Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Das Europa der Eurokraten. Zentralismus, Partikularismus und die Rolle des Nationalstaates | APuZ 42/1992 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 42/1992 Artikel 1 Wir brauchen eine neue Europapolitik. Zu einer notwendigen Debatte über Struktur und Ziele der Europäischen Gemeinschaft Das Europa der Eurokraten. Zentralismus, Partikularismus und die Rolle des Nationalstaates Deutschland und Frankreich zwischen Maastricht und dem Binnenmarkt Vom kooperativen Föderalismus zum „Europa der Regionen“

Das Europa der Eurokraten. Zentralismus, Partikularismus und die Rolle des Nationalstaates

Stefan von Senger und Etterlin

/ 35 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der eigentliche Grund für das dänische „Nein“ zum Maastrichter Unionsvertrag war nicht eine antieuropäische Haltung, sondern die Kritik an einem immer größeren Zentralismus in Europa. Dieser Zentralismus wird zielstrebig von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft vorangetrieben. In Namen der „Integration“ erweist sich das Instrument der „Harmonisierung“ der europäischen Standards, und Normen als Hauptwaffe gegen nationale Eigenständigkeiten. Die Umverteilungsmechanismen der EG sichern dabei den europäischen Behörden eine jeweils partikulare Akzeptanz. Der Deutsche Bundestag ist unfähig, diesen Prozeß zu kontrollieren. Die Integration ist bisher ein rein gouvemementaler Prozeß. Die Schaffung eines Europaministeriums in Deutschland wäre eine ebenso illusionäre Antwort auf den europäischen Zentralismus wie die schon erfolgte Einsetzung des Europaausschusses im Bundestag. Genauso problematisch ist die Stärkung des Einflusses der Bundesländer, da ihre Stimmenvielfalt den deutschen Einfluß schwächt und das von ihnen propagierte „Europa der Regionen“ die Brüsseler Zentralmacht nur noch mächtiger machen wird. Was not tut, sind Regeln, die das Ausufem der europäischen Bürokratie auf allen Ebenen einschränken, beispielsweise: Der Kommission muß das Initiativrecht genommen werden; Haushaltsmittel dürfen auf europäischer Ebene nur ausgegeben werden, wenn dem auf nationaler Ebene entsprechende Einsparungen gegenüberstehen; der Europäische Gerichtshof muß das Verwaltungsgebaren der Kommission überprüfen, nicht das der Mitgliedstaaten. Das gemeinsame Europa muß sich langsamer, organischer und im freieren Spiel der Kräfte entwickeln.

Die ersten offiziellen Reaktionen hierzulande auf das dänische „Nein“ zum Maastrichter Unionsvertrag waren zumeist noch geprägt von der alten Europaideologie. Kritik an Europa und Skepsis über den eingeschlagenen Weg wurden sogleich als nationalistische Eigenbrötelei ausgelegt. Wegen ein paar Tausend „verrückt gewordener Goten“ wollte man sich sein schönes Traumbild von Europa nicht zerstören lassen. Die Bundesregierung entschied sich nach dem Motto „Augen zu und durch“ zum sofortigen Handeln. Dänemark sollte zur Not außen vor bleiben, obwohl doch der Vertrag selbst vorsieht, erst dann in Kraft zu treten, wenn ihn alle zwölf Signatarstaaten ratifiziert hätten.

Erst allmählich wuchs die Erkenntnis, daß das dänische „Nein“ nicht gegen Europa allgemein gewandt war, sondern daß es einer Stimmung Ausdruck gab, die sich auch in der Bundesrepublik Deutschland mehr und mehr breit macht: der Sorge vor einem „Überstaat“ EG, in dem eine anonyme Superbürokratie fernab in Brüssel im Namen der Integration alle aus den unterschiedlichen Traditionen erwachsenen nationalen Unterschiede einebnet und den Bürgern in einem Wust von Direktiven zentralistisch in alle Lebensbereiche hineinregiert.

Diesem Eindruck verschließt sich mittlerweile nicht einmal der Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, wenn er befürchtet, die meisten Bürger könnten die Europäische Gemeinschaft immer mehr als ein „technokratisches und elitäres Abenteuer“ ansehen Doch der Zug zum Zentralismus setzt nicht erst mit Maastricht ein, er gewönne durch die Unionsverträge nur noch einmal gehörig an Fahrt.

I. Die Überwindung der Nationalstaaten

Die EG war u. a. angetreten, um den Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland, der in diesem Jahrhundert zu zwei Weltkriegen geführt hat, ein für allemal in einem Geflecht von gegenseitigen Abhängigkeiten aufzuheben. Der Erfolg des Gemeinschaftsmodells übte magnetische Wirkung aus. Die EG wurde und wird immer größer, ihre Aufgaben wachsen ständig. Unter dem Zwang zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrien auf dem Weltmarkt wird nicht nur ein Binnenmarkt ohne Grenzen angestrebt, sondern auch eine Europäisierung sämtlicher Politiken, die jetzt noch Teil der nationalen Souveränität sind. Schon heißt es, das Zeitalter der Nationalstaaten sei überwunden und das Zeitalter der übernationalen Integration habe begonnen. Nach Maastricht -wenn der Vertrag denn nun in Kraft tritt -sollte man in der Tat nicht mehr fragen, welches die Kompetenzen sind, die der EG Zuwachsen; man sollte besser fragen, welche Kompetenzen die gewählten nationalen Regierungen und Parlamente überhaupt noch behalten.

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel ist, da sie das nahezu ausschließliche Initiativrecht besitzt, der treibende Motor dieser Entwicklung. Sie folgt dabei einer Ideologie, die nach Untergang der autoritären Varianten gesellschaftlicher Utopien in diesem Jahrhundert Allein-gültigkeit beansprucht. Die Europaideologie beruht auf der Annahme, daß sich die meisten gesellschaftlichen Probleme von heute nur noch auf einer überstaatlichen Ebene lösen lassen Aber anstelle der früher in solchen Fällen üblichen zwischenstaatlichen Vereinbarungen sollen heute europäische Institutionen und Statuten die nationalen in zunehmendem Maße zunächst ergänzen, dann ersetzen. Die Europäische Gemeinschaft: das ist das Gute; die Nationalstaaten: das ist das Schlechte. Doch so recht im öffentlichen Bewußtsein scheint die Tatsache, daß die nationale Regierungsebene bald nahezu überflüssig werden soll, noch nicht angekommen zu sein.

II. Die Harmonisierungsstrategie

Die EG-Binnenmarktstrategie hat mit einer genialen Erfindung begonnen: Weil eine vollständige Angleichung aller Normen und Standards in den Mitgliedstaaten nur sehr schwer zu erreichen sein würde, wollte man den Grundsatz gelten lassen, daß alle Normen, die in einem Land gelten, ab 1993 auch in den anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden müßten. Auf diese Weise würden alle nichttarifären Handelshemmnisse beseitigt. Dieser Grundsatz hörte sich gut an und schien alle liebgewonnenen Traditionen und Prioritäten der Verbraucher zu schützen und dennoch die universale Vermarktung aller Güter in der Gemeinschaft zu garantieren. Es schien das Ei des Kolumbus gefunden zu sein -eine Methode, mit der man ohne großen bürokratischen Aufwand die erwünschte Wirkung würde erzielen können.

Mittlerweile ist der Grundsatz gegenseitiger Anerkennung nationaler Normen in sein Gegenteil verkehrt worden. Die „Harmonisierung“ im Namen des Binnenmarktes stand und steht ihr im Wege. Überall dort, wo nationale Normen und Standards, wie zum Beispiel Regeln des Umwelt-und Gesundheitsschutzes, Hygienegesetze, aber auch Steuersätze die Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen anderer Mitgliedstaaten gefährden würden, versucht die Kommission, gesamteuropäische Standards festzulegen. Ende 1991 hat das Europäische Normungsinstitut CENELEC die tausendste europäische Norm beschlossen Diese Standards halten sich zumeist auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner, was bedeutet, daß die oftmals höheren deutschen Anforderungen auf dem Markt unterlaufen werden können. Individuelle Politiken einzelner Mitgliedstaaten werden immer schwieriger. Wollte etwa Deutschland in bestimmten Städten oder zu bestimmten Zeiten das Autofahren nur noch mit Elektroautos erlauben -wie es der US-Bundesstaat Kalifornien für die Jahre ab 1997 gesetzlich festgelegt hat, ohne daß sich die amerikanische Bundesregierung dagegen wenden kann (und will) -, so würde das die EG-Kommission wahrscheinlich sofort zu unterbinden trachten, weil dadurch der Absatz anderer herkömmlicher europäischer Automobile und die freie Bewegung von Autofahrern anderer Mitgliedstaaten eingeschränkt würden. Potentiell haben nationale Regierungen in Europa inzwischen weniger Rechte als einzelne Bundesstaaten der amerikanischen Union!

Harmonisierung dient inzwischen eben nicht mehr der Anerkennung unterschiedlicher Standards, sondern im Gegenteil der Einebnung nationaler Unterschiede auf niedrigstem Niveau. In ihrem Namen läßt sich auf durchaus gutwillige Weise jede noch so kleine Regelungskompetenz nationaler Regierungen aufheben.

