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Die demographische Entwicklung Deutschlands: Risiken, Chancen, politische Optionen | APuZ 44/1993 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 44/1993 Die demographische Entwicklung Deutschlands: Risiken, Chancen, politische Optionen Im Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Beschäftigungsperspektiven älterer Arbeitnehmer zwischen demographischem Wandel und anhaltender Arbeitslosigkeit Latente Macht und neue Produktivität der Älteren Alte Menschen in den neuen Bundesländern Das andere deutsche Alter

Die demographische Entwicklung Deutschlands: Risiken, Chancen, politische Optionen

Bert Rürup/Werner Sesselmeier

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die demographische Entwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2030 hat Auswirkungen auf die Faktor-, Güter-und Kapitalmärkte sowie auf die Sozialversicherungen. Die parallele Entwicklung des Erwerbspersonenpotentials erfordert langfristig verschiedene Kompensationsstrategien -Steigerung der Arbeitsproduktivität, Erhöhung der Lebensarbeitszeit, Erhöhung der Frauenerwerbsquote, gezielte Einwanderungspolitik -, wobei es bei der Realisierung in entscheidendem Maße auf deren Kombination ankommt. Auf der Konsumseite ist eine Zunahme der altersspezifischen Konsum-und Dienstleistungsnachfrage zu erwarten. In der Gesetzlichen Rentenversicherung wird es zu einer Verschlechterung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Rentenbeziehern zu Beitragszahlem kommen. Insgesamt steht die Politik aufgrund der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung vor einem Verteilungsproblem. Herausragende Aufgabe ist es dabei, allen betroffenen Gruppen bereits jetzt die damit verbundenen Konsequenzen bewußt zu machen und die notwendigen Schritte einzuleiten, damit aus diesem Verteilungsproblem kein Akzeptanzproblem wird.

I. Einleitung

Abbildung 1: Bevölkerung in Gesamtdeutschland 1990 -2030 nach drei Projektionsvarianten in Millionen Personen Quelle: M. Thon (Anm. 2), S. 707.

Der Begriff des Alters bzw.der älter werdenden Gesellschaft unterliegt in den meisten Fällen einer kryptonormativen negativen Wertung -und dies, obgleich Älterwerden nicht nur Krankheit, Einsamkeit, Armut, sondern auch in steigendem Maße mehr Erfahrung, mehr Sicherheit, mehr Freiheit und mehr Autonomie bedeuten kann.

Tabelle 3: Pro-Kopf-Einkommen der Rentnerhaushalte im Verhältnis zu anderen sozialökonomischen Haushaltstypen 1991

Die demographische Entwicklung Deutschlands birgt folglich Chancen und Risiken für Bevölkerung, Gesellschaft und Wirtschaft, die rechtzeitig im politischen Willensbildungsprozeß erkannt und kanalisiert werden müssen. Grundlage der folgenden Argumentation sind die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis zum Jahre 2030. Im Anschluß an die Präsentation der wichtigsten Befunde sollen vier Probleme, die im Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung als besonders relevant anzusehen sind, näher analysiert werden: der Arbeitsmarkt, die Bedeutung des steigenden Durchschnittsalters der Gesellschaft für die Konsum-und Dienstleistungssphäre, die Vermögenssituation der Älteren und die Auswirkungen auf die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV). Die verschiedenen Chancen, Risiken und politischen Optionen werden zunächst für jeden Bereich einzeln diskutiert. Auf eventuelle Interdependenzen wird in einem abschließenden Kapitel eingegangen.

II. Die demographische Entwicklung in Deutschland bis zum Jahre 2030

Abbildung 2: Altersaufbau der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland (Gebietsstand ab dem 3. Oktober 1990) Quelle: B. Sommer (Anm. 1), S. 219.

In erster Linie ist hier auf die Resultate der siebten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung der statistischen Ämter der Länder und des Bundes hinzuweisen. Diese Projektion stellt in bezug auf das Endergebnis für das Jahr 2030 eine mittlere Variante dar, verglichen mit den zwei ebenfalls wichtigen, neuen Studien, die eine von Manfred Thon die als optimistische Variante bezeichnet werden kann, die andere von Günter Buttler der mit eher pessimistischen Resultaten aufwartet.

Tabelle 4: Vermögensbestände der oberen Altersgruppen westdeutscher Haushalte 1988 (in Milliarden DM)

Die Hypothesen zur Bevölkerungsentwicklung beziehen sich vor allem auf drei Größen: die Geburtenentwicklung, die Sterblichkeitsrate und die Außenwanderung. Unter der Annahme einer weitgehenden Anpassung der Menschen in den neuen Bundesländern an die Verhaltensweisen im früheren Bundesgebiet hinsichtlich des Geburten-niveaus und der Lebenserwartungen -das derzeitige extreme Absinken der Geburtenrate wird man als ein temporäres „Überschießen“ ansehen können -ergibt sich ein für den Zeitraum 1990 bis 2030 kumulierter Überschuß der Sterbefälle über die Geburten von knapp 14 Millionen. Unter Ausschluß von Wanderungsbewegungen und bei gleichbleibenden Geburten-und Sterbeziffern würde sich somit eine Verringerung der Bevölkerung in Gesamtdeutschland von rund 80 Millionen (1990) auf gut 63 Millionen Einwohner (2030) ergeben Die Annahme über eine langfristige Angleichung der Lebensgewohnheiten ostdeutscher Bürger an die der westdeutschen wird allerdings durch kurzfristige Schocks, über deren Dauer keine Aussagen möglich sind, stark relativiert So lassen sich für die letzten drei Jahre dramatische Einbrüche bei den Geburten und Eheschließungen in den neuen Bundesländern feststellen, die auch im langfristigen historischen Vergleich als extrem hoch bezeichnet werden müssen. Zwar sind dieseVeränderungsraten stark gesunken, aber es blieb beim Rückgang. So belief sich der Geburtenrückgang von 1990 bis 1991 auf 40 Prozent und der von 1991 bis 1992 auf 19 Prozent. Analog entwickelte sich der Rückgang der Eheschließungen von 50 auf 5 Prozent. Wichtig für die im folgenden skizzierten Prognosen ist deshalb die Annahme, daß diese kurzfristigen Einbrüche „nur“ das Ergebnis individuellen Verhaltens aufgrund der dramatischen gesellschaftlichen Umwälzungen darstellen, sich aber nicht zu langfristigen Verhaltensweisen stabilisieren werden.

Tabelle 5: Konsumstruktur der Seniorenhaushalte 1988 (in Prozent)

Neben dieser rein demographischen Komponente muß der Einfluß von Wanderungen berücksichtigt werden. Bei der Außenwanderung sind wiederum drei Gruppen zu unterscheiden: die Migrationsbewegungen von Deutschen, Aussiedlern und Ausländem. Insbesondere das Verhalten der Aussiedler sowie die Formen der Migration dürften am schwierigsten abzuschätzen sein Der Saldo aus Zu-und Fortzügen Deutscher kann insgesamt als ausgeglichen angesetzt werden, so daß der sich ergebende Wanderungssaldo von den beiden anderen Gruppen bestimmt wird. Dabei ist zum einen von einem Abebben des Zuzugs von Aussiedlern bis zum Jahr 2000 und zum anderen von einem bis 2030 anhaltenden, aber sich stark abschwächenden Nettozuzug von Ausländem auszugehen. Insgesamt wird für das vereinte Deutschland im Zeitraum 1990 bis 2030 ein Wanderungsüberschuß von 4, 75 Millionen Personen erwartet, von denen rund zwei Drittel Ausländer sind Abbildung 1 verdeutlicht, daß dieser Wanderungsüberschuß die oben aufgezeigte demographische Entwicklung nur insoweit beeinflussen kann, als er die Bevölkerungsabnähme in Deutschland hinauszögert und von einem höheren Niveau beginnen läßt. Am generellen Trend ändert der Wanderungsüberschuß jedoch nichts.

