durchgesetzt hatte

Dazu kam, daß der liberale Ideenkreis in Preußen unter dem starken Einfluß von Immanuel Kant stand und, was auf den ersten Blick sympathisch wirkt, hier „vergeistigter“ auftrat In seiner „weltbürgerlichen“ Gesinnung glaubte Humboldt, auf die „Vorzüge in geistiger und wissenschaftlicher Bildung“ nur solange vertrauen zu können wie die deutsche Nation „keine Richtung nach außen“ zeigte Eine zentrale Staatsgewalt erschien ihm geradezu als ein Übel. Die „Vielfalt der Herrschaften, Residenzen und Verfassungen des Reichs“, der wir heute unsere differenzierte Kulturlandschaft verdanken und die verhindert hat, daß die Provinz verödete, tröstet über den Mangel an einem nationalen und einem hauptstädtischen Leben hinweg Es wäre besser gewesen, die Freiheit im Inneren auch nach außen zu behaupten. Hier liegt für Heller die Bedeutung Hegels, der das Phänomen der Politik verstanden hatte und der sowohl für das liberale als auch für das sozialistische Denken eine Schule der „Erziehung zur Macht“ bedeutet um den Kulturstaat zu sichern

Ein Machtvakuum bleibt nicht leer. Es wurde auch bald aufgefüllt, und zwar mit den Ideen der „politischen Romantik“. Heller mißtraute diesen „fließenden Stimmungen“, wie etwa dem Traum des Novalis von einem „poetischen Staat“. Ein politisches System müßte „formkräftig“ sein Ihn stört der Gegensatz von „romantischer Gesellschaftslosigkeit“ und biedermeierlicher Lähmung aller „politischen Tatkraft“, die mit den engen Verhältnissen einer „wohlgeordneten bürgerlichen Bravheit“ einhergingen Mit einem deutlichen Seitenhieb auf Die politische Romantik, von Carl Schmitt schreibt er: „Die romantische Politik aber gehört zum logisch, politisch und moralisch Unzuverlässigsten in unserer Geschichte.“

Wegen der Schwäche der bürgerlichen Gesellschaft wurde der preußische König noch einmal gebraucht. Auch Hegel, irritiert von den Wirren, in denen Frankreich zu versinken drohte und auf der Suche nach einem festen organisatorischen Anknüpfungspunkt für die Reorganisation Deutschlands, kommt an der Macht der Dynastien nicht vorbei. Er setzt auf die preußische Monarchie. Selbst Fichte, der den Absolutismus immer scharf bekämpft hatte, findet in den gegebenen Verhältnissen keinen anderen Kristallisationspunkt für die Modernisierung Deutschlands als den König von Preußen, wobei er die naive Hoffnung hatte, daß dann nach seinem Tod „ein Senat“ die Herrschaft übernehmen könne

Der Rechtsphilosoph Friedrich Julius Stahl versuchte, das „monarchische Prinzip“ in eine zweifelhafte Überhöhung zu retten. Stahl konnte die Herrschaftsansprüche des Königs von Preußen nur noch verteidigen, indem er an Gefühle appellierte, die kein metaphysisches Fundament mehr brauchten. Er setzte dem demokratischen Prinzip der „Majorität“ das Gegenprinzip „Autorität“ entgegen Aller alten monarchischen Mystik entkleidet, stützte sich Stahl nur noch auf die dumpfen Instinkte des Obrigkeitsstaats. Er lenkte die früher religiös begründete Verehrung des Monarchen in eine abstrakte „Heldenverehrung“ um. So wurde die „Erlösungsidee“ einer „Geniereligion" vorbereitet, die „in den Menschen den Glauben erweckt, irgendein starker Mann vermöge, losgelöst von allen gesellschaftlichen Gegensätzen und Bindungen, die Neuschöpfung der politischen Einheit in sieben Tagen zu vollbringen“