III. Merkwürdige Institutionen

Auf dem Weg zur Europäischen Union haben wir es mit einer ganzen Reihe von untypischen institutioneilen Strukturen zu tun, deren demokratische Legitimation häufig angezweifelt wird. Der normale europäische Standard ist, daß das Volk ein Parlament wählt, aus dessen Mitte die Mehrheitsfraktion -unter Umständen in Koalition mit kleineren Fraktionen -eine Regierung bildet, die dem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Das Parlament besitzt genauso wie die Regierung das Initiativrecht. Gesetze werden allein vom Parlament beschlossen. Ein unabhängiges oberstes Gericht entscheidet über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze.

Europa sieht heute dagegen so aus: Nationale Regierungen richten eine Behörde ein (Kommission und Kommissare), die das alleinige Initiativrecht für legislative Akte besitzt. Das Europäische Parlament (EP) wird zwar vom Volk gewählt (freilich unter Mißachtung des Grundsatzes „ein-Bürger-eine-Stimme“), aber auch nach Maastricht wird es nicht die klassischen Rechte nationaler Parlamente besitzen, obwohl es doch die Kontrollfunktion -die jene nicht mehr wahrnehmen können -ausfüllen soll. Selbst das Budgetrecht, ureigenstes Recht gewählter demokratischer Legislativen, ist dem EP genommen. Es kann lediglich Stellungnahmen zu dem von der Kommission aufgestellten Haushaltsplan abgeben und ihn mit absoluter Mehrheit als Ganzes zurückweisen. Eine Prioritätenveränderung beim Haushalt ist so gut wie nicht möglich. Einige Initiativen der Kommission wird es in Zukunft mit absoluter Mehrheit zurückweisen können, aber nach wie vor wird es nicht aus eigener Legitimation heraus Rechtsakte setzen dürfen.

Gesetze verabschiedet der Ministerrat. Die nationalen Parlamente, die von der Theorie her in diesem Prozeß noch den demokratischen Wideranker zum Ministerrat und den Regierungskonferenzen bilden könnten, geben ihren Regierungen zwar Empfehlungen für Verhandlungen mit auf den Weg, finden sich aber zumeist am Ende nur noch als Erfüllungsgehilfen des Ministerrates wieder. Bei der Umsetzung der europäischen Rechtsakte in nationales Recht haben sie keinen Spielraum mehr. Darauf achtet insbesondere der Europäische Gerichtshof (EuGH). Statt die Übereinstimmung der europäischen Richtlinien und Verordnungen mit den nationalen Verfassungen zu überprüfen, verhängt der EuGH auf Initiative der Kommission -also derjenigen Administration, die es nach herkömmlichem Verständnis eigentlich zu überwachen gilt -Sanktionen gegen Mitgliedstaaten wegen Nichtbefolgung bestimmter Direktiven.

Die Befürworter einer vollständigen Integration sehen ihr Ziel klar vor Augen: Europa soll ein Bundesstaat -ähnlich dem Aufbau der Bundesrepublik Deutschland -werden mit der Kommission als Regierungsapparat, den Mitgliedern der Kommission als europäischem Kabinett, dem Präsidenten der Kommission als eine Art europäischer Kanzler und dem Europäischen Parlament als vollwertige Volksvertretung aller Europäer. Nationale Institutionen werden dann auf die Ebene etwa der deutschen Länderregierungen heruntergestuft, denen die Ausführung der europäischen Gesetze obliegt und die gewisse Zuständigkeiten im Rahmen einer konkurrierenden oder alleinigen Gesetzgebungskompetenz behalten. Die deutschen Länder-regierungen dürften sich langfristig als grenzübergreifende regionale Gebietskörperschaften mit den diversen Körperschaften der Nachbarländer zusammentun. Die Kommunen schließlich werden sich als viertes oder -wo Regierungspräsidien existieren -als fünftes Glied in der Kette wiederfinden. Ob es nun zu dieser Form oder zu anderen institutioneilen Strukturen -etwa zu Jacques Delors’ „Präsidialverfassung“ -kommen wird: Der europäische Bürger wird ein Übermaß an Regierungen über sich haben mit einem daraus folgenden Über-maßan Reglementierungen und unproduktiven Beamtenheerscharen.

IV. Der Bundestag schaut zu

Der Ausstoß an Normen, Verordnungen und Richtlinien auf europäischer Ebene ist ein rein gouvemementaler Prozeß. Die Kommission schlägt vor, der Rat der jeweiligen Fachminister verabschiedet. Richtlinienentwürfe, die einer Umsetzung in das nationale Recht der Mitgliedsländer bedürfen, treten zunehmend hinter Verordnungen zurück bei denen die nationalen Parlamente den eigenen Regierungen meist nur noch Verhandlungsempfehlungen mit auf den Weg geben können. Am Beispiel des bisher so integrationsfreundlichen Deutschland wird deutlich, wie wenig selbst der größte Geldgeber der Gemeinschaft noch an den Entscheidungen etwas ändern kann. Von den 472 im letzten Jahr an die Bundestagsausschüsse überwiesenen EG-Vorlagen wurden 88 (19 Prozent) mit Beschlußempfehlungen versehen und im Plenum verabschiedet. Eine offizielle Statistik wird nicht geführt, aber wenn der willkürlich herausgegriffene Zeitraum November 1991 bis April 1992 einen Anhalt bieten kann, so lehnt der Bundestag von den ihm zugehenden Vorlagen gut ein Viertel ab und fordert die Bundesregierung auf, bei den Verhandlungen eine entsprechende Position zu vertreten. Der häufigste Grund für die Zurückweisung besteht übrigens darin, daß der jeweilige Bundestagsausschuß keinen Regelungsbedarf sieht und einer Tendenz zu einer Kompetenzausweitung der Kommission bei gleichzeitiger Bürokratisierung entgegentreten will.

Wie sieht es aber mit der Umsetzung der Bundestagsbeschlüsse aus? Einer internen Umfrage des Wissenschaftlichen Dienstes bei den einzelnen Fachausschüssen des Bundestages zufolge hat die Bundesregierung nur fünf Prozent der ausgesprochenen Bundestags-Empfehlungen überhaupt berücksichtigt. Anzunehmen ist auch, daß selbst dann, wenn die Regierung den Willen des Parlaments in Brüssel vorgebracht hat, die letztlich verabschiedete Richtlinie oder Verordnung wegen der Notwendigkeit zum Kompromiß der Absicht des Bundestags nur noch wenig entspricht. Kaum jemand in den jeweilig federführenden Bundestagsausschüssen verfolgt, ob Beschlüsse des Bundestags in Brüssel zu Änderungen von EG-Vorlagen geführt haben oder nicht Eine Erfolgskontrolle oder ein Nachhaken hat es bisher offenbar nicht, jedenfalls nicht in systematischer Form, gegeben. Ist es einmal soweit und sind die europäischen Richtlinien durch den Rat endgültig beschlossen worden, werden sie überdies in den überwiegenden Fällen am Parlament vorbei in nationales Recht umgesetzt. Von den Ende März 1992 der Bundesregierung vorliegenden 130 EG-Richtlinien, die noch der Umsetzung bedurften, sollten 66 auf dem Verordnungswege und 42 auf dem Gesetzeswege entschieden werden

V. Die Kommission als postmoderne Bürokratie

Die Beamten der Kommission folgen offenbar einem einzigen Arbeitsprinzip: Wie kann ich mir selbst und damit der Kommission mehr Kompetenzen zuschanzen? Auch hier verhilft die Europa-ideologie zur Legitimation -schließlich ist die EG angetreten, um den Austausch, die Kooperation und Koordination zwischen den Europäern zu fördern. Das geht aber nur, wenn der einzelne EG-Beamte über alle entsprechenden Vorgänge in seinem Fachbereich in den Einzelstaaten informiert ist. Einer der Mechanismen, mit deren Hilfe der Kommission diese selbstgestellte Aufgabe gelingt, ist die an allen Stellen in die Verträge eingebaute Berichtspflicht der Mitgliedstaaten an die Kommission, denn sie braucht einerseits das Wissen um sämtliche die Integration berührenden nationalen Gegebenheiten und kontrolliert andererseits wiederum die Durchführung der Rechtsakte, die diese Gegebenheiten „harmonisieren“ sollen. Mittlerweile sind ganze Stäbe in den nationalen Regierungen nur noch damit beschäftigt, nicht nur dem eigenen nationalen Parlament, sondern auch der Kommission gegenüber alle möglichen Rechenschafts-und Tätigkeitsberichte abzuliefem

Ein anderer Mechanismus zur schleichenden Ausweitung der Kontrolle seitens der Kommission ist die unermüdliche Erfindungsgabe ihrer einzelnen Generaldirektionen, wenn es um neue Programme und Projekte geht, die die Kommission dann im Namen der Koordination alimentiert und in ihrem Sinne steuert Der nötige Kommunikations-und Kooperationsaufwand zur Befriedigung dieser Berichtspflichten und Programmabwicklungen schafft neue Planstellen. Statt eines normalen, zweiseitigen Dialogs zwischen zwei oder mehreren Nachbarn tritt ein kommunikatives Netz, an dem die Kommission in dem Maße immer mehr beteiligt ist, wie sie zusätzliche Mittel zur „Förderung“ des Dialogs oder Austausches verteilen darf.

