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Die Städte sind überfordert Kommunale Erfahrungen mit Asylbewerbern | APuZ 7/1993 | bpb.de

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APuZ 7/1993 Impresssum Armutswanderung, Asyl und Abwehrverhalten Globale und nationale Dilemmata Ost-West-Wanderung nach Deutschland Wirtschafts-und sozialpolitische Aspekte der Zuwanderung in die Bundesrepublik* Sozialstaat und Zuwanderung Die Städte sind überfordert Kommunale Erfahrungen mit Asylbewerbern

Die Städte sind überfordert Kommunale Erfahrungen mit Asylbewerbern

Joachim Becker

/ 19 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die baden-württembergische Stadt Pforzheim, 115000 Einwohner, liegt am Nordeingang zum Schwarzwald. Am 23. Februar 1945 wurde diese Stadt durch einen alliierten Luftangriff fast völlig ausgelöscht. Mehr als 18000 Menschen fanden den Tod. Heute ist Pforzheim das Zentrum der deutschen Schmuck-und Uhrenindustrie. In den vergangenen Jahren gelang es den Verantwortlichen der Stadt, die zugewiesenen Asylbewerber an 43 Standorten innerhalb des städtischen Kembereiches unterzubringen. Angesichts des dramatischen Anstiegs der Zuwanderungen mußten aber in Pforzheim -genauso wie in anderen Städten -neue Wege gegangen werden: Containerdorf, Bau von Einfachstwohnungen und Belegung einer Kaserne. Das Land Baden-Württemberg weist den Städten nach einem bestimmten Schlüssel Asylbewerber zu: Gegenwärtig beträgt die Zuweisungsquote 1, 25 Prozent. Das bedeutet, daß die Stadt Pforzheim 1450 Asylbewerber aufzunehmen hat. Die Landesregierung hat darüber hinaus angekündigt, diese Zuweisungsquote noch zu erhöhen. Ein zusammengebrochener Wohnungsmarkt läßt aber keinen Spielraum mehr zu, weitere Asylbewerber in größerem Umfang aufzunehmen. Der Oberbürgermeister und die Mehrheit des Gemeinderates hoffen, daß durch die beabsichtigte Änderung des Grundgesetzes der Zuwanderungsstrom nach Deutschland gesteuert und der Anspruch auf Asyl nur auf die wirklich politisch Verfolgten beschränkt wird.

Ein graues, unscheinbares Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe geht dem Ausländer-amt der Stadt Pforzheim am 11. November 1992 zu. Es enthält keine Anrede und beginnt wie folgt: „Der Stadt Pforzheim werden 77 weitere Asylbewerber zugewiesen. Aufnahme hat ab sofort zu erfolgen. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wird angeordnet.“ Dieses Schreiben landet auf dem Schreibtisch der Amtsrätin H., die bei der Stadt Pforzheim für das Paß-und Ausländerwesen verantwortlich ist. Diese junge Beamtin wird in den nächsten Tagen mit einer der vielen Sammelunterkünfte des Landes Baden-Württemberg telefonisch Kontakt aufnehmen. Unser Ansprechpartner ist das Sammellager in Ubstadt-Weiher, eine kleine Ortschaft, die in der Nähe der nordbadischen Stadt Bruchsal liegt. Frau H. wird dann folgendes in Erfahrung bringen: Ab 15. Januar 1993 werden die 77 Asylbewerber -wie es in bürokratischem Deutsch heißt -„überstellt“. Nationalität der Asylbewerber: 25 rumänische Staatsangehörige, 3 Albaner, 27 Kosovo-Flüchtlinge, der Rest sind bulgarische Staatsangehörige. Das Alter und Geschlecht der Gruppen: überwiegend junge Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren. Drei Familien mit Kleinkindern und Jugendlichen sollen sich darunter befinden, rumänische Staatsangehörige, in unserem Falle Roma, die meist in größeren Familienverbänden leben.

Fluchtbewegungen 438000 Asylbewerber stellten im vergangenen Jahr ihren Antrag auf politisches Asyl in Zirndorf. Die Anerkennungsquote liegt bei 4, 3 Prozent. Getrieben von politischer Verfolgung, auf der Flucht vor Bürgerkrieg, vor Armut, Elend und Not flüchten viele Menschen aus Süd-und Osteuropa. Aber auch Menschen aus der Türkei, aus Nord-und Zentralafrika und dem indischen Subkontinent su-, eben Zuflucht in den Staaten Westeuropas. Rund 70Prozent der Flüchtlinge, die in die Länder der Europäischen Gemeinschaft kommen, stellen einen Antrag auf politisches Asyl in Deutschland. Wer wollte es ihnen verdenken? Ist Deutschland nicht so reich, daß es helfen kann? Hat Deutschland sich nach dem Kriege nicht darum bemüht, im Ausland als zuverlässig, gastfreundlich und hilfsbereit zu gelten? Unser für viele Menschen in dei Welt unvorstellbarer Wohlstand und unser großzügiges Asylrecht wirken magnetisch auf die Armutsregionen der Welt.

