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Staatszielbestimmung Umweltschutz | APuZ 52-53/1993 | bpb.de

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Staatszielbestimmung Umweltschutz

Klaus G. Meyer-Teschendorf

/ 10 Minuten zu lesen

I. Empfehlung der Gemeinsamen Verfassungskommission für einen neuen Art. 20 a GG

Eine wesentliche und zunehmend eigenständige Rolle im Zuge der Staatsziel-Diskussion spielte die Frage nach der Aufnahme eines Staatsziels Umweltschutz in das Grundgesetz. Die spezielle Problematik eines Staatsziels Umweltschutz wurde an prominenter Stelle in den Plenardebatten der Gemeinsamen Verfassungskommission zu den Staats-zielen am 14. Mai 1992 sowie am 12. November 1992 behandelt. Die Frage eines Staatsziels Umweltschutz war wesentliches Element auch der Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission zum (General-) Thema „Staatsziele und Grundrechte“ am 16. Juni 1992.

Zu den Staatszielen generell wie speziell zum Staatsziel Umweltschutz fanden zwischen September 1992 und Januar 1993 zahlreiche Berichterstatter-Gespräche statt. Diese Berichterstatter-Gespräche bildeten die Grundlage für die abschließende Beratung der allgemeinen Staatszielproblematik in der Gemeinsamen Verfassungskommission am 11. Februar 1993. Im Vordergrund dieser Sitzung standen die Abstimmungen über verschiedene Anträge zur Aufnahme eines Staats-ziels Umweltschutz in das Grundgesetz; keiner der zur Abstimmung gestellten Vorschläge erreichte jedoch die für verfassungsändernde Kommissionsempfehlungen erforderliche Zweidrittelmehrheit von 43 Stimmen.

Auf informeller Basis wurden daraufhin die Gespräche über ein Staatsziel Umweltschutz erneut aufgenommen. Diese Gespräche hatten zum Ergebnis, daß in der letzten Beratungs-und Abstimmungssitzung der Gemeinsamen Verfassungskommission am 1. Juli 1993 das Staatsziel Umweltschutz -nicht aber auch die übrigen (sozialen) Staatsziele -noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit wurde die Empfehlung beschlossen, nach Art. 20 GG folgenden neuen Art. 20a GG anzufügen: „Der Staat schützt, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen, die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. “

II. Parteiübergreifender Konsens, den Umweltschutz in die Verfassung aufzunehmen

Ausgangspunkt der Beratungen in der Gemeinsamen Verfassungskommission war die parteiübergreifende Auffassung, daß -unabhängig von der Frage, wie man sich zur Aufnahme sonstiger Staatszielbestimmungen in das Grundgesetz stellt -jedenfalls die verfassungsrechtliche Verankerung eines Staatsziels Umweltschutz geboten oder doch jedenfalls erwünscht sei.

Dabei spielten insbesondere folgende Erwägungen eine Rolle: Beim Umweltschutz handele es sich um ein existentielles, langfristiges Interesse des Menschen. Die sich daraus ergebende ökologische Herausforderung an den Staat sei bei Schaffung des Grundgesetzes noch nicht absehbar gewesen. Die geltende Verfassungsordnung gewährleiste den natürlichen Lebensgrundlagen weder durch die Grundrechte noch durch objektiv-rechtliche Verfassungsprinzipien hinreichenden Schutz. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sei eine hochrangige, grundlegende und auch in die staatliche Verantwortung fallende Aufgabe, die den in Art. 20 Abs. 1 GG genannten Staatszielen und Strukturprinzipien in Rang und Gewicht gleichkomme.