Die Datensammelwut der Kommission ist sicherlich nicht mit der eines totalitären Staates zu vergleichen. Vielmehr erweist sich die Superbehörde in Brüssel als der erste wirklich postmodeme Regierungsapparat auf europäischem Boden. Die zahllosen Berichte, Gutachten und Analysen entsprechen dem Trend zu immer größerer Informationserfassung, bei einem im Verhältnis dazu immer geringerem Ausstoß an real umsetzbaren Entscheidungen. Dem folgt der Hang zu einer Metapolitik, deren Charakteristikum z. B. darin besteht, die Kooperation zu kooperieren, die Medienkanäle zu füllen und dann die Kanalfülle zu kommentieren.

So, wie das Medienzeitalter Ersatzerlebnisse geschaffen hat und die postmodeme Architektur Ersatzstile hervorbringt, bewegen sich die Empfehlungen, Entscheidungen und kommunikativen Akte der europäischen Politik oftmals auf einer Ersatzebene, nämlich nicht mehr auf der vom Bürger unmittelbar legitimierten Ebene. Das Ganze ist zudem -auch das ist typisch postmodem -symbolisch untermauert mit Fanfaren, Flaggen und Tabus. Auf dieser Ebene wird verkündet, aber nicht gehandelt, wofür die Kommission nichts kann, denn sie würde ja gerne. Aber es ist eben doch ihr Charakter als gigantischer Konferenzplaner und Datensammler, der den Eindruck vermittelt, daß Politik im wesentlichen nur mehr Kommunikation ist, nicht mehr Inhalt; die Legitimation nur noch eine Frage der Wahrnehmung, nicht mehr des Selbstverständnisses. Dazu paßt, daß verantwortliche Politiker nach dem dänischen Veto nicht sehen wollten, daß etwas offenbar inhaltlich mit Maastricht nicht stimmt; sie glaubten, es komme nur darauf an, den „europäischen Gedanken“ besser zu vermitteln (so beispielsweise Bundesaußenminister Klaus Kinkel oder eine „bessere Aufklärung“ der EG-Bürger über Maastricht in Gang zu setzen (so Kommissionspräsident Jacques Delors

VI. Undurchschaubare Entscheidungsprozesse

In dieses Bild der abgehobenen Kommunikationsverläufe paßt auch, daß die Entscheidungsprozesse in der EG durch den Maastrichter Unionsvertrag nur noch unübersichtlicher zu werden versprechen.

Der Rat -meist in Form des Rats der jeweiligen Fachminister, aber auch in Form des Europäischen Rates der Staats-und Regierungschefs -entscheidet in 35 Bereichen der gemeinschaftlichen Politik mit qualifizierter Mehrheit, in 46 Sachgebieten ist dagegen Einstimmigkeit verlangt. In manchen Fragen besteht eine verschränkte Prozedur: Man legt mit qualifizierter Mehrheit fest, ob die EG eine Aktion ergreifen soll (z. B. in der Gemeinsamen Außen-und Sicherheitspolitik -GASP), bei der Festlegung der Einzelheiten wird jedoch wieder Einstimmigkeit verlangt (mit Ausnahmen). In drei Fällen gibt es eine umgekehrte Prozedur (z. B. bei der Harmonisierung des Asylrechts). Mit Beginn der 2. (1994) und 3. Stufe (1996) der Union wird es sechs weitere Felder der Politik geben, in denen Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit gefaßt werden. Der Wirtschafts-und Sozialausschuß schließlich wird in 27 Sachgebieten gehört, der Regionalausschuß in Zukunft in acht Fällen.

Das Europäische Parlament wird in 60 Sachgebieten der gemeinsamen Politik vom Rat und von der Kommission angehört und hat das Recht, in 18 verschiedenen Bereichen intensiv mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Die Verfahren zur Mitentscheidung (Art. 189b) und zur Zusammenarbeit (Art. 189 c) des EP sind dabei so kompliziert, daß selbst Fachleute Schwierigkeiten haben werden, dem prozeduralen Gang der Gespräche zu folgen. In 15 Fällen hält das EP ein negatives Veto und kann auf diese Weise den Rat mit absoluter Mehrheit daran hindern, einen Rechtsakt zu erlassen, kann aber nicht selbst etwas dagegensetzen. In sechs weiteren Fällen muß das EP unterrichtet werden, in 13 Fällen heißt es, es müsse „zustimmen“. Als einschneidendstes Mittel hat das EP schließlich das Recht, mit den Stimmen der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder den Haushalt der Kommission als Ganzes abzulehnen und der Kommission das Mißtrauen auszusprechen.

Das Europäische Parlament wird alle Hände voll zu tun haben, sich auf seine erweiterten Mitwirkungsrechte einzustellen, wobei der gesamte Binnenmarkt noch immer ohne echte parlamentarische Mitwirkung zustande gekommen sein wird, denn er soll ja in dem Moment in Kraft treten, in dem der Unionsvertrag erst seine Gültigkeit erlangt, nämlich Anfang 1993. Insgesamt soll es nach Maastricht auf europäischer Ebene rund 15 verschiedene Entscheidungsverfahren geben. Das deutsche Grundgesetz kennt nur drei.

VII. Parkinson im Berlaymont

Bei dem Gewirr von Kompetenzen und bei dem allein der Kommission zustehenden Recht, die Vielzahl der möglichen Rechtsakte vorzubereiten, ist es kein Wunder, daß die EG Tausende von Spitzenbeamten benötigt, um den Überblick behalten zu können. Die europäische Beamtenschaft wächst dabei stetig und ist im Vergleich zu den nationalen Beamten äußerst gut bezahlt. Derzeit arbeiten in Brüssel rund 16500 Europabeamte, darunter allein 1600 Dolmetscher und Übersetzer. Sie verteilen sich auf 17 Kabinette und 23 Generaldirektionen und kosten den europäischen Steuerzahler im Jahr 3, 4 Mrd. DM an Gehältern. Dazu kommen zahlreiche europäische Behörden und Agenturen außerhalb Brüssels.

Die sicherlich recht leistungsfähige, aber auch gehätschelte europäische Beamtenschaft entwickelt einen eigenen „Esprit de corps“, der ihr das Gefühl vermittelt, an allen Ecken und Enden nur noch die lästige Trägheit der nationalen Behörden überwinden zu müssen, bevor das goldene Zeitalter des harmonisierten Europas eintritt. Mindestens dreisprachig, sind die Bürokraten die Avantgarde des neuen europäischen Menschen.

Nationale Vorbehalte stören da nur, vor allem, wenn sie in deutscher Sprache vorgetragen werden Deutsche Europabeamte, die auf der Arbeitsebene deutsche Interessen vertreten könnten, sind überdies deutlich unterrepräsentiert. Trotz eines Bevölkerungsanteils in der EG von 22 Prozent hält Deutschland nur 10, 9 Prozent der Beamtenstellen in Brüssel. Von den 3 642 Spitzenbeamten der Kommission sind lediglich 528 deutscher Herkunft, obwohl Deutschland nach seinen Geldzuweisungen rund 1000 „A-Beamte“ zustünden

Bei alledem ist das Wachstum der europäischen Bürokratie noch längst nicht ausgeschöpft: Jeder neue Mitgliedstaat wird sein Kontingent an Planstellen verlangen, die Zahl der europäischen Agenturen und Behörden steigt ebenso unaufhörlich. Die ensprechenden nationalen Behörden werden nur im Ausnahmefall verkleinert, wie derzeit etwa der Zoll. Der Trend zu immer größerer Zentralisierung ist dabei nicht allein Folge einer Interessenkoalition der Eurobeamten, -Parlamentarier und -richter, sondern auch all derer, die daran beispielsweise als Lobbyisten verdienen -davon soll es in Brüssel inzwischen an die 8000 geben -oder die damit einen Karrieresprung für sich erwarten, etwa wenn sie hoffen, von der nationalen Bürokratie in die europäische überwechseln zu können