Die Anfänge des Asylrechts Die bitteren Erfahrungen der politischen Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes bewogen, jedem politisch Verfolgten Asylrecht in Deutschland zu garantieren. Aber wer konnte sich damals die Entwicklung von heute vorstellen? Als das Grundgesetz am 23. Mai 1949 in Kraft trat, war Deutschland zerstört und von den Alliierten besetzt. Große Ströme von Flüchtlingen und Heimat-vertriebenen fanden Aufnahme in den westlichen Besatzungszonen, viele suchten eine neue Heimat in Kanada, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in den Staaten Südamerikas. Deutschland war geprägt von großer Hoffnungslosigkeit und bitterer Not. Innerhalb weniger Jahre wuchs die Bevölkerung der neu geschaffenen Bundesrepublik Deutschland um ein Viertel. Es wurde versucht, im Wege des Lastenausgleichs alle Schichten und Gruppen der Bevölkerung gleichmäßig an den Lasten des Krieges zu beteiligen. Das deutsche Volk in den westdeutschen Ländern, aber auch in der ehemaligen DDR hat unter vielen Opfern und Entbehrungen einen modernen Industriestaat aufgebaut. Der jetzige Wohlstand ist das Ergebnis von Jahren des Verzichtes und einer großen gemeinsamen Anstrengung des Staates, der Wirtschaft und der gesellschaftlichen Gruppen -einer Anstrengung, die später das Prädikat „Wirtschaftswunder“ erhielt.

In jenen Jahren des Aufbaus war die Bundesrepublik Deutschland kein Land, das politisch Verfolgten besonders attraktiv erschien. Bis zum Jahre 1965 war die Zahl der Asylbewerber unbedeutend; aber in den achtziger Jahren sollte sich dies grundlegend ändern. Deutschland wurde das Land, in dem viele Asylbewerber aus den osteuropäischen Ländern, den ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion, Aufnahme fanden. Diesen Asylbewerbern wurde große Sympathie und Hilfsbereitschaftentgegengebracht. Die Westdeutschen waren froh, daß sie in einem freien Land leben konnten. Ihr Mitgefühl galt deshalb nicht nur den Flüchtlingen aus der DDR, sondern auch den politisch Verfolgten aus Ungarn, der Tschechoslowakei und aus Polen. Mitte der achtziger Jahre stieg plötzlich die Zahl der Asylbewerber an. In den politischen Parteien und in den Parlamenten wurde damals wiederholt die Frage diskutiert, ob und in welchem Umfang das großzügige Asylrecht des Artikels 16 Grundgesetz beibehalten werden sollte. Eine Einigung über ein geändertes Asylrecht konnte in jenen Jahren nicht erreicht werden.

Dramatische Zuwächse Seit vier Jahren ist eine sprunghafte Zunahme der Asylbewerber zu verzeichnen. 1985 wurden der Stadt Pforzheim 70 Asylbewerber für die Dauer ihres Verfahrens zugewiesen. Damals betrug die sogenannte Zuweisungsquote 0, 6 Promille, das heißt, pro tausend Einwohner mußten rechnerisch 0, 6 Asylbewerber aufgenommen werden. Bereits im Herbst 1986 mußten in unserer Stadt 385 Asyl-bewerber untergebracht werden -eine Zahl, die nun ständig stieg. Heute liegt die Zuweisungsquote bei 1, 25 Prozent, das sind für Pforzheim gegenwärtig 1450 Asylbewerber. Aber schon hat die baden-württembergische Landesregierung angekündigt, die Zuweisungsquote werde sich auf 1, 5 Prozent erhöhen. Für die Stadt Pforzheim bedeutet dies, daß sie 1740 Personen aufzunehmen hat.

Die Anreise Am 15. Januar 1993 ist der Reisebus mit 70 Personen in Pforzheim angekommen. Der Bus machte einen kurzen Halt in der Nähe des Rathauses, damit der Sachbearbeiter des Pforzheimer Ausländeramtes zusteigen konnte. Er dirigiert nun den Bus zur vorgesehenen Unterkunft. Der Fahrer hat die Liste der Insassen mitgebracht. Alle müssen Lagerausweise haben, damit zunächst einmal ihre Identität festgestellt werden kann. In der Unterkunft -die 70 Personen haben die Einfachstwohnungen in der Adolf-Richter-Straße am Rande der Stadt bezogen -werden ihnen dann die Bettstellen zugewiesen. Sie bekommen einen Tisch, einen Stuhl, einen Kochtopf, Geschirr, Besteck sowie Bettzeug. Dann erhalten die Asylbewerber in der Regel auch Bargeld. Der Betreuer des Ausländer-amtes zahlt einige Tagessätze der Sozialhilfe aus. Davon müssen sie nun ihren Lebensunterhalt, das heißt Essen und Trinken, bestreiten. Die Habe, die diese armen und geplagten Menschen mitbringen, besteht aus alten Koffern, Tüten und Säcken sowie ein wenig Kleidung. In der kalten Jahreszeit werden sie dann mit warmen Kleidungsstücken, Mänteln und Jacken sowie Schuhwerk versorgt.