Neben der quantitativen Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland ist vor allem deren qualitative Veränderung von Bedeutung. Schließlich hat die Altersstruktur einer Bevölkerung enorme Auswirkungen auf das Arbeitskräfteangebot und die Leistungsfähigkeit des Sozialversicherungs-Systems. Abbildung 2 verdeutlicht den Wandel der Altersstruktur im Prognosezeitraum ausgehend von einer angedeuteten Pyramide hin zu einem pilzförmigen Gebilde.

Für das Verhältnis der verschiedenen Altersgruppen bedeutet dies eine nur als dramatisch zu bezeichnende Verschiebung: So betrug der Jugendquotient -das ist der Anteil der unter 20jährigen je 100 20-bis unter 60jährige -1990 37, 4 Prozent. Sein Wert von 35, 8 Prozent für das Jahr 2030 zeigt keine starke Belastung für die Bevölkerung im erwerbstätigen Alter, also die Gruppe der 20-bis unter 60jährigen an. Der Altersquotient dagegen -der Anteil der über 60jährigen an den 20-bis unter 60jährigen -steigt von 35, 2 Prozent in 1990 auf 72, 7 Prozent für das Jahr 2030; dies bedeutet eine Steigerung um 107 Prozent. Der Gesamtquotient aus Jugend-und Altersquotienten wird 2030 somit 108, 5 Prozent betragen. Damit ist die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter auf einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von 48 Prozent, d. h. um 10 Prozent gegenüber 1990 gesunken. Abbildung 3 verdeutlicht diese Entwicklung.

Es bleibt somit festzuhalten, daß der im Reproduktionsverhalten angelegte Bevölkerungsrückgang in der Bundesrepublik Deutschland durch einen positiven Wanderungssaldo nur verlangsamt wird und mit einer Verschiebung der Altersstruktur einhergeht.

Wie wichtig der Zusammenhang von Bevölkerungsentwicklung und Einwanderung ist, zeigt Tabelle 1, in der die demographische Entwicklung unter drei verschiedenen Annahmen -keine Zuwanderung, konstante Zuwanderung, Bevölkerungskonstanz bewirkende Zuwanderung -berechnet wird.

Diese Entwicklung beeinflußt und verändert die sozioökonomische Situation Deutschlands in allen Lebensbereichen. Eine vorausschauende Politik muß diese Veränderungen analysieren und für sich nutzbar machen. Im folgenden werden deshalb die Auswirkungen und Folgen der Bevölkerungsentwicklung auf die Faktor-, Güter-und Kapitalmärkte sowie auf die gesetzliche Rentenversicherung als relevanter Bereich des Sozialversicherungssystems eingehender betrachtet.

III. Die Perspektiven des Arbeitsmarktes

Abbildung 3: Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland nach Altersgruppen (Gebietsstand ab dem 3. Oktober

1. Die Entwicklung des Erwerbspersonenpotentials Daß die Entwicklung des Erwerbspersonenpotentials parallel zur Bevölkerungsentwicklung verläuft, ist (fast) eine Trivialität. Interessant sind aber auch hier die unterschiedlichen Einflüsse von Demographie und Wanderung. Ohne Wanderung und bei gleichbleibender Erwerbsbeteiligung kann für das Jahr 2030 eine Verringerung des Arbeitskräfteangebots um 14 Millionen Personen oder rund 30 Prozent prognostiziert werden Eine Angebotslücke dieser Dimension wird sich zwar mit Sicherheit nicht auftun, sondern durch Wanderungen teilweise aufgefüllt werden. Wie Abbildung 4 zeigt, kann diese Verzögerung aber gefährlich werden, wenn nämlich der zwischenzeitlich festzustellende Anstieg der Erwerbsbevölkerung falsch interpretiert und diese Atempause wirtschafts-und gesellschaftspolitisch nicht sinnvoll genutzt wird.

Die unterschiedlichen Entwicklungspfade des Arbeitskräfteangebots ergeben sich durch unterschiedliche Annahmen über die jährlichen Nettoeinwanderungen in die Bundesrepublik. So werden jeweils 300000, 400000 bzw. 500000 Zu-wanderer pro Jahr für den Zeitraum 1992 bis 2017 unterstellt Deutlich wird, daß je nach Variante zwischen den Jahren 2012 und 2022 das Niveau des derzeitigen Arbeitskräfteangebots in zunehmendem Maße unterschritten wird.

Insgesamt ist demnach für die nächsten 40 Jahre ein starker Rückgang der Bevölkerung allgemein und des Erwerbspersonenpotentials im besonderen -verbunden mit einer gleichzeitigen Änderung im Altersaufbau -zu konstatieren. 2. Kompensationsmöglichkeiten des Rückgangs des Erwerbspersonenpotentials Die im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigten Veränderungen hinsichtlich Umfang und Struktur des Erwerbspersonenpotentials verlangen Kompensationsmöglichkeiten. Vier das Arbeitsleben sowohl qualitativ als auch quantitativ unterschied-liehbeeinflussende Alternativen sollen zunächst einzeln diskutiert werden. Daran anschließend ist zu fragen, ob diese Möglichkeiten einen eher substitutiven oder komplementären Charakter aufweisen.

Ausgangspunkt der Analyse stellt die folgende Gleichung dar: Y" = AVnP^. Das reale Volkseinkommen (Yr) ist immer das Produkt aus Arbeitsvolumen (AVn) und Produktivität (Pa) -Die Produktivität stellt eine Funktion von Qualifikation, Kapitalintensität, Arbeitsorganisation, Motivation, sozialem Frieden dar. Das Arbeitsvolumen seinerseits kann weiter zerlegt werden: AVn = An * Tn und ist somit das Produkt aus der Anzahl der Arbeitnehmer (An) und der Arbeitszeit (T"). Die Zahl der „aktiven“ Arbeitnehmer ist die Differenz aus Erwerbspersonen (EPn) und Arbeitslosen (ALn), wobei bei letzteren zwischen den offiziell registrierten Arbeitslosen und der stillen Reserve unterschieden werden muß. Ferner erweist es sich als notwendig, diese Größen noch geschlechtsspezifisch zu separieren. Daraus folgt:

Y" = [(EPmännl“ AL ^ännl) + (EP weibl“ ^Eweibl) ] *Tn*P^. a) Steigerung der Arbeitsproduktivität Das erste Argument zur Kompensation eines sinkenden Erwerbspersonenpotentials lautet: Erhöhung der Produktivität. Steigt die Arbeitsproduktivität stärker als das Wirtschaftswachstum, werden Arbeitsplätze abgebaut, in diesem Fall kann ein bestimmtes Bruttoinlandsprodukt mit weniger Arbeitskräften erwirtschaftet werden. Angesichts der sehr hohen Wettbewerbsintensität auf den Auslandsmärkten und der sehr starken binnenwirtschaftlichen Importsubstitutionskonkurrenz -Bedingungen, von denen seit langem ein hoher Rationalisierungsdruck ausgeht -ist jedoch der Erfolg einer bewußt demographisch motivierten zusätzlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität als Kompensationsstrategie wenig realistisch. So sind aus der jüngsten Arbeitsmarktforschung besonders zwei empirische Zusammenhänge bekannt, die eine stärker als das Wirtschaftswachstum steigende Arbeitsproduktivität zum Ausgleich eines Arbeitskräftemangels kaum möglich erscheinen lassen: Erstens ist für die Bundesrepublik Deutschland ein paralleler Rückgang der Zuwachsraten von Produktivität und Wachstum zu konstatieren. Dies legt den Schluß nahe, daß Produktivitätsfortschritt und Wirtschaftswachstum nicht unabhängig voneinander sind, und vor allem, daß die Zunahme der Produktivität der Zunahme des Sozialprodukts über einen längeren Zeitraum hinweg nicht davonzueilen vermag. Zweitens spielt in diesem Zusammenhang die sog. „Beschäftigungsschwelle“ eine wichtige Rolle. Diese Schwelle quantifiziert die Wachstumsrate, die einen neutralen Beschäftigungseffekt zur Folge hat. Liegt das Wachstum über (unter) der „Beschäftigungsschwelle“, steigt (sinkt) die Zahl der Beschäftigten. Für die Bundesrepublik Deutschland ergibt sich in den letzten 30 Jahren eine stetige Senkung der Beschäftigungsschwelle. Dies bedeutet, daß positive Beschäftigungseffekte mit immer niedrigeren Wachstumsraten erreicht werden konnten und können, was wiederum bedeutet, daß der Faktor „Arbeit“ in der Zukunft zu einer das Wirtschaftswachstum limitierenden Größe werden könnte. b) Erhöhung der Lebensarbeitszeit Betrachtet man die durchschnittliche Lebenserwartung von 72, 5 Jahren sowie die Projektion eines Anstiegs eben dieser Lebenserwartung auf 74, 2 Jahre bei Männern bis zum Jahr 2000 so ergibt sich die Frage nach einer Erhöhung der Lebensarbeitszeit für männliche Arbeitnehmer nahezu von selbst. Darüber hinaus zeigt sich, daß die Menschen nicht nur älter werden, sondern -in den meisten Fällen -auch in Grenzen noch gesundheitlich belastbar sind. Gleichwohl ist parallel zu dieser Entwicklung eine hohe Zahl an Frühverrentungen aufgrund zu starker beruflicher Beanspruchungen festzustellen. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters müßte daher mit einer Umstrukturierung zumindest eines Teils der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze einhergehen. Die Schaffung altersgerechter Arbeitsbedingungen ist somit eine notwendige Voraussetzung für eine Verlängerung der Erwerbstätigkeit. Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer kann nicht dadurch gesichert werden, daß die Altersgrenze in der GRV sukzessive nach oben verschoben wird. Denn die Unternehmen werden bei genügend großer Auswahl an Arbeitskräften versuchen, nur die leistungsfähigsten Älteren auf ihren angestammten Arbeitsplätzen länger zu beschäftigen. Für einen nur durchschnittlich Leistungsfähigen wird es in diesem Fall zu einem down-grading, d. h. auch zu einer Herabstufung des Einkommens kommen, bzw. die Unternehmen werden diesen Arbeitnehmern schlechter bezahlte Nebenerwerbsjobs anbieten. Wenn eine derartige, sich aus dem einzelwirtschaftlich rationalen Kalkül der Unternehmer ergebende Entwicklung verhindert werden soll, muß die bevölkerungsund gesellschaftspolitisch richtige Forderung nach Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch entsprechende Rahmenbedingungen ergänzt werden. Dazu gehören die tarifrechtliche Absicherung und altersgerechte Arbeitsorganisation. Insbesondere muß dafür Sorge getragen werden, daß arbeitsbedingte Erkrankungen in den bzw. durch die Unternehmen verringert werden. Dieses arbeitsmarkt-politische Ziel ließe sich vielleicht dadurch erreichen, daß den Arbeitgebern einerseits gewisse Steuererleichterungen bei der Beschäftigung von über 50jährigen gewährt, sie jedoch andererseits stärker als bisher an den Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen beteiligt werden.

Zu fragen ist, ob eine Lebensarbeitszeitverlängerung auch tatsächlich den Wünschen und Bedürfnissen der davon betroffenen Menschen entspricht -eine Frage, die sich nicht eindeutig beantworten läßt: Weder eine schablonenhafte Verlängerung der Erwerbstätigkeit noch die Fortschreibung des in den letzten Jahren zu beobachtenden vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben kann eine für alle älteren Erwerbspersonen befriedigende Entwicklung darstellen. Daher erscheint die Gestaltung von Wahlmöglichkeiten für Ältere sinnvoll, wobei sowohl ökonomische als auch soziale Belange berücksichtigt werden müssen. Für die Akzeptanz einer verlängerten Lebensarbeitszeit ist es wichtig, den Stellenwert der Arbeit als fundamentaler Lebensbestandteil stärker bewußt zu machen. Aus biographischer Perspektive hat eine frühe Berufsaufgabe zur Folge, daß sich die Altersphase im Vergleich zur Erwerbsphase und zum gesamten Lebenslauf immer mehr ausdehnt und damit „dominant“ wird. Statistisch beträgt die Altersphase bei Männern derzeit 19, bei Frauen 23 Jahre. Die in der eigentlichen Erwerbsarbeitsphase verbrachte Zeit liegt damit gegenwärtig schon deutlich unter der erwerbsfrei verbrachten Lebenszeit. Vor diesem Hintergrund ist die Bewertung einer weiteren Ausdehnung der Alters-phase, eine Vorverlegung des Renteneintrittsalters, als „soziale Errungenschaft“ zu revidieren. Die Aufgabe der Zukunft wird es sein, eine verlängerte Erwerbsphase altersadäquat zu gestalten.

Beachtet man die Rekrutierungslogik innerbetrieblicher Arbeitsmärkte und die Einstellungsmuster der unternehmerischen Personalpolitik, so sind die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer ungeachtet der demographischen Entwicklung nicht als günstig zu beurteilen. Die Betriebe sind aus vielerlei Gründen nicht an alternden Belegschaften interessiert. Ältere werden nur dann eingestellt oder gehalten, wenn keine anderen Kompensationsmöglichkeiten gesehen werden. Darauf deutet die selbst in ausgesprochenen Wachstumsbranchen mit steigenden Beschäftigungszahlen zu beobachtende vorzeitige Ausgliederung Älterer bzw. die jugendzentrierte Einstellungspolitik hin. Die Betriebe werden sich im Zweifelsfall erst um jüngere weibliche Arbeitskräfte bemühen, bevor sie eine Ausweitung der Alterserwerbstätigkeit in Betracht ziehen, von der auch nur diejenigen Älteren profitieren dürften, die über ein durchschnittlich hohes Qualifikationsund Flexibilitätspotential sowie über eine gute psychische und physische Konstitution verfügen. c) Erhöhung der Frauenerwerbsquote Neben der Erhöhung der Lebensarbeitszeit muß also eine Ausweitung der Frauenerwerbstätigkeit ins Auge gefaßt werden. Betrachtet man die Frauenerwerbsquote der alten Bundesrepublik im internationalen Vergleich und betrachtet man die unterschiedliche Entwicklung in den beiden ehemaligen deutschen Staaten sowie die durchschnittliche Lebenserwartung von 79 Jahren bei Frauen (Männer: 72, 5), so zeigt sich auch hier ein nicht zu unterschätzender gesellschaftspolitischer Spielraum: Bis zur Jahrtausendwende wird sich die Zahl der „aktiven Erwerbspersonen“ durch die verstärkte Frauenerwerbstätigkeit voraussichtlich um etwa eine halbe Million erhöhen, ab 2010 dürfte das weibliche Erwerbspersonenpotential weitgehend ausgeschöpft sein. Allerdings müßten dann wesentlich mehr Frauen als bisher in Männerberufen tätig werden. Ausbildungsberufe, in denen es 1977 weniger als 20 Prozent weibliche Auszubildende gab, gelten als Männerberufe. Die bisherige Entwicklung ist eher ambivalent.