VIII. Unaufhaltsame Bürokratisierung

Der Prozeß der Bürokratisierung Europas scheint unaufhaltsam. Dem Wirken der Europabeamten hat die Wirtschaft und haben bald auch alle anderen Bereiche des Lebens eine Flut von Verordnungen und Richtlinien zu verdanken, die durch eine ebensolche Flut von Auslegungsentscheidungen des Europäischen Gerichtshofes flankiert wird. Im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) müssen die EFTA-Staaten nicht weniger als 1400 Rechtsvorschriften der EG übernehmen Der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Matthiesen beklagte vor einigen Monaten, seit Einführung der Milchquotenregelung hätten seine Landesbehörden allein über 70 Verordnungen der EG und des Bundes dazu umsetzen müssen. Die Zahl der Verordnungen im Getreidebereich überstiege mittlerweile die Zahl 200. Die Kosten des Verwaltungsaufwands für die entsprechende Umsetzung seien inzwischen höher als die Mittel, die man auf diese Weise an die Bauern verteilen könne. Für Matthiesen ist die EG-Agrarpolitik denn auch der „Beginn des perfektionierten Wahnsinns“ Und was Matthiesen andeutet, bestätigte jüngst sein rheinland-pfälzischer Kollege Schneider: Es sind nicht nur die EG-Direktiven allein, die den Praktikern das Leben schwer machen. Es sind die hinzukommenden Durchführungsbestimmungen der nationalen Bürokratie, die die Agrarpolitik vollends zur „Absurdität“ werden lassen. Schneider zählte von März bis Juli 1992 61 Schreiben des Bundeslandwirtschaftsministeriums an seine Landesbehörde, in denen die neueste EG-Ölsaatenregelung interpretiert, definiert und schließlich widerrufen wird Man kann es tröstlich finden, daß heute immer mehr Bauern akademisch vorgebildet sind -wie sollten sie sonst noch des Papierkriegs Herr werden? Neben der Agrarökonomie ist die BauWirtschaft ein anderes, besonders eklatantes Beispiel für den Brüsseler Etatismus. Der Bundesverband freier Wohnungsuntemehmer warnte im Herbst letzten Jahres vor einem „technokratischen Zentralismus“, der alle nationalen Besonderheiten und jeg-liehe Kreativität in der Architektur überrolle Über 300 den Bau betreffende Normen seien in den letzten sechs Jahren erlassen worden. Bis Ende 1992 sollen es noch einmal soviel sein! Die zusätzlichen Auflagen einschließlich der Richtlinien für die Dienstleistungshaftung, die zur Zeit noch beim EP liegen, würden die Kosten für Bauleistungen in Deutschland um ca. 20 Prozent erhöhen.

Und auch vor Lächerlichkeiten ist die Kommission nicht gefeit: Die britische Wochenzeitschrift The Economist lästerte vor einiger Zeit, die Kommission beabsichtige „den lieben Gott zu spielen“, wenn sie gesetzlich verkünden wolle, alle Mitgliedstaaten hätten den Sonntag als arbeitsfreien Tag zu respektieren (das allerdings auf deutschen Wunsch und Druck hin) Die Direktive sei frühzeitig abgeschmettert worden, aber die Tatsache, daß die EG sich einer solchen Idee überhaupt gewidmet habe, sei ein unheilvolles Zeichen.

Wie eine Krake weitet die Kommission ihre Zuständigkeiten aus und wird dabei noch die letzte Gestaltungskompetenz nationaler Regierungen beseitigen. Jüngstes Beispiel ist der Bericht eines von der Kommission eingesetzten Sachverständigenausschusses zur EG-Steuerharmonisierung. Da wird festgestellt, daß die verschiedenen Mehrwertsteuersätze in den Mitgliedstaaten den Handel und Absatz von Waren beeinflussen und zu Wettbewerbs-verzerrungen führen können. Mithin erklingt die Forderung, die Mehrwertsteuersätze anzugleichen, obwohl dies, wie der Ausschuß bekennt, die Verlagerung einer der „wesentlichen politischen Gestaltungsmöglichkeiten von der nationalen auf die europäische Ebene“ bedeute Aber damit nicht genug, die EG soll zugleich auch Höchst-und Mindestsätze für die Untemehmensbesteuerung vorsehen, da unterschiedliche Sätze eine übermäßige Steuerkonkurrenz zur Folge hätten, was den freien Warenverkehr behindern würde Mit solchen Steuerharmonisierungen würde aber den ärmeren Regionen Europas -beispielsweise Irland oder auch den neuen Bundesländern -die Möglichkeit genommen, durch niedrigere Steuersätze Investoren anzulocken. Die Fiskalpolitik als Instrument nationaler Struktur-und Stabilitätspolitik würde nach Europa abgegeben werden.

IX. Pfründe, Geld und gute Nachbarschaft

Es stellt sich die Frage, warum die nationalen Parlamente und Regierungen -mit Ausnahme der selbstbewußten Briten -diesen unaufhörlichen Trend zur Zentralisierung und Bürokratisierung bisher so klaglos mitgemacht haben.

An erster Stelle steht da ganz sicher die Erfahrung, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft trotz all ihrer Schwächen den Ländern Westeuropas einen ungeahnten Wohlstand gebracht hat. So ist das Bemühen um das wirtschaftliche Wohlergehen des Kontinents noch heute der wichtigste Motor der Europäischen Integration.

Als weiteres Moment kommt hinzu der Mechanismus zur Verteilung von Pfründen und Privilegien in Europa, der so ausgeklügelt funktioniert, daß jeder Mitgliedstaat sein Häppchen abbekommt und so dem generellen Trend nichts entgegensetzt. Zwar ist die Kritik an den zunehmenden Kosten der europäischen Administration und an deren Programm bisweilen laut zu hören. Sie wird aber immer dann zurückgestellt, wenn man selbst -sei es als Forscher, Unternehmen, Stadt oder Region -einen Brocken vom europäischen Kuchen abbekommt. Je größer der Brocken ist, desto intensiver wird darum gekämpft, wie man an den Bewerbungen um den Sitz der großen europäischen Behörden sehen kann Dann werden alle Bedenken gegen neue Bürokratien, die meist doch nur die Arbeit bestehender nationaler Ämter duplizieren, zurückgestellt.

Die Kommission hat sich zu einem gigantischen Umverteilungsapparat der Ressourcen entwickelt, der in dem Maße an Akzeptanz gewinnt, wie er immer mehr Personen und Körperschaften an seinem warmen Förderregen teilhaben läßt. Dabei ist den Geförderten in den Nettozahlerstaaten, zu denen Deutschland gehört, nicht immer klar, daß sie die Förderung ursprünglich selbst bezahlt haben und diese jetzt über den Umweg der EG nur zum Teil und mit Auflagen zurückerhalten. Deutschland zum Beispiel zahlt nahezu 20 Mrd. DM in den Gemeinschaftstopf, erhält aber nur ca. 8, 5 Mrd. DM zurück -etwa in Form von Garantiepreisen für Agrarprodukte, regionalen und strukturellen Fördermaßnahmen, Beteiligungen an Forschungsprojekten u. ä. m. Diejenigen, die davon profitieren, werden prompt zu Befürwortern der EG-Bürokratie; diejenigen, die es bezahlen -die Steuerzahler -, können sich kaum dagegen formieren. Die Umverteilung findet statt im Namen einer immer größeren Konvergenz der Wirtschaftskraft in allen Mitgliedstaaten, ähnlich dem deutschen Verfassungsgebot der Herstellung gleichartiger Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik. So, wie bald jeder Landstrich Deutschlands mit einem nahen Autobahnanschluß gesegnet sein wird, so ebnet auch der Regional-und Strukturförderungsprozeß der EG langfristig die Unterschiede zwischen den Nationen und Regionen ein

Speziell für Deutschland kommt ein dritter Grund für die Europafreundlichkeit der Regierungen und Wähler hinzu: „Europa“ war ihnen lange Zeit Ersatz für die fehlende nationale Identität, die sich auf Grund der Teilung des Landes nicht einstellen konnte. Zudem hat Europa auch deshalb bei den Bürgern bisher meist einen guten Klang gehabt, weil die Westdeutschen nach dem Krieg die Chance hatten, zu einem vielgereisten und weltoffenen Menschenschlag zu werden -ein Prozeß, den die Ostdeutschen nun nachholen. Man mag seine Nachbarn und hat nichts gegen einen engeren Zusammenschluß mit ihnen. Nicht zuletzt aus diesem sympathischen Grund galt und gilt in Deutschland für alle traditionellen Parteien das Postulat der Europafreundlichkeit.

Die Regierungen haben allerdings noch ein weiteres, durchaus eigensüchtiges Motiv für ihre Europafreundlichkeit. Für sie ist die EG in der Rolle des „Überstaates“ willkommen, der die eigene Politik zu rechtfertigen hilft. Da wird dann auf der einen Seite ausbleibendes Handeln damit entschuldigt, daß eine Lösung der betreffenden Frage nur auf gesamteuropäischer Ebene gefunden werden könne. Auf der anderen Seite werden unangenehme politische Entscheidungen mit der Notwendigkeit einer Entscheidung auf europäi-scher Ebene „verkauft“ Auch hier ist die europäische Bühne zum Ersatzparkett geworden.