AUeingelassen Jetzt werden die Asylbewerber sich selbst überlassen. Sie müssen nun ihr eigenes Leben organisieren, sich innerhalb ihrer Volkszugehörigkeit „durchfinden“. Asylbewerber, die schon einige Wochen länger da sind, vermitteln ihnen die entsprechenden Ortskenntnisse und die notwendigen Informationen über Einkaufsmöglichkeiten. Was machen nun die Asylbewerber den ganzen Tag? Nach den gesetzlichen Regelungen ist eine Integration nicht vorgesehen. Es gibt also keinen Sprachunterricht und keine staatliche Schulpflicht für die Kinder.

Lange Wege der Entscheidung Das Asylverfahren wird ausschließlich durch die Beamten des Bundesamtes in Zirndorf betrieben. Eine kommunale Zuständigkeit gibt es insoweit nicht mehr. Der Asylbewerber wird bei seiner Ankunft in der zentralen Aufnahmestelle zunächst einmal gehört. Da er in der Regel der deutschen Sprache nicht mächtig ist, übersetzt ein Dolmetscher sein Asylbegehren, worüber ein Protokoll angefertigt wird. Über seinen Antrag entscheidet auf der Ebene der Verwaltung das Bundesamt für die Anerkennung politischer Flüchtlinge in Zirndorf, das entsprechende Beauftragte („Entscheidet“) in den zentralen Anlaufstellen hat. Politisch verfolgt ist derjenige, der in seinem Heimatland durch Organe des Staates aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen verfolgt wird. Wirtschaftliche Not, Armut oder aber Bürgerkrieg oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen rechtlich keinen Anspruch auf Asyl. Lehnt der Entscheidet den Antrag auf Asyl ab, so steht dem Antragsteller der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen. In jenen Fällen, in denen sein Antrag als offensichtlich unbegründet angesehen wird, hat der Asylbewerber die Möglichkeit, beim zuständigen Verwaltungsgericht Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu erstellen. Die bisherige Praxis hat ergeben, daß diese Verfahren zwischen einem Jahr und zwei Jahren dauern. Aufgrund der jüngsten Novelle des Asylverfahrensgesetzes soll nunmehr erreicht werden, daß die Gerichtsverfahren innerhalb von Monaten abgeschlossen werden.

Ist der Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden, so wird die Abschiebung vorbereitet. Die zentralerechtliche Hindernisse entgegenstehen. Dabei muß die Behörde die Genfer Flüchtlingskonvention beachten, die den deutschen Staat verpflichtet, keine Flüchtlinge in Spannungsgebiete oder aber in Länder abzuschieben, in denen ihnen körperliche Mißhandlung, Folterung oder aber Schlimmeres droht. Die Asylbewerber machen häufig von der Möglichkeit Gebrauch, den Landtag ihres Bundeslandes anzurufen. Im zuständigen Landtag gibt es einen Petitionsausschuß, der über diese Eingaben („Petitionen“) zu entscheiden hat. Bevor eine Entscheidung ergehen kann, bittet der dem Petitionsausschuß zugeordnete Verwaltungsbeamte die abschiebende Behörde um Aufschub. Dies gilt auch für Verfassungsbeschwerden, die beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt werden. Ist auch dieses nichtförmliche Rechtsmittel erschöpft, so gibt es in Einzelfällen Einsprüche von Pro-Asylgruppen und kirchlichen Gruppen, die aus humanitären Gründen bitten, die Abschiebung nicht zu vollziehen. Auch mit diesen vorgebrachten Gründen müssen sich die Verwaltungsbehörden ernsthaft auseinandersetzen.

Unterbringung Wie wird nun die Unterbringung im einzelnen möglich gemacht? Wegen der zunächst kleinen Zahl an Zuweisungen hatte die Stadt Pforzheim -wie dies auch andere Städte getan haben -Mehrfamilienhäuser angemietet oder sie im Einzelfall käuflich erworben. Diese dezentrale Unterbringung bereitete in den ersten Jahren erhebliche Schwierigkeiten. Die Nachbarn fühlten sich plötzlich mit Menschen konfrontiert, die aus einem fremden Kulturkreis zu ihnen kamen, die auch sehr gedrängt in den einzelnen Wohnungen untergebracht wurden. Es gab große Aufregungen, die sich aber dann meist schnell legten. Die Mehrzahl der Asylbewerber erwies sich als friedlich und freundlich, tat niemandem etwas zuleide. Sie waren verschüchtert und verängstigt; viele von ihnen trauten sich nicht auf die Straße, weil sie sich in Deutschland fremd fühlten. Sie waren zur Nicht-arbeit verurteilt, weil damals -um den Anreiz der Einreise zu mindern -ein Arbeitsverbot verhängt war. So waren die Asylbewerber, vorwiegend aus Sri Lanka und aus Pakistan stammend, beispielsweise darauf angewiesen, Rosen in Gaststätten und auf der Straße feilzubieten. Damals haben mich Flüchtlinge aus Sri Lanka im Rathaus besucht und mich gebeten: „We want Jobs, no roses!“