Insgesamt gesehen ist also ein gewisses „Frauenpotential“ vorhanden, das zur Steigerung der Erwerbspersonenzahl mobilisiert werden könnte und sollte. Allerdings dürfen dabei zwei Punkte nicht übersehen werden: Erstens verringert eine Erhöhung der Frauenerwerbsquote das demographische Problem nur für eine gewisse Zeitspanne, da die Altersstruktur der Frauen äquivalent zu der der Gesamtbevölkerung ist. Zweitens erscheint eine Ausweitung der Frauenerwerbsquote etwa entsprechend skandinavischen Verhältnissen aus politischen und finanziellen Gründen nicht realisierbar. Die mit den skandinavischen Zahlenwerten verbundene Professionalisierung verschiedenster Pflege-und Betreuungsaufgaben wird in der Bundesrepublik nicht durchsetzbar sein. Insgesamt dürfte sich das Frauenerwerbspotential bis zur Jahrtausendwende um ungefähr eine Million erhöhen

Zukünftig wird auch dem Thema ältere Arbeitnehmerinnen unter dem Blickwinkel ihrer Beschäftigungsförderung mehr Aufmerksamkeit zu widmen sein, denn deren Erwerbsquoten steigen in den relevanten Altersklassen überdurchschnittlich an. Zudem überwiegt die Neigung, möglichst bis zur Altersgrenze im Erwerbsleben bleiben zu wollen, und zwar insbesondere um eine ausreichende eigene soziale (Alters-) Sicherung zu erlangen. Aufgrund der höheren Humankapitalinvestitionen der besser ausgebildeten Frauen steigt ihr Interesse an einem längerfristigen und qualifizierteren Berufsverlauf. Zur Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen der mittleren Altersgruppen müßten in das Instrument des Arbeitsförderungsgesetzes zusätzliche motivationale Anreize (u. a. finanzielle Förderung, Beratung und sozialpädagogische Betreuung) eingebaut werden. Bei der Konzeption von Weiterbildungs-und Umschulungsmaßnahmen ist auf die speziellen Lernbedürfnisse und -erfahrungen dieser zumeist eher bildungsungewohnten Frauen Rücksicht zu nehmen, indem z. B. eine „Verschulung“ vermieden wird und stärker anwendungsorientierte Kurse angeboten werden.

Auch eine Ausweitung der Beschäftigung von Frauen in den mittleren und oberen Altersgruppen wirft spezielle Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf: Aufgrund der zunehmenden Zahl von älteren Menschen wird dieser Personenkreis vermehrt berufliche Anforderungen mit familiären Pflegeverpflichtungen zumeist gegenüber den eige-nen Eltern bzw. Schwiegereltern in Übereinstimmung bringen müssen. Daher gilt es, zusätzliche Arrangements zu treffen, die sich insbesondere auf einen flexiblen Arbeitseinsatz bzw. auf variable Arbeitszeitgestaltung sowie auf konkrete Beratungs-und Unterstützungsangebote (z. B. in Kombination mit sozialen Diensten) beziehen sollten. In der Bundesrepublik gibt es hierzu erst sehr wenige Modelle. Zu denken wäre in diesem Kontext an gesetzliche Regelungen, z. B. in bezug auf die Möglichkeit eines „Pflegeurlaubs“ sowie dessen sozialversicherungsrechtliche Absicherung. d) Gezielte Einwanderungspolitik Die vierte Möglichkeit zur Bekämpfung der demographischen Arbeitsangebotslücke ist in einer bewußt gesteuerten Einwanderungspolitik zu sehen. Betrachtet man die Entwicklung der Ausländerbevölkerung und -beschäftigung in der alten Bundesrepublik seit 1973 sowie die Aufenthaltsdauer der verschiedenen Ausländergruppen, so wird deutlich, daß der Zuzug von Ausländem bei der Lösung demographischer Probleme kein neuer Tatbestand ist. Auch in den eingangs vorgestellten Bevölkerungsprognosen wird daher mit einem weiterhin stetigen positiven und sogar ansteigendem Wanderungssaldo für die Bundesrepublik gerechnet.

Das Ziel deutscher Wirtschaft-und Gesellschaftspolitik sollte also weniger darin bestehen zu versuchen, die sicheren und unvermeidlichen Einwanderungen durch Defensivmaßnahmen zu reduzieren. Diese Zuwanderungen sollten vielmehr als gesellschaftliche und wirtschaftliche Chance begriffen werden. Dabei kommt es zunächst darauf an, die Bestimmungsgründe der Zuwanderer in den Sende-und Aufnahmeländern zu analysieren. Als zweites sollte vor dem Hintergrund des (zukünftigen) Facharbeitermangels der Bedarf an Arbeitskräften möglichst genau erfaßt werden, um daraus Kriterien für die Einwanderung ableiten zu können. Eine derartige Einwanderungspolitk muß schließlich durch eine gezielte und integrationsfördemde Eingliederungspolitik unterstützt werden. Dies gilt um so mehr, als sich die übrigen westeuropäischen Länder analogen demographischen Problemen gegenübersehen, so daß ein verstärkter Zustrom von Arbeitskräften aus diesen Ländern nur für die Anfangsphase des Europäischen Binnenmarktes und für bestimmte hochqualifizierte Arbeitnehmergruppen zu erwarten ist Dem-gegenüber wird die Bundesrepublik im Rahmen gesamteuropäischer Migrationsprozesse im Mittelpunkt von Süd-Nord-und Ost-West-Wanderungen stehen. 3. Zwischenfazit Die diskutierten Befunde sollten zeigen, daß sich das Problem der demographischen Arbeitsangebotslücke mit keiner der aufgeführten Einzelmaßnahmen für sich genommen lösen läßt. Folglich muß nach einer geeigneten Kombination gefragt werden. Strenge Nebenbedingungen für eine Realisation der einen oder anderen Kombination ist deren Umsetzungswahrscheinlichkeit. Hier könnte sich ein trade off zwischen den gesellschaftspolitisch erwünschten Anhebung der Lebensarbeitszeit und der Frauenerwerbsquote auf der einen sowie dem Zuzug von Ausländern auf der anderen Seite ergeben. Denn eine Erhöhung des Erwerbspersonenpotentials durch ausländische Arbeitnehmer dürfte den für die beiden anderen Möglichkeiten notwendigen gesellschaftlichen Druck relativieren und zu einer gewissen Strukturkonstanz führen. Andererseits werden die beiden gesellschaftspolitischen Reformen nicht für eine durchgreifende Änderung des demographischen Problems sorgen können, sondern dessen Lösung nur hinauszögern, so daß eine gezielte Einwanderungspolitik wirklich notwendig wird. Ein echter Einwanderungsbedarf für die deutsche Wirtschaft dürfte zwar erst in etwa 10 bis 15 Jahren akut werden, der einwanderungspolitische Steuerungsbedarf ist aber gerade im Interesse der beruflichen Emanzipation der Frauen und des Auf-und Ausbaus altersgerechter Arbeitsplätze bereits jetzt vorhanden. Ist man sich dieses Ablaufs bewußt, so wäre durch eine zeitliche Aufteilung der verschiedenen Maßnahmen auch eine Überwindung dieses Konflikts zwischen den einzelnen Alternativen möglich. Prinzipiell jedoch sind diese als Komplemente und nicht als Substitute einer umfassenderen und verantwortungsvollen Bevölkerungspolitik zu sehen.

IV. Die altersspezifische Vermögens-und Konsumstruktur

Tabelle 1: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bei verschiedenen Wanderungsannahmen 1990-2050 Quelle: Günter Buttler, Deutschlands Wirtschaft braucht Einwanderer, in: Hans-Ulrich Klose (Hrsg.), Altern der Gesellschaft. Antworten auf demographischen Wandel, Köln 1993, S. 63.

Nach der Betrachtung der demographischen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt soll nun nach den Folgen für die Güter-und Kapitalmärkte gefragt werden. Dazu sollen zunächst die gegenwärtige altersspezifische Vermögensstruktur und das ent-sprechende Konsumentenverhalten vorgestellt werden, um im Anschluß daran verschiedene Entwicklungspfade und Nutzungsmöglichkeiten diskutieren zu können. 1. Der Bestand an Geld-und Realkapital nach Altersgruppen und sozioökonomischen Haushaltsgruppen Betrachtet man die Ergebnisse der letzten Einkommens-und Verbrauchsstichprobe von 1988 so wird deutlich, daß Rentner und Pensionäre heute durchschnittlich doppelt soviel Kapital angespart haben wie Berufstätige. Bis zur Jahrtausendwende wird ein Viertel des gesamten Geld-und Grundvermögens den über 65jährigen gehören. Armut hat schon längst nicht mehr alleine etwas mit dem Alter zu tun. Während sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Zahl der Sozialhilfeempfänger in der alten Bundesrepublik seit 1973 verdreifacht hat, ist sie unter den Ruheständlern stark zurückgegangen. Nur noch 1, 5 Prozent von ihnen beziehen Sozialhilfe. Von rund 1, 8 Millionen Haushalten, die 1991 Sozialhilfe bezogen, waren nur gut 20500 Rentnerhaushalte