X. Falsche Strategien gegen den Zentralismus

Freilich droht Maastricht nunmehr eine Dimension des nationalen Souveränitätsverzichtes ins Spiel zu bringen, die den vorherigen Konsens überall brökkeln läßt. Die Europaeuphorie, die nach Verkündung des Projektes Binnenmarkt ’ 93 im Jahr 1987 allenthalben -auch in Deutschland -zu verspüren war, ist einer Ernüchterung, ja einer immer größeren Skepsis gewichen. Das hat wenig mit der von manchen beargwöhnten Reorientierung der Deutschen auf ihr eigenes Land zu tun, wie sie nach der Wiedervereinigung eingetreten ist. Diese Skepsis hätte sich auch ohne deutsche Einigung entwickelt. Ihr liegt zugrunde das Unbehagen über die Erfahrung, daß der Weg zu einem geeinten Europa auf eine immer größere Zentralisierung hinausläuft. Daneben tritt nun die Befürchtung, daß es zu einer stetigen Aushöhlung der Kompetenzen der eigenen gewählten Regierungen und Parlamente kommen wird, die nicht oder kaum durch andere Beteiligungsmechanismen der Bevölkerung kompensiert wird. Schließlich sind die Details der europäischen Einigung, wie sie der Unionsvertrag vorsieht, unter nahezu vollständigem Ausschluß der Öffentlichkeit und selbst der nationalen Parlamente festgelegt worden *Die meisten deutschen Parlamentarier werden kaum wissen, was in dem Vertrag alles steht, wenn sie ihn ratifizieren. Wer hat schon die Zeit und macht sich die Mühe, über 200 Seiten Juristendeutsch zu lesen und daneben dann die übrigen Rechtstexte, wie den EWG-Vertrag, zu halten, ohne den Maastricht nicht zu verstehen ist.

Spät, aber immerhin seit ein, zwei Jahren versuchen verschiedene Kräfte innerhalb des Bundestages, aber vor allem auf seiten der Länder der Krake Europa irgendwie beizukommen. Dabei werden immer wieder drei Strategien genannt, die Abhilfe schaffen sollen:

Als erstes steht da die Forderung nach einem Abbau des „demokratischen Defizits“ in der EG. Lauter als die meisten verlangen deutsche Parlamentarier im Verein mit ihren Regierungen, daß dem EP endlich mehr echte Rechte eines Parlaments gegeben werden müßten. Der europäische Prozeß dürfe nicht länger ein gouvemementaler bleiben. Doch diese Forderung kann getrost als politisch opportune, aber wenig ernst gemeinte Geste abgetan werden, die zur Zeit keinen Nachteil bringt, weil sie nicht verwirklichungsfähig ist. Denn ob allein die Übertragung von mehr Rechten an das EP dem Zentralismus Einhalt gebieten kann, wird inzwischen auch im Bundestag bezweifelt. Schließlich hat das EP letztlich dieselbe Agenda wie die Kommission, ist eher noch integrationistischer. Intern geben denn auch selbst deutsche Europaparlamentarier zu, daß sie mehr Kompetenzen für das EP bei dessen gegenwärtiger politischer Zusammensetzung und Arbeitsweise (man denke nur an den „Wanderzirkus“) nicht wünschen. Der Bundestag wird zweifelsohne auch gegenüber dem EP um seine Kompetenzen kämpfen, wenn es darauf ankommt Der Kampf um mehr deutsche Europaparlamentarier ist da nur ein Nebenkriegsschauplatz.

Die zweite der politischen Forderungen zur Bewältigung der Brüsseler Bürokratie bewegt sich im innenpolitischen Raum. Mehr Kontrolle über den Integrationsprozeß erwarten sich einige Kreise der CDU/CSU und auch die Oppositionsparteien von der im letzten Jahr erfolgten Einsetzung eines Europaausschusses im Bundestag sowie von der weiterhin angestrebten Gründung eines eigenen Europaministeriums. Bisher ist allerdings nicht erkennbar, wie dieser Ausschuß die mangelnden Kontrollmöglichkeiten des Bundestages gegenüber der Kommission und dem Rat beheben will. Die Enttäuschung wird groß sein, wenn erst einmal die Einsicht wächst, daß die Bewältigung der vielen detaillierten Richtlinien-und Verordnungsentwürfe der EG doch Sache von Fachleuten ist und weniger die von europäisch inspirierten Generali-sten. Die Fachausschüsse bleiben und die Fachministerien blieben federführend, sollte es ein Europaministerium mit Querschnittsaufgaben geben. Es würde nur eine zusätzliche Ebene errichtet, die wiederum ihren eigenen Koordinierungsbedarf schafft.

Wo aber der Bundestag weder am Prozeß der Integration ausreichend beteiligt ist, noch der Komplexität der Vorgänge Herr werden kann, ist drittens klar, daß andere Ebenen demokratischer Repräsentation ihre eigenen Wege der Mitsprache suchen. Insofern ist die ständige Forderung der Bundesländer nach einer gleichberechtigten Verhandlungsposition ein Ausdruck der Frustration darüber, daß die Bundesregierung der zentralistischen Tendenz der EG bisher keine wirksame Gegenwehr geleistet hat

XI. Der neue Partikularismus stärkt das Zentrum

Deutsche Landesfürsten führen gerne das Wort vom „Europa der Regionen“ im Munde. Europa wird mächtig und die Regionen werden es zunehmend auch, in der Mitte stirbt der Nationalstaat weg. So lautet der Traum der Regionalisten. Die Stärkung regionaler Gebietskörperschaften soll Heimeligkeit und Bürgemähe versprechen in dem Moment, wo immer mehr der wichtigsten Entscheidungen über das Leben der Bürger im fernen und fremden Brüssel getroffen werden. Irgendwie glaubt man, auf diese Weise ließe sich die Bedeutung der Länder im bundesdeutschen Kontext auf die Ebene des europäischen Föderalismus übertragen.

Die Bundesländer folgen in dieser Auseinandersetzung angesichts der mangelhaften Kontrolle der Bundesregierung und des Bundestages über den Integrationsprozeß einem verständlichen Eigeninteresse. Doch indem die Länder immer mehr Kompetenzen auf der europäischen Verhandlungsebene für sich in Anspruch nehmen, fördern sie die Abnahme der Einflußmöglichkeiten Deutschlands insgesamt. Ist der deutsche politische Wille erst einmal in ein Stimmengewirr von Ländervertretem gespalten, läßt er sich von den Partnern oder Kontrahenten um so leichter umgehen. Den Ländern geht es in Wahrheit nicht um ein anderes Europa, um ein Europa größerer Bürger-nähe und geringerer staatlicher Zentralmacht. Es geht ihnen lediglich darum, selbst noch ein etwas größeres Stück vom umverteilten Kuchen abzubekommen und dabei dann über die Modalitäten in ihrem Bereich zu bestimmen. Die Informationsbüros der Länder in Brüssel sind dementsprechend auch wenig mehr als Lobbyistenbüros für amtliche Bittstellerei bei der Gemeinschaft. Ginge es den Ländern wirklich um mehr demokratische Legitimation im europäischen Kontext, müßten sie ihre Landesparlamente und Kommunen an der Mitsprache in Europa teilhaben lassen und nicht nur eine weitere gouvemementale Handlungsebene einführen wollen

Denkt man an die schwachentwickelte föderale Tradition der meisten europäischen Staaten, so ist klar, daß mit einem Ersatz der Nationalstaaten durch Regionalverbünde alsbald ein starkes Zentrum (Brüssel) relativ schwachen Regionen gegenüberstehen wird. Statt der Bundesregierung volle Rückendeckung zu geben verzetteln die Länder den deutschen Einfluß im Glauben daran, daß sie im Sinne des „Europa der Regionen“ die Zukunft repräsentieren, und verkennen dabei, daß ihr Glaube an die Bedeutung der regionalen Gebiets-körperschaften nicht überall geteilt wird. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, daß mit dem diffusen Gerede von den „Regionen“ bei gleichzeitiger Herausbildung einer starken Zentrale dem „Separatismus“ und damit einem echten anti­ europäischem Impuls Vorschub geleistet wird. In einer unseligen Allianz mit dümmlichem Nationalismus werden auf diese Weise zentrifugale Kräfte geweckt, die selbst vernünftige grenzüberschreitende Zusammenarbeit erschweren werden.

XII. Verlangsamung und Selbstbeschränkung als echte Alternative

Die EG ist ein in der bisherigen Weltgeschichte einmaliger freiwilliger und friedlicher Zusammenschluß souveräner Staaten. Es gab und gibt in ihr keinen Hegemon, der den anderen Staaten als Sieger seinen Willen aufzwingt. Die Dynamik und Anziehungskraft der Gemeinschaft ist ungebrochen. Der Deutsche Bundestag und auch die Bundesregierung sehen nach offizieller Sprachregelung in einer Erweiterung und gleichzeitigen Vertiefung der Gemeinschaft keinen Gegensatz obwohl zugestanden wird, daß beides schon in naher Zukunft eine radikale institutioneile Reform erforderlich macht.

Um überhaupt noch politische Konzepte ohne allzu großen Zeitverlust in Taten umsetzen zu können, müssen Kommission und Parlament überschaubar bleiben, muß der Rat weitgehend zum Mittel der Mehrheitsentscheidungen übergehen. Das wird weitere Einschnitte in die Souveränität der Mitgliedstaaten mit sich bringen. Es ist anzunehmen, daß eine solche Reform nur gelingen wird, wenn die Gemeinschaft lernt, sich zu beschränken. Der Trend zur Allzuständigkeit der EG ist zwar in Maastricht vorgezeichnet worden, doch die Hoffnung ist, daß er unter dem Druck steigender institutioneller und finanzieller Schwierigkeiten noch aufgehalten werden kann.