Meisterhaft verstand es wenige Jahre später Bismarck, auf diesem von Stahl entwickelten Instrument des „Cäsarismus“ zu spielen. Ohne zu bezweifeln, daß Bismarck der überragende Politiker der Epoche war, zieht Heller seine Rolle als die eines wirklichen Staatsmannes in Zweifel. Denn dazu würde gehören, die zukunftsgestaltenden Kräfte zu erkennen und sie so in das Verfassungssystem zu integrieren, daß für eine längere Periode Festigkeit und Dauer verbürgt sind. Er hielt aber alle zukunftsträchtigen Parteien: Freisinn, Zentrum und Sozialdemokratie, von jeder Mitverantwortung fern. Als sein konstitutionelles Gebäude zusammenbrach, mußten im wesentlichen diese drei Kräfte die Verantwortung übernehmen, unter Bedingungen, die ihrem Erfolg nicht günstig waren. Es hatte für die Weiterentwicklung Deutschlands verheerende Konsequenzen, daß dieser Mann, der über den Horizont seiner Standesgenossen hinausdenken konnte, sich das Ziel setzte, die Kraft der ohnehin schon geschwächten demokratischen Bewegung weiter zu untergraben und das liberale bürgerliche Selbstbewußtsein namentlich „durch die Furcht vor der Arbeiterschaft einzuschüchtern“

IV. Formen der politischen Konfliktlösung

Auch wenn das demokratische Fundament der Gesellschaft gar nicht mehr wirklich in Frage gestellt werden kann, so leugnet Heller für seine Zeit nicht, daß es doch Krisenerscheinungen der spezifischen Funktionsweise des gegenwärtigen Parlamentarismus gibt. Dazu gehören vor allem die Schwierigkeiten, handlungsfähige parlamentarische Koalitionen zu bilden

Dabei kann man zwei Ebenen unterscheiden. Es gibt Probleme, die einen „technischen“ Charakter tragen. Es kann sein, daß die Verfassung, das Wahlgesetz oder eine Geschäftsordnung der obersten Verfassungsorgane Mängel aufweisen. Hier kann man durch Veränderungen von Rechten, Kompetenzen und Verfahrensvorschriften die Funktionsweise des Verfassungssystems verbessern In der Hauptsache lagen die Schwierigkeiten der Weimarer Demokratie für Heller aber nicht auf dieser verfassungsrechtlichen Ebene.

„Die tieferen Krisengründe“ lagen für ihn darin, daß „eine Modifizierung des demokratischen Ideenkreises selbst“ zu beobachten war: Die liberale, bürgerliche Demokratie befand sich in einem „Übergang“ zu „irgendeiner Art von sozialer Demokratie“ Das rief Ängste hervor, verschärfte 'die Diskussion, verringerte die Kompromißbereitschaft und trug insgesamt zur Verminderung eines rationalen Dialogs bei Heller, der den Über-gang vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat befürwortete, sah in den Konflikten zwischen Bürgertum und Arbeiterbewegung durchaus Klassen-auseinandersetzungen Aber die „demokratische politische Form“ mußte dadurch nicht notwendigerweise gesprengt werden Das Parlament war für ihn der Ort, an dem diese Konflikte in einer friedlichen, kulturermöglichenden Weise ausgetragen werden können.

Heller hält es für denkbar, daß es zwischen Bürgertum und Arbeiterbewegung, trotz aller Konflikte, einen Grundkonsens geben kann. Denn die Arbeiterbewegung beruft sich auf „Freiheit und Gleichheit“, damit auf die gleichen Rechtsgrund-sätze, die das Bürgertum zur Geltung gebracht hat Die Arbeiterbewegung will aus der liberalen Theorie nur weitergehende Konsequenzen ziehen und Widersprüche auflösen. Auf der theoretischen Ebene sieht Heller zwischen Liberalismus und Sozialismus, trotz aller Konflikte, eine gemeinsame Basis, die allerdings gefährdet war und deshalb besonders umsichtig gepflegt werden mußte.