Angesichts dieser Zahlen ist allerdings darauf hinzuweisen, daß längst nicht alle vom Trend zum Altersreichtum profitieren. Viele Senioren sind zwar Mehrfachverdiener: Zur eigenen Versicherungsrente oder Pension kommen Witwenrente, Betriebsrente, Zinseinnahmen, ausgezahlte Lebensversicherungen, Mieterträge und anderes hinzu. Aber die Zusatzeinnahmen kommen meist jenen zugute, die sowieso schon recht hohe Renten haben. Jeder zweite wird auch in Zukunft ausschließlich auf eine Rente oder Pension angewiesen sein. Besonders mißlich ist die Lage der alleinstehenden Frauen. So kann man auch heute noch ohne weiteres behaupten, daß die Armut in Deutschland hauptsächlich „weiblich, alt und kinderreich“ ist 1991 lagen über die Hälfte der Versichertenrenten von Frauen unter 431 DM, die Renten der Männer lagen dagegen zu über 50 Prozent über 1855 DM. Ebenso verhindert auch die Witwenrente nicht den Gang zum Sozialamt. So-lag 1992 die durchschnittliche Witwenrente in der Arbeiterversicherung mit 853, 62 DM erheblich unter und die in der Angestelltenversicherung mit 1181, 53 DM nur knapp über den durchschnittlichen Sozialhilfeleistungen für Alleinstehende in Höhe von 1158 DM. Die Ursachen hierfür sind immer noch in den Unvereinbarkeiten von Mutterschaft und Teilnahme am Erwerbsleben zu sehen

Eine weitere Problemgruppe sind die älteren Menschen in Ostdeutschland Insgesamt besteht im Durchschnitt für den älteren Teil der deutschen Bevölkerung im Vergleich zur Erwerbsbevölkerung kein größeres Armutsrisiko, wohl aber ist eine sich verstärkende Polarisierung der Einkommens-und Vermögensverteilung bei den Älteren zu konstatieren. Im einzelnen werden im folgenden die Einkommen, Geld-und Sachvermögens-bestände der Haushalte strukturiert nach Alter und sozioökonomischer Gruppe verglichen. Bei den oberen Altersgruppen bietet es sich an, nochmals zwischen den Altersgruppen 55 bis unter 65 Jahre, 65 bis unter 75 Jahre sowie 75 Jahre und darüber zu unterscheiden. Diese Altersgruppen haben insgesamt folgenden Anteil an der Summe aller Haushalte in Deutschland (vgl. Tabelle 2):

Ein Vergleich des verfügbaren Haushaltseinkommens -Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit plus Bruttoeinkommen aus Unternehmertätig-keit plus Bruttoeinkommen aus Vermögen plus empfangene laufende Übertragungen minus Steuern -von Rentnern und Pensionären mit dem der Privathaushalte insgesamt zeigt, daß ein Rentnerhaushalt auf 70, 3 Prozent und ein Pensionärs-haushalt auf 95, 8 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens eines durchschnittlichen Privathaushalts kommt. Dabei ist neben den empfangenen laufenden Übertragungen insbesondere das Einkommen aus Vermögen von Bedeutung. Ein genaueres und gleichzeitig differenzierenderes Bild ergibt sich bei Betrachtung der durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen der Rentnerhaushalte noch im Verhältnis zu anderen sozioökonomischen Haushaltstypen In Tabelle 3 wird die -gerade mit steigender Anzahl der Rentner-und Pensionärshaushalte -Relevanz der demographischen Entwicklung für die Güter-und Kapitalmärkte deutlich.

Der bereits erwähnte beachtliche Anteil des Einkommens aus Vermögen deutet auf relevante Vermögensbestände bei den Haushalten dieser oberen Altersgruppen hin. Untergliedert nach Sparguthaben, Bausparguthaben, Wertpapieren und Immobilien ergeben sich nach der Einkommens-und Verbrauchsstichprobe von 1988 folgende Werte (vgl. Tabelle 4)

Hinsichtlich der Vermögensdiversifikation läßt sich noch ein gravierender Unterschied zwischen den Haushalten der oberen Altersgruppen und den übrigen Privathaushalten feststellen: Während die Anteile der Haushalte mit Sparguthaben, Bausparguthaben und Wertpapieren über die verschiedenen Altersklassen relativ gleich verteilt sind, ergibt sich bei der Vermögensform Immobilien ein krasser Unterschied: So haben nur 6, 2 Prozent aller Privathaushalte Haus-und Grundstückseigentum gegenüber 49 Prozent in den drei oberen Altersgruppen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ferner das Faktum der in den nächsten Jahren über die Generation der 50jährigen „Westbürger“ schwappenden Woge des ererbten Vermögens aus den akkumulierten Ersparnissen der Aufbaugeneration der Nachkriegszeit oder aus den fällig werdenden Lebensversicherungen, die am Ende der Wirtschaftswunderzeit in den sechziger Jahren abgeschlossen wurden. Dieser „zweiten Generation der Nachkriegserben“ werden in den nächsten zehn Jahren eine Billion DM an Geldvermögen, 700 Milliarden DM an Immobilienwerten (in heutigen Preisen) und über 360 Milliarden DM aus fälligen Lebensversicherungen, d. h. insgesamt über 2 Billionen DM zufließen, wobei der typische Erbe der nächsten Jahre kein „Youngster“ sein wird, sondern eben der etablierte 50jährige 2. Konsum Neben der Einkommens-und Vermögenssituation ist auch die Verwendungsseite, also die Konsum-struktur der Seniorenhaushalte sowohl für sich als auch im Vergleich zu anderen Altersgruppen, von Interesse. Generell ist hier zu konstatieren, daß die Konsumquote der Rentner-und Pensionärs-haushalte bei 73 Prozent liegt. Die entsprechende Quote aller Haushalte liegt demgegenüber bei 90 und die der Altersklasse der 25-bis unter 35jährigen bei 82 Prozent, immer bezogen auf den altersspezifischen Median Dabei unterscheidet sich die Struktur des privaten Verbrauchs der oberen Altersklassen nur geringfügig von der der übrigen. Insgesamt läßt sich aufgrund der Einkommens-und Verbrauchsstichprobe folgende Konsumstruktur der Seniorenhaushalte feststellen (vgl. Tabelle 5)

Ausstattungsdefizite sind im Sinne der Haushaltslebenszyklustheorie typischerweise bei langlebigen Gebrauchsgütem wie etwa Geschirrspülmaschinen, Mikrowellengeräten, Gefrierschränken und Wäschetrocknern festzustellen. Das gleiche gilt für bestimmte Produkte des Unterhaltungssektors wie Videorekorder, CD-Player und Spiegelreflexkameras. Schließlich besitzen nur knapp 40 Prozent der älteren Haushalte ein Auto gegenüber 67 Prozent aller Haushalte.