Die EG sollte sich wieder auf ihren Kern, nämlich auf die wirtschaftliche Integration der Mitgliedstaaten, beschränken. Sie soll den freien Verkehr, Austausch und Handel von Personen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital gewährleisten, sonst nichts. Statt die Wettbewerbsbedingungen durch Zwang zu harmonisieren, sollte sie die Mitgliedstaaten im freien Wettbewerb ihrer jeweiligen Systeme zu einer Annäherung der Standortfaktoren und Lebensweisen kommen lassen. Das Bessere wird sich von allein durchsetzen. Dazu bedarf es nicht einmal einer einheitlichen Währung, und es bedarf ganz sicher keiner Richtlinie zur Gurtanlegepflicht in Pkws oder zum erlaubten Krümmungsgrad von Salatgurken.

Es hat keinen Sinn, sich der Dynamik der EG schlichtweg zu verweigern. Wenn man die Gemeinschaft nicht grundsätzlich ablehnt, sondern etwas an ihrem Kurs ändern will, so muß man sich mancherlei bedenklichen Entwicklungen von innen heraus entgegenstellen. Die Selbstbeschränkung der Gemeinschaft könnte schon jetzt mit folgenden Maßnahmen eingeleitet werden: 1. Einsparung von Planstellen: Es müßte eine Regel eingeführt werden, nach der für jede neue europäische Planstelle eine entsprechende in jedem der Mitgliedstaaten wegfällt. Sollten die nationalen Regierungen weiterhin überzeugt sein, daß sie Kompetenzen an Brüssel abzugeben haben, wird das eine doppelte Bürokratie verhindern. Sollten sie es aber ernst meinen mit dem Subsidiaritätsprinzip, wird es die nationalen Regierungen veranlassen, europäische Begehrlichkeiten zu bremsen. 2. Kürzung des Haushalts: Die EG dürfte Mittel nur bekommen, wenn sich entsprechende Einsparungen zumindest auf seiten der Nettozahlerstaaten erzielen lassen. Die Quote der Ausstattung mit Eigenmitteln (Abschöpfungen und Anteile am Mehrwertsteueraufkommen) müßte verringert werden, so daß die Behörden der EG wieder mehr Empfänger von Transferleistungen der Mitgliedstaaten würden, anstatt unabhängig von diesen über Einnahmen zu verfügen. 3. Einschränkung des Initiativrechts der Kommission: Das bisher noch allzu nebulös gehandhabte Subsidiaritätsprinzip in der Gemeinschaft kann nur dann Fuß fassen, wenn die Kommission sich schon aus institutioneilen Gründen mehr zurückhalten muß. Statt für immer neue Initiativen immer mehr Planstellen und sonstige Kapazitäten zu verlangen, dürfte die Kommission nur noch tätig werden, wenn sie entweder vom EP oder von einem Quorum der Mitgliedstaaten dazu aufgefordert wird. 4. Einführung eines „Ausklinkprinzips“: So wie Großbritannien sich aus den Maastrichter Abmachungen zur Sozialunion „ausgeklinkt“ hat, so wie „Schengen“ und die WEU bisher nur jeweils einen Teil der Mitgliedstaaten umfassen und so wie Dänemark das Recht bekommen muß, sich aus der Währungsunion herauszuhalten, um den Unionsvertrag überhaupt noch retten zu können, so wird es in Zukunft bei einer noch größeren EG weitere Modelle geben müssen, nach denen einzelne Mitgliedstaaten Sonderabmachungen treffen dürfen Europa wird auf diese Weise unübersichtlicher. Aber auf anderem Wege werden unitarische und föderale Tendenzen nicht aufeinander abgestimmt werden können. 5. Beschränkung der Berichtspflichten der Regierungen und der Überwachungskompetenzen der Kommission: Automatische und regelmäßige Berichtspflichten der Nationalregierungen müßten aus den Verträgen gestrichen werden, denn hierdurch verschafft sich die Kommission einen Vorsprung an Wissen, den sie zur Bestimmung der Agenda bis hin zu aberwitzigen Details nutzen konnte. Die Überwachung der Einhaltung von Vertragspflichten und Ratsbeschlüssen müßte zudem aus den Händen der Kommission genommen werden, zumindest dürfte sie keine Sanktionsmittel besitzen, denn damit hatte die Brüsseler Administration bisher die Möglichkeit, als nichtgewählte und legitimationslose Körperschaft die Entscheidungen der nationalen Souveräne (der Parlamente) zu übergehen. Dazu käme, daß die Kommission keine Empfehlungen mehr aussprechen und keine Daten mehr sammeln dürfte, ohne dazu vom EP oder von den Parlamenten der Mitgliedstaaten beauftragt worden zu sein. 6. Beschränkung der Gesetzesflut: Auch hier ist das Subsidiaritätsprinzip künftig höher zu halten. Zurückhaltung sei die Pflicht jedes EG-Beamten. Im Grunde müßte es ein Bonus-System für die Generaldirektion mit dem geringsten Ausstoß an Normen und Richtlinien geben. Andererseits will man auch keine völlig untätige Administration. Deshalb muß sich das Prinzip durchsetzen, daß auch auf europäischer Ebene grundsätzlich diejenigen Verwaltungsmaßnahmen unter mehreren Alternativen zu wählen sind, die den geringsten bürokratischen Aufwand für die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Bürger und Unternehmen mit sich bringen. Die Kommission müßte dabei der Überwachung der Mitgliedstaaten unterliegen, indem diese zum Beispiel bei Nichteinhaltung des Prinzips ihre Transferzahlungen für die Aufrechterhaltung des Kommissionsbetriebes kürzen würden (eine Art Malus-System). Genausogut könnte man umgekehrt einen positiven Anreiz daraus ma-eben, die Gehälter derjenigen Beamten zu erhöhen, die sich darin hervortun, die noch für unumgänglich gehaltenen Regelungen mit dem geringsten Verwaltungsaufwand zu versehen. 7. Einfügung einer „Anti-Bürokratieklausel“ in das Grundgesetz: Im Rahmen der deutschen Verfassungsreform sollte ein Artikel in das Grundgesetz eingefügt werden, der den Schutz der Bürger und Unternehmen vor zu großer bürokratischer Belastung seitens staatlicher Stellen zum Ziel hat. Die Bürger bekämen auf diesem Wege ein Recht zur Staatsferne. Ihr Freiheitsspielraum würde enorm ausgeweitet. Übermäßige Bürokratie müßte auf dem Gerichtswege bis hin zum Verfassungsgericht anfechtbar sein. Ein solches Grundrecht träfe nicht nur den Verwaltungsperfektionismus der nationalen Behörden, sondern würde auch europäische Stellen in die Schranken weisen. 8. Beschränkung des Europäischen Gerichtshofs auf Überwachung der Kommission: Statt die Folge-leistung der Mitgliedstaaten zu kontrollieren, sollte er umgekehrt die europäischen Rechtsakte -insbesondere die Entscheidungen, Verordnungen und Maßnahmen der Kommission -auf Anrufung durch die Mitgliedstaaten oder eines EG-Bürgers auf ihre Übereinstimmung mit den jeweiligen nationalen Grundrechten und Kompetenzen überprüfen.

XIII. Ein Föderalismus der Nationalstaaten

Bundesregierung und Bundestag stehen zur Zeit von zwei Seiten unter Druck: Die EG soll im Rahmen der Europäischen Union immer mehr Kompetenzen an sich ziehen, darunter selbst solche, die bisher zum Kernbestand nationaler Souveränität gehört haben, wie Verteidigung und Geldpolitik. Die Bundesländer ihrerseits verlangen im Rahmen der Neufassung des Grundgesetzes zum Ausgleich ihres geringen Einflusses bei der Gestaltung der Europäischen Union und zur Umkehrung angeblich zentralistischer Entwicklungen der Bundesrepublik (die in Wahrheit unitarischer Natur sind) ebenfalls vermehrte Zuständigkeiten. Man mag dieses Wegsterben des Nationalstaates, der gewissermaßen von unten und von oben „angeknabbert“ wird, begrüßen -nur muß man sich desen bewußt sein und wissen, welche langfristige Bedeutung dies haben wird.

Der Wegfall bundesstaatlicher Komptenzen in Deutschland ist nicht unumkehrbar. Um dem Trend zur Zentralisierung in Europa noch genügend eigenes Profil und Handlungskompetenz entgegenstellen zu können, müßten im Grunde Bundesregierung und Bundestag stärker werden und nicht die Länder. Deutschland als Ganzes stände besser da, wenn seine eigenen Strukturen effizienter und mehr von nationalem Geist denn von partikularen Interessen durchwoben wären. Deutschland würde nicht in Europa aufgehen, sondern als selbstbewußtes und gleichberechtigtes Mitglied der Gemeinschaft den langsamen, stetigen, aber sehr viel weniger ehrgeizigen Integrationsprozeß unter Wahrung und Fortentwicklung seiner nationalen Identität mitgestalten. Der europäische Föderalismus muß ein Föderalismus der Nationalstaaten sein. Ein zentralistisches Europa unter der benevolenten Knute Brüsseler Bürokraten wird dagegen an seiner eigenen Dynamik zugrunde gehen, denn es birgt die Keime zu seiner Unregierbarkeit und damit zu seinem Zerfall allzu offenkundig in sich.