Dazu gehört auch eine Klärung der Begriffe. Das Wort „liberal“ ist vieldeutig. Sein alter, „klassischer“ Sinn bedeutet großherzig, freigebig, freundlich und anständig. Diese Liberalität gehört zum unverzichtbaren kulturellen Erbe; von ihr kann es gar nicht genug geben. Unter „politischem Liberalismus“ dagegen verstehen wir die großen Errungenschaften des Verfassungsstaats der Neuzeit und der bürgerlichen Demokratie. Dazu gehören die „Volksvertretungen“, die Organisation eines konsistenten Rechtsstaats und die Anerkennung von Grundrechten. Diese politischen Errungenschaften sind ebenfalls unverzichtbar, auch wenn die „bürgerliche“ Demokratie einige innere Widersprüche nicht überwindet. Es gibt nur einen begrenzten Vorrat an organisatorischen Strukturen. Deshalb muß auch eine Demokratie, die sich weiterentwickeln will, viele Elemente dieser „bürgerlichen“ Demokratie übernehmen. Nicht wenige davon sind inzwischen zum dauerhaften Bestand der politischen Kultur geworden.

Anders verhält es sich mit dem „ökonomischen Liberalismus“ im Sinne der Selbstregulation der Wirtschaft durch die Gesetzmäßigkeiten des Marktes. Allerdings enthält auch er Elemente, über die sich niemand ungestraft hinwegsetzen kann. Die liberale Wirtschaftstheorie versucht, diese urwüchsigen Gesetzmäßigkeiten gezielt zu entfalten und zu nutzen und war dabei auf vielen Gebieten sehr erfolgreich.

Aber es gibt auch Bereiche, in denen die Marktregulierung offensichtlich versagt hat. Aus diesem Grunde gibt es heute praktisch niemanden mehr, der einer reinen Marktwirtschaft das Wort redet. Auch die Anhänger der monetaristischen Schule wollen die Intervention des Staates in die Wirt-schäft zwar reduzieren, aber nicht abschaffen. Der deutsche „Ordo-Liberalismus" beruht im Ergebnis auf dem Konzept der Dual-Wirtschaft, bei dem das freie Marktgeschehen durch zahlreiche Maßnahmen der Staatsintervention und der Infrastruktur-politik abgesichert und durch einen nicht unbeträchtlichen Sektor öffentlicher Wirtschaft, namentlich in den Unternehmen der Kommunen, ergänzt wird. Über die Frage, wie die Bereiche abzugrenzen sind, die dem Markt überlassen werden sollen, von solchen, in denen bestimmte Gemeinschaftsaufgaben besser unmittelbar vom öffentlichen Sektor wahrgenommen werden, kann gestritten werden. Aber dieser Streit berührt nicht die Fundamente einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Die Lösung solcher Konflikte findet im Parlament statt, um möglichst rationale Arbeitsergebnisse zu finden. Auf der Ebene des Reichstags kam es seinerzeit nicht in ausreichendem Maße zu der von Heller geforderten Zusammenarbeit. Aber auf der Ebene der Gemeinden fanden das reformorientierte Bürgertum und Vertreter der Arbeiterbewegung oft zusammen, wofür der damals sogenannte „Munizipalsozialismus“, der zum Teil recht erfolgreich war, ein Beweis ist

Heller sieht sich durchaus in seiner Annahme bestätigt, daß „Liberalismus und Sozialismus nur unterschiedliche Entwicklungsmomente“ der Demokratie sind, weil sich allenthalben schon gewisse „Tendenzen des sozialistischen Ideenkreises“ zeigen trotz es der dominierenden marktwirtschaftlichen Ordnung nicht ganz einfach ist, zu sagen, „wo der kapitalistische Staat aufhört und der sozialistische beginnt“ Hellers Analysen der schwierigen Prozesse, unter denen sich die großen politischen Leitideen herausgebildet haben, können Bezugspunkte bleiben bei der politischen Orientierungssuche, auch wenn wir unsere Entscheidungen unter ganz neuen Rahmenbedingungen treffen müssen, und auch dann, wenn wir zu anderen Problemlösungen kommen sollten. Die Auseinandersetzung mit Heller kann dazu beitragen, daß in unserer politischen Kultur ein dauerhaftes Klima westeuropäischer Normalität und der begründeten Vertrauenswürdigkeit entsteht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Hermann Heller, Gesammelte Schriften, 3 Bde., Leiden-Tübingen 1971. Hinweise zu Leben, Werk und Wirkung finden sich in Christoph Müller/Ilse Staff (Hrsg.), Der Soziale Rechtsstaat. Gedächtnisschrift für Hermann Heller, 1933-1983, Baden-Baden 1984.