Schließlich darf der Anteil des Ausgabenvolumens der Rentner-und Pensionärshaushalte an der Haushaltsgesamtheit in Relation zu deren Bevölkerungsanteil nicht unerwähnt bleiben. Bei einem Bevölkerungsanteil von 15 Prozent lag ersterer bei gut 21 Prozent, was auf ein erhebliches Markt-potential schließen läßt. 3. Mögliche Entwicklung altersspezifischen Konsums und altersspezifischer Dienstleistungen Vor dem geschilderten Hintergrund erscheint es nur natürlich, daß hier ein schlummerndes Markt-potential erkannt wird, das es von Marketingstrategen zu aktivieren gilt. In diesem Zusammenhang ist erstens zu fragen, welche Güter nur von bestimmten Altersklassen nachgefragt werden und welche Güter über alle Altersgruppen hinweg konsumiert werden. Zweitens muß die altersspezifische Konsumintensität festgestellt werden. Das Produkt aus beiden Größen ergibt dann das Marktpotential der oberen Altersgruppen. Das Ergebnis ist ex ante noch unbestimmt: „Der demographisch bedingte Strukturwandel, der einzelne Märkte wachsen und andere schrumpfen läßt, kann positive oder negative Nettoniveaueffekte erzeugen oder sich als Nullsummenspiel erweisen.“ Die von der Altersforschung als „neue Alte“ bezeichneten zukünftigen Ruheständler werden sich aller Voraussicht nach von den jetzigen Pensionären und Rentnern dahingehend unterscheiden, daß sie weiterhin einer hohen Konsumneigung folgen und diese auch realisieren werden. Zudem dürfte diese Gruppe eine geringere Hemmschwelle gegenüber technischen Neuerungen im Bereich der langlebigen Gebrauchsgüter sowohl der Haushaltsführung als auch der Unterhaltungsbranche haben. Die derzeit noch zu konstatierenden Ausstattungsdefizite wird es bei den kommenden Ruheständlergenerationen nicht mehr geben. Ebenso sind im Vergleich zu den anderen altersspezifischen Haushaltsgruppen noch Potentiale in den Bereichen „Nachrichten und Verkehr“ sowie „Bildung und Unterhaltung“ festzustellen. Schließlich besitzt ein wesentlich geringerer Teil der älteren Haushalte, insbesondere der Frauen, ein Auto, so daß auch hier -unter Vernachlässigung ökologischer und verkehrspolitischer Aspekte -ein relativ großes Marktpotential besteht.

Entsprechend dürfte sich das Verhalten der Älteren hinsichtlich altersspezifischer Dienstleistungen sowohl im Bereich der Gesundheits-und Körperpflege als auch im Haushalt (Bereich Wohnen) ausbauen. In diesem Zusammenhang sind verschiedene Konzepte altersgerechten Wohnens von Bedeutung, das in der Zukunft auch und gerade eher dezentralen Charakter haben sowie das Zusammenleben von Jung und Alt jenseits der traditionellen Familienbande fördern sollte. 4. Instrumentalisierung des „Altenreichtums“

Vor dem Hintergrund der gegenwärtig und zukünftig angespannten Haushaltslage der 'Gebiets-körperschaften und insbesondere des Bundes einschließlich der in den nächsten Jahren in den Bundeshaushalt zu integrierenden Schattenhaushalte infolge der Wiedervereinigung besteht auch ein fiskalisches Interesse an den weiter oben dargestellten Vermögensverhältnissen der oberen Altersgruppen. Insbesondere die Erbschafts-und Schenkungssteuer gerät zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses; nicht zu Unrecht, wenn man bedenkt, daß in den nächsten Jahren rund 2 Billionen DM bzw. mindestens 100 Milliarden Mark pro Jahr zur Vererbung anstehen Wird zudem berücksichtigt, daß die Erbengeneration selbst bereits um die 50 Jahre alt ist, so kommt es hier zu einer immensen Vermögenskonzentration.

Daneben wäre -aufgrund der starken Ungleich-Verteilung des Vermögens -innerhalb der oberen Altersgruppen auch ein intragenerativer Finanz-ausgleich vorstellbar. Angesichts dieser Polarisierung erscheint es zweckmäßig, den Gedanken eines „Solidarausgleichs der Älteren untereinander“ als eine neue, den gewandelten ökonomischen Verhältnissen Rechnung tragende Idee nicht von vornherein zu verwerfen. Eine Instrumentalisierung bzw. Mobilisierung des Seniorenreichtums scheint auch und gerade unter Verteilungsgesichtspunkten eine bislang zu wenig erwogene Strategie zu sein. 5. Zwischenfazit Die oben aufgezeigten beachtlichen Dimensionen der Geld-und Sachvermögensbestände der jetzigen und zukünftigen oberen Altersklassen werfen ein Licht auf die ökonomische Bedeutung dieser wachsenden Bevölkerungsgruppe für eine Volkswirtschaft.

Die ökonomische Aktivierung der Älteren sollte dabei nicht nur aus dem engen Blickwinkel einer Monetarisierung dieses Potentials diskutiert werden. Darüber hinaus wäre eine bessere gesellschaftliche und soziale Integration der älteren Menschen in einer sich überwiegend über die Art und Weise der Geldverwendung definierenden Gesellschaft anzustreben.

V. Auswirkungen auf die Gesetzliche Rentenversicherung

Abbildung 4: Entwicklung des Arbeitskräfte-angebots bei unterschiedlicher Zuwanderung Quelle: B. Hof (Anm. 8), S. 17.

Neben den bisherigen Auswirkungen wird die demographische Entwicklung auch Konsequenzen für die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) haben. Der steigende Altenlastquotient wird zu einer Verschlechterung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Rentenbeziehem zu Beitragszahlern führen. So ergeben die Vorausberechnungen im Rentenversicherungsbericht 1992 hinsichtlich der Beitragssätze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten eine Steigerung von derzeit 17, 7 auf rund 21 Prozent für das Jahr 2006. Schwankungen um diese 21 Prozent beruhen auf der verwendeten Berechnungsmethode mit neun Modellvarianten, basierend auf jeweils drei Annahmen zur Enwicklung der Beschäftigtenzahl. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß das Rentenreformgesetz von 1992 bereits seine ausgaben-dämpfenden und die Finanzstruktur stabilisierenden Wirkungen zeigt und die Beitragsentwicklung nicht mehr so stark auf Änderungen der Beschäftigtenzahlen und der Entgeltentwicklung reagiert. Dies folgt aus dem internen Rückkopplungsmechanismus, dem zufolge ein zusätzlicher Beitrags-bedarf gleichzeitig zu einer Erhöhung des Bundeszuschusses und zu einer Abflachung der Rentenanpassung aufgrund der Nettoformel führt. So wird der Bundeszuschuß bei mittlerem Lohnanstieg und ebenfalls mittlerer Beschäftigungsentwicklung bis zum Jahr 2006 absolut steigen und -gemessen am Anteil der gesamten Rentenausgaben -sich konstant bei über 19 Prozent bewegen.

Vor diesem Hintergrund wird immer wieder die Diskussion auf der Grundlage des Mackenrothsehen Satzes über die „bessere“ Finanzierung der Rentenversicherung entfacht, konkret: über die Frage nach der Vorzugswürdigkeit von Umlage-oder Kapitaldeckungsverfahren Der Sozialwissenschaftler Gerhard Mackenroth, in dessen Institut wertvolle Beiträge zu aktuellen sozialpolitischen Fragen, u. a. auch zur Sozialreform enstanden, hat 1952 formuliert: „Nun gilt der einfache klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseigentum der laufenden Periode gedeckt werden muß. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein , Sparen* im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand. Kapitaldeckungsverfahren und Umlageverfahren sind also der Sache nach gar nicht wesentlich verschieden. Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlage-verfahren.“

Allgemein haben Rentner und Kinder somit eines gemeinsam: Sie sind unproduktive Konsumenten; d. h., ihre Alimentation erfolgt immer aus der von der jeweiligen Erwerbsbevölkerung erbrachten Wertschöpfung. Jede Rente, generell jeder Sozial-transfer muß immer aus dem jeweiligen Sozialpro-dukt finanziert werden. Dies gilt sowohl beim Umlageverfahren, bei dem die Renten -sieht man einmal vom Bundeszuschuß ab -von den erzielen Arbeitseinkommen abgezweigt werden, als auch beim Kapitaldeckungsverfahren. Denn innerhalb einer Volkswirtschaft muß die Summe aller Sollzinsen genauso groß sein wie die Summe aller Haben-zinsen, und jedem Verkäufer eines Wertpapiere muß ein Käufer gegenüberstehen. Dies bedeutet, daß auch kapitalstockfinanzierte Renten immer aus der Wertschöpfung der jeweiligen Periode entnommen werden müssen.