Fussnoten

Fußnoten

  1. „Das EG-Parlament billigt Maastrichter Vertragsformen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 8. 4. 1992.

  2. So jüngst der Präsident des Europäischen Parlaments (EP), Egon Klepsch, in: Rheinische Post vom 20. 3. 1992.

  3. Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament über die Durchführung von Maßnahmen zur Vollendung des Binnenmarktes, Kommission der EG, SEK (91) 2491 endg., Brüssel, 19. 12. 1991.

  4. Darauf aufmerksam machte Martin Mayer in der Beratung über die Große Anfrage der CDU/CSU und F. D. P. zu Elektrofahrzeugen (BT-Drs. 12/1361, 12/2246) im Deutschen Bundestag, 20. März 1992, Plenarprotokoll 12/86, S. 7165/B.

  5. Beispiele dafür sind die Rechtsgebiete Umweltschutz und Verkehrspolitik sowie natürlich die Agrarpolitik.

  6. Vgl. „Einzelfragen zur Behandlung von EG-Vorlagen“, Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, Reg. -Nr.: WF XII-45/92. 7 Nach einem internen Papier des BMWi (Ref. E B 3) zum Stand von EG-Richtlinien (bis 1. 1. 1993 umzusetzen), Bonn 23. 3. 1992. 8 Der 49. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum 1. Juli bis 31. Dezember), BT-Drs. 12/2218 (11. 3. 1992), ist in dieser Hinsicht eine unerschöpfliche Quelle, siehe z. B. Ziffer 240: Die Kommission versuchte bei Abschluß des Luftverkehrsabkommens der EG mit Schweden und Norwegen die Rechtsgrundlage des Art. 113 EWGV geltend zu machen, der ihr ausschließliche Zuständigkeit verschafft hätte. Der Rat paßte auf und billigte das Luftverkehrsabkommen auf Grundlage des Art. 84 Abs. 2 EWGV, der die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten beläßt. Vgl. Zi. 207 (Raumordnungspolitik), Zi. 248 (F& E).

  7. Nach einem internen Papier des BMWi (Ref. E B 3) zum Stand von EG-Richtlinien (bis 1. 1. 1993 umzusetzen), Bonn 23. 3. 1992. 8 Der 49. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum 1. Juli bis 31. Dezember), BT-Drs. 12/2218 (11. 3. 1992), ist in dieser Hinsicht eine unerschöpfliche Quelle, siehe z. B. Ziffer 240: Die Kommission versuchte bei Abschluß des Luftverkehrsabkommens der EG mit Schweden und Norwegen die Rechtsgrundlage des Art. 113 EWGV geltend zu machen, der ihr ausschließliche Zuständigkeit verschafft hätte. Der Rat paßte auf und billigte das Luftverkehrsabkommen auf Grundlage des Art. 84 Abs. 2 EWGV, der die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten beläßt. Vgl. Zi. 207 (Raumordnungspolitik), Zi. 248 (F& E).

  8. Der 49. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäischen Gemeinschaften (Berichtszeitraum 1. Juli bis 31. Dezember), BT-Drs. 12/2218 (11. 3. 1992), ist in dieser Hinsicht eine unerschöpfliche Quelle, siehe z. B. Ziffer 240: Die Kommission versuchte bei Abschluß des Luftverkehrsabkommens der EG mit Schweden und Norwegen die Rechtsgrundlage des Art. 113 EWGV geltend zu machen, der ihr ausschließliche Zuständigkeit verschafft hätte. Der Rat paßte auf und billigte das Luftverkehrsabkommen auf Grundlage des Art. 84 Abs. 2 EWGV, der die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten beläßt. Vgl. Zi. 207 (Raumordnungspolitik), Zi. 248 (F& E).

  9. Vgl. z. B.den am 19. 12. 1991 vom Rat politisch gebilligten Vorschlag der Kommission zu einer Dienstleistungsrichtlinie, die u. a. eine Berichtspflicht der Mitgliedstaaten an die Kommission begründet. BT-Drs. 12/2218, Zi. 155. Vgl. Zi. 184 (Allgemeine Produktsicherheit), Zi. 181 (Europäische Beobachtungsstelle für KMLJ), Zi. 213 (Umweltschutz-richtlinien), Zi. 274 (Gesundheitsdaten). 10 Ein Beispiel ist das umstrittene Engagement der Kommission in der Bildungspolitik. Nach deutschem Verfassungsverständnis hat hier nicht einmal der Bund viel zu sagen. Der Kommission stehen bisher jährlich 400 Millionen DM zur Verfügung, um Kooperationen anzuregen und Mobilitätshilfen zu geben. Vgl. Stuttgarter Zeitung vom 19. 3.

  10. Ein Beispiel ist das umstrittene Engagement der Kommission in der Bildungspolitik. Nach deutschem Verfassungsverständnis hat hier nicht einmal der Bund viel zu sagen. Der Kommission stehen bisher jährlich 400 Millionen DM zur Verfügung, um Kooperationen anzuregen und Mobilitätshilfen zu geben. Vgl. Stuttgarter Zeitung vom 19. 3.

  11. „Bundesregierung will am Zeitplan für Europas Einigung festhalten“, in: Tagesspiegel vom 9. 6. 1992. 12 „Straßburg für schnelle Ratifizierung der Maastrichter Verträge“, in: FAZ vom 11. 6. 1992.

  12. „Straßburg für schnelle Ratifizierung der Maastrichter Verträge“, in: FAZ vom 11. 6. 1992.

  13. Selbst die Bundesregierung entrüstet sich mittlerweile über die Tendenz, Deutsch als Arbeitssprache weiterhin zu negieren. In ihrem 49. Bericht an den Bundestag zur Integration Deutschlands in die EG schreibt sie: „Wenn sich deutsche Regierungsvertreter bei Expertentagungen in EG-Gremien weigern, die Verhandlungen nur in englischer und/oder französischer Sprache zu führen, verstärkt sich die Tendenz, die Tagungen formell aufzuheben, sie jedoch als informelle Treffen ohne Dolmetscherdienst in Französisch und Englisch mit dem gleichen Arbeitsprogramm fortzuführen.“ BT-Drs. 12/2218, Zi. 62. 14 Ergebnis einer parlamentarischen Anfrage des MdEP Gerd Müller (CSU) im EP, in: Generalanzeiger Bonn vom 21. 4. 1992. 15 Vgl. Brigitte Steck, Europäisches Parlament: Lobbyisten umstritten, in: Handwerkerzeitung vom 12. 3. 1992. 16 Vgl. Roland Vaubel, in: Wirtschaftswoche vom 15. 11. 1991, S. 138ff.

  14. Ergebnis einer parlamentarischen Anfrage des MdEP Gerd Müller (CSU) im EP, in: Generalanzeiger Bonn vom 21. 4. 1992. 15 Vgl. Brigitte Steck, Europäisches Parlament: Lobbyisten umstritten, in: Handwerkerzeitung vom 12. 3. 1992. 16 Vgl. Roland Vaubel, in: Wirtschaftswoche vom 15. 11. 1991, S. 138ff.

  15. Vgl. Brigitte Steck, Europäisches Parlament: Lobbyisten umstritten, in: Handwerkerzeitung vom 12. 3. 1992. 16 Vgl. Roland Vaubel, in: Wirtschaftswoche vom 15. 11. 1991, S. 138ff.

  16. Vgl. Roland Vaubel, in: Wirtschaftswoche vom 15. 11. 1991, S. 138ff.

  17. Vgl. BT-Drs. 12/2218, Zi. 341 (Europäischer Wirtschaftsraum). 18 Rheinische Post vom 14. 2. 1991. 19 „EG-Ölsaatenregelung ist eine Absurdität“, in: FAZ vom 30. 7. 1992.

  18. Rheinische Post vom 14. 2. 1991. 19 „EG-Ölsaatenregelung ist eine Absurdität“, in: FAZ vom 30. 7. 1992.

  19. „EG-Ölsaatenregelung ist eine Absurdität“, in: FAZ vom 30. 7. 1992.

  20. Vgl. Frankfurter Rundschau vom 11. 9. 1991. 21 The Economist vom 19. 10. 1991, S. 16. 22 „Das Programm zur Vollendung des EG-Binnenmarktes -Die künftigen Konturen zeichnen sich ab. Zum Stand und zu den Aussichten des Programms“, in: Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts-und Finanzpolitik, Nr. 8/1992, hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung, 12. 3. 1992. 23 Vgl. FAZ vom 20. 3. 1992.