Es waren bewegende Begegnungen mit jenen Menschen, die die Lethargie des langen Wartens durchbrechen wollten. Viele wurden depressiv. Ich langen Tag im Bett lagen und einfach nichts taten. Damals habe ich -daraus wurde ein Modell für alle Städte in Deutschland -gemeinnützige Beschäftigungen angeboten. Mit einem Mehrbedarfszuschlag zur Sozialhilfe von 2, 50 Mark pro Stunde wurden sie in unseren Bädern, in den Forsten, im Tiefbauamt und im Städtischen Krankenhaus eingesetzt. Sie durften damals nicht mehr als 20 Stunden pro Woche arbeiten. In einem rollierenden Verfahren mußten wir dafür Sorge tragen, daß jeder Arbeitswillige zum Zuge kam.

Pforzheim ist am 23. Februar 1945 durch einen alliierten Luftangriff schwer zerstört worden. Fast die gesamte Innenstadt fiel in Schutt und Asche. Wohnraum war in Pforzheim immer ein knappes Gut. An 43 Standorten in unserer Stadt werden nun die Asylbewerber untergebracht. Unsere Möglichkeiten haben sich aber erschöpft. Was wir vor kurzem noch als abwegig verworfen hatten, ist plötzlich bittere Realität: Container-Dörfer, Unterbringung in Schulräumen und aufgelassenen Kasernen, Bau von Einfachstwohnungen.

Proteste Mit dem Abstand zur Realität wächst der Idealismus. Alle waren der Meinung, wir sollten die Asyl-bewerber ordentlich unterbringen. Jeder war der Meinung, daß es in einer Stadt unserer Größenordnung viele Möglichkeiten und Standorte gebe -nur nicht in seiner Nähe! Zunächst konnten Verwaltung und Gemeinderat auf bestimmte, begründete Proteste Rücksicht nehmen. So haben wir, nur vorübergehend, Asylbewerber in der Osterfeldschule untergebracht -eine Aktion, die zu erheblichen Schwierigkeiten und Unverträglichkeiten führte. Jetzt haben wir die Situation, daß wir auf keinerlei Proteste mehr Rücksicht nehmen können. Jetzt geht es nur noch darum, überhaupt einen Standort zu finden, der juristisch durchsetzbar ist. Alles Reden, alles Moralisieren und alle klugen Ratschläge aus Bonn, Stuttgart und auch von den verschiedenen humanitären Gruppen haben die Kommunen nicht weitergebracht: Die Last der Unterbringung liegt bei den Stadtverwaltungen und sonst bei niemandem. „Containment“

Ich habe mir nicht vorstellen können, daß es in einem zivilisierten Land einmal notwendig sein sollte, Menschen in sogenannten Containern unterzubringen. Es handelt sich dabei um bewegliche, barackenähnliche Unterkünfte, die auf grobe Fundamente mit Hilfe von Kranwagen aufgesetztwerden. Schon allein das Wort „Container“ bedeutet, daß es sich um ein „Containment“, in englischer Sprache also um einen umschlossenen Raum, um ein Gefängnis handelt. „Wenn wir keine Wohnungen haben, dann bringen wir sie doch in Containern unter!“ -Das ist so eine leichtfertige Formel, die Menschen nur noch zum Objekt unserer kommunalen Bemühungen macht, ihre Bedürfnisse nach Behausung als einen technischen Vorgang abqualifiziert.

Aber dieser „technische Vorgang“ ist darüber hinaus juristisch äußerst kompliziert, da für „Container-Dörfer“ Baugenehmigungsvoraussetzungen notwendig sind, die nach Qualität und Arbeitsintensivität einem üblichen Baugenehmigungsverfahren entsprechen. Darf auf einem bestimmten Grundstück gebaut werden? Liegt es innerhalb eines Bebauungsplanes, der Wohnbebauung zuläßt? Das ist beispielsweise bei einem förmlichen Industriegebiet unzulässig, da Industriegebiete eben nicht dafür bestimmt sind, daß Menschen dort wohnen. Das Gelände muß erschlossen werden mit Wasser, Abwasser und elektrischer Energie. Nachbarn können Widersprüche einlegen, die zunächst einmal im Baugenehmigungsverfahren aufschiebende Wirkung haben. Die Baurechtsbehörde darf nur den Sofortvollzug dieser Baugenehmigung anordnen, wenn außer Zweifel steht, daß die Einsprüche von Nachbarn völlig unbegründet sind. Diese Voraussetzungen liegen aber nur in ganz wenigen Fällen vor. Das deutsche Planungsund Baurecht ist so kompliziert, daß eine schnelle Abhilfe mit der sogenannten „Container-Lösung“ eben nicht möglich ist.