III. Grundsätzlicher Dissens hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung

Zu dem verfassungspolitischen Konsens über das „Ob“ eines Staatsziels Umweltschutz kontrastierte ein verfassungspolitischer Dissens hinsichtlich des „Wie“ seiner konkreten Ausgestaltung. Der Streit darüber, in welcher Formulierung der Umwelt-schütz als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte, war nicht etwa nur formal oder gar vordergründig, sondern von evident materieller und darin substantieller Qualität. Zum einen ging es um die Frage, ob Umweltschutz anthropozentrisch verstanden werden muß oder ob die Natur uni ihrer selbst willen geschützt, also ein eigenes Lebensrecht der Tiere, Pflanzen und sonstiger Schöpfungselemente anerkannt wird. Umstritten war aber vor allem, ob das künftige Staatsziel Umweltschutz ausschließlich die Legislative binden oder ob es auch die Exekutive und die Judikative zu selbständigem Handeln ermächtigen sollte. Die Ausgangspositionen von CDU/CSU und SPD zu diesen Fragen stellten sich wie folgt dar:

Die CDU/CSU warb für die anthropozentrische Ausrichtung eines Staatsziels Umweltschutz. Nach der Verfassungsordnung (Art. 1 GG: Garantie der Menschenwürde) sei der Mensch Maß und Mittelpunkt aller staatlichen Regelungen und Maßnahmen. Damit sei unvereinbar, die Umwelt aus eigenem Recht unter Schutz zu stellen. Der Umwelt als solcher könne kein der Stellung des Menschen gleichgeordneter verfassungsrechtlicher Eigenwert zuerkannt werden. -Die SPD entgegnete, daß mit ihr eine anthropozentrische „Verengung“ des Umweltschutzes nicht in Betracht komme. Die Umwelt bedürfe verfassungsrechtlichen Schutzes auch um ihrer selbst willen. Die anthropozentrische Sichtweise bedeute im Ergebnis eine massive Einschränkung des Umweltschutzes.

Die CDU/CSU betonte die aus ihrer Sicht zwingende verfassungspolitische Notwendigkeit eines Ausgestaltungsvorbehalts zugunsten des Gesetz-gebers. Der Umweltschutz könne als Schutzgut nicht für sich stehen, insbesondere keine einseitige Priorität beanspruchen. Er sei vielmehr in vielfältigen Spannungslagen -etwa mit Wirtschaftswachstum, Industrieansiedlung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Wohnungsbau, Energieversorgung, Verkehrsversorgung usw. -zu sehen und umzusetzen. Alle diese Zielsetzungen seien ebenfalls von herausragender Qualität, sie seien in ihrem Geltungs-bzw. Prioritätsanspruch gegenüber dem Umweltschutz nicht minder-, sondern gleichwertig. Gerade eine wirksame und erfolgreiche Umweltschutzpolitik fordere deshalb den stetigen (verhältnismäßigen) Schutzgüter-oder Interessenausgleich. Der Ausgleich des Staatsziels Umweltschutz mit den anderen Staatsaufgaben, mit dem öffentlichen Interesse und mit den Rechten des einzelnen aber könne -wie schon bei der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) -nur durch die allgemein-verbindliche politische Entscheidung des Gesetzgebers, nicht aber von Fall zu Fall durch Verwaltung und Gerichte erfolgen. Deshalb bedürfe es des Konkretisierungsvorbehalts für den Gesetzgeber. Wer auf diesen verzichten wolle, begreife den Umweltschutz nicht mehr in Relation zu jenen anderen Schutzgütern; Umweltschutz könne damit von einem gleichrangigen zu einem vorrangigen oder gar allein ausschlaggebenden Belang werden.