  21. The Economist vom 19. 10. 1991, S. 16. 22 „Das Programm zur Vollendung des EG-Binnenmarktes -Die künftigen Konturen zeichnen sich ab. Zum Stand und zu den Aussichten des Programms“, in: Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts-und Finanzpolitik, Nr. 8/1992, hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung, 12. 3. 1992. 23 Vgl. FAZ vom 20. 3. 1992.

  22. „Das Programm zur Vollendung des EG-Binnenmarktes -Die künftigen Konturen zeichnen sich ab. Zum Stand und zu den Aussichten des Programms“, in: Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts-und Finanzpolitik, Nr. 8/1992, hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung, 12. 3. 1992. 23 Vgl. FAZ vom 20. 3. 1992.

  23. Vgl. FAZ vom 20. 3. 1992.

  24. Zur Verteilung stehen im Augenblick folgende Behörden an: Europäische Zentralbank (EZB) und deren Vorläufer, das Europäische System der Zentralbanken (ESZB); Europäisches Währungsinstitut (EWI); Europäisches Patentamt; Europäisches Markenamt; EUROPOL; Europäisches Dokumentations-und Forschungszentrum für grenzüberschreitende Kriminalität; Informationsstelle für die Elektronik, Informatik und Kommunikationstechnologie; Europäisches Institut für Telekommunikationsstandards (ETSI); Europäische Arzneimittelagentur; Europäische Beobachtungsstelle für KMU; Europäische Umweltagentur; Europäisches Gesundheitsamt; Europäische Stiftung für Berufsausbildung für Mittel-und Osteuropa.

  25. Vgl. Die Welt vom 19. 3. 1992. 26 So die Kritik des CDU-Bundestagsgeschäfsführers Jürgen Rüttgers, in: FAZ vom 5. 3. 1992, vgl. ferner BT-Drs. 12/2218, Zi. 248.

  26. So die Kritik des CDU-Bundestagsgeschäfsführers Jürgen Rüttgers, in: FAZ vom 5. 3. 1992, vgl. ferner BT-Drs. 12/2218, Zi. 248.

  27. Diesen Zusammenhang benennt Helmut Haussmann in seinem Debattenbeitrag im Bundestag vom 17. Juni 1992, vgl. FDP Plenum Heute, Nr. 611 vom 17. 6. 1992. 28 So nahmen beispielsweise die zuständigen Arbeitskreise I und II der F. D. P. -Fraktion im Deutschen Bundestag in ihrer gemeinsamen Sitzung zur Überprüfung der Ergebnisse von Maastricht am 10. März 1992 in Bonn mit Erstaunen zur Kenntnis, daß die Modalitäten der zukünftigen Unionsbürgerschaft und des kommunalen EG-Wahlrechts von der Kommission ausgearbeitet und vom Rat einstimmig beschlossen werden sollen (Unionsvertrag Art. 8b). In einer so essentiellen Frage der Demokratie sollen die nationalen Parlamente mithin nicht beteiligt werden.

  28. So nahmen beispielsweise die zuständigen Arbeitskreise I und II der F. D. P. -Fraktion im Deutschen Bundestag in ihrer gemeinsamen Sitzung zur Überprüfung der Ergebnisse von Maastricht am 10. März 1992 in Bonn mit Erstaunen zur Kenntnis, daß die Modalitäten der zukünftigen Unionsbürgerschaft und des kommunalen EG-Wahlrechts von der Kommission ausgearbeitet und vom Rat einstimmig beschlossen werden sollen (Unionsvertrag Art. 8b). In einer so essentiellen Frage der Demokratie sollen die nationalen Parlamente mithin nicht beteiligt werden.

  29. Siehe die Beschlußempfehlung des BT-Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch das EP -BT-Drs. 11/8266 -„Entschließung zur Wirtschafts-und Wähmngsunion“ vom 11. 3. 1992, BT-Drs. 12/2215, wo es heißt, „ein Ausschluß der nationalen Parlamente von der Mitsprache bei den Gemeinschaftssteuem widerspricht auch bei zunehmender Abgabenkompetenz des EP im Zuge der Verwirklichung der politischen Union sowie in deren angestrebtem Endzustand dem föderativen Strukturprinzip“.

  30. Das war die einmütige Feststellung der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat in ihrer Sitzung vom 12. März 1992; vgl. FAZ vom 21. 3. 1992.

  31. Die Länder versuchen gegenwärtig, die Kommunen aus dem neuen „Ausschuß der regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften“ (Art. 198a des Unionsvertrages) herauszuhalten; vgl. Leserbrief von Heinrich A. Hofschulte, in: FAZ vom 27. 3. 1992. Vgl. das „Vorläufige Ergebnisprotokoll der Ministerpräsidentenkonferenz am 1. 3. 1991 in Bonn“, TOP 2: Ergebnisse der Regierungskonferenzen zur Politischen Union und zur Wirtschafts-und Währungsunion, Punkt 4. 32 Die von den Landesregierungen verfochtene Legitimationstheorie gleicht übrigens vollkommen der ansonsten in Deutschland so gescholtenen britischen Auffassung von demokratischer Legitimation auf europäischer Ebene. Schließlich hat Whitehall immer die Ansicht vertreten, der Ministerrat bestehe aus Vertretern gewählter Regierungen mit parlamentarischen Mehrheiten; ein „demokratisches Defizit“ in Europa, wie es andere ausmachen, könne es also gar nicht geben. 33 Vereinzelt tun die Länder das gewiß, so geschehen im Streit um das Finanzierungspaket „Delors II“. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme zum Maastrichter Verhandlungsergebnis dagegen gewandt, daß die Kommission im Rahmen dieses Pakets weitere Mittel für Bereiche zur Verfügung stellt, „die auf nationaler und regionaler Ebene in befriedigender Weise geregelt werden können (z. B. Bildung und Kultur)“. BR-Drs. 128/1/92, S. 3. Vgl. ferner BT-Drs. 12/2218; Zi. 215 (Grünbuch städtische Umwelt).

  32. Die von den Landesregierungen verfochtene Legitimationstheorie gleicht übrigens vollkommen der ansonsten in Deutschland so gescholtenen britischen Auffassung von demokratischer Legitimation auf europäischer Ebene. Schließlich hat Whitehall immer die Ansicht vertreten, der Ministerrat bestehe aus Vertretern gewählter Regierungen mit parlamentarischen Mehrheiten; ein „demokratisches Defizit“ in Europa, wie es andere ausmachen, könne es also gar nicht geben. 33 Vereinzelt tun die Länder das gewiß, so geschehen im Streit um das Finanzierungspaket „Delors II“. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme zum Maastrichter Verhandlungsergebnis dagegen gewandt, daß die Kommission im Rahmen dieses Pakets weitere Mittel für Bereiche zur Verfügung stellt, „die auf nationaler und regionaler Ebene in befriedigender Weise geregelt werden können (z. B. Bildung und Kultur)“. BR-Drs. 128/1/92, S. 3. Vgl. ferner BT-Drs. 12/2218; Zi. 215 (Grünbuch städtische Umwelt).

  33. Vereinzelt tun die Länder das gewiß, so geschehen im Streit um das Finanzierungspaket „Delors II“. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme zum Maastrichter Verhandlungsergebnis dagegen gewandt, daß die Kommission im Rahmen dieses Pakets weitere Mittel für Bereiche zur Verfügung stellt, „die auf nationaler und regionaler Ebene in befriedigender Weise geregelt werden können (z. B. Bildung und Kultur)“. BR-Drs. 128/1/92, S. 3. Vgl. ferner BT-Drs. 12/2218; Zi. 215 (Grünbuch städtische Umwelt).

  34. Vgl.den Beitrag des Abgeordneten Konrad Weiß (Bündnis 90), Bliebe Maastricht, wie es ist, würde das den Grundstein zu neuem Separatismus in Europa legen, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 19. 6. 1992. 35 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur Erklärung der Bundesregierung „Gipfeltreffen der Staats-und Regierungschefs der EG in Maastricht sowie der Staats-und Regierungschefs der NATO in Rom“, BT-Drs. 12/1476 (6. 11. 1992).

  35. Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur Erklärung der Bundesregierung „Gipfeltreffen der Staats-und Regierungschefs der EG in Maastricht sowie der Staats-und Regierungschefs der NATO in Rom“, BT-Drs. 12/1476 (6. 11. 1992).

  36. So das Fazit des „Economist“ in seinem „Survey of the European Community: Into the Void“ vom 11. 7. 1992, S. 28.

Weitere Inhalte

Stefan von Senger und Etterlin, Dr. phil., geh. 1956; Studium der Geschichte, Amerikanistik und Politologie an den Universitäten Freiburg, Amherst/Massachusetts, Berlin; Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Wirtschaftsministerium des Landes Brandenburg. Veröffentlichungen u. a.: Das Foto als historische Quelle: Versuch einer methodologischen Annäherung, Berlin 1990; Neu-Deutschland in Nordamerika: Massenauswanderung, nationale Gruppenansiedlungen und liberale Kolonialbewegung 1815-1860, Baden-Baden 1991.