Die beiden Finanzierungssysteme unterscheiden sich dabei insbesondere in ihrer Abhängigkeit von bestimmten Größen: Während das Umlageverfahren von der Lohnentwicklung abhängt, ist das Kapitaldeckungsverfahren von der Zinsentwicklung abhängig. Damit hängen beide von der aktuellen Wertschöpfung ab. Wenn jedoch bei schrumpfender Bevölkerung die Wertschöpfung kaum steigt, sind die Renten auch nach dem Kapitaldeckungsverfahren gefährdet. Zusätzlich werden die Rentner auch hier eine Reduktion ihrer realen Renten durch eine Verschlechterung des Rentnerquotienten hinnehmen müssen Selbst wenn man nach Berücksichtigung weiterer Faktoren wie Bernhard Külp zu dem Schluß gelangt, daß nur ein geringer Vorteil des Kapitaldeckungsverfahrens gegenüber dem Umlagesystem verbleibt so verschwindet dieser doch durch die auf rund 30 Jahre -also eine Generation -zu veranschlagende Übergangsperiode, in deren Verlauf die Bevölkerung die bestehenden Rentenanwartschaften nach dem Umlageverfahren finanzieren und gleichzeitig einen eigenen Kapitalstock ansparen müßte. Ähnlich wichtig wie die Dikussion um die Finanzierungsart der Renten ist die Frage nach einer Mindestsicherung im Alter, die sowohl die sich aus der Erwerbsbiographie ergebende Altersarmut reduziert als auch einen flexiblen Übergang in die Rente bei prinzipiell möglicher Verlängerung der Erwerbsphase ermöglicht Angesichts der aus den verschiedensten Gründen, insbesondere aber Wettbewerbsgründen zu fordernden Flexibilisierung des Arbeitslebens und der zunehmenden Verbreitung neuer Formen der Erwerbsarbeit wird eine ausschließlich lohnbezogene Alterssicherung -wie wir sie haben -langfristig dysfunktional. Vor dem Hintergrund der zu beobachtenden Erosion des Normalarbeitsverhältnisses -der stillschweigenden Voraussetzung unseres lohnbezogenen sozialen Sicherungssystems -durch Teilzeitbeschäftigung, Job-sharing, geringfügig Beschäftigte oder neue Selbständige wird die Zahl der „unordentlichen“ Sozialversicherungsbiographien zunehmen. Damit wächst zugleich die Zahl der potentiell „Altersarmen“, was zu der bereits erwähnten Polarisierung im Alter führen wird.

Da beide Verfahren der Rentenversicherung -das Umlage-und das Kapitaldeckungsverfahren -gleichermaßen von der demographischen Entwicklung betroffen sind, stellt die Diskussion um das „richtige“ Finanzierungsverfahren weitgehend ein Scheingefecht dar, das von den wirklichen Problemen -der zunehmenden gesellschaftlichen und ökonomischen Individualisierung -ablenkt.

VI. Schlußfolgerungen

Tabelle 2: Anteil der Haushalte und Einpersonenhaushalte der älteren Bevölkerung an den Haushalten und Einpersonenhaushalten der Gesamtbevölkerung 1990 (in Prozent)

Ausgehend von den Prognosen zur demographischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland sollten exemplarisch deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, die Konsumsphäre und die Vermögensverhältnisse sowie auf die Gesetzliche Rentenversicherung gezeigt werden. In allen vier skizzierten Bereichen sind mehr oder weniger starke Reformen und Änderungen der Kategorisierung gesellschaftlicher Gruppen notwendig. Dabei darf nicht übersehen werden, daß zwischen den einzelnen Problemkreisen auch Interdependenzen bestehen bzw. auftreten können.

Die Wiedererlangung der Vollbeschäftigung bleibt in mittelfristiger Perspektive die zentrale politische Herausforderung. Ein hoher Beschäftigungsstand ist die Voraussetzung für eine emanzipatorische Politik vor dem Hintergrund der nicht nur schrumpfenden, sondern auch alternden Bevölkerung. Zunächst gilt es, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft zu stärken. Unter dieser Prämisse ist die hier vorgetragene Forderung nach einer flexiblen Lebensarbeitszeitregelung -im Gegensatz zu einer pauschalen Erhöhung des Renteneintrittsalters -zu sehen. Ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich war und wird auch in Zukunft in der Qualität ihres Humankapitals liegen. Aus diesem Grunde sollte darüber nachgedacht werden -auch angesichts des Tatbestandes, daß wir im internationalen Vergleich die ältesten Hochschulabsolventen und kürzesten Jahresarbeitszeiten haben ob diese Ressource -die in vielen Fällen mit zunehmendem Alter nicht etwa veraltet,sondern sogar noch an Qualität gewinnt -nicht möglichst langfristig und effizient in den Unternehmen eingesetzt, statt durch Vorruhestandsregelungen verschwendet werden sollte. Wenngleich jeder freiwerdende Arbeitsplatz in den Unternehmen die angespannte Arbeitsmarktsituation entlasten hilft, stellt sich doch vor dem Hintergrund zunehmender technologischer und arbeitsorganisatorischer Anforderungen die Frage, ob die aufzubringenden Mittel für die vorzeitige Freisetzung älterer, aber noch immer leistungsfähiger und hochqualifizierter Arbeitnehmer nicht besser verwendet werden können. Zu denken ist etwa an die befristete Freisetzung jüngerer -aber minder-qualifizierter -Arbeitnehmer mit dem Ziel der Weiterbildung. Im Vergleich zum konsumptiven Charakter der Ruhestandszahlungen wären dies Investitionen in die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Unternehmen und Staat sollten also Anreizmechanismen entwickeln und fördern, die wertvolles Humankapital binden, sie sollten aber auch die Möglichkeit zur krankheitsbedingten Frühverrentung einräumen.

Eine zentrale Rolle innerhalb der oben diskutierten Bereiche spielt somit die flexible Ausweitung der Lebensarbeitszeit, da hier Synergieeffekte, also positive Effekte des Zusammenspiels der verschiedenen Bereiche, zum Tragen kommen können. Den Befund etwa, daß bei einer Frauenerwerbsquote von 50 Prozent immerhin 25 Prozent der Ausbildungsinvestitionen brachliegen, weil ein erheblicher Anteil der Frauen zur Kindererziehung aus dem Erwerbsleben austritt, wird sich die Bundesrepublik Deutschland auf Dauer nicht leisten können. Eine demographisch motivierte Erhöhung der Frauenerwerbsquote darf dabei nicht als isoliertes emanzipatorisches Ziel verfolgt werden: Sie muß als Reaktion auf geänderte familien-politische Rahmenbedingungen erfolgen. Anderenfalls ginge eine erhöhte Frauenerwerbsquote nicht nur zu Lasten der Reproduktionsrate, sie würde auch zu einer Zunahme der Rentenanwartschaften führen, die die nächste Generation ebenfalls vor das Problem der Rentenfinanzierung stellen würde.

Bis zum Jahre 2030 wird sich die demographische Struktur Deutschlands -auch unter Berücksichtigung der Wanderungsströme -so stark verändert haben, daß das Sozialversicherungssystem in seiner derzeitigen Form von der um 10 Prozent geschrumpften Erwerbsbevölkerung kaum mehr zu finanzieren sein wird. Eine zur Lösung dieses Problems erforderliche Ausweitung des Erwerbspersonenpotentials bedarf zunächst eines entsprechenden Wirtschaftswachstums, das -vor dem Hintergrund einer um zehn Millionen geschrumpften Bevölkerung -im Inland kaum ausschließlich von einem expansiven Konsumdrang der wachsenden Gruppe der „vitalen, reichen Alten“ getragen werden könnte und somit durch entsprechende Exportaktivitäten zu erreichen sein wird. Das erforderliche Wirtschaftswachstum ist somit unmittelbar von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und damit auch von der Qualität des Humankapitals abhängig. Ausreichendes Human-kapital in qualitativer und quantitativer Sicht kann und muß somit -neben der humanitären durch eine „gezielte“ d. h. wirtschaftspolitisch rationale Einwanderungspolitik -durch eine flexible Verlängerung der Lebensarbeitszeit der „vitalen Erfahrungsträger“ und durch eine Mobilisierung weiblicher Humankapitalressourcen als Folge geänderter familienpolitischer Rahmenbedingungen oder arbeitsorganisatorischer Innovationen gebildet werden. Zur Finanzierung all dieser Reformvorhaben ist dann wiederum der Vermögensbestand der älteren Mitbürger notwendig.