Die SPD sprach sich dezidiert gegen jede Form eines gesetzgeberischen Konkretisierungs-bzw. Aktualisierungsprimats aus. Der Umweltschutz werde damit im Ergebnis zur Disposition des Gesetzgebers gestellt; der Gesetzesvorbehalt nehme dem Staatsziel praktisch seine Verfassungsqualität und stelle den Umweltschutz nach Art und Intensität ganz der jeweiligen Parlamentsmehrheit anheim. Die Formulierung müsse klarstellen, daß kein Gesetzgebungsauftrag gemeint sei. Es stelle sich die Frage, warum ausgerechnet beim Staatsziel Umweltschutz mit dem Gesetzgebungsvorbehalt ein „Bremsblock“ eingezogen werden müsse; das Sozialstaatsprinzip z. B. unterliege keinem Gesetzesvorbehalt. Der Umweltschutz dürfe jedoch gegenüber anderen Staatszielen nicht relativiert werden. Die Vorstellung, nur der Gesetzgeber sei berufen, Umweltschutz zu beachten, greife zu kurz. Der Umweltschutz müsse sich gleichrangig auch an die Rechtsprechung und an die Verwaltung richten. Andernfalls würde der Umweltschutz zu einem Staatsziel „zweiter Klasse“. Der Rahmen der „verfassungsmäßigen Ordnung“ im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG bleibe auf jeden Fall erhalten. Die Gerichte könnten ein solches Staatsziel nicht beliebig interpretieren, sondern blieben selbstverständlich an Recht und Gesetz gebunden.

Anthropozentrischer Ansatz und gesetzgeberischer Konkretisierungsvorbehalt spielten die entscheidende Rolle schon in der parlamentarischen Debatte um ein Staatsziel Umweltschutz in der 11. Wahlperiode. Die Grundposition der CDU/CSU (und damals auch noch der FDP) -anthropozentrische Ausrichtung, ausdrücklicher Gesetzgebungsvorbehalt -mündete in die Formel ein: „Die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen stehen unter dem Schutz des Staates. Das Nähere regeln die Gesetze. “ Die SPD hielt dem -auf der Grundlage ihrer Ausgangsposition: keine Anthropozentrik, kein Gesetzgebungsvorbehalt -folgenden Vorschlag entgegen, den sie bereits in der 10. Wahlperiode eingebracht hatte: „Die natürlichen Lebensgrundlagen stehen unter dem besonderen Schutz des Staates.“ Keiner der beiden Gesetzentwürfe erhielt die erforderliche verfassungsändernde Mehrheit.Anthropozentrischer Ansatz und Gesetzesvorbehalt waren die beiden strittigen Probleme auch in den Beratungen der Kommission Verfassungsreform des Bundesrates über ein Staatsziel Umweltschutz. Mit Zweidrittelmehrheit war dort folgender Vorschlag -ohne anthropozentrische Ausrichtung, ohne Gesetzgebungsvorbehalt -für einen neuen Art. 20a GG angenommen worden: „Die natürlichen Grundlagen des Lebens stehen unter dem besonderen Schutz des Staates. “ Fünf Länder hatten demgegenüber vorgeschlagen, das Grundgesetz wie folgt zu ergänzen: „Der Staat schützt die natürlichen Grundlagen des Lebens durch seine gesetzliche Ordnung.“ Auf den (ausdrücklichen) anthropozentrischen Ansatz war hier zur Erzielung eines Konsenses verzichtet worden, nicht aber auf einen förmlichen Gesetzgebungsvorbehalt.

IV. Der Kompromißvorschlag der Berichterstatter: Umweltschutz „im Rahmen derverfassungsmäßigen Ordnung“

Im weiteren Verlauf der Beratungen gab die CDU/CSU zu erkennen -wie schon in der Kommission Verfassungsreform des Bundesrates -, im Interesse eines mehrheitsfähigen Kompromisses nicht zwingend auf einer ausdrücklichen Verankerung des anthropozentrischen Ansatzes im Grundgesetz bestehen zu wollen. Die SPD erklärte ihrerseits, daß sie nicht länger -wie noch in der 11. Wahlperiode -auf der Hervorhebung eines „besonderen Schutzes“ für die natürlichen Lebensgrundlagen beharren werde.