Einfachstwohnungen Nach hektischer Vorarbeit innerhalb der Stadtverwaltung kristallisierte sich in einem Gewerbegebiet im Westen unserer Stadt ein Standort heraus, auf dem Einfachstwohnungen für rund 160 Asylbewerber entstehen sollen. Kosten: über 2, 5 Mio. Mark. Am Rande unserer Stadt werden hier Einfachstwohnungen hergestellt, die den Entwicklungskern einer falschen Standortpolitik legen. In und um solche Einfachstwohnungen werden sich künftig unzureichende soziale Bedingungen einstellen; Menschen drohen, in ihrem sozialen Abstieg gettoisiert zu werden, ein Slum mag die Folge sein. Nach Ende des Krieges hat es mehr als 25 Jahre gedauert, bis wir die damaligen Obdachlosensiedlungen durchgreifend renoviert und menschenwürdige Unterkünfte geschaffen hatten. Jetzt beginnen wir, ordnungspolitisch an die „Sünden“ der Nachkriegsjahre anzuknüpfen, die uns damals keine andere Wahl ließen. Die Obdachlosigkeit in unseren Städten hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Selbst nach einem Auszug von Asylbewerbern werden diese Einfachstwohnungen zur Beseitigung der Obdachlosigkeit gebraucht mit all den verhängnisvollen Folgen eines sozial abträglichen Milieus.

Der Begriff „Einfachstwohnungen“ ist aber irreführend. Alle Wohnungen sind mit modernen sanitären Einrichtungen ausgestattet, die heute glücklicherweise allgemein üblich sind.

Ausweg Mehrzweckhalle Für eine Übergangszeit gibt es manchmal die Möglichkeit, Sport-und Turnhallen sowie Mehrzweckhallen für eine vorübergehende Unterbringung von Asylbewerbern zu nutzen. Zur Unterbringung der Flüchtlingswelle aus der ehemaligen DDR hatten wir auch in Pforzheim eine Halle zeitweise in Anspruch nehmen müssen. Die Unterbringung von Asylbewerbern in Hallen scheidet aber in der Regel deshalb aus, weil dies auf unabsehbare Zeit erfolgt. Vielleicht mag das Argument für manche kleinlich sein: Die Inanspruchnahme von Schulturnhallen für andere als schulische Zwecke bedarf nach den Schulverwaltungsgesetzen der Zustimmung der Schulbehörden. Damit soll sichergestellt werden, daß der Schulunterricht mit seinem Lehrplan in vollem Umfang aufrechterhalten werden kann.

Als in Pforzheim im Gespräch war, daß wir eine Halle, die auch für schulische Zwecke genutzt wird, für Asylbewerber in Anspruch nehmen wollten, erhob sich mächtiger und heftiger Bürgerzorn. Die Nagoldhalle, im idyllischen Stadtteil Dillweißenstein gelegen, eine Mehrzweck-und Schulturnhalle, konnte nicht in Beschlag genommen werden, da Bürger drohten, sie würden dies mit Gewalt unterbinden. Aus friedlichen, braven und steuerzahlenden Bürgern wurden heftige Protestierer! Man muß natürlich auch Verständnis für die Bürger haben: Jahrzehntelang hatten sie auf eine Mehrzweckhalle gewartet, die dann kurze Zeit nach ihrer Fertigstellung „zweckentfremdet“ werden sollte. Eine vernünftige Diskussion mit aufgebrachten Bürgern zu führen ist nicht möglich gewesen.

Die kurzzeitige Unterbringung von Roma-Familien in der Osterfeldschule hat mich vor zwei Jahren mit einer Bürgerversammlung konfrontiert, an die ich mich immer erinnern werde. Mein Kollege Kling, Schuldezernent der Stadt Pforzheim, und ich waren -fast im Wortsinne -die Prügelknaben einer empörten und aufgebrachten Elternschaft. Kein Bundespolitiker, kein Landespolitiker, niemand, der sonst in Sachen Asyl so hehre Worte spricht, war zu sehen. Wir beide hatten einen schweren Stand. Nur das Zugeständnis, daß die Unterbringung vorübergehend sein sollte, ließ die Versammlung damals nicht umkippen. Ein Schulboykott konnte gerade noch einmal vermieden werden. Natürlich gab es erhebliche Unverträglichkeiten, auch begründete Klagen der Eltern, denn den Menschen, die aus einem fernen Kulturkreis zu uns kamen, waren die Regeln unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens zunächst einmal fremd.