  2. Eberhard Lämmert, Hermann Heller und die deutsche Universität. Eine Einführung, in: C. Müller/I. Staff (Anm. l), S. 13.

  3. Vgl. C. Müller/I. Staff (Anm. 1).

  4. H. Heller (Anm. 1), Bd. 1, S. 267-412.

  5. Hermann Heller, Rechtsstaat oder Diktatur?, zuerst in: Die Neue Rundschau, erweiterte Fassung 1930, in: ders. (Anm. 1), Bd. 2, S. 443-462.

  6. Ebd., Bd. 1. S. 283.

  7. Ebd. (unter Berufung auf Hegel), S. 270.

  8. Ebd.

  9. Ebd.

  10. Richard Thoma, Zur Ideologie des Parlamentarismus, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 53 (1925), S. 24. Carl Schmitt hat dem parlamentarischen System die Bedeutung abgesprochen, im Gegensatz zu Max Weber, der gerade seine Unersetzlichkeit, vor allem bei der Wahl und Abwahl der politischen Führer, herausgearbeitet hatte. Ihm genügten derartige bloße „Zweckmäßigkeitserwägungen“ nicht, denn er war auf ein „konsequentes, umfassendes, metaphysisches System“ aus, was immer das auch bedeuten soll. Nachweise und Kritik bei Christoph Müller, Das imperative und freie Mandat, Leiden 1966, S. 21.

  11. H. Heller (Anm. 1), Bd. 1, S. 281.

  12. Ebd., S. 373.

  13. Vgl. Gustav Radbruch, Kulturlehre des Sozialismus. Ideologische Betrachtungen, Berlin 1922, S. 34; H. Heller (Anm. 1), Bd. 1, S. 359.

  14. Ingeborg Maus, Hermann Heller und die Staatsrechtslehre in der Bundesrepublik, in: C. Müller/I. Staff (Anm. 1), S. 113.

  15. „Die Interpretation durch das rechtsanwendende Organ ist stets authentisch. Sie schafft Recht“, Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, Wien 19602, S. 351.

  16. Noch Ludwig XIV. sagte von sich, daß er teilhabe „an der Autorität, der Weisheit und dem Erkenntnisvermögen Gottes“; vgl. Karl-Dietrich Ermann, Die Erklärung der Menschenrechte und die Privilegien der Staatsreligion (1949), in: Theodor Strohm/K. -D. Wendland, Kirche und moderne Demokratie, Darmstadt 1973, S. 97; vgl. auch Christoph Müller, Religionskritische Anmerkungen zu Fragen des Verhältnisses von Christentum und Rechtsstaat, in: Ethel Leonore Behrendt (Hrsg.), Rechtsstaat und Christentum, Bd. 1, München 1982, S. 453.

  17. Vgl. H. Heller, Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke, in: (Anm. 1), Bd. 1, S. 30ff., vgl. ebd., S. 275f., 311.

  18. „Ihn (Hobbes; C. M.) darf man als den Begründer der modernen politischen Wissenschaften bezeichnen. Obzwar seine politische Tendenz eine absolutistische ist, verzichtet er doch völlig auf die göttliche Einsetzung des Herrschers“, H. Heller, Staatslehre (1934), in: ders. (Anm. 1), Bd. 3, S. 108.

  19. H. Heller (Anm. 1), Bd. 1, S. 329.

  20. Ebd., S. 282; vgl. auch Michael Bakunin, Philosophische Betrachtungen über das Gottesphantom, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 1, Berlin 1921, S. 215.