Ein Kompromiß in der Frage des Gesetzgebungsvorbehalts schien mit folgender, vom Mit-Vorsitzenden Abg. Prof. Dr. Scholz in die Diskussion gebrachten und von den Berichterstattern einvernehmlich aufgegriffenen Formel gelingen zu können: „Die natürlichen Lebensgrundlagen stehen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung unter dem Schutz des Staates." Die Berichterstatter gingen dabei von folgenden Erwägungen aus: -Mit dieser Formulierung werde der Staat im Wege eines objektiv-rechtlichen Verfassungssatzes auf den Umweltschutz verpflichtet, die Formulierung biete keine Grundlage für individualrechtliche Rechtsansprüche. -Der Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung“ sei zwar -auch und gerade im engeren Kontext des Grundgesetzes -mehrdeutig; im vorliegenden Zusammenhang entspreche er dem Begriffsinhalt des Art. 20 Abs. 3 GG, nicht dem (weiteren bzw. engeren) Inhalt der gleichlautenden Begriffe in Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 9 Abs. 2 GG. Die verfassungsmäßige Ordnung im hier gemeinten Sinne sei also die Gesamtheit der Normen des Grundgesetzes, nicht -wie in Art. 2 Abs. 1 GG -die Gesamtheit aller mit der Verfassung übereinstimmenden Normen, aber auch nicht nur -wie in Art. 9 Abs. 2 GG -die der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes. -Der Bezug zur so verstandenen „verfassungsmäßigen Ordnung“ leiste die nötigen Ausbalancierungen mit anderen, ebenso verfassungsrechtlich legitimierten Schutzgütern.

Der Vorschlag der Berichterstatter war von der SPD zum förmlichen Antrag erhoben und in der Sitzung der Gemeinsamen Verfassungskommission am 11. Februar 1993 zur Abstimmung gestellt worden. Mit 41 Stimmen verfehlte er nur knapp die für eine verfassungsändernde Kommissionsempfehlung erforderliche Zweidrittelmehrheit von 43 Stimmen.

Auf Seiten der CDU/CSU beharrte die Mehrheit auf einer auch förmlichen Ausweisung des Gesetzgebungsvorbehalts.

Nur so könne der Gefahr vorgebeugt werden, daß letztlich nicht mehr die Parlamente, sondern die Gerichte über Inhalt und Grenzen des Umweltschutzes befinden. Von der CDU/CSU-Fraktion wurde in der Sitzung am 11. Februar 1993 dann folgender Vorschlag für einen neuen Art. 20a GG zur Abstimmung gestellt:

, „Die natürlichen Grundlagen des Lebens stehen unter dem Schutz des Staates. Das Nähere regeln die Gesetze.“ In die gleiche Richtung wies folgender Antrag des Freistaats Bayern: „Der Staatschütztdie natürlichen Lebensgrundlagen durch seine gesetzliche Ordnung.“ Beide Anträge verfehlten schon die einfache Mehrheit.

Schon die einfache Mehrheit verfehlte auch ein Antrag des Landes Hessen, demzufolge die natürlichen Grundlagen des Lebens unter dem „besonderen Schutz“ des Staates stehen sollten. Nur drei Ja-Stimmen erhielt der Vorschlag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Staatsziel Umweltschutz. Hiernach sollten die natürlichen Lebensgrundlagen „gegenwärtiger und künftiger Generationen“ sowie „die Natur um ihrer selbst willen“ unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Ferner sollten Bund, Länder und Gemeinden verpflichtet werden, die „ökologischen Bela stungen“ zu dokumentieren und über alle wichtigen ökologischen Entscheidungen, Programme, Vorhaben und Maßnahmen zu informieren.

V. Erneute Abstimmung über den Umweltschutz am 1. Juli 1993

Informelle Gespräche mit dem Ziel, doch noch eine mehrheitsfähige Konsensformel für ein Staatsziel Umweltschutz zu finden, führten dazu, daß in der abschließenden Sitzung der Gemeinsamen Verfassungskommission am 1. Juli 1993 der Umweltschutz erneut auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Die SPD hatte sich den eingangs zitierten Vorschlag antragsmäßig zu eigen gemacht und zur Abstimmung gestellt. Mit 43 Ja-Stimmen -bei 14 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen -überwand er knapp die geforderte Zweidrittel-Hürde.