Kasemenglück Ich war noch nie so froh über die Abrüstung wie in jenen Tagen. Wir hatten großes Glück, weil sich im Norden unserer Stadt ein Kasemengelände, die Wartbergkaseme, befindet, die von der Bundeswehr nur noch teilweise genutzt wurde. Mit Hilfe des damaligen Pforzheimer CDU-Bundestagsabgeordneten, Staatsminister Dr. Lutz Stavenhagen, gelang es uns, einen Teilbereich des Kasernen-areals auszugliedem. Diese ehemalige Truppenunterkunft, noch von den amerikanischen Besatzungsmächten gebaut, wurde rasch saniert, mit Sanitär-und Kücheneinrichtungen ausgestattet und in einen Zustand versetzt, der eine Bewohnung möglich machte. Der jetzt genutzte Kasernenteil war ursprünglich zum Abbruch vorgesehen.

Der finanzielle Aufwand belief sich auf insgesamt 700000 Mark. Das Geld ist schlecht angelegt, da an eine weitere Nutzung, sollten die Asylbewerber einmal woanders untergebracht werden können, nicht zu denken ist. Dennoch: Innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums konnten wir dort 260 Asylbewerber unterbringen. Auch die Zentrale Anlaufstelle in Karlsruhe war froh darüber, denn dort hatte es in den vorangegangenen Wochen Tumulte unter den Asylbewerbern wegen der hoffnungslosen Überfüllung der Aufnahmestelle gegeben. Die Verschnaufpause, die wir hatten, war allerdings nur von kurzer Dauer -die nächsten Quotenerhöhungen standen bereits an. Eine ähnliche und auch politisch durchsetzbare Möglichkeit der Unterbringung haben wir in unserer Stadt nicht mehr.

Fehlende Privatangebote In den letzten Tagen hat sich die evangelische Sonnenhofgemeinde, in einem Höhenstadtteil von Pforzheim gelegen, bereit erklärt, eine Familie in den Räumen ihres Gemeindezentrums unterzubringen. Dies ist mittlerweile geschehen. Es handelt sich um drei Personen -Christen, die aus der Türkei geflüchtet sind. Trotz des besorgniserregenden Engpasses an Unterbringungsmöglichkeiten gibt es keine weiteren privaten Angebote aus der Bürgerschaft unserer Stadt. Es gibt auch keine Angebote von engagierten Vereinen, Organisationen und gesellschaftlichen Gruppen. Dies ist nur eine Beschreibung, aber keine Bewertung dieses Zustandes. Ich mache den Bürgern auch keinen Vorwurf, weil es nämlich nicht Aufgabe der Bürgerschaft ist, dieses Problem zu lösen. Es ist ausschließlich Aufgabe der Verwaltung, die ordnungsgemäße und humane Unterbringung der Asylbewerber sicherzustellen. Die damit verbundenen Belastungen können dem einzelnen nicht zugemutet werden. Wir haben uns gesamtgesellschaftlich eben zu weit vom unmittelbaren Helfen entfernt; der Bürger verläßt sich fast ausschließlich auf die Hilfe der öffentlichen Hand. Das gilt aber nicht nur für die Unterbringung von Asylbewerbern, das gilt auch in anderen sozialen Fragen. Ich bin der Meinung, daß wir diese Einstellung ändern müssen. Aber es wäre falsch, damit gerade bei den Asylbewerbern anzufangen. Unterbringungsmöglichkeiten, die freiwillig gemacht werden, sind willkommen, sie dürfen aber nicht politisch-moralisch erzwungen werden.

Asylrecht für Feinde der Freiheit Den wenigsten ist geläufig, daß das nach Artikel 16 Grundgesetz garantierte Asylrecht politisch neutral ist. Nicht nur derjenige wird geschützt, der politisch verfolgt wird, weil er für die demokratische Freiheit eintritt. Politisches Asyl können in Deutschland auch jene in Anspruch nehmen, die in ihrem Heimatland Diktatur und Unterdrückung praktiziert haben. In Pforzheim gibt es beispielsweise Angehörige der ehemaligen rumänischen Sicherheitspolizei („Securitate“), die bei uns um Asyl nachsuchen. Kaum auszudenken, daß wir künftig einmal Asylbewerber aufnehmen müßten, die in Bosnien-Herzegowina auf militärischen Befehl die abscheulichsten Greueltaten verübt haben! Das Thema Asyl ist sehr viel komplizierter und konfliktträchtiger, als es sich viele vorstellen können und es allgemein dargestellt wird.

Glitzerwelt des Konsums Der erste Gang eines Asylbewerbers führt ihn durch die Stadt. Dort begegnet er vielfach zum ersten Mal in seinem Leben der bislang unbekannten Glitzerwelt des Konsums, die sehr verführerisch ist. Manchmal verführt sie ihn dazu, etwas Unerlaubtes zu tun. Kann man ihm das verübeln? Der Fremde kommt aus einer Welt, die diesen Wohlstand nicht kennt. Sollte man da nicht ein bißchen großzügig sein? Das geht leider nicht. Dem Asyl­bewerbet muß deutlich gemacht werden, daß er die Gesetze des Gastlandes einzuhalten hat.