  21. H. Heller (Anm. 1), Bd. 1, S. 283.

  22. Vgl. ebd., S. 299.

  23. Vgl. ebd., S. 283.

  24. Vgl. ebd., S. 335f.

  25. Wilhelm von Humboldt, Über die Behandlung der Angelegenheiten des Deutschen Bundes durch Preußen (1818), in: Gesammelte Werke, Bd. 12, S. 53f., zit. nach Hagen Schulze, Gibt es überhaupt eine deutsche Geschichte?, Berlin 1989, S. 39.

  26. Vgl. Christoph Martin Wieland, Der allgemeine Mangel des deutschen Gemeinsinns. Vorrede zu Schiller, Historischer Calender für Damen für das Jahr 1792, Leipzig 1792, S. 118, zit. nach H. Schulze, ebd., S. 38f.

  27. H. Heller (Anm. 1), Bd. 1, S. 362.

  28. Während das weltfremde idealistische Konzept von Kulturstaat alle reale Bedeutung verloren hatte, sah Heller „nur im Sozialismus“ noch eine Tradition „des universalistischen Nationalgedankens aus der Zeit des deutschen Idealismus“ am Leben, ebd., S. 98.

  29. Ebd., S. 289.

  30. Ebd., S. 338, 344.

  31. Ebd., S. 288; Heller ist irritiert darüber, daß sich in den Fragmenten von Novalis „schöne Worte für jede beliebige politische Stellungnahme“ finden.

  32. Vgl. ebd., S. 364.

  33. Ebd., S. 293.

  34. H. Heller, Genie und Funktionär in der Politik, in: (Anm. 1), Bd. 2, S. 620.

  35. Ders. (Anm. 1), Bd. 1, S. 302.

  36. Vgl. ebd., S. 332.

  37. So hat sich Heller bemüht, Exzesse im Verhältnisausgleich zu verhindern, vgl. H. Heller, Die Gleichheit in der Verhältniswahl nach der Weimarer Reichsverfassung, in: (Anm. 1), Bd. 2, S. 319-369; vgl. auch ders., Ziele und Grenzen einer deutschen Verfassungsreform, in: ebd., S. 411 ff.

  38. Ebd., Bd. 1, S. 330.

  39. So war es ein Symptom für das feindselige Klima, daß der „Verein deutscher Studenten“ den Liberalen Friedrich Naumann aus den Reihen der „Alten Herren“ ausschloß, „weil er es gewagt hatte, offen für Arbeiterinteressen einzutreten“, vgl. H. Heller (Anm. 1), Bd. 1, S. 325.

  40. Marx hat übrigens nie behauptet, die Bedeutung der Klassen und der Klassenkämpfe als erster entdeckt zu haben; er hat die Theorie der Klassenkonflikte aus der bürgerlichen Soziologie übernommen, vgl. dazu H. Heller (Anm. 1), Bd. 1, S. 261; 383.

  41. Vgl. ebd., Bd. 2, S. 430.

  42. Vgl. ebd., Bd. 3, S. 212.

  43. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 406.

  44. Ebd., S. 407.

Weitere Inhalte

Christoph Müller, Dr. jur., geb. 1927; Studium der evangelischen Theologie in Tübingen, Heidelberg, Berlin und Basel sowie der Rechtswissenschaft in Berlin; seit 1973 Professor für Staatsrecht und Politik an der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Das imperative und freie Mandat. Überlegungen zur Repräsentation des Volkes, Leiden 1966; (Red.) Hermann Heller, Gesammelte Schriften, 3 Bde., Leiden 1971; Religionskritische Anmerkungen zu Fragen des Verhältnisses von Christentum und Rechtsstaat, in: Ethel Leonore Behrendt (Hrsg.), Rechtsstaat und Christentum, München 1982; (Hrsg. zus. mit Ilse Staff) Der soziale Rechtsstaat. Gedächtnisschrift für Hermann Heller, 1933-1983, Baden-Baden 1984.