Die Politik steht aufgrund der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung vor einem Verteilungsproblem. Herausragende Aufgabe ist es dabei, allen davon betroffenen Gruppen bereits jetzt die damit verbundenen Konsequenzen bewußt zu machen und die notwendigen Schritte einzuleiten, um so aus diesem Verteilungsproblem kein Akzeptanz-problem werden zu lassen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Bettina Sommer, Entwicklung der Bevölkerung bis 2030. Ergebnis der siebten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, in: Wirtschaft und Statistik, (1992) 4, S. 217-222.

  2. Vgl. Manfred Thon, Perspektiven des Erwerbspersonenpotentials in Gesamtdeutschland bis zum Jahre 2030, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (MittAB), (1991) 4, S. 706-712.

  3. Vgl. Günter Buttler, Der gefährdete Wohlstand. Deutschlands Wirtschaft braucht die Einwanderer, Frankfurt am Main 1992.

  4. Vgl. B. Sommer (Anm. 1), S. 218; M. Thon (Anm. 2), S. 708.

  5. Vgl. Wolfgang Zapf/Steffen Mau, Eine demographische Revolution in Ostdeutschland? Dramatischer Rückgang von Geburten, Eheschließungen und Scheidungen, in: Informationsdienst Soziale Indikatoren (IS), (1993) 10, S. 1-5.

  6. Vgl. Elmar Hönekopp, Ursachen und Perspektiven: Ost-West-Wanderungen, in: Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Arbeits-und Sozialforschung (Hrsg.), Zuwanderungspolitik der Zukunft, Bonn (1992), S. 23-32.

  7. Vgl. B. Sommer (Anm. 1), S. 218.

  8. Vgl. Bernd Hof, Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft, Arbeitsmarktchancen für Zuwanderer, in: Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung (Anm. 6), S. 17; M. Thon (Anm. 2), S. 709; s. a.den Beitrag von Gerhard Bäcker in diesem Heft, Kapitel III..

  9. Vgl. B. Hof (Anm. 8), S. 18.

  10. Vgl. M. Thon (Anm. 2), S. 675.

  11. Vgl. B. Sommer (Anm. 1), S. 217.

  12. Vgl. B. Hof (Anm. 8).

  13. Vgl. Bert Rürup, Wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven der Bundesrepublik Deutschland, München 1989, S. 115.

  14. Vgl. Werner Sesselmeier, Die arbeitsmarktpolitische Dimension in besonderer Betrachtung, in: Peter Ermer/Thomas Schulze/Frank Schulz-Nieswandt/Wemer Sesselmeier, Soziale Politik im EG-Binnenmarkt. Bisherige und zukünftige Entwicklungschancen, Regensburg 1990, S. 110-146.

  15. Einkommens-und Verbrauchsstichproben werden in einem fünfjährigen Turnus erhoben, so daß die Stichprobe von 1988 die neueste ist, deren Daten allerdings noch nicht vollständig ausgewertet sind. Soweit keine andere Quelle vermerkt ist, stammen die folgenden Zahlen aus dieser Stichprobe; vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, (1988) 2, Einkommens-und Verbrauchsstichprobe 1988. Vermögens-bestände und Schulden privater Haushalte, Wiesbaden 1991; s. a. Ulrike Schneider, Alternde Gesellschaft -Konsum im Alter. Perspektiven für die Entwicklung des privaten Verbrauchs vor dem Hintergrund des demographischen Reifungsprozesses, in: Forum demographie und politik, (1992) 2: Alternde Gesellschaft -Dynamische Wirtschaft?, Schriftenreihe der Kommission Demographischer Wandel/Seniorenpolitik beim SPD-Parteivorstand, Bonn 1992, S. 82-108; Jürgen Borchert, Renten vor dem Absturz. Ist der Sozialstaat am Ende?, Frankfurt am Main 1993.

  16. Vgl. Statistisches Bundesamt (Anm. 15).

  17. Vgl. J. Borchert (Anm. 15), S. 146, auch für die folgenden Ausführungen.

  18. Vgl. Anita B. Pfaff, Sozialbudget des Alters, in: Hans-Ulrich Klose (Hrsg.), Altem der Gesellschaft. Antworten auf den demographischen Wandel, Köln 1993, S. 121-150; Barbara Riedmüller, Umbau des Sozialstaats. Die Krise als Chance nutzen, in: ebd., S. 151-171; Renate Schubert, Ökonomische Diskriminierung von Frauen. Eine volkswirtschaftliche Verschwendung, Frankfurt am Main 1993.

  19. Vgl. dazu den Beitrag von Klaus-Peter Schwitzer in diesem Heft.

  20. Vgl. U. Schneider (Anm. 15), S. 93.

  21. Vgl. U. Schneider (Anm. 15), S. 97.

  22. Vgl. ebd., S. 100.

  23. Vgl. J. Borchert (Anm. 15), S. 71-74.

  24. Vgl. U. Schneider (Anm. 15), S. 100.

  25. Vgl. ebd., S. 102.

  26. Vgl. ebd., S. 89; s. a.den Beitrag von Malte Ristau/Petra Mackroth in diesem Heft.

  27. Vgl. J. Borchert (Anm. 15), S. 73.

  28. Vgl. Deutscher Bundestag, Bericht der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, Drucksache 12/3111, Bonn 1992.

  29. Vgl. Bernhard Felderer, Soziale Lasten und Generationenfolge, in: Friedrich Buttler/Gerhard Kühlewind (Hrsg.), Erwerbstätigkeit und Generationenvertrag -Perspektiven bis 2030, Beiträge zu Arbeitsmarkt-und Berufsforschung (BeitrAB) (1989) 130, S. 35-42; Bernhard Külp, Unterschiedliche Finanzierungssysteme der gesetzlichen Rentenversicherung und ihr Einfluß auf die Verteilung zwischen den Generationen, in: Hamburger Jahrbuch, Hamburg 1991, S. 35-54.

  30. Vgl. B. Felderer (Anm. 29), S. 35.

  31. Vgl. B. Külp (Anm. 29).

  32. Vgl. ebd., S. 53.

  33. Vgl. Hans-Jürgen Krupp, Mindestsicherung im Alter -im gesellschaftlichen Wandel erst recht notwendig, in: H. -U. Klose (Anm. 18), S. 172-186; Winfried Schmahl (Hrsg.), Mindestsicherungen im Alter. Erfahrungen, Herausforderungen, Strategien, Frankfurt am Main-New York 1993.

Weitere Inhalte

Bert Rürup, Dr. Dr. h. c., geb. 1943; Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft an der TH Darmstadt; mehrere Rufe an in-und ausländische Universitäten und Forschungseinrichtungen. Veröffentlichungen: Zahlreiche Bücher, Gutachten und Aufsätze zu Fragen und Problemen der öffentlichen Planung und Effizienzkontrolle, der Steuer-und Finanzpolitik, der Beschäftigungs-und Arbeitsmarktpolitik, sektoraler Wandlungsprozesse sowie insbesondere Konsequenzen des ökonomischen, technologischen und demographischen Wandels für das System der sozialen Sicherung. Werner Sesselmeier, Dr. rer. pol., geb. 1961; Studium der Volkswirtschaftslehre in Regensburg; wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TH Darmstadt. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Gregor Blauermel) Arbeitsmarkttheorien: Ein Überblick, Physica-Lehrbuch, Heidelberg 1990; (Hrsg.) Der Arbeitsmarkt -Probleme, Analysen, Optionen, Probleme der Einheit Band 1, Marburg 1991; Gewerkschaften und Lohnfindung. Zur arbeitsmarkt-und gewerkschaftstheoretischen Analyse flexibler Lohn-strukturen, Heidelberg 1992; (zus. mit Bert Rürup) Einwanderung: Die wirtschaftliche Bedeutung, in: F. Balke u. a. (Hrsg.) Schwierige Fremdheit. Über Integration und Ausgrenzung in Einwanderungsländern, Frankfurt am Main 1993.