Die Vorbehalte, die in der Sitzung am l. Juli 1993 gegen die neue Formel geltend gemacht wurden, betrafen im wesentlichen die Bindung der Exekutive und Judikative {„nach Maßgabe von Gesetz und Recht“). Es wurde -wieder -die verfassungspolitische Sorge vorgetragen, daß Behörden und vor allem Gerichte die neue Staatszielbestimmung als Grund oder Vorwand nehmen könnten, am Gesetzgeber vorbei eigene umweltpolitische Maßnahmen zu dekretieren. Hier sorge insbesondere der Zusatz „und Recht“ für Unklarheit, obwohl -oder gerade weil -die Formel dem geltenden Art. 20 Abs. 3 GG entspreche. Schon dort sei die Formel unklar: Verweisung auf überpositives Recht und die Idee der Gerechtigkeit? Auf Richterrecht? Auf Gewohnheitsrecht? Damit würden nur Auslegungen ermuntert, das Staatsziel auch gegen die Auffassungen des Gesetzgebers umzusetzen. Die Bindung allein an das Gesetz, also das positive Recht, müsse gewährleistet sein.

Die CDU/CSU-Fraktion hat deshalb einen Vorschlag zur Abstimmung gestellt, der -bei Wort-identität mit dem SPD-Antrag im übrigen -Umweltschutz durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung nicht „nach Maßgabe von Gesetz und Recht“, sondern -nur -„nach Maßgabe der Gesetze“ vorsah. Dieser Antrag verfehlte -bei 25 Ja-Stimmen, 32 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen -schon die einfache Mehrheit.

VI. Eckwerte der Kommissionsempfehlung für ein Staatsziel Umweltschutz

Die verfassungsändernde Kommissionsempfehlung für einen neuen Art. 20a GG weist folgende -materielle -Eckwerte auf:

-Der Umweltschutz wird auf ein objektiv-rechtliches Staatsziel beschränkt; er zeitigt keine unmittelbaren Rechtswirkungen für den Bürger. Er erlegt ihm keine Rechtspflichten auf (das wäre dem rechtsstaatlichen Verfassungsgesetz ohnehin fremd); er gibt ihm aber auch keine subjektiven öffentlichen Rechte. Es wird daher nicht möglich sein, aufgrund der empfohlenen Staatszielbestimmung bestimmte Umweltentscheidungen einzuklagen oder aus ihr konkrete Leistungsansprüche abzuleiten. -Herausgehoben wird die „ Verantwortung auch für die künftigen Generationen“. Damit wird zum einen bestätigt, was für Staatsziele ohnehin gilt: ihr dynamischer, auf die künftige Gestaltung sozialer Lebensverhältnisse zielender Gehalt. Zum anderen wird betont, daß die natürlichen Lebensgrundlagen nicht nur für die lebende Generation, sondern auch für die nachfolgenden Generationen von existentieller Bedeutung sind. -Die Einordnung der Staatszielbestimmung in die „verfassungsmäßige Ordnung“ (wobei insoweit der Begriffsinhalt des Art. 20 Abs. 3 GG zugrunde gelegt wird) bedeutet die prinzipielle Gleichordnung des Umweltschutzes mit anderen Verfassungsprinzipien und Verfassungsrechtsgütern. Der Umweltschutz genießt also keine prioritär-absolute Stellung; er ist vielmehr in Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen.

-Indem der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zunächst dem Gesetzgeber zugewiesen wird {„durch die Gesetzgebung“), enthält der Vorschlag einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber. Dieser resultiert aus der Weite und Unbestimmtheit des Staatsziels, dessen Verwirklichung -auch und gerade unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit -eine Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern und Verfassungsprinzipien erfordert. -Die ausdrückliche Erwähnung des Schutzes auch durch Rechtsprechung und Verwaltung beinhaltet zum einen die Aussage, daß auch die zweite und dritte Gewalt beim Schutz der natürlichen Lebens-

Fussnoten

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Klaus G. Meyer-Teschendorf, Dr. jur., geb. 1949; Ministerialrat; z. Z., Referent der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (Arbeitsgruppe Verfassung).