Seit über einem Jahr ist das Arbeitsverbot gefallen. Asylbewerber können deshalb ab sofort Arbeit suchen; sie müssen dann allerdings in den Unterkünften der Gemeinden beziehungsweise der Städte wohnen. Die Zahl derer, die arbeiten, hat in den letzten Monaten erheblich zugenommen. Vorsichtig geschätzt, arbeitet schon die Hälfte der uns zugewiesenen Asylbewerber. Für sie entfällt die Sozialhilfe. Wegen der zunehmenden Krise am Arbeitsmarkt werden sich aber die Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber deutlich verschlechtern. Konflikte Zusammen mit dem Pforzheimer Diakonischen Werk, das im Auftrag der Stadt die Asylbewerber betreut, kümmern sich unsere Hausmeister um die Unterkünfte; die Versorgung muß gewährleistet sein, Probleme zwischen den Asylbewerbern müssen beigelegt werden. Es gibt auch Konflikte zwischen den unterschiedlichen Asylgruppen. Das gilt beispielsweise für die Spannungen zwischen Kosovo-Albanern und Rumänen wie auch für die Rivalitäten zwischen Kurden und Türken.

Deutsche Ausstattungsstandards entsprechen häufig nicht den Lebensgewohnheiten anderer Kulturen: Die Gemeinschafts-Waschmaschinen sind schnell zerstört, Kücheneinrichtungen ruiniert, Betten verschwinden, und in den Duschen läuft das Wasser manchmal Tag und Nacht. Auch hier heißt es Umdenken: Wir müssen die Einrichtungsgegenstände einfacher und möglichst zerstörungssicher gestalten.

Das Bundessozialhilfegesetz läßt es zu, daß den Asylbewerbern ihre Sozialhilfe nicht bar ausgezahlt, sondern auf Sachleistungen und ein kleines Taschengeld beschränkt wird. In Friedrichshafen am Bodensee versucht man zur Zeit, dieses Verfahren gegen heftigen Widerstand der Betroffenen durchzusetzen. Ich halte diesen Weg für falsch. Die Gewährung von Naturalien bedeutet einen erheblichen Mehraufwand an Betreuung. Das hängt zusammen mit den unterschiedlichen Essensgewohnheiten der Menschen, für die wir Verantwortung tragen. Und es ist nicht auszuschließen, daß wegen der Sachleistungen die Kleinkriminalität erheblich wächst. Ich meine, daß die Einräumung eines Gastrechtes diese stringente Kontrolle verbietet, die im Ergebnis ja Menschen davor abschrecken soll, nach Deutschland zu flüchten. Das Problem des Zugangs kann nicht vor Ort, sondern muß gesamtstaatlich gelöst werden.

Noch eine interessante Erfahrung Im Norden unserer Stadt hatte sich eine Kirchengemeinde entschlossen, auf freiwilliger Basis eine Betreuung für Kinder von Asylbewerbern einzurichten. Sie wurde mittlerweile aufgegeben. Den deutschen Frauen wurde klar, daß Kinderbetreuung wohl etwas typisch Deutsches ist. In den Herkunftsstaaten der Asylbewerber betreuen sich die Kinder gegenseitig -mehr oder weniger. Das soziale Verständnis in diesen Ländern ist eben anders. Was bei uns als sozial notwendig angesehen wird, halten Mütter dieser Kinder für völlig überflüssig und störend. Nach deren Auffassung behindert eine Betreuung der Kinder nach deutschem Verständnis deren Eigenentwicklung und beschränkt die Freiheit ihrer Kinder.

Hilfsbereitschaft und Toleranz In Pforzheim leben 17 000 Bürgerinnen und Bürger ausländischer Nationalität. Darüber hinaus haben wir neben den 1450 Asylbewerbern noch 700 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Kroatien bei uns aufgenommen. Vor mehr als einem Jahr haben Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt ein „Hilfskomitee für Osijek und Umgebung“ gebildet, das großzügig dieser mit Pforzheim befreundeten Stadt Hilfe leistet. In der Zeit seines Bestehens sammelte dieses Hilfskomitee medizinische und technische Güter im Wert von mehr als einer Million Mark, die in mehreren Konvois nach Kroatien gebracht wurden. Im ungarischen Pecs entstand ein Krankenhaus für kroatische Verwundete -eine außerordentliche Leistung des Komitees, die mit finanzieller Unterstützung der baden-württembergischen Landesregierung und des Arbeiter-Samariter-Bundes möglich gemacht wurde.

Den Bürgern der Stadt Pforzheim, aber auch Menschen in anderen Städten tut es deshalb weh, wenn Deutschland als ausländerfeindlich und fremden-feindlich beschrieben und beschimpft wird. Diese hilfsbereiten Menschen fühlen sich verletzt, wenn wegen der Ausschreitungen, Brand-und Mordanschläge krimineller Einzelner ihre großen Anstrengungen in den Hintergrund treten und so wenig gewürdigt werden. Ich erhalte Briefe von Bürgern, die darüber berichten, wieviel sie dazu beigetragen hätten, die Integration ausländischer Mitbürger seit Jahrzehnten zu fördern. Das gilt für den Vorarbeiter einer Baukolonne, der mit seinen ausländischen Arbeitskollegen seit vielen Jahren befreundet ist und ihnen beisteht, das gilt für den Werkmeister in einem mechanischen Betrieb, der ausländische Lehrlinge zur Gesellenprüfung gebracht hat. Das gilt aber auch für den Handwerks­meister, der stolz darauf ist, daß sich vor wenigen Wochen sein ehemaliger Mitarbeiter, ein Türke, als Meister selbständig gemacht hat.

Weltinnenpolitik Geänderte weltpolitische Rahmenbedingungen, eine zusammenwachsende europäische Konföderation bei gleichzeitigem Wiedererstarken der verschiedensten Nationalismen machen auch ein neues Verständnis von Außenpolitik notwendig. Außenpolitik in einem neuen Sinne ist Innenpolitik. Regionale Ausnahme-und Krisensituationen müssen deshalb am Ort ihrer Entstehung gelöst werden. Die Fluchtbewegungen, die Deutschland bislang durch seine äußerst großzügige Aufnahme-praxis eher begünstigt hat, nehmen den politischen Druck von den Verantwortlichen dieser Länder, die Ursachen der Flucht selbst zu bekämpfen.

Die Diagnosen sind längst gestellt, aber bei der Therapie gibt es noch große Schwierigkeiten. Die Inanspruchnahme unserer finanziellen und staatlichen Ressourcen durch die großen Zuwanderungsbewegungen nach Deutschland wird die Probleme in den Ursprungsländern letztlich eher verschärfen, weil dann keine Hilfsmittel für diese Länder mehr aufgebracht werden können. Deshalb ist es sinnvoll, daß wir einen Teil dieser unnützen Aufwendungen dazu einsetzen, die Fluchtursachen in den Herkunftsländern gemeinsam mit den anderen europäischen Ländern zu beseitigen.

Verläßlichkeit des Staates Der Bürger erwartet vom Staat, daß ihn der Zuwanderungsprozeß nach Deutschland in seinen Hilfsmöglichkeiten nicht überfordert. Er erwartet vom Staat Sicherheit, Verläßlichkeit und Berechenbarkeit seiner künftigen Lebensbedingungen. Er will ganz einfach wissen, wieviel Menschen künftig jährlich nach Deutschland kommen können. Er möchte diese Zahl deshalb wissen, damit er sich darauf einrichten kann.

Politisch wird er -etwa im Rahmen von Wahlen -dann entscheiden, ob er -aus seiner ganz persönlichen Sicht -diese Zahl für verkraftbar hält. Wird er aber mit seinen aufkommenden Ängsten und Sorgen alleingelassen, so besteht die Gefahr, daß er politisch sein Wahlrecht als Protest nutzt. Viele haben bei den letzten Landtagswahlen in Baden-Württemberg am 5. April 1992 Republikaner gewählt, um den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ein deutliches Signal zu geben. Einige haben sicherlich auch deshalb Rechts gewählt, weil sie mit den Leistungen der politischen Elite unzufrieden waren.

Das Thema „Asyl“ ist zum Schlüsselthema der deutschen Innenpolitik geworden. Am Thema „Asyl“ muß sich die Handlungsfähigkeit des Staates zeigen. Er muß dabei auf die Sicherheitsängste der Bürger -die begründeten wie die unbegründeten gleichermaßen -Rücksicht nehmen. Es ist also ein Gebot der demokratischen Vernunft, den Zuwanderungsprozeß so zu steuern, wie dies in anderen westlichen Ländern geschieht. Im Grunde ist es ganz einfach: Deutschland darf keine Sonder-rolle spielen wollen. Diejenigen, die aus historischen Gründen diese Sonderrolle reklamieren, verkennen die soziale und politische Realität vor Ort. Sozialer Sprengstoff beginnt sich anzuhäufen. Wenn er sich entlädt, sind die innen-und außenpolitischen Folgen unabsehbar. Soweit darf es nicht kommen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Joachim Becker, Dr. jur., geb. 1942; Oberbürgermeister der Stadt Pforzheim. Veröffentlichungen u. a.: Erfolg im Wahlkampf, München 1988; (Mitautor) Die verdrossene Gesellschaft, Düsseldorf 1993; zahlreiche Essays zu politisch-historischen Themen.